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Straßenmagazin für Mü
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Betontod im Interview
Editorial
Liebe Leserinnen
und Leser,
im Umfeld der ~-Redaktion schlummern unerwartete
künstlerische Talente: Paul ist Aktionskünstler, Robby jongliert,
Eddy schreibt, Flo rappt, Henning zeichnet, Kurt stellt Kratzbilder
her, Peter malt. Selbst als Schauspieler durften sich einige schon
versuchen, Detlef und Günther mimten zwei Schupos in einem
Film, der auf der letzten Skulptur-Projekte-Ausstellung in den
Räumen des ehemaligen Metropolis-Kinos gezeigt wurde, Ernie
gab schon einmal den linken Demonstranten im Münster-Tatort
mit Text: „Nazis raus!“. Und erst kürzlich wurde Straßenpunker
Toby mitsamt Hündin Katharina für die Hauptrolle in einem
besonderen Kurzfilmprojekt gecastet.
Löchte wandten sie sich an die draußen-Redaktion und hatten
gleich Toby am Telefon, das Engagement war schnell verabredet. Drei Drehtage unter eisigem Winterhimmel unter der
Torminbrücke und in der Innenstadt waren weniger für den
„~“-erprobten Toby ein Problem als für das Drehteam.
Toby dagegen hatte mit den Tücken des Schauspielerdaseins zu
kämpfen, musste doch jede noch so kleine Requisite wie die
Hundedecke am Rucksack jeden Tag aufs Neue genauso aussehen wie am Tag zuvor.
Einen Jurypreis gab es für den münsteraner Beitrag zwar nicht,
aber im Publikumsvoting landete unser Toby immerhin auf Platz
21 von insgesamt 1559 eingereichten Filmen. Zu sehen ist der
fertige Kurzfilm auf www.99fire-films.de/voting.html unter
dem Titel „Just a smile“, Pointe inklusive.
Der 99-Fire-Films-Award stellt die Teilnehmer vor eine besondere kreative Herausforderung. Die Filmemacher müssen ihren
99-sekündigen Film innerhalb von 99 Stunden von der Idee
bis zum fertigen Schnitt umsetzen, nach der Bekanntgabe der
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Vorgaben durch den Veranstalter beginnt das Rennen mit der
Zeit. In diesem Jahr mussten die filmischen Kurzbeiträge das STROM
Stichwort „Lächeln“ und die Zahl „500“ aufgreifen. Münster:natürlich
Ein Filmteam aus Münster suchte für seine Idee einen Wohnungslosen als Darsteller. Auf Vermittlung von Fotograf Andreas
Carsten Scheiper
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Impressum
Herausgeber
„~“ e. V.
Berliner Platz 8
48143 Münster
Redaktionsteam
Juliane Büker
Michael Heß
Sabrina Kipp
Sigi Nasner
Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)
Horst Gärtner
Tel.: 0251 / 4909118
[email protected]
Streetwork
Sabrina Kipp
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Internetseite
www.strassenmagazin-draussen.de
Administrator: Cyrus Tahbasian
Mitarbeiter | Texte
Elvira Ajvazi, Bianka Boyke, Tom Dietzel,
Christian Eilermann, Michael Heß, Sascha
Benedikt Idziaszek, Markus Kipp, Sabrina
Kipp, Gerd Normann, Annette Poethke,
Carsten Scheiper, Manuel Schumann,
Kerstin Klimenta (hoppsala.de)
Inhalt
2 Editorial
Just a smile :)
6 Wir singen keine Popsongs
Was macht Betontod zu Antirockstars?
9 Nur eine Partei weniger?
Das NPD-Verbot ist wünschenswert, aber keine Lösung
10 „Inkassoforderungen sind oft überzogen“
Rechtsanwalt Rene Boyke im Interview
12 Missionar auf Zeit
Ein Jahr im Nordosten Argentiniens
14 Zu Wasser, zu Land und sogar in der Luft
Ein Besuch bei der Wasserschutzpolizei in Münster
16 Eine Spielart des Ewiggestrigen
Rechtsausleger wollen den Hindenburgplatz behalten
Mitarbeiter | Fotos
Tom Dietzel, Christian Eilermann,
Björn Gaus, Michael Heß,
Moritz Hoffmann, Sascha Benedikt
Idziaszek, Sigi Nasner, Gerd Normann,
oktoberpromotion.com, uliburchardt.
com, Verein für politische Flüchtlinge
19 Vorsicht, ansteckend!
Titelfoto
Betontod
20 „Jetzt sind die Händler am Zug“
Layout und Titelgestaltung
Juliane Büker
[email protected]
Gestaltungskonzept
Lisa Schwarz/Christian Büning
Druck
Gutverlag Druck & Medien
Auflage 8.000
Unterstützt durch
Siverdes-Stiftung
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Wir danken allen Spendern!
Artikel, die namentlich gekennzeichnet
sind, geben nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wieder.
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Grassiert die Hindenburgitis wieder?
Uli Burchardt Über Qualität und Nachhaltigkeit
22 Preußenrückblick
Wiesbaden | Jena | Regensburg | Osnabrück | Erfurt | Burghausen | Saarbrücken
24 Columne: ~ auf Cuba
Lara hat Läuse
25 Neues aus dem Arbeitsrecht
Arbeitszeugnis und Geheimcode
26 Lesen
Gudrun Pausewang: „Au revoir, bis nach dem Krieg“
27 Rezepte
Der Mai ist gekommen...
28 Roma kämpfen für ein dauerhaftes Bleiberecht.
„Jeder Mensch hat es verdient, mit Würde und Anerkennung zu leben.“
29 Schlussakkord
Tanzverbot?
#
5
Bericht und Text: Tom Dietzel | Fotos: Tom Dietzel, Björn Gaus
Wir singen keine Popsongs
Was macht Betontod zu Antirockstars?
Da passt man mal in Wacken nicht auf
und schon findet man eine Punkband
gut. Wie konnte das nur passieren.
Auf Anraten eines Freundes begab ich
mich dort also in ein dunkles Zelt, um
mir als bekennenden Metaller den Punk
anzutun. Bis dahin war es nicht weiter
verwunderlich für mich, das ich von
dieser Band noch nichts gehört hatte,
obwohl die schon seit über 20 Jahren
im Geschäft sind. Ihre Live Performance
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hat mich jedoch völlig überrollt und
nicht nur ich war völlig begeistert von
den Jungs, sondern auch das Wacken
Publikum zeigte den fünf Musikern aus
Nordrhein-Westfalen, dass Sie bestimmt
nicht am falschen Ort waren. Prompt
wurden wir von Ihnen zu Ihrer CD Release Party in Essen eingeladen, wo ihr
neues Album „Antirockstars“ vorgestellt
wurde.
zusammen, wart Ihr damals die typischen
Punks?
Eule: Also, wenn du mir erklärst, wie ein
typischer Punk so ist? Wir waren aber
nicht so „No Future“- mäßig drauf.
Ado: Wir sahen auch nicht so aus, wie
man sich einen Punk vorstellt. Wir hatten
keinen Irokesenschnitt oder so. Wir waren Punks im Sinne von, dass wir immer
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31.08.2009
14:29:31 Uhr
Vor über 20 Jahren gründete Gitarist das gemacht haben, wo wir Bock drauf
Frank Vohwinkel Betontod in einem hatten.
kleinen Örtchen namens Rheinberg und
seitdem erspielen sich die Punkrocker Eule: Ha, bis auf unseren Sänger (Oliver
eine immer größer werdende Fange- Meister), der hat das mit dem Sex, Drugs
meinde. Spaß haben und feiern steht and Rock´n´Roll so richtig ausgelebt.
ganz oben auf der Prioritätenliste von (lacht)
Betontod, wenn es auf die Bühne geht.
Und das merkt man Ihnen auch an. Texte ~: Und heute gibt es kein Sex,
mit Augenzwinkern, sowie auch kritische Drugs and Rock´n´Roll mehr?
Themen werden in harte Gitarrenriffs
verpackt, die Ihren Ursprung im Metal Ado: Haha mehr denn je! Aber im Ernst,
nicht verleugnen können. Was die Jungs bei mir ist nur der Rock´n´Roll übrig gebestimmt zu einer Ausnahme im Musik- blieben.
buisness macht, ist wohl die Tatsache,
dass Sie immer zwischen ihren Fans zu Eule: Bei mir nur der Alkohol
finden sind und nicht nach einem Auftritt
schnell im Tourbus verschwinden. Ein ~: Hat sich eure Einstellung zu
Beweis für ihre Nähe zu den eigenen damals sehr verändert?
und den potentiellen Anhängern zeigte
sich auch bei diesen Interview, das wir Eule: Klar, man entwickelt sich ja auch
in mitten von Fans vor ihrem Auftritt im als Mensch immer weiter. Ich glaube
Cafe Nord in Essen im ansässigen Biergar- zwar nicht, dass ich anders denke, aber
ten führten. Frank „Eule“ Vohwinkel und die Sicht auf manche Dinge ist schon eine
Adam „Ado“ Dera standen uns dort Rede andere.
und Antwort.
~: Hat euch die steigende Popula~: Eule, du bist ein Fans von Stra- rität denn irgendwie verändert?
ßenzeitungen. Musstest du selber schon
Ado: Nö, verändert eigentlich nicht. Wir
mal auf der Straße leben?
freuen uns, dass wir vor immer mehr
Eule: Ne, das nicht. Aber ich kann mir Menschen spielen dürfen und so vielen
gut vorstellen, wie schnell es manchmal unsere Musik gefällt.
gehen kann, dass man dort landet, deswegen sollte man nie verdrängen, dass es ~: Da war Wacken ja genau richtig,
um neues Publikum zu gewinnen. Hattet
schnell einen selber treffen könnte.
Ihr Angst dort aufzutreten?
~: Ihr seid schon über 20 Jahre
Ado: Also Angst nicht, aber ich fand es
wahnsinnig spannend.
Eigenregie gemacht, war das so geplant
oder ist es aus der Not geboren?
Eule: Man beschäftigt sich natürlich
vorher damit, dass man zum größten
Metalfestival Deutschlands fährt, obwohl
mir der Metal überhaupt nicht fremd ist
weil ich den selber regelmäßig viel höre.
Aber du weißt halt trotzdem nicht, wie
man ankommt und aufgenommen wird.
Aber es war alles echt klasse und hat viel
Eule: Also den Vertrieb machen wir nicht,
aber ansonsten ist alles alleine entstanden. Geplant war es eigentlich anders,
aber dann hatte der Vertrieb, mit dem
wir das machen wollte Probleme, und
wir haben jemanden kennen gelernt, der
uns erklärt hat, wie wir das auch alleine
machen können. Da haben wir das halt
~: Wie bezeichnet ihr euch eigentlich nach so langer Zeit? Seid Ihr Freunde,
Familie, Kollegen oder Kumpels?
Eule: Wir waren mal Freunde! (lacht)
Ado: Genau, jetzt sind wir Familie. Freunde kann man sich ja aussuchen (beide
legen sich ab). Aber eigentlich ist es ganz
einfach. Wir sind natürlich Freunde, weil
wir es sonst bestimmt nicht 21 Jahre zusammen ausgehalten hätten. Wir hängen
ja auch nicht jeden Tag aufeinander ab,
deswegen funktioniert das immer noch.
Wir sind ja jetzt auch Familienväter.
Früher haben wir uns mit einer Palette
Hansa unter der Brücke getroffen und
heute treffen wir uns mit den Kids bei
Eule im Garten zum Grillen.
Eule: Das ist nicht mein Garten.
~: Könnt ihr von der Musik schon
leben oder habt ihr noch andere Jobs?
Eule: Wir könnten zurzeit vielleicht davon
leben aber wir sehen da keinen Sinn
drin. Warum sollten wir aus einer gesicherten Stellung raus gehen. Das würde
doch alles viel schwieriger machen. Dann
müssten wir Erfolg haben, um unsere
Familie am Leben zu halten. Dieser Druck
wäre, glaube ich, nicht so gut.
Ado: Vielleicht würde es gehen, aber
1. haben wir Familie und damit auch
Verantwortung und 2. haben wir ja jetzt
auch unser Label, mit dem wir junge
Band fördern und produzieren wollen.
Da investieren wir lieber das jetzige Geld.
Spaß gemacht.
~: Eure Metaleinflüße lassen sich
auch kaum verleugnen.
Ado: Stimmt, unser alter Schlagzeuger
und ich kommen ja ursprünglich aus dem
Death-Metal. Das haben wir natürlich
auch mit in die Musik gebracht, wie z. B.
die Double-Bass-Geschichten und den
Speed.
~: Jetzt ist eure neue CD „Antirockstars“ raus. Ihr habt alles in
gemacht, da wir ja eh ohne Plattenfirma
waren.
~: War die Produktion eine schwere
Geburt? Gab es größere Probleme?
Eule: Naja, Schwierigkeiten entstanden
halt immer aus Bandgeschichten heraus.
Dann war der eine mal nicht zufrieden
und dann der andere. Aber wirklich
schwierig war es nicht. Da war unsere
vorherige CD wirklich problematischer.
Dabei haben wir dann auch unseren
damaligen Schlagzeuger verloren. Aber
diesmal war es das ganz normale Chaos.
~: Was macht ihr den beruflich
und lässt sich das alles gut miteinander
vereinbaren?
Ado: Nee, geht überhaupt nicht (lacht).
Ich bin Grafikdesigner und das passt
prima mit der Band zusammen. Warum
sollte ich also den Job kündigen.
Eule: Ich arbeite im IT-Bereich. Archivierung von Dokumenten. Klingt spannend,
oder?
~: Ja, total (hust). Noch mal auf eurer
Label und die Unterstützung für junge Bands
wie z.B. Rockwasser zurückzukommen...
Diese Seite wird von Siegfried Kurz gesponsort.
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Eule: Ja genau, wir wollen den Jungs
einfach helfen mit den Erfahrungen, die
wir bisher so machen mussten. Wir sind
an Rockwasser rangetreten, nachdem wir
überlegt hatten, ob wir das Label nur für
uns nutzen oder ob wir auch anderen
damit helfen können. Wir wollten aber
keine bekannten Bands, die vielleicht
schon zu verwöhnt sind und Ansprüche
haben, die wir nicht erfüllen könnten.
Also sollten es junge Bands sein, denen
wir mit unseren Erfahrungen bestimmt
einen großen Schritt weiterhelfen können.
Ado: Wenn du eine junge Band bist, dann
wünscht du dir doch so was wie einen
großen Bruder der dich mal an die Hand
nimmt und dir zeigt, wo es lang geht.
