indiana jones - Sonnige Sendung

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indiana jones - Sonnige Sendung
HAPPY BIRTHDAY INDY!
VOR 20 JAHREN KAM DAS ERSTE
„INDIANA JONES“ ABENTEUER,
JÄGER DES VERLORENEN
SCHATZES, IN DIE KINOS.
MOVIEMANIA! GRATULIERT MIT
EINEM SPECIAL, DAS BEKANNTE
UND WENIGER BEKANNTE
ANEKDOTEN RUND UM DIE
ENTSTEHUNG DES FILMS
REVUE PASSIEREN LÄSST.
FÜR ALLE INDY FANS – UND
SOLCHE, DIE ES WERDEN
WOLLEN...
Von MARC RYBICKI
In meiner Kindheit hatte ich viele Helden.
Der eine trug ein Laserschwert, der andere
Maske und Degen, mit dem er sein Zeichen
– das Z – in unterlegene Gegner einzuritzen
pflegte.
Ein Dritter wollte immer nur nach Hause
telefonieren, ein Vierter trat punkt 12 UHR
MITTAGS auf die Straße, um vier
Halunken totzuschießen – und ein Fünfter
jagte nach verlorenen Schätzen. Dieser
Mann nannte sich INDIANA JONES (ich
sollte an dieser Stelle auch den größten
aller Helden erwähnen, meinen Vater, der
mich bereits die tollsten Filme anschauen
ließ, als mancher meiner Freunde noch mit
Sandförmchen spielte...).
Dieser Indiana Jones, „Indy“ für seine
Freunde, ist dem bereits erwähnten Zorro
oder Batman (noch so ein Kinderzimmerheld) nicht unähnlich. Teilt er mit ihnen
doch einen Hang zur Schizophrenie, den
jeder nachvollziehen kann, der Spaß am
Verkleiden hat.
Im alltäglichen Leben kann man in Dr.
Jones, Professor der Archäologie, wenig
von einem Helden erkennen.
Mit Nickelbrille und grauem
Biedermannsanzug langweilt er Studenten
mit unendlichen Vorträgen über antike
Das filmische Äquivalent zu einer Fahrt
mit der Geisterbahn:
JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES
Grabkammern. Dann, ganz plötzlich, wenn es darum geht, auf irgendeinem Kontinent dieser
Welt nach Artefakten zu stöbern, verwandelt sich der brave Dr. Jekyll in einen
abenteuerlustigen Mr. Hyde. Das Sakko weicht Schlapphut und Lederjacke, die Brille der
Bullenpeitsche. Aus Dr. Jones wird Indiana Jones – eine Mischung aus James Bond, John
Wayne und Tarzan.
Als die US-Regierung im Jahre 1936
spitzkriegt, daß die Nazis nach der
verlorenen Bundeslade suchen, weil sich
Adolf Hitler vom Besitz der Truhe, in der
Moses die zehn Gebote aufbewahrte,
Unbesiegbarkeit verspricht, muß Indy Jones
ran. In Nepal sucht Indy seine alte Flamme
Marion Ravenwood (Karen Allen) auf, die
ein kostbares Amulett besitzt, das den Weg
zum Aufbewahrungsort der Lade weist.
Doch auch die Nazis, angeführt von Jones’
Indy Jones (Harrison Ford) – Okkultismus Experte
und „Beschaffer“ seltener Antiquitäten
französischem Erzrivalen René Belloq (Paul
Freeman) und dem eiskalten SS-Mann Toth
(Ronald Lacey), haben ihre Methoden, um ans Ziel zu gelangen. Bei Kairo buddeln die Nazis
unter Belloqs Anleitung
fieberhaft im Wüstensand. Doch es ist
Indiana Jones, der die
Bundeslade findet –
und sie gleich wieder
los wird. Dafür landet
er mit Marion in einer
reichlich mit Schlangen
angefüllten Gruft.
Schlimm für Indy – die
züngelnden Kriecher
sind ihm ein Gräuel.
Trotzdem kommen er
und Marion frei.
