21 CFR Part 11
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21 CFR Part 11
Journal Industrie und Unternehmen 21 CFR Part 11: Die Chancen erkennen und nutzen Systemvalidierung für die Pharma- und Lebensmittelindustrie Seit 1997 regelt die Norm 21 CFR Part 11 der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) die Handhabung elektronischer Daten (electronic records) für Validierung und Inspektion von Anlagen und Prozessen in der Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie. Davon sind weltweit alle Standorte betroffen, die Produkte für den US-Markt herstellen. Das Erreichen der Konformität scheint zunächst mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden, doch tragen die FDA-Vorschriften primär dem Einzug der IT-Technologien Rechnung, der zum Zweck der Rationalisierung und Prozessoptimierung von den Unternehmen selbst zunehmend betrieben wird. In diesem Kontext werden auch Anforderungen wie „audit trail“ und „user administration“ zu Bausteinen moderner, ganzheitlicher Automatisierungskonzepte, die letztlich dem Hersteller mehr Produktivität und eine vorteilhafte Marktposition sichern. Die Anforderungen für den US-amerikanischen Markt und ihre weltweite Bedeutung Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) setzt im Bereich der Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie zunehmend Druck hinter die Umsetzung spezifischer Anforderungen an die Handhabung elektronischer Pro-duktionsdaten. Diese sind seit 1997 in der Vorschrift 21 CFR Part 11 niedergelegt und haben im September 2003 mit der „final guidance“ einen neuen Verbindlichkeitsstatus erhalten [1]. Dabei sind auch Unternehmen und Standorte außerhalb der USA für die FDAInspektoren interessant, wenn dort für den US-Markt produziert wird. Bei Nichterfüllung der Maßgaben können Sanktionen bis hin zum möglichen Entzug der Zulassung von Produkten verhängt werden, doch gaben so genannte „warning letters“ den auditierten Unternehmen bisher Zeit zum Handeln: Eine systematische Maßnahmen- und Ablaufdokumentation, die den Fortschritt bei der vorschriftskonformen Systemvalidierung nachweist, wird in der Regel (noch) akzeptiert [2]. Die Vorschrift 21 CFR Part 11 verlangt und normiert die schlüssige Prozessdokumentation, sofern diese komplett oder teilweise in elektronischer Form erfolgt. Darin ist festgelegt, welche Daten (electronic records) in welcher Form verfügbar sein müssen: Automatisch generierte „audit trails“ haben alle relevanten Abläufe und Eingriffe zu dokumentieren und auf Abruf bereitzustellen, eine spezielle User-Verwaltung regelt Zuständigkeiten und Berechtigungen (mit Zugangs-Levels und elektronischen Signaturen), über ein Archiv-Management sind Art, Aufbewahrungsdauer und Authentizitätskriterien der Daten definiert. Das Ziel: Die vielerorts eingeleitete papierlose Prozessdokumentation muss ebenso eindeutig aufsichtsbehördlichen Anforderungen genügen wie herkömmliche Laufzettel, Formulare und Akten. Dies erscheint logisch, werden doch in die bisher gängigen Validierungsprozeduren nunmehr die neue IT-Errungenschaften einbezogen, die sich auch bei den Pro-duktionsprozessen unter klinischen Umgebungsbedingungen mehr und mehr etablieren. Jetzt sind alle Unternehmen gefordert, die ihre aktuelle Präsenz auf dem amerikanischen Markt behaupten oder sich in Zukunft dorthin orientieren wollen [3]. Die neuen Auflagen sollen, letztlich auch im Interesse der Unternehmen, dem technischen Fortschritt Rech-nung tragen; sie bieten aber auch eine Chance, indem sie richtungsweisend für zukünftige Weltmarkt-Standards werden können: Ihre Erfüllung ist die international beachtete Zertifizierung des eigenen hohen Qualitäts- und Leistungsniveaus. Das Problem der Auslegung: Was müssen die Unternehmen berücksichtigen? Bild 1: Die Herstellungsprozesse in der pharmazeutischen Industrie, hier illustriert am Beispiel einer Spritzenabfüll-Linie, sind höchst komplex und müssen zudem strenge behördliche Überwachungskriterien erfüllen (Quelle: ATR, Bausch & Stroebel). 