Jetzt haben wir die finanziellen Möglichkeiten sowas zu tun.
~: Ihr habt das aber schon so angelegt, dass ihr damit eventuell auch mal
Geld verdient?
Ado: Klar doch, wir wollen dann natürlich
weitermachen mit dem Projekt und deswegen wäre es auch schön, wenn etwas
für die Refinanzierung wieder reinkäme.
Eule: Es ist auch sowas wie ein sozialistischer Gedanke. Wir wollen die
Einnahmen dann aber auch wieder in
neue Bands investieren. Wir geben fast
die gesamten Einnahmen dafür aus und
nutzen davon selber nichts.
Ado: Bis auf eine Physiotherapeutin.
(lacht)
8
~: Was ist den für euch laut dem
Titel eurer neuen CD ein Antirockstar?
Ado: Also, wir haben uns gar nicht so
sehr Gedanken darüber gemacht, was
ein Rockstar wohl ist, sondern viel mehr,
was uns auszeichnet. Und wir waren
uns alle einig, dass unsere Fannähe uns
auszeichnet. Wir schotten uns nie von
unserem Publikum ab, sondern sitzen vor
und nach dem Gig mit einem Bierchen
bei den Fans und feiern. Rockstar sind die
Glittertypen, denen alles wichtiger ist als
das eigene Publikum. Wir sind da genau
das Gegenteil.
~: Glaubt ihr nicht, dass euch die
wachsende Popularität auch mal dazu
zwingen könnte euch abzuschotten?
Ado: Ha, da haben wir gestern noch
drüber geredet!
Eule: Ich habe gerade ein kleines Projekt
mit dem Namen Frank V. laufen, aber
meine meiste Zeit verbringe ich natürlich
weiterhin mit Betontod.
Ado: Ich auch nicht, und wenn ein Nebenprojekt, dann höchstens etwas was
außerhalb der Musik liegt. Apropos Maik,
den haben wir gecastet, weil wir festgestellt haben, dass man wenigstens einen
gut aussehenden Musiker in der Band
haben muss!
~: Es gibt gelegentlich mal den
Vergleich mit den Toten Hosen. Nervt das
oder ehrt es euch?
Eule: Früher habe ich immer gelesen:
“Das klingt wie die oder das klingt wie
die“. Ich glaube mittlerweile klingen
wir sehr eigenständig und junge Bands
müssen sich jetzt anhören, dass Sie wie
Betontod klingen. Aber schlimm finde ich
den Vergleich nicht.
Eule: Warum sollten wir das tun?
~: Seid ihr 2012 wieder in Wacken?
~: Wenn vielleicht doch mal die
Fans bei euch im Garten stehen und
mitgrillen wollen?
Ado. Wir würden uns freuen!
Eule: Jau, Prost!
Ado: Wenn du wie wir eh ein Typ bist, den
man immer vor oder nach dem Konzert
ansprechen kann, warum sollte man sich
dann die Mühe machen mich im Garten
zu belästigen, nur um uns mal hautnah
zu erleben.
~: Das stimmt natürlich. Jetzt noch
mal etwas anderes, habt ihr auch noch
andere Projekte wie euer Schlagzeuger
Maik?
Derzeit arbeiten die Jungs in Senden im
Studio von Toten Hosen Produzent Vincent
Sorg an einer neuen CD, die am 31.08.2012
zu erwarten ist. Man darf gespannt sein.
Genauso gespannt, wie wir es bereits
sind, wenn Betontod am 20.05.2012 uns
mit einem Konzert in der Sputnikhalle
erfreuen wird.
Auf 20 weitere Jahre.... #
Bericht | Text: Michel Heß | Illustration: Moritz Hoffmann
Nur eine Partei weniger?
Das NPD-Verbot ist wünschenswert, aber keine Lösung
Über das Verbot der NPD zu sinnen,
gehört derzeit nicht nur im linken Spektrum zum guten Ton. Zu hervorgehoben
ist deren parlamentarische Rolle vor
dem Hintergrund rechtsxtremer Gewalt.
Ob ein förmliches Verbot aber auch die
zu Grunde liegenden Erfolgsfaktoren aus
der Welt schafft, darf bezweifelt werden.
Über den Sinn des Verbotsverfahrens
dachte ~-Redakteur Michael Heß
nach.
Die Bundesrepublik sah bisher zwei
Parteiverbote. Am 23. Oktober 1952 verbot
das Bundesverfassungsgericht die Sozialistische Reichspartei SRP, bis heute die
einzige Partei, die sich in direkter Nachfolge der NSDAP sah. Vier Jahre später traf
es am 17. August 1956 die antifaschistische
KPD, dem Grundverständnis der frühen
Bundesrepublik entsprechend. Kam das
Verbot der SRP fast aus heiterem Himmel,
ähnelte die Situation vor dem KPD-Verbot
der heutigen zur NPD: das ausufernde
Abwägen von Für und Wider füllte den
öffentlichen Raum.
Als dritte Partei steht nun die 1968
gegründete
Nationaldemokratische
Partei Deutschlands NPD zur Disposition.
Den ersten Verbotsantrag startete die
Regierung Schröder im Januar 2001:
Die Verfassungswidrigkeit der NPD war
festzustellen. Die Sache endete wie das
Hornberger Schießen; im März 2003
stellte das Bundesverfassungsgericht das
Verfahren aus formalen Gründen ein. Zu
dürftig erschien drei der sieben Richter
das vorgelegte Beweismaterial. Bloßer
Verbalextremismus begründet weder Verfassungsfeindlichkeit noch Verbot. Nötig
ist aktives, unzweifelhaft nachweisbares
Tun! Die nötige Zweidrittelmehrheit im
für Parteiverbote zuständigen zweiten
Senat des Gerichtes war verfehlt. Vollends
zur bösen Posse wurde das Verfahren kurz
darauf durch den Nachweis, dass V–Leute
des Verfassungsschutzes NPD-Landesverbände mit führten.
Mag die NPD bundespolitisch ohne
Bedeutung sein, ist das regional und
außerparlamentarisch deutlich anders.
Sie ist in mehreren Landtagen und in
etlichen Kommunalparlamenten vertreten und die Verbotsdebatte ist so etwas
wie Extrawerbung. Bei Facebook kann sie
aktuell auf 17.000 “Freunde” zählen, die
Dunkelziffer dürfte um ein Mehrfaches
höher sein. Sie stützt sich auf funktionierende und im rechten Spektrum gut
vernetzte Untergliederungen. Da zählen
die internen Querelen wenig: Gibt man
sich eher kämpferisch oder eher bürgerlich moderat? Auch die Nickeleien mit
den “Freien Kameradschaften” ändern
nichts daran, dass die NPD faktisch die
Führungsrolle im rechtsextremen Spektrum inne hat.
Das zuletzt gewonnene Image als
Kümmerer vor Ort tut ein Übriges, wahrnehmbar Einfluss auf die Jugendkultur in
den östlichen Bundesländern (besonders
in Nordsachsen und Meck-Pomm) zu
nehmen. In bestimmten Fragen kann
sie auf eine schweigende Mehrheit der
Bevölkerung zählen. Deswegen sind die
allermeisten Jugendlichen und Erwachsenen keine Nazis. Aber ihr Wertesystem
ist deutlich anders als das im Westen.
Konservativer und weitgehend immun
gegen Sprechblasen und Worthülsen
problemferner
Berufspolitiker.
Man
wählt nicht gleich NPD oder DVU, aber
man geht auch nicht zur Wahl. Noch.
Der Stellenwert der NPD ist vor allem als
Ausfluss der sozialökonomischen Misere im Osten zu begreifen. Solange
die thüringische Politik die dort
bundesweit niedrigsten Löhne
wie warme Semmeln als
“Standortvorteil” anpreist
(nur ein Beispiel unter
vielen), laufen Parteiverbote auf Dauer nicht nur ins
Leere, sondern begründen sogar
Solidarisierungseffekte. Andererseits
bieten selbst durch Wahlen und
Verfassungen legitimierte Parlamente
keinen Schutz vor undemokratischen
Entwicklungen. Die NSDAP errichtete ihr
Regime 1933/34 formal legal; in Ungarn
betreibt die rechtsradikale FIDESZ auf
Basis einer Zwei-Drittel-Mehrheit im
Parlament einen rasanten Demokratieabbau, offenen Antisemitismus inklusive.
EU und Bundesregierung scheint es nicht
zu stören.
Solche Aspekte schrecken viele Sachkundige vor einem Verbotsverfahren mit
zweifelhaftem Ausgang ab. Wer möchte
schon einen Spruch wie “Staatlich geprüft und für legal befunden” riskieren,
der so und ähnlich von Rechtsaußen
für den Erfolgsfall eines gescheiterten
Verbotsverfahrens schon angekündigt
ist? Zwar entzöge ein Verbot der NPD der
Rechten zunächst die parlamentarische
Bühne samt Finanzierungsmöglichkeiten.
An der gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer
Ideologie ändert es nichts. Derzeit noch
in Thüringen, künftig vielleicht auch in
Westfalen. Auch die nächste Parteigründung wäre wohl nur eine Zeitfrage. Im
thüringischen Jena als Heimat des Mördertrios treten Jungnazis schon wieder
in aller Öffentlichkeit
auf. Es sei die nächste Generation, sagen
die
Heimischen
dort. #
9
Bericht | Text: Bianka Boyke
„Inkassoforderungen sind oft überzogen“
Rechtsanwalt René Boyke im Interview
Inkasso. Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre,
differenzierter:
dem
Bereich Finanzierung. Bezeichnet den
Einzug von Forderungen. So oder ähnlich müsste der Eintrag im Duden lauten.
Klingt alles sehr sachlich und das ist es
auch. Doch hinter Inkassoeintreibungen
stecken oft richtige Schicksale, Menschen, die ihre hohen Rechnungen nicht
mehr zahlen können und das Gefühl haben, in ihren Schulden zu versinken. Sie
legen eine Rechnung nach der anderen
weg, öffnen die Briefe nicht mehr. Warum es schlecht ist, den Kopf in den Sand
zu stecken, und vor allem, warum man
die Rechnungen nach Erhalt noch immer
mindern kann, erklärt uns Rechtsanwalt
René Boyke aus Dortmund.
~: Herr Boyke, wenn ich eine Rechnung zu lange liegen lasse, bekomme ich
dann immer irgendwann Post von einem
Inkassounternehmen?
RA Boyke: Nicht zwingend, aber in der
Regel schon. Eher selten macht ein Gläubiger „kurze Fünfe“ und beantragt sofort
einen Mahnbescheid.
~: Was muss ich tun, wenn ich eine
Zahlungsaufforderung von einem Inkassounternehmen erhalte?
RA Boyke: Sie sollten erstmal prüfen, ob
die Hauptforderung, die da geltend gemacht wird, überhaupt besteht. Meistens
wird in solchen Zahlungsaufforderungen
der Auftraggeber (Gläubiger) genannt,
sowie eine Rechnungsnummer oder ein
Zeitraum, indem eine Leistung erbracht
wurde.
~: Angenommen ich stelle fest,
dass die Hauptforderung berechtigt ist.
Soll ich dann zahlen?
RA Boyke: Nein, noch nicht. Wenn Sie kein
Geld verschenken wollen, dann sollten
Sie prüfen, ob die zusätzlichen Kosten,
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die das Inkassounternehmen verlangt,
überhaupt verlangt werden dürfen.
~: In welchen Fällen dürfen denn
Inkassokosten geltend gemacht werden?
RA Boyke: Grundsätzlich nur dann, wenn
Sie sich im Verzug befinden oder, was
allerdings seltener ist, wenn eine wirksame Vereinbarung mit dem Gläubiger
bezüglich der Zahlung von Inkassokosten
besteht.
~: Verzug bedeutet einfach, dass
ich mit der Zahlung „spät dran bin“?
RA Boyke: Keineswegs. Verzug ist ein
Rechtsbegriff und hat eine wesentlich
engere Bedeutung. Verzug ist von mehreren Voraussetzungen abhängig. Erstens:
Die Zahlung muss fällig sein, also vom
Gläubiger verlangt werden dürfen. Dies
ist beispielsweise nicht der Fall, wenn der
Gläubiger vorleistungspflichtig ist oder
vereinbart worden ist, dass die Leistung
Zug-um-Zug, also gleichzeitig, erbracht
wird. Zweitens: Sie müssen ernsthaft zur
Leistung aufgefordert worden sein.
~: Es muss also immer erst mindestens eine Mahnung verschickt werden?
RA Boyke: Grundsätzlich schon. Es gibt
jedoch Ausnahmen. Wenn Sie Verbraucher sind, dann kommen Sie automatisch
nach 30 Tagen in Verzug, wenn dies
bereits auf der Rechnung vermerkt
ist. Sehr oft steht dies allerdings nicht
auf den Rechnungen. Heben Sie daher
Ihre Rechnungen auf! Als Unternehmer
kommen Sie dagegen leichter in Verzug,
nämlich entweder 30 Tage nach Zugang
der Rechnung, oder, wenn der Zugang
der Rechnung nicht bewiesen werden
kann, 30 Tage nach Erhalt der Leistung.
Darüber hinaus kommen Sie auch immer
dann in Verzug, wenn Sie jede Zahlung
ernsthaft und endgültig verweigern, für
die Leistung ein bestimmter Zeitpunkt
vereinbart wurde oder sich ein solcher
Zeitpunkt zweifelsfrei errechnen lässt.
~: Bleiben wir bei dem Normalfall:
Verzug erst nach Eingang einer Mahnung.
Können dann bereits mit dieser ersten
Mahnung Mahnkosten geltend gemacht
werden?
RA Boyke: Ja, Mahnkosten schon. Aber
keine Inkassokosten.
RA Boyke: Die Vergütung ist in §13 des
Rechtsanwaltvergütungsgesetzes geregelt. In der Anlage 2 zu diesem Gesetz
gibt es eine entsprechende Tabelle.
die Höhe von Rechtsanwaltsgebühren
angesetzt werden.
~: Und wenn das Inkassounternehmen mehr verlangt?
RA Boyke: Dann wird die Sache möglicherweise zu einem Rechtsanwalt
weitergegeben, der dann nochmals
Rechtsanwaltsgebühren
draufschlägt.
Diese zusätzlichen Gebühren sind aber
oftmals nicht mehr gerechtfertigt.
~: Wo ist denn der Unterschied?
RA Boyke: Mahnkosten sind viel geringer.
Es dürfen hier nur die Kosten verlangt
werden, die für die Erstellung und den
Versand der Mahnung angefallen sind.
