Lustkiller Pille?

Transcription

Lustkiller Pille?
Fortbildung + Kongress
Hormonale Kontrazeption
Lustkiller Pille?
Teil 1: Wie Hormone die Libido beeinflussen
Hans-Joachim Ahrendt
T eil 2: Einfluss verschiedener
hormonaler Kontrazeptiva auf
die Libido
Hormonale Kontrazeptiva stellen die sicherste reversible Methode der Geburtenregelung und Familienplanung dar. Sie bieten die Möglichkeit, Sexualität absolut von der Zeugung abzukoppeln. Damit besteht die Voraussetzung, sich ohne Angst
vor einer un­erwünschten Schwangerschaft leidenschaftlich dem
sexuellen Zärtlichkeitsaustausch hinzugeben, sich absolut fallen lassen zu können. In die Sprechstunde kommen aber nicht
selten Frauen, die über mangelnde Libido klagen und einen
Zusammenhang mit der Anwendung der Pille vermuten. Dann
stellt sich die Frage, ob die Ursachen im konkreten Fall tatsächlich bei der Pille liegen und wenn ja, ob ein gezielter Präparatwechsel aussichtsreich ist.
kungen oder Beeinträchtigungen der
sexuellen Appetenz werden als erhebliche Beeinträchtigung der Lebens­
qualität empfunden und es wird nach
Ursachen gesucht. Nicht selten wird
dann ein Zusammenhang mit dem
hormonalen Kontrazeptivum gesehen.
In der gynäkologischen Sprechstunde
wird dies dann mit Nachdruck dargestellt: „Seit dem ich die neue Pille
nehme, habe ich kein sexuelles Verlangen mehr.“ (1).
Erst mit der Möglichkeit der sicheren
hormonalen Kontrazeption wurde es
möglich, dass sich die sexuelle Appetenz der Frau voll entwickelte und
die Frau zu einem aktiven Sexualpartner in der Beziehung wurde. Vor der
Markteinführung der Pille fand die
Libido der Frau in epidemiologischen
Studien (fast) nie Erwähnung.
Ist die Pille alleiniger Verursacher
von Störungen der sexuellen Appetenz? Kommen hormonale Kontrazeptiva wirklich als „Lustkiller“ in Betracht? Und wenn ja, welche und
unter welchen Bedingungen? Welche
Zusammenhänge lassen sich wissenschaftlich erklären?
Vor der Pillenära wurde fast ausschließlich dem Orgasmus der Frau
Bedeutung beigemessen. So schrieb
Wilhelm Reich 1927: „Es ist gleichgültig, ob eine Frau mehr oder weniger sexuell empfindet, wichtig ist nur,
ob der Orgasmus gestört ist!“ (18).
Sexuelle Unlust der Frau wurde als
Frigidität „abgestraft“. Frigidität bedeutete Alibidimie, Sexualkälte, Angst
vor Nähe, Unbefriedigtsein, Neurose.
Die sexuelle Appetenz der Frau wurde
nicht nur durch die frauenfeindliche
Sexualmedizin dieser Zeit beeinträchtigt, sondern auch durch die Rolle,
die der Frau zugewiesen wurde, durch
das Patriarchat, durch kirchliche Doktrin und natürlich auch durch die stetig währende Angst vor einer nicht
gewünschten Schwangerschaft. Hohe
Zahlen von Selbstabtreibungen dieser
Zeit sprechen für sich. Nicht selten
endete dies als septischer Abort oder
gar tödlich.
240
T eil 1: Wie Hormone die Libido
beeinflussen
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Nr. 3
Das alles hat die sexuelle Appetenz
der Frau derart beeinträchtigt, dass
man der Frau lange gar keine eigene
aktive Sexualität zuschrieb. Selbst
in der Darstellung der sexuellen
Erregungsab­läufe von Masters und
Johnson (1956) findet die Libido keine Berücksichtigung. Diese wurde erst
später von Ellen Singer Kaplan eingebracht. Noch Anfang der 90er-Jahre
finden wir Aussagen wie: „Es scheint
Geschlechts­unterschiede dahin zu geben, dass Frauen eine andere Sexua­
lität wollen, ...“ (23). Erst 2002 wurde
die Darstellung der sexuellen Erregungsabläufe durch Rosmarie Basson
(7) spezifisch für die Frau verändert.
Sexualität ohne Angst –
aber auch ohne Lust?