In Marions Bar fliegen die Fetzen...
Unermüdlich jagt
Indiana dem Nazi-Konvoi mit der Lade hinterher.
Indy und sein Freund Sallah (John Rhys-Davies) entdecken die Lade
Der etwas andere Wissenschaftler gibt alles, verhackstückt einen deutschen Kraftmeier,
kämpft auf, über und unter einem LKW, hängt sich an ein U-Boot wie Kapitän Ahab an den
weißen Wal, kann aber nicht verhindern, daß Belloq die Lade schließlich öffnet. Und in
diesem Augenblick erwartet den ohnehin nach Luft ringenden Zuschauer eine weitere
Überraschung, ein weiterer
Höhepunkt dieses tempo- und
spannungsreichen, aktionsgeladenen
Füllhorns an Kurzweil und guter
Laune, dieses ersten Indiana Jones
Abenteuers betitelt JÄGER DES
VERLORENEN SCHATZES
(RAIDERS OF THE LOST ARK).
Man sagt, kleine Geschenke erhalten
die Freundschaft. JÄGER DES
VERLORENEN SCHATZES war
und ist ein wunderschön verpacktes
Präsent an alle Fantasten und
Hau den Lukas: Indy im Clinch mit einem
schwergewichtigen Nazi
Eskapisten, Träumer und ewige Kinder, die von Cowboy- und Indianerspielen, naiven „Gut
verhaut Böse“ Stories, nie genug kriegen können. JÄGER DES VELORENEN SCHATZES
hat mir deshalb nicht bloß Freundschaft, sondern Liebe eingeimpft zum großen HollywoodKino mit all seiner Magie, seinen phantastischen Tricks, seiner Überlebensgröße, seiner
formvollendeten Möglichkeit, einer oftmals harschen Realität für zwei Stunden vollends zu
entfliehen. „Dieser Film rechtfertigt die Existenz von Hollywood“, schrieb Robin Wood über
Howard Hawks’ Western-Klassiker RIO BRAVO. Das gleiche gilt für DER WEISSE HAI,
KRIEG DER STERNE, E.T. und JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES. An all diesen
Sternstunden beteiligt: zwei der kreativsten Köpfe der Traumfabrik.
Regiewunderkind Steven Spielberg und Erfindungsgeist George Lucas.
Ein neuer Held schlüpft aus dem Ei: Dr. Indiana Jones
„ JOCK WIRF DEN MOTOR AN“
(Konzeption, Drehbuch, Vorproduktion)
Der Legende nach bauten Lucas und Spielberg Sandburgen am Strand von Hawaii, als der
KRIEG DER STERNE Schöpfer zu seinem Kumpel sagte: „Steve, ich hab’ da eine tolle
Filmidee über einen Archäologen namens Indiana Jones, der nach verlorenen Schätzen jagt“.
Und Steve antwortete: „Toll, den dreh’ ich als nächstes“.
Ganz so hat es sich natürlich nicht abgespielt. Aber fast.
Tatsächlich schleppte George Lucas das „Indiana Jones“ Konzept schon eine ganze Weile mit
sich herum. Er entwickelte es an einem Ort, an dem man sich aus Langeweile viele hübsche
Gedanken macht, der Schule. Von Anfang an war „Indiana Jones“ als Hommage an
Serienfilme der 30er und 40er Jahre gedacht. „Ich bin mit Serials großgeworden. Jeden
Samstag hockte ich im Kino und sah TAILSPIN TOMMY, MASKED MARVEL, SPY
SMASHER, DON WINSLOW OF THE NAVY, COMMANDER CODY u.a. Ich habe mich
immer gefragt, warum Hollywood überhaupt nichts unternommen hat, dieses Genre neu zu
beleben – jene Abenteuerfilme, wo der Held ständig in Todesgefahr schwebt und immer im
letzten Moment gerettet wird“. Lucas’ Heroe sollte ein lakonischer Glücksritter sein, der
allerdings „nur für Museen jagt, was ihm einen Hauch
von Legitimation verleiht“.
