Johann Philipp Bronner - Christian-Albrechts
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Johann Philipp Bronner - Christian-Albrechts
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Johann Philipp Bronner (11.02.1792 Neckargemünd - 04.12.1864 Wiesloch) Pionier des Weinbaus in Deutschland, Apotheker, Forscher und zur Geschichte des Weins, sowie der Colica Pictonum und die Herstellung von Zucker aus Rüben Januar 2006, geändert Juni 2006, Oktober 2006 Klaus Beneke Institut für Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universität D-24098 Kiel [email protected] 2 Inhalt Seite Inhaltsverzeichnis 2- 4 Das Leben von Johann Philipp Bronner 5-11 Kurzlebenslauf von Eduard Bronner (1822 – 1885 ) 7- 8 Weinbau im Altertum 12-18 Johann Philipp Bronner und der Weinbau 19-31 Schaumweine 32-35 Kurzlebenslauf von Georg Christian Kessler (1787 - 1842), Gründer der ersten Sektkellerei in Deutschland 34-35 Rotweine 36-37 Wildreben 38-39 Studienreisen von Johann Philipp Bronner 40-42 Der Schriftsteller Johann Philipp Bronner 43-47 Johann Philipp Bronner als Winzer 48-49 Johann Philipp Bronner und der Bergbau in Wiesloch 50-55 Johann Philipp Bronner und zur Geschichte der Adsorption von Flüssigkeiten an Festkörpern 56-57 Die Stadtapotheke in Wiesloch, erste “Tankstelle“ der Welt 58-63 Die Stadt Wiesloch, und der Name Johann Philipp Bronner 64-72 Stadt Wiesloch 64-67 Johann-Philipp-Bronner-Schule in Wiesloch 68-69 Johann-Philipp-Bronner-Weine aus Wiesloch 70-72 Die Rebsorte Bronner Allgemeines über Wein 73 74-80 3 Seite Tabelle: Flüchtige Verbindungen im Wein 78 Tabelle: Weinfehler und Weinkrankheiten 79 Tabelle: Wichtige Terpene im Wein 80 Colica Pictonum (Kolik der Einwohner von Poitou) und das Süßen von Wein 81- 95 Kurzlebenslauf von Eberhard Gockel (1636 - 1703) 81 Kurzlebenslauf von Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg (1676 - 1733) 82 Wie jedoch gelangte das Blei in den Wein? 87- 95 Kurzlebenslauf von Hippokrates von Kos (um 460 v. Chr. - um 370 v. Chr.) 92 Kurzlebenslauf von Claudius Galen (Galenos, Galenus) (um 129 - um 199) 92- 93 Zuckerherstellung aus Rüben Kurzlebenslauf von Andreas Sigismund Marggraf (1709 -1782) Kurzlebenslauf von Franz Karl Achard (1753 - 1821) Kurzlebenslauf von Dieudonné Thiébault (1733 - 1807) 96-120 96 96- 97 104 Kurzlebenslauf Sigismund Friedrich Hermbstädt (1760 -1833 ) 108-109 Tabelle: Kulturgeschichte des Zuckers 117-119 Tabelle: verschiedene Zuckersorten 119-120 Süßen des Weins mit Zucker Kurzlebenslauf von Christian Ferdinand Öchsle (auch Oechsle) (1774 - 1852) und die Öchsle-Waage 121-124 123 4 Seite Kurzlebenslauf von August Wilhelm Freiherr von Babo (1827 - 1894) und die Klosterneuburger Mostwaage 124 Reblausplage im Weinbau 125-133 Danksagung 134 Literatur 135-140 Bücher von Johann Philipp Bronner 141-143 Schriften von Johann Philipp Bronner 144 Schriften von Carl Bronner (1818 - 1903) 144-145 Weinreben aus aller Welt 146-160 Kurzlebenslauf von Justinus Andreas Christian Kerner (1786 - 1862) 160 Kurzlebenslauf von Hermann Müller-Thurgau (1850 -1927) 161 Kurzlebenslauf von Georg Scheu (1879 - 1949) 161 Kurzlebenslauf von Fritz Zweigelt (1888- 1964) 162 Fotos von verschiedenen Rebsorten 163-173 5 Johann Philipp Bronner (11.02.1792 Neckargemünd - 04.12.1864 Wiesloch) Pionier des Weinbaus in Deutschland, Apotheker und Forscher und zur Geschichte des Weins von Klaus Beneke Das Leben von Johann Philipp Bronner Johann Philipp Bronner (1792 - 1864) Johann Philipp Bronner wurde am 11. Februar 1792 in Neckargemünd bei Heidelberg als einziger Sohn dem Provisior der hiesigen Apotheke Johann Ludwig Bronner aus Besigheim und dessen Ehefrau Gertraud, geb. Kneib aus Mannheim geboren und wurde am 13. Februar 1792 im Elternhaus getauft. Der Taufpate war Johann Philipp Kneib aus Mannheim von dem das Kind den Namen erhielt. Die Familie Bronner stammte aus Salzburg und wurde dort aus Glaubensgründen (lutherisch) vertrieben. Die Vorfahren übten meist medizinische Berufe wie Chirurg, Tierarzt, Apotheker aus. Neckargemünd (Merian-Stich um 1620) Johann Philipp Bronner verbrachte seine Kindheit und Schulzeit in Neckargemünd. Seine erste Apothekenausbildung erhielt er dort in der elterlichen Apotheke. Weitere praktische Studien in Apotheken führten ihn nach Hanau, Würzburg, Esslingen, Mannheim, Straßburg, Karlsruhe, Heidelberg und Durlach. Nach dem Studium in Würzburg und vermutlich in Heidelberg bestand er 1815 glänzend sein Staatsexamen (SCHUMANN, 1979). 6 Neben einer umfangreichen Gesteinssammlung besaß er ein Herbarium mit zahlreichen Pflanzen und eine Sammlung von Moosen. Dazu umfasste das Naturalienkabinet eine Muschel, Käfer- und Schmetterlingssammlung. Johann Philipp Bronner heiratete am 3. März 1816 die Tochter Gertrud des Apothekers Märklin aus Wiesloch, und übernahm kurz darauf von diesem die Stadtapotheke, die er bis 1858 leitete. Daneben besaß und führte er zeitweise auch die väterliche Apotheke in Neckargemünd. Aus dieser Ehe gingen die Söhne Ludwig Bronner (1816 - 1894), Carl Bronner (1818 - 1903), Christian Heinrich (1820 - 1921) und Eduard Bronner (1822 - 1886) hervor. Seine Frau Gertrud Bronner verstarb im Jahre 1828 (SCHUMANN, 1979). Im gleichen Jahr heiratete Johann Philipp Bronner daraufhin die Tochter des evangelischen Pfarrers aus Biebelnheim bei Alzey, Elisabeth (Lisette) Heddaeus, eine Cousine seiner verstorben Frau. Mit dieser hatte er ebenfalls vier Kinder, die Tochter Elisabeth Bronner (1830) die kurz nach der Geburt starb, Lina Bronner (1831 - 1928), Johann Philipp Georg Bronner (1833 - 1915) und Julius Bronner (1835 1917). Über das Familienleben Bronners weiß man nur wenig. Aus einem Brief an seinen Sohn Carl aus dem Jahre 1840 weiß man, dass ihm sein ältester Sohn Ludwig (Louis), der die Apotheke in Neckargemünd leitete, Sorgen wegen seines leichten Lebenswandels bereitete. Die Familie von Johann Philipp Bronner wohnte in dieser Zeit im Haus der Stadtapotheke, die zunächst ihren Standort Ecke Rathaus-/Pfarrgasse, danach Ecke Hauptstraße/Pfarrgasse und zuletzt Ecke Marktstraße/Hauptstraße hatte. Der Sohn Georg Philipp Bronner übernahm 1858 die Stadtapotheke in Wiesloch von seinem Vater Johann Philipp Großherzog Leopold von Baden Bronner. Letzterer verlegte vorher die heutige „historische“ Stadtapotheke in die Hauptstraße. Die Stadtapotheke in Wiesloch wurde 1735 mit der Verleihung des Apothekenprivilegs an Apotheker Thollaeus durch den Pfalzgrafen Carl Philipp gegründet, obwohl bereits vor 1711 von einer Apotheke in Wiesloch berichtet wird. 7 Die Räumlichkeiten in der „historischen“ Stadtapotheke wurden später sehr beengt und der Zugang über die steile Außentreppe war sehr beschwerlich. So wurde die heutige Stadtapotheke 1965 in das angrenzende Nachbarhaus verlegt und die alte, „historische“ Stadtapotheke steht heute noch mit ihrer alten Einrichtung. Diese wird weiterhin als Teelager genutzt und ist nach vorheriger Vereinbarung zu besichtigen. Die Apotheke hat heute den 20. Besitzer, die Apothekerin und staatliche geprüfte Kosmetikerin Jutta Suchy. v. l. die „historische“ Stadtapotheke von Bronner gebaut, daneben die heutige Stadtapotheke in Wiesloch (Oktober 2005) Der zweitälteste Sohn Carl Bronner übernahm später von seinem Vater die Rebschule und den Weinbaubetrieb in Wiesloch, die um 1870 noch fast 300 verschiedene Rebsorten anbot. Sohn Julius Bronner wurde Apotheker in Speyer (SCHUMANN, 1979). Der jüngste Sohn aus der ersten Ehe, Eduard Bronner1 hielt auf dem Marktplatz von Heidelberg mit Studenten revolutionäre Reden und musste 1849 fliehen. 1 Eduard Bronner 12.07.1822 Wiesloch - 19.03.1885 Bradford (Yorkshire). Eduard Bronner studierte von 1839 bis 1846 Medizin an den Universitäten in Heidelberg und Freiburg. 8 Auch Johann Philipp Bronner wurde als „Honoratier“ in Kislau2 von den preußischen Truppen gefangen genommen und wurde zwischen zwei berittenen Soldaten zu Fuß in die Festung gebracht. Durch einen Fußfall vor dem Großherzog Leopold von Baden3 erreichte seine Tochter Lina die Freilassung, sonst wäre er in die Festung Rastatt gekommen. Sohn Georg Philipp hütete währenddessen den Keller im Hause und rief den preußischen Besatzungstruppen die in den Keller Zwischen 1846 und 1848 hielt sich Eduard Bronner zu weiteren Studien in Paris, Wien und Prag auf. Er ließ sich 1848 als praktischer Arzt in Wiesloch nieder wo er auch heiratete. Während der Revolution von 1849 wurde Eduard Bronner im Mai Zivilkommisar in Wiesloch und wurde am 3. Juni 1849 für den 17. Wahlbezirk in die Konstituierende Landesversammlung (Baden) gewählt. Wiesloch hatte zur Zeit der 1848er Revolution 2 874 Einwohner. Nach Niederschlagung der Revolution floh Eduard Bronner im Juli 1849 erst nach Zürich, dann nach Straßburg und ging im Jahre 1850 nach Paris. Im Jahre 1851 ging er nach England und ließ sich in Bradford (Yorkshire) als Arzt nieder. Im Jahre 1857 bildete sich Eduard Bronner auf dem Gebiet der Augen- und Ohrenheilkunde in Paris und London weiter und veröffentlichte mehrere medizinische Arbeiten. Er begründete 1859 in Bradford einen „Schillerverein“, der eine deutsche Bibliothek aufbaute und Vorträge und Konzerte organisierte. Eduard Bronner eröffnete eine Praxis für Augenund Ohrenkranke in Bradford, in dem Arme kostenlos behandelt wurden. Aus dieser Praxis entstand 1865 das erste öffentliche Hospital dieser Art in England. Neben seiner Arbeit als Arzt unterstützte Bronner auch notleidende Landsleute. URL: https://lisa.mmz.uni-duesseldorf.de/histsem/revolution/id-nr/40000005636.htm 2 Das Schloss Kislau gehört heute zu Bad Schönborn. Das Schloss wurde 1721 als Landschloss gebaut und wurde 1837 an die badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation verkauft. Im Jahre 1933 wurde von den Nationalsozialisten im Schloss ein Konzentrationslager das KZ Kislau eingerichtet. Seit 1948 ist das Schloss eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. 3 Großherzog Leopold von Baden (29.08.1790 Karlsruhe - 24.04.1852 Karlsruhe). Regent 1830 - 1852. Ältester (4.) Sohn von Großherzog Karl Friedrich (1728 - 1811) aus 2. Ehe mit Luise Geyer von Geyersberg, cr Freifrau von Hochberg (1768 - 1820). Mit Großherzog Leopold gelangten die Markgrafen von Hochberg, die Nachkommen Karl Friedrichs aus seiner zweiten Ehe mit der nicht ebenbürtigen Luise Geyer von Geyersberg (seit 1796 Reichsgräfin von Hochberg) an die Regierung. Leopold vermählte sich 1819 mit Prinzessin Sophie Wilhelmine von Schweden (1801 - 1865). Er wurde Nachfolger seines Stiefbruders Großherzog Ludwig I. (1763 - 1830). Leopold von Baden studierte seit 1809 in Heidelberg Geschichte. Als sich im Mai 1849 nach der dritten Offenburger Versammlung die Truppen mit den Freischaren in Karlsruhe verbünden, flieht der Großherzog Leopold, kurz zuvor hatte er noch die Bürgerwehren auf die Verfassung vereidigen lassen, mit seiner Familie in die Pfalz, von wo er verzweifelt aber erfolglos an das Volk appelliert, sich nicht von den Verrätern verführen zu lassen. Er versichert ihnen sogar vollständige Amnestie, doch er bekommt keine Antwort. Somit bittet er Preußen um militärische Hilfe bei der Niederschlagung des Aufstandes, überlässt aber die Leitung seinem Bruder Wilhelm, dem „Kartätschenprinz". Leopold lässt den Preußen freie Hand und mischt sich auch nur gering in die Standgerichtsprozesse ein, weshalb er den Namen „gekrönte Schlafmütze" bekommt. Er interessiert sich kaum noch für Politik, erscheint völlig passiv und in sich gekehrt und widmet sich fast ausschließlich seiner Liebe zur Kunst. Am 24. April 1852 stirbt Leopold an einer Entzündung des rechten Kniegelenks (HANKE, 2005). 9 wollten zu: „Ihr könnt trinken, soviel ihr wollt, doch in den Keller dürft ihr nicht“, denn die Soldaten pflegten die Fässer offen zu lassen. Neben den Reben waren Johann Philipp Bronners Lieblingspflanzen die Rosen. Er berichtete 1835 von Arkadenlauben mit Rosen an den Stützen, die er an Weinbergsrändern angepflanzt hatte (BRONNER, 1835). Noch als Greis, nachdem er seine Betriebe seinen Söhnen übergeben hatte beschäftigte er sich mit Rosen und anderen Zierpflanzen. Jetzt schenkte er junge Rosenpflanzen anstelle von Reben an interessierte Wieslocher Bürger. Schloss Kislau Gedenktafel für Johann Philipp Bronner (mit falschem Geburtsdatum) an seinem Wohnhaus in Wiesloch (Oktober 2005) 10 v. r.: Wohnhaus von Johann Philipp Bronner, gegenüber die neue Stadtapotheke (Oktober 2005) Johann Philipp Bronner Schild an der „historischen“ Stadtapotheke in Wiesloch 4 Johann Philipp Bronner verstarb am 4. Dezember 1864 in Wiesloch. Seinen Angehörigen rief er noch auf dem Sterbebett zu: „Ich sterbe gerne, ich habe ein langes, reich gesegnetes Leben führen dürfen“. Er wurde auf dem alten Friedhof4 in Wiesloch begraben (SCHUMANN, 1979). Grab von Johann Philipp Bronner (September 2006) Der alte Friedhof in Wiesloch ist heute der Schillerpark. Einige wenige Gräber sind noch erhalten, so auch das von Johann Philipp Bronner. 11 Grab von Johann Philipp Bronner (September 2006) Grab von Johann Philipp Bronner (September 2006) Links: Grab von Johann Philipp Bronner (September 2006) 12 Weinbau im Altertum Es ist nicht geklärt ob Bier oder Wein das erste alkoholische Getränk war. Als gesichert gilt, dass es die Weinrebe schon in prähistorischer Zeit gab. Diese wurde über Jahrtausende gehegt und kultiviert. Die Pflege des Weinstocks und die Herstellung von Wein wurde mit großer Sorgfalt betrieben. Als gesichert gilt ebenfalls, dass die Sumerer (heute südlicher Irak) im 4. Jahrtausend v. Chr. zwischen Euphrat und Tigris Weinbau betrieben. Grab des Sennefer: Deckengemälde (Weinlaube) (Sennefer war Bürgermeister von Theben unter der Regierung Amenhoteps II., 18. Dynastie) Auch den Ägyptern war der Wein bekannt. Im Alten Reich waren die Weingärten sehr groß und wurden bewacht. Der Wein, soll wie das Bier, eine Erfindung der Göttin Osiris gewesen sein. So vergor man aus besonders erlesenen Trauben um 550 v. Chr. schon Ausbruchweine5. Wandmalereien aus der altägyptischen Hauptstadt Theben zeigen teilweise die Arbeitsgänge der Weinbereitung: Keltern mit den Füßen - Auspressen der Reben - Vergärung in Holtfässern - Klärung und/oder Filtration - Abfüllen in Krüge. Der Zusatz von Harz diente wahrscheinlich der Konservierung (BENEKE, 1995). 5 Edelfaule geschrumpfte Beeren, sorgfältig gelesen, ergeben höchste Weinqualität. Der Extrakt wird konzenriert und die Weine sind meistens süß (Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen, Ausbruchweine) 13 In Italien prägten sich die verschiedenen Erziehungsmethoden des Weines an Bäumen, als Dachspalier, am Kurzstamm oder kriechend auf dem Boden aus. Mit den Römern verbreitete sich der Weinbau nach Spanien, Gallien und Nordafrika aus, später auch nach Germanien. Nach neueren Erkenntnissen deuten Funde von Tongefäßen in China (Provinz Henan) mit Spuren eines gegoren Getränkes aus Reis, Honig und Trauben oder Hagedorn darauf hin, dass der Weinbau älter als 9 000 Jahre alt ist. Grab des Nacht: Traubenernte und Weinherstellung (Nacht war ein hoher Beamter unter Thutmosis IV., 18. Dynastie) Die Entstehung alkoholischer Getränke war für die Menschen in der Frühzeit nicht erklärlich. Es war ihnen nicht bekannt, dass durch angeflogene Hefe jedes zuckerhaltige Getränk irgendwann anfing zu gären. Der begonnene Gärprozess konnte dabei nicht mehr gestoppt oder verhindert werden. Über die Wirkung der alkoholischen Getränke machten sie ihre Erfahrungen. Kleine Mengen Alkohol hob die Stimmung und ließ die Sorgen vergessen. Genuß von Alkohol im Übermaß jedoch enthemmte und führte zu zügellosem unkontrolliertem Handeln. Die Menschen des Altertums erklärten dies damit, dass in diesem Getränk ein Geist lebt, den eine Gottheit geschenkt hatte. Da es in deren Vorstellungswelt immer einen Wettstreit zwischen den einzelnen Gottheiten gab, konnte die unterschiedliche Wirkung des Alkohols leicht erklärt werden. Derjenige Gott, der den Menschen wohlgesonnen war, schenkte durch den Alkohol Wärme, Glück und Zufriedenheit, während der böse Gott die Menschen mit Rausch, Zügellosigkeit und Zerstörung strafte. In der Bibel (1. Buch Moses, Kapitel 9, Vers 20) wird erzählt wie Noah mit seiner Arche Zuflucht gefunden hat und Wein anpflanzte: 14 Bibel: 1. Buch Moses, Kapitel 9 „18) Die Söhne Noahs, die aus der Arche gingen, sind diese: Sem, Ham und Jafet. Ham aber ist der Vater Kanaans. 19) Das sind die drei Söhne Noahs; von ihnen kommen her alle Menschen auf Erden. 20) Noah aber, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg. 21) Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt. 22) Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte er's seinen beiden Brüdern draußen. 23) Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht sähen. 24) Als nun Noah erwachte von seinem Rausch und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte, 25) sprach er: Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte! 26) Und sprach weiter: Gelobt sei der HERR, der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht! 27) Gott breite Jafet aus und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems, und Kanaan sei sein Knecht! 28) Noah aber lebte nach der Sintflut dreihundertundfünfzig Jahre, 19) daß sein ganzes Alter ward neunhundertundfünfzig Jahre, und starb“ (Bibel, 1. Buch Moses, Kapitel 9). Noahs Arche (Schedelsche Weltchronik, 1493) 15 „Als Noah, wie die heilige Schrift erzählt, mit seiner Arche auf dem wolkenragenden Ararat eine Zuflucht gefunden, und als nach dem Verlaufen der die Erde bedeckenden Wasserfluthen das Land wieder zu grünen begann, da pflanzte der fromme Vater auch die edle Rebe in einer vor kalten Winden geschützen Schlucht des Berges an und wurde so der erste Weinbauer. Bis vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert bezeichnete der Ueberlieferung nach eine kleine, überaus Wein- und Obstreiche Ortschaft am Nordabhange des Ararat die Stelle, da Noah sich niedergelassen hatte. Diese führte den Namen „Arguri“ oder „Anguri“, was soviel bedeutet wie „er habe die Rebe gepflanzt“, und wir können uns somit ganz gut vorstellen, dass der Neubegründer des durch die Sintfluth vernichteten Menschengeschlechts auch den Grundstein gelegt habe zu den Dörfchen Anguri und der directe Ahnherr der dortigen Weinbauer gewesen sei. Wie dem auch immer sei, so viel steht fest, dass Anguri die älteste Ansiedlung am Ararat war, bis der Ort gleichzeitig mit dem höher gelegenen Jakobskloster am 2. Juli des Jahres 1840 von einer gewaltigen Eruption des vulkanischen Bergriesen, die von einem furchtbaren Erdbeben begleitet war, vernichtet und verschüttet wurde. Und dort, wo seit Jahrtausenden der Weinstock gepflegt und seine süssen Trauben zu dem edlen Labetrunke verarbeitet wurde, starren jetzt schaurig kahle, düstre Felsmassen zum Himmel“ (VON THUEMEN, 1896). Der betrunkene Noah (Schedelsche Weltchronik, 1493) 16 „Alkoholgenuss gehört in die Kultur- und Menschheitsgeschichte. Bereits in vorschriftlicher Zeit wurde im Vorderen Orient Bier hergestellt. Insofern verwundert es auch nicht, dass die Bibel an vielen Stellen darauf Bezug nimmt. Im Alten Testament hingegen wird der unmäßige Genuss mit seinen fatalen Folgen als Strafe des einen Gottes angesehen. Die biblischen Texte warnen vor übermäßigem Alkoholkonsum, nicht aber vor dessen Genuss an sich - gehörte doch Alkohol zur guten Schöpfung Gottes. Nach biblischem Verständnis wird die gesamte historische Zeitachse vom Genussmittel Alkohol umspannt. Bereits im mythischen Neubeginn nach der Sintflut verfeinert Noah den Ackerbau durch den Weinbau. Auch das heilsgeschichtliche Ende wird als messianisches Festmahl auf Zion gedeutet, bei dem die besten Weine im Überfluss fließen. In frühjüdischer Zeit schließlich entwickelte sich ein dualistisches Weltbild, das zwischen Engeln und Dämonen unterschied. Wenn die Grenze des Weines überschritten wurde, wurde der Mensch von vier bösen Dämonen gepeinigt: den Geistern der Begierde, der sinnlichen Lust, der Unmäßigkeit und der Gewinnsucht. Im Zweistromland wurde spätestens vom siebten vorchristlichen Jahrhundert an der Ackerbau kultiviert. Vermutlich wurde das Getreide zunächst als süße Schleimsuppe gegessen, die irgendwann zu gären anfing. Insofern könnte Bier sogar noch älter als Brot sein. Als Zutaten für die Bierherstellung dienten Getreide, Malz und Bierbrot. Das mit Aromen gewürzte Bierbrot wurde aus Malz oder Korn hergestellt. Für Bier wird Wasser und Getreide benötigt. Deshalb war seine Herstellung an die großen Flußläufe Ägyptens und Mesopotamiens gebunden. Wein dagegen blieb dort aufgrund seines hohen Preises ein Luxusartikel, der Göttern, Königen und Vornehmen vorbehalten war. Dagegen überwiegt in den gebirgigen Landstrichen Syrien-Palästinas Obstanbau - die Grundlage für Wein. Daher verwundert es nicht, dass im Land der Bibel vor allem Wein getrunken wurde. Bier als Nationalgetränk der Assyrer und Babylonier spielt damit im Leben des Israeliten bestenfalls eine untergeordnete Rolle, nicht aber der Wein. Wein zählte in Israel zu den Grundnahrungsmitteln und wurde mit dem Brot zusammengestellt. Brot und Wein sind lebensnotwendig, nicht nur beim Festmahl, auch beim täglichen Mahl durfte Wein nicht fehlen. Wein erfreut nach Psalm 104 wie das Brot das Herz des Menschen - also den Menschen in seiner Gesamtheit. Das Ziel der göttlichen Schöpfungsordnung ist demnach die Freude des ganzen Menschen. Angesichts des Todes, der jedes Menschenschicksal ohne Vorwarnung 17 beenden kann, soll der Mensch nach Kohelet 9 die Freiheit gewinnen, den Augenblick in bescheidener Weise zu genießen und sein Leben sinnvoll zu gestalten. Der gelegentliche Rausch war gesellschaftlich akzeptiert, solange er nicht negative Folgen heraufbeschwor. Trotzdem werden immer wieder die negativen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums im Alten Testament beschrieben: Taumel, Übelkeit und Erbrechen. Der Betrunkene gilt als Beispiel für den gescheiterten Menschen. Zudem lässt übermäßiger Alkoholmissbrauch schnell verarmen. Mit sechs Rätselfragen werden in Sprüche 23 in humorvoller Weise die schlimmen Folgen des Trinkens und die Ausweglosigkeit der Situation dargestellt. Der Zecher ist hoffnungslos seiner Sucht ausgeliefert. Kaum ausgenüchtert, verlangt er sofort wieder nach Alkohol. Schon immer floss im Vorderen Orient Wein und Bier in Strömen und erfreute die Menschen. Wünschenswert ist heute wie damals, das rechte Maß zu finden. Auch heute gilt das sumerische Sprichwort: „Wer das Bier nicht kennt, weiß nicht, was gut ist; das Bier macht ein Haus angenehm““ (GAß, 2003). Julius Cäsar Kaiser Augustus Über den gesamten Nahen Osten breitete