Die Gerichte sind hier unterschiedlich
großzügig. Das Amtsgericht Münster hält
beispielsweise 5 Euro für eine Mahnung
für angemessen. Dagegen sind Inkassokosten in der Regel so hoch wie entsprechende Rechtsanwaltsvergütungen.
RA Boyke: Wenn die Hauptforderung
berechtigt ist, dann würde ich diese
und die gerechtfertigten Inkassokosten
zahlen und das Inkassounternehmen darüber informieren, dass die Zahlung auf
die Hauptforderung, die Zinsen und die
Inkassoforderung - in dieser Reihenfolge
- geleistet wird. Dann würde ich das Inkassounternehmen auffordern, mir eine
plausible Erklärung für die zusätzlichen
Kosten zu geben.
~: Und die Rechtsanwaltsgebühren
sind wie hoch?
~: Kann ich selber überprüfen, wie
hoch die Inkassokosten sein dürfen?
RA Boyke: Da muss ich etwas ausholen.
Die Rechtsanwaltsgebühren werden in
mehreren Schritten bestimmt, die ich
vereinfacht darstelle: Ausgangspunkt ist
die Höhe der Hauptforderung, da diese
den sogenannten Streitwert festlegt. Als
nächstes wird geschätzt, wie kompliziert
oder umfangreich die Angelegenheit war.
Abschließend wirft man einen Blick in
die Vergütungstabelle für Rechtsanwälte
und schaut, welcher Gebührensatz dem
festgestellten
Streitwert
zugeordnet
ist. Beispiel: Bei 300 Euro wären dies
25 Euro. Der Wert wird dann mit einem
Faktor zwischen 1,0 und 2,5 multipliziert
¨C je nachdem, ob die Angelegenheit
kompliziert oder umfangreich war. In
den meisten Fällen wird hier ein Faktor
zwischen 1,0 und 1,5 angesetzt. Zu diesem
Ergebnis addiert man dann 20% (jedoch
maximal 20 Euro) als Auslagenpauschale,
und schlägt auf die Summe nochmals
19% Mehrwertsteuer drauf. Bei Forderungen bis maximal 300,00 Euro kommt
man so auf Inkassokosten in Höhe von
53,55 Euro.
RA Boyke: Zugegeben, das ist nicht ganz
einfach. Schauen Sie sich das Schreiben
genau an: Zunächst sollten die Kosten
plausibel dargelegt sein. Werden beispielsweise Auskunftskosten geltend
gemacht, obwohl gar nicht ersichtlich ist,
dass eine Auskunft nötig war? Werden
neben Inkassokosten zusätzlich auch
noch Rechtsanwaltsgebühren verlangt?
Nach einer solch groben Prüfung untersuchen Sie dann die konkrete Höhe der
Inkassokosten. Grundsätzlich dürfen
hier nur die Kosten verlangt werden, die
durch das Inkasso hervorgerufen worden
sind. Das sind beispielsweise die Kosten,
die zwischen dem Gläubiger und dem
Inkassounternehmen vereinbart wurden.
Allerdings ist es die Regel, dass pauschal
~: Das klingt ganz schön kompliziert. Wo finde ich diese Vergütungstabelle, wenn ich es ganz genau wissen
will?
~!: Und wenn ich gar nicht bezahle?
~: Warum nicht?
RA Boyke: Es gibt schlichtweg keinen
Grund dafür, dass nach einem Inkassounternehmen auch noch ein Rechtsanwalt
eingeschaltet wird. Man braucht seit dem
01.07.2008 auch keinen Rechtsanwalt
mehr, um Mahnbescheide zu beantragen. Es gibt also keinen Grund, warum
Schuldner die Kosten eines Rechtsanwalt
hier tragen sollten.
~: Was kann ich tun, wenn das
Inkassounternehmen dennoch auf die
überhöhten Inkassogebühren besteht?
RA Boyke: Sie können klagen und gerichtlich feststellen lassen, dass die überhöhte Forderung nicht besteht. Wenn das
Inkassounternehmen verliert, dann muss
es alle Kosten dieses Rechtsstreits tragen.
Damit haben Sie übrigens auch ein gutes
Argument in der Hand, um die Gesamtforderung nach unten zu verhandeln.
~: Vielen Dank für das Gespräch.
RA Boyke: Immer gerne. #
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ãWas mich interessiert sind nicht bewegliche Kšrper,
sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert
ist die Wiederherstellung der menschlichen WŸrde
in jeder einzelnen Form.Ò
Dr. Moshe Feldenkrais
Feldenkrais-Praxis Vera LŠmmerzahl
Ludgeristra§e 114
Tel.: 0251-796707
11
Bericht | Text und Fotos: Christian Eilermann
Missionar auf Zeit
Ein Jahr im Nordosten Argentiniens
Wenigstens einmal im Leben über den
eigenen Tellerrand schauen, sein gewohntes Umfeld verlassen und eine andere und fremde Kultur kennenlernen.
Genau diese Gedanken waren es, die
Christian Eilermann dazu bewegt haben,
nach seinem bestandenen Abitur 2010
für insgesamt ein Jahr als sogenannter
MaZ (Missionar auf Zeit) nach Argentinien zu gehen, sein Leben in Deutschland
ein Stück weit hinter mich zu lassen und
mit den Menschen in Argentinien zu
teilen.
Missionar auf Zeit ist ein Angebot verschiedener missionarischer Gemeinschaften an junge Christen und Christinnen ab
18 Jahren zusammen mit einer religiös
geprägten Lebensgemeinschaft missionarische Erfahrung bei einem zeitlich
befristeten Einsatz in einer anderen Kultur zu machen. Durch den engen Kontakt
zu Menschen am Rande der Gesellschaft
soll MaZ sensibel machen für die krassen
Unterschiede in der Lebenshaltung und
die große Not vieler Menschen und soll
anleiten, Strategien zu entwickeln, wie
man hier wie dort ungerechte Strukturen
ändern kann. Letztendlich soll MaZ auch
12
für mehr Gerechtigkeit zwischen den
Ländern und verschiedenen Bevölkerungsschichten führen.
Dabei ist MaZ jedoch keine reiner
Entwicklungsdienst, bei dem es darauf
ankommt, von der Gesellschaft ausgestoßenen Mensch „nur“ Geld zu schicken
oder ihnen von außen einen bestimmten
Lebensstil aufzuzwingen. Vielmehr geht
es den Missionarinnen und Missionaren
auf Zeit um ein solidarisches Miteinander. Dies wird auch im Motto „mitleben,
mitbeten und mitarbeiten“ deutlich, bei
dem im Vordergrund das Miteinander
steht.
Also flog ich im August 2010 zusammen
mit Moritz, einem weiteren MaZ, nach
Misiones, einer Provinz im Nordosten
Argentiniens an der Grenze zu Paraguay
und Brasilien. Dort sollten wir für ein
Jahr in dem Altenheim „hogar Don
Vicente“ in einem kleinen Städtchen
namens Gobernador Roca leben. In dem
Altenheim, welches von einer Ordensschwester der Steyler Missionsschwestern
verwaltet wird, leben 25 alte Menschen,
von denen viele unter Krankheiten oder
Behinderungen
leiden.
Unter anderem wohnt dort
auch ein zwanzigjähriger
Junge, der zwei Jahre vorher alleine auf der Straße
gefunden worden ist und
das Down-Syndrom hat.
Oder auch das Ehepaar
Bebe und Suzi, wobei er
Alzheimer hat und niemanden, weder seine Frau
noch seinen Sohn erkennt,
und sie ihren Mann auch
nur hin und wieder. Insgesamt ist die Ausstattung
um einiges schlechter als in
Deutschland, beispielsweise schlafen die Bewohner
zu viert oder fünft in einem
Zimmer.
Allerdings war das Altenheim nicht
mein Hauptaufgabenbereich. Meine Aufgabe war die Arbeit in zwei Grundschulen
für die Kinder eines Ureinwohnervolkes.
Dabei habe ich oft Sr. Ana unterstützt,
eine Ordensschwester, die sich als
Direktorin von sechs Grundschulen mit
großem Engagement für die Belange
der Ureinwohner einsetzt. Mit der Zeit
musste ich lernen, in welch wirtschaftlich
schlechten Verhältnissen diese wohnen
und wie stark die negativen Vorurteile
ihnen gegenüber sind. Das liegt zum
größten Teil daran, dass sie bis vor wenigen Jahrzehnten noch als Nomaden
oder als fest angesiedelte Bauern von
den Pflanzen und Tieren des Urwalds
gelebt haben, dies aber leider nicht mehr
möglich ist, seitdem die Weißen diesen
abgeholzt haben. Zwar erholen sich die
Pflanzen langsam wieder, aber die Tiere
werden wohl nie wieder zurückkehren.
Deshalb müssen sich die Eingeborenen
innerhalb kürzester Zeit der Kultur der
Weißen anpassen, um ihr Überleben zu
sichern. So müssen die Kinder also die
„klassische“ Bildung erlangen, die Väter
für einen erbärmlichen Mindestlohn auf
den Feldern irgendwelcher Großgrundbesitzer arbeiten und sich mit plötzlich
mit viel zu vielen bürokratischen Hindernissen herumschlagen. Dabei werden
die eigenen Bräuche und Traditionen
natürlich zwangsläufig von den westlichen Einflüssen zerstört oder zumindest
überlagert. Dass sie sukzessive von dem
Land, auf dem sie seit Jahrhunderten
leben, vertrieben werden, nur weil sie
keine Dokumente besitzen, weil dieses
bürokratische System eben nicht Teil ihrer
Kultur ist, ist nur einer von vielen Aspekten der Unterdrückung der indigenen
Bevölkerung.
Diese Benachteiligung merkt man auch
an den Schulen, und dass obwohl sie
vom Bischof und dem Orden der Steyler
Missionsschwestern finanziell und personell unterstützt werden. So gab es in der
Schule, in der ich zuerst arbeiten durfte,
acht Klassen, aber nur drei Klassenräume
und drei Lehrerinnen. Dass der Unterricht
unter diesen Bedingungen etwas anders
abläuft als hier in Deutschland, muss
wohl nicht extra erwähnt werden. Neben
den Kindern wurden auch die Erwachsenen unterrichtet, so konnten die Mütter
beispielsweise
einmal
wöchentlich
etwas über Hygiene, gesunde Ernährung
und andere Themen lernen, während
die Männer immer samstags von einem
Ordensbruder im Bereich Technik und
Elektronik geschult wurden.
Im Frühjahr 2011 schließlich haben wir
eine neue Schule gegründet, da es in
dem Dorf, in dem die neue Schule nun
steht, etwa 25 Kinder im Grundschulalter gibt, von denen viele wegen des
langen Schulwegs aber nicht zur Schule
gehen konnten. Deshalb haben wir einen
leerstehenden Holzschuppen mitten
in dem Dorf zu einem provisorischen
Klassenraum umgebaut. In den ersten
Wochen fehlten uns neben dem Dach
auch noch Strom und fließend Wasser.
Dies alles konnte mit Hilfe der Eltern der
Schülerinnen und Schüler aber nach einiger Zeit geregelt werden. Die Tische und
Stühle, die wir uns aus einer anderen
Schule geliehen hatten, standen einfach
auf dem nackten Erdboden. Anfangs hat
mir Veronika, eine weitere Freiwillige aus
Österreich, geholfen, aber nach einigen
Wochen musste sie wieder abreisen, so
dass ich dann alleine in der Schule war.
Das lag auch daran, dass die Regierung
finanzielle Unterstützung verweigerte
und Sr. Ana somit keine feste Lehrkraft
einstellen konnte. Um die verschiedenen
Altersklassen unter einen Hut zu bringen
und mehr oder weniger jeden individuell
fördern zu können, musste ich natürlich
häufig improvisieren und den Unterricht
etwas spielerischer aufbauen. Aber gerade dies hat zu einem sehr ehrlichen Umgang und engen Kontakt zwischen den
Kindern und mir geführt und für die ein
oder andere Träne bei meinem Abschied
aus der Schule.
Neben der Arbeit in den Schulen und
dem Altenheim habe ich mich noch in
der örtlichen Kirchengemeinde engagieren dürfen, so unter anderem im Chor
und einer Gebetsgruppe. Dabei habe
ich erfahren dürfen, dass der Glaube
in Argentinien viel offener gelebt und
nicht so sehr versteckt wird wie hier in
Deutschland. Für mich persönlich eine
tolle und mutmachende Erfahrung.
Nun blicke ich mit größter Dankbarkeit
zurück auf ein aufregendes und erlebnisreiches, bestimmt aber auch lehrreiches
Jahr mit vielen schönen und weniger
schönen, lustigen und traurigen, einfach
und schwer zu verarbeitenden Erfahrungen, in dem die sonnigen Zeiten aber
definitiv überwiegt haben.
Ich habe mich bewusst auf das Abenteuer MaZ eingelassen und mich damit
dafür entschieden, meinen bescheidenen
Anteil für eine gerechtere Welt und ein
solidarisches Miteinander einzubringen
und habe diese Entscheidung in keinem
Augenblick dieses Jahres bereut. Aber
noch mehr, als dass ich irgendwem „Gutes“ tun konnte, haben mir viele, viele
Leute „Gutes“ getan, in dem sie mir ihre
Gastfreundschaft entgegengebracht und
mir erlaubt haben, an einem kleinen
Teil ihres Lebens teilzuhaben und von
ihnen zu lernen. Sei es in den Schulen,
im Altenheim oder in der Gemeinde,
immer wieder wurde mir mal mehr mal
weniger eine unglaubliche Freundlichkeit
und Herzlichkeit entgegengebracht und
immer wieder gab es Menschen, die auf
mich zugegangen sind und mit denen
ein Miteinander trotz aller Unterschiede
möglich war.
Natürlich bin ich kein Argentinier und
habe mich auch nicht selten als Ausländer gefühlt. Aber darum ging es auch gar
nicht. Sondern es ging darum, zu erleben,
dass Menschen verschiedener Kulturkreise, verschiedener sozialer Schichten und
auch verschiedenen Alters zusammen
leben können, wenn ein „Geben und
Nehmen“, ein „Miteinander“ und eben
kein „Von oben herab“ oder ein „Ich bin
sowieso besser als ihr“ als Grundlage
dienen.
Bei meiner Rückkehr nach Deutschland
sind mir ziemlich stark der finanzielle
Reichtum in Deutschland und der Überfluss, in dem große Teile der Bevölkerung
hier leben, bewusst geworden. Im krassen Gegensatz zur finanziellen Armut viel
zu vieler Menschen, sei es in Argentinien
oder Deutschland oder anderswo auf der
Welt.