Ein anderer Lucas Freund, Philip Kaufman (Regisseur
von bedeutenden Werken wie DIE UNERTRÄGLICHE
LEICHTIGKEIT DES SEINS, HENRY & JUNE,
QUILLS etc.), skizzierte ein paar Jahre später den Plot zu
JÄGER, der um die Wiederbeschaffung der seit 980 v.
Chr. verschollenen Bundeslade kreiste. Als Kind hatte
Kaufman von seinem alten Arzt in Chicago viele
spannende Geschichten über die legendäre Truhe
(englisch: Ark of the Covenant) gehört. Das blieb haften
und vermischte sich mit dem historisch einigermaßen belegten Fakt, daß Adolf Hitler nach
religiösen Relikten buddeln ließ, die ihn unbesiegbar machen sollten. Lucas hätte es gern
gesehen, wenn Kaufman auch die Regie des Films übernommen hätte, doch der drehte lieber
für Clint Eastwood. Lucas legte Indy daraufhin ad acta, kümmerte sich um die düstere
Zukunftsvision THX-1138 (1971), das Teenager-Drama AMERICAN GRAFFITI (1973) und
das Weltraummärchen KRIEG DER STERNE (1977), das sich zum heiligen Gral einer
ganzen Generation von Kinogängern entwickelte.
Im Mai 1977 ahnte George Lucas freilich noch nichts davon. Geplagt von Selbstzweifeln, ob
KRIEG DER STERNE bei den „Kids“ auch ankommen würde, floh er auf seine liebste
Urlaubsinsel Hawaii. Im Gepäck: „Indiana Jones“ und Steven Spielberg, der sich von den
nicht enden wollenden Dreharbeiten zum Ufo-Spektakel UNHEIMLICHE BEGEGNUNG
DER DRITTEN ART (1979) erholen wollte.
Eingerahmt von Hula-Girls, Schirmchendrinks und Meeresrauschen, kam es dann zu jenem
denkwürdigen Dialog, an den sich Spielberg folgendermaßen erinnert: „Als man ihm
telefonisch mitteilte, daß KRIEG DER STERNE im ganzen Land ausverkauft war, flippte
George förmlich aus. Euphorisch fragte er mich, was ich als nächstes vor hätte. Ich wollte
eigentlich den neuen Bond-Film drehen, aber
United Artists lehnte das ab (inoffizielle
Begründung: nur Briten dürfen bei 007 Regie
führen, Anm.d.Red.). Dann sagte George, er habe
einen Film in Planung, der viel aufregender sei als
James Bond. Der Titel: JÄGER DES
VERLORENEN SCHATZES. Als er erklärte, daß er
stilistisch den alten Serienabenteuern ähneln und
der Typ Hut und Peitsche tragen sollte, hing ich am
Haken. George fragte: Bist du interessiert? Ich
sagte: Ich will ihn drehen. Darauf George:
Er gehört dir“.
„Mein Name ist Jones...
Indiana Jones“
Anfang 1978 begann JÄGER konkrete Gestalt
anzunehmen. Spielberg engagierte Lawrence
Kasdan - später Regisseur von BODY HEAT, SILVERADO, WYATT EARP u.a. - als
Drehbuchautoren. „Als ich an Bord kam, wußten Steven und George genau, was sie wollten“,
erklärt Kasdan. „Der Held sollte nach Georges Hund, Indiana, genannt werden. Außerdem
sollte er in seiner äußeren Erscheinung an Humphrey Bogart in DER SCHATZ DER SIERRA
MADRE (1948) erinnern“. „Unrasiert und fern der Heimat, immer mißtrauisch und
bärbeißig“, ergänzt Spielberg. Ursprünglich war Indy als Playboy konzipiert, mit einem sehr
exklusiven Lebensstil in Manhattan, doch „Steven und Harrison Ford lehnten die Idee ab“
(Lucas). Eine Nachtclub-Szene, die Indiana als Casanova in Frack und Zylinder zeigt, der vor
chinesischen Gangstern Reißaus nehmen muß, landete daher im Papierkorb – bis man sie für
den zweiten „Indiana Jones“ Film wieder herausfischte.