Die Entwicklung der Pille stellt damit
nicht nur hinsichtlich der Möglichkeit
einer sicheren Kontrazeption, sondern
auch hinsichtlich der freien Entfaltung
der Sexualität der Frau, insbesondere
ihrer Libido, eine Revolution dar. 50
Jahre nach Markteinführung der Pille
ist es für Frauen nicht nur zu einer
Selbstverständlichkeit geworden,
angstfrei lustvolle Sexualität zu erleben, sondern für viele auch zu einem
Bedürfnis, permanent über eine gute
Libido verfügen zu können. Schwan-
Die menschliche Sexualität mit ihren
drei Dimensionen Fortpflanzung, Lust
und Beziehung unterliegt verschiedenen Einflüssen. Neben den biologischen sind insbesondere psycho­
soziale Aspekte sowie die intrapersonellen und interpersonellen Aspekte
der Beziehungsebene ausschlaggebend. Störungen in einer dieser Ebenen bedingen Störungen im Gesamtgefüge.
Östrogene und Gestagene
und Libido
Östrogene selbst sind für die sexuelle Appetenz nicht ausschlaggebend,
sondern das Testosteron.
Östrogene wirken
„„
auf die somatischen Strukturen
der biologischen Reproduktion,
„„
auf die somatischen Strukturen
des Lusterlebens (Klitoris, Lubrikation, u. a.)
Caruso et al. postulierten, dass die
Höhe der Serumöstrogene, z. B. die
Höhe der Dosis an Ethinylestradiol in
der Pille, für die sexuelle Lust und
Erregung in der Weise von Bedeutung
sein könnte, dass sie für eine Verbesserung der Lubrikation sorgt.
In einer Studie (8) klagten 19 % der
Frauen, die ein orales Kontrazeptivum
(OC) mit 15 µg EE anwendeten, über
Dyspareunien. Dadurch stellte sich
keine sexuelle Erregung ein, was wiederum mit verminderten sexuellen
Fantasien und einem vermindertem
sexuellem Vergnügen einherging. Unter OCs mit 30 µg EE dagegen berichteten die Patientinnen von einer Zunahme der vaginalen Lubrikation und
einem insgesamt besseren Sexual­
leben (9).
Testosteron und Libido
Testosteron ist auch für die Frau das
Leithormon für die Libido. Ein Absenken des Testosteronspiegels beeinträchtigt die sexuelle Appetenz. Täglich werden bei der fertilen Frau
400 pg/ml Testosteron gebildet, davon 25 % in den Ovarien, 25 % in der
Nebennierenrinde und 50 % durch
Konversion im Fett- und Muskelge­
webe (14).
Den Nachweis, dass Testosteron die
sexuelle Appetenz steigert, erbrachten bereits Sherwin et al. 1985
(21). Die Gabe von Testosteron allein oder in Kombination mit Estradiol (E2) bei Frauen nach beidsei­
tiger Ovarektomie erhöhte das sexuelle Verlangen und die Häufigkeit
der sexuellen Fanta­sien. Diese Effekte wurden auch durch andere Stu­
dien belegt (3, 4, 16, 20). Allerdings
sind die Angaben über die Korrelation zwischen der Höhe der SerumAndrogenspiegel und einem spezifischen sexuellen Verhalten und Erleben, wie Libidostärke, Maß sexueller
Erregung oder Masturbations-Frequenz, inkonsistent (2).
Viele dieser Studien beziehen sich
auf das Gesamt-Testosteron. Jedoch
üben nur das nicht an das SHBG gebundene freie Testosteron (FT), etwa
2 %, und das an Albumin gebundene
Testosteron biologische Effekte aus.
Der mitzyklische Anstieg der ovariellen Androgensekretion geschieht unter dem Einfluss hoher LH-Werte zu
diesem Zeitpunkt (25). Orale Kontrazeptiva unterdrücken das FSH und
LH, vermindern die ovarielle Sekre­
tion von Testosteron in Zyklusmitte
und bewirken eine tonische Testosteron-Sekretion über den gesamt Zyklus (28).
Das SHBG bindet das Testosteron
wie auch das Östrogen im Serum und
verringert dadurch seine biologische
Aktivität. Ein Ansteigen des SHBG
bedingt eine Reduktion von freiem
Testosteron und hat damit Auswirkungen auf die sexuelle Appetenz
(10).
Somit liefert der Vergleich von Frauen
mit und ohne Anwendung hormonaler
Kontrazeptiva ein nützliches Modell
für die Beziehung zwischen Zyklizität
oder Tonizität der Testosteronsekre­
tion und des weiblichen Sexualverhaltens.