Jetzt heißt es für mich, zu versuchen,
meine Erfahrungen hier in Deutschland
einzubringen und zu zeigen, dass „Missionar auf Zeit“ eben nicht „Missionar
auf begrenzte Zeit“, sondern „Missionar
auf Lebenszeit“ bedeutet. Denn wie eine
Ordensschwester aus Berlin uns während
der Vorbereitung einmal sagte: „Wissen
bedeutet Verantwortung!“ Und so bedeutet das Wissen um das Leid, um die sozialen Missstände und Ungerechtigkeiten
in der Welt gleichzeitig Verantwortung,
etwas ändern zu wollen. #
13
Bericht | Text und Foto: Sascha Benedikt Idziaszek
Zu Wasser, zu Land und sogar in der Luft
Ein Besuch bei der Wasserschutzpolizei in Münster
Krimi-Serien mit maritimen Flair sind
bei vielen Fernsehzuschauern äußerst
beliebt: SoKo-Wismar, Notruf Hafenkante und nicht zu vergessen die
Albatros II der Küstenwache, die jeden
Mittwoch-Abend durch die wogenden
Wellen der Ostsee pflügt. Lockere
Abendunterhaltung, bei der aber jedem
klar sein dürfte, dass dies mit dem realen Polizeidienst nichts zu tun hat. In
Münster gibt es eine Polizeistation, die
auch ziemlich nah am Wasser gebaut ist,
befindet sie sich doch in unmittelbarer
Nähe des Kanals. „~“- Autor Sascha Idziaszek hat die 18 Mann starke
Truppe der Wasserschutzpolizei Münster
am Wilhelmshavenufer besucht und sich
etwas über die tatsächlichen Aufgaben
dieser Einheit erzählen lassen.
Die Uniform von Dienststellenleiter
Christian Seidel lässt schnell erkennen,
der Mann hat irgendwas mit Schiffen oder
Schifffahrt zu tun: Dunkelblaue Hose,
weißes Hemd, dunkelblaue Krawatte.
Auf den blauen Schulterklappen goldene
Streifen, die den Rang anzeigen. Drei
breite Streifen dazwischen ein etwas schmalerer also ein Polizeihauptkommissar.
„Die Uniform unterscheidet sich doch ein
wenig von der Landespolizei“, erklärt der
Chef der Wasserschutzpolizei in Münster.
„ Die Rangbezeichnung ist aber doch
die gleiche, auch wenn wir Streifen auf
den Schulterklappen haben und unsere
Kollegen Sterne“, sagt Seidel.
Mit einem Gerücht räumt der Haupkommisssar aber sofort auf: „Wir sind
keine Sondereinheit, wie manche
denken. Wir gehören als Organisationseinheit zur Landespolizei.“ Tatsächlich
hat diese Einheit, die durchaus auch auf
dem Lande anzutreffen ist, Aufgaben,
die sich auf die deutschen Wasserstraßen
und je nach Bundesland auch auf die
See konzentrieren. Dazu gehören die
Kontrolle darüber, ob die See-und Binnenschifffahrtvorschriften
eingehalten
14
werden, die Gefahrenabwehr im Bereich
der Schifffahrt, Umweltschutz -und je
nach Bundesland- grenzpolizeiliche
Maßnahmen. Wobei sich die Zuständigkeit nicht nur auf die reinen Wasserstraßen bezieht, sondern auch auf Zuflüsse,
das angrenzende Ufer, Schleusen-und
Hafenanlagen.
Die Ausbildung an der Polizeischule
oder Hochschule ist identisch mit der
Ausbildung der Polizei an Land. Man
kann, wenn eine Stelle frei wird, zur
Wasserschutzpolizei wechseln, sich aber
nicht direkt dorthin bewerben. Seidel
erklärt , dass manche Polizei-Anwärter
sich falsche Vorstellungen machen: „Es
gibt immer mal wieder Kandidaten, die
wollen unbedingt von Anfang an zu uns.
Wer aber schon im Bewerbungsgespräch
deutlich macht, dass er eigentlich nur
zum Wasserschutz will und nicht zur
„normalen“ Polizei, hat schlechte Karten
einen Ausbildungsplatz zu bekommen.“
Alle durchlaufen das gleiche Ausbildungsprogramm und sollte dann im Laufe der Zeit eine Stelle beim Wasserschutz
frei werden, besteht die Möglichkeit
sich regulär zu bewerben. Es ist also
selbstverständlich, dass die Kollegen
vom Wasser auch an Land ihren Dienst
tun. „Die Nachtstreife erledigen wir oft
mit dem PKW, der sich durch nichts von
den anderen Polizeifahrzeugen unterscheidet“, berichtet Seidel, der nicht
nur in Münster, sondern auch schon bei
der Wasserschutzpolizei in Emmerich am
Rhein seinen Dienst getan hat.
Die Hauptaufgabe der 18 Wasserschützer ist aber nach wie vor die Kontrolle
des Dortmund-Ems- Kanal auf rund 60
Kilometern von Senden über Münster bis
Riesenbeck. Keine leichte Aufgabe, denn
es gilt auf bis zu 70 Schiffe täglich ein
wachsames Auge zu haben. Dafür stehen
dem Team in Münster zwei Boote zur
Verfügung. „Die Kontrolle der Binnenschiffe ist unser täglich Brot“, erläutert
der Dienststellenchef und erklärt weiter
eine der Hauptaufgabe: „Es ist in etwa
vergleichbar mit einer LKW- Kontrolle auf
der Autobahn. Wir überprüfen, ob die
Sicherheitsbestimmungen
eingehalten
werden, die Ausrüstung, die Besatzung
und die Kennzeichnung der Schiffe. Die
Binnenschiffer sind in Deutschland, die
am besten kontrollierten Verkehrsteilnehmer“, da ist sich der PHK sicher.
Spannend und extrem arbeitsintensiv
ist für die Wasserschutzpolizei der Sommer, besonders die extrem heißen. In
dieser Zeit sind nicht nur die Binnenschiffer unterwegs, sondern auch zahlreiche
Hobby-Kapitäne mit ihren Sportbooten
und nicht zu vergessen die zahlreichen
Badefreunde. Da kann es auch schon
mal zu Problemen kommen, weiß Christian Seidel zu berichten: „Im Sommer
vor zwei Jahren mussten wir regelmäßig
Eskorte für die Frachtschiffe fahren, weil
der Kanal so voll mit Badegästen war.
Überhaupt hat der Hauptkommissar aus
Münster gemischte Gefühle -wie er sagt-,
wenn er über das Baden im DortmundEms-Kanal spricht: „Eigentlich ist die
Dienstanweisung eindeutig, bietet aber
einen Ermessensspielraum: Das Baden
ist nicht erlaubt, wird aber toleriert.“ So
ganz zufrieden ist Wasserschutz-Chef aus
Münster scheinbar nicht mit der Lösung.
„Ich kann es aber verstehen. Ich war
schließlich auch mal jung und kann mich
erinnern, dass ich mich auch schon mal
im Kanal abgekühlt habe. Außerdem ist
unser Streckenabschnitt zu groß und wir
können und wollen nicht alles kontrollieren. Das heißt aber nicht, dass wir kein
wachsames Auge drauf haben.“
Richtig sauer wird Hauptkommissar
Seidel, wenn die Toleranz ausgenutzt
wird: „Wir haben nichts dagegen, wenn
die Leute friedlich im Wasser planschen.
Wenn aber die vorbeifahrenden Schiffe
geentert werden und Kajüten von Besatzungsmitgliedern durchwühlt werden
oder Binnenschiffer sogar bedroht werden und sich auf ihrem eigenen Schiff
verbarrikadieren müssen, hört der Spaß
auf“, sagt Seidel sichtlich verärgert und
weiter, „an Land sieht es aber oft nicht
besser aus. Wir haben schon öfter erlebt,
dass sich Jugendliche auf die Brücken
stellen, auf ein vorbeifahrendes Schiff
warten und dann herunterpinkeln. So
etwas ist für mich schlicht weg asozial.“
So ein Verhalten kann eine Anzeige nach
sich ziehen und auch ziemlich teuer werden. Mit 150 Euro Bußgeld kommt man da
noch relativ glimpflich davon. Dasgleiche
gilt übrigens auch für die sogenannten
Brückenspringer, die einen Kanalübergang schon mal als Sprungturm missbrauchen. „Ich würde in kein Gewässer
springen, das ich nicht kenne. Wenn ein
Springer in einem Fahrrad landet, das
jemand im Kanal entsorgt hat -und das
kommt nicht selten vor- ist das Geschrei
groß. Mit Mut hat das alles gar nichts
zu tun“, kommentiert Seidel kopfschüttelnd. Trotzdem sind die Männer von
der Wasserschutzpolizei recht zufrieden
über das Verhalten der Badegäste am
Kanal „Die meisten sind einsichtig und
reagieren auch sofort bei entsprechend
freundlicher Ansprache“, da sind sich
die Kollegen einig. Bei aller Einsicht
bemerken die Beamten zu Wasser auch
immer wieder, dass der Respekt abnimmt
„Dass vor einem ausgespuckt wird, oder
dass es trotz freundlicher Ermahnung,
kein Lagerfeuer anzuzünden, dann doch
geschieht und wir erst lang und breit mit
den Personen diskutieren müssen, ist
keine Seltenheit“, erklärt PHK Seidel.
Besonders aufwühlend ist es für den
Hauptkommissar immer, wenn Menschen
am Kanal zu Schaden kommen. Leider
gibt es immer wieder Personen, die nicht
nur durch Unfälle verletzt oder getötet
werden, sondern die versuchen, sich
das Leben zu nehmen. Auch die Suche
nach Vermissten im und am DortmundEms-Kanal ist immer eine besonderer
Herausforderung für das Team der
Wasserschutzpolizei. Den schlimmsten
Unfall seiner Laufbahn in Münster hat
Christian Seidel 2006 erlebt. „In der Nähe
des Benno-Hauses sind zwei junge Ruderinnen unter ein Binnenschiff geraten
und sind in die Schraube gekommen. Ein
Bild, das sich nicht mehr so einfach aus
dem Gedächtnis löschen lässt“, schildert
Seidel das Erlebte sichtlich betroffen.
Es gibt aber auch immer wieder kurioses und lustiges im Berufsalltag. Gerade
wenn die Saison beginnt und viele nach
der Winterpause ihr Sportboot zu Wasser
lassen. Bei manchem Hobby-Skipper
liegen Theorie und Praxis im Umgang
mit ihrem Wassergefährt ziemlich weit
auseinander, erklären die Beamten. Dies
ist besonders gut in den Schleusen zu
beobachten. Da wird aus einem kleinen
Sportboot schon mal schnell ein Kreisel,
weil es zu wenig Abstand gehalten hat
und in den Strudel der Schleuse oder
des Vordermannes geraten ist. „Tja:
Beim Schleusen scheidet sich die Spreu
vom Weizen“, können sich die Kollegen
um PHK Seidel ihren Kommentar nicht
verkneifen.
Aber auch manche Profis sind nicht
besser: Vor einiger Zeit hat ein leeres
Tankschiff mit einem Auto an Deck
Schleuse und Brücke passieren wollen.
„Wir haben dem Binnenschiffer noch
gesagt: Das passt nicht. Er meinte nur:
Das passt. Das Spielchen ging einige Zeit
hin und her, der Mann war nicht zu überzeugen. Und was glauben sie: Es passte
natürlich nicht“, erzählte Seidel mit ein
wenig Schadenfreude. Das Auto landete
im Kanal und für den Mann wurde es
gleich dreifach teuer: Missachtung einer
polizeilichen Anweisung, Bergung des
PKW und Gewässerverunreinigung. Wer
nicht hören will, muss fühlen.
Von zunehmender Bedeutung ist auch
die Zusammenarbeit der Wasserschutzpolizei mit den Umweltbehörden. Die illegale Entsorgung ganz unterschiedlicher
Stoffe in die Binnengewässer macht den
Männern nach wie vor große Sorgen. Aus
diesem Grund begeben sich Hauptkommissar Seidel und seine Mitarbeiter auch
schon mal in die Luft. „Von oben sind die
Verunreinigungen manchmal besser zu
erkennen als vom Boot aus“, erläutert der
Polizist vom Dortmund-Ems-Kanal. Seit
zwei Jahren arbeiten die Wasserschützer
mit der Hubschrauberstaffel Westfalen
mit Sitz in Dortmund zusammen, die
nach Bedarf angefordert werden kann.
In Mecklenburg-Vorpommern ist die
Hubschrauberstaffel der Polizei sogar Teil
der Wasserschutzpolizei. „Sie sehen, eigentlich haben wir alles am Kanal gut im
Griff: Zu Wasser, zu Land und manchmal
eben auch in der Luft“, so Haupkommissar Christian Seidel zufrieden. #
15
Bericht | Text und Foto: Michael Heß
Eine Spielart des Ewiggestrigen
Rechtsausleger wollen den Hindenburgplatz behalten
Mit dem Beitrag “Falsche Helden” im
Februarheft 2007 stieß die ~ eine
ungeahnte Entwicklung an. Fünf Jahre
später stehen acht Straßennamen zur
Disposition und droht ein Bürgerentscheid mit enormer Negativwirkung für
die Stadt des Friedens und der Toleranz.
Unzeitgemäße
Widerstände
gegen
historische Fakten leuchtet ~-Lokalredakteur Michael Heß als besondere
Spielart des Ewiggestrigen aus.
Feldmarschall und Russenfresser, seit
Mitte 1916 faktischer Militärdiktator und
Miterfinder der Dolchstoßlegende nach
1918, ab 1925 widerwilliger Weimarer
Präsident und in dieser Funktion ab
Januar 1933 bis zu seinem Tod im August
1934 Hitlers Steigbügelhalter. In der Folge
blieb es in Münster bei Kaiser-WilhelmRing, Hindenburgplatz und anderen.
Trotz mehrfacher Anläufe zur Änderung,
der letzte erst 1998.
