Mille Miglia mit dem Porsche-Chef Matthias Müller
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Mille Miglia mit dem Porsche-Chef Matthias Müller
Henryk M. Broder Autoren streiten über Autos. Nachahmenswert DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 Ronja von Rönne Tucholskys „Rheinberg“ erfahren. In zwei SUVs Seiten 6 bis 9 Seite 22 Okay, es ist mit uns durchgegangen. Henryk M. Broder im Rolls-Royce, ich im Porsche 550 RS Spyder, Stefan Anker im neuen Ferrari. Als die vierte Ausgabe der PS WELT so dalag, hatten wir nur eines vergessen: das total vernünftige Auto. Und was ist das vernünftigste? Der Skoda Suberb, sagt Anker. 1. Es gibt praktisch kein Auto, das innen größer ist. 2. Der neue Superb fährt so komfortabel, wie er aussieht. 3. Das Basismodell kostet unter 25.000 Euro. 4. Das Design folgt der Konzernlinie und wahrt trotzdem die Eigenständigkeit. Kurz: Der Superb ist bedeutend (und so anders als alles in der PS WELT), weil er Mainstream ist – und hervorragend. Die nächste Ausgabe erscheint zur IAA. Ihr ULF POSCHARDT PS: Kritik und Lob bitte wieder an [email protected] Die Geschichte der lässigen Fortbewegung Seite 12/13 NEULICH, im PARADIES Mille Miglia mit dem Porsche-Chef Matthias Müller Foto MARKUS LESER #.8JNJU1MVHJO)ZCSJEBOUSJFC#.8F%SJWF4USPNWFSCSBVDILPNCJOJFSU L8ILN,SBGUTUPGG WFSCSBVDILPNCJOJFSU MLN$0&NJTTJPOLPNCJOJFSU HLN%JF7FSCSBVDITXFSUFXVSEFOBVG #BTJTEFT&$&5FTU[ZLMVTFSNJUUFMU"CCJMEVOH[FJHU4POEFSBVTTUBUUVOHFO/FVF#.8J'BIS[FVHFTJOECFJ KFEFNBVUPSJTJFSUFO#.8J"HFOUFOFSI¤MUMJDI &345&3&*/&3 4&,6/%&/-*5&3%&3#.8J #.8J 'SFVEFBN'BISFO /&6&/;&*5 CNXJEFJ DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 4 TABUBRUCH Ferrari hat jetzt auch in seinem wichtigsten Modell den Turbolader eingeführt. Das verstößt einerseits gegen die reine Lehre vom Sportwagenbau. Andererseits schiebt der Turbo das Auto in neue Sphären M 308 GTB 1975–85, 227 PS, Urahn des 488, als GTS. TV-Ruhm bei „Magnum“ Fahrerwechsel in der Box in Fiorano, wo sonst Fotografieren verboten ist. Der 488 GTB in Ruheposition steht auf der Piazza Michael Schumacher, er ist der Jüngste in Ferraris Zweisitzer-V8-Mittelmotor-Galerie 348 tb 1989–95, 320 PS. Testarossa-Türen, trotzdem kein gutes Auto Stefan Anker(3) an bekommt nicht einfach ein Interview bei Ferrari, man wird gebeten. Kurz vorm Ende des 488-Tests auf der Hausstrecke in Fiorano: Es heißt, Amedeo Felisa, der Chef des Hauses (der schon Chef war, als Luca di Montezemolo noch über allem schwebte), habe nun Zeit. Der Rückflug des Journalisten? Sorry, aber wenn man Felisa absage, merke der sich das. Lange. Den Flug werde man notfalls auf den nächsten Morgen umbuchen. Diese Episode zeigt, wie man in Maranello tickt. Erst kommen wir, dann kommt sehr lange nichts, und wehe, jemand lässt den Namen Lamborghini fallen. „Ein Ferrari ist unvergleichlich“ – dieser Satz, noch in den 90er-Jahren gern genutzt, um Vergleichstests der Fachpresse abzulehnen, stellt immer noch das Selbstverständnis der Marke dar: Ferrari ist mehr Glamour als Porsche, aber weniger Trara als Lamborghini; Ferrari ist Serienproduktion, ja, aber individuell, frei und keiner Konzernlinie verpflichtet. Oder kann sich jemand vorstellen, Ferrari würde sich nach Fiat, Alfa, Lancia, Maserati richten, nach Chrysler gar? „Felisa“, sagt der neue, von Porsche gekommene Entwicklungschef Michael Leiters, „macht keine Kompromisse.“ Umso bemerkenswerter ist das neue Auto, denn das ist eigentlich ein 204.211 Euro teurer Kompromiss. Weil auch Ferrari an den CO2-Werten drehen muss (nach unten), aber die Leistung sich ebenfalls entwickeln soll (nach oben), weicht man von der reinen Sportwagenlehre ab und ersetzt 355 1994–99. Willkommen in der Neuzeit, 381 PS, F1-Getriebe den alten Saugmotor durch einen neuen V8 mit Turbolader. Vor fünf Jahren hat Ferrari diese Strategie beschlossen, der California T war das erste Produkt dieser neuen Linie, der 488 GTB als Nachfolger des 458 Italia ist das zweite und wichtigste. Deswegen will Amedeo Felisa auch keine Fragen beantworten. Er will sie stellen. Er will in seinem Büro an dem großen runden Konferenztisch sitzen, das Fenster im Rücken, an den Wänden Fotos, Automodelle auf Sideboards, und er will wissen, wie man den neuen Sound findet. Vor allem: Wie spricht der Motor an? Wenn ein Sportwagen etwas sein muss, dann schnell. Es zählt vor allem das Gefühl unterm rechten Fuß: Bewege ich ihn einen Millimeter nach unten, dann hat das Auto gefälligst zu reagieren. Machen Turbos aber nicht, sondern bauen erst mal gemütlich Druck auf, um dann zu explodieren. Doch irgendetwas ist in den Eingeweiden des 3,9 Liter großen V8 hinter den Sitzen des Ferrari 488 passiert. Vor der Audienz bei Felisa stand das Rendezvous mit dem 488 GTB auf Ferraris Teststrecke in Fiorano. Heiliger Asphalt. Raffaele de Simone, der Cheftestfahrer, dreht eine Runde und doziert während des Driftens über Dynamikeinstellungen, Kurvenlinien. Doch man hört fast nicht hin, man ist fasziniert von dem leicht gedämpften, aber doch klar erkennbaren Ferrari-Klang, und vor allem: Man will selbst fahren. Manettino auf CT Off, das ist das Deaktivieren der Traktionskontrolle unter Beibehaltung des ESP. 430 2004–09, 490 PS, Manettino (Dynamik-Wahlschalter) am Lenkrad SEITE 5 Von GUIDO BELLBERG os Fox Phot /Getty Im „Mir re mit R icht´s etro! " ages Ende der Märchenstunde! Ja, auch ich liebe viele Old- und Youngtimer. Coupés, Sportwagen und große Limousinen. Deutsche, Italiener, Engländer und sogar Japaner. Und, Doppel-Ja, das Automobildesign hat wirklich schlimme Jahre hinter sich. Aber das, was sich bereits bei kleinen Wagen wie dem Citroën DS3 und dem Toyota AYGO abzeichnete, geschieht jetzt auf breiter Front: Es gibt wieder schöne neue Autos. Beispiele – zugegebenermaßen subjektive – gefällig? Der aktuelle 911 TARGA, ist der erste Targa, der mir persönlich überhaupt gefällt. So sehr, dass es schon fast wehtut. Und auch das neue S-KLASSE COUPÉ ist wirklich gelungen. Selbst aus Fernost gibt es gute Nachrichten: Mazda hat momentan ein fantastisches Rot im Angebot, und wenn man den SUBARU BRZ nicht mag, ist man ohnehin kaum zu überzeugen. Man kann heute gut gelaunt tief ins Portemonnaie greifen, ohne sich für sein Auto schämen zu müssen, Stichwort FERRARI F12. ASTON MARTINS sahen sowieso noch nie so gut aus wie heute, und mit dem I8 hat BMW gezeigt, dass auch Elektroautos sexy sein können. Aber auch am anderen Ende der Preisskala lassen sich interessante Ansätze beobachten: Marken wie Kia oder Škoda haben eine massive Hübschheitsaufwertung erfahren, und immer wieder findet man interessante Einzelfälle wie etwa den HYUNDAI VELOSTER. Habe ich bereits das SKlasse Coupé erwähnt? Wenn das so weitergeht, werden wir in 30 Jahren mit Tränen in den Augen auf unsere Zeit zurückblicken. Ich freue mich schon darauf. Von STEFAN ANKER Roberto Carrer/Ferrari S.p.A. Beach Bum von CORDULA SCHMITZ Bitte keine Tasche mitnehmen. Das Handtuch wird einfach über die Schulter geworfen. saturdaysnyc.com; Lederbänder die mit Salzwasser in Berührung kommen, sind nicht schön. Lieber die Tag Heuer Formula 1 Limited Edition zum 30jährigen Jubiläum mit McLaren tragen. TAG Heuer [Pe trol head] Harte Zeiten für Oldtimer. Ihre wahren Fähigkeiten im Asphaltdschungel sind nicht mehr gefragt. Die Ära der tollkühnen Fahrer, die ihren automobilen Traum hart am Gas durch den rauen Alltag prügeln, scheint vorbei. Ihre neuen Besitzer können nicht und wollen nicht. Historie und Wertsteigerung sind die neuen Lifestyle-Parameter. Von Freiland- zur Käfighaltung. Die Dokumentation endet hier, im klimatisierten Garagenloft. Die Rendite siegt über das Abenteuer. So geht’s doch nicht! Motoraver weckt den Punk in dir, und mit fünf Gängen geht’s zurück auf die Straße: Neumodische Hipster-Sonnenbrille? Brauchen Sie nicht. Hakusan Hook kommen aus Japan und wurden schon 1970 von John Lennon entdeckt. farfetch.com 1 Bedenken über Bord! Die Empfehlungen des Steuerberaters, die neusten Zahlen zur Marktentwicklung, die Sorgen der Ehefrau, die Investment-Beratung der Hausbank: Scheiß drauf, das Leben ist kurz. Der Klassiker muss raus auf die Straße, die Historie weitergeschrieben werden. Kein Flammen, keine Tribals, keine Aufdrucke auf Badehosen! mrporter.com 2 Blickwinkel verändern! Ingenieure haben Autos zum Fahren gebaut. Jeder Außerirdische würde sich an seinen übergroßen Kopf fassen, erzählte man ihm, dass Erdenbürger ihre selbst erfundenen Fortbewegungsmittel nicht zum Fortbewegen nutzen. Nur zum Angeben am Stammtisch und um die Rente zu sichern. 3 Dem Ingenieur vertrauen, nicht dem Controller! Alte Autos punkten mit Bedienungsfreundlichkeit, schöner Haptik, übersichtlicher Mechanik und Reparaturfreundlichkeit. Das ist Verkehrssicherheit. Neue Autos piepen. 4 Musik aufdrehen! Nichts unterstützt ein persönliches Gefühl besser als der passende Soundtrack. Ein Brei aus Verkehrsnachrichten und Anweisungen zum Auffinden der schnellsten Route töten jedes Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Empfehlungen für ein Mixtape im Becker-Kassettenradio: Fehlfarben, „Es geht voran“; Motörhead, „Ace of Spades“; und Beastie Boys, „Sabotage“. 5 Wetterbericht checken! Wenn sich die Regenwahrscheinlichkeit der 100-Prozent-Marke nähert und ein ehrlicher Seitenwind aus Südwest bläst, bist du garantiert allein auf der Straße. Es dämmert bereits? Gut. Raus jetzt. Der heckgetriebene Wagen kann jetzt zeigen, was in ihm steckt. Und du kannst es auch. Das Spiel mit Natur und Drehzahl vereinigt Mensch und Maschine im roten Bereich. Gutes Gefühl? WAS IST EIN ? Die deutsche Sprache ist wunderbar; reich und vielseitig, flexibel und punktgenau. Die ganze deutsche Sprache? Nein, es gibt eine einzige Ausnahme, die Autoliebe. Denn wie nennt man bloß jemanden, der Autos wirklich fühlt? Der Autos atmet und träumt? Automensch? Vierradverrückter? Blechjunkie? Eben. Daher haben wir uns schon vor einiger Zeit entschlossen, das englische „petrolhead“ einfach zu übernehmen, sozusagen als Ausgleich für „Angst“, „Rucksack“ und „Kindergarten“. Willkommen in der Heimat des Petrolheadismus. Übrigens: Den „Petrolhead der Woche“ finden Sie auf welt.de. Autofreunde bitte melden: [email protected] IMPRESSUM 458 Italia 2009–15. Porsche-Turbo-Killer, unfassbar stark (570 PS) Von HELGE THOMSEN Helge Thomsen, Gründer und Herausgeber des Auto-Punk-Magazins „Motoraver“ und seit 2007 Moderator bei „GRIP“-Das Motormagazin Immer schön mit dem Heck wedeln: PS WELT-Autor Stefan Anker testet den Ferrari 488 Perfekt, wenn Leute zugucken, die Genuss-ohne-ReueEinstellung. Drei mal drei Kilometer Gas geben, bremsen, lenken, leicht driften und spüren, was der Motor macht. Die 670 Pferdchen sind wie Elektronen in einer Stromleitung: immer da. Und in engen Kurven muss man nicht mehr den zweiten Gang nehmen, auch der dritte nötigt dem Fahrer keine Wartezeit ab. Dank 760 Newtonmetern, die über 1370 Kilo Trockengewicht herfallen (mit Sprit und allen Flüssigkeiten 1475 kg) kann man beim Herausbeschleunigen aus der Kurve gar nicht so schnell hinterherschalten, wie der Begrenzer erreicht ist (bei 8000 Touren) Um das zu erklären, hatte Vittorio Dini, Chef der Antriebsentwicklung, am Vorabend 20 Minuten doziert. Hatte Tabellen gezeigt, Grafiken. Hatte gesagt, dass der 488 irgendwo doch eine Zehntel verliere gegenüber dem Vorgänger 458. Dass er dafür aber aus dem Stand bis zum Begrenzer im vierten Gang nur 6,4 statt 8,4 Sekunden brauche (0–100: 3,0 Sekunden). Es war wichtig, aber ermüdend. Auch weil danach der Fahrwerksingenieur kam, ein Aerodynamiker, ein Designer. Aber das gehört eben zu Ferraris Selbstverständnis: Wir sind nicht Lifestyle, heißt das, wir sind Technik. Seriöse, echte, graziöse Technik. Botschaft an Maranello: Alle glauben das. Es glaubten aber auch alle, wenn sie es kurzweiliger vermittelt bekämen. Oder kürzer. Dann wäre Zeit für noch drei Runden in Fiorano. PS: Der Rückflug am Abend hat übrigens noch geklappt. 