Einhausen-Flugplatz-red

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Einhausen-Flugplatz-red
Erinnerungen an dje Zeit des
Zweiten Weltkrieges
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Die 1937 etwa 2.500 Einwohner große - "im vierten Jahr des nationalsozialistischen Aufbauwerkes" - geschaffene Gemeinde Einhausenkonnte nicht ahnen, daß sie nur wenige
Jahre später während des unseligen
Zweiten Weltkrieges eine größere
Rolle spielen würde, als ihr und ihrer
Bevölkerung lieb
sein konnte. ·
' .
Schriftliche Aufzeichnungen 9-us dieser Zeit sind sehr spärlich. So wurden .
die folgenden Ereignisse aus mündlichen Berichten zusammengetragen.
Die Weichen für die Verwicklung in
die Kriegsereignisse yvurden eigentlich schon vor Kriegsbeginn gestellt.
Die Stichworte heißen Flugplatz Biblis, der ab 1936 angelegt, immer weiter ausgebaut wurde und bald auch
weit in die Gemarkung Groß-Hausen
)hineinreichte. sowie das in KleinHausen 1937 erbaute Lager des
Reichsarbeitsdienstes.
Während des ,Krieges :waren in einer
ehemaligen Zigarrenfabrik in der
Mathildenstraße ein französisches
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(1940) und im Jägersburger Wald ein
·russisches Gefangenenlager (194344) eingerichtet worden. Hinzu kam
die RAD-Geschützstellung im Bereich des 'inzwischen entstandenen
Neubaugebietes an der Beethovenstraße und am Blütenweg.
Bei dieser militärischen Präsenz, die
durch zurückflutende Truppen verstärkt wurden, war absehbar, daß
sich beim Einmarsch der amerikanischen Truppen Komplikationen ergeben würden.
Der Flugplatz Biblis
Auf Anordnung des Reichsluftfahrtministeriums in Berlin war 1936 mit
dem Bau des Fliegerhorstes begonnen worden. Mit Beginn des zweiten
Weltkrieges wurden von dort vor allem Einsätze nach Westen geflogen.
-Die Gesamtstärke. des militärischen
und zivilen Flughafenpersonals dürf-;.
te fast 5000 Mann betragen ·haben.
Die militärische Bedeutung des Flugplatzes ergibt sich aus der Stationierung vieler bekannter Flugzeugtypen Ju 52, Ju 87, Me 109, Arado 234
(erster Düsenjäger) sowie Rot-KreuzTransportstaffeln, aus der Häufigkeit
der feindlichen Luftangriffe und aus
den 1944/45 stark forcierten Erweiterungs maß nahmen. Auf Klein-Häuser Gemarkung (Im Gewann "Die
neuen Wiesen") wurden im Rahmen
der Pilotenausbildung Obungsflüge
'und übungsabwürfe mit Betonbomben nahez~ · täglich durchgeführt.
Flugschneisenmarkierung und Positionsanlagen zogen sich durch ganz
· Einhausen. Immer mehr . Anlagen
wurden aus Tarnungsgründen im Jägersburger Wald auf Groß-Häuser
Gemarkung erFichtet. Wege wurden
befestigt und Flugzeugunterstände
geschaffen. Ein breiter Verbindungsweg wurde über die Stock~chneise
zur Autobahn angelegt, weil dort die
neue Startbahn für ·die Düsenjäger
sein sollte. Man hatte dazu zwei
Brücken e·ntfernt und den Grünstreifen ausbetoniert.
Südlich der Weschnitz auf Klein' Häuser Gemarkung hatte man u .a.
"Im ·Brunnengewartn" bereits den
Mutterboden abgehoben, um dort
ebenfalls Start- und Landemöglichkeiten zu schaffen. Die Landwirte haben dort nach dem Krieg auf den vorhandenen Eisenbahngleisen mit Loren die Ackerkrume wieder aufgebracht. ·
Die Gefangenenlager
Die französischen Kriegsgefangenen
im Gefangenenlager in der Mathildenstraße waren durchweg Freigänger. Sie arbeiteten meist in der Landwirtschaft bei den örtlichen Bauern
und mußten nur nachts im Lager sein.
Die gefangene~ russischen Soldaten
waren in einem Barackenlager im Jägersburger Wald östlich des heutigen
TV Sportplatzes untergebracht. Sie
waren streng bewacht und wurden~u
Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten auf dem Flugplatz oder bei
den Flugplat.ierweiterung$arbeiten
eingesetzt. Bei guter Führung durften ausgewählte Gefangene einmal
in der Woche in den Straßen von Einhausen· ihre im Lager gefertigten Ge~
genstände (Ringe, Schnitzereien,
Holzsp~elzeug) der Bevölkerung zum
Tausch gegen Eß- und Tabakwaren
anbieten.
.·
Es gab eine Anzahl russischer und
puioischer Deportierter (Fremdarbeiter), die als Knechte und Mägde
einigen Landwirten zugeteilt waren.
Noch heute bestehen von einigen Familien enge Beziehungen zu ehe~ali­
gen Gefangenen und Fremdarbeitern.