Die Indy Planung zog sich hin – allein vier Monate gingen für Storyboard-Zeichnungen der
Action-Sequenzen drauf. Spielberg nutzte die Zeit und drehte 1941 – WO BITTE GEHT’S
NACH HOLLYWOOD? (1979), eine Kriegsfilm-Klamotte über eine japanische Invasion in
Amerika, mit Stars gespickt, sauteuer – und für Spielberg Verhältnisse mehr schlecht als
recht. Die Kritiker maulten, das Publikum blieb weg. Der 1941 Flop bedrohte plötzlich auch
JÄGER, weil sich die Studios aus Angst vor einem neuerlichen Spielberg Fiasko weigerten,
den aufwendigen Fantasy-Trip zu finanzieren. Der damalige Paramount-Chef Michael Eisner
meinte, schon die ersten 20 Drehbuchseiten würden das Budget komplett verschlingen.
Eisner: „Wir bauten in den Vertrag enorme Konventionalstrafen für den Fall ein, daß sie das
Budget überziehen würden, und sie erklärten sich sofort einverstanden. Ich hatte nur zwei
Erklärungen dafür: Entweder war ihnen das völlig egal oder sie hatten tatsächlich ihre Sache
genau durchkalkuliert“. „Lucasberger“, wie die beiden Filmemacher mittlerweile im
Branchenjargon genannt wurden, bekamen grünes Licht und verabschiedeten sich von Eisner
mit einer kühnen Prophezeiung: „Dieser Film wird Profite von nie dagewesenen Ausmaßen
abwerfen“.
„SIE WOLLEN, DASS DU
DIE LADE FINDEST“
(Casting)
Hut sucht Held – die Annonce hätten Spielberg und
Lucas aufgeben können, als der Deal mit ihrem
Wunschkandidat platzte. Der hieß Tom Selleck und
stand kurz davor, eine neue Krimiserie namens
MAGNUM zu drehen. „Lucasberger“ baten die
CBS-Verantwortlichen, den Start der TV-Reihe zu
verschieben – umsonst. Tom Selleck mußte Indys
Hut gegen Thomas Magnums Hawaii-Hemd
eintauschen. „Als mir JÄGER ohne eigenes
Verschulden durch die Lappen ging, dachte ich:
Jetzt kannst du den Film vergessen, in Zukunft bist
du eben nur TV-Schauspieler. Dabei hatte ich doch
Tom Selleck als Indiana Jones – so hätt’s
aussehen können
einen gewissen Anspruch auf JÄGER!
Deshalb erzählte ich den Leuten immer wieder: Wissen sie, eigentlich ist das ja meine Rolle.
Aber nachdem ich den Film gesehen habe, kann ich mir keine idealere Besetzung als
Harrison Ford mehr vorstellen. Er war einfach...phantastisch“.
Auf Harrison Ford, der heute in den Köpfen aller Fans untrennbar mit „Indiana Jones“
verwoben ist, stieß Spielberg mehr oder weniger durch Zufall. „Ich ging ins Kino und sah mir
DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (1980) an, und dabei erkannte ich, daß Harrison Ford
die absolut richtige Besetzung für Indiana Jones war. Harrison kann Schurke und Romantiker
zugleich sein. Am nächsten Tag nahm ich Kontakt mit ihm auf“. Ford: „Ich las also das Skript
und dann hatte ich ein Treffen mit Steven. Willard, mein jüngster Sohn, und meine Frau
Melissa waren auch dabei.
Die einzige Frage, die mich
beschäftigte, war die, ob Han Solo
und Indiana Jones sich nicht zu sehr
ähnelten, denn Larry Kasdan hatte ja
beide Drehbücher geschrieben,
sowohl IMPERIUM als auch
JÄGER. Oder besser gesagt, die
Dialoge – ob die nicht zu ähnlich
ausfallen könnten. Steven war auch
der Meinung, man müßte die beiden
klar voneinander trennen. Han Solo
ist weniger kompliziert. Indiana hat
ICH HASSE SCHLANGEN: Beim Dreh war Harrison
Ford durch eine Glasscheibe von der Viper getrennt
einige andere Züge, ist ein
Draufgängertyp, dem aber menschliche Schwächen, Ängste und Geldprobleme nicht fremd
sind. Er unterrichtet, aber ich würde ihn nicht als Intellektuellen bezeichnen.