5 In Schritten zum Motoraver ... Chefredakteur Jan-Eric-Peters Redaktionsleitung Dr. Ulf Poschardt (V.i.S.d.P.) Redaktion Guido Bellberg, Stefan Anker, Tobias Wiemeijer Artdirektion André M. Wyst Bildredaktion Stefan Runne Layout Katja Fischer Die Reisen nach Italien wurden von Porsche und Ferrari und die nach England von Jaguar unterstützt. DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 6 SONDERURLAUB MIT SANDKASTEN Mecklenburg-Vorpommern ist ein schönes Land, das man eigentlich auch nur mit ebensolchen Autos bereisen dürfen sollte. Die Frage ist nur: Was können Männer fahren, wenn es kein Sportwagen und auch kein SUV sein darf? FULLAND im Maserati BELLBERG im Bentley Fotos JOHANNES ARLT SEITE 7 BRODER im Rolls-Royce Womit macht man auf dem Campingplatz genauso eine gute Figur wie auf der Auffahrt zum Luxushotel? Und zu guter Letzt: Wo bekommt man Kind und Hund ebenso ansprechend untergebracht wie die neue Flamme – und zwar ohne dass der Fahrspaß leidet? Eine wirklich schwierige Aufgabe, die wir deshalb gleich drei Autoren gestellt haben, die nur zwei Regeln beherzigen mussten: Der Blick in die Bedienungsanleitung ist verboten, und die Autos müssen es von 0 auf 100 km/h in 5 Sekunden schaffen. Dolce Velocità K Von ANSGAR FULLAND eine Kompromisse! Für Spaß habe ich einen luftgekühlten Oldtimer aus Zuffenhausen, dessen Motorsound ein mittelgroßes Orchester auf Absinth ersetzt. Wenn ich befördert werden will, nehme ich den skischanzentauglichen Familien-Quattro und höre Radio. Jetzt stehe ich vor einem Auto, das angeblich beides und mehr kann: dahingleiten und herumrasen, Familien transportieren und erste Reihe Golfplatz. Der Maserati Quattroporte S Q4 ist ein Alleskönner. Wenn nur Herr Bellberg nicht die Bedienungsanleitung eingesackt hätte ... Kurz vor Mecklenburg-Vorpommern: 14.46 Uhr „Sind das eure Autos?“ Willi (52, Wohnwagengespann) hebt fragend die Augenbrauen, während er Bentley, Rolls und Maserati beäugt. Ein Bewunderer! Welcome and Bienvenue! Wir stehen nämlich an der Autotanke und warten auf Claqueure. Jetzt Bauch einziehen, „Der Pate“-Blick aufsetzen und noch mal kurz die technischen Daten memorieren. 410 PS, Vierradantrieb, Luxusleder von Poltrona Frau. Maserati macht dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst. Willi wirkt jetzt ungeduldig. „Das ist korrekt“, entgegne ich huldvoll in Erwartung bewundernder Worte und neugieriger Fachfragen. „Könnt ihr die mal wegfahren, ich brauch’ Luft!“ Willi deutet auf die Reifendruckstation, die wir komplett zugeparkt haben. Ups. Ein unmittelbarer Publikumserfolg ist unsere Luxusausfahrt an die Ostsee jetzt nicht wirklich. Aber wir fangen ja gerade erst an. Zehn Minuten später sind wir wieder auf der Bahn. Meck-Pomm, wir kommen. Bellberg hat zu viele WoolfBarnato-Biografien gelesen und zieht röhrend links an mir vorbei. Shocking. Ich klemme mich in den hausbreiten Windschatten des Engländers. Die MaseratiAutomatik quittiert den Kick-down mit einem wohligdezenten Fchchchch und 550 Newtonmeter Schub. Das ist in etwa so viel, wie die Russen damals brauchten, um Laika, die Hündin an Bord der Sputnik, in die Umlaufbahn zu befördern. Es reicht, um Bentley-Boy Bellberg nicht entkommen zu lassen. Dicht hintereinander schießen wir mit knapp 200 an Willis wankendem Wohnwagen vorbei. Jetzt Bellberg ärgern und links blinken? Besser nicht. Ich bin erst seit fünfzig Minuten Maserati-Fahrer. Der S Q4 und ich sind noch nicht ganz per Du. Dabei unterscheidet er sich kaum vom heimischen Quattro. Na gut – der Italiener hat unbestreitbar den besseren Sound, wenn man zutritt. Er hat 260 PS mehr als meiner. Und er schaltet automatisch. So wie jetzt gerade wieder. Auf „N“. Habe ich irgendwas angefasst? Der S Q4 verliert an Geschwindigkeit. Vor mir im Mäusekino (ital.: „cinema topolino“) erscheint DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 8 Schön britisch: Der Regenschirm ist in die Türe integriert Kein Autotest ohne Fassungsvermögen. Nur: Wer legt sich freiwillig in den Kofferraum? Alles über 400 PS macht Männer einfach schneller glücklich So lässt es sich leben: Inneneinrichtung auf Bentley-Art ein Hinweis. „Bitte Knopf drücken zur Gangwahl“. Wie jetzt Knopf? Welchen? Und wo ist die verd... Bedienungsanleitung? Die liegt in Bellbergs Handschuhfach. Und Bellberg verschwindet gerade in einer Staubfahne hinter einem Spargelfeld am Horizont. Die Luft über Meck-Pomm flirrt. Ich koche. Der Q4 rollt grollend auf dem Standstreifen aus. Im selben Moment werde ich von der Bugwelle des Rolls erfasst. Herr Broder fliegt mit 190 km/h an mir vorbei. Den Indiana Jones Fedora entspannt in den Nacken geschoben, telefoniert er mit seinem Verleger oder Daniela Katzenberger. Wer weiß. Mit der rechten Hand tätschelt er entspannt seinen Hund Chico. Ganz England fährt. Italien steht. „Bitte Knopf drücken zur Gangwahl“ (ital.: „che cazzo fai?“) leuchtet es mir entgegen. Ich bereue, sonst niemals Automatik zu fahren. WROOAH. Noch eine Bugwelle. Willis Wohnwagen zieht mit 90 an mir vorbei. „RÜGEN!“ pappt hinten drauf. Genau. Dann entdecke ich die Paddelschaltung am Lenkrad. Ein Paddel zum Hochschalten. Eines zum Runterschalten. So geht das also mit der luxuriös sportiven Fortbewegung. Der Q4 schießt nach vorn. Im Auspuff macht es „POCK!“ beim Gangwechsel. Großartig. Bis 260 bekomme ich das debile Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Und dabei könnte ich mit zwei Fingern lenken. Lässig überhole ich einen Rolls. Möglicherweise den von Herrn Broder. Das ist bei der Geschwindigkeit nur noch schwer auszumachen. Bis später! (engl.: „eat this“). Am Horizont taucht der Bentley auf und wird schnell größer. Wahrscheinlich blinkt im Bentley-Display gerade die „Tanken“-Anzeige (engl.: „please refuel, my dear“). Nach der Beschleunigungsorgie von eben nicht unwahrscheinlich. Doch Bellbergs Bentley blinkt. Wir müssen runter von der Bahn und Richtung Ostsee. Ich paddle ein wenig enttäuscht in den Zweiten und röhre in die Ausfahrt. Kurven kann der Q4 auch gut. Am Hotel angekommen, parken wir dort, wo zufällig Platz ist: direkt vor dem Eingang. Das ist nicht sozialverträglich. Doch niemand traut sich, was zu sagen. Vielleicht sind wir ja Scheichs. Die Motoren knacken leise beim Abkühlen. Zwischen seinen englischen Kollegen kauert der Maserati flach und unauffällig. Ich tätschle die warme Motorhaube. Maserati Quattroporte S Q4. Passt zu mir. Ein wenig bescheiden. Ein wenig geräumig. Gerade ausreichend motorisiert. Nur der nötigste Luxus. Wo ist mein Louis V.-Golfbag? Das Handy klingelt. „Denk dran, dass du am Wochenende den Keller aufräumen musst!“ Ja Schatz. Bellberg grinst hämisch und winkt mit den Bentley-Schlüsseln. Danke für den Hinweis! Realtà 1 – Dolce Vita 0. MASERATI QUATTROPORTE S Q4 Leistung: 410 PS Hubraum: 3 l Motor: V6 Biturbo Beschl.: 0–100 km/h in 4,9 Sek. VMax: 284 km/h Höchstgeschwindigkeit (abgeriegelt) Grundpreis: 109.480,- € Special Feature: Leder von Poltrona Frau® Maserati Quattroporte S Q4 E Von GUIDO BELLBERG s ist absurd genug, mit einem RollsRoyce, einem Bentley und einem Maserati auf einer der engsten Straßen Berlins zu rangieren, aber vollkommen seltsam wird es, wenn man dabei von einem Ewok beobachtet wird. Ich schwöre, dass ich das nicht erfunden habe, aber Henryk M. Broder hat einen kleinen „Hund“ dabei, den ich schon einmal in „Star Wars“ gesehen habe. Egal, keine Zeit für Vierbeiner, ich muss meine tapferen Mitstreiter aus dem Moloch der Großstadt in die Freiheit der ostdeutschen Ostseeküste führen. Ohne Navigation oder etwas zu trinken (im Büro vergessen). Momentan bewege ich mich allerdings überhaupt nicht, da ich den Taxistand direkt vor dem Haus blockiere. Zählt das schon als Fahrstrecke? Technisch gesehen ja, aber faktisch betrachtet, ist die bislang zurückgelegte Strecke kürzer als der Bentley selbst. Das muss besser werden. Sowohl Henryk M. Broder als auch Ansgar Fulland haben es geschafft, mich beim Abbiegen aus der Tiefgarage zu übersehen, obwohl ich in einem Auto sitze, das auf dieser Straße so unauffällig ist wie eine Yacht im Supermarkt. Ich bin als Einziger nach rechts abgebogen, alle anderen nach links (Herdentrieb). Inklusive Kameramann und Fotografenwagen habe ich, streng genommen, also schon nach zwei Metern vier Autos verloren und als Rudelführer total versagt. Also warte ich, bis irgendwann irgendjemand wieder auftaucht. Und tatsächlich, Broder kommt mir aus einer Seitenstraße entgegen, die anderen vier folgen ihm – oder dem Ewok – brav. Niemand hat ein Navi programmiert, alle vertrauen auf die Intelligenz des Schwarms. Broder stoppt seinen Rolls-Royce neben meinem Bentley, fährt die Seitenscheibe herunter und fragt nach dem Weg. Der Verkehr bricht endgültig zusammen. Unser Tross hat endlich meine Führungsqualitäten erkannt und fährt noch einmal um den Block, um richtig herum hinter mir zu stehen, während ich beschließe, dass eine Viertelstunde Taxis ärgern genug ist, die Straße überquere, nach links abbiege und dort auf der rechten Seite wieder in „P“ gehe. Die ersten 200 Meter sind geschafft. Es dauert ewig – nicht zuletzt dank dreier Radfahrerinnen, die die Kreuzung ebenfalls queren möchten, aber lieber nebeneinander stehen bleiben, weil sie sich nicht so recht trauen. Was soll’s, ohne die anderen kann ich sowieso nicht los. Ich ernte, obwohl ich weder dicht auffahre noch hupe, böse Blicke der Radfahrerinnen. Wahrscheinlich stresse ich sie durch meine bloße Anwesenheit, aber was soll ich ma- Typisch Engländer, fahren einfach auf den Strand chen, ich bin nicht zu übersehen, das Auto ist groß. Und auffällig. Vielleicht ist das aber auch einfach nur der berühmte Berliner Sozialneid. Endlich! Im Rückspiegel taucht wieder H. M. („His Majesty“) Broder auf, dahinter erkenne ich schemenhaft den schwarzen Maserati von Ansgar Fulland. Das Team formiert sich zum nächsten Angriff auf den Berliner Verkehr. Als Broder die Kreuzung ebenfalls passiert hat, starte ich den Motor und gleite in die zäh fließende Masse. An der Ausfallstraße circa 500 Meter nach der Tiefgaragenausfahrt wird es noch schwergängiger. Schritttempo wäre jetzt schön. Im Rückspiegel grinst Broder, der sich eben noch darüber beschwert hat, dass er seine Lieblingsradiostation nicht finden kann. Das Problem scheint jetzt behoben. Der Maserati ist schon wieder verschwunden, zum zweiten Mal auf 500 Metern, das ist neuer Rekord. Nach dem ersten Kilometer habe ich nur noch zwei Autos, aber immerhin die teuersten, im Rudel, und es hagelt Anrufe. Fulland will wissen, wo er hinmuss. Na, immer geradeaus, wo er denn sei? „Ich sehe einen Fernsehturm, links ist der Alexanderplatz.“ – „Super“, sage ich, „du musst auf eine der linken Spuren in den Tunnel runter, Richtung Hamburg.“ Fulland bestätigt Tunnel und Schildbeschriftung und fährt dann im Tunnel an Broder und mir vorbei. Verdammt, wie kann man uns übersehen? Aber man kann, denn der Kamerawagen, der offensichtlich nach dem Maserati Ausschau hält, würdigt uns ebenfalls keines Blickes. Endlich, die Verkehrslage wird besser, wir fressen nun Ostberlin in großen Bissen. Fulland ruft wieder an und will wissen, ob er Richtung Wedding muss. Hamburg, Herrgott noch mal! Wir kriechen die ersten Meter Autobahn mit 90 km/h entlang, einfach um zu testen, wie das ist, wenn ei- Eine gründliche Einweisung ist unbedingte Voraussetzung für sicheres Fahren nen polnische Lkw-Fahrer wütend anstarren, und um den anderen Gelegenheit zu geben, zu uns aufzuschließen. Viel, sehr viel später ist Berlin geschafft und das Team wieder vereint. Wir geben Gas, aber nur fünf Minuten, dann muss der Ewok unbedingt anhalten. Endlich bietet sich eine gute Gelegenheit, die Autos der Kollegen herunterzumachen und höflich, aber mit Nachdruck auf die eindeutige Überlegenheit meines Bentleys hinzuweisen. Die anderen Rastplatzbesucher starren uns an. Broder ist bester Laune und hört Musik. Außerdem hat SEITE 9 H. M. Broder erklärt geduldig, warum er der beste Fahrer im besten Auto ist er das Schiebedach offen, sehe ich. So wird das nichts mit einem anständigen Reisetempo. Endlich geht es weiter, aber der Kamerawagen hat kein Benzin mehr, und auf unserem Rastplatz gibt es auch keines. Also halten wir am nächsten erneut und betanken das Auto. Als wir nun endlich und wahrhaftig Richtung Küste rollen, klingelt das Telefon schon wieder. Fulland hat heute noch nicht gefrühstückt. „Herr Broder auch nicht“, antworte ich. Ja, und der Fotograf habe eben auch angemerkt, dass er ebenfalls einen Happen vertragen könne, bemerkt Ansgar. Jesus. Viele Pommes und Softdrinks später kommen wir endlich richtig ins Rollen. Kein Tempolimit mehr, und ich beschließe, die erste Team-Building-Maßnahme durchzuführen und zu testen, wie meine Männer reagieren, wenn ich sie ohne klare Zielangabe allein im brandenburgischen Asphaltdschungel zurücklasse. Ich gebe Gas, Kickdown. Oh ja. Sehr gut, beeindruckend. Von 100 auf 200 in wenigen Sekunden, so soll es sein. Und der Motor klingt gut, wenn man ihm einmal etwas zu tun gibt. Und arbeiten kann er durchaus auf Sportwagenniveau. Mit einem kernig röhrenden Sound, der beim Erreichen der Zielgeschwindigkeit wieder in ein sanftes Säuseln fällt. Eine fantastische meine Richtung: „Typisch Engländer, fahren einfach auf unseren Strand.