5 Die FDA wirbt selbst für die Vorteile, die ein Unternehmen aus der Validierung nach den neuen Standards für seine eigene Performance ziehen kann: „You should also consider the impact those systems might have on the accuracy, reliability, integrity, and authentity of required records and signatures. Even if there is no predicate rule requirement to validate a system, in some instances it may still be important to validate a syste“. Es ist die erklärte Absicht der Initiatoren, den Unternehmen keine Kosten aufzubürden, die zu Lasten von Innovation und technischem Fortschritt gehen, ohne zugleich durch den notwendigen Sicherheitsanspruch im Gesundheitswesen legitimiert zu sein („providing added benefit to the public health“). Das Regelwerk legt daher in seiner „final guidance“ vom August 2003 erstmals Wert auf die Feststellung, dass bestehende Validierungsvorschriften durch 21 CFR Part 11 nicht ausgeweitet, sondern präzisiert werden. Im Klartext: Es werden weiterhin alle Daten erfasst, die auch bisher relevant waren. Die Neuregelungen beziehen sich auf die „electronic records“ und die Form ihrer Bereitstellung, Archivierung und Abbildung „in a human readable form“. Der FDA-Inspektor muss – wie bei der herkömmlichen Papierdokumentation – ungehinderten und bequemen Zugang zu den Informationen haben; es genügt nicht, dass alle Daten zwar lückenlos erfasst sind, aber nur das Fachpersonal in Werk oder Labor diese lesen und auswerten kann. Dennoch bleibt Diskussionsbedarf: Welche „electronic records“ sind es genau, die für den FDA-Inspektor zugänglich sein müssen? Genügen die über das rechnergestützte Bedien-und Beobachtungssystem (SCADA) erfassten Änderungen und Eingriffe in den Prozess, oder müssen z. B. auch SPS-Daten für den Audit Trail berücksichtigt werden? Das FDA-Regelwerk liefert hier keine präzisen Aussagen, doch scheint sich die Meinung durchzusetzen, dass SPS-Daten dann relevant sind, wenn Eingriffe in den 45 (2003) Heft 12 atp Industrie und Unternehmen Journal Prozess auch über Bedienpanels an der Anlage möglich und vorgesehen sind und nicht simultan auch auf dem SCADASystem abgebildet werden. Es ist der Wunsch eines jeden Herstellers, seine Anlage bei Bedarf kosteneffizient mit einem Komplettsystem „von der Stange“ aufrüsten zu können, das ohne Komplikationen passgenau aufgesetzt und auf Knopfdruck in Betrieb genommen werden kann. Ebenso ist bekannt, dass solche Systeme ungeachtet aller Versuche – nicht markttauglich realisierbar sind, da bei jedem Projekt eine Vielzahl von Einzelkomponenten in wiederum vielfältigen Kombinationsvarianten berücksichtigt und integriert werden muss. Über die rein technischen Abläufe hinaus sind zudem Organisationsstrukturen zu berücksichtigen: Bei der Validierung z. B. die Zugriffs- und UserVerwaltung [4]. Ein ganzheitlicher und methodischer Projektangang ist mithin notwendig. Keine Einheitslösung für alle Fälle: IntegrationsKnow-how ist gefragt Die ATR GmbH & Co. KG mit Stammsitz in