Er vollbringt Bravourstücke, aber einen Helden würde ich ihn nicht nennen. Seine Peitsche
schwingt er nur, um sich die Welt vom Leibe zu halten“.
Dazu gehören auch die Frauen, bzw. eine Frau: Marion Ravenwood, ein couragiertes,
trinkfestes Vollblutweib. Indy verführte Marion, als sie noch ein unschuldiges Mädchen war und ließ sie danach ungeniert sitzen. Nun ist Marion erwachsen und macht dem Mann mit
dem Hut das Leben ganz schön schwer. Sie küßten und sie schlugen sich – der Spruch paßt zu
diesem seltsamen Paar wie Marions Faust auf Indys Auge. Die Rolle der Marion übernahm
Karen Allen, die im Al Pacino Krimi CRUISING (1980) auffiel, später neben Jeff Bridges in
John Carpenters erwachsener E.T. Variante STARMAN (1984) groß raus kam.
Ergänzt wurde das Ensemble durch eine Reihe gestandener Charakterdarsteller, vornehmlich
bekannt aus dem britischen Fernsehen wie Paul Freeman, Wolf Kahler, Denholm Elliot und
John Rhys-Davies (den breiten Waliser dürfen wir demnächst in HERR DER RINGE
bewundern).
„WARUM AUSGERECHNET MÜSSEN
ES SCHLANGEN SEIN?“
(Produktion)
JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES legt ein Mordstempo vor. Auch die Dreharbeiten
verliefen in Rekordzeit. Am 23. Juni 1980 fiel die erste Klappe, drei Monate später war der
Film im Kasten. Spielberg dazu: „Für meinen Debütfilm SUGARLAND EXPRESS brauchte
ich 55 Tage. JÄGER mit all den aufwendigen Produktionsbedingungen, mit Außenaufnahmen
in London, Paris, Tunesien, der Sahara und Hawaii machten wir in 73 Tagen. Paramount
hatte 87 Tage kalkuliert, aber ich
richtete mich nach meinem geheimen
Terminplan von 73 Tagen“.
Entsprechend niedrig war das Budget:
die „Lucasberger“ Crew verbrauchte
gerade mal 18 Mio. Dollar! Zum
Vergleich: JAMES BOND - IN
TÖDLICHER MISSION (1981)
kostete satte 30 Mio. Dollar.
Zeit ist Geld, lautete das Credo am Set.
„Es war wie beim Stummfilm – dreh
nur, was du unbedingt brauchst. Keine
Verschwendung“, so der für einen
Regisseur Steven Spielberg in Aktion
Oscar nominierte Regisseur. „Pro Tag schafften wir durchschnittlich 35 Kameraeinstellungen
bei Außenaufnahmen in mörderischer Hitze; und im Studio, unter schwierigen
Beleuchtungsbedingungen, 15 pro Tag. Es war die tollste Erfahrung, die ich je beim Film
gemacht habe. Außer fürs Fernsehen habe ich nie wieder so schnell gedreht“.
Um die Kosten weiter zu drücken, mietete man Szenen und Requisiten aus anderen Filmen.
Das U-Boot stammte aus Wolfgang Petersens DAS BOOT (1981), die DC-3, mit der Indy
durch den Himalaja zu Marions Bar fliegt, war in DER VERLORENE HORIZONT (1973) zu
sehen, eine Straßenszene der 30er Jahre lieh man aus DIE HINDENBURG (1975).
Für die Ausgrabung der Stadt Tanis filmte Spielberg Modellstatisten auf einem
dreidimensionalen Storyboard, montierte Live- und Modellaufnahmen zusammen und
erreichte, daß 600 Komparsen wie 2000 arabische Grabschürfer wirkten.