“ Nun ja, soll ich die guten Leute darauf hinweisen, dass das „GB“ auf meinem Kennzeichen natürlich für meine Initialen steht und ich gar kein echter Engländer bin? Oder darauf, dass ich mit einem Auto, das über 2,5 Tonnen wiegt und Hinterradantrieb hat, bestimmt nicht in den Sand fahre? Ich nehme stattdessen die Sonnenbrille ab und grüße freundlich. Ausdauernd und so nett, wie ich nur kann. Es nutzt nichts, bei den meisten Passanten herrscht eisiger Sauertopf im Gesicht. Schon erstaunlich: Drei wunderschöne Autos in einer wunderschönen Landschaft bei wunderschönem Wetter – wie kann man da nicht gut gelaunt sein oder wenigstens neutral? Ist das das preußische Deutschland? Oder eine Spätfolge von zu viel Sozialismus? In Italien oder Australien wäre jetzt FamilienParty am Strand. Menschenauflauf, Fragen, Begeisterung, Diskussionen, Zustimmung. Hier dagegen wird man maximal geduldet. So gerade eben noch. Endlich, zwei Mädchen haben gute Laune. Ich frage sie, welches Auto ihnen am besten gefällt. „Der schwarze, der in der Mitte“, sagen sie. „Falsche Antwort“, entgegne ich und zeige auf den Bentley. „Oh ja, der ist auch super, aber Aufforderung den Halteplatz gleich vor dem Hoteleingang. Das passiert zweimal. Daran kann man sich schnell gewöhnen. Ich bedanke mich natürlich höflich, denn ich finde, Luxuslimousinen und Unfreundlichkeit passen nicht zusammen, sondern sind ein Zeugnis engherziger Kleingeister. Aber es ist schon erstaunlich, wie viel respektvoller Abstand einem gewährt wird, wenn man mit solchen Autos auftaucht. Das ist auch den anderen aufgefallen. Aber darüber möchten sie lieber beim Essen reden. Komm, kleiner Ewok, das Buffet ist eröffnet. BENTLEY MULSANNE SPEED Leistung: 537 PS Hubraum: 6,8 l. Motor: V8 Biturbo Beschl.: 0–100 km/h in 4,9 Sek. VMax: 305 km/h Grundpreis: 323.918,- € Special Feature: Beleuchteter Kühlschrank hinter der Armlehne der Rücksitzbank (Sonderausstattung) Bis zum nächsten Mal! Besser kann Hund nicht reisen Sowohl Vierbeiner als auch Fahrzeuge brauchen Nährstoffe und Streicheleinheiten Maschine und definitiv ein Männerauto. Außerdem: Endlich ein Viertürer, der auch mir gefällt. Ich bremse auf Lieferwagentempo herunter, beschleunige dann wieder auf Sportwagenniveau. Hoch, runter, hoch, runter, Gott, ist das Ding gut. Endlich Mecklenburg-Vorpommern. Wenig bis keine Autos, schöne Landschaften. Am Abend ist Fotosession auf einer Strandzufahrt, der Kurdirektor hat es erlaubt. Schon auf der Zufahrt, circa 200 Meter vom eigentlichen Strand entfernt, hagelt es Kommentare der Einheimischen in umweltfreundlich ist der auch nicht gerade, oder?“ Ich schlage ein Gedankenexperiment vor: Wenn der Mulsanne 365 Tage im Jahr acht Stunden am Tag mit Vollgas fährt, um wie viel Prozent erhöht sich dann der deutsche CO2Ausstoß? Die Mädchen lachen und ziehen weiter. Sie interessieren sich nicht für Mathematik. Auch angenehm: Neue und hochglanzpolierte Kombis deutscher Herkunft, deren Fahrer an der westdeutschen Küste ja nicht selten mit hanseatischer Arroganz und unhöflichem Benehmen nerven, überlassen uns ohne jede A Von PS WELT n dieser Stelle stünde eigentlich ein toller Text von Henryk M. Broder, lustig wäre er und vielleicht ein wenig provokant, auf jeden Fall lesenswert wie immer. Leider hat es Herrn Broder aber gesundheitlich unschön erwischt. Schade, denn wie gern würden wir lesen, welches Fazit Henryk M. Broder nach der Testfahrt mit den anderen Autoren gezogen hat. So können wir leider nur vermuten, was Herr Broder sagen würde, aber ziemlich sicher, dass der Rolls-Royce einfach das beste Auto war. Und wahrscheinlich stimmt das auch, zumindest auf ihn bezogen. Broder im Rolls – das ist in der Tat schwer zu toppen. Intellektuelle Überlegenheit, die ihre automobile Entsprechung gefunden hat. Sehr cool. Ziemlich sicher ist auch, dass er sich darüber beschwert hätte, dass die Herren Fulland und Bellberg einfach nicht Auto fahren können. Der eine verfährt sich immer, der andere auch, und am Ende will es keiner gewesen sein. Und obwohl sie doch jünger sind als Broder selbst, konnte augenscheinlich keiner der beiden ein Navigationsgerät bedienen. Der Alte musste es wieder richten. Vielleicht hätte er auch über die Fallen geschrieben, die diese Testfahrt für ihn bereithielt. Zum Beispiel die Wendeaktion in Brandenburg, die selbst mit einem geschrumpften Clio nur schwer zu bewältigen gewesen wäre und die er, ohne ein Wort darüber zu verlieren, mit seinem englischen Schlachtross wie ein wahrer Gentleman bewältigte. „Stiff upper lip.“ Oder dass die vermeintliche Nettigkeit der beiden anderen, ihm den einzigen Parkplatz vor der Herberge zu überlassen, damit er nicht so weit laufen und Gepäck schleppen musste, in Wahrheit bedeutete, einen ausgewachsenen Rolls-Royce zwischen gigantischen Findlingen, Baumwurzeln und Gartenzäunen einzuparken. Im Dunkeln. Nach einem langen Arbeitstag. In einem Gewitter wenig hilfreicher Kommentare. Und unter jeder Menge Im-WegHerumgestehe und wildem Gestikulieren. Hat er sich beschwert? Kein bisschen. Nur mit der Schaltung im Rolls-Royce hatte Herr Broder es nicht so, ständig schaltete er die Scheibenwischer ein, wenn er eigentlich den Rückwärtsgang einlegen wollte. Behaupten jedenfalls die anderen. Aber genau das ist Bellberg auch passiert, und hat Broder vielleicht geflucht wie ein cholerischer Rohrspatz? Oder lachend danebengestanden wie Fulland? Nein, hat er alles nicht. Wie gesagt, wir können nur abwarten, was Herr Broder uns am Ende berichten wird. Was wir aber ganz genau wissen, ist, dass wir seine Geschichte mit Sicherheit nachreichen und was wir jetzt sagen: Danke Henryk, gute Besserung und bis zum nächsten Mal! PS: Den Strandurlaub von Henryk M. Broder und den anderen beiden Autoren können Sie auch als kleinen Kurzfilm erleben – auf welt.de ROLLS-ROYCE GHOST Leistung: 571 PS Hubraum: 6,6 l Motor: V12 Biturbo Beschl.: 0–100 km/h: 4,9 Sek. VMax: 250 km/h (abgeriegelt) Grundpreis: 272.837,- € Special Feature: teflonbeschichteter Regenschirm in Fahrertür DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 10 Die fliegende Faust von N.Y. Peter Richter ist gebürtiger Dresdner, Rammstein-Fan, eine der kraftvollsten Stimmen der deutschen Literatur. Für ihn gibt es nichts Schöneres als am Steuer eines BMW zu Von ULF POSCHARDT sitzen. Auch und erst recht, seit er in New York lebt PETER RICHTER Schon mit dem Namen. BMW, BeEm-We, Bayerische Motoren Werke: Ich bin vor lauter Entzücken oft versucht, selbst das kleine e hinter dem y mitzusprechen. Christian Kracht und Rafael Horzon wollten, glaube ich, im Deutschen Theater sogar mal ein Stück unter diesem Namen aufführen. Ich konnte den Wunsch nachvollziehen. Ich finde, der Name ist so kraftvoll, weil er so lapidar und sachlich ist, anders als VW zum Beispiel, was ja ein Marketingbegriff ist, eine Behauptung. Ich war als Kind mal mit meinem Vater im Automobilmuseum in Eisenach und habe mir BMWs angeschaut. Die Leute, die dort später die Wartburgs bauen mussten, hatten vor dem Krieg ja BMWs gebaut und damit hinterher einfach weitergemacht, bis über die Gründung der DDR hinaus, dann schrieben sie noch eine Weile lang Eisenacher Motoren Werke drauf, mit rotem Propeller. Später wurden sie zum Bau von Zweitaktern verdonnert, was denen ganz schön an die Ehre gegangen sein muss. Es begann also schon tief in der DDR? Dass in der DDR kaum BMWs herumfuhren, hat nicht verhindert, dass man die Mythen kannte. Eines Tages parkte mal ein 328i genau vor unserem Haus auf der Straße. Westautos sah man bei uns in der Gegend eigentlich relativ oft. Da am Elbhang in Dresden hatten die Leute in der Regel ganz gute WestKontakte, viele bekamen regelmäßig Besuch von drüben, oder sie hatten irgendwo ein Westgeldkonto und ließen sich über die Außenhandelsgesellschaft Genex einen sogenannten Genex-Golf kommen. Der Sänger Peter Schreier, der um die Ecke wohnte, hatte einen weißen Mercedes vor der Tür stehen. Nur BMWs sah man selten. Denen ging dafür kopfschüttelnde Bedenkenträgerei voraus: Zu teuer, zu unvernünftig, zu eng, zu sportlich, ein Auto für Raser und aggressive Karrieristen ... meldet, wegen der Wartezeiten. Die Fahrschule in Dresden wurde von Heinz Melkus betrieben, dem Rennfahrer und Konstrukteur. Und als ich dann dran gewesen wäre, gab es sie nicht mehr, denn Melkus hatte, weil er ja nun wirklich Ahnung hatte und Geschmack besaß, noch vor der Wiedervereinigung das erste ostdeutsche Autohaus welcher westdeutschen Marke aufgemacht? Na? Opel war es jedenfalls nicht. In Ihrem gerade erschienenen Wende-Roman schreiben Sie rührend über das Autoknacken: „Ein schöner BMW zum Beispiel wurde nicht bei Austausch der Nummernschilder absolut auch Brandenburg sein. Es wurden damals im Osten ja auch die „Car-Freitag“-Gebräuche fast so schnell und gern angenommen wie die D-Mark. Die berüchtigten illegalen Rennen auf dem ehemaligen Großdeutschlandring in der Sächsischen Schweiz waren, wenn man so will, ein frühes Nebenprodukt der deutschen Einheit: ein vergessener, ins schlaglöchrige Straßennetz aufgelöster GrandPrix-Kurs traf auf Kohle für Teerfahrbahn nach westlichen Standards. Ansonsten: Auf der Ebene der Produktion ist es so, dass West-Autos heute zum großen Teil im Osten hergestellt werden. BMW baut seine Wagen wesentlich in Leipzig, aus meiner Sicht praktisch ›› Wer behauptet, in New York brauche man kein Auto, hat keine Ahnung ‹‹ Wer erzählte denn so was? Westdeutsche, die selbst im Opel saßen oder im Audi 80. Mich hat das schon deswegen sofort affiziert. Ich war aber auch gerade dabei, Punk für mich entdecken. Und dass die BMWs auch filmikonografisch so etwas wie die Cowboys mit den schwarzen Hüten waren, konnte man sich in jedem französischen Film auf DDR 2 ansehen: Sobald da einer ins Bild gerollt kam, wusste man, gleich gibt es Ärger. Den KFC hören ... geknackt, um ihn zu zersemmeln, ein BMW wurde geknackt, um ihn zu fahren. Nie geknackt wurde nur der Jaguar XJ6, obwohl es damals das schönste Auto in der ganzen Stadt war, mit dem R. aus der Elften in jenem Frühjahr eines Tages vor der Schule vorfuhr.“ Wie autobiografisch ist das – keine Sorge, es wäre ja verjährt? Es ist, wie gesagt, ein Roman. Aber gab es auch in der Wirklichkeit die Jungs, die nach der Wende die neuen West-Autos aufbrachen, die ja in der Regel eher recht alte West-Autos waren? Ja. Wurden die mitunter aus purem Mutwillen gegen die Mauer gesetzt? Ja. Waren das in jugendlicher Anmaßung auch Strafaktionen dafür, wie würdelos unserer Meinung nach die Revolution von den dauergewellten Zonen-Gabis beider Geschlechter aus der Hand gegeben wurde, um sich stattdessen schrottreife West-Autos andrehen zu lassen? Ja. Und dann auch noch die falschen, Opel Kadett und Ford Escort. Ich habe das damals so mitbekommen. Aber der Autor haftet hier nicht für seine Erzählerfigur. Der Autor hat in solchen Nächten, offen gesagt, manchmal lieber in dem herrlichen Jaguar seines Schulfreundes aus der Elften die Beine ausgestreckt – etwas, das man in einem BMW ja nun, zugegeben, oft nicht so gut kann. ... den KFC hören? ... diese frühe Punkband aus Düsseldorf, große, minimalistische Meister der Provokation – die also hören und einen BMW fahren, das kam mir synästhetisch stimmig vor. Ich war da erst 14 oder so, aber immerhin schon seit ein paar Jahren bei der Fahrschule ange- Waren Autos und Techno die beiden Jugendkulturen, die Ost und West zusammengebracht haben? Es gibt von dem Künstler Tobias Zielony diese wunderbare Fotoserie über Jugendliche, die, Musik hörend, in ihren getunten Karren an einer Tankstelle im Rheinland rumhängen. Könnte in einem Vorort von Dresden. Da kam natürlich auch wieder was dahin zurück, wo es hingehörte: Das, was man Mitteldeutschland nennt, ist eine traditionelle Wiege der Mechanik und der Fummelei. Welcher BMW hat Sie als Erster begeistert und warum? Als Kind natürlich der M1, typisches Autoquartett-Auto, der böse Gegenspieler des Superstechers. Im wirklichen Leben aber der E30. Der 80erJahre-Dreier. Das war also die Schuld des Designs von Claus Luthe und seines Vorgängers Paul Bracq. Danach fand ich damals aber auch den Rest der Familie sehr attraktiv. Den Fünfer vor allem. Heute noch überlege ich manchmal, ob ich mir mal den Siebener kaufen soll, wie er auf dem Cover von „Head On“ der Band Die Haut zu sehen ist. Ich glaube, in so einem habe ich vor Jahren mal Rainald Goetz im Rückspiegel auftauchen sehen, der Wagen war weiß, ein dramatisch schönes Bild. Und was war am Dreier so speziell? Dem Dreier fühlte ich mich rein generationsmäßig damals am nächsten. Ich mochte enge Jeans und kraftvolle Stiefel wegen Punk. Der E30 war eng geschnitten, ohne dass er das Gefühl Wann haben Sie sich Ihren ersten BMW gekauft? Als ich Anfang der Nullerjahre mal ein bisschen Geld zusammenhatte, habe ich mir nicht ein teures, sondern drei relativ günstige Autos gekauft, nämlich