Viersen und Niederlassungen in Hamburg, Mannheim und Nürnberg realisiert seit vielen Jahren Automatisierungs- und IT-Lösungen für industrielle Prozesse. Grundlage eines jeden Projekts ist die individuelle Bedarfsermittlung beim Kunden, die idealerweise zur gemeinsam erarbeiteten Spezifikation (Pflichtenheft) führt. Im Anschluss an diese eigenständige Consulting-Leistung kann auch der Auftrag zur Projektrealisierung erteilt werden. Als unabhängiger Systemintegrator kann die ATR dabei alle gängigen Hardware- und Software-Produkte zu idealen Lösungen kombinieren. Diese können auf den vorhandenen Systemen aufsetzen, ohne dass dort Eingriffe oder Änderungen zwingend erforderlich sind. Die Vorteile für den Kunden: Bewährte Anlagenstrukturen bleiben erhalten, erfahren jedoch in jedem Fall eine spürbare Produktivitätssteigerung bei optimaler Kosten-Nutzen-Relation. atp 45 (2003) Heft 12 Nicht erst seit Bekanntwerden der FDA-Regularien ist man bei der ATR mit anspruchsvollen US-Normen vertraut (das Unternehmen verfügt z.B. auch über die UL-, cUL- und CSA-Approbation zur Abnahme von Schaltanlagen nach US-Standard). Eigens für die 21 CFR Part 11-Anforderungen wurde Kompetenz aufgebaut, die sich bei Beratungen und Pro-jekten bereits auszeichnen konnte. Konform mit der Norm: Beispiel Baxter AG in Wien… Zurzeit wird für die Firma Baxter AG am Standort Wien eine Spritzen-Abfüll-Linie mit einem neuen SCADA-System versehen und komplett für die 21 CFR Part 11-Validierung ausgelegt. Die Abfüllanlage stammt von der Firma Bausch & Stroebel (Bild 2) und ist mit zusätzlichen Komponenten versehen, so z.B. mit einer Sartorius-Präzisionswaage. 6 Siemens-SPSen steuern die Anlage und sind über Ethernet-TCP/IP mit der B+B-Ebene verbunden (SCADARechner mit Datenbank und Drucker). Für die Prozessdatenerfassung können als Auslöser definierte Zeitzyklen, Änderungen bei Prozesswerten und digitale Steuerzustände (ein/aus, auf/zu etc.) konfiguriert werden. Die Waage ist über eine RS 232-Schnittstelle an den SCADA-Rechner angeschlossen (Bild 3). Das SCADA-System basiert auf Siemens WinCC, das in weiten Teilen bereits die Anforderungen von 21 CFR Part 11 abdeckt (eine detaillierte Konformitätserklärung bietet Siemens als PDF-Download im Internet [5]). Visualisierung mit Trendübersichten, Rezepturverwaltung, Alarm- und StörmeldeHandling sowie die Datenbankund Archivstrukturen werden in dieser Umgebung realisiert. Für weitere validierungsrelevante Funktionen werden WinCC Add-Ons verwendet: PM Quality zur Generierung von Protokollen, die u. a. in den den Audit Trail einfließen. Änderungen bei prozessrelevanten Daten und Eingriffe durch das Bedien- Bild 2: Einmalspritzen-Abfüllanlage von Bausch & Stroebel. Eingeklinkt: Beispiel für ein fertiges Produkt mit Etikettierung (Quelle: Bausch & Stroebel). Manufacturing Netzwerk Switch Ethernet/TCP/IP Graphikdrucker Tischwaage SCADA RS 232 Switch Ethernet/TCP/IP SAM 8061 SWS 1071 DHT SFM 5732 5101 Siemens S 7 RRI 13611 SEM 8061 Bild 3: Netzwerkaufbau für die Spritzenabfüllanlage (Quelle: ATR). personal sind später tabellarisch aufbereitet abrufbar (Bild 4). Advanced User Adminstrator (AUA) für die Definition und Verwaltung von Zugangs- und Benutzerrechten (über elektronische Signatur mit Benutzer-ID und Passwort). Bei jeder Bedienaktion wird auch der Operator identifiziert und protokolliert. DA-System integriert und von dort aus aufgerufen wird. Auch die Wiege-Protokolle werden in der WinCC-Datenbank erfasst und archiviert. Mit einem