Harrison Ford sparte der Crew zwei ganze
Drehtage, weil er an höllischem Dünnpfiff litt
und großmütig auf ein ausgefeiltes Duell mit
einem schwertschwingenden Araber verzichtete. „Ich schleppte mich schon fünf
Wochen mit der Ruhr herum. Eines Morgens
fuhr ich um 5.30 Uhr zum Drehort und stürzte
mich sofort auf Steven, um ihm meine tolle Idee
zu verkünden. Auf diese Weise könnten wir vier
Tage einsparen und um so schneller aus diesem
Dreckloch entkommen (gemeint ist die Stadt
Nefta in Tunesien, Anm.d.Red.). Außerdem
paßte diese Wendung genau in den Gang der
Handlung. Schließlich hat Indy in diesem
Moment nur einen einzigen Gedanken: Er muß
Marion finden! Da hat er natürlich keine Zeit,
sich erst noch nach allen Regeln der Kunst zu
duellieren. Also, mein Vorschlag: Wir knallen
das Schwein einfach ab! Aber Steven hatte an
Die Eröffnung: Indy klaut eine güldene Gottheit &
setzt eine Kettenreaktion aus tödlichen Fallen in
Gang. Die Szene entstand nach Carl Barks’
„Onkel Dagobert“ Comic THE PRIZE OF
PIZARRO (1959).
eben jenem Morgen mal wieder genau
denselben Einfall gehabt - wenigstens
behauptete er das“. Spielberg, der einer
Magenverstimmung entging, weil er das
einheimische Essen mied und nur
eigenhändig aus London importierte
Konserven zu sich nahm, sieht’s so: „Ich
war am Ende meiner Kräfte, wir konnten
alle nicht mehr, und das Ende der
Dreharbeiten war abzusehen. Ich sagte:
Kommt, Leute, wir werden jetzt alle die
Stuntman Terry Leonard entert den Nazi-Konvoi
großen Helden spielen.
Erschieß den Kerl und rette das Girl!“.
Die Szene gehört zu den lustigsten des ganzen Films
und verdankt ihre Entstehung ebenso einer zufälligen
Improvisation wie Indys Flucht unter einen
dahinbrausenden Nazi-LKW. Spielberg: „Nach
meinen Storyboards sollte Indiana eigentlich nur
vorne am Wagen hängen. Aber bevor er von der
Monstermaschine überrollt wird, schafft er es gerade
noch, sich mit seiner Peitsche wieder auf das
Fahrzeug zu ziehen – das war als Anspielung auf den
Yakima-Canutt-Stunt für John Wayne in RINGO
(1939) gedacht. Stunt-Koordinator Glenn Randall
hatte jedoch eine viel bessere Idee, nämlich daß er
auf dem Boden langrobbt, während die Maschine
über ihn wegrast. Und das ist vermutlich einer der
besten Knüller im Film“.
In der Regel wurde Ford von Terry Leonard und dem
„James Bond“ erprobten Stuntman Martin Grace
gedoubelt. Doch es gab auch Momente, da Ford
höchstselbst ein paar Schweißperlen vergießen mußte.
So zum Beispiel beim Dreh des spektakulären
Harrison Ford, Karen Allen und 4000
Schlangen in den Londoner Elstree Studios,
die zuvor DAS IMPERIUM SCHLÄGT
ZURÜCK und SHINING beherbergten
Openings, in dem Indy vor einer riesigen „Felskugel“
aus Fiberglas, Holz und Gips davonläuft,
immerhin 136 Kilo schwer. Spielberg
bedauert im Nachhinein, daß er seinen
Star einer solchen Gefahr aussetzte.
„Harrison mußte insgesamt zehnmal mit
dem Felsblock um die Wette rennen. Er
hatte Glück und gewann zehnmal. Er war
sehr zufrieden, aber ich war ein Idiot,
daß ich ihm das überhaupt erlaubt hatte.