kurz nacheinander zwei E30 und einen 911 3,2 Carrera. Die BMWs waren eine Limousine von 1990 und ein Cabrio von 1989, beides nur 320i. Bei allem, was im Hubraum darüberlag, hatte man damals schon das Problem, dass die meistens zu runtergerockt waren; der BMW-Fahrer hat seinen zweifelhaften Ruf ja nicht immer ganz zu Unrecht, und je stärker der Motor, gerade beim Dreier, desto größer das Problem. Deswegen habe ich auch nie einen brauchbaren Fünfer aus der Zeit gefunden, und ich hätte gern einen gehabt. Zum Ausgleich hatte ich dann noch den Porsche angeschafft, und zwar statt eines etwa gleich teuren 1986er BMW 635CSI M, um den ich damals im Meilenwerk auch sehr rumgeschlichen bin. War ein Fehler, ich hätte den nehmen sollen. Der 911er war zwar auch herrlich. Aber der hat letztlich mehr bei dieser Porsche-Werkstatt rumgestanden – da, im Süden von Zehlendorf, wo es nur noch Kopfsteinplasterstraßen gibt, die einem Auto endgültig den Rest geben. Der war auch Baujahr 1986. Wahrscheinlich war ich damals schon fixiert auf die automobile Kulisse von 89/90. Das Cabrio aus dem Wendejahr hab ich bis heute. Ich war irritiert, als Sie mit einem 3er BMW auftauchten, für mich, gerade aus München entflohen, ein PETER RICHTER PS WELT: Wie ging das alles los mit Ihrer Begeisterung für BMWs? vermittelte, man dürfe die Pedale nur in zierlichen Loafers bedienen, wie gewisse italienische Marken. Ich liebe bis heute die Idee des fahrerorientierten Cockpits, das Beifahrer psychologisch sogar vom Hineinfummeln ins Radioprogramm abschreckt, wie ich mir einbilde. Später hat mich auch der ganze Geburtsmythos fasziniert. Dass man sich vor der Pleite wegen Fettleibigkeit dadurch rettet, dass man radikal abspeckt, aus barocken Blechtorten diese kargen Dinger macht, den 1600, den 2002 und wie die Vorläufer der DreierReihe alle so heißen, die „neue Klasse“; und dass diese Askese-Leistung aber eben nicht Entsagung bedeutet, sondern im Gegenteil ein Mehr an Lust, Spaß, „driving pleasure“, also Modernisierung im Dienste des Hedonismus. Diese Geschichte könnte man in Poesiealben schreiben, finde ich. Dr. Peter Richter: BMW-Fan, Familienvater und Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ in New York Auto mit schwierigsten sozialen Konnotationen. Ich fragte mich, was ein Rammstein-Fan damit will. Was wollten Sie damit? In erster Linie wollte ich, glaube ich, das Auto fahren, das ich gut fand. Wenn ich Sie damit irritiert habe, tut mir das natürlich leid, aber da sind Sie – bitte nicht böse sein – wirklich das Opfer Ihrer ganz eigenen Projektionen. Welche schwierigen sozialen Konnotationen denn eigentlich konkret? Mir haben meine Leute aus München immer erzählt, sie könnten keinen Dreier fahren, weil dort so aufstiegsorientierte Jüngelchen aus dem damals noch existierenden Kirch-Imperium damit durch die Stadt heizten. Mich wundert, dass ausgerechnet Ihnen das solche Probleme gemacht haben soll. Keine Probleme, lieber Herr Richter. Es hat irritiert. Mehr nicht. Diese vielen Münchner, die Anfang der Nullerjahre wie Sie nach Berlin kamen, waren aber auch generell einfach zu irritieren. Die haben ja dann auch mein berufliches Umfeld gebildet. Bei einigen stand man damals schon wegen eines Poloshirts von Fred Perry unter Faschismusverdacht. Dabei konnte man ihnen das wiederum fast schon als Homophobie ankreiden. Die Rechten liefen zu dem Zeitpunkt längst rum wie Linksautonome, wenn man in Berlin mal einen Skinhead in Fred-PerryShirt sah, dann konnte man fast sicher sein, der war auf dem Weg in die Darkrooms vom „Ostgut“, dem VorgängerClub des „Berghain“. Warum ich nun wirklich keine Sympathien für Rechtsradikale hege, erzähle ich auf rund 400 Seiten in meinem Buch. Schwul bin ich auch nicht, aber was manche Homosexuelle am Skinhead-Look interessiert hat, das finde ich schon interessant. Was ich mit dieser kleinen Abschweifung sagen will: Konnotationen, selbst schwierige, sind nichts, wovon man sich nicht auch frei machen, nichts, was man nicht ändern und umkodieren könnte. Dass dabei gleichsam an der Unterseite eine gewisse Idee von Aggressivität immer weitergetragen wird wie bei einer warburgschen Pathosformel, das ist dafür vielleicht sogar eine Vorraussetzung. Und so extrem dürften die Konnotationen des Dreier BMW ja noch nicht mal für Sie gewesen sein. Ich habe mich mit meinem Dreier in Berlin eigentlich immer ziemlich passend angezogen gefühlt, und zwar vor dem Stadion vom BFC im Osten genauso wie bei den Türken in Kreuzberg, vor SEITE 11 einem Club in Mitte, vor der Philharmonie oder da, wo im Grunewald die Männer auf die Hunderunde gehen, die sich über das Berliner Privileg eines „B MW“-Kennzeichens noch freuen können. Ich habe den Dreier also eher als sozial integrativ erlebt. Die Rolle von BMW-Fahrzeugen als bundesdeutschem Wert für die Integration von Immigranten wäre mal gutes Thema für eine soziologische Dissertation. Die kategorisierenden Zuschreibungen von anderen beißen sich bei dieser Bandbreite. Ich würde bereits zurückweisen, hier als Rammstein-Fan hingestellt zu werden. Zum Fansein fehlt mir die Beschränkung des Fanatismus. Kein Platz in meinem Herzen hat bei BMW zum Beispiel alles, was ein Z oder eine 1 im Namen führt. Okay, und was ist mit Rammstein? Mit Rammstein verbindet mich vor allem die Vorgeschichte, die Erfahrung von Punk in der DDR. Ich muss die jetzt nicht täglich hören, um mich trotzdem daran zu freuen, dass die in der Rezeption offensichtlich genauso funktionieren wie Dreier-BMWs: Man selbst durchschaut selbstverständlich das Ganze, findet es vielleicht sogar die zur Verfügung stehenden Spuren der Autobahn. Eine Werbefrau hat mir in Bezug auf BMW-Fahrer mal den schönen Begriff „Social Overtaker“ genannt. Das war schön, weil es das oft als Von-oben-herab-Behandlung benörgelte Drängen und Wegblinken als Durchsetzung sozialer Offenheit von unten nach oben uminterpretiert. Also war das BMW-Drängeln eine emanzipatorische Praxis? Gibt es eine emanzipatorische Praxis, die vom jeweiligen Establishment nicht als unangenehmes, präpotentes Gedrängel empfunden würde? Solange die RAF-Leute in einem BMW saßen und sich schätzungsweise vorkamen wie Outlaws auf einem besonders rasanten Pferd, waren sie vermutlich am meisten „in tune“ mit dieser sozialliberalen Gesellschaft, gegen die oder für deren Befreiung sie kämpften. Ich vermute, sie hatten in den Momenten auch den meisten Spaß. Für den Mythos in der Szene ihrer linksradikalen Anhänger hatte das aber meiner Beobachtung nach weniger Bedeutung, ihre Begeisterung für BMWs hat einige vielleicht sogar eher irritiert, im klassi- ›› Das Cabrio aus dem Wendejahr hab ich bis heut ‹‹ auch ganz unterhaltsam, hat aber schwerste Bedenken gegenüber Gesinnung und Gesittung aller anderen. Was für ein Paternalismus. schen Hausbesetzermilieu schien mir eher ausgerechnet der Mercedes-Benz in hohen Ehren zu stehen, das natürliche Automobil der RAF-Opfer. Wer ist jetzt paternalistisch: Rammstein, BMW-Fahrer oder die Irritationen? Die Irritation natürlich, der man anmerkt, dass sie in Wirklichkeit eine gerümpfte Nase, also Dünkel ist. Abgesehen davon ist Rammstein, so weit ich weiß, eine ziemliche Fahrradfahrerband. Nur Flake, der Keyboarder, ist sehr automobilaffin. Dessen Autobiografie „Der Tastenficker – An was ich mich so erinnern kann“ handelt zu 80 Prozent von einer tiefen und rührenden Liebe zu Old- und Youngtimern, zu 20 Prozent von lustigen, aber konstruktiven Missgeschicken und praktisch zu null Prozent von Rammstein. Ein sehr gutes Buch. Noch viel besser als meines. Sie leben jetzt in New York. Wie sieht Ihr Fuhrpark dort aus? Subway, Fahrrad und ein 2007er BMW X5 4.8i. Die kosten ja hier vergleichsweise wenig. Alle, die behaupten, in New York brauche man kein Auto, haben keine Ahnung, wovon sie reden. Allein die Fahrt über die Brücken und den FDR-Drive nordwärts, wo es einen Moment gibt, in dem es aussieht, als würde man dem UN-Gebäude genau in die Schmalseite fahren, gehören zu den aufregendsten Erfahrungen, die diese Stadt heute zu bieten hat. Außerdem kommt man ohne Auto schlecht an die guten Strände, und New York ist ja nicht zuletzt ein wunderbarer Badeort. Allerdings nimmt man bei dem mondmäßigen Zustand der Fahrbahnen tatsächlich am besten etwas Hochbeiniges. In Berlin war der X5 für mich ein Auto, mit dem Rechtsanwaltsgattinnen ihre Kinder zum Hockeytraining fahren. Aber irgendwann im Leben muss man sich mit der Unterbringung von Kinderwagen und dergleichen befassen, und Kombis erinnern mich zu sehr an Leichenwagen. Verglichen mit den Trucks hier wirkt der X5 tatsächlich eher wie im deutschen Verkehr, sagen wir, ein Golf GTI. Außerdem sticht einem inmitten der recht groben amerikanischen Designs noch deutlicher ins Auge, dass der X5 von vorn eine fliegende Faust ist, jedenfalls der E70. Gegen die Panzer-Ästhetik eines Ford F150 wirkt das erstaunlicherweise wie eine demilitarisierte Form der Aggressivität, wie Sport im Gegensatz zum Krieg. Der Kontext verändert die Dinge: Der VW Jetta gilt hier zum Beispiel auch nicht als Onkelauto mit Wackeldackel, sondern als flotter Wagen für junge Leute. Ist der BMW das definitive AntiIntellektuellen-Auto? Das hieße, dass zum Beispiel Rem Koolhaas, der große M1-Fahrer, der definitive Anti-Intellektuelle unter den Architekten wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt sicherlich Fahrzeuge, die sich eher als Intellektualitätsattrappe eignen, so wie sich ein bestimmter Proseminaristensound besser zur Vorspiegelung von Intellektualität eignet als die schnörkellose Sprache von Emeritierten. Aber wenn es wirklich so ist, dass man so denkt, wie man fährt, dann folge ich lieber den schnellen, sportlichen Spurwechseln eines BMW-Fahrers als dem geruhsamen Geradeauslauf eines Intellektuellen-Darstellers im Saab oder Volvo. Man könnte sich natürlich immer darauf einigen, dass das die apollinischeren Vehikel sein mögen und der BMW dionysischere Sphären anspricht. Das Rasen hat man den Mänaden schon genauso übel genommen wie heute dem unruhigen Geist in seinem Dreier. Wie wichtig ist der Mythos des BMW als Baader-Meinhof-Wagen? Die RAF wäre wohl bei mehr Markentreue nicht so schnell verhaftet worden – da waren ein 911 S Targa und ein Iso Rivolta schuld. Wenn Herr Baader und Frau Meinhof ihre Tage theoretisierend miteinander verbringen mussten, werden sie vermutlich beide froh gewesen sein, wenn sie in einem schönen BMW mal ein bisschen zur Praxis des linksradikalen Fahrens schreiten konnten. Dabei bezieht sich der spezielle Linksradikalismus des BMW-Fahrens ja vor allem auf Projektleiter Martyn Hollingsworth putzt „Car Zero" fürs Foto Kinderfrage: Ein Lottogewinn erwischt Sie. Welches Auto würden Sie kaufen, sofort? Sicher keine Ming-Vase auf Rädern. Lieber so viele gut erhaltene BMWs, Porsches, Maserati Quattroportes und von mir aus auch Mercedes aus den Achtzigern und frühen Neunzigern, wie noch zu haben sind, und eine schöne Halle dazu. Wenn sich in ein paar Jahren die Segnungen von vernetzten und selbstfahrenden Vehikeln flächendeckend durchgesetzt haben, würde ich dann da sein für alle, die sich nach Autos zum unüberwachten Selberfahren und Selberschrauben sehnen. Ich rieche da ein Business. „Car Zero“ ist mit mechanischer LucasEinspritzung ausgestattet, man kann auch Weber-Doppelvergaser haben Während „Car Zero“ bei Jaguar bleibt, sind „Car Four“ (rechts unten) und die anderen Lightweight-Modelle schon vor Fertigstellung verkauft Text und Fotos Von STEFAN ANKER Der heilige Gral des Motorsports Jaguar hat der PS WELT exklusiven Zutritt in sein Allerheiligstes verschafft. In Browns Lane entsteht in Handarbeit der E-Type neu Es ist ja immer so: Man kann noch so willkommen sein und von höchster Stelle eingeladen, zunächst muss man am Pförtner vorbei. Der Mann in Browns Lane, dem früheren Stammwerk von Jaguar, erweist sich als Meister seines Fachs in der Disziplin, dem Gast ein mulmiges Gefühl zu geben. Die „Welt“? „A dodgy paper“, sagt er, ein zwielichtiges Blatt. Er habe 16 Jahre in Deutschland gelebt, sei verheiratet gewesen dort. Aber die Ehe kann nicht gut ausgegangen sein. Was er dem Besucher noch auf Deutsch mit auf den Weg gibt, klingt unverständlich und nicht nett. Vielleicht hat es den Mann an der Pforte gestört, dass ausgerechnet ein Vertreter der PS WELT Zutritt erhält, wo englische Medien nie waren: in der Endmontage des Jaguar E-Type Lightweight. Moment: Sind die nicht alle längst zu Ende montiert? Zwölf Rennwagen von 1963 – elf existieren noch, und wenn sie gehandelt werden, dann um fünf Millionen Pfund. In Browns Lane jedoch wird man Zeuge einer Wiederauferstehung. Längst werden hier keine neuen Jaguar mehr produziert, aber Jaguar Heritage, eine Abteilung der Jaguar Land Rover (JLR) Special Operations, hat hier Quartier genommen. Betritt man die Halle, sieht man feinste Oldtimer, die auf Restaurierung oder Inspektion warten, ein XJ 220 steht auf der Hebebühne, zwei private Oldtimer von JLR-Chef Ralf Speth sind auch da. Doch jetzt geht es um die kleine Ecke hinten rechts, hinter der weißen Stellwand. Hier sind drei Autos zu sehen, in verschiedenen Stadien der Montage. „Car Zero“, die Nullnummer, ist fertig, kann auch schon fahren, wird auch schon gefahren. Wenn Projektleiter Martyn Hollingsworth von seinen Testrunden am Bilster Berg Drive in Deutschland erzählt, dann strahlt er nicht einfach, dann leuchtet sein ganzes Gesicht. „165“, raunt ein anderer Ingenieur dem Besucher zu. 165 Meilen schnell sei das nur 1000 Kilogramm schwere „Car Zero“ neulich gewesen. Goodness gracious, das sind 273 km/h! Überprüfen wird das nur können, wer eines der Autos zwischen „Car One“ und „Car Six“ kauft, besser: gekauft hat. Hollingsworth sagt, dass es wohl fünf, sechs Interessenten pro Auto gegeben habe. Eine Million Pfund musste jeder bezahlen, circa 1,4 Millionen Euro. „Car One“ steht fertig da, dunkelgrau lackiert, aber sein Besitzer möchte nicht, dass es fotografiert wird. Also schieben Hollingsworth und seine Kollegen „Car One“ weg und rangieren „Car Zero“ neben „Car Two“. Da sieht man wenig mehr als Chassis und Karosserie. „Zwei Tage“, sagt Hollingsworth, „dann kann es lackiert werden.