Anders als viele deutsche Städte setzte
Münster in der Nachkriegszeit Besatzungsvorgaben zu Straßennamen nur teilweise
um. Als belastet galt nach der britischen
„Militärdirektive 30” von 1947, wer sich
zu tief mit Kaiser und Nazis einließ. Interessantes dazu berichtete der Historiker
Prof. Dr. Alfons Kenkmann 2008 in der
Veranstaltungsreihe „Roter Salon”: Die
Akte sei auffallend dünn und breche noch
vor dem Ratsbeschluss ohne ersichtlichen
Grund ab. Prominentester Fall ist der des
Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg. Kaiserlicher
Im März 2007 bringt der ~-Beitrag
„Falsche Helden” die Sache unerwartet
wieder ins Rollen. Im Januar 2008 hievt
die SPD per Ratsantrag die Umbennnung
des Hindenburgplatzes auf die parlamentarische Ebene. Der Schneeball wird
zur Lawine. 2009 beruft die Stadt eine
Kommission zur Bewertung belasteter
Namen aus der Nazizeit. Ihr gehören
neben OB Markus Lewe und Vertretern
der fünf Ratsfraktionen mit den Professoren Dr. Ulrich Thamer (Münster) und Dr.
Alfons Kenkmann (Leipzig/Münster) zwei
der profiliertesten Kenner der neuesten
deutschen Geschichte an. Politischer
Wille findet endlich zu historischer Sachkunde. Wie es Stadtarchivar Dr. Hannes
Lambacher formuliert, sei es keine Laune
der Stadtverwaltung, „da Bürger und
Institutionen seit Jahrzehnten immer
wieder Straßennamen anprangern, von
denen einige auch wirklich angreifbar
sind.” Neben Hindenburg stehen sieben
weitere Namen zur Disposition, darunter
die Schriftstellerin Agnes Miegel, der
Heimatforscher Karl Wagenfeld und der
Mediziner Wilhelm Jötten. Heute gelten
sie als zu nazinah; der Sportfunktionär
Carl Diem trat nach heftigem Streit bereits
2010 von Münsters Bühne ab.
Anzeige
Im Zentrum des Geschehens steht aber
der kaiserliche Feldmarschall, d.h. der
ehemals nach ihm benannte Platz vor
dem Schloss. Obgleich einige hundert
Jahre alt, trug der in seiner Geschichte
nur drei Namen. Als im 18. Jahrhundert
16
Johann Conrad Schlaun aus einer vormals
bischöflichen Zwingburg (erbaut als
Folge des Täuferdebakels) das barocke
Schloss zauberte, benötigte der Platz
zwischen Schloss und Stadtbebauung
einen Namen. Wenig originell kam der
Neuplatz heraus, den Münsters Rat am 5.
Oktober 1927 hurrapatriotisch nach dem
kaiserlichen Generalissimus benannte,
der gerade in der Stadt weilte. Bis auf die
präsidiale Visite hatte der greise Feldmarschall seinen Lebtag lang mit Münster
nichts zu schaffen. Nach 85 Jahren
beschließen die Nachfolger am 21. März
2012 keine Rückbenennung, sondern die
Umbenennung in Schlossplatz. Was auch
nicht sehr originell ist, aber zum guten
Kompromiss taugt und weltanschauliche
Neutralität atmet.
Denn die ideellen Frontstellungen
verlaufen im Vorfeld des Schilderwechsels
politisch überraschend inkorrekt. Bis in
die Reihen der Grünen wird öffentlich
Unverständnis über die Umbenennungen
artikuliert; noch im November 2011 ist
ein unabgestimmter Vorschlag der grün
eingefärbten Münsteraner DGB-Spitze
bestens geeignet, den unter SPD-Ägide
mühsam erreichten Stand zu torpedieren. Auf einmal sollte nämlich noch der
kaiserliche Admiral Reinhard Scheer
verdammt werden, obwohl Personen
des Ersten Weltkrieges bis dahin nicht
zur Disposition standen. Und warum
störten sich die gewerkschaftlichen
Hobbyhistoriker mit grünem Parteibuch
dann nicht an der Danziger Freiheit? Die,
gleich um die Ecke gelegen, echter Nazijargon ist? Der seltsame Vorstoß erwies
sich als Versuch einiger Funktionäre, im
Gewerkschaftsmäntelchen Öl in Münsters
rot-grünen Konflikt zu gießen.
Auf der anderen Seite ficht eine bunte
Allianz seit langem unermüdlich für die
Umbenennung: viele historisch gebildete Bürger, assistiert von etablierten
Wissenschaftlern und Medien wie der
Münsterschen Zeitung und der ~,
die SPD natürlich und die LINKE sowieso,
auch die grüne Ratsfraktion stimmt am
21. März geschlossen gegen Hindenburg,
die Kleinen im Rat, ÖDP, Piraten und UWG
ebenso, mehrheitlich die FDP, etliche
CDU-Politiker und schließlich OB Markus
Lewe (Chapeau!), was nicht jeder in
seiner Partei goutiert. Die CDU-Fraktion
in der Bezirksvertretung Mitte bringt es
fertig, sich der Debatte und Abstimmung
überhaupt zu verweigern, der CDUKreisvorstand stellt sich gegen CDU-OB
Lewe. Alles ist lokalhistorisch so einmalig
wie nur irgendwas. Die Junge Union geht
noch einen Schritt weiter, doch dazu später mehr. Obgleich historische Wertungen
nicht in Stein gemeißelt sind. Auch sie
unterliegen
Wandlungen
im Zeitgeist wie Sitten und
Gebräuche. Anders formuliert:
Heute sind nachweisliche
Unterstützer des Naziregimes
als Namensgeber für öffentliche Räume unwürdig. Denn
jede Straßenbenamung ist
zuerst eine Ehrung
des Namensgebers.
Eine
Wahrheit,
die Rechtsausleger
und Rückwärtsgewande
in der erbitterten Debatte
permanent
ignorieren.
Stadtarchivar
Hannes
Lambacher ist sich bereits
zu Beginn des Streitens
sicher, „dass die
Menschen
verstehen, warum die Umbenennungen
erfolgen müssen.” Es gibt Stimmen,
die auf die bereits erwähnte britische
Militärdirektive 30 verweisen sowie auf
den Paragrafen 139 des Grundgesetzes
(„Befreiungsgesetz”), demzufolge „zur
Befreiung des deutschen Volkes vom
Nationalsozialismus und Militarismus”
erlassene Rechtsakte der Besatzungsmächte unmittelbar geltendes Recht
seien, da von den Bestimmungen des
Grundgesetzes nicht berührt. Insofern
werde durch den Rat 2012 nur vollzogen,
was bereits 1947 hätte passieren müssen.
Klarer können Fakten nicht sein. Oder
die schlichte Tatsache, dass die Hindenburgstraße sowie die ehemalige Hindenburgschule im Kreuzviertel im Wissen
um Hindenburgs Rolle seit Jahrzehnten
verschwunden sind. Warum es dann auch
weiterhin einen Hindenburgplatz geben
soll, erschließt sich nicht.
Leicht machen es sich die
Befürworter der Umbenennung nicht. Die historische Kommission tagte,
prüfte und wertete, die
Ausstellung „Ehre, wem
Ehre gebührt?” war im
Rathaus zu sehen, eine
repräsentative Umfrage
ermittelte das Stimmungsbild bei fünftausend
Münsteranern, in den Stadtbezirken
gab es Informationsveranstaltungen der
Stadtverwaltung für die Bürger. Unterm
Strich war es für viele Münsteraner sogar
zuviel Aufwand. Dem Weihbischof Ostermann wird der Ausruf während der zigsten Veranstaltung zum Thema im Rathaus
zugeschrieben, man solle die Sache nun
doch endlich zu Ende führen, statt immer
wieder neu zu diskutieren.
Damit traf er ein
weit verbreitetes
pragmatisches
Stimmungsbild:
Kein
ausgemachter Freund
der Umbenennung zu sein,
aber das Anliegen letztlich
nachzuempfinden.
Eine zeitgemäße Entscheidung, sollte
man meinen. Doch es gibt ganz andere
Stimmen. Schon Monate vor dem 21.
März regt sich auf den Leserbriefseiten
der Lokalpresse massiver Unwille. Seitenweise Zuschriften pro und contra und
das zu einem Thema - das hat es seit
der Musikhalle nicht mehr gegeben. Mit
bezeichnenden Argumenten wie: Gebe es
nichts Wichtigeres zu tun (doch ja, gibt
es), Hindenburg gehöre zur deutschen
Geschichte (was kein Mensch je bezweifelte), er habe Hitler gar nicht gemocht
und als Krönung: Was hätte er denn anders tun können, als Hitler am 30. Januar
1933 zum Reichskanzler zu machen? Dem
ist zu antworten: eine ganze Menge, denn
der Weimarer Reichspräsident verfügte im
Gegensatz zum Bundespräsidenten über
reale Macht. Nach dem 30. Januar trug
Hindenburg alles, aber auch alles mit:
den als „Notverordnung zum Schutze von
Volk und Reich” getarnten exekutiven
Putsch, die Annullierung der Reichtagsmandate der KPD, die Verhaftung von
SPD-Parlamentariern, die Ersetzung der
Länderministerpräsidenten durch Reichsstatthalter außerhalb der noch geltenden
Verfassung (die sog. „Gleichschaltung von
Ländern und Reich”), den ersten Judenboykott im April 1933, die erzwungene
Auflösung selbst der rechtskonservativen
Parteien DVP und DNVP, letztere bis dahin
sogar Koalitionspartner in der ersten
NS-Regierung, die Etablierung der ersten
KZ und der Gestapo, den sog. „RöhmPutsch” samt personeller Flurbereinigungen durch Kugelhagel schließlich...
Vielen Briefschreibern sind diese Fakten
augenscheinlich egal. Geschichtsklitterung trifft historische Viertelbildung trifft
Deutungsverlust. Nach dem Streit um die
Paul Wulf-Skulptur am Iduna-Hochhaus
sieht sich das (rechts)konservative Milieu
der Domstadt von einem weiteren Verlust
historischer Deutungsmacht bedroht. Das
ist das treibende Motiv, die glasklaren
Fakten zu ignorieren und rechthaberisch
durch bloße Meinungen zu ersetzen.
Westfälische Bräsigkeit und Bildungslücken leisten Schützenhilfe.
Es geht allerdings noch schlimmer. Alles
Argumentieren und alle historischen Fakten prallen an einem illustren Grüppchen
Münsteraner ab, die als „Bürger gegen die
Umbenennung des Hindenburgplatzes“
Diese Seite wird von Jörg Adler gesponsort.
17
einen Bürgerentscheid gegen die Umbenennung anstreben. Aus dem frisch
gewonnenen Schlossplatz soll wieder der
Hindenburgplatz werden. Siebzig Jahre
nach Kriegsende wäre es ein einmaliges
Negativum deutscher Nachkriegsgeschichte. die illustre Schar ficht es nicht
an. Vorneweg der Rechtsanwalt Stefan
Leschniok, der schon vor Jahren einen
Linksruck der CDU ausgemacht haben
will und sich, nicht gerade freiwillig, als
Leser der weit nach rechts ausholenden
Zeitung „Junge Freiheit” outet. Und der
ehemalige CDU-Ratsherr Franz-Josef
Sandhage, in Sachen Hoppegarten vor
wenigen Jahren durch ausländerfeindliche Statements aufgefallen. Und der
Verwaltungsjurist Herbert Kober, zuletzt
noch heftige wiewohl gehaltlose Kritik an
Münsters neuem Ordnungsdezernenten
Wolfgang Heuer (SPD) übend. Kober weiß
auch von „vielen positiven Äußerungen
über den Kanzler Hitler“. Mit dabei sind
auch der ULTIMO- und Na Dann-Mitarbeiter Carsten Krystofiak sowie Stefan
Roth, CDU-Ratsherr und Boss der lokalen
Jungen Union. Die unterstützt das ahistorische Ansinnen und setzt damit ein wohl
einmalig unzeitgeistiges Zeichen. Normalerweise gelten die Jugendorgas der
Parteien als deren Linksausleger. Anders
bei Münsters jungen Christdemokraten.
Rechtskonservatismus statt katholischer
Soziallehre - es ist ein trüber Sumpf mit
18
einem ins Bräunliche gehenden Stich.
In einer Karl-Marx-Straße würden sie
wohl nicht leben wollen, obwohl es der
Trierer im Gegensatz zur Pickelhaube bis
auf Platz 4 des ZDF-Rankings der größten
Deutschen schaffte.
Lehrbuchreif fallen keine 20 Stunden
nach dem Ratsbeschluss und zweieinhalb
Wochen nach der Rumphorster Nazidemo
beim ersten Pressegespräch der Initiative
am 22. März Sätze wie die: Hindenburg
sei nebst Bismarck der größte Deutsche.
Oder solche von den armen deutschen
Frauen in Ostpreußen, die allein der
tüchtige Feldmarschall Hindenburg vor
lust- und mordgeilen Russen rettete
(doch nebenbei: Hatte er nicht wenigstens einen Gefreiten bei sich?). Sie lassen
den Tannenbergmythos aufleben und der
Beifall von rechts außen ist ihnen gewiss.
Auch sei der gescheiterte Künstler aus
Braunau anfänglich ein honoriger Herr
gewesen, getragen von der Zuneigung
des deutschen Volkes. Sicher, auch
manch psychopathischer Massenmörder
galt seiner Umwelt anfänglich als honorig
und liebenswert. Es sind ahistorische und
militante Äußerungen, getätigt im Jahre
2012 mitten in der Stadt des Friedens und
der Toleranz. Auf die Frage anwesender
Journalisten, was man zu tun gedenke,
wenn auch die NPD beim Bürgerentscheid
mitmische, antwortet Leschniok, keine
Handhabe gegen solche Hilfe zu haben.
Soll wohl heißen, sie störe nicht wirklich.
Leschniok kapituliert de facto vor den
Nazis, aber das trübe Treiben deshalb zu
beenden, kommt ihm nicht in den Sinn.
Nichts gilt diesen Protodemokraten. Keine historische Fakten und seien sie noch
so eindeutig. Nicht die Gültigkeit des
Besatzungsrechtes in diesem Punkt und
sei sie noch so deutlich im Grundgesetz
fest geschrieben. Nicht die Meinung der
Fachwelt und sei sie noch so kompetent vorgetragen. Nicht die Distanz fast
aller Medien und bürgerschaftlichen
Strukturen der Domstadt. Abgesehen
von der Jungen Union und einigen
CDU-Untergliederungen. Selbst die Westfälischen Nachrichten verweigern sich
vordergründig der rückwärts gewandten
Initiative. Ehemalige Protagonisten pro
Hindenburg wie der CDU-Ratsherr Walter
von Göwels legen Distanz zur Initiative
hin, indem sie unzweideutig ankünden,
das deutliche Ratsvotum zu akzeptieren.
Fast keiner riskiert braune Fleckenränder
auf der eigenen Weste.