Zyklus und Libido
Nicht nur die Östrogene und das
Progesteron werden innerhalb der
Phasen des Menstruationszyklus
(Postmenstruation, Zyklusmitte, Prämenstruation, Menstruation) in unterschiedlicher Höhe gebildet, sondern auch die Androgene, insbesondere das Testosteron. Diese Zyklizität der Testosteronfreisetzung beeinflusst wesentlich das weibliche
Sexualverhalten (22). Bei ovulierenden Frauen steigen die Plasma-Testosteronspiegel in der Zyklusmitte
und fallen prämenstruell wieder ab
(4, 13, 24).
Das größte sexuelle Interesse der
Frau besteht in der Follikelphase (s.
Abb. 1), in der auch das allgemeine
Wohlbefinden stark ausgeprägt ist.
In einer Studie der Universität Nevada, an der 58 Frauen im Alter von 18
bis 35 Jahren teilnahmen, gaben unter den Teilnehmerinnen, die keine
hormonalen Kontrazeptiva anwendeten, diejenigen mit einem hohen
Estradiol in der Follikelphase eine
signifikant höhere körperlichen Leistungsfähigkeit und eine größere kör-
Fortbildung + Kongress
„„
auf die körperlich-sexuelle
Attraktivität.
Sexuelles Interesse in unterschiedlichen Zyklusphasen
bei ­Nichtanwenderinnen von OC
60
%
50
50
viel
wenig
45
40
30
20
25
14
10
0
vor der
Menstruation
9
während der
Menstruation
7
nach der
Menstruation
Abb. 1: Sexuelles Interesse in Abhängigkeit von der Zyklusphase bei Nichtanwenderinnen von
OC, n = 3.252 (nach 27)
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241
Fortbildung + Kongress
perlichen Anziehung gegenüber Männern an (12).
Warner und Bancroft fanden 1988 in
ihrer Studie, dass OCs die Unterschiede im sexuellen Erleben in den Zyklusphasen nivellieren. Sowohl die OCAnwenderinnen als auch die Nichtanwenderinnen hatten die größte sexuelle Appetenz im Zeitraum nach der
Menstruation. Aber sowohl in der
prämenstruellen Phase als auch während der Menstruation hatten Frauen
mit Pillenanwendung eine größere
sexuelle Appetenz (27).
Guillermo et al. (12) bestätigten dies.
Frauen mit hormonalen Kontrazeptiva
berichteten in jeder Phase des Menstruationszyklus (vor allem während der
Follikelphase) von einer signifikant
höheren allgemeinen Anziehung zu
aktuellen oder potenziellen Männern,
größerer sozio-sexueller Attraktion und
größerer körperlicher Anziehung.
In dieser Studie ergaben sich bei den
Pillenanwenderinnen folgende positive Korrelationen:
„„
Hohes DHEAS
−−korreliert positiv mit der
allgemeinen Attraktion in
der Follikelphase,
−−korreliert positiv mit der
körper­lichen Leistungsfähigkeit
in der Zyklusmitte und der
Lutealphase.
„„
Hohes Estradiol, Progesteron,
Testosteron und DHEAS in der
Lutealphase korreliert mit höherer
körperlicher Leistungsfähigkeit.
„„
Hohes Cortisol in der Zyklusmitte
korreliert mit hoher sexueller
Genussfähigkeit.
„„
Hohes Estradiol in der Follikelphase
korreliert positiv mit der allgemeinen Attraktion.
„„
Hohes Estradiol und Estriol in
der Lutealphase korreliert positiv
mit Interesse an Sexuellem, der
sexuellen Appetenz.
242
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−−17β-Estradiol/-valerat oral: leichte Erhöhung.
„„
Hohes Progesteron
−−korreliert mit sozialer
Attraktivität,
−−korreliert mit körperlicher
Leistungsfähigkeit.
Östrogen-Gestagen-Kombinationen und Sexualität
Hormonale Kontrazeptiva beeinflussen
je nach ihrer Zusammensetzung den
SHBG-Spiegel unterschiedlich. Der Grad
dieser Beeinflussung hängt dabei von
der Art und Dosis der eingesetzten Östrogene und/oder Gestagene und auch
von der Art der Applikation ab.
Das in den meisten Pillen enthaltene
Ethinylestradiol erhöht stark den
SHBG-Spiegel und bedingt damit ein
niedriges Testosteron. Das neuerdings
in einigen oralen Kontrazeptiva enthaltene Estradiol bzw. Estradiolvalerat
führt dagegen nur zu einem leichten
Anstieg des SHBG und erscheint demnach für die Libido günstiger.