“ Es sei ja schon fast alles dran an dem Wagen, viel mehr Innenausstattung als Sitze und Lenkrad gebe es nicht. Der E-Type Lightweight war ein reinrassiger Rennwagen, auf Basis des Cabrios mit Hardtop, bei dem sein Hersteller damals den Stahl durch Aluminium ersetzt hat. Das war eine ziemlich große Sache in den Sechzigern, und heute positioniert sich JLR ja ebenfalls als Alu-Spezialist: Kein neues Auto, das nicht in Aluminiumbauweise die Fabriken verlässt. So hätte Martyn Hollingsworth vielleicht schon ahnen können, dass es mit dem Ruhestand nichts werden würde, als erstmals die Idee aufkam, den E-Type Lightweight neu aufzulegen. Nicht einfach so, sondern gewissermaßen aus historischer Notwendigkeit: 1963 waren 18 Stück geplant, aber man kam nur bis Nummer zwölf. „Unser Designer David Fairbairn fand heraus, dass Jaguar 18 Seriennummern reserviert hatte, und die restlichen sechs waren noch da.“ So wurde der Ehrgeiz angefacht. „Ich wollte eigentlich gerade in Rente gehen“, erzählt Hollingsworth, der bis Ende 2013 den Jaguar-Prototypenbau geleitet hatte. „Aber dann kam ein Anruf von John Edwards, dem Chef der Special Operations. Und eine Woche später hatten wir ein Dinner mit Mr Speth.“ Hollingsworth nahm zunächst offiziell seinen Abschied, blieb ein Wochenende und einen Montag zu Hause und kam dann wieder. Weil der JLR-Chef seinen Leuten diese Aufgabe stellte: Baut das Auto. Und baut es so, dass wir dabei kein Geld verlieren. Ob ein Umsatz von sechs Millionen Pfund ausreicht für den Aufwand? Der Lightweight ist nicht nur eine schöne Hülle. Auch der 3,8-Liter-Reihensechszylinder wird original nachgebaut (mit 330, 340 PS statt damals 292, wie Hollingsworth lächelnd zugibt), vor allem ist der Unterbau so, wie er war. Jaguar hat darauf verzichtet, dem Auto eine modernere Struktur zu geben, alle Chassis- und Karosserieteile des zwölften und am weitesten entwickelten Ur-Lightweight wurden per Laserscan vermessen und nachgefertigt. Auch die Verbindungstechnik: Im Werk Whitley wurden vier Mitarbeiter rekrutiert, die Beschäftigungen in der Flugzeugindustrie nachweisen konnten, und sie setzen nun Nieten ins Blech – historisch korrekt. „Anders hätten wir keine FIA-Homologation für das Auto bekommen“, sagt Hollingsworth. Mit dem neuen E-Type Lightweight wird man an Rennen der historischen Motorsportszene teilnehmen können, zwei Besitzer haben schon angekündigt, genau das zu tun. Während solcher Veranstaltungen habe dann und wann auch JLR Zugriff auf die Autos, nicht zum Fahren, aber zu Werbezwecken. Und so, nur so, rechnet sich dann auch die Investition: Jaguar will in Sachen Traditionspflege aufschließen zu den Konkurrenten aus Deutschland, der E-Type Lightweight ist eine Art Beweis für die Ernsthaftigkeit dieses Plans. Und nicht etwa nur ein „dodgy classic car“. SEITE 12 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 13 Die Geschichte der lässigen Fortbewegung Gestaltung: ANDRÉ M. WYST Auswahl: PS-WELT AUTOREN Ein subjektives Strukturdiagramm SEITE 14 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 ZUM GLÜCK! Für Autoverliebte gibt es nichts Aufregenderes als die Mille Miglia. Einmal im Jahr werden in Italien alle Regeln der Straßenverkehrsordnung ausgesetzt und durch Regeln des Respekts, der Schönheit und der Euphorie ersetzt. Unser Autor setzt sich an der Seite von Porsche-Chef Matthias Müller, nun ja, eine Überdosis Benzin. Ein wunderbarer Rausch! SEITE 15 Markus Leser Von ULF POSCHARDT Fotos MARKUS LESER FERDINAND PORSCHE RÈMI DARGEGEN FEDERICO BAJETTI DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 16 L Markus Leser Markus Leser Souveräner Sieger: Bugatti T 40 von 1927 (oben), Begeisterung mit Kamera und Pinsel (mitte), roter Maserati A6 GCS/53 Fantuzzi von 1954 (rechts) Liter-Vierzylinder. Der Ingenieur Ernst Fauhrmann sollte als Heiliger verehrt werden, so unglaublich drehfreudig ist dieser Antrieb, begleitet von einem beeindruckenden Geheule beim Hochdrehen und einem Jubeln beim Gaswegnehmen. Unter 3500 Umdrehungen hustet und spuckt der Rennmotor seine Verachtung für den lahmarschigen Piloten heraus. Der Motor hat einen klaren kategorischen Imperativ: Sei schnell, stets so schnell es geht! Das ist mitunter nicht einfach, führt die Mille Miglia doch 1600 Kilometer lang über öffentliche Straßen – mal abgesehen von ein paar Sonderprüfungen auf abgesperrten Straßen. Und diese situationistische Umwidmung des öffentlichen Raums zu einem abwechslungsreichen Racetrack klappt nur, weil die Italiener Autos lieben. Und zwar so sehr, dass sie ertragen, wenn Klapperkisten ohne Schallschutz mit über 130 Kilometer pro Stunde durch eine geschlossene Ortschaft krachen. Es ist nicht zu glauben. Überall lachende Gesichter, Klatschen, Daumen nach oben, Fahnen, Fanclubs und 98,7 Prozent aller „normalen“ Autofahrer, die bereitwillig Platz ›› Die Regel der Gentlemen Drivers: Jeder passt auf den anderen auf ‹‹ Federico Bajetti Logischerweise geht es um die Fahrer, die Autoren der schnellsten Linie. Zu denen kommen wir gleich. Dass es im Herrschaftsbereich der EU, der Brüsseler Ultrabürokraten, der verbots- und verordnungsverliebten Feinde der Freiheit, so etwas wie die Mille Miglia gibt, kann nicht anders als ein Wunder bezeichnet werden. Es ist den Italienern zu danken, ihrer grenzenlosen Liebe zu Anarchie und Schönheit, ihrer Hingabe an alles, was mit Leidenschaft und Euphorie geschaffen und gelebt wird. Hunderttausende haben auch dieses Jahr die Mille Miglia bejubelt, saßen bis tief in die Nacht vor ihren Häusern und winkten den vorbeirasenden Fahrern zu. In den Parks applaudierten Jogger und Fahrradfahrer, auch Ökobauern in der Toskana nickten grinsend, als die PS-Monster ohne Kat vorbeischepperten. Warum? Weil selbst die Grünen in Italien wissen, wie einzigartig die Ökobilanz dieser automobilen Kulturgüter ist. Man möchte sich nicht vorstellen, welche Art von Ökoterror und Sozialneidexzess eine Prozession von zumeist braun gebrannten Multimillionären in Deutschland auslösen würde. Gedankenexperiment beendet: Es wäre unmöglich. Dann die Carabinieri, die bestaussehenden, stolzesten, lässigsten Cops der Welt. In ihren strahlenden Uniformen, die Pistolen in den Lederstiefeln. Am allercoolsten sind die Jungs auf den Motorrädern, zum Teil darauf stehend, mit einer Hand lenkend, mit der anderen Hand die entgegenkommenden Fahrzeuge für die heranrasenden Temposünder an den Straßenrand drängend. Die Polizei ist während der Mille Miglia das bewaffnete Unterstützerkommando der Drängler, Raser, Rotsünder, Standstreifenüberholer, Fußgängerzonenbesetzer. Eine ideale Welt. Die herrische Art, mit der sie in den vier Tagen die Schleicher, Bremser anraunt und mit abwertenden Gesten bedeckt: ein Vergnügen. Kommen wir zu den Mechanikern. Morgens gegen halb sechs wachen die Petrolheads von den Fehlzündungen der ersten warmlaufenden, einzustellenden Vorkriegsmodelle auf. Es ist ein Operngeräusch. Tritt der Gearhead auf den Balkon, sieht er zumeist die Hinterteile hoch konzentriert schraubender Mechaniker, die zum Teil tief in den Schlund des Motorraums gebeugt sind. In der Regel erzeugt die Vorfreude auf den anbrechenden Tag und das einsetzende Rennen einen derartigen Adrenalinkick, dass der stets bombenstark dosierte Espresso gar nicht nötig wäre. Im Laufe der vier Tage kann er aber als Droge der Wahl selten schaden. Am Donnerstagmittag wird das Rennen gestartet, die ältesten Autos zuerst (der Fiat 501 S ist 93 Jahre alt), die jüngsten zum Schluss. Unser Auto, ab sofort das beste Auto aller Zeiten genannt, ist ein 54er-Porsche 550 Spyder RS. Ein legendäres Rennauto, dessen Einzigartigkeit nur schwer durch seinen aktuellen Marktwert von circa drei Millionen Euro erklärt werden kann. Der 550, in dem James Dean tödlich verunglücken sollte, war das erste Rennauto von Porsche. Obwohl winzig klein und mit einem zierlichen Motor ausgestattet, machte es der größeren und mächtigeren Konkurrenz stets zu schaffen. Auf der Mille Miglia 1954 wurde der 550 Kult, weil er so flach war, dass der Rennfahrer Hans Herrmann in ihm unter einer sich schließenden Bahnschranke hindurchrasen konnte. In diesem Geist haben wir das Auto auch bewegt. Es ist ein extrem leichtes Renngerät mit für heutige Verhältnisse läppischen 110 PS aus einem 1,5- Remi Dargegen Schön und schnell: Alfa Romeo 1900 C Sprint vom Team der Briten David Wells und Marian Walecki machen, manche winken sogar die Horde Wildgewordener vorbei. Natürlich gibt es auch Protest, darüber wurde im Vorfeld geschrieben, aber er ist für die meisten Teilnehmer kaum sichtbar. Da in unserem Spyder, einem Stahlrohrskelett mit ein bisschen Alu herum, weder Sicherheitsgurte noch sonst was für auch nur einen Hauch Sicherheit sorgen, ist die Umsicht der anderen Straßenverkehrsteilnehmer überlebenswichtig. Noch essenzieller und existenzieller ist das filigrane, intuitive Regelwerk der Gentlemen Drivers, das nur so heißt, weil es früher nicht so fantastische Fahrerinnen wie Jodie Kidd (Ex-Supermodel, Polospielerin und heimliche Kandidatin für die Clarkson-Nachfolge bei „Top Gear“) gab. Jeder passt auf den anderen auf. Jeder achtet nicht nur auf sein Leben, sondern auch auf das des anderen. Wenn es eng wird, lässt jeder Teilnehmer eine Lücke für den Hooligan, der im letzten Wimpernschlag reinziehen muss. In den vier Tagen Mille Miglia sieht man viele Lederhandschuhe, die mit der Linken sanft den Schnelleren vorbeiwinken oder mit der Rechten in den Roadstern die Hand nach vorn werfen. Was heißt: Überholspur frei! Jeder, aber wirklich jeder, der hier mitfährt, ist ein exzellenter Fahrer. Pro Tag erleben die Piloten und Co-Piloten ein bis zwei Dutzend Szenen ( je nach Fahrstil), die einen normalen Autofahrer überfordern würden, noch dazu mit Autos, deren Getriebe nicht synchronisiert sind, mit direkten SEITE 17 Markus Leser Egal wie eilig es ist, die italienischen Expertinnen laden zum Plausch. Porsche-Chef Müller studiert derweil das Roadbook im Porsche 550 Spyder 1500 RS Lenkungen, die Oberarme und Bauchmuskeln trainieren. Der Spyder lässt sich auf faszinierende Art auch im Grenzbereich noch korrigieren. Auch bei engen Kurvendurchfahrten kann bei leichtem Lupfen des Gasfußes die Linienführung korrigiert werden. In den Bergen findet der Fahrer seinen Rhythmus und lässt den Spyder, dessen Heck in der Tendenz stets ein wenig nach außen zieht, durch die Pässe tanzen. Der Fahrer gerät in einen Rausch, und vielleicht liegt es auch an dem intensiven Benzingeruch aus den Rennantrieben vor ihm, dass am dritten und längsten Tag in einem langen Tunnel mit minimalistischer Beleuchtung der Fahrer eine Transzendenzerfahrung macht. Er fühlt sich von allem entrückt. Glücklich, selig, berauscht. Gleichzeitig wächst die Hochachtung vor den Rennfahrern, die mit diesen Schüsseln in den 50er-Jahren die Carrera Panamericana gefahren sind, eine gnadenlose Rallye über 3456 Kilometer, die nach nur vier Jahren wegen zu vieler Todesfälle eingestellt wurde. Die Kondition der Teams muss stimmen, die Tage zwei und drei sind 15-Stunden-Monster – nicht für alle, die Speedheads kommen gern ein bis zwei Stunden früher als vorgesehen. „No penalty for early arrival“, erklären die Stewards und Streckenmarshalls am Freitagabend bei der Einfahrt ins Olympiastadion in Rom, bis dorthin wurden die einzelnen Renntrosse von Carabinieri durch die Ewige Stadt begleitet, in zum Teil abenteuerlichen Geschwindigkeiten. Wer wissen will, warum erfolgreiche Menschen erfolgreich sind, findet beim Teilnehmerfeld der Mille Miglia Anschauungsmaterial. Da die Teilnahme an der „Mille“ ein kostspieliges Unterfangen ist (8450 Euro Anmeldegebühr pro Auto), besteht das Starterfeld in der Regel aus wohlhabenden und sehr wohlhabenden Menschen. Kaum Neureiche, eher Leute, die nichts mehr zeigen wollen, weil sie in sich selbst ruhen und ihre Leidenschaften ausleben können. Sie sind beeindruckend angstfrei und begeisterungsfähig, regressionsfähig und hochvernünftig, wenn es sein muss. Der Machismo der Fahrer wird abgemischt mit Selbstironie. Am Ende der 1600 Kilometer, mitten in der Innenstadt von Brescia, sind die Ohne-Pause-Heizer an einem kleinen, heruntergekommen Grünfleck vereint, der ältere Herr mit den langen, grauen Locken hat den roten Rennanzug aufgeknöpft, uriniert und raucht eine dicke Havanna. „Good race!