Vor allem wenn man bedenkt, daß die
Produktion erst in der zweiten
Entspannte Mienen bei 45 Grad im Schatten: Karen
Allen, George Lucas, Steven Spielberg, Harrison
Ford (von links)
Drehwoche steckte!“.
Nur Karen Allen traf’s noch ärger. Wie Tippi Hedren, die Alfred Hitchcock anno 1963 bei
DIE VÖGEL stundenlang mit Federvieh-Attrappen bewarf, ließ Allen einen Regen aus
schleimigen Schlangen auf sich herniedergehen. Man sagt, daß ein paar der 4500 aus
Dänemark importierten Nattern noch immer ihr Unwesen in den Londoner Elstree Studios
treiben...
„MARION, SIEH NICHT HIN“
(Effekte)
Wesentlich zeitraubender als der
eigentliche Dreh, war die Kreation der
überwältigenden visuellen Effekte.
Besonders das gruselige Finale
forderte vom Team des SF/X
Spezialisten Richard Edlund
Konzentration und Geduld. Belloq
öffnet die Bundeslade und entfacht den
Zorn Gottes, der die Nazi-Schergen
Augen zu und durch: Marion, Indy & „Gottes Zorn“
buchstäblich in ein Häufchen Elend
verwandelt.
„Wir mußten ein Miniatur-Set
bauen, und es mit Feuer
überziehen“, erklärte Edlund in
einem Interview mit der Zeitschrift
„Starlog“.
„Außerdem brauchten wir für die
Sequenz eine Reihe von Matte
Paintings (gemalte Hintergrundbilder, Anm.d.Red.), die Michael
Pangrazio anfertigte. Damit nicht
genug, brauchten wir auch noch
Ein Mitarbeiter der Trickfirma ILM bringt
einem Gespenst das Fliegen bei
Spezial-Make-up für Tohts
schmelzenden Kopf, Belloqs
explodierenden Kopf und Dietrichs schrumpfenden Kopf. Nicht zu vergessen, die vielen
Geister, die zwischen den Nazis schweben. Für die Geister benutzen wir Blue Screen Effekte
und Modelle, die durch einen großen Wassertank gezogen wurden. Steve Gawley, unser
Modellexperte, ließ die Geister im Wasser tanzen, während ich sie mit
einer computergesteuerten Kamera fotografierte. Für eine Szene
hängten wir auch ein kleines Mädchen an einem Drahtgestell auf und
ließen sie vor einer Blue Screen Wand hin und her fliegen.
Von allen Bösewichtern gefällt mir Tohts Abgang am besten, wenn
gefallen hier das richtige Wort ist. Make-Up Künstler Chris Walas baute
einen lebensechten Kopf aus Gelatine, den wir unter großer Hitze zum
Schmelzen
brachten.
In Zeitraffer
gefilmt sieht
es so aus,
als ob Tohts
Gesicht sich
wirklich
auflöst.
Mehr Arbeit
bereitete nur
Dietrichs
SchrumpfMake-up Künstler bauen eine Replik des
deutschen Offiziers Dietrich (Wolf Kahler)
kopf – dafür
benutzen wir
einen Staubsauger und andere exotische Materialien. Es brauchte acht
oder neun Leute, um den Effekt zu kontrollieren.
Glücklicherweise stand uns George Lucas bei den ganzen Aufnahmen
Der langsame Tod von Ernst
Toht (Ronald Lacey)
mit Rat und Tat zur Seite. Er überwachte auch den Endschnitt der Prozedur. George sorgte
dafür, daß unsere Arbeit hinterher auch gut aussah“.
Steven Spielberg stimmt zu: „Ich werde JÄGER immer als meinen Film betrachten, weil ich
der Regisseur war. Aber des Schöpfer dieses Films ist George Lucas“.
