Stephan Riedel: Erfahrungen eines Aufenthaltes an der McGill
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Stephan Riedel: Erfahrungen eines Aufenthaltes an der McGill
Stephan Riedel: Erfahrungen eines Aufenthaltes an der McGill University in Montreal Einleitung Diese Erfahrungen beruhen auf meinem Aufenthalt 2000/2001 in Montreal an der McGill University. Seitdem kann sich einiges geändert haben bzw. es können sich Dinge ereignen, die sich bei mir als kein Problem herausgestellt haben. Aus diesem Grund kann diese Sammlung nur als Hilfe und nicht als absoluter Leitfaden, wie ihn die McGill University einmal im Jahr herausgibt, verstanden werden. Trotzdem hoffe ich allen Interessierten helfen zu können bzw. wünsche ich allen Austauschstudenten und -innen viel Spaß in Montreal. Zeitraum In meinen Augen empfiehlt es sich, für ein komplettes akademisches Jahr nach Kanada zu gehen. Dieser Zeitraum ist angemessen, um sich einzuleben und anschließend auch zum normalen Studentenleben überzugehen. Das würde den dortigen Fall Term von Anfang September bis Ende Dezember (kurz vor Weihnachten) und den Winter Term von Anfang Januar bis Mitte Mai umfassen. Das ergibt etwas mehr als acht Monate, die ich empfehle, noch mit einem Urlaub zu verbinden. Dieser sollte in meinen Augen vorgeschaltet sein. Ideal wäre in meinen Augen eine Ankunft in Montreal etwa Anfang August, so dass der komplette August zur Verfügung steht. Der kann zur Wohnungssuche genutzt werden. Ab Mitte September wird es sehr schwer eine angemessene Behausung zu finden. Außerdem kann man sich in dieser Zeit in Ruhe mit Land und Leuten bekannt machen und die Sprachkenntnisse testen und anpassen. Und letztlich, wie gesagt, sich noch eine Zeit lang entspannen und die Sehenswürdigkeiten anschauen. Organisation Die Organisation des Kanadaaufenthaltes war relativ unproblematisch. Als offizieller Austauschstudent der McGill University wurde ich von dieser voll unterstützt, i.e. man wird von Anfang an mit den nötigen Informationen versorgt. Am Anfang steht, ich meine es waren vier Seiten, Bewerbung bei der McGill direkt. Das dazu geforderte Empfehlungsschreiben (letter of recommendation) habe ich mir von meinem Dekan ausstellen lassen. Nach Prüfung meiner Studienleistungen bis dato und persönlichem Gespräch dauerte es trotzdem noch eine ganze Weile, bis es vorlag. Ist aber wohl dekanabhängig. Die Englischbestätigung habe ich von einem Lehrer des IFS bekommen, der mich vorher in zwei Englischkursen unterrichtet hatte (Dauer: 5 min). Als irgendwann die Zusage von McGill kam, wurde diese direkt mit ausführlich erklärenden Informationen zum weiteren Vorgehen geschickt. Der nächste Schritt war das Sammeln von Bestätigungen und amtlichen Unterlagen. Das polizeiliche Führungszeugnis beantragt man bei der Verwaltungsbehörde, bei der man gemeldet ist. Für Karlsruhe ist dies das Amt für Bürgerservice in der Kaiserallee 8. Kostet ca. 30 DM und dauert ca. 2 Wochen, bis es zugeschickt wird. Eine Bestätigung finanzieller Absicherung war bei mir eine von der Bank gestempelte und unterschriebene Kontoauszugskopie mit fünfstelligem Sparguthaben eines meiner Konten. Weiterhin habe ich alle geforderten Gebühren überwiesen und die jeweils gestempelten Überweisungsbelege meinen Anträgen beigelegt. Für mich war es noch notwendig einen zweiten Reisepass zu beantragen, aber auch das hat funktioniert. Ansonsten sollte es aber auch bei den anderen VISA Antragsformularen keine Probleme geben, zumindest gab es die bei mir als gebürtigem Deutschen ohne Vorstrafen und genügend persönlichem finanziellem Hintergrund, keine. Der erste Antrag geht an die Provinz Quebec. Da diese einen Sonderstatus in Kanada genießt, hat sie das Recht, selbst Aufenthaltsgenehmigungen zu vergeben. Dieser erste Antrag ging deshalb, wenn ich