“ – „Yeah.“ Mehr gibt’s nicht zu sagen. Ohne die Hände zu waschen, gratuliert man sich mit Handschlag zur bestandenen Tortur und geht seines Weges. Überhaupt: Für die vier Tage sind die Fahrer mit den umliegenden Startnummern Freunde und Verwandte. Jeden Morgen, vor jeder Zeitprüfung, am Abend, stets wird sich erkundigt, wie’s läuft, ob noch alle Zylinder Leistung bringen, ob es auf der Stadtmauer von Luca schöner war oder auf der Piazza del Campo in Siena. Vor uns, in einem dunkelgrünen Rover, zwei Holländer, so lustig, freundlich, filmen uns, machen Fotos, mailen sie dann. Totale Autoverrückte. „Hm, den Porsche hatte ich auch.“ – „Ja, beim Maranello [Ferrari] bevorzuge ich den Handschalter.“ – „Ja, furchtbar, dass es so grandiose Lancia und Alfa nicht mehr gibt.“ Hinter uns zwei italienische Nobelmänner, stets in frisch gebügelten Hemden und Hosen, Loafern, die so aussehen, als hätten sie schon in Fellini-Filmen mitgespielt. Ihr Alfa schafft es am Ende nur knapp ins Ziel. Dahinter Jodie Kidd, stets umringt von Fans, und das wohl berühmteste Männermodel David Gandy, der erstaunlich kompetent fährt. Es gibt Autos zu entdecken wie den Healy des (unglaublich elegant pilotierenden) Schweizers Daniel Schlatter („Ich lebe jetzt vor allem in Marrakesch, bin eigentlich fertig mit Europa“) oder einen Zagato von Dr. Arno Schenk aus Küsnacht. Wie Mitglieder einer Boygroup wirken die beiden Italiener in dem eierschalenfarbenen 356er. Brutal schnell die Armada von Jaguar und Aston Martin, mit den vielen Zylindern und dem massiven Hubraum! Das Team des Autors, ein Traum. Ultrafamiliär. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wolfgang und Ferdinand Porsche bilden ein Vater-und-Sohn-Team der Extraklasse. Der Vater ein Kompendium der guten Laune; egal wie beschwerlich der Tag, stets ist er mit Anekdoten, Witzen und abgefahrenen Handyvideos in der Lage, das Team zu unterhalten. Selbstverständlich auch ernstere Themen (und da gibt es im Augenblick im VW-Porsche-Reich jede Menge) nüchtern und abgeklärt zu verhandeln. Der Sohn ist ein sympathischer, bescheiden und unbeschwert auftretender 22-Jähriger, gern bei den Mechanikern, seinen Vater liebevoll aufziehend (und der ihn), und ein verdammt schneller Fahrer. Die Hardcore-Porsche-Fans haben keine Scheu, „Herrn Doktor Porsche“ anzusprechen, sie bringen Modellautos ihrer Lieblingsporsche mit, die „WoPo“ Matthias Müller ist neben Martin Wintersignieren soll, fragen freundlich, korn und Audi-Entwicklungsvorstand ob sie sich mit ihm fotografieren Ulrich Hackenberg der am besten verlassen dürfen, sie bringen Bünetzte Manager im VW-Konzern. Gecher zum Unterschreiben, Fotos, boren am 9. Juni 1953 in Limbach-OberT-Shirts, Caps. Für jeden hat der frohna zogen seine Eltern früh von SachSohn von Firmen-Gründer Ferry sen nach Bayern. In Ingolstadt lernte Porsche ein paar nette Worte. Müller Werkzeugmacher bei Audi, machte Nur wenn er von einigen danach Abitur und studierte Informatik. Schnauzbärten allzu vertraulich 1978 ging Müller zurück zu Audi und geduzt wird, scheinen Grenzen verließ seither die Volkswagen-Welt nur der Geduld auf. Erkennbar aber noch für ein Volontariat am japanischen sind sie nur für jene, die in dem Ministerium für Internationalen Handel stets freundlichen Gesicht des und Transport. Müller ist seit 2010 PorAufsichtsratsvorsitzenden auch sche-Vorstandsvorsitzender, zuvor leitete kleinere Veränderungen wahrer das Produktmanagement des VWnehmen. Wolfgang Porsche muss Konzerns, und gilt als intimer Kenner sich gar nicht verstellen, die aller strategischen Entscheidungen. Seit Fan-Pflege ist ihm ein Anliegen. Anfang 2015 ist der kantige Perfektionist Ferdinand steht schmunzelnd auch Mitglied des Konzernvorstandes. daneben, die jungen Mädchen schmachten ihn an. Auch er steht selbstverständlich für Fotos zur Verfügung. Auch nach 15 Stunden hinter dem Steuer eines Porsche-Racers werden beim ziemlich gemütlichen Nachtessen mit Handyfotos Lieblingsautos, Felgen, CarreraSchriftzugfarben erörtert – und bei welcher Oldtimer-Rallye man demnächst mitfährt. Die Familie Porsche ist Markenbotschafter aus Obsession. Das harmoniert auch ganz gut mit dem Porsche-CEO Matthias Müller, der wirklich jedem Freund der Mille Miglia zuwinkt, wenn er den Spyder nicht gerade um ein Eck drechseln muss. Müller ist seit knapp fünf Jahren Porsche-Chef, und der Erfolg hat auch gusseiserne Skeptiker schnell überzeugt. Da hat einer seine Berufung gefunden. Die aber könnte noch einmal eine neue Wendung bekommen. Insidern gilt er als sicherster Tipp für eine Winterkorn-Nachfolge, falls dieser eher als gedacht an die Spitze des Aufsichtsrates rutscht. Die Diskussion um sein Alter belustigt den bei der Mille 62-Jährigen. Wer ihn aus dem ziemlich engen Spyder hüpfen sieht, würde dementieren, dass dieser Mann auch nur in Sichtweite einer Verrentung ist. Markus Leser Matthias Müller Fortsetzung auf Seite 20 N-20 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 18 arturo rivas gonzalez Jodie Kidd und Männermodel David Gandy im Jaguar XK 120 OTS Roadstar von 1953 Pier Marco Tacca/Getty Images Fuhr alleine: Sylvia Oberti im S.I.A.T.A. 300 BC von 1951 Eine Frau brennt ihren Namen in den Asphalt Jodie Kidd ist nicht nur ehemaliges Super- arturo rivas gonzalez model und moderiert eine eigene Fernsehshow (über Autos), sie fuhr dieses Jahr auch wieder bei der Mille Miglia mit. Schneller und härter als die meisten Männer. Gott, wie wir diese Frau lieben! Grund genug, einmal ein ernstes Wörtchen mit ihr zu reden … PS WELT Jodie, wir alle bei der PS WELT kennen Sie, obwohl Sie nicht mehr modeln und Ihre TV-Sendung, die „Classic Car Show“ ja noch nicht einmal in Deutschland läuft – was übrigens eine Schande ist. Es werden langsam mehr: Frauen, die ans Limit gehen – in Autos, die die meisten Männer überfordern. Hier Annemarie und Loes van de Velde im blauen Talbot-Lago T-26 (oben). Das polnische Model Kasia Smutniak fuhr einen Lancia Ardea von 1939 (rechts) Sind Sie eine reine Oldtimer-Frau oder mögen Sie auch moderne Autos? Natürlich liebe ich moderne Autos! Ich fahre momentan einen Jaguar und habe schon viele Supersportwagen besessen. Diese ganze OldtimerSzene ist für mich relativ neu, ich bin ja erst seit ein paar Jahren dabei, aber es ist etwas, in das ich mich komplett verliebt habe. Eine Reise im Auto, bei der man von A nach B fährt, ist für mich etwas, bei dem man am Punkt B glücklicher aussteigen sollte. Leider sind viele moderne Autos ein wenig seelenlos und bringen einen einfach von A nach B. Ich möchte aber jede Fahrt genießen und mit einem breiten Grinsen aussteigen. LaPresse/Spada/action press JODIE KIDD Ich glaube, die Produzenten haben die Serie gerade nach Deutschland verkauft! Das sind im Prinzip 13 einstündige Episoden, die sich alle mit klassischen Autos beschäftigen. Ich darf dabei all die spaßigen Sachen machen, zum Beispiel einen Ferrari California oder einen Bugatti 35Cs fahren bis hin zu völlig abgefahrenen Autos. Außerdem haben wir eine Sektion, die sich „Future Classics“ nennt und sich mit den Autos der 70er- und 80erJahre beschäftigt, die gerade preislich am Tiefpunkt angelangt sind und das Zeug haben in zehn Jahren recht wertvoll zu sein. Im Prinzip geht es darum, dass alle Zuschauer sich wieder in klassische Autos verlieben. Ausgerechnet … Genau! Ich hatte natürlich von „Top Gear“ gehört, aber selbst noch keine Sendung gesehen, also sagte ich: „Du bist doch dieser Auto-Typ“, und erzählte ihm von meiner Gumball-Erfahrung und den tollen Autos, die ich da erlebt hatte. Und Clarkson sagte: „Oh, du klingst wie jemand, der Autos wirklich liebt.“ Und er schlug vor, dass ich in seine Show kommen sollte, um eine Runde auf der Strecke zu drehen. Ich sagte zu, und zwei Monate später setzten sie mich für drei Runden zu Stig (Der anonyme Rennfahrer von „Top Gear“, Anm. d. Red.) und der sagte (Also kann er doch reden, Anm. d. Red.) „Prima, das reicht, du wirst gut klarkommen. Du hast es drauf.“ Jaguar Ein Mann, der Sie bei der Mille Miglia hat fahren sehen, hat mir erzählt, dass sie schneller waren als die meisten Männer, er Sie auch Und dann haben Sie ja auch alle anderen Promis von der Bestennicht abhängen konnte und Sie abends auch noch fitter aussahen liste gefegt … als alle anderen. Wie machen Sie das? Ja, irgendwie liegt mir das Rennfahren im Blut. Es ist etwas, das sich für Ich weiß nicht, ich bekomme ja so langsam schon einen Ruf. Am Anfang mich einfach natürlich anfühlt. Ich hatte vor der Show mit war das anders: Nun ja, Blondine, Model, bla, bla, bla. Jamie Oliver gesprochen, der bereits dort gewesen war, und Und nach zwei Jahren, in denen ich die Mille gefahren er hatte mir erklärt, dass man ungefähr zehn Runden Zeit bin, kamen auf einmal die älteren Gentlemen auf mich habe, um die Strecke kennenzulernen und seine persönlizu und sagten: „Ich möchte einfach einmal Ihre Hand che Bestzeit aufzustellen. Aber nach drei Runden sagten die schütteln. Ich habe 300 Kilometer lang versucht, Sie zu „Top Gear“-Leute zu mir: „So, du musst jetzt aufhören.“ überholen, aber es war unmöglich.“ Ich weiß auch Ich antwortete: „Nein, nein, ich hatte in der einen Kurve nicht, ich liebe Straßenrennen einfach. Ich habe ja auch nicht genug Schwung und könnte noch ein wenig schneller mit der Gumball-Rallye von New York nach Los Angesein!“ Und sie antworteten: „Nein, nein, nein, das reicht.“ les angefangen. Einige Freunde fragten mich, ob ich Und dann fand ich heraus, dass ich schon mit meiner ersnicht Lust hätte, dabei zu sein, und wir fuhren so einen ten Runde alle geschlagen hatte. Bei der zweiten und dritgroßen Mercedes. Ich hatte gerade erst meinen Führerten Runde wurde ich immer besser. Also sagten sie: „Los, schein gemacht, und am Ende fuhr ich die meiste Zeit raus jetzt!