sich der Weinbau aus und um etwa 1700 v. Chr. kultivierten die Griechen erste Edeltrauben. Die Römer kannten um Christi Geburt schon ungefähr 185 Weinsorten. Im alten Rom wurden die Weinkeller und gereinigten Weinfässer mit Myrrhe ausgeräuchert, um den Wein haltbar zu machen. Alle Bevölkerungsschichten, ob arm, ob reich, delektierten sich am Rebensaft. Als der Rausch noch gleichsam ein „Kavaliersdelikt" war, genossen die Wohlhabenden im Verlauf zahlloser Gelage im privaten Rahmen beispielsweise „Falerner“, „Massiker“ oder „Caecuber“ aus Prunkgläsern und Schalen, bisweilen auch aus Bechern mit derben Aufschriften, die nicht immer nur die Freuden des 18 Weintrinkens zum Thema hatten. Ein rex bibendi bestimmte u. a. das Mischverhältnis von Wein und Wasser (z. B. ergaben zwei Teile Wein auf fünf Teile Wasser einen "kräftigen Trunk"), denn es galt als barbarisch, Wein pur zu trinken. Dies hatte die durchaus erwünschte Nebenwirkung, dass jedermann mehr und länger trinken konnte. Teilweise wurde der Wein so massenhaft produziert, dass er zuweilen billiger als Wasser war. Nach einer schlechten Traubenernte erinnerten sie sich an die großen Weinspenden Cäsars (100 - 44 v. Chr.). Von Kaiser Augustus (63 v. Chr. 14. n. Chr.) forderten sie den staatlich subventionierten Ausschank nach dem Muster der öffentlichen Brotspenden. Dieser war sehr verärgert und verwies auf die gerade fertig gestellte Wasserleitung, durch die Rom reichhaltig mit Wasser versorgt wurde und niemand der Bürger verdursten müsse. Während Kaiser Augustus durchgehend wenig trank, galten Nero (37 - 68 n. Chr.), Verus (127 - 169 n. Chr. ) und Commodus (161 - 192 n. Chr.) als recht trinkfest. Sie machten Sauftouren durch Rom, welches sie nicht nur verrufen, sondern auch populär machte. Der Brauch des Zuprostens war damals schon bekannt (BENEKE, 1995). Weinbau in Ettlingen (Baden) Ende 2., Anfang 3. Jh. n. Chr. Sandstein, 78 x 48 cm 19 Johann Philipp Bronner und der Weinbau Johann Philipp Bronner hatte von Haus aus nichts mit dem Weinbau oder der Landwirtschaft zu tun. Im Jahre 1820 im Alter von 28 Jahren kaufte er Ödland in Wiesloch rodete das Gelände und bepflanzte dieses mit Reben. Das Fehlen von weinbaulichen Kenntnissen oder vom Vater übernommene festgefahrene Gewohnheiten in Verbindung mit einem kritischen Geist, ließen bei Johann Philipp Bronner alles von der Rebsorte bis zu einzelnen Weinbergsarbeiten und der Kellerwirtschaft in Frage stellen. In seinem ersten Buch „Die Verbesserung des Weinbaues durch praktische Anweisung den Rießling ohne Pfähle und Latten vermittels des Bockschnittes zu erziehen, um besseren und wohlfeileren Wein gewinnen zu können. Nebst einer Beschreibung Rebenspaliere auf zierliche und nützliche Art durch sogenannten Winkelschnitt zu erziehen“ beschrieb er 1830 wie er zu seiner Liebhaberei dem Weinbau kam (BRONNER, 1830, SCHUMANN, 1979): „Schon seit einer Reihe von Jahren war der Weinbau eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ein Zufall führte mich zum Ankauf eines öden Platzes, dessen Urbarmachung unendliche Mühe und bedeutende Kosten ansprach. Die Behandlung des Rebstockes gehörte früher nicht zum Bereiche meines Wissens; allein die Leitung des Geschickes der Urbarmachung und die Anlage selbst veranlaßten mich, mit Rebbaukundigen mich zu beraten, und deren Ansichten aufzufassen, um meine Einrichtungen gehörig treffen zu können. So bildete sich in mir der Grund zur besonderen Vorliebe für diesen Kulturzweig. Da ich von der Ansicht ausgehe, daß jeder, der ein Geschäft leiten will, selbst Meister sein muß, wenn er eine Arbeit angeben will, die mit Vortheil betrieben werden soll, so blieb mir nichts anderes übrig, als mich von Jahr zu Jahr über die vorzunehmenden Weinbergsarbeiten instruieren zu lassen. Meine Liebhaberei wurde allmählich so rege, daß ich jedes Frühjahr meine Rebanlage selbst schnitt. Ich versäumte dabei nicht, zur Zeit des Schneidens in die umliegenden Weinberge zu gehen, um den arbeitenden Weinbauern die Handvorteile abzugewinnen. Gewohnt nichts zu thun, ohne den Grund beurtheilen zu können, fragte ich die Leute um den Zweck dieser und jener Verrichtung und Behandlungsarten, und so erreichte ich einen doppelten Zweck, den der Selbstbelehrung und den der allgemeinen Beurtheilung. Nachdem ich eine gewisse Selbständigkeit erreicht hatte, machte ich mehrere Reisen, theils an das jenseitige Rheingebirge, theils in Rheingau, um jene Schnittmethoden kennenzulernen, zu welchem Behufe ich öfter 20 mit verständigen Rebbauern in die Weinberge ging und mir ihre Behandlungsart zeigen ließ, nebst der näheren Erörterungen darüber. Ich fing darauf an, in meiner Anlage die verschiedenen Schnittmethoden, die ich als die besseren erkannte, theilweise einzuführen und bildete mir gleichsam eine Musterschule, die mir Basis zu meinen Beobachtungen diente. Hierbei besorgte ich alles mit eigener Hand, ausgenommen die Bodenarbeiten. – Ich legte mir auch ein Traubensortiment an, um so viel wie möglich die Trauben mit ihren Varietäten kennen zu lernen. So setzte ich mich in das Verhältniß, eine allgemeine und specielle Übersicht des gesamten Rebbaues mir verschaffen zu können. Durch die Selbstbehandlung der Reben wurde ich in den Stand gesetzt, jede Traubengattung in ihrer Individualität kennen zu lernen um ihre Eigenschaften zu studieren, um so den Winken der Natur am zweckmäßigsten folgen zu können. Ich verglich darauf von Jahr zu Jahr die verschiedenen Ergebnisse größerer Pflanzungen und gewann so die Resultate, die ich hier als rein praktische Erfahrungen und Beobachtungen bekannt mache. – Daß ich dieß umständlicher berührt habe, hat keinen anderen Zweck, als dem Leser dieses Schriftchens zu überzeugen, daß meine Angaben nicht auf spekulativen Vorschlägen oder Ideen beruhen, sondern daß alles hier Gesagte Früchte genauer Prüfungen sind“. Johann Philipp Bronner hatte seine eigenen Erfahrungen und dem Wissen der Winzer aus der näheren Umgebung und auf Beobachtungen in der Rheinpfalz und im Rheingau, sowie dem in der Fachliteratur niedergelegten Wissen in das Buch eingebracht. Er gab das Buch auch aus aktuellem Anlass heraus, der Frostwinter 1830 hatte viele Weinberge vernichtet. Hauptziele seiner Arbeit waren (SCHUMANN, 1979): „1. die Verbesserung des Rebsatzes, insbesondere der Anpflanzung des Rieslings. 2. Senkung der Kosten durch Einsparung der teuren Unterstützungsvorrichtungen und Verringerung des Arbeitsaufwandes (Rahmenanlage, Bockschnitt6). 6 Der Bockschnitt war damals in der nördlichen Pfalz (Großkarlbach) und im südlichen Rheinhessen verbreitet. Er soll in Deutschland zuerst in Bechtheim angewendet worden sein, nachdem durch Kriegseinflüsse die bestehenden Unterstützungsvorrichtungen vernichtet und kein Holz für die Erneuerung verfügbar war. Der Bockschnitt ist heute noch in vielen Abwandlungen rund um das Mittelmeer verbreitet. 21 3. Verbesserung der Qualität durch eine möglichst bodennahe Erziehung der Trauben. Darüber hinaus beschrieb er in dem Werk eine Methode, Reben an Spalten nach der Winkelschnittmethode bei der im Wechsel Zapfen und Strecker angeschnitten werden, zu ziehen. Gleichzeitig berücksichtigte er dabei die Eignung der verschiedenen Rebsorten für diese Schnittmethode“. Das Buch hatte Johann Philipp Bronner „Seiner Hoheit Herrn Marktgrafen Wilhelm von Baden7“ gewidmet, der sich sehr für Landwirtschaft und den Weinbau interessierte und später die Arbeiten von ihm auch förderte. Weiterhin geht aus der Vorrede hervor, dass Johann Philipp Bronner innerhalb von zehn Jahren in denen er sich mit dem Weinbau beschäftigte, ein Rebsortiment und einen Versuchsweinberg mit verschiedenen Erziehungsarten auf einem 1825 erworbenen Weinbergsgelände angelegt hatte (SCHUMANN, 1979). Der Weinbau wurde in Wiesloch schon in römischen Zeiten gepflegt. In der Lorscher Zeit ist die Übereignung zahlreicher Weinberge an der Bergstraße und in unmittelbar benachbarten Orten schriftlich bezeugt. Wiesloch wurde im ausgehenden Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert Weinlieferant (Zehntwein), oft auch zum Verdruss der Bürger, die den Wein als ein „Grundnahrungsmittel“ lieber für sich behalten hätten, für das große Heidelberger Fass8. Dies führte immer wieder zu Streitigkeiten mit den pfälzischen Behörden um die Abgabe des Weins an die kurfürstlichen Verwaltungen. Wie begehrt der Wein für die Bezugsberechtigten war (dazu zählten auch Bedienstete und Geistliche, die den Wein als Leistungsentgelt zugesprochen bekamen), kann dem Aufgabenbereich des herrschaftlichen Küfers entnommen werden. Dieser war 1672 verpflichtet, bei Gestellung einer hohen Kaution von 200 fl.: "...den in der Kelter und dem Schlosskeller vorhandenen Wein sauber und rein zu halten...nicht untereinander zu ziehen...rein jedes Jahr Gewächß byanander lassen...der Wein uf dem dröbern nicht lang stehen bleibe...kein unnütze Händel, 7 Seine Großherzogliche Hoheit Wilhelm Ludwig August Großherzoglicher Prinz und Markgraf von Baden, Herzog von Zähringen (08 04.1792 Karlsruhe - 11.10 1859 Karlsruhe). 8 Im Heidelberger Schloss ließ Kurfürst Carl Theodor im Jahr 1750 ein großes Fass erbauen, das die steuerlichen Abgaben (Zehntweins) seiner Weinbauern aufnehmen sollte, die in Naturalien zu entrichten waren. 130 Eichenstämme wurden für das riesige Behältnis verwendet, das noch heute das größte Fass der Welt sein soll. Es hat einen Durchmesser von 6 m und ist 8 m hoch. Das Fass hat also ein Volumen von ungefähr 226 m3. Ein m3 entspricht 1000 dm3, also hat das Heidelberger Fass eine Füllmenge von 221 726 Litern. Auf seiner Oberseite ist ein Tanzboden angebracht. Der Legende nach wurde der Heidelberger Hofnarr Clemens Perkeo mit der Bewachung des Fasses beauftragt. Während seiner Wachzeit soll der trinkfeste Zwerg den ganzen Fassinhalt allein geleert haben. 22 Gezank, Geschwetz, Gesöff dulden...mit allem Ernst das zunütze Gesündlei aus der Keller und Keller zu schaffen...". Heidelberger Fass (Füllmenge 221 726 Liter) Dem Hofnarren Clemens Perkeo gewidmetes Gedicht und Lied. Dieser soll der Legende nach das Heidelberger Fass bewacht und während seiner Wachzeit ausgetrunken haben. Das war der Zwerg Perkeo Text von Josef Viktor Scheffel Melodie - Stefan Gruwe 23 1. Das war der Zwerg Perkeo Im Heidelberger Schloß, An Wuchse klein und winzig, An Durste riesengroß. Man schalt ihn einen Narren, Er dachte: "Liebe Leut, |: Wart ihr wie ich doch alle Feucht-fröhlich und gescheut! :| 2. Und als das Faß, das große, Mit Wein bestellet war, Da ward sein künftger Standpunkt Dem Zwerge völlig klar. "Fahr wohl", sprach er, "o Welt, Du Katzenjammertal, |: Was sie auf dir hantieren, Ist wurst mir und egal. :| 3. Um lederne Ideen Rauft man manch heißen Kampf, Es ist im Grund doch alles Nur Nebel, Rauch und Dampf! Die Wahrheit liegt im Weine. Beim Weinschlürf sonder End |: Erklär ich alter Narre Fortan mich permanent." :| 4. Perkeo stieg zum Keller; Er kam nicht mehr herfür Und sog bei fünfzehn Jahre Am rhein'schen Malvasier. War's drunten auch stichdunkel, Ihm strahlte inneres Licht, |: Und wankten auch die Beine, Er trank und murrte nicht. :| 5. Als er zum Faß gestiegen, Stand's wohlgefüllt und schwer, Doch als er kam zu sterben, Klang's ausgesaugt und leer. Da sprach er fromm: "Nun preiset, Ihr Leute, des Herren Macht, |: Die in mir schwachem Knirpse So Starkes hat vollbracht. :| 6. Wie es dem kleinen David Gegen Goliath einst gelang, 24 Also ich arm Gezwerge Den Riesen Durst bezwang. Nun singt ein de profundis, Daß das Gewölb erdröhnt, |: Das Faß steht auf der Neige, Ich falle sieggekrönt." :| 7. Perkeo ward begraben – Um seine Kellergruft Beim leeren Riesenfasse Weht heut noch feuchte Luft. Und wer als frommer Pilger Frühmorgens ihr genaht: |: Weh ihm! Als Weinvertilger Durchtobt er nachts die Stadt! :| Hofnarr Perkeo 25 Dann kam Johann Philipp Bronner der wichtige Impulse für den künftigen Qualitätsweinanbau gab und diesen wissenschaftlich erforschte. Die Winzer an der Bergstraße kämpften nach dem Ersten Weltkrieg um ihre Existenz, Schädlinge und Krankheiten der Rebpflanzen dezimierten die Menge des Weins und schufen Absatzsorgen. Dem Abstieg wurde durch Gründung von Genossenschaften, umfassende Flurbereinigungen und Anbau geeigneter Rebsorten begegnet. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Genossenschaften mit ca. 4 000 Winzern in einen Verkaufsverein zusammengeführt. Zusätzlich wurde durch das „Kurpfälzische Winzerfest“ in Wiesloch, das größte Weinfest in Baden-Württemberg, die Vermarktungsstrategie gestützt (HILDEBRANDT, MOHR, 2005). 26 In dem zweiten Teil des Buches vertiefte und weitete Johann Philipp Bronner in seiner „Anweisung zur nützlichen Anpflanzung der Tafeltrauben und anderer Traubensorten an sonst unbenutzten Plätzen in Höfen, Gärten an Häusern und Mauern u. s. w.“ das Thema aus (BRONNER, 1835). In dem Grundsatz „daß jeder, dem irgend ein Besitzthum zugetheilt ist, die natürliche Pflicht hat, das selbe möglichst zu benutzen und den möglichsten Vortheil aus ihm zu ziehen“ gab er genaueste Anweisung, wo und wie man Reben an bisher nicht benutzten Stellen gezogen werden können. Weiterhin erweiterte er die knappen Angaben des ersten Werkes um zahlreiche Rebsorten. Dazu beschrieb er deren „Arcadenlaubenerziehung“ für Lauben sowie die Spiralerziehung für Einzelstöcke. Dazu bot er im Vorwort Beratung an: „Sollte jemand sich über das eine oder andere nicht recht verständigen können, so biete ich hierzu jeder Anfrage eine freundliche Antwort, und bereitwillige Unterstützung“ (SCHUMANN, 1979). Bronner erkannte auf seinen Reisen in die Pfalz und den Rheingau, dass die Gewohnheiten des Weinbaus innerhalb kurzer Entfernungen stark wechselten und damit die Beschreibungen nur den Weinbau eng begrenzter Gebiete aufzeigten. So war er nach großmöglichster Vollkommenheit bestrebt ein eigenes Bild „unseres ganzen teutschen Weinbaus wiederzugeben. Nur dadurch können einseitige Ansichten verschwinden und die vielen Vorurtheile, die dem Fortschritt im Weinbau noch fast überall hemmend entgegen stehen, bekämpft und Johann Philipp Bronner beseitigt werden“. Dabei soll “wie das bestehende wirklich ist, nicht wie es seyen sollte“ dargestellt werden (BRONNER, 1835, SCHUMANN, 1979). Johann Philipp Bronner ergänzte die zwischen 1825 und 1830 vorgenommenen Besuche in der Pfalz und des Rheingaues durch Exkursionen in alle deutschen Weinbaugebiete. Dazu stellte er einen Fragebogen mit 63 Fragen zusammen, um ein möglichst genaues Bild geben zu können (BRONNER, 1833): „Folgende Fragen, die für alle Gegenden berechnet sind, dienten mir zur Basis für meine Forschungen. 27 1. Welcher Boden ist der vorherrschende in der Gemarkung? Kalk, Sand, Ton, Geröll etc. 2. Welche Steinart ist die gewöhnliche Unterlage der Weinberge? 3. Wie wird der Boden zubereitet, ehe gerottet wird? Mit Klee bepflanzt oder sonst mit etwas? 4. Wie lange wird Klee oder Gras stehen gelassen? 5. Wie tief wird gerottet? 6. Wann wird gerottet? Im Frühjahr oder Spätjahr? 7. Werden die Steine untergerottet oder weggeführt? 8. Mit welchen Instrumenten wird gerottet? 9. Wird der Boden zuerst ausgeebnet oder nicht? 10. Wann werden die Reben gesetzt? 11. Wird mit Wurzelreben gesetzt? 12. Auf welche Art werden diese gewonnen? 13. Wird mit Blindreben gesetzt, woran unten noch etwas altes Holz ist, oder wird darauf keine Rücksicht genommen? 14. In welcher Länge werden diese zugeschnitten? 15. Wie werden sie behandelt, ehe sie gesetzt werden? 16. Wie werden sie gesetzt, gerade oder schief? 17. Wie viele Reben werden zusammengesetzt? 18. Werden sie in senkrechte Stoßlöcher gesetzt? oder in Löcher die mit der Haue gemacht sind? 19. Werden sie der Fläche des Bodens gleich gesetzt? 20. Werden sie mit fremder Erde gesetzt? 21. In welcher Entfernung werden sie gesetzt? 22. Wie weit muß der Nachbar von der Grenze mit seinen Stöcken bleiben? 23. Wie werden sie im zweiten Jahr behandelt? abgeworfen oder nicht? 24. Wie im dritten, vierten und fünften Jahr? 25. Um welche Zeit werden die Weinberge geschnitten? 26. Wird der Schnitt dicht am oberen Auge geführt oder nicht? 27. War früher eine andere Schnittmethode eingeführt als jetzt? 28. Wie werden die abgehenden Stöcke nachgebessert? mit Wurzelstöcken? durch Einlegen oder Verlegen, Vergruben? 29. Welches ist der vorherrschende Rebsatz in der Gemarkung? 30. Werden noch andere Rebsorten häufig gepflanzt? welche? 31. War früher ein anderer Rebsatz eingeführt? 32. wie werden die Weinberge beholzt? mit Pfählen, Stiffeln oder Latten? 33. wie lang sind diese? 34. Was kostet das Hundert? 35. Wie viele braucht man auf einen Viertelmorgen oder 40 Ruten? 36. Von welcher Holzgattung sind sie? 28 37. Wie werden die Reben vor dem Blühen behandelt? 38. Wie nach dem Blühen und um welche Zeit? 39. Werden die Seitenzähne oder Eberzähne ausgebrochen oder nicht? 40. Werden diese und die abgeschnittenen Laubspitzen grün gefüttert oder getrocknet aufbewahrt zum Winterfutter? 41. Mit welchem Instrument werden die Trauben zerquetscht? und mit welchem ausgepreßt? 42. Wie lange werden Sie nach dem Quetschen stehen gelassen? 43. Wird der Most durch Röhren vergären gelassen? oder werden die Fässer nur leicht bedeckt und mit was? 44. Wie oft wird der Wein im ersten Jahr abgestochen? 45. Wie viel Wein gibt im Durchschnitt der Morgen zu 160 Ruten in guten Jahren oder in einem vollen Herbst? 46. Wie oft wird der Boden gebaut? und auf welche Art? 47. Mit welchen Instrumenten wird gearbeitet? 48. Welche Sonnenlage liefert in der Gemarkung den besten Wein? die östliche, südliche oder westliche? 49. Mit welchem Namen wird die beste Lage in der Gemarkung bezeichnet? 50. Wie stark ist die Abdachung derselben? 51. Welches ist das vorherrschende Unkraut in den Weinbergen? 52. Welcher Dünger wird gewöhnlich angewandt? 53. Sind auch schon Versuche mit Lumpen, Knochenmehl, Tierabfällen gemacht worden? Und mit welchem Erfolg? 54. Wird auch mit Rasen gedüngt? 55. Auf welche Art wird gedüngt? auf der Oberfläche, in einzelnen Gräben oder langen Gräben? 56. Wie ist der Verkaufspreis der Weinberge bester Lage per Morgen? 57. Wie alt werden durchschnittlich die Weinberge? 58. Was kostet der Morgen mit 160 Ruten zu bauen, d. h. Schneiden, Aufbinden mit der Haue zu arbeiten etc. im Taglohn oder Akkord? 59. Wie hoch ist der Taglohn eines Weinbergs-Mannes mit oder ohne Kost? 60. Was kostet das Hundert Blindreben? 61. Was kostet das Hundert Wurzelreben? 62. Werden im Winter die Reben gedeckt, d. h. in oder auf die Erde gelegt auf welche Art? 63. Welche Herbstverfügungen finden für das Hüten der Weinberge statt?“ Mit diesem wissenschaftlich präzisen Fragebogen ging Johann Philipp Bronner wochenlang von ortskundigen Winzern begleitet von Ort zu Ort und schrieb seine Notizen auf. So besuchte er in Deutschland (SCHUMANN, 1979): 29 „1831 den Rheingau und die Pfalz, 1832 Rheinhessen, Nahe, Mosel, Franken, Württemberg und die Bergstraße (einige Gebiete vielleicht auch 1832) 1834 den Rheingau, Württemberg und 1841 die Bergstraße“. Die Ergebnisse der Reisen legte Johann Philipp Bronner in sieben Bänden nieder. Die ersten drei unter dem Untertitel „Der Weinbau am Rheine“ und später zusammen mit den Heften IV-VII unter dem Titel „Weinbau in Süddeutschland. Die Hefte erschienen in einzelnen Lieferungen, teilweise wurden die ersten drei oder fünf Bände zusammen unter dem Übertitel gebunden, wobei beim Zitieren der Werke unterschiedliche Bezeichnungen vorkommen können. Im Band VII (1842) schrieb Bronner, dass der größte Teil der Manuskripte bereits 1834/35 geschrieben war, aber durch Reisen ins Ausland sich die Herausgabe verzögerten. Es erschienen: „Der Weinbau am Rheine oder Der Weinbau in Süddeutschland Heft I Der Weinbau am Haardtgebirge von Landau bis Worms. Heidelberg 1833 Heft II . Der Weinbau in der Provinz Rheinhessen, im Nahethal und Moselthal. Heidelberg 1834 Heft III . Der Weinbau im Rheingaue, von Hochheim bis Coblenz. Heidelberg 1836 Der Weinbau in Süddeutschland Heft IV Der Weinbau im Koenigreich Wuerttemberg 1. Abt. Heidelberg 1837 Heft V Der Weinbau im Koenigreich Wuerttemberg 2. Abt. Heidelberg 1837 Heft VI . Der Weinbau des Main- und Taubergrundes und der Wuerzburger Gegend. Heidelberg 1839 Heft VII Der Weinbau und die Weinbereitung an der Bergstraße, im Bruhrhein und den weiteren Districten bis Durlach und Pforzheim. Heidelberg 1842“ Weiterhin hatte Bronner die Absicht noch weitere zwei bis drei Bände über den Weinbau Badens „von der Murg bis an den Bodensee“ herauszugeben, um den Weinbau in allen Gegenden darzustellen. Aber es kam nicht dazu. Die Frage nach der Steigerung der Weinqualität war Bronners großer Grundsatz dem er alle Empfehlungen unterordnete. Die Frage des Lageeinflusses 30 kommt immer wieder vor. Dabei berücksichtigte er den Boden, die Hangneigung und –richtung und den Windeinfluss. Bei der Gütebewertung verwendete er den Blühzeitpunkt, die Traubenreife sowie den Weinpreis. Die große Abhängigkeit der Weinqualität von Lage und Jahr spürt man deutlich in Bronners Werken, die Verbesserung unreifer Weine durch Zugabe von Zucker oder durch Entsäuerung war noch beinahe unbekannt. Er hielt fest, dass die besten Lagen östlich des Rheines Westlagen und westlich des Rheines überwiegend Ostlagen sind. Auch maß er dem Kaltlufteinfluss eine besondere Bedeutung zu. Dabei führte er die geschlossene Gebirgsfront im Westen der Mittelhaardt als Ursache der frühen Reife der Trauben an, gegenüber der späteren Reife in der Oberhaardt oder in Rheinhessen mit unvollständigem oder fehlendem Windschutz im Westen. Eine Ausnahme bildete die Rheinfront in Rheinhessen. Für den Rheingau führte Bronner den Schutz vor Nordostwinden und die Spiegelung der Sonnenstrahlen durch den Rhein als Ursache deren besonderen Weinqualität an (BRONNER, 1833, 1834, 1836). Die Beeinflussung der Weinqualität durch die Erziehungsart der Reben war für Johann Philipp Bronner ein wesentlicher Faktor. Möglichst bodennahes Wachstum der Trauben sollte die Reife verfrühen. Er tadelte die bis zu zwei Meter hohe Pfahlerziehung an der Mosel genauso wie die Dachlaubenerziehung an der Bergstraße. Wegen des besonders niedrigen Traubenwachstums beim Bockschnitt und der dabei weitgehend entfallenen Kosten für die „Beholzung“ empfahl er auch diese Erziehung für die Sorte Riesling. Bronners besonderes Interesse galt dem Rebsatz. Eine der wichtigsten Vorraussetzungen der Qualitätsweinerzeugung waren für ihn die Pflanzung einer Rebsorte im Weinberg anstatt von „sieben“ verschiedenen weißen und roten frühund spätreifen Sorten, die teilweise gleichzeitig geerntet wurden. Die Steuerentrichtung des „Zehnten“ mit einer strengen Überwachung der Ernte und Vermarktung nur nach der Menge stand dem entgegen. Auch die gestaffelte Lese nach Rebsorte, Reife- und Fäulnisgrad wurde dadurch beinahe unmöglich gemacht. Er empfahl als Qualitätsmaßstab die Feststellung des spezifischen Gewichts und verwendete bereits 1833 das Mostgewicht. Weiterhin empfahl Bronner zur Erleichterung der Einführung der Qualitätssorten Riesling, Traminer, Ruländer und Blauer Spätburgunder den geregelten Umtrieb, an Stelle des „ewigen“ Nachpflanzens, wie es z. B. in Württemberg üblich war. Wenig bekannt waren zu Bronners Zeit Weinberge mit dem sogenannten reinen Satz, d. h. mit nur einer Rebsorte. Bekannt waren damals nur mit Riesling im Rheingau und an der Mittelhaardt und mit Traminer in Rhodt bepflanzte Weinberge, die eine Besonderheit bildeten. 