mich noch richtig erinnern kann, direkt nach Quebec, Kanada, wo er bearbeitet wurde. Nach einigen Wochen kam das OK in rotem und weißem Durchschlag, eine weitere Bestätigung der Provinz Quebec wurde direkt an die kanadische Botschaft weitergeleitet. Der schickt man anschließend den ihrerseits beantragten Papierkram, ein Reisepass ist nicht mitzuschicken. Man bekommt einen DIN A4 Zettel namens “Student Authorization” zurück, der ausreicht (nach dem ganzen hin und her hatte ich etwas mehr als so einen doofen Zettel erwartet). Mit dieser “Student Authorization” und Kopien der meisten anderen Unterlagen machte ich mich auf den Weg nach Kanada und bin direkt auf Airport Montreal, Dorval gelandet. Dort wird man zuerst von den Kanadiern begrüßt, die anhand der “Student Authorization” einen braunen Zettel in den Pass heften, der eine Aufenthaltsgenehmigung für Studenten ist. Anschließend wird man ins Büro der Provinz Quebec geschickt. Nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen (alles mal durchblättern) sowie der Französischkenntnisse (habe zwei, drei Sätze gestottert) wurde die von der kanadischen Einreisebehörde ausgestellte Studentenaufenthaltsgenehmigung im Pass mit einem Stempel bestätigt und ich herzlich in Quebec Willkommen geheißen. Damit war ich drin. Noch ein paar Worte zur Krankenversicherung. McGill schreibt für Deutsche die eigene Krankenversicherung vor. Man sollte das Geld einfach nur rechtzeitig zahlen, danach bekommt man einen ganz guten Service. Einfache Ärzte stehen einem immer im McGill Medical Center zur Verfügung. Auch im Krankenhaus hatte ich mit der McGill Versicherungskarte keine Probleme und bin gut versorgt worden. Unterkunft McGill stellt keine Unterkunft für Austauschstudenten zur Verfügung. Das bedeutet hinkommen, selbst suchen. Dabei unterstützt wird jeder vom OffCampus Housing Office. Hier stehe mehrere Internetterminals sowie mehrere Telefone zur Verfügung, die kostenlos genutzt werden können. Weiterhin werden aktuelle Listen über freien Wohnraum, Tauschangebote, Möbelverkäufe usw. ausgehängt. Man sollte pünktlich dort sein, da es im Laufe des Morgens ziemlich voll werden kann. Ein erster Blick auf das Angebot (das dort auch online einzusehen ist) ist auf http://www.residences.mcgill.ca/offcampus/ zu sehen. Wie oben schon angekündigt, ist die beste Zeit zur Wohnungssuche in meinen Augen der Augustanfang. Je später es wird, desto schlechter die Angebote. Prinzipiell würde ich eine Woche in einer Jugendherberge oder Bed’n’Breakfast (Adressen gibts auch im Internet, z.B. unter http://www.montrealonline.com) reservieren, um in dieser Zeit genug Zeit zu haben eine Wohnung zu finden. Noch ein paar Worte zum Mietvertrag, falls man einen solchen unterschreiben muss. In Kanada ist die Zahlung einer Kaution offiziell illegal. Nichtsdestotrotz wird sie vor allem von ausländischen Studenten gerne eingefordert (“Bei Ausländern weiß man ja nie”). Ich habe damals ebenfalls eine Monatsmiete hinterlegt und diese als letzte Monatsrate verwenden lassen, was mit meinem Vermieter abgesprochen war. Sollte es ernsthafte Probleme mit Vermietern geben (habe ich oft genug mitgekriegt), kann man sich an die “Regie du Logement” ( http://www.rdl.gouv.qc.ca/en/e-index.html) wenden, eine Art Mietervertretung der Stadt Montreal, die Vermietern Druck machen kann. Meistens genügt jedoch bereits die Androhung der selbigen. Hier gibt’s insgesamt Hilfe zu Mietverträgen in Montreal. Geld Geld ist so eine Sache. Ich musste keine Studiengebühren zahlen, bekam jedoch auch keine Stipendien oder sonstige Unterstützung. Ich hatte direkt vorher ein Praxissemester in den USA absolviert, in dem ich genügend US-Dollars verdient habe, um meinen Aufenthalt zu finanzieren. Prinzipiell ist es am einfachsten mit einer VISA- oder Mastercard zu