bei der Abnahme durchgeführten Factory Acceptance Test wird die einwandfreie Funktion aller Systemkomponenten und die Konformität mit allen geforderten Vorschriften nachgewiesen und zertifiziert. In Bedarfslücken werden Spezialmodule eingepasst, die bei der ATR in eigener Programmierleistung mit Borland Del-phi erstellt werden. So erhält hier die Waage, die zur Stichproben-Überprüfung der Chargen dient, ein eigenes Applikati-onsbild, das in das SCA- Ausblick: Gerüstet für zukünftige Aufgaben Die Produktionsdatenbank als zentrale Basis für die unterschiedlichsten Anwendungen hier profitieren die ATR-Spezialisten besonders von ihrer Erfahrung aus zahlreichen IT-Pro- 6 Journal Industrie und Unternehmen docs/index.htm, dort zum Download: Guidance for Industry Part 11, Electronic Records; Electronic Signatures - Scope and Application (part11 _final_guidanceSep2003.pdf ) [2] Audit Trail: [3] Bild 4: Steuerbefehl- und Analogwert-Fenster im Prozess und die Protokollierung der Bediener-Eingriffe im Audit Trail (Quelle: ATR). jekten im Chemie-, Pharmaund Lebensmittelbereich. Know-how in Technik und Technologie machen das Handling selbst großer Datenmengen und die ziel- und zweckgenaue Verteilung an die richtigen Stellen möglich. So können Lösungen wie die hier Beschriebene den Prozess exakt abbilden und in jedem geforderten Umfang protokollieren. Das Ziel ist die komfortable Bedienung und sichere Überwachung der Anlage, untrennbar verbunden mit der schlüssigen Prozessdokumentation für den Qualitäts- 7 nachweis, alles in optimalem Zuschnitt auf die individuellen Anlagenstrukturen und Erfordernisse bei jedem einzelnen Anwender. Die Systemvalidierung nach 21 CFR Part 11 stellt mit dieser Zielsetzung eine weitere spezielle Bedarfssituation dar, die mit Routine und Methode zu bewältigen ist. Literatur [1] 21CFRPart11.com (Website der FDA zum Thema 21 CFR Part 11). http://www. 21cfrpart11.com/pages/fda_ Scheuermann, A.: Kein Entkommen. Computervalidierung nach FDA 21 CFR Part 11 bietet Stoff für Diskussionen. Pharma & Food 5 (2002), H. 2, S. 70–72. FDA-Konformität in der Entwicklung, der Produktion und der Qualitätsüberwachung (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart). http://www.ipa.fhg.de/Arbeit sgebiete/BereichD/520/ leistungsangebote/fda/, dort zum Download: Weitere Informationen zur FDA-Konformität (produktblatt_fda.pdf ) [4] Himstedt, S.: Elektronische Prozessdokumentation. Über die Bedeutung der FDARichtlinien für Nutzer und Lieferanten. IT & Production 3 (2002), H. 2, S. 45–47. [5] 21 CFR Part 11-Konformität von Win CC (Siemens A & D). http://www.ad.siemens.de/ hmi/html_00/products/software/wincc/fda01.htm, dort Roland Steinberg ist seit Juni 2000 bei der ATR Industrie-Elektronik GmbH & Co. KG in Viersen zuständig für die interne und externe Kommunikation. Neben dem Presse-Informationsmanagement pflegt er die Kundendatenbank und organisiert Projekte im operativen Marketing. ATR Industrie-Elektronik GmbH & Co. KG, Textilstraße 2, D-41751 Viersen, Tel. (02162) 485-415, Fax (02162) 485-100, E-Mail: [email protected] Ansprechpartner zum Thema Validierung/21 CFR Part 11: Volker Rummer, ATR Industrie-Elektronik GmbH & Co. KG, Niederlassung Mannheim, Besselstraße 9, D-68291 Mannheim, Tel. (0621) 87807-66, Fax (0621) 87807-77, E-Mail: [email protected] zum Download: SIMATIC WinCC Konformitätserklärung 21 CFR Part 11 (wincc_ compliance_d.pdf ) Roland Steinberg ATR Industrie-Elektronik GmbH & Co. KG, Viersen 45 (2003) Heft 12 atp