31 Seine weiteren Empfehlungen der Verbesserung der Weinqualität dienten der Kelterung und den Weinausbau. Abbeeren, rasche Verarbeitung, Entschleimen der Moste, schonendes Abpressen und der Ausbau mit wenig Luft, sowie allgemeine Sauberkeit in der Kellerwirtschaft waren Bronners großes Anliegen. Justus von Liebig Die Vermehrung guter Rebstöcke für die Ertragssicherung war für Johann Philipp Bronner besonders wichtig. Hier unterschied er, ohne Begriffe zu nennen, zwischen Modifikation (Klein- und Grobriesling) und Mutation (Ruländer - Blauer Spätburgunder). Den Bodenverhältnissen im Hinblick auf seine Nährstoffnachlieferung galt überall sein Interesse. Bronner galt als Anhänger der Nährstofftheorie von Justus von Liebig9 und versuchte immer wieder die Humustheorie über die Bodenfruchtbarkeit zu widerlegen. Aus seinen Bemerkungen über betriebswirtschaftliche Fragen zu Arbeitsaufwand, Sachkosten, Löhne (Akkord- und Zeitlohn), Erträge, Boden- und Weinpreise kann man ohne Schwierigkeiten die Betriebswirtschaft des deutschen Weinanbaues zwischen 1830 und 1840 nachvollziehen (SCHUMANN, 1979). 9 Justus Freiherr von Liebig (12.05.1803 Darmstadt - 18.04.1873 München). Einer der bekanntesten Chemiker seiner Zeit. Er postulierte als einer der ersten einen Kohlenstoffkreislauf in der Natur und führte Untersuchungen zum Stoffwechsel von Pflanzen und Tieren durch. Liebig gilt als der Begründer der modernen Düngelehre, da er erstmals Versuche mit chemischen Düngemitteln durchführte. Er formulierte 1855 das Gesetz des Minimums (Minimumsgesetz des Ertrags), nach dem der am wenigsten verfügbare Nährstoff im Boden den Ernteertrag bestimmt. Weiterhin wurden einige seiner Entdeckungen industriell umgesetzt (Liebigs Fleischextrakt, Backpulver, Säuglingsnahrung). 32 Schaumweine Im Auftrag des Großherzogs von Baden unternahm Johann Philipp Bronner im Jahre 1836 eine Reise nach Frankreich zum Studium der Rotweinbereitung10, wobei er die Schilderung der Champagnerbereitung in Frankreich und Deutschland beschrieb. Er hatte die Absicht diese Reise, ähnlich wie seiner Beschreibung des Weinbaues in Deutschland in vier Heften herauszugeben. Er veröffentlichte diese Reisebeschreibung unter: „Der Weinbau in Frankreich und der französischen Schweiz. 1. Lieferung: Der Weinbau und die Weinbereitung in der Champagne, Heidelberg 1840“. Folgelieferungen sind wohl nicht erschienen. Erst 1856 erschien mit der „Bereitung der Rothweine“ ein Bezug auf diese Reise. Die Erfahrungen der Champagnerherstellung, die er beim Besuch von Champagnerfabrikationen in der Champagne, im Burgund und in der Schweiz machte legte Bronner in einem anderen Bändchen vor: „Die teutschen Schaumweine Weintrinker, Heidelberg 1842“ für teutsche Weinzucht und teutsche Beim Ergründen das Geheimnis des Champagners zu lüften kam Bronner zu dem Schluss, dass zwischen den klimatischen Verhältnissen in der Champagne und den deutschen Weinanbaugebieten keine Unterschiede bestehen. Dabei zog er zur Beurteilung den Stand der Traubenreife und die Unkrautflora der Weinberge zu Rate. Im Boden suchte er die Ursache der größeren Flüchtigkeit des Champagners. In den „sogenannten Champagner“ von Burgund, der Schweiz, von Mosel, Neckar und Rhein fand er „nicht die Flüchtigkeit und Leichtigkeit des wahren Champagners“. Diese befand Bronner haben zuviel Feuer oder eine zu feine Blume und da es sich um selbständige respektable Gewächse handelt, sollte man den Adoptivnamen „Champagner“ weglassen. Die Vorteile des Champagnergebietes sah er gegenüber Deutschland „geübte Fabrication, bessere Möglichkeit zum Kauf (für die Schaumweingewinnung) geeigneter Trauben“ an. Das waren Gesichtspunkte die unabänderlich waren. 10 Da der Champagner oder der deutsche Schaumwein überwiegend aus weiß gekelterten Trauben des Blauen Spätburgunders hergestellt wurde, war dies im weiteren Sinne ebenfalls eine Art der Rotweinbereitung. 33 Tadel übte Johann Philipp Bronner an der übermäßigen Kritik von Leuten an deutschen Schaumweinen, die von der Sache nichts verstehen, d. h. die durch falsche Etiketten hinters Licht geführt werden. Beim Vergleich des deutschen Herstellungsverfahrens mit dem der Champagne weist er nachdrücklich darauf hin, dass auch der Champagner nicht moussierend am Stock wächst, sondern erst wie der deusche Schaumwein durch die Kunstfertigkeit der Weinbehandlung als besseres und wertvolleres Produkt entsteht. Er gibt genaue Anleitungen zur Herstellung, von der Rebsorte über die Kelterung und Ausbau des Schaumweines 34 und sagt diesem, bei der offenen (richtigen) Bezeichnung und preiswertem Verkauf eine Konsumzunahme voraus. Georg Christian Kessler Sektkellerei Kessler in Esslingen Sektetikett Kessler (1840) Als Hersteller von Schaumwein nannte Bronner 1842 die Firmen Mall in Weinsberg, Gätschenberger in Würzburg, Kessler Companie in Esslingen11 und Fritz in Dürkheim (SCHUMANN, 1979). 11 Georg Christian Kessler (30.03.1787 Heilbronn - 16.12.1842 Stuttgart). Sohn eines Stadtgerichtsassesors in Heilbronn, absolvierte eine Kaufmannslehre in Neuwied am Rhein und wurde 1804 Comptorist in einer Lederwarenhandlung in Mainz, wo unter französischer Protektion die erste deutsche Republik entstand. Kessler siedelte 1807 nach Reims (Frankreich) über und wurde Buchhalter im Hause Veuve Clicquot Ponsardin. Dort lernte er 35 Auguste von Vellnagel Sektetikett Kessler (um 1830) die Besonderheiten des Champagnergewerbes kennen und erhielt als Teilhaber am 20. Juli 1810 Prokura und kümmerte sich um den Export. Er heiratete 1819 Mademoiselle Jobert aus Sedan die aber 1822 mit ihrem Kind an einer Seuche starb. Von Madame Veuve Clicquot Ponsardin erhielt er 1821 das Angebot die restlichen Anteile von Veuve Clicquot Ponsardin zu kaufen. Er ging darauf nicht ein und schlug stattdessen vor, die Geschäftsbasis zu verbreitern und am bereits bestehenden Bankgeschäft und Tuchhandel auszubauen. Sie wurden schließlich Partner der Kammgarnspinnerei C. G. Steudel in Esslingen am Neckar. Im Jahre 1822 ging der Absatz von Champagner durch eine Wirtschaftskrise stark zurück, die Firma geriet in Schwierigkeiten. Dadurch und durch den Tod von Frau und Kind fasste Kessler den Entschluss in die Heimat zurückzukehren. Er kaufte 1823 das Gut Neuhof dem heutigen Weiler Falkenstein bei Oedheim von seiner Schwester, zu dem auch mehrere Weinberge gehörten. Dort versuchte er mit Erfolg Champagner aus einheimischen Weinen herzustellen und es gelang ihm die Witwe Clicquot zur Errichtung einer Filiale in Deutschland zu bewegen. Beide kauften 1825 die Wollmanufaktur von Christian Ludwig Hübler. Kessler heiratete 1826 die Tochter des Staatssekretärs in Württemberg Freiherr von Vellnagel, Auguste von Vellnagel. 1826 trennten sich die Geschäftspartner und Kessler übernahm die Wollmanufaktur auf eigene Rechnung. Mit seinem Mitgesellschafter und stillen Teilhaber Heinrich August Georgii, gliederte er am 1. Juli 1826 seiner Firma die erste Sektkellerei Deutschlands an. Den ersten Sekt verkaufte Kessler von dem Jahrgang 1826. In einer Anzeige vom 5. Januar 1828 im Schwäbische Merkur liest man: "Wir beehren uns, das Publikum hiermit zu benachrichtigen, daß wir bei Hr. Spindler in Stuttgart, Hrn. Bossert in Tübingen, Hrn. Schumacher in Esslingen Niederlagen (gemeint sind Handelsvertretungen) von dem durch uns nach Champagner-Art bereiteten hieländischen moußirenden Weine von dem Jahre 1826 errichtet haben, und daß bei denselben einzelne Flaschen um 1 Fl. (Gulden) 36 kr (Kreuzer) zu kaufen sind. Wer wenigstens 25 Flaschen bestellen will, kann sich auch an uns unmittelbar wenden, worauf wir nichts weiter als 1 Fl. 24 kr. für die Flaschen nehmen werden, jedoch so, daß der Besteller die Verpackungskosten, die Fracht und den unterwegs etwa statt habenden Bruch zu tragen hat. G.C. Kesßler und Oberjustizprokurator Georgii“. Die Geschäfte Kesslers in Esslingen liefen gut, und er sah sich nicht in der Lage alle Führungsaufgaben allein zu bewältigen. Deshalb verpachtete er 1828 die Wollspinnerei, aus der später die Firma Merkel & Kienlin hervorging. 1838 betrug die Produktion 551 318 ganze Flaschen und 59.620 halbe Flaschen. Der 1841 geadelte Georg Christian Kessler zog sich 1840 aus gesundheitlichen Gründen aus den aktiven Geschäften zurück und verkaufte kurz vor seinem Tode 1842 seine Anteile der Sektkellerei Kessler an seine Teilhaber Carl Weiss und Gustav Stitz (NN, 2005a; W EISS, 2005). 36 Rotweine Die Auslandsreisen von Johann Philipp Bronner hatten vornehmlich das Ziel dem Studium der Rotweinbereitung. So besuchte er 1836 Frankreich, 1837 die französische Schweiz bis Savoyen und das Elsaß, 1838 die obere Schweiz, Tirol, Norditalien, 1840 Österreich, Mähren, Ungarn, Steiermark, Kroatien und Krain. Auf diese Weise lernte Bronner die weltbekannten Rotweingebiete Medoc, Bordeaux und Burgund, sowie die Weingebiete Europas kennen, in denen unter ähnlichen Bedingungen wie in Deutschland Wein produziert wurde. Nachdem die 1840 in der Champagne begonnene Reihe „Weinbau in Frankreich“ keine Fortsetzung fand, wendete er die auf den Reisen gewonnenen Erkenntnisse im letzten erschienen Heft (1842) von „Weinbau in Süddeutschland - Weinbau und Weinbereitung an der Bergstraße, im Bruhrhein und den weiteren Districten bis Durlach und Pforzheim“ an. Die in Bordeaux 1836 gesehenen kleinen Spindelkeltern hatte er nachgebaut und in Wiesloch eingesetzt. In diesem Werk kündigte Bronner auch die Veröffentlichung der Rotweinbereitung an welche aber erst 14 Jahre später erschien „Die Bereitung der Rothweine und deren zweckmäßigste Behandlung. Nach eigenen, in sämmtlichen Wein-Gegenden Europas gesammelten Beobachtungen“, Frankfurt am Main, 1856). Er beschrieb darin, ähnlich wie in seinen Werken über den deutschen Weinbau welche Verhältnisse er in Burgund, Bordeaux, Medoc, Loire, Charente und Midi sowie in Italien, Tirol, Steiermark und Ungarn vorfand. Dabei legte Bronner besonderen Wert auf die Bewertung der roten Rebsorten. Nach einer kurzen Darstellung der Rotweinbereitung in Deutschland gab Bronner seine Empfehlungen. Dabei knüpfte er an seine bereits 1835 in der Anweisung „Anweisung zur nützlichen Anpflanzung der Tafeltrauben und anderer Traubensorten an sonst unbenutzten Plätzen in Höfen, Gärten an Häusern und Mauern u. s. w.“ an und schrieb: „In den meisten Fällen empfangen wir die Trauben, diese edlen Früchte aus den Händen der Natur so, daß es nur in uns und an uns liegt, dieselben so zu verwenden, daß sie uns möglichst nutzbringend werden. So aber wird diese köstliche Frucht oft so gleichgültig und nachlässig behandelt, daß man sich kaum des 37 Staunens enthalten kann, wie der Eigenthümer seinen eigenen Vortheil nur so aus den Augen lassen und vernachlässigen mag“. Bei der Frage warum die Weine verschiedener Betriebe so unterschiedlich sind, fährt er fort „der Schöpfer macht keinen Unterschied zwischen den Gütern der Reichen und der Armen, der Aufmerksamkeiten und Nachlässigen oder Gleichgültigen“. Bronners Verbesserungsvorschläge umfassten: a) Absondern unreifer und fauler Trauben bei der Lese (Rotwein) b) Abbeeren der Trauben besonders in unreifen Jahren, sorgfältiges Maischen der Trauben c) Geschlossene Vergärung, wobei die Trester unter den Flüssigkeitsspiegel gedrückt werden (Farbstoffauslaugung, Vermeidung Essigstich) d) Kelterung, wenn die Gärintensität nachlässt, damit nicht zu viel Gerbsäure in den Wein gelangt. e) Verwendung der Schnellpressen an Stelle der unhandlichen Baumkeltern f) Schnelle Verarbeitung der Weine mit wenig Luftberührung. Neben direkt auf die Weinbereitung bezogenen Angaben findet man eine Fülle von Hinweisen allgemeiner Art. Bronner hat die Rebsorte Blauer Portugieser von Bad Vöslau nach Deutschland gebracht. Diese soll 30 bis 40 Jahre vor dem Besuch Bronners in Österreich noch unbekannt gewesen sein. Die Täuschung eines Winzers im Elsaß soll die Bezeichnung Tokayer für den Ruländer im Elsaß sein. Diesem wurde die in Tokay unbekannte Sorte als von dort stammend verkauft. Die in Deutschland vorkommenden Blauen Spätburgunder sollen aus Burgund stammen, was man teilweise noch direkt nachweisen konnte. Bei dem am Bodensee vorkommenden Blauen Sylvaner soll es sich um eine Spielart des Blauen Spätburgunder handeln und nicht um eine Mutante vom Sylvaner. Johann Philipp Bronner hat mit seinem Buch über den Rotwein ein beschreibendes Denkmal des alten Weinbaues geschaffen und mit seinen Empfehlungen das Tor zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgestoßen (SCHUMANN, 1979). 38 Wildreben Schon vor mehr als 100 Millionen Jahren gab es Pflanzen mit reblaubähnlichen Blättern. Die ältesten Samen sind über 60 Millionen alt, was Funde in Nordeuropa, in Südengland und Nordamerika belegen. Als die Menschen vor einer Million Jahren den aufrechten Gang probierten, war Europa von einer Fülle von Rebpflanzen bewachsen. In der Eiszeit vor 500 000 Jahren verschwanden frostempfindliche Arten. Andere überwinterten die kalten Jahrtausende, um bei Klimaverbesserungen in den Warmzeiten mit Vögeln wieder nach Norden zurückzukehren. Wie Lianen hingen ihre Triebe in den Bäumen, wenige, kleine und meist ziemlich saure Beeren hingen daran. Neben praxisnahen Bereichen beschäftigte sich Johann Philipp Bronner auch mit der Herkunft der Reben und ihrer Verwandtschaft zu den Wildreben am Oberrhein. Er berichtete bereits 1836 in einer Anmerkung über die Untersuchung an Wildreben. Aber erst nach 21 Jahren erschien die Schrift „Die wilden Trauben des Rheinthales“(Heidelberg, 1857). Bronner vertrat im Gegensatz zu den Botanikern der damaligen Zeit die Ansicht, dass die Wildreben in Deutschland heimisch sind und nicht aus aufgelassenen Weinbergen der Römer abstammen. Auf der 33. Versammlung des Vereins deutscher Naturforscher und Ärzte in Bonn berichtete er 1857 darüber, fand aber wenig Zustimmung (BRONNER, 1859). Erst Funde von Rebenresten in vorrömischen Schichten betätigten die Richtigkeit der Theorie Bronners. Ab 1830 durchwanderte Bronner regelmäßig die Auwälder mit Wildreben zwischen Mannheim und Rastatt. Dabei erkannte er, dass es sich bei den Reben nicht um eine völlig einheitliche Form handelt12. Er entnahm von den unterschiedlichen Reben Stecklinge und legte sich ein Sortiment mit 36 verschiedenen Formen an, wobei 7 männlich, 16 weiblich und 13 zwittrig waren. Die Reben klassifizierte Bronner nach morphologischen Gesichtspunkten und gab ihnen lateinische Namen. Die Rebe „Zaehringia nobilis“, mit zwittrigen Blüten, weißen süßen Trauben sah er als kulturwürdig an und gab ihr den Namen „Orangetraube“. Diese wird in Österreich im Weinbau und der Rebenzüchtung angewendet. Bronner fertigte von den Trieben und Blättern der 12 Der auch heute noch anzutreffende Typ war auch damals am häufigsten (SCHUMANN, 1974). 39 Wildreben Selbstdrucke an und ließ die Trauben zeichnen und ließ die Einzelblätter 1842 zu einem Wildrebenatlas binden. Dieser Folioband ist aber unauffindbar13. Die Untersuchungen über die Wildreben durch Bronner sind für die Kulturpflanzenforschung von großer Bedeutung, da er noch eine Fülle von ursprünglichen Wildreben vor dessen Dezimierung erfassen konnte. Fritz Schumann berichtete 1974, dass heute nur noch etwa 100 Wildtrauben in rheinischen Auwäldern vorkommen (SCHUMANN, 1974). Durch seine Reisen lernte Bronner die Kulturrebensortimente in den verschiedensten Gebieten kennen. Durch morphologische und physiologische Eigenschaften sowie dem Vorkommen der Sorten nahm er an, dass von rheinischen oder österreichischen Wildsorten die Rebsorten: Riesling, Traminer (?), Silvaner, Gelbhölzer, Ortlieber, Blauer Wildbacher, Tauberschwarz, Römer-Traube, Kleinedel und Fürter sowie grüner Muskateller, Weißer von Grinzing, Roter Zierfandler und Rotgipfler (Österreich) abstammten. Als eingeführt betrachtete er die Sorten: Burgunder aus Burgund, Elbling (?), Heunische (Bellina in der Steiermark), Trollinger, Gutedel, Muskateller, Gänsfüßler, Veltiner, Italienischer, Malvasier und Orleans. Er nahm an, dass Elbling und Heunisch von den Römern mitgebracht wurden, weil die Erziehungsarten, an denen diese Sorten und der Trollinger und Gänsfüßler erzogen wurden, auch in Tirol und in Oberitalien verwendet werden (Dachlauben von Heidelberg, geschlossene Kammererziehung von Edenkoben). Heute können solche Untersuchungen nur schwer nachvollzogen werden, weil viele alte Rebsorten aus dem Anbau genommen wurden, und allenfalls noch in Sortimenten erhalten sind. Auch kann die Variabilität der verblieben Kulturreben nicht mehr gezeigt werden, weil diese Sorten überwiegend als Klone (als Nachkommen einzelner, besonders leistungsfähiger Stöcke vermehrt wurden) und dadurch morphologisch und physiologisch einheitlich wurden (SCHUMANN, 1979). In den letzten 100 Jahren wurden über 1 000 Rebsorten gezüchtet. 13 „Er soll nach Carl Bronner aus dem Jahre 1896 testamentarisch an die LandwirtschaftsSchule in Karlsruhe oder nach Jundt (1924), an die Universität Straßburg gelangt sein“ (SCHUMANN, 1979) 40 Studienreisen von Johann Philipp Bronner Zwischen 1830 und 1840 unternahm Bronner in beinahe jedem Jahr größere, mehrwöchige Forschungsreisen. Kürze Fahrten in die nähere Umgebung und den Rheingau, Rheinpfalz oder die Exkursionen zu den Wildreben in die Auwälder sind dabei nicht berücksichtigt. Aber auch diese Reisen konnten bis zu einer Woche betragen. Sie wurden mit der Postkutsche, bei Auslandsreisen teilweise auch mit dem „Dampfboot“ durchgeführt. Innerhalb der deutschen Weinbaugebiete wurden die Untersuchungen von Bronner wandernd von Dorf zu Dorf, begleitet von einem ortskundigen und sachverständigen Winzer vorgenommen. Diese sollte die 63 Fragen (s. o.) beantworten (1833). Er durchwanderte z. B. im Frühjahr 1833 sechs Wochen lang Württembergische Weinbaugemeinden. Dabei lobte er häufig die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft in den besuchten Gebieten. Aber man hielt seine Forschungen auch teilweise „für eine Maske zu politischen oder demagogischen Untrieben“, wie z. B. in Bingen geschehen. In dem Vorwort über den „Weinbau und Weinbereitung in der Champagne“ (1840) schreibt er über die nicht immer angenehmen Reisen im Eilwagen „dessen Innenwände mit Papier ausgeklebt waren“, und später über den Komfort der zweirädrigen ungefederten „Cabriolets“ ohne Federung über die ungepflasterten Nebenstraßen in der Champagne: „Ich hatte das Glück 3 Tage lang in einem solchen Todtschläger die Champagne zu bereisen, und danke meinem Schöpfer nach vollbrachter Tour, daß meine Glieder noch zusammenhängend waren nach solchen Bewegungen, Stößen und Erschütterungen, die ich zu ertragen hatte“. Bronner schilderte 1856 über eine Reise auf der Straße von Blois nach Tours: „der Festigkeit wegen sind viele Strecken Weges oft stundenlang gepflastert, was dem Reisenden nicht die angenehmste Empfindung verursacht, und er sich glücklich fühlt, wenn er die nicht gepflasterten Strecken wieder erreicht hat“. Die Reise in Frankreich führte Bronner über Nancy in die Champagne. Dort wurde er vom Sohn von Mathias Müller aus Ellfeld (Eltville) geführt. Danach fuhr er nach Paris um das Rebsortiment im Jardin du Luxembourg vom französischen 41 Ampelografen Jean Antoine Claude Chaptal14 zu besuchen. Dieser Besuch war jedoch sehr unbefriedigend für Bronner da keine Bezeichnungen an den Reben und kein Plan des Sortiments zur Verfügung stand. Weiter ging es nach Orleans, Blois, Tours, Poitiers, Angouleme (Cognac), Bordeaux, Medoc, Languedoc über Toulouse, Carcasonne, Besiers und Montpellier, Cette, St. Georg, Frontignac, Nimes, entlang der Rhone über Valence und Tain mit dem Dampfboot nach Nuits. Bronner musste die Reise wegen schlechten Wetters und einer anhaltenden Diarrhoe abbrechen und über Dijon, Besançon, Belfort und das Elsass nach Hause fahren. Bei seinem Besuch in die französische Schweiz führte Bronners 1837 Reiseroute über Basel durch das Münstertal nach Biel, an den Neuchateller See, den Genfer See und das Rhonetal aufwärts bis Aigle. Bei dieser Reise erkrankte er an einem schweren Katarrh, der ihn ans Bett fesselte. Auf dem Rückweg durchwanderte er trotzdem noch das Elsass, „denn es gab ja noch keine Eisenbahn“, schrieb er 1856. Diese Reisen Bronners waren immer mit Risiken verbunden. In einem Brief an seinen Sohn Carl vom 10. August 1840 schrieb er zur Reise nach Österreich-Ungarn (SCHUMANN, 1979): Jean Antoine Claude Chaptal „Nach dem 17ten August werde ich nach Österreich abreisen. Ich habe über 300 Stunden nach Tokay, mit allen Kreuzwegen werde ich 800 Stunden Wegs machen“. Gegen Ende des Briefes schreibt er: „Wenn ich nur wieder glücklich aus Österreich komme“. Auf der Rückreise schrieb er am 8. Oktober 1840 einen Brief aus Salzburg an seine Frau. Dort war er vermutlich aus Graz nach drei Tag- und Nachtreisen 14 Jean Antoine Claude Chaptal (04.06.1756 Nojaret (bei Lozère) -30.07.1832 Paris). Chaptal war ab 1780 Professor der Chemie in Montpellier, ab 1793 Direktor der Soda- und Salpeterfabrik in Grenoble, an 1798 Professor in Paris. 1800 bis 1804 war er Minister des Innern und wurde von Napoleon mit der Einführung des metrischen Systems betraut. Chaptal entwickelte die Trockenzuckerung („Chaptalisation“, „Chaptalisieren“) des Weinmostes und die Entsäuerung des Weins mit kohlensaurem Kalk. 42 angelangt. Von dort wollte er nach München „das Große Oktoberfest“ besuchen und danach in drei Tag- und Nachtreisen nach Wiesloch heimfahren. Demnach benötigte er für die Strecke Graz nach Wiesloch etwa zehn Tage und nahm an, dass er vor diesem bereits in Graz aufgegebenen Brief zu Hause ankomme. Die ganze Reise von Bronner dauerte etwa vom 17. August bis zum 16. Oktober 1840 und er klagte „nun bin ich 6 Wochen ohne Nachricht von Euch, das ist doch nicht recht“. Er berichtete über den Verlauf der Reise kurz zum Besuch in der Steiermark. „Die 14 Tage waren für mich ein Festzug. 