Zweifel sind angebracht, ob die
rechtslastige Initiative wirklich so isoliert
ist. Fortgesetzt veröffentlichen die WN
Leserbriefe pro Hindenburg. Erkennbar
setzen Anwalt Leschniok und Mittäter
auf Emotionen, Uneinsichtigkeit und das
in Münsters liberaler Bürgergesellschaft
gerne gepflegte Laissez-Faire. Am 4. April
beginnt die Sammlung der für ein Bürgerbegehren erforderlichen 9.499 Unterschriften. Leschniok: „Wir hoffen auf
einen Schneeballeffekt“. Es wäre besser,
das untergründige rechte Potenzial in der
Stadt nicht zu unterschätzen. „Münster,
sei wachsam”, kommentiert MZ-Chefredakteur Stefan Bergmann das trübe
Treiben im März mehr als deutlich. Das
Gute setzt sich nicht im Selbstlauf durch
und sei es historisch noch so begründet.
Aktive Aufklärung gegen das ewiggestrige
Treiben einiger Protodemokraten heißt
das Gebot der Stunde. Es ist zugleich die
Art von politischer Hygiene, von der man
bis zum März 2012 annehmen durfte, sie
habe sich überlebt. Leider nein; auch
dieser Schoß ist fruchtbar noch. #
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Bericht | Text: Carsten Scheiper
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Vorsicht, ansteckend!
Grassiert die Hindenburgitis wieder?
Eine der ersten Dokumentationen dieser ominösen Krankheit stammt aus der Feder
eines Soldaten der X. Armee, der während des Ersten Weltkriegs folgende Zeilen in
einer Feldzeitung veröffentlichte:
Marke Hindenburg
Jedermann staunt in dem Weltenkriege,
über die herrlichen Hindenburg-Siege,
Immer zur richtigen Zeit schlagbereit,
Jedermann staunt ob der Vielseitigkeit,
Jedermann, der ins Zeitungblatt stiert,
was unser Herrführer außerdem ‚führt‘!
Hindenburg-Honig – Hindenburg-Schmiere,
Hindenburg-Kognak – Hindenburg-Biere,
Hindenburg-Schnitzel – Hindenburg-Speis´,
Hindenburg-Kaffe – Hindenburg-Eis,
Hindeburg-Keks – Hindenburg-Torte,
Hindenburg-Tabak – Hindenburg-Sorte,
Hindenburg-Messer – Hindenburg-Früchte,
Hindenburg-Streichhölzer – Hindenburg-Lichte,
Hindenburg-Wichse – Hindenburg-Fett,
Hindenburg-Stiefel – Hindenburg-Bett,
Hindenburg-Schlipse – Hindenburg-Tücher,
Hindenburg-Bleistifte – Hindenburg-Bücher,
Hindenburg-Tropfen – Hindenburg-Pillen,
Hindenburg-Gläser – Hindenburg-Brillen,
Hindenburg-Uhren – Hindenburg-Ringe,
Und Tausend andere Hindenburg-Dinge !
Alles ‚führt‘ Hindenburg, wohin ich kiecke,
Marschall, wo haste die große Fabrike? #
Franco
Franco wurde als Jungtier mit seiner
Mutter und seinen 4 Geschwistern in
einem Karton ausgesetzt. Das neun
Monate alte Angora-Mix-Kaninchen mit
den schönen blauen Augen bedarf häufiger Fellpflege, da er schnell verfilzt,
wenn er nicht regelmäßig gebürstet
wird. Franco kennt die Prozedur aber
schon und hat sich damit inzwischen
arrangiert. Inzwischen konnten alle
seine Geschwister und das Muttertier
vermittelt werden. Nur Franco sucht
noch ein schönes Zuhause. Er ist ein sehr
freundliches Kaninchen, das nach erster
Zurückhaltung schnell auftaut und sich
auch gut mit Artgenossen versteht und
unterordnet. Er frisst Leckerlis mittlerweile aus der Hand. Für Franco suchen
wir ein schönes Zuhause in Innen- oder
Balkonhaltung. Haben sie eine Freundin
für Franco und möchten ihm ein neues
Zuhause geben? Dann melden Sie sich
gerne bei uns.
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19
Bericht | Text: Manuel Schumann | Foto: uliburchardt.de
„Jetzt sind die Händler am Zug“
Uli Burchardt über Qualität und Nachhaltigkeit
Der Managementberater Uli Burchardt
kritisiert in seinem neuen Buch Ausgegeizt! die „Billigrepublik Deutschland“- und appelliert an uns alle, sich
häufiger für Qualität zu entscheiden. „Es
geht um eine langfristige Nutzung der
Ressourcen“, sagt der gelernte Landwirt
und Förster im Gespräch mit Manuel
Schumann.
~: Herr Burchardt, der Begriff
„Nachhaltigkeit“ gilt als das neue
Zauberwort der Politik – er ist weder
anschaulich noch genau. Weshalb verwenden auch Sie ihn in Ihrem Buch?
Uli Burchardt: Der Begriff besitzt noch
immer eine enorme Kraft! Es ist allerdings tatsächlich ein Problem, dass er
derart inflationär verwendet wird. Ich
wurde schon oft darauf angesprochen,
„Mensch, fällt Ihnen kein besserer Begriff
ein?“ Aber: Wenn McDonalds mit dem
Claim „Ich liebe es“ werben, hat das ja
auch nicht zur Folge, dass ich diesen Satz
aus meinem Wortschatz streiche. Nachhaltigkeit ist ein ehrwürdiger Fachbegriff.
Ich gebe aber zu, dass ich Unternehmen
heutzutage rate, den Begriff sparsam zu
verwenden - und stattdessen die Fakten
in den Vordergrund zu stellen. Kurz:
Nachhaltig denken, sich entsprechend
weiterentwickeln, dabei weniger über
Nachhaltigkeit sprechen, sondern vielmehr über die Fakten.
~: Wie definieren Sie „Nachhaltigkeit“?
Uli Burchardt: Die meisten Menschen
verbinden das Wort mit „Bio“, sie denken sofort an Ökologie. Das ist jedoch
nicht richtig. Nachhaltigkeit besitzt drei
Ausprägungen:
eine
sozial-ethische,
eine
ökonomische und eine
ökologische. Das Konzept der Nachhaltigkeit
verlangt, dass man in
allen drei Aspekten so
wirtschaftet, dass man
dauerhaft so weitermachen kann. Es geht
um eine langfristige
Nutzung der Ressourcen.
Discounter stehen für
das Gegenteil. Discount
ist eine Wertvernichtungsstrategie.
~: Sie schreiben in Ihrem Buch, die
Preisspirale bei den Discountern drehe
sich weiter nach unten – ist das Ende
nicht inzwischen erreicht?
Möbel und Trödel
~: Erklären Sie die
drei Ausprägungen bitte
genauer.
Uli Burchardt: Das hängt von der jeweiligen Warengruppe ab. Mittlerweile
bieten die Discounter ja auch viele NonFood-Angebote an, zum Beispiel Schuhe
oder Jacken. In diesem Bereich werden
die Preise im Schnitt weiter sinken. Im
Lebensmittelbereich dagegen sind wir
weitgehend am Limit angekommen.
Ich nenne jedoch in meinem Buch auch
das Mineralwasser-Beispiel - 19 Cent für
die 1,5l-Flasche. Die meisten Experten
haben bis vor kurzem gesagt, da könne
man nicht weiter runter, das sei ausgeschlossen - dann sank der Preis plötzlich
doch. Insgesamt wird mit sehr harten
Bandagen gekämpft, jede Discount-Kette
will der Konkurrenz mit aller Macht die
Kunden abjagen. Insofern ist das letzte
Wort vielleicht auch bei den Lebensmitteln noch nicht gesprochen, wer weiß. Im
Großen und Ganzen dürften die Preise für
diese Warengruppe jedoch stabil bleiben.
Mo. - Fr.: 9.30 - 19.00 Uhr, Sa.: 9.30 - 16.00 Uhr
Uli Burchardt: Menschen, die an der
Produktion einen Produktes beteiligt sind,
sollten unter guten
~: Sie sagen, Aldi könnte womöglich schon bald seinen Zenit überschritten
haben. Grund sei, dass das Angebot in
den vergangenen Jahren breiter geworden ist. Passt es da vielleicht ins Bild,
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20
Bedingungen arbeiten und zudem entsprechend bezahlt werden - nur dann
werden sie das auch in Zukunft tun. Zum
Punkt Ökologie: Ich muss die Ressourcen
so nutzen, dass ich sie dauerhaft nutzen
kann; ich muss beispielsweise weg vom
Öl. Zur ökonomischen Ausprägung:
Werden bei der Herstellung eines Produktes Partner, zum Beispiel Lieferanten,
ausgebeutet, dann ist auch das nicht
nachhaltig. Denn auch das wird nicht auf
Dauer funktionieren. Qualität zeichnet
sich idealerweise dadurch aus, dass in
allen drei Bereichen Nachhaltigkeit groß
geschrieben wird.
dass einige Ketten Schritt für Schritt eine
neue Marschroute ausgegeben: Es heißt,
der Kunde solle künftig vom Kumpel
wieder zum König befördert werde – als
ersten Schritt wolle man die Läden optisch verändern.
Uli Burchardt: Ich kenne diese Zielvorhaben nicht. Es wäre aber ein klares Zeichen
dafür, dass die Herrschaften gemerkt ha-
am Zug. Eigentlich wäre es dringend nötig, dass ein großer Händler endlich sagt:
„Liebe Konsumenten, wir erklären Euch
jetzt mal etwas. Wir sorgen dafür, dass Ihr
dazulernt – und das unterscheidet uns
von den Discountern.“ Eine Erklärung,
in der die Qualitätsstandards des Unternehmens glasklar aufgelistet werden, das
wäre beispielsweise hilfreich. Ich glaube
an die Märkte und ihre Kräfte. Klare
Entscheidungen hin zu mehr Qualität
plus die entsprechende Kommunikation
würden vermutlich am meisten bewegen.
Machen wir uns nichts vor: Der erhobene
Zeigefinger des Ernährungsministeriums
wäre wirkungslos. Daher mein Appell:
Wir brauchen eine überzeugende Alternative, einen richtig tollen Supermarkt!
Ein Markt, in dem ich erleben kann, dass
ich nicht arm werde, wenn ich ein paar
Cent mehr für Lebensmittel ausgebe. Und
wie gut sich das anfühlt, wieviel Spaß
das macht. Eine bewusste Entscheidung
für Qualität.
Ich gestehe jetzt, dass ich lediglich eine
einzige Jeans besitze, bei der ich tatsächlich weiß, wo und wie sie hergestellt
wurde. Das ist wahrscheinlich mein
schwächster Punkt. #
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Uli Burchardt
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~: Fällt Ihnen spontan eine Firma
ein, die erfolgreich auf Qualität setzt,
Qualität nach Ihrer Definition?
ben, dass sich etwas bewegen muss. Dass
sie mit ihren Immer-Billiger-Konzepten
nun möglicherweise an eine Grenze gestoßen sind.
~: Plakativ gesagt: Das Drumherum
wird verändert, die Tiefpreise bleiben.
Uli Burchardt: Ja. Es wäre sozusagen der
Versuch, die ersten Nebelkerzen zu werfen, um so zu tun, als entwickelte man
sich in Richtung Hochwertigkeit. Eine
nette Täuschung.
~: Sehen Sie auf politischer Ebene
Handlungsbedarf?
Uli Burchardt: Ein Stück weit vielleicht,
ja. Aus meiner Sicht als Marketing-Mann
sind allerdings hauptsächlich die Händler
Uli Burchardt: Es gibt zum
Glück viele solcher Firmen.
Ein gutes Beispiel: LungeLaufschuhe. Beinahe jeder
hat vorher gesagt: Du kannst
nicht in Deutschland einen
Laufschuh
produzieren,
das geht nicht mehr, das
bezahlt keiner. Wir sehen
aber: Es funktioniert. Im
Lebensmittelbereich gibt es
viele großartige Konzepte,
tolle Firmen, ich denke
da zum Beispiel an kleine
Brauereien. Für die kommenden Monate habe ich
mir vorgenommen, weiter
nach solchen Unternehmen
zu suchen.
~: Herr Burchardt,
gibt es in Ihrem Leben einen
Bereich, in dem Sie nicht auf
Qualität achten?
Uli Burchardt: (lacht) Ich
muss überlegen, Moment.
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21
Bericht | Text: Markus Kipp
Preußenrückblick
SC Preußen Münster 06 –
Wehen Wiesbaden 1:1 (1:1)
Gegen einen direkten Mitabstiegskandidaten konnten die Preußen das
Abstiegsgespenst nicht aus dem Preußenstadion vertreiben. Nach 1:0 Führung
per Elfmeter gelang den Wehenern, zu
einem für die Preußen psychologisch
ungünstigem Zeitpunkt in der 45 min.
der Ausgleich. In Hälfte Zwei verflachte
das Spiel immer mehr und mit einem
leistungsgerechten
Unentschieden
endete die Partie. Positiv zu vermelden
ist, dass die Kommunikation zwischen
Mannschaft und Fans wieder Blüten
trägt. Nach dem Spiel diskutierte die
Mannschaft noch lange mit den Fans.
Nachholspiel
SC Preußen Münster 06 –
Carl Zeiss Jena 1:0 (1:0)
Wenn der SCP in den nächsten Spielen
so auftritt wie gegen Jena wird der Klassenerhalt wohl gesichert sein. Die Preußen zeigten mit einer Energieleistung,
wie man sie zu Saisonbeginn zu sehen
bekam, ein komplett neues Gesicht. Der
Negativtrend der letzten Wochen wurde
gebrochen und alle Fußballtugenden
aus der Mottenkiste gekramt. Björn Kluft
war an diesem Erfolg nicht unbeteiligt,
er markierte in der 21 min. den Siegtreffer. Nun können die Münsteraner
mit 4 Punkten Vorsprung auf einen
Abstiegsplatz und einem Spiel weniger,
hoffnungsvoll in die nächsten Spiele
gehen.
Leider gingen Schwung und Euphorie
aus der Partie gegen Jena auf dem Weg
nach Regensburg verloren.