Von großer Bedeutung sind auch die
synthetischen Gestagene. Gestagene
der 19-Nortestosteron-Reihe haben
eine stärkere Affinität zum SHBG als
die Progesteronderivate und besitzen
dadurch eine androgene Partialwirkung. Eine Ausnahme stellt das
Dieno­gest dar, das nicht an SHBG bindet (29). Drospirenon hemmt nicht
wie andere Gestagene den östrogenbedingten Anstieg des SHBG (28).
Die Effekte der Östrogene auf den
SHBG-Spiegel sind:
−−Ethinylestradiol: starke Erhöhung,
Die Effekte synthetischer Gestagene
auf den SHBG-Spiegel umfassen:
−−Erhöhung des SHBG durch Cyproteronacetat (CPA), Chlormadinonacetat (CMA),
−−Erniedrigung des SHBG durch
Levo­norgestrel, Norethisteron­
acetat, Lynestrenol,
−−Dienogest und Drospirenon verändern das SHBG kaum.
Bancroft et al. (5) untersuchten die
Plasma-Androgenspiegel (freies T,
gebundenes T, SHBG, FAI) und Albumin von 55 Frauen mit und 53 Frauen ohne OC-Anwendung (s. Tab. 1).
Weitere vier Messungen erfolgten im
wöchentlichen Abstand. Bei den OCAnwenderinnen stieg das SHBG an
und die Androgenwerte fielen ab. Bei
den Nichtanwenderinnen traten dagegen keine Veränderungen auf. Diese Daten waren statistisch signifikant
(p < 0,05). Bei den Gestagenen handelte es sich ausschließlich um solche der 3. Generation (5, 6).
Coenen et al. (10) bestätigten diese
Zusammenhänge durch ihre Studie,
in der bei vier unterschiedlichen oralen Kontrazeptiva ebenso ein Anstieg
des SHBG um das Dreifache und ein
Absinken der Androgene (DHEAS, T,
FT) sowie des Freien Androgen-Indexes (FAI) um gut die Hälfte festgestellt wurden.
Alexander et al. (2) untersuchten die
Auswirkungen des Androgenabfalls
Plasma-Androgenspiegel bei Frauen mit und ohne OC
OC-Anwenderinnen
OC-Nichtanwenderinnen
t-Test
n
55
53
Gesamt-Testosteron
nmol/l
X
SD
1,53
0,39
1,74
p < 0,025
0,48
SHBG
nmol/l
X
SD
96,2 37,8
45,4
17,1
p<0,0001
freies Testosteron
pmol/l
X
SD
16,9
6,3
30,2
13,5
p<0,001
Tab. 1: Serum-Hormonspiegel an Gesamt-Testosteron, SHBG und freiem Testosteron bei OCAnwenderinnnen und Nichtanwenderinnen (5).
auf die Sexualität. Sie verglichen das
Sexualverhalten von Studentinnen
mit (18 Frauen) und ohne (15 Frauen) OC-Einnahme. Die Teilnehmerinnen in der OC-Gruppe hatten signifikant höhere SHBG-Spiegel und niedrigere Plasmaspiegel in allen Testosteronbereichen gegenüber den Nichtnutzerinnen. Die hormonellen Analysen bestätigten, dass es unter der
Pilleneinnahme keine Schwankungen
der Testosteronspiegel gibt, Nichtanwenderinnen einer Pille aber in der
zweiten Zyklushälfte eine Abnahme
der Testosteronwerte (Gesamt-T und
freies T) erlebten.
Die sexuelle Appetenz war stabil bei
OC-Nutzerinnen und schwankend bei
Nichtnutzerinnen und stand im Einklang mit dem Muster der T-Sekretion
in jeder Gruppe.
Die Häufigkeit sexueller Handlungen
mit männlichen Partnern und autosexuelle Aktivitäten waren bei Pillenanwenderinnen über die Menstrua­
tionszyklen stabil. Frauen mit Ovula-
tion berichten dagegen über eine
Abnahme der sexuellen Appetenz ab
Zyklusmitte bis über die Zeit der Regelblutung. In dieser Gruppe waren
größere Rückgänge an freiem Testosteron mit einem niedrigeren sexuellen Verlangen als bei den Nichtanwenderinnen der Pille verbunden.
Das ist konsistent für die Hypothese,
dass die Zyklizität der Hormonsekretion eine wichtige Rolle für das Sexualverhalten spielt (22).