162 Stunden legte ich zurück ohne, daß es mich etwas gekostet hätte“. Abschließend teilt er mit, „Ich war Gottlob immer gesund .... Glücklich will ich mich dann in Deiner Nähe wieder fühlen ... ich habe nun die Welt gesehen, ich kann jetzt mit Ruhe bei meiner Familie bleiben“. Diese Erklärung zeigt auf, warum Bronner erst wieder 1845 eine größere Reise unternahm, von der er erst 1856 Johann Philipp Bronner berichtete. Dies war die letzte große Reise Bronners, von der es eine Überlieferung gibt. Bei diesen Reisen gab es damals nicht überall verfügbare Hotels, gesicherte Verpflegung oder medizinische Betreuung. Es war wohl der große Wissensdrang Bronners, der ihm diese Strapazen aufzwang. Er stellte 1856 beim Besuch der drei wichtigsten französischen Weingegenden mit Recht fest: „Was ich hier berichten werde, ist unter meinen Augen vorgegangen. Es ist demnach nicht aus Schriften entnommen, sondern durch eigene Anschauung gewonnen“. Diese bei allen Werken Bronners beobachtende Grundeinstellung machte seine Arbeiten „als Beobachter der Geschichte“ besonders wertvoll (SCHUMANN, 1979). 43 Der Schriftsteller Johann Philipp Bronner „Es ist die Hauptaufgabe desjenigen, der andere belehren will, daß er seine Lehre so klar wie möglich vorträgt, um sogleich verstanden zu werden“. Diesen Satz schrieb Bronner 1856 und kennzeichnet gut die Art und Weise der Abfassung seiner Schriften. Sein Schreibstil wirkt in Verbindung mit dem Schema des bei der Bereisung Deutschlands verwendeten Fragebogens, in den ersten Werken trocken, manchmal auch hölzern. Berichtet er jedoch über ein Lieblingsthema in irgendeiner Gemarkung, wie z. B. die verschiedenen Rieslingformen unter „Türkheim“, dann wird er lebhaft, setzt Argumente und Gegenargumente und bringt über das Sachliche hinaus Freude am Lesen (BRONNER, 1833). Dies trifft besonders zu wenn Bronner sich mit Menschen und ihren guten und schlechten Eigenschaften befasst, wobei er Humor gepaart mit feiner Ironie zeigt. Dies trifft z. B. zu, wenn er über „Arbeiter die mehr Durst haben, als sie haben sollten“ (Kellerarbeiter in der Champagne; BRONNER, 1840) oder über eine besonders große Hacke, die er in der Umgebung von Bad Dürkheim fand „dies Instrument ist eine ungeheuere Maschine, und muss schwer zu handhaben sein, allein sie fördert auch brav die Arbeit“ (BRONNER, 1833). Dabei liebte Bronner zur Veranschaulichung klare Beispiele. So, wenn er gegen die Gleichbehandlung aller Rebstöcke und Sorten schimpft und fragt: „Darf man einem Esel ebenso viel aufladen, wie dem Kamele?“ (BRONNER, 1837a). Dabei konnte er auch sehr drastisch werden wie z. B. bei der Ablehnung des Neubaus von Baumkeltern „Dies steht mit der Weinverbesserung im Einklang, als wenn man die Todesstrafe abschaffen wolle, und baute wieder neue kostbare Galgen“ (BRONNER, 1837b). Man kann manchmal bei Bronners Beschreibungen mitschmecken und fühlt mit was er beim Schreiben dachte, wie z. B. zur schlechten Qualität von Weinen der Sorte Trollinger auf Nordhängen und zur Selbstzufriedenheit seines Begleiters „wo (die Traube) kaum gefärbt und sauer zusammenziehend mit anderen Trauben zerkleinert wird, dann ergreift einen ein ordentlicher Frost bei deren Anblick, und man muß sich über die Unempfindlichkeit der Gurgeln der guten Leute wundern, die über jede Flüssigkeit, die Wein heißt, den Mund zum Lob und Dank öffnen“ (Bronner, 1837b). Später wird Bronners Schreibstil allgemein freier und verbindlicher. Durch Lebenserfahrung ist sein Selbstbewusstsein und die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Thesen abgeschliffen. Er kämpft auch gegen Verallge- 44 meinerungen: „Denn Mancher, der nicht über seinen Gesichtskreis hinausgekommen ist, glaubt in seiner Nähe eine Perle gefunden zu haben, die alle anderen beglücken könnte und glaubt durch seine Mitteilungen der Menschlichkeit einen Dienst zu erweisen, wenn er ihr seine Weisheit mitteilt“ (BRONNER, 1836). Erkenntnisse die Bronner als falsch ansieht wie zum Beispiel über Weinlesegewohnheiten geiselt er auch noch später. So auch nach dem Signal zur Leseerlaubnis „wo dann jeder hinauseilt, und mit möglichster Hast alles zusammenrafft, was Brühe gibt, unbekümmert ob Regen oder Sonnenschein der Himmel verkündet“ (BRONNER, 1856). Über die Abstammung der Reben zeigte er ein aufgeklärtes Verhältnis zur Religion. Er schrieb u. a.: „die geduldige Feder eines Stubengelehrten verweist ihren Ursprung nach den asiatischen Gegenden; wer aber die Natur an Ort und Stelle studiert, wird diesen Angaben so wenig beipflichten können, als ob ein Humboldt15 und andere Reisende glauben werden, daß alle Menschenrassen von Adam und Eva abstammen“ (BRONNER, 1856, SCHUMANN, 1979). Der gute Stil Bronners spiegelt sich am besten in der Beschreibung des „Württembergischen Weingärtners“ wieder. Beim Lesen fühlt man sich gleichsam in die Rolle des Winzers mit allen Freuden und Leiden versetzt (BRONNER, 1837b, SCHUMANN, 1979): „Ich komme nun zu einem Gegenstande, dem Leben und Treiben der Weingärtner, das ich mit einigen Umrissen bezeichnen will. Alexander Freiherr von Humboldt 15 Wer je Gelegenheit hatte, das Geschäftsleben des württembergischen Weingärtners kennen zu lernen, der wird mit mir übereinstimmen, daß nicht wohl jemand anderst mit so vieler Ausdauer und Friedrich Heinrich Alexander Freiherr von Humboldt (14.09.1769 Berlin - 06.05.1859 Berlin). Vielseitiger Naturforscher und Weltreisender der die Natur als Ganzes zu erfassen suchte. Nach ihm ist die 1860 ins Leben berufene Alexander von Humboldt-Stiftung benannt, die Stipendien an hervorragende ausländische Nachwuchswissenschaftler zur Durchführung von Forschungsvorhaben in Deutschland vergibt. 45 Hingebung sich dem edlen Weinstocke widmet als der Württemberger. Der Gedanke an seinen Beruf begleitet ihn Morgens beim Aufstehen und abends beim Niederlegen. Der Weinbau ist die Achse, um welche sich alle seine Lebensverhältnisse drehen. Nach seinem Gott ist er allein seine Sonne, um die sich die Welt seines Berufes dreht und nur Planeten sind ihm alle andere Arbeiten. Keine Hitze an den brennenden Mauern, keine Kälte, keine schneidenden Winde auf den Berghöhen scheuet der Weingärtner, wenn es gilt seine Lieblinge zu pflegen, unverdrossen steigt er Tag für Tag seine Berge himmelan und nur zu oft wankt er mit zitternden Knieen des Abends seinem Lager zu, um den künftigen Tag mit gleicher Ausdauer das gestrige Werk wieder zu beginnen. Weder Sommer noch Winter verläßt er seine Weinberge, sie sind seine Welt, der Tummelplatz seines Lebens und seiner Gewohnheiten. Nur die unerbittlichen Elemente können ihn abhalten, die Stätte seines Wirkens zu besuchen. Keinen Tag kennt er, im Laufe des ganzen Jahres, wenn es nur möglichst die Witterung erlaubt, wo er nicht eine Beschäftigung im Weinberge fände. Was könnte sachgemäß mit einem solchen Fleiß erreicht werden! Wenn sich die ganze Natur zur Ruhe begibt, so kann er nicht ruhen, seine Sorge umfaßt alle Lebensperioden seiner Schützlinge. Gestattet diesen das große Gesetz - die Natur - ihre Ruhe, so kommt der Weinbauer wie eine sorgliche Mutter, die ihre Kinder im Schlafe zudeckt, damit sie nicht verkälten, er befreit seine Rebstöcke von ihren Banden, legt sie um und deckt síe mit Erde, mit Mist, mit Pfählen, mit Steinen oder Rasen, je nachdem es üblich ist, damit nicht ein harter Winter ihnen Schaden bringe. Ist er damit fertig, so holt er, manchmal aus tiefer Grube sich Erde hervor, und trägt sie den Rücken schwer belastet, bergan, oft auf beschwerlichem Gestäffel, eine der härtesten Arbeiten, die man nur verrichten kann, wenn man den ganzen Tag noch bei karger Kost schwer beladen bergan und bergab steigen muß. Endlich gebieten ihm die Elemente Ruhe, und er ergreift ungern eine andere Beschäftigung, als z. B. Dreschen, Holzmachen und dergl. Sobald die Sonne ihre wohltuenden Strahlen wieder spendet, so ruft sie ihn zu neuer Tätigkeit, entweder hat er eine neue Stelle anzurotten oder er trägt wieder Erde, Dünger, räumt die Wassergräben und Wasserabzüge aus, und kann kaum den Tag erwarten, wo er seine Reben wieder aus der Decke ziehen kann (Maria Verkündigung). Ist dieser heran gekommen, dann wird mit allem Eifer die Rebe zur Hand genommen und mit Hilfe des Messers dieselbe zu ihrer künftigen Bestimmung vorbereitet. Sind die Reben nach dem Schnitte zusammen gelesen, und in Bogen geformt, dann wird der Boden aufgehackt, damit er locker werde, worauf die Pfähle 46 eingesteckt werden, an welche man die Bögen festbindet. Nach diesem wird der Boden wieder gefelgt, die jungen Triebe und unnötigen Auswüchse werden weggebrochen und die Reben welche das künftige Tragholz binden sollen, werden an den Pfahl leicht geheftet, nach dem Blühen wird abermals geheftet, zum zweitenmal gefelgt, später wieder aufgebunden, oft zum drittenmal gefelgt, und zuletzt, wenn die Trauben anfangen weich zu werden, schneidet man die Gipfel ab, man überhauet, und bricht oder schneidet die Eberzähne ab. Zu gleicher Zeit werden die etwaigen Nebenbenutzungen nach Hause gebracht, wodurch so die Zeit bis zur Lese herumgebracht wird. Die Lese und das Keltern beschäftigt den Weingärtner wieder; hat sein Geschirr aufgeräumt, dann hat er teils Dünger, teils Rasen (wo es gebräuchlich ist) herbeizuschaffen, die Stöcke auszurüsten, von den Pfählen zu trennen, die Pfähle auf Haufen zu setzen, und die Reben umzulegen, bis die Arbeit am folgenden Jahr von Neuem wieder beginnt. Dies ist ein ewig wiederkehrender Turnus, der besorgt wird, und besorgt werden muß, ob der Weinstock etwas trägt oder nicht. Diese Arbeiten greifen aber auch so ineinander, und verfolgen sich so regelmäßig und zeitgemäß, daß bis die eine Arbeit vollbracht ist, schon wieder die zweite vor der Türe steht, folglich fast kein Tag ohne Arbeit ist. Überhaupt hat der fleißige Gärtner den ganzen Sommer hindurch so viel nebenher zu tun, mit aufzuheften, aufzubinden, auszubrechen, den Boden aufzuräumen, da wo sich die Trauben dem Boden zu nahe hängen und noch so viele Kleinigkeiten, die hier nicht verzeichnet sind, daß kein Tag unbeschäftigt vorübergehen darf. Der Weingärtner von Profession ist auch schon daran gewöhnt, daß er auch keine bestimmte Beschäftigung hat, dennoch nie ohne ein ArbeitsWerkzeug in den Weinberg geht, wenn er auch nur etwas mit Stroh aufbindet, oder sonst ein leichtes Geschäft hat, er muß, wo er nicht seine Butte, wenigstens seine Felghaue auf dem Rücken haben. Er kann sich schon selbst nicht ohne ein Werkzeug sehen und hält es für eine Schande, ohne ein solches sein Haus zu verlassen, weil er die Meinung hat man halte ihn für einen Müßiggänger. Selbst da, wo sie nur als Führer zu dienen hatten, ließen sie diese Embleme nicht von ihren Schultern. Die einzige Zeit, die der Weingärtner als Ruhe genießt, und die eigentlich seine Ferien sind, das ist der Zeitraum von der Lesebeendigung bis zum Tage des Verkaufes seines Mostes. Dies sind seine glücklichsten Tage im Laufe des ganzen Jahres, und hier ruht er gleichsam auf seinen Lorbeeren. Sind die Trauben einmal in der Bütte, und die Lese ist vorbei, dann ist er glücklicher als ein König; an Dinge, die da kommen werden, denkt er jetzt nicht, er lebt nur in der Gegenwart. Wenn man das ganze Wesen eines solchen Verhältnisses kennt, so kann man sich leicht denken, mit welchem Selbstgefühl in der ersten Zeit der Weingärtner bei seiner gefüllten Bütte steht; er macht sich selbst die Berechnung seines Glückes, gibt dem Weine 47 einen ihm konvenablen Preis, und bringt eine ihm wohlgefällige Zahlenreihe heraus, die ihn auf eine höhere Lebensstufe bringt, wie jeder, den irdische Güter beglücken können. Er hält sich gewöhnlich in der Nähe des Weinmarktes auf, plaudert mit seinen Nachbarn und läßt sich wohl auch einen Schoppen weiter schmecken. Erscheint der erste Kaufmann, so wird ihm mit einem eigenen Stolz begegnet, jeder lobt seine Ware als die beste und die Hoffnung auf einen höheren Gewinn erlaubt selten so vielen Mut, einen Kauf abzuschließen. Der Wein muß so und so viel gelten, dies ist die allgemeine Sprache der Verkäufer. Wenn aber einmal 8 bis 10 Tage vorüber gehen, und die Käufer bleiben aus, oder es kommen nur wenige (was andererseits wieder Spekulation der Käufer ist, die dies zu ihrem Vorteil, aber auch zu ihrem Nachtheil tun), dann wird emsige Erkundigung eingezogen, wie da oder dort der Wein verkauft worden sei. Somit sinkt der Glücksbarometer etwas herunter, der so gutes Wetter prophezeite, der frühere Stolz wandelte sich allmählich in Geschmeidigkeit um, und mit begierigen Blicken frägt man sich, ob heute noch keine Käufer angekommen seien. Ist dies aber der Fall, und ein oder mehrere Akkorde kommen zu Stande, dann findet sich gewöhnlich der Weingärtner in seiner Rechnung betrogen; denn er erhält gewöhnlich weniger, als er gehofft, er wird also schon etwas enttäuscht. Gestalten sich aber gar noch die Umstände, so daß die Käufer über die Zeit ausbleiben, oder nicht wieder kommen, dann beengt die Sorge sein Herz, ihm der weder Faß noch Keller hat, möge der Most liegen bleiben, es ergreift ihn eine Art Verzweiflung, sein mit saurem Schweiße erzieltes Gut ohne Wert zu sehen, und er fügt sich dann gerne in die Umstände, mögen sie günstig oder ungünstig zeigen, denn ihm bleibt keine Wahl mehr übrig als ja zu sagen. Kommt nun die Zeit, wo der Wein abgefaßt und bezahlt wird, dann wird die Enttäuschung vollendet, der Glücksbarometer fällt auf Regen und Sturm, und es bleibt nur noch die Rückerinnerung an einige glückliche, in Hoffnung verlebte Tage. Wohl sieht er die blanken Taler für sein Gut hinzahlen, er darf sich an deren Anblick weiden, allein ihm wird es nicht vorgezählt, sondern dem Stadtrechner, der gewöhnlich die Rechnung macht und das Geld einzieht, weil er dafür aufgestellt ist, damit die Schulden besonders aber die Gemeinde- oder herrschaftlichen Schulden zu zahlen“ (BRONNER, 1837b). 48 Johann Philipp Bronner als Winzer Erst als fast 30jähriger hat Johann Philipp Bronner den Weinbau von der Pike auf erlernt und dabei als Apotheker auch noch zeitweise zwei Apotheken geführt. Weiterhin reiste er viel und besuchte Weingegenden und schrieb diese Ergebnisse nieder. Die Entwicklung seines Weinbaubetriebes wird hier stichwortartig niedergelegt, soweit man dies noch feststellen kann (SCHUMANN, 1979): 1820 Kauf von Ödland und Anpflanzung von Reben 1825 Kauf von weiterem Weinbergland auf das er eine Anlage mit einem Rebsortensortiment und verschiedene erziehungsarten prüfte. 1831 Beginn einer Rebschule, mit einem Sortiment von 400 Sorten. 1832 Eröffnung einer Weinhandlung. 1836 Ernennung zum „Großherzoglichen badischen Oeconomie-Rathe“. 1836 - 1838 Rodung und Bepflanzung eines Ödlandes („Wilhelmhöhe“) von 100 Morgen mit Reben, gemeinsam mit anderen Bürgern von Wiesloch. 1840 Rebschule mit 500 000 Reben. 1875 umfasste die Rebschule (unter Bronners Sohn Carl) nahezu 300 verschiedene Rebsorten, darunter 35 amerikanische Sorten. Die Angaben über den Betrieb sind nach 1840 nur spärlich. Johann Philipp Bronner erprobte alles getreu seinem Grundsatz „Erfasse und nütze den Geist der Zeit“, und gab es bei Eignung weiter. So u. a.: Einführung der Rebsorte Portugieser in Deutschland. Empfehlung der Erziehungsart Bockschnitt für Riesling. Behandlung der Weißweine nach Rheingauer Art, insbesondere die Lese. Behandlung der Rotweine mit Änderungen nach französischer Art. Behandlung der Schaumweine nach französischer Art. Übernahme der Schnellkelter (Spindelkelter) aus Bordeaux und von Kleingeräten, wie der Weinstütze im Keller oder der Stocksäge (Fuchsschwanz) im Weinberg. Wie ein Patent verkaufte Bronner hierfür die Modelle einer Schnellpresse (Spindelkelter), die er selbst entwickelt hatte, welche dann in Originalgröße nachgebaut, vor Ort die unhandlichen Baumkeltern ersetzten. Diese Art der Beschreibung könnte noch verlängert werden, da man oft nur nebenbei beim Lesen der Arbeiten merkt, dass wieder etwas neues durch Bronner eingeführt oder verbreitet wurde. 49 Große Bedeutung als „Lehrbetrieb“ kommt Bronners Weinbaubetrieb für die Entwicklung anderer Weinbaugebiete zu. Im Jahre 1834/35 waren zwei junge Württemberger als Praktikanten in seinem Weinbaubetrieb. Diese mußten ihm versprechen zu Hause Rebschulen anzulegen, damit bessere Rebsorten zur Anpflanzung vorhanden waren (SCHUMANN, 1979). Seine Reben gab Bronner teilweise kostenlos an die Winzer durch die Weinbaugesellschaften ab, um eine Johann Philipp Bronner Verbesserung des Rebsatzes zu erreichen. Dabei wurden die zu bepflanzenden Gelände auf ihre Eignung berücksichtigt. Von der Krim kam ein Arbeiter zu Bronner, der den Bockschnitt erlernen sollte. Johann Philipp Bronner war auch Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Vereinigungen und Weinbauvereinen. Im Jahre 1842 war er Mitglied im (SCHUMANN, 1979): Badischer landwirtschaftlicher Verein, Württembergische Weinbau-Verbesserungs-Gesellschaft, Wetterauische Gesellschaft für Naturkunde, K. u. k. Landwirtschafts Gesellschaft in Steyermark, Niederländischer Landwirtschafts-Verein, K. u. k. Landwirtschafts-Gesellschaft in Wien, Ehrenmitglied des Landwirtschaftlichen Vereins in Hessen, Ehrenmitglied des Mannheimer Vereins für Naturkunde, etc, etc. In den Vereinigungen hat Bronner auch mitgearbeitet. In den Protokollen der „Verhandlungen der Versammlungen deutscher Wein- und Obstproduzenten, die von 1839 bis 1870 erschienen, z. B. wirkte er in Einzelberichten, Diskussionsbeiträgen und in Stellungnahmen mit. Der Weinbaubetrieb von Johann Philipp Bronner ist in Wiesloch nicht mehr erhalten, aber es stehen noch Häuser in denen er gearbeitet und gewohnt hat. 50 Johann Philipp Bronner und der Bergbau in Wiesloch Auch über den Bergbau in und um Wiesloch hat Johann Philipp Bronner gelegentlich berichtet. In Wiesloch und Umgebung wurde wohl schon in römischen Zeiten Bergbau betrieben. Dabei wurde u. a. Galmei (ein Zinkerz, welches bei der Herstellung von Messing und später auch bei der Zinkverhüttung Verwendung fand), Bleiglanz (oder Galenit ein Mineral der Sulfid-Gruppe, PbS; Bleiglanz ist aufgrund seines Bleigehalts von 87 Prozent das wichtigste Erz zur Gewinnung von Blei und wurde schon von den Babyloniern verhüttet) und andere Erze gefunden. Galmei Bleiglanz Johann Philipp Bronner beschrieb, dass 1816 der östlich der Hessel gelegene Vorhügel, das Köpfle genannt, rekultiviert wurde. Er bestand vorher aus lauter Löchern oder Schächten, neben welchen die ausgeworfene Erde eigene Hügel bilde; es war ein kahler Bergrücken ohne Baum noch Strauch, und die Vegetation sei in kümmerlichem Zustand. 2900 Wagen von Steinen wurden ausgegraben und teils zum Verfüllen der Schächte, teils zum Wegebau genutzt. In dieser Beschreibung der Wieslocher Umgebung spricht Bronner wieder von den ungeheuren Mengen alter Erzschlacken, die 120 bis 240 cm mächtig seien und eine Ausdehnung von über einem Kilometer erreichten; auch seien alle Chausseen, Vicinalwege und Nebengassen damit überzogen worden, so dass man sie auf der ganzen Gemarkung zerstreut finde. Ebenfalls erwähnt werden die großen Pingenfelder, die aus tausenden von Vertiefungen bestehen und eine Fläche von zwei Stunden (ca. 9,5 km) im Umkreise bedecken würden (BRONNER, 1822). Weiterhin beschrieb er, dass 1837 die großen Pingenfelder im Wieslocher Gewann Hessel rekultiviert und zu Weinbergen umgestaltet wurden. Um 1840 holte man nochmals Galmei aus den 51 Pingen- und Schachthalden zwischen Wiesloch und Nußloch und verarbeitete ihn in der Hütte von Schweizer in Mannheim zu Messing (BRONNER, 1842, 1853). Auch soll Bronner einige Zentner Galmei um das Jahr 1832 an Frankfurter Drogisten verkauft haben (WALZ, 1851, HILDEBRANDT, 1997). Im Jahre 1845 fand man bei der Gewinnung von Kalksteinen im Steinbruch „Rube" (auch „Bei der Ruge", „In der Ruch" oder „In der Ruhe" (wahrscheinlich von dem mittelhochdeutschen ruch: rauhe Gegend) genannt, eine bis zu einem Meter mächtige Galmeivererzung. Der Steinbruch lag auf Wieslocher Gemarkung knapp südlich der Gemarkungsgrenze an der Straße nach Nußloch. Durch diese Entdeckung gab es umfangreiche Schürfarbeiten durch Adolf Reinach einen Frankfurter Kaufmann und dessen Bergverwalter Zentner in Wiesloch im nördlichen Teil des späteren Grubenfeldes Hessel. Dabei wurden verschiedene alte Schächte zwischen 1845 und 1846 eröffnet und verfallene Stollen aufgewältigt (BRONNER, 1853). Am 6. März 1847 ließ sich Zentner den Erzfund vom Wieslocher Bürgermeister protokollieren. Das Grubenfeld von knapp 43 ha wurde am 11. August 1847 auf Galmei für die Gewanne Wilhelmshöhe, Haßelbuckel und Ludwigsberg der Gemarkungen Wiesloch und Nußloch verliehen. Blick auf Wiesloch vom Ludwigsberg mit Zinkbergbau (um 1850) 52 Am 22. Februar 1851 wurden durch Zufall die antiken und mittelalterlichen Stollen beim Abteufen des Schachtes „Nr. 1“ auf der Wieslocher Gemarkung wiederentdeckt. Dieser lag unmittelbar südlich der Gemarkungsgrenze zwischen Wiesloch und Nußloch, etwa dort, wo der so genannte "Grenzweg" den Nußlocher Gemeindewald erreicht. Am 20. März 1851 untersuchten der Bergingenieur Gsund und der Geologe Herth die alten Baue: „Die grösste Schwierigkeit verursacht der in der Richtung von Norden nach Süden gehende, 2 Fuss breite und 3 Fuss hohe, ungefähr 80 Fuss lange Eingang. Der Hauptgang bildet eine 20 bis 30 Fuss breite Halle und zieht sich nach südöstlicher Richtung. Mit diesem stehen Hunderte von kleineren oder grösseren Höhlen durch enge Eingänge, einem Bienenhaus ähnlich, in Verbindung. Ein Meer von Fels- und Galmei-Blöcken, die von der Decke, theils von den anstehenden Stöcken losgerissen, in wilder Unordnung über und nebeneinander liegen, bedecken den Boden und erschweren dadurch das Vordringen. Eine Vegetation sah ich nirgends, nur hie und da einen petrifizierten Baumzweig oder überglaste Holzstücke, ebensowenig gewahrte ich wegen der allzugrossen Verschüttung ein Geräthe oder Skelett, welches mir Auskunft über diese Bergleute hätte geben können. An der Decke, nahe bei dem Wasserfall, steht ein mit Kohle geschriebenes Kreuz mit den Buchstaben L Y A". Johann Philipp Bronner schrieb dazu (BRONNER, 1853, HILDEBRANDT, 1997): „Der Besitzer des Bergwerkes Banquier Reinhardt aus Mannheim, hatte schon an einer andern Stelle einen Schacht treiben lassen, ohne jedoch das Galmeilager zu erreichen. Da voraussichtlich dieser Schacht zu keinem Ergebnis führte, und seine Herstellung nicht nach den Regeln der Kunst geschehen war, so begann die neue Arbeit mit Eröffnung eines neuen, 80 Fuß tiefen Schachtes durch den Muschelkalk. Geschickte Bergleute aus dem benachbarten Münsterthale waren dabei thätig. Mit zunehmender Teufe sank die Hoffnung des Bergwerksbesitzers, aber die Gewißheit des Sachkundigen, Erz zu finden, stieg. Da wurde endlich eine Oeffnung angeschossen, durch die ein schlanker Körper nothdürftig sich durchwinden konnte. Ich beschloß, erzählte der Bergmeister, diesen Gang zu verfolgen, doch - nahezu wäre er mir verderblich geworden. Bei dem Hineinkriechen kam ich zwischen zwei Felsstücke und konnte lange Zeit nicht mehr rückwärts noch vorwärts kommen, bis ich mich nach großen Anstrengungen befreite. 