„DIE WISSEN GAR NICHT,
WAS SIE DA HABEN“
(Resonanz)
JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES kam in den USA am 12. Juni 1981 in die Kinos,
in Deutschland am 29. Oktober 1981. Während die amerikanische Kritik „ein perfektes
Gleichgewicht zwischen eskapistischem Vergnügen und knallharter Action“ (Variety)
beklatschte, entlarvten sich viele deutsche
Schreiberlinge mal wieder als spaßfeindliche
Wichtigtuer. „Der allerletzte Hollywoodfilm,
der jeden Zuschauer als Idioten hinstellt, weil
er sich diesen Blödsinn anschaut“, schrieb
„Unsere Zeit“. „Filmecho“ legte nach: „Ein
eiskaltes Spekulationsobjekt, das Hollywoods
Traditionen plündert, ohne neue Maßstäbe zu
setzen“. Nun denn. Ich bekenne hiermit offen,
ein „Idiot“ mit einer Vorliebe für „eiskalte
Spekulationsobjekte“ zu sein. Zum Glück steh’
ich damit nicht allein.
242 Mio. Dollar spielte JÄGER allein in den
USA ein, 141 Mio. im Ausland, und gehört
damit zu den Top 20 der erfolgreichsten Filme
aller Zeiten. Der zum selben Zeitpunkt
Box-Office Champ Indy plättete die gesamte
Konkurrenz des Jahres ’81
gestartete Bond Nr. 12, IN TÖDLICHER
MISSION, hatte gegen Indy an der Kasse
keine Chance – eine spezielle Genugtuung für den verschmähten 007-Regisseur Spielberg.
In einem Pariser Kino an der Champs Elysées lief JÄGER gar 89 Wochen am Stück!
JÄGER gewann zahlreiche Preise, darunter vier Oscars in den Kategorien Schnitt,
Spezialeffekte, Ausstattung und Ton und ein Grammy für John Williams’ schmissiges
Leitmotiv (di, di, di, di – da, da, da). Zwei ebenfalls (umsatz)starke Fortsetzungen folgten
(INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES, 1984, INDIANA JONES UND
DER LETZTE KREUZZUG, 1989) sowie eine TV-Serie (YOUNG INDIANA JONES).
Jetzt ist Indiana Jones 20. Im Vergleich zum 59jährigen Harrison Ford also noch ein
blutjunger Hüpfer. Deshalb wird’s Zeit, daß Spielberg und Lucas endlich in die Gänge
kommen, und Teil 4, 5 und 6 der Serie auf den Weg bringen. Sonst taugt der gute Ford nur
noch als JÄGER DER VELORENEN RHEUMADECKE.
Und sollte es an guten Ideen mangeln, muß das Duo bloß einmal nach Weimar telefonieren –
das ist die Geburtsstadt eines deutschen Fantasy-Autors namens Wolfgang Hohlbein...
JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES
IN ZAHLEN:
Länge des Films:
115 Minuten
Stuntleute: 14
Lucas’ Alter bei der
Entwicklung des
Skripts: 34
Fords Alter bei
Beginn der
Dreharbeiten: 38
Spielbergs Alter bei
der Premiere: 33
Heil Hitler Grüße: 2
Leichen: 38 (ca.)
Indy verliert seinen
Hut: einmal
Acht Oscarnominierungen, aber die Trophäe für den besten Film ging
unverdient an das Sportdrama DIE STUNDE DES SIEGERS
Anspielungen auf
KRIEG DER STERNE: 3. Die Registrierung von Jocks Flugzeug lautet OB-CPO (für ObiWan Kenobi und C-3PO), R2D2 und C-3PO sind als Hieroglyphen in der Quelle der Seelen
abgebildet, R2D2 wurde im gleichen tunesischen Canyon von den Jawas entführt, in dem
Indiana Jones die Bundeslade in die Luft sprengen will.
Indy wechselt die Klamotten: neunmal (da lästere noch einer, Frauen können sich nicht für
eine Garderobe entscheiden...)
Marion küßt Indy: zweimal
Premiere des 4. Indy Films, für den M. Night Shyamalan (Regisseur von THE SIXTH
SENSE) das Drehbuch schreibt: vielleicht 2004
Erscheinungstermin der deutschen JÄGER DVD: voraussichtl. November/Dezember 2001
Fotos: Lucasfilm, Paramount