Pillenanwenderinnen waren insgesamt zufriedener mit ihrem sexuellen
Verhalten und Erleben und freizügiger in ihren sexuellen Handlungen.
Die Arbeitsgruppe um Graham stellte
2007 folgende Hypothesen auf (11):
„„
Hypothese 1: Nachteilige Veränderungen in der Sexualität hängen vom Ausmaß der Reduktion
des freien Testosterons nach Beginn mit der Einnahme des Kontrazeptivums ab.
„„
Hypothese 2: Die Beziehung zwischen der Höhe des freien Testo-
sterons und dem sexuellen Interesse wird deutlicher, wenn das FT
unter eine bestimmte „kritische‘‘
Schwelle absinkt.
Um diese Hypothesen zu prüfen, wurden folgende Gruppen gebildet:
−−niedrige Konzentration an FT:
< 2,19 pmol/l,
−−mittlere Konzentration an FT:
2,19–4,72 pmol/l
−−höhere Konzentration an FT:
> 4,72 pmol/l.
Die Arbeitsgruppe kommt zu dem Ergebnis,
„„
dass eine positive Korrelation
zwischen dem freien Testosteron
und der Lust sowie der Häufigkeit von Sexualkontakten besteht,
„„
dass die Höhe des FT jedoch
nicht die sexuelle Erregung und
sexuelle Befriedigung beeinflusst.
Die Studie von Panzer et al. (17) bestätigte dies innerhalb einer klinischen Untersuchung. Bei 124 Frauen
Korrelation zwischen EE-Dosis
sowie Art des Gestagens und
der weiblichen Sexualität
40
6
5
30
4
20
3
2
10
1
0
orale
FSFI Gesamt
orale
hormonale
hormonale
Kontrazeption
Kontrazeption
sexuelle
Appetenz
sexuelle
Erregung
0
Subscores sexuelle Appetenz
bzw. sexuelle Erregung
Der FSFI-Score (Female Sexual Functioning Index) beinhaltet die Kategorien Libido, Erregung, Lubrikation,
Orgasmus, Befriedigung und Schmerzen. Der Fragebogen enthält 19 Items.
Ein hoher Score spricht für eine hohe
sexuelle Lust und Befriedigung, ein
Score von 23 und weniger für eine
sexuelle Funktionsstörung (19).
FSFI-Score bei unterschiedlichen kontrazeptiven Methoden
Gesamtscore
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244
mit einer sexuellen Funktionsstörung
(FSD) wurde mittels des FSFI-Scores
ein möglicher Einfluss hormonaler
Kontrazeptiva untersucht. Die Frauen
in der Pillengruppe hatten dabei einen
signifikant niedrigeren FSFI-Gesamt­
score und eine signifikant geringere
Libido als die Nichtanwenderinnen.
nichtorale
nicht
nichtorale
nicht hormonalekeine
keine
hormonale hormonale hormonale
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Wallwiener M et al. Geburtsh Frauenheilk 71; 2011
Abb. 2: FSFI-Score (Gesamtscore, Subscore „sexuelle Appetenz“, Subscore „sexuelle Erregung“) bei Frauen mit unterschiedlichen kontrazeptiven
Methoden
(26)
Wallwiener M et
al. Geburtsh
Frauenheilk 71; 2011
rung der sexuellen Appetenz bewirGruppe der Frauen, die keine bzw.
nicht
Basierend auf der Erkenntnis, dass die
keine hormonalen Kontrazeptiva beken – orale
muss es aber nichtorale
nicht. Klinische
hormonale
hormonale
hormonale
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Höhe der Dosis an Ethinylestradiol und
nutzten (26). Hinsichtlich des Sub­
Studien
mit verschiedenen
hormonadie Partialwirkung des Gestagens (anscoresorale
„sexuelle
Erregung“
len
Kontrazeptiva
geben
Auskunft
orale traten
nichtorale
nichtorale
keine
keine
orale
nicht
nicht
nichtorale
keine
nicht
hormonalehormonale nichthormonale
hormonale
hormonale
Kontrazeption
Kontrazep
hormonale
hormonale
hormonale
Kontrazeption
drogen vs. antiandrogen) unterschieddiese Unterschiede
auf.
darüber.