53 Sofort ließ ich den Gang weiter anschießen, um das Hindernis des Vordringens zu beseitigen, und kroch abermals, und diesmal mit besserem Erfolge, hinein. 80 Fuß weit wand ich mich in steter Lebensgefahr hindurch - und oh Wunder! mein Auge war geblendet von der Pracht der Stalaktitengebilde und der Fülle von Galmeierz! Atmosphärische Luft wehte mich an und zeigte mir, daß irgendwo ein Ausgang seyn müsse. Nachdem ich einige Minuten, auf einem Galmeiblock sitzend, ausgeruht, die Ampel wieder zurechtgerichtet und mich von meinem Staunen und meiner Freude einigermaßen erholt hatte, beschloß ich, weiter vorzudringen, und fand nun, daß ich das Netz von Gängen wirklich erreicht. 60-80 Fuß zieht es sich in dem Muschelkalk hin, und ich zählte allein über 400 solcher Gänge, die alle mit einander in Verbindung stehen und ein wahres Labyrinth bilden. Die Ausdehnung dieser Gänge, in gerader Linie fast eine halbe Stunde erreichend, ist so groß, daß man 6-8 Stunden Zeit braucht, um sie zu durchwandern. Einzelne Gänge gehen so weit vor, daß man die Wagen auf der unten liegenden Bergstraße hört und die Töne der menschlichen Stimmen auf der Oberfläche wahrnimmt". Blick auf Wiesloch vom Ludwigsberg mit Zinkbergbau (um 1850) Am 14. April 1851 besuchte die Bergwerkskommission die alten Baue und der Bericht erschien 1851 und wird z. T. gekürzt wiedergegeben (FOETTERLE, 1851, HILDEBRANDT, 1997): 54 „Die Commission unternahm am 14. April letzten Jahres die Befahrung der alten Grubenbaue. Sie fuhr Vormittags 9 1/2 Uhr an, durch den neuen Schacht hinab in die alten Arbeiten, untersuchte diese in ihrer großen Ausdehnung, so weit es die genaue Erforschung der Beschaffenheit des Galmeylagers verlangte und Einstürze, Verschüttungen diess gestatteten. Die Untersuchung dauerte bis Nachmittags 2 1/2 Uhr, eingerechnet eine kurze Rast, die um die Mittagsstunde musste gehalten werden und wozu eine durch schneeweisse Tropfsteine verzierte Felsenhöhle Gelegenheit bot. In diesem Bergzuge war nach Urkunden schon im 11. Jahrhundert ein Silberbergbau, d.h. ein Bau auf silberhaltiges Bleierz (Bleiglanz) im Gange, der noch in späterer Zeit betrieben worden ist, da man auf der Oberfläche viele Hunderte von Pingen antrifft. In so ausserordentlich grosser Anzahl werden aber Schächte nur während eines sehr lange fortgesetzten Bergbaues angelegt. Das silberhaltige Bleierz wurde offenbar zuerst auf der Höhe der Hessel in den obersten Schichten abgebaut. Die Alten gingen mit kleinen Schächten von Tage auf die Erze nieder. Die alte Schlackenhalde, welche man beim sogenannten Juden-Gottesacker zu Wiesloch findet, zeigt die Verschmelzung der Bleierze an dieser Stelle an, und die Beschaffenheit der Schlacken beurkundet die Verwendung des Eisensteins bei der Schmelzarbeit. Die Alten scheinen den Bleiglanz auch in grösserer Tiefe abgebaut zu haben. Dabei kamen sie bis auf das jetzt bekannt gewordene Galmeylager nieder, worin sie wieder den Bleiglanz in kleinen Stöcken, Nestern und eingesprengt fanden. Behufs seiner Gewinnung durchwühlten sie den Galmey nach allen Richtungen. Den Galmey kannten die Alten noch nicht; sie liessen ihn ganz unbeachtet, und was sie bei ihren Arbeiten herausbrachten, gleich taubem Gestein liegen. Die erste Strecke, in welche man mit dem Schacht eingeschlagen hatte, ist anfangs in östlicher Richtung getrieben, wendet sich aber bald gegen Südosten und steht mit mehreren in dieser Hauptrichtung, jedoch mit verschiedenen Biegungen fortziehenden in Verbindung. Dieser Streckenzug ist auf einer Länge von 200 badischen Lachtern <ca. 400 m> fahrbar hergestellt, aber zum grössten Theil so enge und nieder geführt, dass man ihn auf ansehnliche Längen nur durchkriechen kann. Eine andere Reihe von alten Bauen zieht vom Schacht in südlicher Richtung und zum Theil in südwestlicher Richtung fort. Diese Baue können auf eine Länge von reichlich 100 Lachtern <200 m> befahren werden. Sie sind offenbar am längsten, 55 und in späterer Zeit wahrscheinlich auch auf Galmey betrieben worden. Alle diese Baue sind höher und weiter; die sehenswerthen, durch hereingestürzte Gesteinstrümmern, durch Tropfsteinbildungen und Wasserzuflüsse charakterisierten Felsenhallen liegen auf dieser Seite". Beim Aufwälten dieser alten Strecken wurden 1851 über 2 000 Tonnen Galmei gefördert, der Arbeitlohn der Haspelknechte lag bei 30 Kreuzer, der der Schießarbeiter bei 40 bis 45 Kreuzer (BRONNER, 1853). Die Mannschaftsliste über die 1852 in den Reinhardtschen Bergwerken in Wiesloch beschäftigten Bergleute zeigt, dass von 84 Arbeitern 51 in Wiesloch oder Nußloch geboren waren, weitere 11 kamen aus Altwiesloch, Heidelberg, Malschenberg, Malsch und Leimen. Das qualifizierte Personal stammte aus den Bergwerksgebieten in Schneeberg/Sachsen (1), Badenweiler (1), dem Münstertal im Schwarzwald (1), dem Bezirk St. Goar (7) und der Umgebung von Siegen (2). Die meisten Beschäftigten davon wohnten in Nußloch (43) und in Wiesloch (34) (HILDEBRANDT, 1997). Wiesloch, alte Feldbahn beim ehemaligen Bergbaugelände (Feldbahn- & Industriemuseum Wiesloch e.V.) Der Bergbau in Wiesloch wurde nach vielen Schwierigkeiten (starke Wasserzuflüsse in die Gruben, schlechtes Ausbringen, mit Erdölresten kontaminierte Erze, und totaler Verfall der Blei- und Zinkpreise) am 31. März 1954 endgültig nach vielen Jahrhunderten eingestellt (HILDEBRANDT, 1997). 56 Johann Philipp Bronner und zur Geschichte der Adsorption von Flüssigkeiten an Festkörpern Im Jahre 1836 berichtete Johann Philipp Bronner in seinen Buch „Der Weinbau in Sued-Deutschland. Band I. Heft 3. Der Weinbau im Rheingaue, von Hochheim bis Coblenz“: „Fülle eine Flasche mit einem kleinen Loch in ihrem Boden mit feinem Flusssand oder halbtrockener, gesiebter Gartenerde. Fülle nach und nach dicken und verwesenden flüssigen Dung in die Flasche, bis der Inhalt gesättigt ist. Die Flüssigkeit, die aus der unteren Öffnung fließt, erscheint beinahe geruchs- und farblos und hat ganz ihre ursprünglichen Eigenschaften verloren". Nach dem Anführen dieser Fakten, dass Quellen, die nahe an Dunggruben liegen, nicht von diesen verdorben werden, und dass das faulige Wasser der Seine in Paris nach dem Filtern durch poröse Sandsteine trinkbar gemacht wird, fuhr Bronner fort: „Diese Beispiele beweisen, daß der Boden, sogar Sand, die Eigenschaft besitzt, die Substanzen anzuziehen und vollständig zu adsorbieren, so daß Wasser welches anschließend hindurchfließt nicht in der Lage ist, diese Substanzen zu entfernen. Sogar lösliche Salze werden adsorbiert, und sie werden nur zu einem kleinen Teil durch neue Wassermengen ausgewaschen"16. Damit machte Johann Philipp Bronner einen wichtigen Hinweis zur Adsorption von Flüssigkeiten an Feststoffen an der viele Forscher danach, wie u. a. Canon Anthony Huxtable (30.11.1808 Somerset - 12.12.1883 St. Leonard´s on Sea) (later Archdeacon) (1848), Harry Stephen Thompson (11.08.1809 Moat Hill - 26.03.1874 16 Rückübersetzung aus dem Englischen: “Fill a bottle which has a small hole in its bottom with fine river sand or halfdry sifted garden earth. Pour gradually into the bottle thick and putrefied dung-liquor until its contents are saturated. The liquid that flows out at the lower opening appears almost odourless and colourness, and had entirely lost its original properties“. After instancing the facts that wells situated near dung-pits are not spoiled by the latter, and that the foul water of the Seine at Paris becomes potable after filtering through porous sandstone, Bronner continues: “These examples sufficiently prove that the soil, even sand, possesses the property of attracting and fully absorbing the extractive matters so that the water which subsequentely passes is not able to remove them; even the soluble salts are absorbed, and are only washed out to a small extent by new quantitives of water“ (FORRESTER, GILES, 1971). 57 Kirby Hill) (later Sir Harry S. Meysey Thompson of Kirby Hall) (THOMPSON, 1850), John Thomas Way (WAY, 1850, 1852), Friedrich Stohmann und Wilhelm Henneberg (HENNEBERG, STOHMANN, 1858), Jakob Maarten van Bemmelen (03.11.1830 Amelo 13.03.1911 Leiden) (BEMMELEN, 1878), Herbert Max Finlay Freundlich (28.01.1880 Charlottenburg, heute Berlin - 31.03.1941 Minneapolis/ Minnesota) (FREUNDLICH 1906a,b) und Irving Langmuir (31.01.1881 Brooklyn - 16.08.1957 Falmouth/ Mass.) (LANGMUIR, 1917) beteiligt waren, um nur einige zu nennen. Eine ausführliche Arbeit darüber findet man unter dem Titel „Jakob Maarten van Bemmelen (November 3, 1830 Amelo - March 13, 1911 Leiden) and the history of the theory of adsorption from solution“, die im Jahre 2005 erschienen ist (BENEKE, LAGALY, 2005). Canon Anthony Huxtable Wilhelm Henneberg Harry S. Meysey Thompson Jakob Maarten van Bemmelen Carl H. D. Boedeker Herbert Max Finlay Freundlich 58 Die Stadtapotheke in Wiesloch, erste “Tankstelle” der Welt Als Bertha Benz (03.05.1849 Pforzheim - 05.05.1944 Ladenburg bei Heidelberg) ohne Wissen ihres schlafenden Mannes Carl Friedrich Benz (25.11.1844 Mühlburg bei Karlsruhe - 05.04.1929 Ladenburg), dem sie auf einem Zettel geschrieben hatte „wir sind zur Oma nach Pforzheim gefahren“, am 5. August 1888 mit ihren beiden Söhnen Eugen (15) und Richard (13) mit dem Auto („Benz Patent Motorwagen“, Patent 37 435 vom 29.01.1886) 106 km von Mannheim nach Pforzheim fuhr, ging ihr nach ca. 45 km Wegstrecke kurz vor Wiesloch der Treibstoff aus. Auf der abschüssigen Straße konnte sie bis Wiesloch einrollen und musste nicht geschoben werden. Gegen zehn Uhr morgens wollte Bertha Benz beim damaligen Apotheker der Stadtapotheke Wiesloch Willi Ockel, die Johann Philipp Bronner 1858 errichtet hatte, fünf Liter Ligroin17 für ihr Auto tanken. Der Apotheker konnte ihr diese Menge des Mittels, das ansonsten als Reinigungsmittel Verwendung fand, nicht geben. Aber man konnte ihr bis zu nächsten „Tankstelle“ mit ca. drei Liter Ligroin weiterhelfen. Bertha Benz 17 Carl Benz Ligroin ist eine leichtentzündliche Mischung verschiedener Kohlenwasserstoffe mit einem Siedepunkt zwischen 80 und 100 °C mit einer Dichte von 0.69g/cm3. Eine frühere siedende Mischung (40 - 60 °C) ist als Wundbenzin bekannt. Ligroine haben fettlösende Eigenschaften und wurden als Reinigungsmittel eingesetzt. 59 Zeitgenössische Darstellung: Bertha Benz „tankt“ 1888 an der Stadtapotheke in Wiesloch Bei der Weiterfahrt ging kurz vor Bruchsal die Kette kaputt und sie fand Hilfe bei einem Dorfschmied der auch noch die abgenutzten Bremsklötze mit neuem Leder überzog. Auch musste von den Söhnen unterwegs immer Wasser und Öl nachgefüllt werden. In der Nähe von Weingarten verstopfte die Treibstoffleitung zum Vergaser, Bertha Benz nahm ihre Hutnadel und behob den Schaden. Am späten Abend erreichen sie das „Hotel zur Post“ in Pforzheim und Bertha Benz telegrafierte ihrem Mann Carl „Erste Fernfahrt gelungen - sind gut in Pforzheim angekommen". Bertha Benz wollte mit dieser Fahrt ihren Mann unterstützen, der mit vielen Vorurteilen und Misstrauen der potentiellen Käufer gegen das lärmende, zischende 60 und Gestank verbreitende Gefährt zu kämpfen hatten. Sie war überzeugt, dass man die Menschen von der Gebrauchstüchtigkeit des Motorwagens in der Praxis beweisen musste und tatsächlich berichteten viele Zeitungen von dieser Fahrt. Wiesloch: „historische“ Stadtapotheke (Mitte), jetzige Stadtapotheke (rechts) Bertha Benz Denkmal in Wiesloch (2005) 61 So gesehen wurde die Stadtapotheke in Wiesloch am 5. August 1888 die erste Tankstelle der Welt. Aus Anlass dieses Ereignisses wurde in Wiesloch am Kirchplatz, im Blickfeld der Stadtapotheke gelegen, ein Denkmal errichtet in dem Bertha Benz, ihre Söhne und das Auto gezeigt werden. 62 Bertha Benz Denkmal in Wiesloch (im Hintergrund die „historische“ Stadtapotheke) Bertha Benz Denkmal in Wiesloch (2005) 63 Schild in der historischen Stadtapotheke: „Erste Tankstelle der Welt“ (September 2006) 64 Die Stadt Wiesloch, und der Name Johann Philipp Bronner In Wiesloch erinnert heute der Name von Johann Philipp Bronner noch an: eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus, die Johann Philipp Bronner Straße, die Johann Philipp Bronner Schule, die Johann Philipp Bronner Weine vom Winzerkeller Wiesloch. Stadt Wiesloch Wiesloch hat eine mehr als tausendjährige Geschichte. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit (um 5 000 v. Chr.) lebten Menschen, bedingt durch fruchtbare Böden und günstige klimatische Bedingungen, in der heutigen Gemarkung von Wiesloch. Eine Hügelkuppe, etwa 2.5 Kilometer vom heutigen Ortskern entfernt bot den Siedlern Schutz und Nahrungsgrundlage. Um 800 v. Chr. verließen diese wohl durch eine Klimaveränderung, Überschwemmung ihrer Wohnstätten am Rand der Rheinauen, und suchten ökologisch günstigere Lebensräume im Kraichgauer Hügelland. Das "Dörndl" in Wiesloch war ursprünglich ein Wehrturm der Stadtmauer. Es beherbergte um 1557 und später nach Abbruch des oberen Torturmes das Ortsgefängnis. Im Turm waren drei Arrestzellen und im Anbau, der um die Jahrhundertwende erstellt wurde, die Wohnungen der Polizeidiener. Seit 1985 städtisches Museum. (Oktober 2005) Die Reste der Stadtmauer mit den Wehrturm "Sauermillichhaffe". Woher der Name kommt, weiß man heute nicht mehr genau. Es gibt jedoch zwei Erklärungsversuche: Zum einen könnte er von der seltsamen Krone kommen, die der Turm trägt. Mit etwas Phantasie könnte man einen "Haffe" (Topf) erkennen, dem die Milch überläuft. Zum anderen könnte der Turm bei einer Belagerung als "KühlSchrank" gedient haben, wo die Bürger während der Belagerung ihre Milch aufbewahrten. Die Belagerung dauerte jedoch länger als angenommen, und so wurde die Milch sauer. (Oktober, 2005) 65 Um 100 n. Chr. schufen Siedler in der römischen Epoche eine Ortschaft, die eine Mittelpunktfunktion einnahm und Händler und Handwerker im Laufe von 150 Jahren einen gewissen Wohlstand erlangten. Durch den Fall des Limes und Plünderungen durch die Alemannen wurde der Ort völlig zerstört und aufgegeben. In mehreren Siedlungsschritten „wanderte“ der Ort vom Westteil der heutigen Gemarkung in die östlich gelegenen erhöhten Ausläufer der Bergstraße, wo sich heute der Stadtkern befindet. Eine erste urkundliche Erwähnung von Wiesloch, damals „Wezzinloch“ findet man in einer Schenkungsurkunde vom 12. September 801 an das Kloster Lorsch. Umfang und Art der Schenkung deuten darauf hin, dass Wiesloch ein Jahr nach der Krönung von Karl dem Großen zum Kaiser eine größere Ortschaft war. Im Jahre 965 wurde von Kaiser Otto dem Großen die Erlaubnis erteilt in Wiesloch einen öffentlichen Markt zu errichten. Diese Marktrechtsverleihung gilt als Beweis für die Größe und Bedeutung der Ansiedlung Wiesloch (NN, 2000d). Im Jahre 1288 wurde Wiesloch zum ersten Mal als Stadt in einer Urkunde des Pfalzgrafen Ludwig dem Strengen erwähnt. Im 13. und 14. Jahrhundert wurde eine massive Ringmauer um Wiesloch gezogen, entwickelte sich zu einem städtischen Gemeinwesen und einem blühenden Städtchen in der Kurpfalz. Die Kurfürsten in Heidelberg, die eine gewichtige Rolle im Reich spielten, hatten wenig Zeit um sich um ihr Territorium und ihre Städte zu kümmern. Die Wieslocher Bürger waren außer für das Schloss dem Kurfürsten kein Am unteren Ende der Fußgängerzone, kurz bevor die Frondienst schuldig wie sie meinten Torbrücke den Leimbach überquert, stand bis zum Jahr und sahen eine Chance eine 1818 das "Untere Tor". Dieses war einer der beiden Eingänge der mit der Stadtmauer befestigten mittel- gewisse Unabhängigkeit auszualterlichen Stadt. Heute erinnert eine Tafel an der bauen. Dadurch gab es ständige Löwen-Apotheke an dieses Tor. Querelen zwischen dem Kurpfälzischen Oberamt in Heidelberg und dem Wieslocher Gemeinderat. 66 Im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) gab es in Wiesloch verheerende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen durch Einquartierungen, durchziehende Truppen und Plünderungen. Auf Wieslocher Gemarkung gab es zwei Gefechte. Im April 1622 zwischen General Tilly und Mansfeld und im August 1632 zwischen schwedischen Truppen unter Marschall Horn und kaiserlichen Truppen unter General Montecuculi. Noch schwerer traf es Wiesloch am 28. Januar 1689 als französische Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg Wiesloch heimsuchten und fast völlig niederbrannten (NN, 2005d). Nach der Zerstörung der Stadt (1689) wurde das alte Rathaus im Jahre 1713 neu aufgebaut. Durch Umbaumaßnahmen in den Jahren 1821 und 1885 blieben nur Teile der Umfassungswände und die klassizistischen Säulen der Fassaden bestehen. Das älteste erhaltene Gebäude in Wiesloch, der „Freihof“. Ehemals ein Adelshof aus dem 14. Jahrhundert ist es heute ein Hotel und Restaurant. Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Stadtmauern von Wiesloch zum größten Teil abgerissen, die Stadt vergrößerte sich. Im Jahre 1803 wurde Wiesloch dem Territorium der Markgrafenschaft Baden zugeschlagen, woraus sich das Großherzogtum Baden herausbildete und bei der folgenden Verwaltungsreform als Amtsstadt ernannt. Im Jahre 1806 bezog das Die evangelische Stadtkirche in Wiesloch. Sie wurde 1707 zugesprochen endgültig den Reformierten 67 Großherzogliche Bezirksamt seinen Sitz in Wiesloch. Später kamen ein Amtsgericht und Gefängnis dazu. Die junge badische Amtsstadt Wiesloch entwickelte sich bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem kulturellen und administrativen Mittelpunkt an der Südlichen Bergstraße. Mit Abschluss der Gemeindereform wurde am 1. Januar 1973 Wiesloch als „Große Kreisstadt“ erhoben, nachdem die selbstständigen Gemeinden Baiertal und Schatthausen zu Wiesloch kamen (NN, 2005d). Wiesloch, Merian-Stich (um 1625) In Wiesloch und um Wiesloch wurde bereits im 8./9. Jahrhundert Weinbau betrieben. Dieser ist somit einer der traditionsreichsten landwirtschaftlichen Sonderkulturen dieser Gegend und hat die Stadt Wiesloch und deren Einwohner nachhaltig geprägt. So findet jedes Jahr Ende August das Kurpfälzische Weinfest, eines der größten Weinfeste in Baden-Württemberg, in Wiesloch statt. 68 Johann Philipp Bronner Schule in Wiesloch Im Jahre 1907 wurde eine Handelsabteilung mit einer Klasse I an der Gewerbeschule in Wiesloch eingerichtet. Der Schulvorstand, der Gewerbelehrer Heinrich Mack wird zu einem „Übungskurs für Handelslehrer“ einberufen und unterrichtet danach alle 22 Schüler, die alle männlich waren. Das Großherzogliche Landesgewerbeamt ordnet, damit im Kurs kein Unterricht ausfällt, die Herbstferien entsprechend zu verlegen. Durch die Klassenstufen II und III wird die Handelsabteilung in den nächsten beiden Jahren erweitert, wobei zwei Handelslehrer den Unterricht erteilen. Im Jahre 1921 wird eine selbstständige Handelsschule eingerichtet, die Größe der Schule ändert sich nur wenig. Zu der bestehenden Kaufmännischen Berufsschule wird 1955 eine zweijährige Handelsschule angegliedert in der fünf hauptamtliche Lehrer unterrichten. Der Antrag zur Errichtung einer Höheren Handelschule scheitert an der Nähe Heidelbergs. Die zweijährige Handelsschule wird 1967 zur Wirtschaftsschule in der die Fachschulreife erteilt werden kann. Durch die große Schülerzahl werden vier parallele Klassen geführt. Acht hauptamtliche Lehrer erteilen den Unterricht. Das Bildungsangebot der Handelslehranstalt wird 1972 erweitert in dem ein Wirtschaftsgymnasium mit dreijährigem Unterricht eingerichtet wird. Dazu werden Jahr für Jahr drei große Paralleleklassen der Klassenstufe 11 aufgenommen. Um die insgesamt 24 Klassen kümmern sich inzwischen 31 hauptamtliche Lehrer. Im Jahre 1982 wird an der Handelslehranstalt Wiesloch eine Fachklasse für Einzelhandelskaufleute eingerichtet. Eine Initiative Wieslocher Bankinstitute zur Bildung einer Bankfachklasse wird vom Oberschulamt abgelehnt. Auch hier wird die Nähe zu Heidelberg als ausschlaggebendes Argument genannt. Die Schulleitung schlägt ebenfalls 1982 für die „Handelslehranstalt Wiesloch“ den Namen Johann-Philipp-Bronner-Schule vor, dem der Kreistag zustimmt. Zunächst Handelsabteilung der Gewerbeschule Wiesloch und „Kaufmännische Fortbildungschule“ genannt firmiert die Schule seit 1921 als „Handelsschule“. Nach der Erwiterung im Jahre 1955 findet man auf den Briefköpfen der Absender „Handelsschule und Kaufmännische Berufsschule“. Um 1960 bürgert sich der Name „Handelslehranstalt“ ein. 69 Die Johann-Philipp-Bronner-Schule in Wiesloch wird 1984 um das Kaufmännische Berufskolleg I erweitert. Zirka 30 Klassen werden in den kommenden Schuljahren von 40 hauptamtlichen Lehrern unterrichtet. 10 dieser Klassen gehören zum Teilzeitbereich der Kaufmännischen Berufsschule. Das Logo der Johann-Philipp-Bronner Schule in Wiesloch Im Jahre 1992 treffen sich 800 ehemalige Abiturienten mit ihren Lehrern zum zwanzigjährigen Bestehen des Wirtschaftsgymnasiums Wiesloch. Mit einer Festveranstaltung und einem Tag der offenen Tür wird 1992 der 200. Geburtstag von Johann Philipp Bronner gewürdigt, dessen Namen die Schule seit 10 Jahren trägt. Die Johann-Philipp-Bronner-Schule führt im Jahre 2000 einen Seminarkurs am Wirtschaftgymnasium ein. Als Schulversuch wird ebenfalls im Jahre 2000 das Profil Wirtschaftsinformatik am Wirtschaftsgymnasium eingeführt. Im Jahre 2001 beginnt an der Johann-Philipp-Bronner-Schule in Wiesloch die Ausbildung zum Informationskaufmann/-kauffrau und Systemkaufmann/-kauffrau. Das berufliche Schulzentrum wird erweitert. Die 580 qm großen Erweiterungen an der Johann - Philipp - Bronner-Schule Wiesloch verursachten Kosten in Höhe von ca. € 1,5 Millionen, die der Rhein-Neckar-Kreis trug. Zu den Gesamtkosten für das ganze Berufsschulzentrum in Höhe von € 8 Millionen, gab das Land Baden Württemberg einen Zuschuss in Höhe von € 1,75 Millionen. Die Johann-Philipp-Bronner-Schule in der Gymnasiumstraße 2 in D-69161 Wiesloch gliedert sich heute (2005) in die Zweige Wirtschaftsgymnasium, Kaufmännisches Berufskolleg, Wirtschaftschule und Kaufmännische Berufsschule auf (NN, 2005e). 70 Johann-Philipp-Bronner-Weine Der Winzerkeller Wiesloch wurde 1935 gegründet. Rund 2 000 Winzerinnen und Winzer pflegen die rund 750 ha großen Weinberge, die zwischen dem Kraichgau und der Badischen Bergstraße liegen, und tragen dazu bei, dass alljährlich nach der Weinlese Spitzenqualitäten in den Kellern des Winzerkellers in Wiesloch heranreifen. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Winzerkeller in Wiesloch zu einer der größten Winzergenossenschaften in Baden-Württemberg entwickelt, die eine modernste Kellereitechnologie anwendet und eine Kellerkapazität von 16 Millionen Litern Wein hat. Zur Verbesserung der Weinqualität hatte sich die Winzergenossenschaft Wiesloch entschlossen Johann-Philipp-Bronner-Weine zu produzieren, die erstmals ab August 1991 geliefert werden konnten. In einem Prospekt vom Winzerkeller Wiesloch aus der damaligen Zeit liest man (NN, 1991): „HOHER SACHVERSTAND Prospekt (1991) Bitte die Flasche langsam entkorken. Das Glas bedächtig füllen ... und jetzt den Wein funkeln lassen. Ehre wem Ehre gebührt. Die Gaben der Natur und das Können des Menschen machen den Wein zum Wein. Johann Philipp Bronner (1792 - 1864) war der geniale und zukunfts-weisende Weinbauforscher des 19. Jahrhunderts. Er begann 1820 in seinem Weinberg in Wiesloch mit dem Beobachten und praktischen Experimentieren. Dann untersuchte er den Weinbau in Deutschland und schrieb darüber 7 Bücher. 1840 schuf er eine Rebschule in Wiesloch mit 500 000 Reben. 1875 umfaßte sie 300 verschiedene Sorten, darunter 35 amerikanische. Alles für die Steigerung der Weinqualität ... deshalb haben wir diesen einzigartigen Pionier zum Namengeber unserer „Besten“ gewählt. Alle Johann Philipp Bronner-Weine sind im Charakter und Qualität besonders 71 typisch für den Bereich „Badische Bergstraße/Kraichgau“. Unsere Kellermeister wählen sie aus der großen Palette des jeweiligen Jahrgangs nach Abschluß des Ausbaues sorfältig aus. Wir verzichten bei der Bezeichnung ganz bewußt auf die Angabe einer Lage ... denn einzig und allein die Qualität des fertigen Weines rechtfertigt die Aufnahme in diese Serie. Es handelt sich ausschließlich um trockene Weine, die sowohl ideale Essensbegleiter als auch hervorragende Solisten darstellen“. In einem späteren Prospekt (2003) werden die Johann-Philipp-Bronner-Weine in einem neuen Gewand folgendermaßen dargestellt (NN, 2003): „Exklusiv für die Gastronomie - Johann-Philipp-Bronner-Weine Johann Philipp Bronner (1792 bis 1864) war der geniale und zukunftsweisende Weinbauforscher des 19. Jahrhunderts. Für höchste Weinqualitäten zu Sorgen war seine Lebensaufgabe. Ihm zu Ehren widmen wir diesen Wein als idealen Essensbegleiter. Ihre Vorteile: - gehobene, wertige Ausstattung Top Qualität durch selektierte Traubenauslese Vertragswinzern Optimales Preis-Leistungs-Verhältnis Vor allem aber: Exklusives Gastronomieprodukt“ mit ausgesuchten Bei den Johann-Philipp-Bronner-Weinen handelt es sich um Weine, bei denen die Traubenhenkel an der Rebe großzügig verjüngt werden um den Ertrag zu verringern, gleichzeitig aber den wenigen Trauben die am Rebstock bleiben dessen volle Kraft zu geben. Die Johann-Philipp-Bronner-Weine gibt es bisher als: Weißburgunder, Spätlese, trocken Riesling, Spätlese, trocken Grauburgunder, Spätlese, trocken Schwarzriesling, Spätlese, trocken Lemberger, Spätlese, trocken Spätburgunder, Spätlese, trocken 72 Prospekt Johann-Philipp-Bronner-Weine (2002) 73 Rebsorte Bronner Abstammung: Merzling x Rondo (S.V. 5-276 x (Riesling x Ruländer) x Rondo (Saperavi severnyi = Früher Malingre x Vitis amurensis) x Saint Laurent) Die Kreuzung der weissen Rebsorte erfolgte im Jahre 1975 am Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg im Breisgau (BadenWürttemberg) durch Dr. Norbert Rebsorte Bronner Becker. Ihr Name wurde nach dem deutschen Weinbau-Pionier Johann Philipp Bronner (1792-1864) vergeben. Der Wein ist stoffig, kräftig, fruchtig und lässt eine Ähnlichkeit zu Weißburgunder erkennen. Er weist ein gutes Alterungspotential auf und reift vornehm. Auf rund ca. 2.5 ha Rebfläche wird sie in Franken im Versuchsanbau erprobt, in Bayern ist sie seit 2000 klassifiziert (PAULI, 2005). Auch in Wädenswil in der Schweiz wird die Rebsorte Bronner seit 1994 und in Walenstedt seit 1997 angepflanzt (BASLER, PFENNINGER, BILL, 2002). Johann Philipp Bronner 74 Allgemeines über Wein Vitis vinifera L. Die zur Familie der Rebengewächse (Vitaceae) gehörende Art Vitis vinifera L. umfasst alle wichtigen in Europa kultivierten Ertragsrebsorten. Die Kulturrebsorten sind das Ergebnis der Selektion und Kreuzung von Wildreben. Die in Nordamerika verbreiteten Rebsorten anderer Vitis-Arten (Vitis ripara, Vitis rupestris u. a.) sind gegen die Reblaus resistent und werden in Europa als Pfropfrebe verwendet. Aus den reifen Früchten der Weinrebe, die als wein (Rispe) bezeichnet werden, läßt sich durch Einmaischen oder Keltern mit den üblichen kellertechnischen Verfahren nach spontaner alkoholischer Gärung Wein erzeugen. Die Weintrauben werden für die Weinbereitung zunächst in der sogenannten Traubenmühle eingemaischt (zerquetscht). Im Falle der Weißweinbereitung wird sofort gekeltert (ausgepressen) der Maische und der Saft (Most) wird von den Stielen, Schalen und Kernen (Treber, Trester) getrennt. Bei der Rotweinbereitung wird jedoch die Maische direkt der Hauptgärung überlassen, da der hauptsächlich aus Anthocyanen1819 bestehende Farbstoff der roten und blauen Weinbeeren (mit 18 Anthocyane durch Marquart (1835) geprägte, von griech.: anthos = Blüte und kyanos = blau abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe von chemisch verwandten, in der Pflanzenwelt sehr verbreiteten blauen, voletten und roten Farbstoffen (Benzopyrylium-Salzen), die im Zellsaft von Blüten und Früchten gelegentlich auch von Blättern der Pflanzen gelöst sind und deren charakteristische Färbungen hervorrufen. Man kann diese Farbstoffe vielfach durch längeres Kochen der zerquetschten Pflanzenteile mit Wasser oder alkoholischer Salzsäure herauslösen. Die Lösungen werden bei geringem Säurezusatz weinrot, bei schwachem Laugenzusatz violett oder blau (FALBE, REGITZ (Hrsg.) 1992a). 19 Die Farbe des Rotweines setzt sich aus über 100 Verbindungen zusammen. Hauptsächlich jedoch kommt die rote Farbe durch die Molekülgruppe der Anthocyanidine. Anthocyanidine sind Aglykone, die bei der Gärung von Anthocyanen entstehen. Anthocyane sind rot-blaue Farbträger, die in roten Trauben, aber auch in vielen roten Beeren oder Blüten vorkommen. Fängt die Maische roter Trauben an zu gären, so spalten sich die Anthocyane 75 Ausnahme der Färbertraube ist der Saft aller Weinbeeren farblos) in den Schalen lokalisiert. Erst mit der Alkohol-Bildung geht der Farbstoff in Lösung, weswegen die Maische erst nach vier bis fünf Tagen gekeltert wird. Die Gärung tritt durch die an der Außenseite der Beeren haftenden Hefepilze (Saccaromyces cerevisiae var. ellipsoideus, pastorianus und die wilden schädlichen Formen apiculatus, exiguus) freiwillig oder nach vorheriger Pasteurisierung durch Zusatz von Hefe-Reinkulturen ein. Und verläuftt unter strürmischen Aufschäumen. Der durch die Hefezellen getrübte Sauser Anthocyanidin (Federweißer, neuer Wein) wird in manchen Gegenden gerne getrunken. Nach weiteren Fortschreiten der vier bis acht Tage dauernden Hauptgärung wird fast der gesamte Zucker-Gehalt verbraucht. Die in unlöslicher Form ausgeschiedenen Eiweiß- und Pektinstoffe bilden mit der Hefe den als Weingeläger (Trub, Drusen) bezeichneten Bodensatz, von dem der Wein abgezogen wird. Der Wein wird in kühlen Kellern langsam nachgären lassen, wobei der Restzucker noch vergärt (treiben). Bei diesem Vorgang entsteht ein zweites Geläger das aus Hefe und Weinstein (Kaliumhydrogentartrat) besteht. Gleichzeitig entstehen die Aromastoffe im Wein. Der nach völligem Abschluß der Gärung vorliegende Jungwein wird in fest verspundete, ausgeschwefelte Lagerfässer abgefüllt, in denen er (teilweise unter Belüftung) seine Reife erhält. Während dieser Zeit setzt die sogenannte Kellerbehandlung des Weines ein, in dem die Beseitigung von Fehlern durch die sogenannte Weinverbesserung stattfindet. Dazu gehört auch das sogenannte Schönen von Wein (Kohleschönung: mit Aktivekohle gegen Geruchsund Geschmackfehler; Blauschönung: Entfernung von Metallionen z. B. Cu, Fe, Zn, Spurenmetalle mit Kaliumhexacyanoferrat (II); Tannin-Schönung: Ausfällen von Gerbstoffen mit Tannin) das durch den Gesetzgeber stark eingeschränkt ist. zum enzymatisch in Glucose und Anthocyanidine. Anthocyanidine und Anthocyane haben beide das gleiche chemische Grundgerüst des 2-Phenyl-benzo(b)pyran, an dem an den Stellen 3, 3´, 4´, 5, 5´, und 7 H-Atome substituiert sind. Das Anthocyan (Zucker) und das Anthocyanidin (Nichtzucker) unterscheiden sich nur durch die Stelle R. Während am Anthocyan ein Glykosidrest hängt, hängt beim Anthocyanidin an Stelle von R ein H-Atom. Man kennt zur Zeit im Rotwein 22 Anthocyanidine, die sich durch unterschiedliche Substitutionen der H-Atome durch Hydroxyl- und Methoxylgruppen an den Stellen R1, R2, und R3 unterscheiden. Die am häufigsten vorkommende Anthocyanidine im Rotwein sind: Cyanidin, Delphinidin, Paeonidin, Petunidin und das in hohen Mengen vorkommende Malvidin. Alle Anthocyanidine zeigen ein Absorptionsmaximum zwischen 500 und 560 nm und charakterisieren somit die rote Farbe von Wein (RUPP, 1998) 76 Schluß wird der luftbeständige, voll entwickelte Wein in Flaschen abgefüllt (FALBE, REGITZ (Hrsg.) 1989). In Deutschland wird Wein in 14 Weinbaugebieten kultiviert in denen ca. 102 000 ha der weltweit rund 8 800 000 ha Anbaufläche liegen (davon ca. 5 000 000 ha in Europa) (1989). Die Weinernte betrug 1989 weltweit 290.1 Millionen hl, in Deutschland 13.2 Millionen hl. Der Durchschnittsertrag liegt bei ungefähr 1l/m3. Bei hochwertigen Weinen, wie den Johann-Philipp-Bronner-Weinen, ist der Ertrag geringer. Von 77 388 Weinbaubetrieben (1990) haben 54% eine Anbaufläche von unter einem halben Hektar, ca. 15% bis ein Hektar, weitere 24% bis fünf Hektar. Dabei werden viele Betriebe von Nebenerwerbslandwirten betrieben. Das Aroma des Weines besteht aus ca. 600 bis 800 flüchtigen Komponenten die folgenden Verbindungsklassen enstammen: Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Aldehyde, Ketone, Säuren, Ester, Lactone Amine- und Acetamide, Schwefel-Verbindungen, Acetate, Ether, Furane, Phenole und Epoxide. Viele dieser flüchtigen Komponenten sind jedoch für das Weinaroma nahezu bedeutungslos. Im Verlaufe der Alterung unterliegen die Aromastoffe erheblichen Veränderungen. Das Aromapotential von Weintrauben kann eingeteilt werden in: - frei vorliegende, geruchsaktive Matabolite (z. B. Terpene, Pyrazine) nichtflüchtige, und daher geruchlose Präkursoren (z. B. Glykoside, Aminosäurekonjugate, Fettsäuren, Phenolcarbolsäuren) geruchsaktive oder geruchslose Verbindungen, die aufgrund ihrer Reaktivität im sauren Medium des Mostes oder Weines neue geruchsaktive Verbindungen bilden (z. B. Polyole), Eine große Rolle spielen dabei nicht flüchtige, geruchlose Präkursoren bei den „neutralen“ Rebsorten. Sind die Moste der Sorten Merlot, Cabernet Sauvignon und Chardonnay eher geruchsarm, so besitzen die Weine ausgeprägte und sortentypische Aromen, da bei der Weinherstellung geruchsaktive Verbindungen aus ihren Präkursoren freigestzt werden. Das Verständnis für das sortentypische Weinaroma ist von entscheidender Bedeutung. Alle Traubensorten haben prinzipell die gleichen geruchsaktiven Verbindungen bzw. Präkursoren, jedoch in unterschiedlichen Konzentrationen. Die Konzentration dieser Stoffe werden dabei bestimmt durch. 77 - - genetisch fixierte Unterschiede in der Expression eines, oder mehrerer Gene (z. B. Monoterpensythesen) äußere Einflüsse auf den Primär- und Sekundärmetabolismus der Weinpflanze (z. B. Bodenbeschaffenheit, Makro- und Mikroklima im Weinberg, Weinbergbewirtschaftung) oenologische Maßnahmen während der Weinherstellung (z. B. Maische – Enzymierung) (W ÜST, 2003). Eine kurze Auswahl flüchtiger Verbindungen im Wein zeigt (Tabelle 1). Dazu gibt es noch nachteilige Veränderungen des Weines, die Aussehen, Geruch oder Geschmack betreffen und durch chemisch-physikalische Reaktionen oder durch Aufnahme fremder Stoffe hervorgerufen werden, die man als Weinfehler bezeichnet. Gibt Wein auf Grund der Verarbeitung minderwertiger Rohstoffe oder durch technologische Unzulänglichkeiten eine unharmonische Zusammensetzung (unausgeglichenes Zucker/Säure-Verhältnis, fehlendes Bukett) liegt ein Mangel des Weines vor. Typische Weinfehler sind der Braune Bruch (oxidative Farbveränderungen gerbstoffreicher Weine) und die Kristalltrübung. Eine Zwischenstellung zwischen Weinfehler und Weinkrankheit nimmt die als Böckser bezeichnete, sowohl auf mikrobiologische als auch auf chemische Prozesse zurückzuführende Schwefelwasserstoff-Bildung ein. Weinkrankheiten sind ebenfalls nachteilige Veränderungen des Weines, die aber von Mikroorganismen verursacht werden (z. B. Essigstich, Geranienton). Weinfehler und Weinkrankheiten werden in Tabelle 2 aufgezeigt (FALBE, REGITZ (Hrsg.) 1992b). Das Bukett vieler süßlich-blumiger Weißweinsorten wie Muskateller, Morio Muskat, Gewürztraminer und Scheurebe wird durch Monoterperne geprägt. Die häufigsten Monoterpene sind azyklische Alkohole und Polyole. Neben den Monoterpenalkoholen Linalool, Neriol und Geraniol wurde mehrere zyklische Ether und Lactone als potente Geruchsstoffe identifiziert. Eine besondere Bedeutung hat hierbei Rosenoxid und Weinlacton mit Geruchsschwellenwerten im ppt-Bereich (Nanogramm/Liter), wie in Tabelle 3 gezeigt wird. Zu den freien geruchsaktiven Monoterpenen kommen auch an Zucker gebundene Monoterpene (Glykoside) in großen Mengen vor. Die Glykoside sind nicht flüchtig und damit geruchsinaktiv. Bei der Weinherstellung können sie jedoch durch Behandlung mit Enzymen (Glykosidasen) freigesetzt werden und stellen ein beträchtliches Aromapotential dar. Zwar ist der direkte Einsatz von glykosidspaltenden Enzymen lebensmittelrechtlich nicht erlaubt, jedoch bewirken Pekinasen, die zur Verbesserung der Filtreierbarkeit des Mostes eingesetzt werden dürfen, diesen Nebeneffekt (W ÜST, 2003). 78 Tabelle 1: Flüchtige Verbindungen im Wein (FALBE, REGITZ (Hrsg.) 1992). Verbindung Methanol 1-Propanol 2-Methyl-1-propanol 1-Butanol 2-Methyl-1-butanol 3-Methyl-1-butanol 1-Hexanol Ethylformiat Methylacetat Ethylacetat Ethylpropionat Propylacetat Ethyl-2-methylpropionat 2-Methylpropylacetat Ethylbutyrat Ethyl-2-methylbutyrat Ethyl-3-methylbutyrat 3-Methylbutylacetat Ethylcapronat Hexylacetat Ethylacetat Ethylcaprylat Ethylcaprinat Diethylsuccinat 2-Phenylethylacetat Ethyllaurat Ethylmyristat Ethylpalmitat Weißwein (mg/l) Rotwein (mg/l) 38-118 9-48 28-170 1.4-8.5 17-82 70-320 3-10 0.02-0.84 0-0.11 4.5-180 0-7.50 0-0.04 0-0.60 0.03-0.60 0.04-1.0 0-0.02 0-0.04 0.04-6.10 0.06-0.60 0-0.63 3.80-15 1.10-5.10 0.90-3,50 0.01-0.80 0.20-5.10 0.10-1.20 0.10-1.20 0.10-0.85 43-222 11-52 45-140 2.1-2.3 48-150 117-490 3-10 0.03-0.15 0.08-0.15 22-190 0.07-0.25 0-0.08 0.01-0.08 0.01-0.08 0.01-0.20 0-0.08 0-0.09 0.04-0.15 0.06-0.13 0-0.60 9-17 1.0-6.0 0.60-4.0 79 Tabelle 2: Weinfehler und Weinkrankheiten (FALBE, REGITZ (Hrsg.) 1992). Aroma-Note grün Kartoffelkeimton Grüne Paprika, krautig-grasig Erdbeerton, Johannisbeerton Foxton Geranienton Mäuselton Holzton Kork-Muffton Naphtalinnate Essigstich Milchsäurestich Mannitstich Böckser Verursachende Komponente(n) Hexanal, Hexenale 3-Isopropy-2-methoxypyrazin 3-Isobutyl-2-methoxypyrazin, Methoxypiperazin 2,5Dimethyl-4-methoxy-2,3dihydro-3-furanon, 2,5 Dimethyl-4-hydroxy-3 (2 H) furanon Anthranilsäuremetylester 2-Ethoxyhexa-3,5-dien 2-Ethyl-tetrahydropyridin, 2-Acetyl-tetrahydopyridin 3-Methyl-γ-octanolid Methyl-tetrahydronaphthalin, 2,4,6-Trichloranisol Sesquiterpene, gebildet vom Penicillium roquefortii 1,1,6-Trimethyldihydronaphthalin Essigsäure Milchsäure Milchsäure, 2-Butanol Schwefelwasserstoff, Tetrahydro-2-methylthiophen-3-ol Weinfehler Weinkrankheit + + + + + +(?) + + + + + + + + + 80 Tabelle 3: Wichtige Terpene im Wein (W ÜST, 2003) Aromastoff Geruchseigenschaft Geruchsschwellenwert (η ηg/l) Linalool blumiger Duft mit leichten Akzenten von Gewürz und Zitrone feiner Rosenduft, leicht süß frischer, leichtpfaumiger, rosiger Duft mit betonten Citrusakzenten kraftvoller, etwas wachsig wirkender Duft blumig-süßer Duft süßlicher, kokusnussartiger Duft durchdringend grüner, grasartiger Stängelduft; erinnert an Rose und Geranium blumig-süßer, an Flieder erinnernder Duft mit leichtem Fichtennadeleinschlag würzig-grüne, leicht blumige Geraniumnote 13 Geraniol Nerol Citronellol Hotrienol Weinlacton Cis-Rosenoxid α-Terpinol Neroloxid 30 400 13 110 0.01 0.2 400 110 81 Colica Pictonum (Kolik der Einwohner von Poitou20) und das Süßen von Wein Vor über 300 Jahren entdeckte der Stadtphysikus Eberhard Gockel (13.06.1636 Ulm - 1703 Ulm)21 aus Ulm die Ursache der colica Pictonum (GOCKEL, 1697). Diese Krankheit war in Deutschland unter der Bezeichnung Bauchgrimmen bekannt. Sie beginnt mit einer äußerst schmerzhaften Kolik, zieht das zentrale Nervensystem in Mitleidenschaft und endete früher häufig tödlich. Die Krankheit wütete jahrhundertelang in vielen Teilen Europas und anderswo. Die Entdeckung von 20 „In Frankreich, in Poitiers, bemerkte man eine heftige Kolik von säuerlichen Weinen, so wie in England vom Apfel=Most, welche daher Poitou=Kolik, Wein=Kolik, Weinstein=Kolik, Oenagra, Colica Pictaviensis, Colica Pictonum und Damnoniorum, Fr. Colique de Poitiers oder de Poitou, Engl. Mill-reek, genannt wird. Alle diese verschiedene Arten kommen meistens mit einander überein“ (KRÜNITZ, 1773-1858). 21 „Eberhard Gockel, Arzt. 1636 in Ulm geboren, zuerst in Giengen später in Ulm habilitirt, einer der eifrigsten und bekanntesten Anhänger der Chemiatrie in Deutschland, erfreute sich eines großen Rufes als Heilkünstler, so daß er zum Leibarzte des Herzogs von Württemberg ernannt wurde. Sein Todesjahr ist nicht bekannt. Ein Verzeichnis seiner Schriften, die von Beweisen äußerster Leichtgläubigkeit, Geschmacklosigkeit und baarem Unsinn strotzen, findet sich in Haller, bibl. Chir. 1. S.373 und Bibl. Med.-pract. III. S. 160“ (HIRSCH, 1879). Eberhard Gockel wurde am 13. Juni 1636 in Ulm geboren. Sein Vater war der StadtPhysikus (u. a. während des 30jährigen Krieges), Johann Georg Gockel und dessen Frau Maria Eberhardina. Der Großvater war Balthasar Gockel, der Schlachter lernte und von seinem Stiefvater 1596 nach Ulm geschickt wurde, um Arithmetic zu lernen. Später machte dieser eine angesehene Karriere innerhalb der Kirche. Mit 16 Jahren beendete Eberhard Gockel die Schule in Ulm und studierte Medizin in Tübingen und Basel wo er 1656 promovierte und wurde im selben Jahr zum Arzt in Waiblingen ernannt. Fünf Jahre später wurde er Physikus in Geisslingen, dann in Giengen, bevor er 1675 zum Stadtphysikus von Ulm sowie Arzt von wenigstens fünf Klöstern in bzw. nahe der Stadt ernannt wurde. Er heiratete 1656 Maria Barbara Ruoff, die Tochter eines angesehenen Arztes. Mit dieser hatte Eberhard Gockel 18 Kinder (11 Mädchen, 7 Buben). Er war ein fleißiger, gelehrter und in seiner Region hochangesehener Mann. Eberhard Gockel starb 1703 an einem ansteckenden Fieber. Einer seiner Söhne, Christopher Erasmus Gockel, praktischer Arzt in Ulm starb am selben Tag wie sein Vater im Alter von 41 Jahren (EISINGER, 1982, 1997). Eberhard Gockel, der auch Mitglied der Kaiserlichen Leopoldinischen Akademie der Naturforscher war, schrieb über 100 Bücher, Traktate und Artikel. Er schrieb auch das Buch: Tractus Polyhistoricus Magico-Medicus Curiosus, Oder ein kurtzer, mit vielen verwunderlichen Historien untermengter Bericht von dem Beschreyen und Verzaubern. J. M. Hagen, Frankfurt und Leipzig, 1717, 214 Seiten Die Zauberey, wie sie der alte Kirchenlehrer Origines definiret, ist eine rechte Verführung des Teuffels, ein Gespött des bösen Geistes, eine rechte Grundsuppen der Abgötterey, Verblendung der Seelen, und Aergernuß der Hertzen... (Sie) wird von denen Zauberern, welche durch einen absonderlichen Pact sich mit dem Teuffel und bösen Geistern verbunden haben, unter allerhand verbottenen Mitteln und Ceremonien zuwegen gebracht und in das Werck gerichtet, welche billich von allen rechtschaffenen Christen verbannet und verdammet wird (S. 3 f.) Ab S. 154 folgt als "Mantissa oder Zugabe... Die Mylianische zusammen gesammlete Geheime Artzney-Mittel Wider die zauberische Schäden und Kranckheiten, Welches biß daher nur geschrieben in etlicher gelehrter Leute Händen verborgen gehalten..." 82 Eberhard Gockel führte 1696 zu einem der ersten Verbraucherschutzgesetze, dem Edikt Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg22. In diesem wurde die Verwendung von Bleizusätzen im Wein bei Todesstrafe verboten. Erst sehr viel später konnte die Krankheit weitgehend ausgerottet werden (EISINGER, 1982, 1997). Die frühesten Hinweise auf die colica Pictonum stammt aus dem 6. Jahrhundert n. Chr., in dem der byzantinische Arzt Paul von Aegina berichtete, dass sie in vielen Teilen des Römischen Reiches verbreitet war. Die typischen Krankheitssymthome der colica Pictonum wurden in vielen wichtigen medizinischen Abhandlungen geschrieben, so etwa bei dem persischen Arzt und Philosophen Avicenna (Abu ´Ali ibn Sina) (um 980 in Afschana bei Buchara (heute Sowjetrepublik Usbekistan in Mittelasien) 1037 in Hamadan (Persien), bei Paracelsus (lat. Pseudonym von [Philippus Aureolus] Theophrastus Bombastus von Hohenheim 10.11.1493 Einsiedeln (Kanton Schwyz) - 24.09.1541 Salzburg) und François Citois (1572 -1652). Mit dem Aufkommen des Buchdrucks und durch die Eberhard Gockel starke Verbreitung medizinischer Abhandlungen wurde man seit dem 15. Jahrhundert über das Auftreten und den Verlauf der colica Pictonum besonders gut unterrichtet. 22 Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg (18.09.1676 Stuttgart - 31.10.1733 Ludwigsburg; (der 10.) Herzog von Württemberg von 1692 - 1733). Dieser wurde mit 16 Jahren für volljährig erklärt und regierte als absolutistischer Herrscher seit 1693. Er heiratete 1697 Johanna Elisabeth von Baden- Durlach; doch schon bald wurde Wilhelmine von Grävenitz die entscheidende Frau am Hofe. 1704 legte Eberhard Ludwig den Grundstein zum Barockschloß Ludwigsburg, das so großartig wie Versailles werden sollte. Und er gründete die Stadt Ludwigsburg, die nach ihm benannt wurde. Von 1701 bis 1714 erwarb sich Eberhard Ludwig militärische Meriten im Spanischen Erbfolgekrieg. Er heiratete 1707 Wilhelmine von Grävenitz und lebte in Doppelehe; 1708 wurde die Ehe mit der Grävenitz für nichtig erklärt und er lebte mit der verbannten Grävenitz bis 1810 in der Schweiz. Durch eine Scheinehe legitimiert kam die Grävenitz 1811 wieder an den Hof. Der Hof zog 1724 von Stuttgart nach Ludwigsburg um. Wohl auf Intervention von Wilhelm I. von Preußen kam es endgültig zum Bruch mit der Grävenitz. Diese wurde auf Hohenurach zwei Jahre gefangen gehalten und musste 1833 das Land verlassen. 