überleben. Einige von meinen Freunden berichteten jedoch, dass sie mit ihrer Mastercard nur bei bestimmten Banken Geld holen konnten. Mit meiner VISA-Card hatte ich keine nennenswerten Probleme. Den Großteil meiner Finanzierung bestritt ich jedoch über ein eigenes Bankkonto. Die Einrichtung desselben bei der Scotia-Bank (direkt gegenüber von McGills Haupteingang und Schalter an jeder Ecke) brachte keinerlei Probleme mit sich. Nur die in den USA ausgeschriebenen Checks konnte ich erst nach vier Wochen einlösen. Alles in allem habe ich für meine acht Monate Studium ca. CAN$ 8000 verbraucht. Sprache Für ein Studium an der McGill University ist Englisch absolut ausreichend. Dies sollte jedoch fundamentiert und gut sein. Nur ein paar Kurse am IFS reichen da nicht aus. Man sollte vielleicht vorher schon einige Zeit in einem Englisch-sprachigen Land verbracht haben. Wenn man z.B. DVD-Filme gut auf Englisch verfolgen kann, kann man davon ausgehen, dass man auch Vorlesungen mit ungefähr dem gleichen Zeitrahmen versteht (auch wenn diese zum Teil langweiliger sind). Trotz allem empfehle ich jedem auch die Basics von Französisch bereit zu haben. Außerhalb der Uni wird man dauernd damit konfrontiert. Zumindest verstehen sollte man grundlegende Dinge, da etliche Beschilderungen in dieser Sprache sein können (Busbahnhof, öffentliche Straßenkarten, etc.). Auch wird man immer wieder auf Kanadier treffen, die nur des Französischen mächtig sind (Taxifahrer, Kassierer in Supermarkt etc.). Kultur Die McGill University wird oft wegen ihres multikulturellen Charakters gerühmt. Ähnlich wie in Montreal selbst tummeln sich hier Menschen aus verschiedensten Kulturen. So habe ich wesentlich mehr mit Menschen aus dem asiatischen Raum zu tun gehabt, als mit Kanadiern oder Amerikanern. Aus diesem Grund empfehle ich jedem, vor seiner Abreise die von Dr. Rose-Neiger angebotene Vorlesung “Interkulturelle Kommunikation” zu besuchen. Ansonsten können Gruppenarbeiten mit Chinesen oder Indern zum Wahnsinn führen. Auch ich habe auf Grund der unterschiedlichen Arbeitsweisen oft kleine- re Probleme gehabt, vor allem mit neu eingewanderten Kommilitonen. Man kann aber eine Menge guter Freundschaften aufbauen, wenn man gerade diesen Menschen etwas Verständnis entgegenbringt und ihnen auch tatkräftig hilft. Uni-Einführung In der ersten Woche gibt es jede Menge einführende Veranstaltungen. Diejenigen, zu denen man als Austauschstudent extra geladen ist, sollte man auf jeden Fall besuchen. Man bekommt hier wesentliches Wissen über verschiedenste Campusgepflogenheiten und Formalitäten. Alles weitere ist mehr oder weniger Spaß. Ich kann trotzdem empfehlen, alles mitzunehmen, auch wenn es ein paar Dollar kostet. Ihr werdet nicht mehr viel Gelegenheit haben, die dabei gemachten Ausflüge und Veranstaltungen nachzuholen. Des weiteren lernt man jede Menge neuer Gesichter kennen, auch wenn die anschließend im ersten Semester anfangen, während man selbst meist noch über den O-WeekTutoren einsteigt. Telefon Ein Telefonanschluss ist relativ einfach bei Bell Canada http://www.bell.ca/en/home.asp zu beantragen (zwei Ausweise mit Lichtbild vorlegen) und einzurichten. Im schlimmsten Fall kommt ein Techniker vorbei und bastelt irgendwas Neues zusammen. Monatliche Grundgebühr beträgt ca. $28, Ortsgespräche sind frei (“Wie, in einem so hoch entwickelten Land wie Deutschland muss man Gebühren zahlen, wenn man seinen Nachbar anruft?”). Ferngespräche am besten mit Telefonkarten privater Anbieter abwickeln, die es zu guten Preisen an jedem Kiosk gibt. Nahverkehr Montreal hat ein hervorragendes Nahverkehrsnetz, für das man zu angemessenen Preisen Tickets kaufen kann. Eine Monatskarte für alle Busse und Bahnen auf der Ile de Montreal kostet $ 49 und bringt Dich nahezu überall hin. Es ist absolut unnötig ein Auto