“ Das gefiel mir natürlich alles sehr, und so fing und begann mich ernsthafter für Autos zu interesich an, bei kleineren Rennen in England zu fahren, und sieren, auch weil da einige Hammerautos am Start wurde dann von Maserati angesprochen, für die ich dann waren, F50, alte Porsches und so weiter. Dann flog ich vier oder fünf Jahre lang Rennen fuhr. Aber auf der Straße zurück nach London zu den GQ Awards, und sie setzen Fokussierter Blick ins Roadbook: Jodie Kidd zu fahren ist einfach anders, ich mag das Rennfahren, aber mich an einen Tisch direkt neben Jeremy Clarkson … am liebsten bei Straßenrennen. Da geht es viel mehr um Durchhaltevermögen, es gibt viel mehr Variablen, die man beachten muss. Du musst auch bei hohen Geschwindigkeiten die ganze Zeit alles im Auge behalten, musst versuchen, kleinste Lücken zu finden. Das ist etwas, was mir wirklich liegt. Klingt, als hätte es Sie wirklich gepackt … Ich liebe es, ich liebe es total! Ich bin fest entschlossen, die „beste“ Frau zu werden, die jemals bei der Mille Miglia gefahren ist, die Frau mit den meisten Zielankünften. Ich werde das wirklich versuchen und wäre sehr gern die „Mille Lady“. Ja, wo sind eigentlich die Frauen? Sie fahren als eine der wenigen bei der Mille selbst und sind nicht nur hübsche Deko. Oder? Es gibt nur sehr wenige. Ich glaube, ich sah zwei Frauen in einem Porsche 1500. Aber die starteten immer vor mir, und jeden Tag habe ich sie überholt. Was ich meine, ist, sie fuhren zwar sehr gut und schnell, aber waren keine echten Racer. Was ist mit Ihren Freundinnen? Auch autoverrückt? Nein, und ganz ehrlich, ich hätte auch große Sorgen, die in einem Umfeld wie der Mille zu sehen. Weil man vom Einsteigen bis zu dem Moment, in dem man abends wieder aussteigt, nonstop denken und sich fokussieren muss. Bei hohen Geschwindigkeiten durch enge Ortschaften, da muss man sehr gut schauen und aufmerksam sein. Ich glaube nicht, dass das eine meiner Bekannten durchhalten würde. Schnell fahren können die, aber Straßenrennen? Aber mal von Rennen abgesehen: Klassische Autos sind definitiv im Kommen. Zumindest in England sehe ich jeden Tag mehr Oldtimer auf den Straßen. Triumph TR7, Mercedes SLS, alles Mögliche. Es scheint, als sei die Zeit gekommen, neben den modernen Fahrzeugen auch noch etwas zu besitzen, in dem man unkompliziert viel Spaß haben kann. Jetzt ist wirklich eine super Zeit, um in der klassischen Szene unterwegs zu sein. Aufregend! SEITE 19 Jaguar Unvergessene Ikone vor fantastischer Kulisse: Jaguar D-Type DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 20 Fortsetzung von Seite 16 N-16 Da der Autor schon vor vier Jahren mit Müller die Mille Miglia in Angriff genommen hat, lässt sich gut konstatieren, wie sehr sich Müller mit fast oberbayerischer Sturheit selbst treu geblieben ist. Show, Tamtam, der gesamte Medienzirkus bleiben ihm fremd. Seine kerzengerade Art, Dinge anzusprechen, erscheint wenig kompatibel mit dem Winkelzüglerischen vieler Gerüchteküchen und Halbinformationszentralen. Er bleibt dem fern, um den Autos näher zu sein. Seinen eigenen Fahrstil nennt er „zügig“, den des Autors „aggressiv“ (dabei lachend). Das Wechseln der Gänge finde bei ihm – so Müller über Müller – „im Sportmodus manuell“ statt und beim Autor im „Sport-plus-Modus“. Wieder lautes Lachen. Auch der Mechaniker rundherum. Das Porsche-Team ist – wenn nicht gelacht wird – ein stilles Team. Während Luxusmarken aus Süddeutschland und England mit beeindruckendem Tross und entsprechendem Hospitality-Aufwand arbeiten, gibt es am Ende des ersten Abends in Rimini, direkt vor dem Hotel, aus dem Kofferraum eines Panamera Pizzen aus dem Karton und eisgekühltes Bier aus der Flasche. Einigen Fans, die um die Autos herumschleichen, sieht man die Irritation an. Ist das wirklich Wolfgang Porsche, der Enkel von Ferdinand, Sohn von Ferry, Cousin von Ferdinand Piëch? Und stößt der da mit der Bierflasche mit Matthias Müller an? Beide feixend, immer wieder den schmachtenden Blick über die drei Oldtimer werfend. Auch an den nächsten Abenden oder bei den kurzen Mittagspausen setzt das Team des rollenden Museums auf schwäbische Bescheidenheit und Minimalismus. In Parma gab es den bekannten Schinken und den nicht minder bekannten Käse, dazu ein paar Scheiben Salami und Brotstangen. Auch die drei weißen Service-Cayenne waren Meister der Tarnung. Sie blieben stets in der Nähe und dennoch weitgehend unsichtbar. Bei anderen großen Marken waren die Oldtimer eingerahmt von schwer bepackten SUVs, die mit eingeschalteter Warnblinkanlage und zum Teil barocken Lenkbewegungen nicht alle Rallye-Teilnehmer begeisterten. Für Matthias Müller, den Kantigen, auch ein Grund, ab und an für ein paar Zehntelsekunden die oberbayerische Fundamentalruhe zu verlieren. Kurz vor der Einfahrt in Siena war er derart genervt von den Lokalrivalen und ihrem hollywoodesken Filmteam, dass er in einer Kurve ein Überholmanöver vollendete, das die Untertürkheimer beim Dreh schachmatt setzte. Eine Revanche für das Werbefoul an dem Porsche 911 in einem AMG-GT-Spot? Kopfschütteln. Kein Wort darüber. Weiterfahren! Müller ist seit der letzten Mille-MigliaTour mit diesem Co-Driver berühmter, mächtiger und einflussreicher geworden, aber keinen Hauch eitler. Während um jedes drittklassige Fernsehsternchen bei den Stadtdurchfahrten vor den Tribünen ein riesiges Bohei veranstaltet wird, bevorzugt Müller den Low-key-Auftritt. Er macht von sich kein Aufhebens. Müller redet von Tag zu Tag weniger, und dennoch wird die Kommunikation zwischen Pilot und Co-Pilot besser. Aus dem Roadbook wird ein Lyrikband, und am Schluss sind es nur noch zwei oder drei Finger, die dem Fahrer ins Sichtfeld gereckt werden. „Unser Head-up-Display“, flachst Müller. Was die Finger bedeuten? Sie stehen dafür, welche Abfahrt bei den Hunderten von Rondellen genommen werden muss. Wenn der übermüdete Co-Pilot, mit dem Tripmaster überfordert, zu komischen Redewendungen findet („Ich bin heute morgen noch nicht richtig kalibriert“), darf er sich der spöttischen Anerkennung des Piloten sicher sein. Und wenn der euphorisierte Petrolhead in einen manischen Race-Modus zu rutschen droht, genügt ein kleiner Hinweis auf die Drehzahlgrenze zur Mäßigung. Das geschieht wechselseitig und auf Augenhöhe, die bei einem 550 Spyder RS denkbar tief liegt. Was hätte Beckett aus diesem Stoff machen können! Zwei ausgewachsene Männer, aneinandergeschweißt in einem Auto so groß wie ein Kinderplanschbecken. Wir sprechen über alles, über die schönen Kleider, die italienische Frauen am Sonntag tragen, egal wie alt oder wie groß oder wie reich sie sind. Über die Anmut der italienischen Dörfer und Hügel, wir lernen Regenwolken als solche zu erkennen und während der Fahrt uns umzuziehen, wir sprechen ein wenig über Politik und am Ende doch vor allem über Autos. Alle Autos, jedes Auto, die vor uns, die hinter uns und natürlich am liebsten über Porsche. Und dann bricht es aus Müller oft genug heraus, wie glücklich er in Zuffenhausen ist und wie schön die Strecken mit seinem Dienstelfer sind, wenn er nach Weissach fährt, wo die Ingenieure die Zukunft seiner Marke und immer ein wenig die Zukunft des Genres Sportwagen weiterdrehen. Unter Müller ist die Tradition zurückgekehrt. Man sieht das beim Targa, aber auch beim kernigeren Charakter der 991-Modelle, vom Carrera S bis zum GT3 RS. Und man hat den Eindruck, als lade sich Müller bei Veranstaltungen wie der Mille Miglia mit der historischen DNA seiner Marke auf. Und auch mit der Begeisterung, die diese Marke auslöst. Wenn er von Fans erkannt wird, freut er sich beim Selfie-Duett über die Verehrung, wenn er spürt, dass eigentlich nicht er, sondern die Autos gemeint sind. Hinter die soll stets alles zurücktreten. Gelöst ist Müller, wenn sein Sohn mit seiner Clique am Ortsausgang von Pescara wartet oder die Schwester via SMS erklärt, dass sie seinen Ritt dank Periscope-Übertragungen und Tweets seines Beifahrers gut verfolgen könne. Kommen die Mechaniker am Abend in seine Richtung, steht er auf und bedankt sich für das super Auto. Am Ende der Rallye ist er nicht nur stolz auf das Ankommen, sondern auch auf die Perfektion der Oldtimer. Der 550 RS hat nicht die kleinste Macke. „Bitte schaut doch mal, ob was am ersten Gang ist“, sagt er freundlich. „Der ist mir ein-, zweimal rausgerutscht. Wahrscheinlich habe ich ihn nicht richtig dringehabt. Einfach nur nachsehen.“ Die Mechaniker haben einen selbstverständlichen Umgang mit ihrem Chef und auch mit Wolfgang Porsche. Und wer einmal Ferdinand Piëch erlebt hat, weiß, wie himmelweit der Unterschied ist. Die Mille Miglia ist für Autoliebhaber das, was die Art Basel für Kunstsinnige ist: eine Art Kirchentag der Anbetung ihrer Götzen. Kaum eine automobile Kostbarkeit aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die bei dieser wohl berühmtesten Oldtimer-Rallye nicht an den Start geht. Vorkriegs-Alfa, die Ur-Testarossa von Ferrari, Bentley-Panzer aus den 20erJahren, Cisitalia, Aston und – so snobistisch ist man bei der Mille Miglia – der „Golf der MM“: die Flügeltürer von Mercedes, Marktwert ab 800.000 Euro aufwärts. Zudem jede Menge ehemalige Rennfahrer wie Jochen Mass, Karl Wendlinger, Bernd Mayländer, Derek Bell, Stirling Moss, Ralf Schumacher und viele andere. Die Rückkehr ins normale Leben fällt schwer. Es war ein wenig wie im Paradies, wenn man denn einen Autoknall hat. Und nur wer einen Autoknall hat, wird sich die Strapazen antun. Geschafft, aber glücklich muss sich der MM-Racer dann wieder in die StVO resozialisieren. Die vier Tage im Spyder, mit den Porsches und den Porsche bleiben in ihrem Glanz unwirklich. Aber alles war wahr. Unglaublicherweise. Markus Leser Remi Dargegen ›› Die Mille Miglia ist für Autoliebhaber ein Kirchentag ‹‹ ferdinand porsche Voller Einsatz für Porsche: Die Mechaniker umsorgen den Spyder und Ferdinand und Wolfgang Porsche geben Autogramme – zur Not auch auf dem blanken Bauch. Porsche ist eben ein Stück Popkultur. Oben: ein Rudel blitzschneller Jaguars SEITE 21 Markus Leser Der Kenner erkennt es am Vorderrad, das fast abhebt: hier wird ernst gemacht Remi Dargegen Atemraubend schön: der Ferrari 500 Mondial Spider Pininfarina DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, 7. JUNI 2015 SEITE 22 Aufa Heimfahrt Tucholsky im Kofferraum Landpartie nach Rheinsberg im Porsche Macan! Den ganzen Sommer im Gepäck. Claire und Wölfchen machen sich auf den Weg. Seinen eigentlichen Anfang nahm das Abenteuer erst, als sie in den Porsche Macan einstiegen. „Wölfchen“, sie rieb sich verwundert die Augen, „bissu sicher, das ist unsere Zeit? Sach ma', das Auto, es funkelt so.“ Sie fuhren ins Brandenburgische … Nach Rheinsberg. Wie alle Großstädter bewunderten sie alles auf dem Weg. Ein Feld, in dem Arbeiter Spargel stachen. Sie überschätzten die Schönheit von einfachen Flüsschen, von Windrädern, die nur wiederwillig ihre sisyphoschen Runden drehten, das Auto kaum zu hören. Draußen versprach die Sonne ihnen Ewigkeit … „So ein schöner Mercedes!“ Die Claire drückte die Knöpfe, während er fuhr. Sie stellte die Sitze nach vorn und hinten, die Lautstärke hoch und runter. „Ist gar kein Mercedes. Ist ein Porsche. Der Porsche Macan.“ Wolfgang ließ die Fenster ganz hinunter. Die Haare von der Claire lösten sich. Ihr Lachen kugelte bis an die Küste. „Hach! Is doch ein Mercedes! Wer weiß das besser als ich.“ Der Sommer war noch so lang ... „Herrgott, Claire! Siehst du denn nicht, links steckt der Schlüssel, hier das Wappen mit dem Pferd, steht sogar hinten drauf!“ „Is aber ’n Mercedes.“ „Automatik. Halb SUV, halb Sportwagen. 258 PS. In 6,3 Sekunden auf hundert. Kann nur ein Porsche Macan sein.“ Sie fuhren weiter. Die Autobahn lag nutzlos vor ihnen und tat ganz wichtig. Sie brauchten sie nicht. Sie brauchten gar nichts. Die Claire verband ihr Telefon mit dem Auto. Sie hörten jetzt, was ihr gefiel, und kaum ein Lied zu Ende, schnell schaltete sie weiter, sie wollte alle Lieder hören, solange sie verliebt war ... Es musste etwas gegessen werden! Vor dem Schloss Rheinsberg parkten sie das Auto. Es gab Bockwurst und Bier und eine Menge Leute, die gute Miene spazieren trugen, an der Uferpromenade. „Prost, Wolf!“ Dann aßen sie, und hernach rauchte die Claire. Sie guckte ganz konzentriert in die Luft. „Clairchen, was konzentrierst du dich so?“ „Ich muss mich alles einprägens. Isso schön.“ Er hielt sie. Später wollte die Claire fahren. Sie setzte sich hinter das Steuer und tat sehr ernsthaft. Sie ließ den Fahrersitz nach vorn und hinten gleiten. Sie wollte einen Markt suchen, sie wollte picknicken. Die Claire fuhr einen Waldweg entlang. Empörung! Dem nassen Waldboden hatte man noch nicht Bescheid gesagt, dass der Winter vorbei war. „Wölfchen?“ „Claire?“ „Ich möchte nur einmal ...“ Sie versuchte einen träumerischen Blick. „Was nur, Claire?“ „Darfs ich nur einmal?“ „Was denn, was nur, Kind?“ „Durch den Matsch fahren! Ganz schnell! Oder müssen wir dann stecken bleibens?“ Sie legte den Kopf ganz schief. Er erlaubte es ihr. Sie zog an, der Porsche gehorchte aufs Wort, und der Wald sauste an ihnen vorbei, und die Blätter flogen dahin, das ganze Glück in diesem Wagen, und schon kam die große Pfütze … Die Claire stieg aus dem Auto und besah es streng. Überall war es gesprenkelt von Dreck und ihrem Übermut. „Wir müssens dich waschen“, sagte sie. Aber zuerst picknickten sie im Raps. Der Macan wartete geduldig im Feld und besah sich die beiden. Es gab Käse und Brot und Erdbeeren, und Wolfgang ließ sich rückwärts in die Blumen fallen. „Ob sich die Rapsflecken wohl wieder aus dem Mantel waschen lassen?