83 Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg Avicenna Paul von Aegina Paracelsus Epedemien traten häufig bei Mitgliedern derselben Familie oder Mönchen eines bestimmten Klosters auf. Die Epedemien wurden aber nur erkannt, wenn die Symtome gleichzeitig bei mehreren Opfern auftrat. Blei ist ein Gift das kummulativ wirkt. So trat die Krankheit gewöhnlich bei grösseren Gruppen nur dann auf, wenn der Bleigehalt im Wein so hoch war, dass schon wenige Wochen nach dem Genuss des Weines die Symptome auftraten. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert kam es in vielen Ländern (Frankreich, Italien, Spanien, Böhmen, Mähren, Schweden, Holland, England, Schlesien, Schweiz, Deutschland, Österreich) besonders häufig im Herbst und im Gefolge kalter Sommer zu Epedemien. Zeitgenössische Ärzte machten die sauren, herben Weine dieser Jahre für den Ausbruch der colica Pictonum verantwortlich (EISINGER, 1982, 1997). 84 In den meisten medizinischen Berichten wurde den Therapiemöglichkeiten ebensoviel Platz eingeräumt wie der Beschreibung der Krankheitssymtome und den möglichen Ursachen. Eine wirkungsvolle Therapie wäre es gewesen die Bleibelastung im Körper der Patienten zu reduzieren, indem man Medikamente reicht, die die Bleiionen im Blut binden und ihre Ausscheidung erleichtern. Diese Therapie ist aber erst seit kurzem bekannt. Die Therapien früherer medizinischer Literatur trugen kaum dazu bei den natürlichen Ausscheidungsprozess von Blei aus dem Körper zu beschleunigen. Veränderten sich die Symptome im Laufe der Zeit, da das Krankenbild nicht stabil war, beanspruchten früher viele Ärzte eine geeignete Behandlungsmethode gefunden zu haben. Dabei wurden katastrophale Behandlungmethoden durchgeführt in dem Medizin gereicht wurde die selbst Blei enthielt, oder die 18 Unzen Quecksilber, die einem amerikanischen Opfer der colica Pictonum einen Tag bevor er starb verabreicht wurde. Zweifhaften Nutzen hatten Aderlass, Abführ- und Brechmittel sowie Klistiere. Andere Ärzte die merkten, dass die verfügbaren Therapien nutzlos waren, versuchten den Patienten die Ängste zu nehmen und deren Schmerzen zu lindern (EISINGER, 1982, 1997). In gängingen Nachschlagewerken der Medizin findet man heute zur Bleivergiftung (ZETKIN, SCHALDACH, 1999): „entsteht durch inhalative Aufnahme von bleihaltigen Dämpfen oder perorale Aufnahme von Bleistäuben. Bei der seltenen akuten Bleivergiftung abdominelle Symptome (Erbrechen, Bauchschmerzen, Obstipation), auch toxische Leber- und Nierenschäden möglich. Chronische Vergiftungen (Saturnismus) mit vielfältiger Sympthomie: Bleilkolorit (durch Anämie und Gefäßspasmen), graublauer Bleisaum am Zahnfleisch, Polyneuropathie, Enzephalopathie, Bleikoliken (durch Gefäßspasmen und Obstipation), Hypertonie und Schrumpfniere werden heute nicht mehr beobacht ... Chronische Bleivergiftung als Berufskrankheit anzeigepflichtig“. Blei stört den Eiseneinbau in die roten Blutkörperchen. Die toxische Wirkung des Bleis besteht in der Deaktivierung von bestimmten Enzymen, die eine Störung des Porphyrinstoffwechsels der Blutbildung und der Funktion der Gefäßnerven bewirken. Dadurch werden die betroffenen Blutkörperchen funktionsuntüchtig und können keinen Sauerstoff aufnehmen. Der Mensch verspürt bei der Aufnahme von mäßigen Mengen Blei anfangs eine Mattigkeit, bei Aufnahme größerer Mengen Blei treten dann eine deutliche Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, unter Umständen Kopfschmerzen oder Schwindel und Magen-Darm-Störungen hinzu. Erst bei Aufnahme großer Mengen Blei, wie man es heute im Arbeitsleben nicht mehr beobachtet, treten krampfartige Bauchschmerzen und Erbrechen auf sowie eine 85 Schädigung des zentralen und peripheren Nervensystemes. Im Endstadium nach jahrelang höchster Bleibelastung beobachtet man auch Nierenversagen. Auch der Komponist Ludwig van Beethoven (getauft 17.12.1770 Bonn 26.03.1827 Wien) scheint das Opfer einer Bleivergiftung (Wasser? Blei im Wein?, Bleigeschirr?) geworden sein. Man liest (NN, 2005m): „Ludwig van Beethoven litt und starb nach Expertenmeinung an einer Bleivergiftung und nicht an Syphilis. Selbst der Verlust seines Gehörs könnte nach Ansicht amerikanischer Wissenschaftler mit dem extrem hohen Bleigehalt in seinem Körper zu erklären sein. Analysen einer Haarlocke, die dem Komponisten 1827 unmittelbar nach seinem Tod abgeschnitten worden war, zeigten jetzt das Hundertfache des heute normalen Bleiwertes. Das Bonner Beethovenhaus wies am Mittwoch darauf hin, dass den Untersuchungsergebnissen frühere Studien vorausgingen. Es gebe "zwei Meter" Bücher über Beethovens Krankheiten und Ludwig van Beethoven (1823) Todesursachen, die vor allem auf Beethovens eigene Äußerungen in Briefen sowie auf dem Obduktionsbericht fußen. Eine Haaranalyse sei nun erstmals vorgenommen worden. Beethoven war als 56-Jähriger qualvoll gestorben. Er hatte seit Beginn seiner [18]20er Jahre unter schweren Leibschmerzen gelitten und war für seine extremen Stimmungsschwankungen bekannt. Diese Symptome decken sich voll mit der Diagnose einer Bleivergiftung, die das Argonne National Laboratory in Argonne (USStaat Illinois) und das McCrone Forschungsinstitut in Chicago jetzt übereinstimmend stellten. Entgegen den Erwartungen fanden beide Analysen nur verschwindend geringe Spuren von Quecksilber. Damit steht nach Ansicht der Forscher fest, dass Beethoven nicht an Syphilis litt, wie in den vergangenen drei Jahrzehnten in vielen musikhistorischen Dokumenten vermutet worden war. Quecksilber-haltige Salbe 86 wurde lange Zeit gegen Syphilis eingesetzt. Ebenso deckte die vierjährige Untersuchung des Haars keine Rückstände von Opium oder anderen Schmerzmitteln auf, die Beethoven das schmerzvolle Ende erleichtert hätten. Woher die schwere Bleivergiftung stammt, lässt sich derzeit noch nicht genau festlegen, heißt es weiter. Eine Möglichkeit sehen die Wissenschaftler darin, dass der Komponist von jungen Jahren an in Kurorten das Wasser heißer Quellen getrunken hatte. Beethoven selbst rätselte über die Ursache seines Leidens und bat seine Brüder als etwa 30-Jähriger, ihr nach seinem Tod auf den Grund zu gehen. „Die Haarlocke, die jetzt das überraschende Ergebnis von Beethovens Krankheit brachte, war 1994 von vier Mitgliedern der Amerikanischen BeethovenGesellschaft bei einer Auktion von Sotheby´s in London zum Preis von 7 300 Dollar (damals rund 12 000 Mark) erworben worden. Für die Analyse standen insgesamt 422 Haare mit einer Länge von jeweils sieben bis 15 Zentimetern zur Verfügung“. Man liest noch dazu (NN, 2005n): Ein Bewunderer hatte dem Komponisten am Tag nach seinem Tod im Jahr 1827 das Haarbüschel abgeschnitten. Heute gehört es zwei US-Fans. Das Ergebnis der chemischen Analyse passt laut Walsh zur Leidensgeschichte des Musikgenies. "Beethoven lief von Arzt zu Arzt, auf der Suche nach einer Therapie für seine Leiden", sagte der Forscher. Die Verdauungsschwierigkeiten des Komponisten, seine chronischen Bauchschmerzen, seine Reizbarkeit und seine Depressionen seien allesamt durch die Bleivergiftung erklärt. Das Trinkwasser in Wien, wo der Musiker in seinen letzten Lebensjahren lebte, war stark bleihaltig und wurde oft aus Bleitassen getrunken. Eine Bleivergiftung wirkt sich langfristig auf das zentrale Nervensystem und den Verdauungstrakt aus. Nach Beethovens Tod hatte der junge Musiker Ferdinand Hiller seinem Idol ein 15 Zentimeter langes Büschel mit 582 Haaren abgeschnitten. Das Erinnerungsstück wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es dem dänischen Arzt Kay Fremming als Dank für seine Bemühungen um die Rettung der Juden vor den Nazis geschenkt. Nach Fremmings Tod wurden die Haar versteigert. 1994 wurden sie von den beiden BeethovenBewunderern Ira Brilliant und Alfredo Guevara erworben, welche die chemische Analyse initiierten“. 87 Wie jedoch gelangte das Blei in den Wein? Bis in das antike Rom läßt sich die Sitte verfolgen, Wein derartig zu behandeln. Das starke Weintrinken wurde erst mit der Kaiserzeit gesellschaftsfähig, davor verdünnte man den Wein mit Wasser. Parallel zu Handel und Verbrauch nahm auch das Verfälschen des Weins zu. Die Tatsache, dass es weder Glasflaschen noch Korken und vor allen Dingen keine sterilen Bedingungen während der Gärung und Lagerung gab, machte die Verwendung eines Konservierungsmittels notwendig. Benutzen die Griechen dafür Zusätze auf Harzbasis (der Retsina ist ein Nachfolger dieser Weine), bedienten sich die Römer mit einem Sirup, den sie sapa defrutum oder caroenum nannten. Diesen Sirup stellte sie her, in dem sie Traubenmost in bleiernen Kesseln eindickten23. Sapa hat eine Gaius Plinius Secundus der Ältere angenehme Farbe, riecht gut und schmeckt süß und war in der Tat ein wirkungvolles Konservierungsmittel. Der hohe Bleigehalt ist dafür verantwortlich, dieser hält den biologischen Zersetzungsprozeß auf. Stellt man den Sirup nach Rezepten von Columella24 oder Plinius25 her, so erhält man 23 Dabei entsteht Blei (II)-acetat (Bleizucker), welches farblose, süßlich schmeckende, wasserlösliche monokristalline Kristalle bildet. 24 Der in der spanischen Stadt Gades (heute Cádiz) geborene Lucius Junius Moderatus Columella wurde wahrscheinlich um die Zeitenwende geboren und diente als Offizier des römischen Heeres in Syrien . Er gilt als einer der wichtigsten römischen Autoren über den Weinbau. Columellas bekanntestes Werk „De re rustica“ (von den ländlichen Angelegenheiten) schrieb er 60 bis 65 n. Chr. 25 Gaius Plinius Secundus der Ältere wurde in der von Caesar zur Kolonie erhobenen Kleinstadt Novum Comum (Como) am Lacus Larius (Lago di Como) Ende 23 oder Anfang 24 n. Chr. geboren. Seine Familie besaß Landgüter und zählte zu den Rittern. Er wird in Abgrenzung zu seinem Neffen mit gleichem Namen "der Ältere" genannt. Dieser, der Sohn seiner Schwester, hatte früh den Vater verloren und sein Onkel Gaius Plinius Secundus adoptierte ihn in seinem Testament, woraufhin er den Namen seines Adoptivvaters annahm. Um eine Verwechslung auszuschließen, wird allgemein von Plinius dem Älteren und Plinius dem Jüngeren gesprochen. Erst Offizier, dann kaiserlicher Prokurator und Befehlshaber der Flotte von Misenum (hier 79 beim Ausbruch des Vesuv umgekommen) Er entfaltete eine umfassende schriftstellerische Tätigkeit von der nur seine „Historia naturalis“ (Naturgeschchte) in 37 Bänden erhalten ist. 88 einen dunkelbraunen, wohlschmeckenden Sirup von der Konsistenz dünnflüssigen Honigs. Je nach der Intensität der Hitzezufuhr, dem Säuregehalt des Mostes und der Größe und Form des Kesseks schwankt der Bleigehalt etwas. Doch muss die römische sapa circa ein Gramm Blei pro Liter enthalten haben, wobei das Mischungsverhältnis für die Giftigkeit eines mit sapa versetzten Weines entscheidend war. Nach Columella, der selbst große Landwirtschaften betrieb und dazu Angaben macht, haben seine Weine etwa 20 Milligramm Blei pro Liter enthalten. Die heutige Medizin geht davon aus, dass bereits 0.5 Milligramm Blei pro Tag zu chronischer Bleivergiftung führt (EISINGER, 1982, 1997). Lucius Lunius Moderatus Columella Die Rezepte der Rezeptur für die Zubereitung von sapa wurde von den Winzern und Weinhändlern von Generation zu Generation weitergegeben, konnte man in schlechten Jahren doch die Säure und Herbheit des Weines gut damit übertünchen. Das Buch „De agricultura“ von Columella26 erreichte zwischen 1491 und 1769 mindestens sechs Auflagen, sowohl in Latein und Deutsch. Es gab jedoch einige veröffentlichte Rezepte die einen noch höheren Bleianteil im Wein hatten. In einem englischen Kochbuch stand Ende des 18. Jahrhunderts: „Gebe ein Pfund geschmolzenes Blei in klares Wasser, halte das Faß gut warm und verschließe es fest“. Noch um 1884 wird aus saumur in Frankreich berichtet, dass dort wein durch zusatz von Bleikugeln gesüßt wurde (EISINGER, 1982, 1997). Edward Walter Maunder Der Ausbruch der colica Pictonum im 17. Jahrhundert in vielen Teilen Europas, wurde durch eine Reihe von Umständen beigetragen. In Schwaben zeigten die Epedemien, die zu Ende des Jahrhunderts vorkamen, exemplarisch den engen Zusammenhang auf, der zwischen der Krankheit und bestimmten sozialen, wirtschaftlichen und klimatischen Bedingungen bestand. Im 15. Jahrhundert hatte in Süddeutsch- Dies ist ein Kompendium des gesamten naturwissenschaftlichen Wissens seiner Zeit (aus fast 2 000 Büchern von etwa 470 griechischen Autoren zusammengetragenes Wissen), da kritiklos gesammelt und unplanmäßig angeordnet mehr als Materialsammlung anzusehen. Es bildete dennoch die Grundlage des naturgeschichtlichen Wissens im Mittelalter. 26 Lucius Lunius Moderatus Columella, De agricultura libri XII (12 Bücher über die Landwirtschaft). Edition, deutsche Übersetzung und Kommentierung von Will Richter und Rolf Heine, 3 Bde., (Artemis-Verlag) München 1981. 89 land der Wein das Bier als beliebtetes Getränk abgelöst. So gab es iim 16. Jahrhundert gute bis ausgezeichtete und gewaltige Weinernten, mit entsprechend niedrigem Preis. Dies änderte sich jedoch im folgenden Jahrhundert grundlegend. Es spricht einiges dafür, dass es zwischen 1645 und 1715 kaum Sonnenflecken gab (das sogenannte Maunder-Minimum27), und die dadurch in der Stratosphäre verursachten Veränderungen in vielen Regionen für das seit tausend Jahren kälteste Wetter verantwortlich waren. Die Weinernten fielen in Frankreich und Deutschland in der letzten Dekade des 17. Jahrhunderts so gering aus wie kaum zuvor und entsprechend stiegen die Weinpreise. Zusätzlich wurde die Lage in Deutschland durch eine Reihe harter Kriege verschärft. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) litten die Bauern unter allen Kriegsparteien, viele Städte wurden zerstört. In den 16(90)er Jahren wurde die Pfalz und Württemberg von den Armeen Ludwig XIV. belagert und erheblich zerstört (Pfälzischer Erbfolgekrieg28), so auch Wiesloch in der Johann Philipp Bronner später 27 „Als Maunderminimum werden die Jahre von etwa 1645 bis 1715 bezeichnet, während derer die Sonnenfleckenaktivität sehr gering war. Sie ist nach dem Astronom Edward Walter Maunder (1851 - 1928) benannt, der die geringe Anzahl der Sonnenflecken jener Periode im Nachhinein erkannte. Sonnenflecken waren erst kurz vor dem Maunderminimum erstmals systematisch beobachtet worden, so dass zu jener Zeit noch keine Erwartungen bezüglich ihrer Häufigkeit gemacht werden konnten; nur im Nachhinein ließ sich erkennen, das der Zustand seit 1715 sich signifikant von dem zwischen 1645 und 1715 unterscheidet. Das Maunderminimum fiel mit den kältesten Jahren der „kleinen Eiszeit“ zusammen, während der in Europa und Nordamerika viele sehr kalte Winter auftraten. Aufzeichnungen aus anderen Teilen der Welt sind leider nicht detailiert genug, um diese Aussage zu verallgemeinern. Es wird vermutet, dass eine kurzzeitige Expansion der Sonne mit einer gleichzeitigen Verlangsamung ihrer Rotation das Maunderminumum verursacht habe. Die tieferliegende Ursache ist allerdings unbekannt. Ob eine kausale Ursache zwischen der Sonnenaktivität und dem Erdklima gibt wird von Wissenschaftlern unterschiedlich bewertet. Die Frage ist, ob die geringen Änderungen (vermutlich 0.15-0.4%) der Sonnenaktivität ausreichen, die Klimaveränderungen zu erklären. Insbesondere in der politischen Auseinandersetzung um die Frage der menschenverursachten globalen Erwärmung durch Treibhausgase (Kohlendioxid, Methan, u. a.) hat diese unterschiedliche Bewertung weitreichende Konsequenzen für die Menschheit“ (NN, 2005f). 28 Der Pfälzer Erbfolgekrieg (Orléansscher Krieg) fand von 1685 bis 1697 statt. Es war der dritte Raubkrieg Ludwigs XIV. von Frankreich (05.09.1638 Saint-Germain-en-Laye 01.09.1715 Versailles; König von Frankreich 1643 bis 1715), der für seine Schwägerin, die pfälzische Prinzessin Elisabeth Charlotte (Liselotte) von Orléans (Liselotte von der Pfalz geboren 27.05.1652 Heidelberg - 08.12.1722; verheiratet 1671 mit Herzog Philipp I. von Orléans, Bruder von König Ludwig XIV.), Ansprüche auf Teile der Pfalz erhob, als deren Bruder Kurfürst Karl im Jahre 1685. Ihm traten der deutsche Kaiser Leopold I. (09.06.1640 05.05.1705 Wien; Kaiser von 1658 bis 1705), England, Holland, Spanien und Sardinien entgegen. Ludwig XIV. ließ 1689 die Pfalz verwüsten. Der französische Marschall François Henri de Montmorency-Bouteville, Herzog von Luxembourg (1628 - 1695) siegte in den Niederlanden wiederholt über die Verbündeten (Fleurus 1. Juli 1690; Steenkerken 3. August 1692; Neerwinden 29.Juli 1693). Die Franzosen verloren jedoch die Seeschlacht bei La Hougue (29. Mai 1692) gegen die englisch-holländische Flotte. Im Frieden von Rijswijk 1697 90 lebte. Die umherziehenden Heere vergrößerten die Nachfrage nach Wein, in einer Zeit als die Ernten besonders gering ausfielen. Dadurch wurde der Anreiz besonders geschürt, die wetterbedingt sauren Jahrgänge zu „verbessern“. Man klagte in den Zentren des Weinhandels, dass die einst berühmten Neckarweine so viel Tode auf dem Gewissen hätten, dass die Nachbarstaaten ihren Verkauf verboten. Der Verkauf von Wein aus Württemberg nach Bayern kam vollständig zum erliegen und wurde erst 1732 wieder aufgenommen. Bayern verpflichtete sich vertraglich zur Abnahme von jährlich 2 000 Eimern29 württembergischen Wein, während im Gegenzug das Herzogtum Württemberg versprach, ausschliesslich seinen Salzbedarf in Bayern zu decken (EISINGER, 1982, 1997). Ludwig der XIV. von Frankreich Der württembergische Herzog Eberhard Ludwig interessierte sich lebhaft für die Kontroversen um das „Verbessern“ von Wein, da der Weinhandel für ihn eine wichtige Einnahmequelle darstellte. Ärzte wie der Stadphysikus von Heidenheim oder Göppingen befürworteten die Verwendung von Bleiweiß30, während Eberhard Liselotte von der Pfalz gab Frankreich seine rechtsrheinischen Eroberungen zurück; es verzichtete auf die Pfalz, behielt aber das Elsaß und Straßburg. 29 Ein württembergischer Eimer entsprach 300 Litern. 30 Bleiweiß; basisches Bleicarbonat (2PbCO3 · Pb(OH)2). Wasserunlösliches, schweres Pulver, giftig. Bleiweiß ist zwar lichtbeständig, wird jedoch an der Luft nach längerer Zeit infolge Schwefelwasserstoff-Einwirkung allmählich gelblich bis bräunlich und ist gegen Säuren und Alkalien nicht beständig (FALBE, REGITZ (Hrsg.) (1989c) 91 Gockel, der als Nachfolger seines Vaters31 Stadtphysikus in Ulm wirkte, dies ablehnte. Die wirklich wichtigste der über 100 Veröffentlichungen von Eberhard Gockel war die Arbeit „De vini acidi per acetum lithargyri cum maximo bibentium damno dulciticatione“ (GOCKEL, 1697a) („Über das Süßen von saurem Wein mit Bleiweiß und den großen Schaden für die, die ihn trinken“). In dieser Schrift äußerte sich Gockel zu der 1694 in zwei Ulmer Klöstern ausgebrochenen Epedemie der colica Pictonum. Als Begründung, dass einige Händler ihren Wein mit Bleiweiß versetzten nannte er Plünderungen „durch die raffgierigen Georg Agricola Franzosen“ sowie Schwierigkeiten, für die wetterbedingt sauren und herben Weine Käufer zu finden. Gockel machte eigene Versuche und hatte festgestellt, dass der Zusatz von Bleiweiß innerhalb von wenigen Minuten den „schlechtesten und sauersten Wein“ zum „besten und lieblichsten Wein“ machte, eine Verbesserung die mehrere Monate anhielt. Durch Versuche konnte er aber auch nachweisen, wie sich ein derartiger Betrug nachweisen ließ, in dem er drei bis vier Unzen Wein mit zehn bis zwölf Tropfen Schwefelsäure versetzte und eine weiße Ausscheidung (unlösliches Bleisulfat) ausfiel. Außer in Latein verfaßte Eberhard Gockel seine Abhandlung auch in einem populärem Bericht über die „Ulmer Epedemie“ (GOCKEL, 1697b). In dieser drückte er seine Bewunderung für Samuel Stockhausen32 aus. Dieser kann wohl als erster 31 Der Vater von Eberhard Gockel, Johann Georg Gockel, der ebenfalls Stadtphysikus in Ulm und Vorgänger seines Sohnes war, hatte im Dreißigjährigen Krieg Epedemien der colica Pictonum erlebt und darüber mit seinen Kollegen korrespondiert (EISINGER, 1982, 1997). 32 „Der in Goslar tätige Bergarzt Samuel Stockhausen geht im Jahre 1656 auf Grund eigener Beobachtungen spezifischer auf die Gefahren durch Blei im Bergbau ein. Die Erze wurden in zum Teil wassergetrienenen Pochwerken wohl unter erheblicher Staubentwicklung zerkleinert und dann auf sogenannten Röststadeln ausgeschmolzen. Waren diese Stadel überdacht, um den Betrieb auch bei Regen und im Winter zu gewährleisten, kam es zu erheblicher Rauchentwicklung, insbesondere wenn der Wind die Entlüftung behinderte. „Diese Räuche sind dick, gelblich, süßlich, ähnlich Honig“ (nach Stockhausen). Bleiverunreinigungen oder die absichtliche Zugabe von Blei, um das Silber leichter abzuscheiden, führten nach Stockhausens Beobachtungen zu einer Symptomatik, die schon von Agricola (AGRICOLA, 1556) „Hüttenkatze“ oder „morbus metallicus“ genannt wurde. Es handelt sich um schmerzhafte Darmkoliken, Krämpfe sowie Lähmungen (Fallhand) und Kachexie. Stockhausen erkennt auch, daß es sich bei der Hüttenkatze um diesselben 92 Arbeitsmediziner bezeichnet werden, der 40 Jahre zuvor über eine bei den Bergarbeitern häufig vorkommende Krankheit berichtete und erkannte, dass diejenigen Arbeiter welche dem Bleidampf oder Bleistaub ausgesetzt waren an der sogenannten Hüttenkrätze erkrankten (STOCKHAUSEN, 1656). Gockel war überzeugt davon, dass die zu seiner Zeit wütende Epedemie ebenfalls eine Bleivergiftung zugrunde lag (EISINGER, 1982, 1997). In zwei Ulmer Klöster beobachtete Gockel dieselben Symptome wie sie Stockhausen beschrieben hatte. Unter seinen Patienten befand sich auch der Prälat des Deutschritterordens und Hausherr im Deutschen Haus in Ulm, Graf Franz Ludwig Leibelfingen. Dieser, der Ordensekretär, der Kaplan und der Bedienstete des Kaplans zeigten alle diesselben Symptome und starben während der Weihnachtsfeiertage des Jahres 1694, wenige Monate nach Ausbruch der Krankheit. Zu dieser Zeit war die Ursache der Krankheit noch unbekannt, Gockel gab im ersten Bericht zu dieser Zeit auch keine an. Jedoch ist zu erkennen, dass Gockel die bis dahin gültige, auf Hippokrates33 und Galen34 zurückgehende „Theorie der Phänomene handelt, die schon Dioscurides, Aëtius und Avicenna als Koliken „ex minerali causa“ bezeichneten. Er rügt: „Die Arbeiter essen und trinken im Winter auch in den Hütten und Arbeitsräumen und erkranken“(nach Stockhausen). Neben den Bleidämpfen wurde also auch der Bleieintrag durch kontaminierte Nahrung bereits im 17. Jahrhundert erkannt“ (SCHÜMANN, 1995) 33 Hippokrates von Kos (um 460 v. Chr. auf der Insel Kos - um 370 v. Chr. Larissa (Thessalien). Berühmtester Arzt des Altertums, gilt als „Vater der Heillkunde“ und Begründer der Medizin als empirische Wissenschaft. Hippokrates legte großen Wert auf exakte Beobachtung und Beschreibung der Krankheitssymtome, auf die Prognose und entsprechende prophylaktische Maßnahmen. Gesundheit und Krankheit wird von der Hippokratischen Schule im humoralpathologischen Sinne charakterisiert, d. h. als Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht von Körpersäften (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle), die aber auch durch äußere Faktoren beeinflussbar sind. Die hohe ethische Auffassung des Arztberufes von Hippokrates und die Löslösung von der mytischen Heilkunde zur wissenschaftlich orientierten Medizin führte zum „Eid des Hippokrates“. Unter seinem Namen kennt man über 60 überlieferte Schriften, die aber nur zum Teil Hippokrates zuzuordnen sind (FREUDIG, GANTER (Hrsg.), 1996). 