(Mehr
dazu
in
Teil
2 dieses
hormonale
Wallwiener M et al. Geburts
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
Kontrazeption
lich stark das SHBG beeinflussen, ginBeitrags in FRAUENARZT 4/2013.)
gen Wallwiener et al. (26) unter andeDiese Studie lässt den Schluss zu,
rem der Frage nach, ob sich dies auf
dass die Höhe der SHBG-Spiegel,
M Frauenheilk
et al. Geburtsh
Wallwiener
Frauenheilk
M et
71;
al.2011
Geburtsh Frauenhe
Wallwiener M etWallwiener
al. Geburtsh
71;
2011
die sexuelle Appetenz, Erregung und
durch die verschiedenen hormonalen
Literatur
Befriedigung auswirkt. In einer OnlineKontrazeptiva unterschiedlich beein1. Ahrendt HJ, Friedrich C: Lebensphasen und
Befragung von 1.086 Medizinstudenflusst, allein die Libido und Erregung
Sexualität. In: Kaufmann M, Costa S-D,
Scharl A (Hrsg.): Die Gynäkologie.
tinnen wurden jedoch keine signifikannicht beeinflusst.
3. Aufl. Springer, Berlin 2012, S. 1052–
ten Unterschiede hinsichtlich des FSFI1068.
Scores in Abhängigkeit von der Höhe
2. Alexander GM et al.: Testosterone and sexSchlussfolgerung
ual behavior in oral contraceptive
der EE-Dosis (20 µg, 30 µg, > 30 µg)
users and nonusers: a prospective study.
und der Partialwirkung des Gestagens
Die sexuelle Appetenz und das sexuHorm Behav 24 (1990) 388–402.
3. Bancroft J et al.: Androgens and sexual
(androgene vs. anti­androgene Par­
elle Erleben und Verhalten der Frau
behavior in women using oral contraceptitialwirkung) gefunden (s. Abb. 2).
sind stets im Kontext von biolo­
ves. Clin Endocrinol 12 (1980) 327–340.
4. Bancroft J et al.: Mood, sexuality, hormogischen, psychosexuellen und
nes and the menstrual cycle. III.
Der Gesamt-FSFI-Score sowie die
partnerschaft­lichen Aspekten zu beSexuality and the role of androgens.
Subscores für sexuelle Appetenz und
trachten. Die biologischen Aspekte
Psychosom Med 45 (1983) 509–517.
5. Bancroft J et al.: Oral contraceptives, anfür sexuelle Erregung differierten
sind stark von der Zyklizität der Prodrogens, and the sexuality of young wozwischen den einzelnen kontrazeptiduktion von Östrogenen, des Progesmen: 1. The role of androgens. Arch Sex
Behav 20 (1991) 121–135.
ven Methoden. Der höchste Gesamtterons und vor allem des Testoste6. Bancroft J et al.: Oral contraceptives,
FSFI-Score bestand bei den Frauen
rons geprägt. Das in den hormonalen
androgens, and the sexuality of young womit nichthormonaler Kontrazeption,
Kontrazeptiva enthaltene Estradiol
men: 1. A comparison of sexual ex­perience,
sexual attitudes, and gender roles in oral
gefolgt von denen ohne Kontrazepoder Ethinylestradiol sowie die syncontraceptive users and
tion. Dieser Score war bei den Anthetischen Gestagene senken über
nonusers. Arch Sex Behav 20 (1991) 105–
120.
wenderinnen von nichtoraler hormoeine unterschiedlich stark ausgepräg7. Basson R: Review: Female sexual dysfuncnaler Kontrazeption am niedrigsten.
te Erhöhung des SHBG in untertions – the new models. Br J Diabetes Vasc
Der Subscore „sexuelle Appetenz“
schiedlicher Weise die Serum-AndroDis 2 (2002), 267–270.
8. Caruso S et al.: Sexual behavior of women
genspiegel. Das wiede­rum kann in
war in der Gruppe der Frauen, die
taking low-dose oral contraceptive contaihormonale Methoden anwandten (OC,
unterschiedlicher Weise und unterning 15 mg ethinylestradiol/60 mg gestodene. Contraception 269 (2004) 237–240.
Vaginalring), niedriger als in der
schiedlichem Ausmaß eine Verminde-
FRAUENARZT
54 (2013)
Nr. 3
9. Caruso S et al.: Prospective study on sexual
behavior of women using 30 microg ethinyl­
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Autor
Prof. Dr. med.
Hans-Joachim Ahrendt
Praxis für Frauenheilkunde, Klinische Forschung und W
­ eiterbildung
Lehrauftrag Sexualmedizin,
UFK Magdeburg
Leiter der AG Sexualmedizin
des BVF
Halberstädter Str. 122
39112 Magdeburg
ahrendt@
prof-ahrendt-frauenarzt.de