anzuschaffen oder zu leasen. Auch sein Fahrrad kann man getrost zu Hause lassen. Bei -20 Grad Celsius wird damit keiner in die Uni fahren. Gutes Schuhwerk sollte man aber schon dabei haben (bei mir waren’s die guten alten Kampfstiefel der Bundeswehr, die ich danach jedoch auch wegschmeißen konnte). Verkehrsregeln sind eigentlich gleich wie in Deutschland. Es gibt jedoch eine andere wichtige Regel: Blaulicht, Sirene usw. - völlig egal, Taxi oder Schneeräumbulldozer- sofort die Straße räumen und Schutz suchen. Taxifahrer bringen jeden für teilweise jedoch horrende Preise auf schnellstem Wege, ohne Rücksicht auf Verluste, zum Ziel. Wenn man drinsitzt ganz OK, wenn man gerade auf einer spiegelglatten Straße steht, hochgefährlich, ebenso wie wenn ein Bulldozer mit Schneepflug durch 50cm Schnee auf einen zurauscht. Kurswahl Die Kurse sind meist relativ aktuell auf den Internetseiten der Uni www.mcgill.ca beschrieben. Man sollte sich in Deutschland bereits einige raussuchen und diese durch Unterschrift am besten schon vorher anerkennen lassen (“Wenn Sie wollen, dass die FH sich international kooperativ verhält, sollten sie das hier nach eigener Prüfung unterschreiben”). Dort angekommen beginnt die eigentlich Kurswahl jedoch erst. Die bis dato angebene Wahl war unverbindlich, ich wurde mit einem Zettel losgeschickt und habe mir immer erst das OK des Dozenten einholen müssen. Manche Kurse sind zahlenmäßig beschränkt, weshalb man nicht immer ein Anrecht auf Teilnahme hat. Es empfiehlt sich ein Curriculum der bisher an der FH abgelegten Leistungen dabeizuhaben und diesen gegebenenfalls vorzulegen. Hat man erstmal die Unterschrift des Dozenten, wendet man sich an das Registration-Office, die mich für die Kurse angemeldet haben. Unter Umständen funktioniert das auch selbst auf dem MARS System, einer Touchtone-Anwendung wie in Nordamerika oft gang und gäbe. Aktivitäten Montreal bietet eine Vielzahl von Aktivitäten, die einem alle offen stehen. Einige davon habe ich wahrgenommen und viel Spaß dabei gehabt. - MISN - McGill International Students’ Network ( http://www.music.mcgill.ca/misn/scroll.html) bietet eine Anzahl von Events und Ausflügen zu billigen Preisen für internationale Studenten. Bei Anmeldeterminen sollte man jedoch mindestens eine viertel Stunde früher da sein, um noch einen Platz (besonders bei Exkursionen) zu bekommen. Ansonsten habe ich hier auch immer wieder ein paar andere Deutsche getroffen. - Intramural Sports: Sportveranstaltungen gibt es in Massen. Die Engineering Undergraduate Society veranstaltet ihre eigenen Wettkämpfe, die Uni bietet weitere. Man muss sich dazu jedoch zeitig anmelden, damit man in einer der offiziellen Mannschaften gemeldet ist. Ich habe uniweit mixedVolleyball gespielt, nicht ganz so doll, und engineering-weit Fußball. Dabei habe ich u.a. eine Menge Leute kennen gelernt und das gängige Vorurteil widerlegt, dass alle Deutschen Fußball spielen können. Außerdem war es der absolute Spaß. - Sonstiger Sport: Die Sportsfacilities stehen zu gewissen Uhrzeiten für Studenten und Studentinnen offen. Informationen dazu gibt im Internet unter http://www.mcgill.ca/students/service/sports/. Ich war nebenher auch noch Mitglied im Downtown YMCA, was nichts anderes als ein großes Fitnesscenter ist. Im Winter waren wir auch regelmäßig auf einem zugefrorenen Hafenbecken skaten und bis ins nächste Skigebiet waren es auch nur 2 Stunden. Möglichkeiten zur Erholung gibt es genug, im Internet sind die meisten zu finden. - Sonstige Events: Eine Eishockeymannschaft in der NHL, eine American Football-Mannschaft, die letztes Jahr in der kanadischen Profiliga zweite wurde, ein Baseballteam in der MajorLeagueBaseball, Montreal Film Festival, ein große Menge an Konzerten und und und. Wem in Montreal langweilig wird, den verstehe ich nicht.