Nachholspiel:
SC Preußen Münster 06 –
VfL Osnabrück 1:0 (1:0)
Das Derby wurde vom DFB als Hochsicherheitsspiel eingestuft. Dementsprechend setzte man auf massive
Polizeipräsenz, was einen Osnabrücker
dazu veranlasste, beim Anblick der
geballten Staatsmacht, sich seines
Sprengsatzes am Osnabrücker Bahnhof zu entledigen, wo er dann auch
gefunden wurde. Es war ein ähnlicher
illegaler Sprengkörper wie der, der beim
Hinspiel 33 Personen verletzte. Bis auf
einige kleine Scharmützel blieb es rund
um das Match ruhig. Der SCP begann
schwungvoll und wurde in der 28 min.
mit einem Tor durch Königs belohnt.
Aus Erfahrung mussten Münsters Fans
damit rechnen, dass die Preußen nach
der Führung stark nachlassen. Diesmal
sollte es anders sein. Vielleicht wurden
die Adlerträger auch von den 15.050
Zuschauern (ausverkauft) beflügelt.
Besonders Björn Kluft lieferte eine
unglaubliche Laufleistung ab. Die Geschlossenheit der Mannschaft bescherte
den Preußen die gelungene Revanche
für das Hinspiel, das mit 0:1 verloren
ging. Präsident Angelis äußerte sich
zufrieden nach dem Spiel: „Das war ein
wichtiger Sieg für den Klassenerhalt“.
SC Preußen Münster 06 –
Rot Weiß Erfurt 3:2
Jahn Regensburg –
SC Preußen 06 2:1 (0:0)
Wie so oft in dieser Saison gingen die
Preußen in Führung, um dann stark
nachzulassen und sich Mitte der zweiten
Halbzeit den Ausgleich zu fangen. In der
85 min. wurde die Niederlage besiegelt.
22
Alle Fußballgötter müssten sich gegen
die Preußen verschwören, sollte der
Klassenerhalt noch verspielt werden.
Mit sieben Punkten Vorsprung auf einen
Abstiegsplatz liegen die Münsteraner im
Mittelfeld der Liga.
Wacker Burghausen SC Preußen Münster 06 1:0
Münsters Elf verpasste es in Burghausen,
sich der Abstiegssorgen endgültig zu
entledigen. Bei strömendem Regen und
schwer bespielbarem Platz gelang es
den Preußen nicht die wichtigen Punkte
mitzunehmen. Dennoch konnten die
150 mitgereisten Münsteraner besonders
in der ersten Halbzeit ein ordentliches
Spiel ihrer Mannschaft sehen. Trotz besserer Torchancen und viel Kampfgeist
hieß der Sieger am Ende Burghausen.
Wie sagte seinerzeit schon Jürgen Wegmann: „Da hat man schon kein Glück
und dann kommt noch Pech dazu.“
SC Preußen Münster 06 –
1.FC Saarbrücken 1:0 (0:0)
Siegert erlöste die Preußen und vertrieb endgültig das Abstiegsgespenst
aus Münster. In der 53 min. war es
soweit ,dass die Verantwortlichen für
die nächste Saison in der dritten Liga
planen konnten. Rechnerisch ist der
Abstieg zwar noch möglich, aber höchst
unwahrscheinlich, denn noch nie ist
ein Team mit 47 Punkten aus der dritten
Liga abgestiegen.
23
Bericht | Text und Foto: Gerd Normann
Columne: „~“ auf Cuba
Lara hat Läuse
„Lara hat Läuse!“ „Aha“, denke ich,
„endlich einmal eine E-Mail der Elternvertreterin, die kein dröges Sitzungsprotokoll beinhaltet.“ Sitzungsprotokolle
einer Elternversammlung wandern bei
mir sofort in den Papierkorb. Sitzungsprotokolle sind öde. Läuse nicht. Läuse
sind spannend. Läuse sehen unter dem
Mikroskop aus wie verwelkte Ahornblätter. Sitzungsprotokolle sehen, auch wenn
man sie ganz lange liegen lässt, nicht aus
wie verwelkte Ahornblätter. Läuse fühlen
sich am wohlsten bei einer Temperatur
von 28-29º C. Das wäre für Elternversammlungen tödlich. Eltern, die bei
28-29º C über Schulpolitik diskutieren,
fühlen sich nach kurzer Zeit eingesperrt,
bekommen Platzangst und werden
aggressiv – genau wie ihre Kinder. Mit
aggressiven Kindern kann man reden,
mit aggressiven Eltern nicht. Aggressive
Eltern drohen damit, sich irgendwann
einmal die Schulleitung vorzuknöpfen.
Schlimmer als aggressive Eltern sind
engagierte Eltern. Engagierte Eltern
blockieren den kompletten Schulbetrieb.
Sie wollen überall mitreden, selbst beim
Schulessen. Das Schulessen ist, wie die
Schulpolitik auch, in der Regel unter
aller Sau. Lara hat zum Beispiel Läuse im
Essen, weil ihre Haare immer da reinhängen – das ist nicht sehr schmackhaft
– behaupten ihre Eltern. Sie plädieren für
die Errichtung eines rustikalen Holzofens,
auf dem makrobiotische Suppen und
vegetarische Lauchfrikadellen naturnah
von ihren Kindern höchstselbst zubereitet werden. Nie, und unter keinen
Umständen würden in einem solchen
Gerd Normann ist Buchautor, Kabarettist und gebürtiger Sauerländer.
Mit seinen beiden Programmen
„Männermorphose“ und „Willi und
Lisbeth zerreden ihr Frühstücksei“ ist
er bundesweit auf Kleinkunstbühnen
unterwegs.
24
„~ auf cuba“ ist die die Columne der offenen Kabarettbühne
„Cubarett“ in der ~
Die Columne ist der Ort für die Künstler des Cubarett ihr gesprochenes
Wort auch lesenden Augen zu Gehör
zu bringen.
Das nächste Cubarett findet am
7.5.2012 um 20 Uhr im Cuba Nova
statt.
Mit dabei: Deno Puzic, Regine Birkner, Christian Reder, Lars Riske sowie
Murat & Nina!
Umfeld Läuse anzutreffen sein. Lara sei
bereits zum fünften Mal Opfer einer zu
laxen Läusekontrolle in der Schulküche.
Zum fünften Mal in diesem Jahr könnte
ich hinzufügen. Ich weiß es genau, denn
ich sammele die Läusemails. Niemandem
außer mir scheint es aufzufallen, dass
Lara immer Läuse hat. „Lara hat keine
Läuse!“ – das wäre mal eine E-Mail.
Die würde Verwirrung stiften unter den
engagierten Eltern, da das hieße, dass
ihre Blockadediskussionen zu einem
unerwarteten Erfolg geführt hätten.
Aber Lara hat nun mal Läuse
und da sie nicht gut in Mathe,
Deutsch und Englisch ist,
rutscht sie immer ganz nah
an ihre Tischnachbarn heran,
um sich zu verbessern. Diese
Gelegenheit nutzen die Läuse
und besiedeln Laras Mitschüler.
So herrscht ein reger Austausch
über den Schreibheften. Wissen
gegen Läuse. Oder muss es
heißen: Wissen mit Läusen?
Durchaus möglich.
Denn ein Wissenschaftlerteam hat herausgefunden, dass
der Mensch vor ca. 5,5 Millionen
Jahren von der Kopflaus befallen wurde. Das war etwa zu der
Zeit, als sich die Entwicklungslinien von
Mensch und Affe trennten. Da muss doch
die Frage wohl lauten: Haben die Läuse
möglicherweise sogar das Wissen mitgebracht? Haben die Läuse erst den Affen
zum Menschen gemacht? Wenn man von
der Läusemenge auf den Intelligenzquotienten schließen könnte, müsste Lara
auf eine Hochbegabtenschule.
Vielleicht war aber auch alles ganz anders. Vielleicht ist die Laus vom Menschen
befallen worden. Dann ist der Mensch für
die Kopfläuse nur so eine Art Fußpilz.
„Laus o Laus, ich hab schon wieder so
einen Hominidenbefall zwischen den
Zehen!“
Und wir denken, wir hätten Kopfläuse.
Vielleicht wäre es mal interessant, die
Intelligenzquotienten von Menschen
mit und ohne Kopfläusen miteinander
zu vergleichen. Wobei mein Sohn auch
ohne Kopfläuse ein umfangreiches Wissen besitzt. Da mir das dann doch recht
schleierhaft vorkam, habe ich daraufhin
die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt. Kurz darauf habe ich eine E-Mail
geschrieben: „Paul hat Motten!“ #
Bericht | Text: RA Annette Poethke
§
Neues aus dem Arbeitsrecht
Arbeitszeugnis und Geheimcode
Der Arbeitgeber Gustav hatte seinem Arbeitnehmer August
ein Zeugnis ausgestellt, indem sich wörtlich folgende Passage
befand:
„Wir haben Herrn K. als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe
Einsatzbereitschaft zeigte.“
August ist der Auffassung, dass aus dieser Formulierung zu
schließen sei, dass er gerade nicht interessiert und hochmotiviert mitgearbeitet habe. Er begehrt daher von Gustav die
Berichtigung dieses Teils des Zeugnisses.
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet, dass August ein solcher
Zeugnisberichtigungsanspruch nicht zustehe. Die beanstandete
Formulierung entspreche den gesetzlichen Anforderungen eines
Zeugnisses gemäß § 109 GewO. Diese Formulierung verstoße
insbesondere nicht gegen die Gebote der Zeugniswahrheit und
Zeugnisklarheit. Die Formulierung selbst sei Sache des Arbeitgebers. Das Zeugnis sei allgemein verständlich und enthalte keine
falschen Aussagen.
Auch bei der Verwendung der Wörter „kennen gelernt“
handele es sich nicht um eine verschleiernde Zeugnissprache
im Sinne eines Geheimcodes. Maßgeblich sei eine objektive
Betrachtungsweise orientiert am Empfängerhorizont des Zeugnislesers. Bei objektiver Betrachtung lasse sich nicht annehmen,
dass die Verwendung der Worte „kennen gelernt“ stets das
nicht Vorhandensein der angeführten Eigenschaften und damit
eine negative Beurteilung beinhalte.
Auch wenn in der Vergangenheit in der Rechtsprechung
vereinzelt eine solche Meinung vertreten worden sei, habe sich
eine solche nicht durchgesetzt. Auch wenn in sogenannten
„Übersetzungslisten“ im Internet ähnliche Formulierungen
als unzulässig angeprangert werden, sei im konkreten Fall
die streitige Formulierung nicht als verschlüsselte Botschaft
zu verstehen. Insbesondere der Gesamtzusammenhang führt
letztlich zum Ergebnis, dass das Zeugnis mit dieser Formulierung
in Ordnung ist.
vgl. BAG, Urteil vom 15.11.2011- 9 ‚AZR 386/10 = BecksRS 2012,
67197 #
Man müsse insbesondere den Gesamtzusammenhang beachten; das Zeugnis attestiere August durchweg ein gute Leistung.
Sally
Sally ist die ideale Katze für einen Menschen, der gerne ein
Tier halten möchte und sich bislang wegen seines Berufes
gescheut hat. Sally nimmt es einem nicht krumm, wenn ihr
Mensch tagsüber arbeiten geht. Sie schläft dann viel und aalt
sich in der Sonne, Möbel und Tapeten haben nichts vor ihr
zu befürchten. Vielmehr begrüßt sie ihren Dosenöffner mit
vielen kratzigen „Miaus“, wenn er zur Türe herein kommt.
Gemeinsame TV-Abende gehören ebenso zu Sallys Hobbys wie
kleinere Spieleinheiten. Denn auch wenn Sally (12) nicht mehr
die Jüngste ist, so weiß sie noch genau, wie sich ein Ball jagen
lässt oder man eine „Mause-Angel“ erlegt. Sie würde sich über
ein ruhiges Zuhause freuen, in dem sie ganz alleine mit ihrem
Menschen sein darf und verwöhnt wird.
Kontakt: Tel. 0251/8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de
25
Buchtipp | Text: Kerstin Klimenta / hoppsala.de
Lesen
Gudrun Pausewang: „Au revoir, bis nach dem Krieg“
Im nationalsozialistischen Deutschland
waren Beziehungen oder gar intime
Kontakte zwischen deutschen Frauen und
ausländischen Kriegsgefangenen verboten. Doch da ein Großteil der deutschen
Männer im Krieg waren, bleiben Liebschaften mit Kriegsgefangenen nicht aus.
Die erfolgreiche Jugendbuchautorin
Gudrun Pausewang schildert in „Au revoir, bis nach dem Krieg“ die Geschichte
einer verbotenene Liebe zweier junger
Menschen im Zweiten Weltkrieg - ein
bislang selten thematisierter Aspekt des
Krieges ...
In „Au revoir, bis nach dem Krieg“
verliebt sich die junge Hanni in den
sensiblen Philippe. Für beide ist es die
erste große Liebe. Einfühlsam beschreibt
Pausewang die ersten zaghaften Annäherungsversuche, die vorsichtig und im
Verborgenen stattfinden. Immer auf der
Hut, nicht entdeckt zu werden, entwickelt
sich eine zarte Liebe.
Inmitten des furchtbaren Krieges geht
der Himmel für einen kurzen Moment ein
Stück auf und etwas Glück erstrahlt. Doch
dann kommt der Tag der Trennung ...
Das Buch gibt aber auch einen spannenden Einblick in das Leben einer Familie während der Zeit des Krieges. Viele
Frauen waren in dieser schweren Zeit
ganz auf sich allein gestellt. #
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Gerstenberg Verlag
Thema: Erwachsen werden, Pubertät
Alter: 12-18 Jahre
ISBN/ASIN: 3836954443
Preis: 14.95 Euro
26
Rezepte | Text: Sabrina Kipp
Rezepte - Der Mai ist gekommen…
Im Mai, wenn die Sonne höher steht und die Natur sich von
sich von ihrer schönsten Seite zeigt, steigt der Appetit auf eine
leichte Sommerküche. Statt der klassischen Rezepte mit Spargel
und Erdbeeren haben wir in diesem Jahr leckere Gerichte mit
jungem Spinat, Fisch und Waldmeister. Viel Spaß beim Nachkochen! Genießen Sie die Köstlichkeiten mit einem leichtem
Weißwein.
Mai-Salat
Maischolle Wiener Art mit
Kartoffelsalat
Erdbeer-Waldmeistertorte
Zutaten
Zutaten
Zutaten
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1 Handvoll Blattspinat
1 Pfirsich
2 Lauchzwiebeln
3 Scheiben Schinken
1 Peperoni, mittelscharf
etwas Parmesan
das Dressing
2 Teile Olivenöl
1 Teil Balsamico, weiß
1 Zehe Knoblauch
1 Saft von einer Zitrone
1 TL scharfer Senf
Salz und weißer Pfeffer aus der Mühle
Zucker
Zubereitung
Den Spinat gründlich waschen und
abtrocknen, auf dem Teller anrichten.