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Der Einmarsch der Amerikaner
Das Näherrücken der Front war im
Frühjahr 1945 unverken.n bar. Immer
häufiger flogen Amerikafl:er und Engländer Angriffe gegen den Flugplatz,
Soldaten wurden vom Flughafen in
den Ort einquartiert. Die Nervosität
d~s Militärs wuchs. Truppen zogen
sich zurück. Durchhalteparolen wurden ausgegeben. Luftkämpfe spielten
sich unmittelbar über der Gemeinde
ab. ·Bei der Bewirtschaftung der Felder wurden Landwirte beschossen. In
der Haupt-, Ludwig- und Mathildenstraße wurden mittels dicker Baumstämme Panzersperren angelegt.
Granatbeschuß verstärkte sich. Ab
13.30 Uhr bis 14.00 Uhr waren mehrere Einschläge im Bereich der Autobahn, an der Weschnitz und am
Friedhof Süd zu verzeichnen. Die Be- .
völkerung wurde angewiesen, die
Keller aufzusuchen.
Versprengte deutsch~ Soldaten ka- ·
men in das Dorf. Mittlerweile hatten
amerikanische Vorkommandos das
Glashaus erreicht. Am Montag, 26.
März 1945 setzte gegen 9.00 Uhr erneut scharfer Granatbeschuß . ein.
Deutsche Geschütze erwiderten •.das
Feuer. Ab 14.00 Uhr setzten die Amerikaner zwei Stunden lang Tiefflieger
ein. Viele Häuser und Scheunen wur- .
den·getroffen. Insgesamt 96 Gebäude.
In der Nacht vom 24./25. Märzt945
wurden Biblis und Einhausen von
brannten ab. Viele Blindgänger verhinderten Schlimmeres. Fast ·die geRheindurkheim aus beschossen. Die
Panzersperren sollten am Samstag, . sanite Ortsmitte sank in Schutt und·
24 .03.1945 geschlossen we.rden, . Asche. Löschversuche
waren
kaum
.
.
doch mutige Männer hatten in der
möglich, da die Flugzeuge mit BordNacht zuvor die Stämme zersägt.
waffen auf alles schossen, was sich
bewegte. Vieh. lief herrenlos auf den
Neue Bäume wurden gefallt und ihre
Stämme antransportiert. Ein deutStraßen. Es gab Tote unter der Zivilscher .Soldat sprengte die Weschbevöikerung · uüd bei den Soldaten.
nitzbrücke und den Steg. Auch die
(15 Zivilpersonen, .12 Solda.ten) ZwiUberfühf!.lng über die Autobahn in
schenzeitlich hatten die Amerikaner
Richtung Lorsch wurde zerstört. Am
die russischen Kriegsgefangenen bePalmsonntag, 25.03.1945 wurde Bibfreit und bewaffnet. Diese Russen zolis von den Amerikanern besetzt. Der
gen als Vorausabteilung durch die
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Gemeinde. Sie ließen nicht zu, daß
- gelösc,:Q.t oder Vieh eingefangen wur. de. Tells gaben sie Warnschüsse, teils
Salven auf Mensch und Tier ab. Von
· den ehemaligen Dreschhallen am
Ortsausgang Rheinstraße beschossen
wahnwitzige Wehrmachtsangehörige mit leichten Waffen die anrücken) den Amerikaner. Es war ein völlig unnötiges Blutvergießen. Die ersten
Panzer rollten gegen · 16.30 Uhr an.
Infanteriesoldaten folgten hinter den
Armeefahrzeugen und entlang d_e r
Häuserreihen in gebückter Haltung
mit aufgepflanztem Bajonett. Die
deutschen Geschütze in RAD-LagerNähe schossen in den Ort und verursachten weitere Schäden.
Der deutsche Widerstand wurde endgültig gebrochen, als ein amerikanischer Panzer von der Mathildenstra-ße aus mit Schüssen durch die Friedensstraße dem de~tschen Geschütz
das Rohr abschoß. In der Nacht
flackerten erneut Brände auf und wieder wurden mehrere Häuser ein Raub
der Flammen. Beim Einmarsch gaben
amerikanische Truppen ~uf der Suche nach deutschen Soldaten Schüsse
durch Kellerfenster ab, wobei ebenfalls Tote zu beklagen waren. Der
letzte Kommandant des RAD-Lagers
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soll auf der Flucht von einem Untergebenen erschossen worden sein.
Nach der Einnahme v:erhängten die
Besetzer eine_Ausgangssperre. An allen Häusern mußten auf Tafeln die
Namen der darin Wohnenden angegeben werden. Bei Kontrollen und
Hausdurchsuchungen fahndeten die
Sieger nach untergetauchten deutschen Soldaten. An allen Ortsausgängen richteten die Amerikaner
Kontrollposten ein. In der Gartenstraße wurden Häuser beschlagnahmt und ihre. Bewohner evakuiert.
Auch in der Waldstraße kam es vereinzelt zu kurzzeitigen Hausbeset?:Ungen.
Es folgte die Zeit der Verhaftung·der
dem Hitler-Regime zu sehr geneigten
örtlichen Funktionäre . . Die Bevölkerung selbst hoffte auf das baldige Ende des Krieges, der auch über unsere
Gemeinde unsägliches Leid gebracht
hatte.
Aus der Bevölkerung waren 494
Männer zur Deutschen Wehrmacht
eingezogen worden. 131 sind gefallen, 53 vermißt Gemeldete kehrten
nicht mehr zurück.