“ Es war egal. Dann kam die Zeit zu gehen und klopfte auf die Taschenuhr. Die Claire fuhr jetzt ganz ruhig, die Rückkamera führte sie ganz sicher aus dem Feld. Draußen das Dämmern. Zurück in die große Stadt, wo sie den Wagen wieder abgeben mussten, schreiben mussten, die Erinnerungen an die Landpartie verteidigen gegen die Mühen des Alltags. Rückweg. Die Sommer würden enden. Aber diesen hatten wir gelebt. Ein Bilderbuch für Verliebte „Rheinsberg“ ist eine wunderbare Liebesnovelle von Tucholsky. Wie einst Clärchen und Wolf reisen unsere Autorinnen nach Brandenburg. Romantische Prosa und desillusionierte Dichtung – eine Liebeserklärung an den deutschen Publizisten Fotos JAKOB HOFF PORSCHE MACAN S DIESEL Leistung: 258 PS, Hubraum: 3 l, Motor: V6 Turbo, Beschl.: 0–100 km/h in 6,3 Sek., VMax: 230 km/h, Grundpreis: 53.442,- € LAND ROVER DISCOVERY SPORT Leistung: 190 PS, Hubraum: 2,2 l, Motor: Reihenvierzylinder mit Turbo, Beschl.: 0–100 km/h in 10,4 Sek., VMax: 230 km/h 188 km/h, Grundpreis: Ab 41.000,- € Was danach mit Wölfchen und der Claire geschah (weil die meisten Gedichte Tucholskys desillusionierter sind als seine wunderschöne Sommerliebesgeschichte „Rheinsberg“) … Du Wölfchen, sachte, dit Lenkrad, So wird dit aber nüscht Sie nahm’s ihm wech und sachte: So fahr’n wa aba schlecht. An der Tankstelle wechseln sie, im Auto waren sie zu zweit. Du Wölfchen, sacht se, dit Fenstah, kannste dit och drinne sehn? Ach Clairchen, sacht er, dit leuchtet, dit hat nüscht zu sagen, bleib stehn. Da siehste die Kilometer, dit kann nur der Fahrer sehn, Wolltest ja extra ans Steuer, bleib stehn, bleib stehn. Clairchen die hat schon gesoffen Sie fahren hinab in dem Raps, Die Fenster ließen se offen Und später tranken se Schnapps. Warum sie beide auf einmal in einem seltsamen Idiom sprachen, das sie nicht eindeutig als Berlinerisch ausweisen konnten, verstanden beide nicht. Clairchens Deutsch war bekanntlich ein wenig aus der Art geschlagen. Sie hatte sich da eine Sprache zurechtgemacht, die im Prinzip an das Idiom erinnerte, in dem kleine Kinder ihre ersten lautlichen Verbindungen mit der Außenwelt herzustellen suchen; sie wirbelte die Worte so lange herum, bis sie halb unkenntlich geworden waren, ließ hier ein „T“ aus, fügte da ein „S“ ein, vertauschte alle Artikel, und man wusste nie, ob es ihr beliebte, sich über die Unzulänglichkeit einer Phrase oder über die andern lustig zu machen. Es war das erste Mal, dass Wölfchen sich nicht mehr amüsierte über seine Claire. Es war das erste Mal, dass er gern allein schlief in dieser Nacht. Danach Es wird nach einem Happy End Im Film jewöhnlich abjeblendt Mit Wolfgang und Claire aber ging es weiter, zurück in der großen Stadt, wo Clairchen, die Medizinerin war, und Wölfchen, welcher der Juristerei nachging, sich beide wieder ihrer Tätigkeit widmeten. Manchmal fragten sie sich, woran es gelegen hatte, dass sie hatten so glücklich sein dürfen. War es die Unbeschwertheit des Alltags, das kleine billige Glück und die Möglichkeit, überall mit wenig Geld durchzukommen? Sie hatten die Erdbeeren für zwei Euro fuffzig beim Aldi gekauft, und die Blumen, die Wolfgang der Claire in den Schoß gelegt hatte, waren auch spottbillig gewesen, aber damals hatte ihnen das noch nichts ausgemacht. Die Autos, das war schön gewesen, das glänzende Grün der Gräser, die weißen Wolkenbänke, der Raps. Wölfchen ging dazu über, Lyrik zu verfassen. Clairchen hat Wölfchen betrogen Dit fand er nich weiter schlimm Drum issa denn och losjezogen – da war der Herbst schon dahin. Sein Glück fand Wolf dann im Kornfeld Mit eena anderen Und Clairchen ging lieber wandern Ohne dit Navi, mit Zelt. Dit Rapsfeld war schön und dit flutschte Aber irgendwann is auch mal jut, – sagte sich Claire. Da fand se denn bald auch nen andern Und dachte nicht mehr an Wolf Der andere nannte sich Panter Jut, dachte se, mir is det gleich Und als dann dit olle Wölfchen aus Jewohnheit ein bisschen noch schrie Dachte unser Clärchen Zurück an den SUV. Der hat zwar ne jute Verkleidung ’n bisschen wie Mad Max two Aber die Entscheidung Mit ’m Wolf Dit bleibt jetzt so. Sagte sich die Claire. Er behielt den Porsche, sie den SUV. Die Claire ging ebenfalls dazu über, Lyrik zu verfassen, Wolf fuhr eine Zeit lang des Nachts in seinem Porsche spazieren, wenn die Straßen nass glänzten. Allein, traurig waren sie doch. Eine leichte Verletzlichkeit blieb. Und dann kam der nächste Sommer, und die ersten dicken Hummeln summten träge im Gras vor Claires Mietwohnung. Claire schrieb ein letztes Gedicht (sie war gut im Adaptieren und hatte in letzter Zeit, traurig wie sie war, viel Tucholsky gelesen): „In stiller Nacht und monogamen Betten denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt. Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten, was uns, weil es nicht da ist, leise quält“ Und dann legte sie den Laptop beiseite und wählte die Nummer von Wolf. SEITE 23 1733 PS für unter 250 000€! Von PROF. LUTZ FÜGENER Illustration TRICIA LE HANNE „...auch zum Einkaufen in Schrittgeschwindigkeit ruckfrei zu fahren“. Mit diesem Satz fühlte sich die VW-Werbeabteilung Ende der Siebziger genötigt, der eher vernunftgeleiteten Kundin die Angst vor dem politisch unkorrekt motorisierten ersten Golf GTI als Familienauto zu nehmen. Das vermeintliche Monster hatte 110 PS und war unbestritten der Urvater dessen, was die Briten als „Hot Hatch“ bezeichnen. Er war das emanzipatorische Werkzeug, die bis dahin zementierte Vorherrschaft der großen Wagen auf der linken Spur zu brechen. Die Idee des üppig motorisierten Golf und seiner Klassenkameraden hat sich gehalten und mittlerweile auch die kleineren Brüder infiziert. Der Kraftzwerg an sich ist jedoch kein Auto der Superlative, kein Universaljoker im Autoquartett. Und das ist nicht der einzige Widerspruch, mit dem er zu kämpfen hat. Gelten die moderat motorisierten Basismodelle eher als Objekte feminin- PS starken Clio offensichtlich auch Fahrer mit der rückwärts gedrehten Basecap ins bunte Cockpit locken. Vieles, was Zubehörkataloge mit sehr sommerlich bekleideten Damen auf Kühlerhauben anbieten, hat der Clio serienmäßig an Bord. Dabei schafft er es jedoch immer, ein sehr ansehnliches Auto zu bleiben. Für 22.990 Euro. Der Peugeot 208 GTI ist zweifellos die Überraschung in diesem Vergleich. Spitzenplätze in Leistungsgewicht und PS-Preis (200 PS für 23.300 Euro) lassen sein Potenzial als Garant für fröhliche Stunden im Straßenverkehr erahnen. Das Cockpit-Layout mit kleinem Lenkrad und darüberliegenden Instrumenten passt zur sportlichen Auslegung besonders gut. Dass wegen der störenden Sonnenreflexe eher kein Chrom in einen Sportwagen gehört, ist bei Peugeot ebenfalls bekannt. Beim Bau des Seat Ibiza Cupra wird in dasselbe Regal gegriffen wie für den VW Polo GTI und den Škoda Fabia RS. Bei der Justierung seiner Eigenschaften zwi- dells, die sich hinter dem Namen Abarth verbirgt. Die Rechnung scheint aufzugehen. Wer sich mit all diesen Marketingkonstruktionen abfinden kann und ein glückliches Auge bei der Auswahl der Farben hat, bekommt für 23.250 Euro tatsächlich eine hübsche kleine und als solche durchaus ernst zu nehmende Rennsemmel. Die Traditionsmarke Alfa Romeo stellt derzeit lediglich drei verschiedene Modelle her. Eigentlich nur zwei, denn der hochgelobte Sportwagen 4C ist auch mengenmäßig eher ein Nischenprodukt. Was Alfa baut, ist aber immer typisch Alfa. Obwohl die Leistung von 170 PS den MiTo Quadrifoglio Verde im unteren Teil der Tabelle ansiedelt, gehört er unzweifelhaft in diese Liste. Bei keinem anderen Modell passen Kleinwagenimage und Sportambition besser zusammen, denn es ist das grundsätzliche Selbstverständnis der Marke, ja sein Kern. Mit dem Top-MiTo für 23.700 Euro ist man vorn dabei und auch noch gut angezogen – italienisch eben. rationalen Vernunftkaufes, folgt das Prinzip der Übermotorisierung einem alten maskulinen Beuteschema. Einen Superlativ kann man an den Kraftzwergen aber ausmachen: den rechnerischen Wert Euro pro PS. Hier zehn Autos für Genießer der wuseligen Stadt- und dynamischen Landstraßenfahrt, die das Potenzial haben, manchem Premium-Piloten die Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Der Caterham Seven 160 ist die große Ausnahme in der Reihe, sollte als Referenz jedoch nicht fehlen. Folgen alle anderen Probanden dem technischen Konzept des Ur-Mini mit quer liegendem Frontantrieb und Platz für vier Personen, wurzelt der Caterham in der einst in Großbritannien steuerlich begünstigten Kategorie der Kitcars. Er macht alles anders: null Alltagstauglichkeit, Platz für nur zwei Personen und der Wert von 276 €/PS scheinen ihn chancenlos abzuschlagen, doch Hinterradantrieb, extrem niedriger Schwerpunkt und die Tatsache, dass jedes der 80 PS nur gute sechs Kilogramm bewegen muss, sprechen die Wahrheit über dieses Spaßmobil. Dazu erntet man mit seinem Auftritt ausnahmslos Lächeln. Die Krone der Volkswagen-Derivate gebührt immer dem VW-Modell. So darf der VW Polo GTI 192 PS haben und nicht nur 180 wie die Verwandten aus Tschechien und Spanien. Ansonsten gab man sich Mühe, eher ein Alltagsgefährt als eine Rennsemmel zu schaffen. Im Innenraum des 22.275 Euro teuren GTI ist der überwiegende Teil des im Polo-Prospekt erhältlichen Zierrats ausgestellt. So wirkt das Auto wegen der vielen Chromapplikationen eher als Luxus- denn als Sportmobil. Der Renault Clio R.S. folgt einer langen Reihe von sportlichen Ahnen. Während VW seine Rennzwerge eher auf Zurückhaltung ausrichtet, will das Design des 200 schen Sport und Alltag ähnelt er seinen Verwandten ebenfalls. Leider entwickelt das eigentlich elegante Exterieurdesign von Seat auf einem derart kurzen und hohen Auto nicht seine volle Kraft. Das Interieur strahlt den Charme eines Agrarflugzeugs aus, was hier aber wenig stört – die Beschränkung auf das Wesentliche in Form und Material tut dem Auto in dieser Version wegen seiner sportlichen Attitüde sogar recht gut. 180 PS, 23.760 Euro. Im Autoquartett der kleinen Schnellen setzt sich der Opel Corsa OPC auf den ersten Platz in Sachen Leistung (207 PS), kann wegen seines etwas höheren Gewichts diese Position jedoch nicht in jeder Hinsicht verteidigen. Die Ernsthaftigkeit der Entwickler, ihn ganz vorne mitspielen zu lassen, ist jedoch deutlich abzulesen. Im Rückspiegel erkennt man den beschleunigten Corsa (24.395 Euro) am Luftschlitz über dem lächelnden Kühlergrill. Innen fallen die herrlichen Sportsitze auf. Den im Vorgängermodell noch üppig verwendeten Chromzierrat hat man zu seinem Vorteil weitestgehend entfernt. Das ESP ist hier – wie sonst nur bei wenigen Modellen in dieser Liste – abschaltbar. Der Abarth 500 aus dem Hause Fiat ist in dieser Liste das Auto der Gegensätze. Schon das Basismodell Fiat 500 ist die Anwendung eines Heckmotordesigns auf ein technisches Layout mit Frontmotor. Dazu muss bei diesem Modell noch die Metamorphose von der rollenden Einkaufstasche zum ernsthaften Sportler gemeistert werden. Mit 160 PS geht man in Italien zu Werke, und gäbe es einen Preis für das beste Design eines Retroautos, wäre der 500 ganz sicher ein Anwärter. Die über diese Antagonismen gesetzte Klammer ist die rennsportliche Historie des Urmo- Der MINI Cooper S (der JWC würde unser preisliches Limit von 25.000 Euro überschreiten) bezieht sich auf seinen erfolgreichen historischen Vorgänger und zeigt mit 192 PS deutlich sportliche Ambitionen. Während diese beim Ur-Mini mit keiner anderen Markenstrategie kollidierten, verhalten sie sich bei der 24.000 Euro teuren Wiederauflage mit dem betont lustig-peppigen Lifestyle-Image (vor allem im Innenraum) zum Anspruch eines echten Sportlers wie Öl zu Wasser. Böser Clown oder spaßiger Rennfahrer – positiv gedacht hat man zwei Autos in einem. Der Ford Fiesta ST ist ein Auto für alle, die es wirklich ernst meinen. Schon die Zahlenwerte setzen ihn an die Spitze der Liste. Jedes seiner 182 PS kostet gerade mal 112 Euro (zusammen 20.390 Euro) und muss dann auch nur sechs Kilo bewegen. Dazu ist bekannt, dass Ford sich in Sachen Fahrwerk bei seinen Kompakten selten Schwächen erlaubt. Äußerlich wirkt hier sogar der sonst etwas prahlerische Grill im Aston-Martin-Stil angemessen – den elektronischen Soundgenerator hingegen hätte es hier nicht gebraucht. Im Innenraum ist auch alles hinter dem Sportlenkrad in Ordnung, solange man den Blick nicht über das Ford-typische, aber in diesem Umfeld sehr befremdliche Triptychon aus Schaltern und Luftdüsen in der Mitte des Armaturenbretts schweifen lässt. Also: Augen auf die Straße! Nur der Vollständigkeit halber: Alle Autos in unserer Liste sind auch zum Einkaufen in Schrittgeschwindigkeit ruckfrei zu fahren. Der Autor leitet den Studiengang Transportation Design an der Hochschule Pforzheim – eine bekannte Kaderschmiede für Autodesigner www.volkswagen.de 2 SERI EN NMÄ ÄSS SIG G1 www.klingt-gut.de WIE GUT KLINGT DAS DENN. Die CLUB & LOUNGE Sondermodelle. Beim neuen Scirocco CLUB ist jeder Regler voll aufgedreht: Lackierung in „Bright Yellow Perlmutteffekt“ und 18-Zoll-Leichtmetallräder. Abgerundet wird das Gesamtpaket mit Navigationssystem „Discover Media“, Klimaanlage „Climatronic“ und ParkPilot. Nur den Preis haben wir deutlich runtergedreht, um bis zu 2.900 ¤. 1 Über die Einzelheiten zur Garantie informiert Sie Ihr Volkswagen Partner gern. 2 Maximaler Preisvorteil von bis zu 2.900 ¤ am Beispiel des Sondermodells Scirocco CLUB in Verbindung mit dem optionalen R-Line „Exterieur CLUB“ gegenüber der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers für einen vergleichbar ausgestatteten Scirocco. Abbildung zeigt Sonderausstattung gegen Mehrpreis.