Pfirsich schälen, entkernen und in kleine Stücke schneiden, dazugeben. Die
Lauchzwiebeln gründlich waschen, fein
hacken. Die Schinkenscheiben von Hand
halbieren, dazugeben, darüber den Parmesan hobeln. Die Peperoni entkernen
und in feine Ringe schneiden. Für die
Vinaigrette Olivenöl, Balsamicoessig,
Knoblauchzehe, etwas Saft einer Zitrone,
scharfen Senf, Salz, weißen Pfeffer aus
der Mühle und, eine Prise Zucker mit dem
Zauberstab mixen und über den angerichteten Salat verteilen. #
8 Fischfilet(s), Mai-Schollenfilets (à
ca. 110g) Zitronensaft
• Kräutersalz
• Pfeffer
• 2 Eier
• 50 g Mehl
• 100 g Paniermehl
Salat
• 800 g Kartoffeln
• 2 Rote Zwiebeln
• 100 g Gewürzgurken
• 100 g Gurke(n), (Senfgurken)
• 100 ml Brühe
• 2 TL Senf
• 3 EL Essig, (Weißweinessig)
• 2 EL Rapsöl
• Pfeffer, frisch gemahlener
• Salz
• 1 Bund Schnittlauch
Zubereitung
Kartoffeln gründlich waschen und als
Pellkartoffeln garen. Zwiebeln abziehen
und mit den Gurken in Würfel schneiden.
Brühe aufkochen, mit Senf, Essig und
Öl verrühren und mit Salz und Pfeffer
würzen. Kartoffeln pellen, ebenfalls
in Würfel (etwas größere!) schneiden
und mit der heißen Brühe übergießen.
Gurken und Zwiebeln untermischen.
Mai-Schollenfilets waschen, trocken tupfen, mit Zitronensaft beträufeln und mit
Salz und Pfeffer würzen. Eier verquirlen.
Mai-Schollenfilets erst in Mehl, dann in
verquirltem Ei und anschließend in Paniermehl wenden und in erhitztem Öl von
beiden Seiten 6 - 8 Minuten bei mittlerer
Hitze goldbraun braten. #
Für den Boden:
200 g Butterkekse
125 g weiche Butter
Für die Füllung:
12 Blatt weiße Gelatine
300 g Erdbeeren
300 g Crème fraîche
300 g Vollmilch Joghurt
75 g Zucker
150 ml Waldmeister-Sirup
1 Päckchen Vanillezucker
250 g Sahne
einige Stängel Minze
Zubereitung
Eine Form (32 x 22 x 5 cm) mit Backpapier
auslegen. Die Butterkekse grob zerkleinern und mit Butter gut mischen. In der
Form gleichmäßig verteilen und dabei
fest andrücken. Im Kühlschrank kühl stellen. Für die Füllung inzwischen Gelatine
in kaltem Wasser einweichen. Erdbeere
waschen, putzen und klein schneiden.
Crème fraîche, Joghurt, Zucker, Sirup
und Vanillezucker glatt rühren. Gelatine
ausdrücken, bei milder Hitze auflösen
und unter die Crème-fraîche-Mischung
rühren. Sahne steif schlagen. Sobald die
Creme-Mischung zu gelieren beginnt,
Sahne und Erdbeere unterheben. Auf den
Kuchenboden füllen und glatt streichen.
Im Kühlschrank ca. 4 Stunden fest werden lassen. Zum Servieren den Kuchen in
Stücke schneiden und mit Minze verzieren. #
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Bericht | Text: GGUA / Elvira Ajvazi | Foto: Verein für politische Flüchtlinge
Roma kämpfen für ein Bleiberecht
„Denn jeder Mensch hat es verdient, mit Würde und Anerkennung zu leben.“
Roma werden verfolgt und diskriminiert – überall. Während sie aus ihren
Herkunftsländern vor Übergriffen und
sozialer Ausgrenzung fliehen, müssen
sie in Deutschland dauerhaft mit einem
unsicheren Aufenthaltsstatus leben oder
werden wieder abgeschoben. Tausende Roma, vor allem aus Kosovo und
Serbien, sind in Deutschland von einer
Abschiebung bedroht. Etwa alle drei
Wochen finden bereits Sammelabschiebungen statt. Wenn aus Münster bisher
noch keine Roma auf den Fluglisten
standen, so bleibt die Situation doch
auch hier äußerst unsicher. Im folgenden ein Redebeitrag von Elvira Ajvazi auf
der Kundgebung für ein Bleiberecht der
Roma am 28.03.2012 in Münster.
„Ich bin 25 Jahre alt. Und seit 25 Jahren will mich Deutschland nicht. Jedes
Jahr kämpfe ich, um in meiner Heimat
bleiben zu können. Jedes Jahr muss ich
zur Behörde mit der Angst, meine Heimat
verlassen zu müssen. Jedes Jahr wird mir
gesagt, dass ich noch ein Jahr bleiben
darf. Da frage ich mich, wie lange muss
ich auf gepackten Koffern sitzen? Wie
lange noch wollen sich die Städte, die
Bürger, die Regierung die Augen zuhalten
und so tun, als wären wir kein Teil ihrer
Gesellschaft. Ich frage mich warum. Warum bin ich nicht willkommen in einem
Zuwanderungsland?
Meine Eltern sind zugewandert, aber
ich bin hier, seit ich denken kann. Meine
Kinder gehen hier zur Schule, ich arbeite
hier, feiere Weihnachten, Ostern wie alle
anderen auch. Ich habe einen 400€ Job,
mein Mann einen Vollzeit-Job und ich
habe drei Kinder. Ich kriege weder ergänzendes Hartz 4 noch Sozialhilfe. Und
trotzdem wird mir in der Ausländerbehörde gesagt, dass ich zu wenig verdiene
und dadurch meine Aufenthaltserlaubnis
nicht verlängert wird. Eine deutsche Frau
erhält Elternzeit, bis das Kind 3 Jahre alt
ist. Meine Tochter ist erst 2 Jahre alt und
28
ich habe kein Recht auf Elternzeit. Ich
muss für meine Aufenthaltserlaubnis einen Vollzeit-Job machen, um die Voraussetzung zu erfüllen, mehr zu verdienen
als Hartz 4.
Meine Damen und Herren, das ist direkte Diskriminierung, denn meine Kinder haben kein Recht auf ihre Mutter in
den ersten drei Jahren wie die deutschen
Kinder. Ich kann aber nicht die gleiche
Unterstützung in Anspruch nehmen, da
sonst mein Aufenthalt gefährdet wird.
Deutschland ist nicht anders als Serbien,
Kosovo und Mazedonien, denn die diskriminieren Roma ebenfalls. Die Menschen,
die verjagt wurden aus ihren Häusern,
die Menschen, die geflohen sind vor
einer Gesellschaft, die Roma nicht akzeptiert, also diskriminiert. Diese Menschen
werden beschuldigt, Wirtschaftsflüchtlinge zu sein. Wenn sie die schreckliche
Abschiebung mitten in der Nacht, die
Deutschland ausführt, hinter sich haben
und dann in ihr Heimatland ankommen,
werden ihnen Pässe weggenommen und
ihnen wird die Sozialhilfe untersagt.
Sie werden von Deutschland dorthin
zurückgezwungen, wo sie regelrecht den
Wölfen zum Fraß vorgeworfen werden.
Das dürfen wir nicht zulassen. Damals als
die Nazis am Drücker waren, haben die
Menschen die Vorhänge auch zugezogen
und so getan, als würden sie es nicht sehen. Daher rufe ich euch auf, gebt eurem
Herzen einen Ruck und öffnet eure Augen
und seht, was die Regierung mit uns hier
macht.
Ich vertraue den Münsteraner Bürgern,
denn ihr seid nicht so wie die Bürger
in Serbien, Kosovo oder Mazedonien.
Ich spreche aus Erfahrung, ich war vor
drei Wochen in Serbien. Ich wurde im
Bus angepöbelt ohne Grund, allein
schon meine dunklen Haare und meine
Sprache haben dazu geführt, dass mich
böse Blicke getroffen haben. Keiner im
Bus wollte neben mir sitzen. Das ist mir
hier in Münster Gott sei Dank sehr selten
passiert. In Serbien wird einem gezeigt,
dass man nicht willkommen ist. Aber hier
ist es nicht anders, denn die deutsche
Politik zeigt uns auch jeden Tag, dass wir
nicht willkommen sind, indem sie uns
abschiebt und Gesetze schafft, die unsere
Familien trennen. Wir wollen dazugehören. Also gebt uns eine Chance, ein Leben
in einer Gesellschaft zu leben ohne Angst
und mit Würde. Denn jeder Mensch, egal
welcher Nationalität oder Hautfarbe, hat
es verdient, mit Würde und Anerkennung
zu leben. Und das fordern wir!“ #
In Münster engagieren sich zwei
Bündnisse für ein dauerhaftes Bleiberecht der Roma: ‚Münsteraner_innen
für ein Bleiberecht‘ (trifft sich jeden
2. und 4.Mittwoch um 18Uhr in der
KSHG (Kleines Forum, EG links), Frauenstraße 3-6, bleiberechtMuenster@
yahoo.de) und ‚Aktion 302‘ (speziell
zu Roma aus Kosovo; trifft sich jeden
3.Freitag um 17 Uhr in den Räumen
der GGUA, Südstraße 46, kontakt@
aktion302.de, www.aktion302.de).
Bericht | Text: Horst Gärtner
Schlussakkord
Christen in aller Welt begehen den Karfreitag in aller Stille;
es gibt Karfreitags-Prozessionen und in den Kirchen wird an
diesem Tag wieder bewusst gemacht, dass Gott seinen Sohn für
uns Menschen geopfert hat und dass Jesus Christus den Weg
freiwillig gegangen ist bis zum Tod am Kreuz.
40 % der Menschen in der Bundesrepublik, so sagt die Statistik,
gehören den christlichen Kirchen an. Es gibt also gute Gründe
dafür, diesem Tag – auch vom Gesetzgeber – einen besonderen
Schutz einzuräumen und dafür zu sorgen, dass der gebotene
Rahmen in unserer Gesellschaft auch eingehalten wird. An hohen christlichen oder staatlichen Feiertagen gilt in Deutschland
ein Tanzverbot; auch am Karfreitag.
Zweifellos hat jede Zeit ihre eigenen gesellschaftlichen Entwicklungen, vor allem bei der Jugend. Sie hat in weiten Teilen
ein anderes Verhältnis zur Kirche und damit auch zur Liturgie.
Sie empfindet die Regelung für den Karfreitag als nicht mehr
zeitgemäß. Das ist natürlich ein Sichtwort für die Piratenpartei.
Sie geht gleich aufs Ganze. Veröffentlicht auf der Facebookseite
„Zum Teufel mit dem Tanzverbot“ einen Aufruf zum Flashmob
auf der Kölner Domplatte und sie geht noch einen Schritt weiter;
hessische Mitglieder der Piratenpartei fordern beim Bundesverfassungsgericht eine Aufhebung des Feiertags-Tanzverbots; sie
sind damit unterlegen.
Den Einstieg in diese Diskussion war die Forderung der Piraten
und auch anderer, nach Toleranz gegenüber Andersmeinenden.
Dazu ist zu sagen, wenn es einige wenige Tage (von den 365
Tagen im Jahr) gibt, die vom Gesetzgeber geschützt sind und
bei denen vor allem der Schutz christlicher Grundwerte an
besonderen Gedenktagen zum Ausdruck kommt, dann stellt
sich die Frage, ob es nicht auch ein Toleranzgebot gegenüber
diesem großen Bevölkerungsanteil (40 %) ist, darauf Rücksicht
zu nehmen. Ich würde diesen Affront gegen den Karfreitag nur
dann begreifen können, wenn mir klargemacht würde, dass
an den anderen 360 Tagen im Jahr nicht genügend Raum für
Tanzen, für Feiern, für Belustigungen gegeben wäre.
Bedrohung durch Iran und /oder Israel Ursache und Wirkung
derart verkennt, das kann ich nicht mehr einordnen. Genau so
wenig wie seine Charakterisierung von Irans Präsidenten Ahmadinerschad als „Maulhelden“ einen Präsidenten, der immerhin
im Oktober 2010 noch gesagt hat „Der Boden ist vorbereitet,
damit das zionistische Regime bald zur Hölle fährt ….“ Und der
im August 2011 verkündete, „das zionistische Regime basiert
auf vielen Enttäuschungen und Lügen, eine von ihnen war der
Holocaust.“ Eine solche Behauptung kann uns Deutschen nicht
gleichgültig sein.
Zweifellos war das nach der Veröffentlichung des Gedichtes von
Israel verhängte „Einreiseverbot“ eine Überreaktion, aber statt
jetzt den Ball flach zu halten, vielleicht sogar eine Brücke zu
bauen, gießt Grass noch Öl ins Feuer und vergleicht den israelischen Innenminister (immerhin Minister eines Kabinetts, das
über das Parlament demokratisch zustande gekommen ist) mit
dem ehemaligen Stasichef Mielke in der DDR. Man fragt sich,
warum er das tut. Bei etwas Nachdenken müsste man drauf
gekommen sein, dass das nicht mehr zu kitten ist; oder ging´s
nur um die nächste Schlagzeile? Wen wundert es, dass Günter
Grass gleich von der NPD vereinnahmt wird, die ihn auf ihrer
Internetseite in den höchsten Tönen lobt.
Ich wünsche uns allen, dass wir bald wieder über die Intention
meines Schlusssatzes aus der April-Ausgabe berichten können:
„Wenn viele Menschen Gutes tun, können wir die Welt verändern“! und darüber, dass nach Eduard Mörike der Frühling
wirklich sein blaues Band wieder flattern lässt.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit.
Ihr
Horst Gärtner
1. Vorsitzender des Vereins ~ e.V.
Toleranz, so meine ich, ist keine Einbahnstraße und es gilt auch
hier das Gebot der Interessenabwägung.
Es war ruhig um ihn geworden, den „Blechtrommler“ und
Friedensnobelpreisträger Günter Grass. Nun veröffentlicht er
ein Gedicht und plötzlich ist er wieder in aller Munde; war
das so gewollt? Hatte er das nötig? Oder wollte er wirklich,
wie er schreibt, wichtige Dinge, die andere nicht auszusprechen wagen, an die Öffentlichkeit bringen? Aber dass er, den
ich für einen klugen Schriftsteller halte, bei der Wertung der
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