34 Claudius Galen (Galenos, Galenus) (um 129 Pergamon - um 199 Rom). Bedeutenster Arzt der römischen Periode der Antike. Praktizierte ab 158 als Gladiatorenarzt in Pergamon. Ab 161 praktitierte er in Rom wo er durch Vorlesungen und therapeutische Erfolge schnell berühmt wurde. Er wurde Leibarzt von Marcus Aurelius und Lucius Aurelius Versus. Galen verband Anatomie und Physiologie des Aristoteles mit der „Körpersaftlehre“ (Humoralpathologie) und den diagnostischen Fähikeiten Hippokratiker in seinen Betrachtungen. Damit schuf er ein ganzheitliches System in der Medizin, welches bis ins 17. Jahrhundert wirkte. Galen verfaßte über 400 medizinische und teils philosophische Schriften. Bis in die Neuzeit bezeichnete man die empirisch nach Vorschriften hergestellten zusammengesetzten Arzneien als „Galenische Arzneimittel“. Die aus Grund-, Wirk- und Hilfsstoffen hergestellte Arzneizubereitung (Galenika) und die Formgebung und technologische Prüfung der Arzneimittel (Galenik) trägt Galens Namen. Die Begriffe „Galenik“ oder „Galenische Pharmazie“ hören sich recht antik an, werden aber noch heute im Sprachgebrauch verwendet. In der pharmazeutischen Industrie werden diese Begriffe für den Bereich der Arzneiformung angewendet. An den Universitäten dagegen spricht man 93 Temperamente“, wonach die Mischung der „Körpersäfte“ einen entscheidenden Einfluß auf die unterschiedliche Veranlagung des Menschen hat, in Frage stellte. Es war zu jener Zeit nicht ungewöhnlich die Ursache der Krankheit nicht zu kennen. Beide, Ärzte und Patienten gaben sich meist damit zufrieden, die Ursachen in den „Temperamenten“ zu suchen (EISINGER, 1982, 1997). Hippokrates von Kos Claudius Galen Im Augustiner-Kloster Wengen hatte Gockel gesehen, dass die Krankheit bei seinen Patienten etwa zur gleichen Zeit ausbrach, obwohl diese unterschiedliche geben müsse. Als auch Franziskanermönche aus Ehingen, die im deutschen Haus die Messe gelesen hatten krank geworden waren, nachdem sie mehrere Tage lang denselben Wein getrunken hatten wie ihre Gastgeber, richtete sich sein Verdacht auf den Klosterkeller. Nach Rückkehr in ihre Klöster hatten sich diese allerdings wieder vollständig erholt. Auch fiel Gockel auf, dass die Mönche die keinen Wein tranken auch nicht krank wurden. Zur Versorgung seiner Patienten besuchte Gockel diese allabendlich im Kloster, wobei ihm immer ein Glas Wein angeboten wurde. Er erlitt bald grässliche Koliken und bekam hohes Fieber, das er ein halbes Jahr nicht los wurde. Durch diese Erfahrung wurde sein Verdacht erhärtet. Bei dem Besuch im Weinkeller wurde der Verdacht bestätigt, er förderte aus einem der Weinfässer ein klebriges Sediment zutage. Der Wein stammte von einem Göppinger Händler und heute von der „Pharmazeutischen Technologie“. Darunter versteht man eine eigenständige Fachdisziplin und wird im angelsächsischen Raum auch mit dem Begriff „Pharmaceutics“ umschrieben und ist dort Mittelpunkt der pharmazeutischen Ausbildung (FREUDIG, GANTER (Hrsg.), 1996). 94 von diesen erhielt Gockel ein Rezept, das den römischen Rezepturen sehr ähnlich war, wobei der Bleianteil im Wein bei etwa 70 Milligramm pro Liter führte (EISINGER, 1982, 1997). Augustiner-Chorherrenstift St. Michael zu den Wengen. Gründungsrelief über dem ehem. Hauptportal. Bis auf Karl den Großen gehen Gesetze zurück, die sich gegen das Verfälschen von Wein richteten. Trotz Erhöhung der Strafen zeigte sich die Schwierigkeit Weinpanschern auf die Schliche zu kommen, da man nicht genau wußte was dem Wein zugesetzt wurde. Neben Blei konnten dies auch Kalk, Quecksilber, Arsen, Schwefel, Speck, Senf und andere Kräuter sein, die verläßlichen Analysenmethoden fehlten. Da auch Bleiverbindungen in der Medizin angewendet wurden, kann man davon ausgehen, dass Blei als nicht gesundheitschädlich angesehen wurde. Ulm (um 1890) 95 Das Panschen von Wein war in Ulm, einem wichtigen Handelszentrum für Weine vom Neckar, dem Elsaß und dem Rheintale schon lange vor Gockels Wirken ein Problem gewesen. Deshalb hatte die Stadt 1487 angeordnet, dass jeder Wirt schwören müsse, dass nur reiner Wein eingeschenkt wurde. Weder er noch seine Frau oder Angestellte durften eine Reihe von Zusätzen zufügen, darunter wurde auch „Bleiweiß“ aufgeführt. Ein kaiserliches Edikt von 1497 besagte, dass es verboten sei Weinen u. a. „Bleiweiß“, Kalk und Milch zuzufügen. Das von Herzog Eberhard Ludwig am 10. März 1696 erlassene Gesetz, war aber das erste, in dem ausdrücklich der Zusatz von Blei verboten war. Die Händler die trotzdem Wein mit Blei verfälschten, sowie alle die derartige Verstöße nicht meldeten, wurden mit dem „Verlust von Leben, Ehre Buch über die Bleikrankheit und ihre Heilung von Louis Bochardt, Arzt in Heilbronn (1825) und Vermögen“ bedroht. Weiterhin wurde angeordnet, dass alle Ärzte in Württemberg und die benachbarten Staaten über die Gefahr von Bleizusätzen im Wein informiert wurden. Der Zusatz von Blei und Bleiprodukten im Wein ging in den Folgejahren zwar zurück hörte aber nicht auf. Wenige Jahre nach dem Edikt von 1696 wurde der Küfer Johann Ehrni aus Esslingen für schuldig befunden seine Weine mit Bleiweiß zu frisieren, und wurde öffentlich in Stuttgart hingerichtet. Die analytische Verfahren Blei im Wein nachzuweisen verbesserten sich allmählich, aber erst in den (17)50er Jahren erließen einige deutsche Städte und Staaten, wie Trier, Hessen, die Pfalz und Baden, dem Vorbild Württembergs, Blei im Wein per Gesetz zu verbieten. Bei Zuwiderhandlungen drohten Gefängnis- und Todesstrafen (EISINGER, 1982, 1997). Das Süßen des Weines mit Blei und Bleiverbindungen verschwand erst ganz mit der industriellen Zuckerproduktion aus Rüben. 96 Zuckerherstellung aus Rüben Als Andreas Sigismund Marggraf35 1747 den Zuckergehalt in Pflanzen (weiße Mangold, Zuckerwurzel, rote Rübe) entdeckte und sein Schüler Franz Karl Achard36 35 Andreas Sigismund Marggraf (03.03.1709 Berlin - 07.08.1782 Berlin). Als Sohn eines Apothekers (Hofapotheker Henning Christian Marggraf) beschäftigte sich Marggraf schon in jungen Jahre unter Anleitung seines Vaters mit der Chemie und Pharmazie. Er studierte am Collegium medico-chirurgicum in Berlin, in Straßburg Chemie und Physik, in Halle Medizin und in Freiberg Metallurgie. Er machte nach Abschluss des Studiums eine Studienreise durch Deutschland um Berg- und Hüttenwerke kennen zu lernen. 1735 kehrte er nach Berlin zurück und wurde bereits drei Jahre später Mitglied der Königlichen Preußischen Societät der Wissenschaften. Marggraf wurde 1760 Direktor der Physikalisch-Mathematischen Klasse, der inzwischen umbenannten Königlichen Akademie der Wissenschaften. Margraf war ein vielseitiger Forscher und machte bei seinen experimentellen Arbeiten eine Reihe wichtiger Entdeckungen. Er beschrieb 1743 eine verbesserte Methode zur Gewinnung von Phosphor aus Harn, mit Bleioxichlorid, Sand und Kohle, die damals eine große Bedeutung erlangte. 1745 stellte er erstmals Kaliumcyanid her und erkannte dessen lösende Wirkung auf Metallsalzniederschläge. 1746 entwickelte Marggraf ein Verfahren zur Zinkgewinnung, in dem er unter Lutftabschluß Galmei mit Kohlepulver reduzierte. 1747 entdeckte er die Möglichkeit Rohrzucker aus verschiedenen Pflanzen (Mangold, Zuckerwurzel, rote Rübe) zu gewinnen. Zur Beobachtung der Zuckerkristalle führte er das Mikroskop im chemischen Laboratorium ein. Er publizierte 1749 sein wohl bedeutentste Veröffentlichung „Expériences Chymiques faites dans le dessein de tirer un véritable sucre de diverses plantes, qui croissent dans nos contrées“ („Chymische Versuche einen wahren Zucker aus verschiedenen Pflanzen, die in unseren Ländern wachsen, zu ziehen“). Mit diesen Arbeiten schuf Marggraf die wissenschafliche Basis für die spätere Zuckerindustrie. 1751 wandte er das gelbe Blutlaugensalz als Reagens auf Eisen an. Zur analytischen Trennung von Gold, Silber, Queckselber, Zink und Bismut setzte er Alkalien ein. Durch intensive Beschäftigung mit Naturstoffen machte Marggraf viele Entdeckungen. 1749 stellte er Ameisensäure aus Ameisen durch Destillation her, 1759 Gewinnung von Mochus aus Bernsteinöl und Salpetersäure, Isolierung der Silber- und Quecksilbersalze der Essig-, Citronen-, Wein-, und Oxalsäure (1761) und Gewinnung von Krapplack mittels Tonerde (1771). Er entwickelte neue analytische Nachweisverfahren mittels des Lötrohrs sowie der Flammenfärbung wobei ihm 1758 die Unterscheidung zwischen Natrium- und Kaliumverbindungen gelang. Marggraf konnte 1764 beweisen, dass im Weinstein und im Sauerkleesalz das Alkali von vornherein enthalten ist und nicht erst beim Verbrennen entsteht. Er beobachtete 1768 die angeätzten Innenwände beim Erhitzen von Flußspat mit Schwefelsäure in einer Glasretorte (MÜLLER, 1989a). 36 Franz Carl (François Charles) Achard (28.04.1753 Berlin - 20.04.1821 Cunern/Schlesien). Der Vater Guillaume Achard stammte aus Genf und war Pastor an der Werderkirche in Berlin. Er war seit 1747 mit der Berlinerin Marguerite Elisabeth Henriette Rouppert verheiratet; die Vorfahren beider Eheleute stammten aus Frankreich und kamen als Hugenotten nach Preußen. Franz Carl Achard studierte Physik und Chemie und veröffentlichte bereits 1773 seine ersten Arbeiten und wurde am 4. Oktober 1774, also mit 21 Jahren in die „Naturforschende Gesellschaft in Berlin" als Ehrenmitglied aufgenommen. Mit 23 Jahren wurde er 1776 Mitarbeiter von Andreas Sigismund Marggraf, Direktor der Physikalisch-Chemischen Klasse der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin und Leiter des zur Akademie gehörenden Laboratoriums, einem der berühmtesten Chemiker seiner Zeit. Dieser hatte 1747 den Zucker in verschiedenen Pflanzen (u. a. Rübe) entdeckt. Bereits 1776 wurde Achard von König Friedrich II. zum ordentlichen Mitglied der 97 Akademie berufen. Er arbeitete auf verschiedenen Gebieten der Physik, Chemie, Meteorologie und der Landwirtschaft und hielt Vorlesungen über Chemie und Experimentalphysik, wobei er sich körperlich sehr erschöpfte. Sein Förderer Andreas Sigismund Marggraf litt mit 67 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls, die Entdeckung des Rübenzuckers lag schon 30 Jahre zurück. Nach dem Tod von Marggraf (1782) wurde Achard vom König umgehend zum Nachfolger als Direktor der Physikalischen Klasse der Königlich-Preußischen Akademie ernannt. Achard arbeitete 1784 über Metalllegierungen, den Einfluss der Salzsäure auf Öle und Seifen und beschäftigte sich 1796 mit Wasseruntersuchungen, der Wirkung verschiedener Gase auf glühende Kohlen, der Verbrennung in Sauerstoff, der Lösung von Metallen in Laugen, der Wirkung von Borsäure auf Metalle, der Herstellung farbiger Schmelzen mit Borax, Pottasche und Soda sowie die Herstellung synthetischer Edelsteine. Weiterhin erwarb sich Achard Verdienste auf analytischen Gebiet durch die Herstellung und Anwendung eines Platintiegels (1784), luftanalytischen Arbeiten, Analysen der Schießpulvergase, der Harnsalze und des Siedepunktvergleiches von Salzlösungen. Achard entwickelte einen transportablen optischen Telegrafen und zwei Eudiometer. Ob Achard die Arbeit über den Zucker von Marggraf gekannt ist nicht klar. Im Jahre 1783 erschien die Arbeit von Marggraf, die er 1747 in französischer Sprache vor der Akademie gehalten hatte „Chemische Versuche aus verschiedenen einheimischen Pflanzen einen wahren Zucker zu verfertigen“ gedruckt in den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in deutscher Sprache (MARGGRAF, 1783). Achard erwarb 1782 das Gut Kaulsdorf (bei Berlin) und begann 1783 mit Versuchen, „Zucker aus europäischen Pflanzen mit Vorteil zu gewinnen". Unter den vielen Pflanzen die Achard anbaute erwies sich die Runkelrübe am besten geeignet. Das Gut brannte nieder und Achard verkaufte es 1786 und setzte 1792 seine Versuche in Französisch Buchholz (bei Berlin) fort. Dazu entwickelte Achard Verfahren zur Gewinnung und Reinigung des Zuckersaftes und zur Kristallisation des Zuckers. Achard verschuldete sich auch persönlich für viele seiner wissenschaftlichen Projekte, und zwar so hoch, daß sein Leben von großen finanziellen Problemen verdüstert wurde. Im Jahre 1791 war der Schuldenberg so angewachsen, daß er der Akademie für einen geringen Preis 300 physikalische Instrumente verkaufen mußte. Eine Sammlung, die die physikalische Klasse zu der Feststellung veranlasste, sie könne „sich rühmen, einen schönen und wohlfeilen Zuwachs an Instrumenten erhalten zu haben“. Achard ersuchte am 11. Januar 1799 König Friedrich Wilhelm III. ihm ein Darlehen zur weiteren Erforschung des Rübenzuckers zu gewähren. Dieser entschied am 15. Januar 1799 den Antrag und stellte Achard den ansehnlichen Betrag von 50 000 Talern in Aussicht. Man liest: „Sr. Königliche Majestät von Preußen etc. haben die, von dem Director Achard, durch beykommende Vorstellung angezeigte Erfindung, der Zubereitung des Zukkers aus der Runkelrübe, mit Landesväterlicher Freude vernommen, da die nach den Anlagen der beygefügten Abhandlung, sowohl von dem Professor Claproth, als von der Berlinischen Zuckersiederey-Companie angestellten Versuche keinen Zweifel übrig lassen, dass, im Falle der Zukkersaft der Runkelrübe auch nicht im grossen zu feinen Huthzucker raffiniert werden könnte, selbiger dennoch in Gestalt von Farinzucker, ja selbst nur als blosser Zukker Syrup, sehr gut angewendet werden und die Stelle des Ausländischen Farinzukkers und Syrups füglich vertreten kann. Schon dies allein giebt der Erfindung einen unschätzbaren Werth und da auch die Hervorbringung des weissesten Candiszuckers hoffen läßt, dass man durch wiederholte Versuche dahin kommen werde, den Zukkersaft der Runkelrübe von dem schleimigten Extraktiv-Stoff zu reinigen, der allein bey der Bearbeitung im Grossen, das Raffinieren desselben zu Huthzucker erschweren soll; so ist es von höchster Wichtigkeit, sogleich in allen Provinzen, wo Zukkersiedereyen sind, Versuche im Grossen mit dem Bau der Runkelrübe und der Bereitung des Zukkers daraus anzustellen“ (NEUBAUER, 1994). 98 1801 die erste Zuckerfabrik baute, wurden die Grundlagen der industriellen Zuckerproduktion geschaffen, und damit verschwand das Süßen des Weines mit Blei und Bleiverbindungen endgültig. Andreas Sigismund Marggraf Franz Carl Achard Marggraf schrieb einen Artikel über die Gewinnung des Zuckers aus Pflanzen, „Chemische Versuche aus verschiedenen einheimischen Pflanzen einen wahren Zucker zu verfertigen“ der 1783 erschien, aber schon früher in französischer Sprache „Expériences Chymiques faites dans le dessein de tirer un véritable sucre de diverses plantes, qui croissent dans nos contrées“ (MARGGRAF, 1749) erschienen war (MARGGRAF, 1783): Achard erwarb daraufhin das Gut Cunern im Kreis Wohlau heute: Wolów).(Schlesien) von Graf Maximilian von Pückler. Ab 1803 zog sich Achard völlig aus den Akademiegeschäften zurück und lebte nur noch auf dem Lande in Cunern (heute: Konary) in Schlesien auf der östlichen Oderseite unweit von Steinau (heute Scinawa). (MÜLLER, 1989b, SIMON, 2003, NN, 2005g). Dort errichte Achard 1801 eine Zuckerfabrik und erntete im ersten Jahr 250 t Zuckerrüben. Die Fabrik lieferte 1802 4 kg Zucker je 100 kg Rüben. Nach der Verhängung der Kontinetalsperre von Napoleon, der karibische Rohrzucker verschwand von den Tafeln, man war auf den Rübenzucker angewiesen, verarbeitete die Fabrik 3.5 Tonnen Rüben pro Tag. 1807 brannte das Gut Cunern mit der Zuckerfabrik ab und wurde 1811 als Lehranstalt für Zuckergewinnung wieder aufgebaut. Die Entwicklung vereinfachter, kostengünstiger Gewinnungsverfahren für Zucker die Achard entwickelte werden praktisch noch heute angewendet. Dazu kam noch die Züchtung von zuckerhaltigen Rüben, die Achard zum Begründer der europäischen Rübenzuckerindustrie machten (MÜLLER, 1989b, NN, 2005g). 99 „§ 1. Niemand wird leugnen, daß außer den Erdtheilchen, den harzigten, gummigten oder mueilaginösen, und außer den Wassertheilchen auch Salztheilchen in den Pflanzen befindlich sind. Mann kann diese selbst aus Pflanzen durch die Reinigung, Verdickung, und Krystallisation ihres Saftes absondern, ohne die wesentlichen Theile der Pflanze zu zerstören. Ein offenbares Beispiel hat man an dem sauren Salze, das in den Apotheken, unter dem Namen Sauerkleesalz (fal acetofellae) bekannt ist, und auf diese Art geschieden wird. Auf eben diese Art habe ich auch aus verschiedenen andern Pflanzen verschiedene Salze erhalten, zum Beispiel einen wahren und vollkommenen Salpeter aus dem Kraute des römischen Fenchels, und aus allen theilen des Borretsch (borago). Zu einer andern Zeit erhielt ich ein wahres reines Kochsalz aus dem Kardobenedectenkraute, aus der Gratiola, und dem gemeinen Fenchel, und eine Art Weinstein aus der Mariendistel. § 2. "Dies brachte mich auch auf den Gedanken auch die Teile verschiedener Pflanzen zu untersuchen, die einen offenbar süßen Geschmack haben. Ich fand, daß einige von denselben nicht allein etwas zuckerähnliches, sondern eine wahren vollkommenen Zucker gaben, der dem gemeinen aus Zuckerrohr verfertigten Zucker vollkommen ähnlich war. § 3. Die Pflanzen, deren Wurzeln ich zu meinen chemischen Untersuchungen wählte, und die mir wirklich eine große Quantität eines wahren Zuckers gaben, sind keine ausländischen Pflanzen, sondern sie wachsen in unsern und anderen Gegenden in großer Menge, werden häufig gebraucht, und verlangen nicht eben ein sehr gutes Erdreich, oder eine besondere Wartung. Sie sind 1) Der weiße Mangold, beta alba, oder Cicla officinarum C. B. Beta Cicla. Linn. 2) Die Zuckerwurzel Sisarum Dodon. Sium Sisarum L. 3) Die rothe Rübe. Betra rubra, Beta radice Rapae C. B. Beta vulgaris L. Die Wurzeln von diesen drey Pflanzen haben mir immer sehr viel reinen Zucker gegeben. Die vornehmsten Kennzeichen, aus welchen man auf die Gegenwart des Zuckers in diesen Wurzeln schließen kann, sind, daß sie, wenn sie in Scheiben zerschnitten und getrocknet werden, nicht allein sehr süß schmecken, sondern daß man auch vorzüglich durch ein Microscop weiße krystallische zuckerartige Theilchen auf demselben bemerkt. 100 MARGGRAF, 1783 101 MARGGRAF, 1749 § 4. Da der Zucker ein Salz ist, das sich auch in Weingeist auflöste, so glaubte ich durch denselben, vorzüglich durch höchst rectificirten Weingeist den Zucker von den übrigen Pflanzentheilen am besten scheiden zu können. Um aber vorher erst zu erfahren, wie viel Zucker sich in dem höchst rectificirten Weingeiste auflösen lasse, so that ich zwo Drachmen des weißesten und feinsten pulverisirten Zuckers in ein Glas, goß vier Unzen höchst rectificirten Weingeist hinzu, und brachte die Mischung 102 in eine Digestion, die ich nach und nach zum Kochen fortsetzte, da sich denn der Zucker vollkommen auflösete. Diese noch warme Solution filtirte ich in ein Glas, welches ich mit Kork wohl verstopfte. Nachdem ich sie acht Tage in der Kälte hatte stehen lassen, so sahe ich, daß sich der Zucker auf neue wieder aus dieser Solution krystallisirte. Man muß aber zu dieser Arbeit allemahl höchst rectificirten Weingeist, und rechte trockne Gläser nehmen, sonst krystallisirt sich der Zucker nicht so leicht. § 5. Nun nahm ich acht Unzen in Scheiben geschnittene, und auf das sorgfältigste in gelinder Wärme (daß sie nicht empyrevmatisch werden) wohl getrocknete weiße Mangoldwurzeln, zerstieß sie zu einem gröberen Pulver, das ich, weil es leicht feucht wird, nochmals gelinde trocknete. Von diesem getrockneten noch warmen Pulver that ich acht Unzen in ein Glas mit einem engen Halse, und goß darauf sechszehn Unzen höchst rectificirten Weingeist, so daß das Glas bis auf die Hälfte davon voll wurde. Hierauf verstopfte ich das Glas mit Kork, setzte es in eine Sandkapelle, und gab nach und nach Feuer bis zum Kochen des Weingeistes, wobey ich das niederfallende Pulver von Zeit zu Zeit umrührte, daß es sich mit dem Liquor wieder vermischte. Sobald der Weingeist anfieng zu kochen, so nahm ich das Glas vom Feuer, und goß die ganze Mischung so geschwind als möglich in einen linnen Beutel, und preßte den Saft heraus. Diesen Saft filtrierte ich noch warm, goß ihn in ein Glas mit einem engen Halse, und platten Boden, und setzte das wohl verstopfte Glas an einen tempererirten Ort. Der Weingeist wurde bald trübe, und nach einigen Wochen erhielt ich ein schönes krystallisches Salz, das alle Eigenschaften des Zuckers besaß der mittelmäßig rein, und hart ist. Diese Krystalle lösete ich von neuen in Weingeist auf. Man kann sie eben so reinigen, als ich § 4 von dem gewöhnlichen Zucker gesagt habe. Auf diese Art kann man aus allen Pflanzen oder ihren Theilen den Zucker scheiden, wenn man in denselben diesen Bestandtheil vermuthet. § 6. Auf diese Art habe ich aus den drey angeführten Pflanzen folgende Quantitäten von Zucker erhalten. Aus einem halben Pfunde getrockneter weißer Mangoldwurzeln erhielt ich eine halbe Unze reinen Zucker. Aus einem halben Pfunde getrockneter Zuckerwurzeln erhielt ich drey Drachmen Zucker. Aus einem halben Pfunde getrockneter rother Mangoldwurzeln erhielt ich zwey und eine halbe Drachme Zucker. 103 Inzwischen enthät der nach der Krystallisation übrig gebliebene Weingeist außer den harzigten Theilen noch etwas Zucker. Wenn man ihn im Marienbade ganz abzieht, so erhält man eine Mischung aus harzigten Theilen und etwas Zucker. Es ist merkwürdig, daß der größte Theil des Zuckers sich gleich zuerst krystallisiert, und der harzigte Theil fast allein in dem Weingeiste zurück bleibt. Auch erhält aus dem § 5 beschriebenen Prozesse, daß das Kalkwasser bey der Bereitung des Zuckers zur Trockenheit und Festigkeit desselben nicht höchst nothwendig sey, wie man gemeiniglich glaubt, sondern daß der Zucker ganz vollkommen, und in krystallischer Gestalt, wenigstens in den Theilen unser Wurzeln enthalten sey. § 7. Von dem wirklichen Daseyn des Zuckers in den angeführten Wurzeln war ich also hinlänglich überzeugt. Da aber diese Art der Scheidung zu kostbar ist, so hielt ich es für das Beste, den gewöhnlichen Weg zu gehen, nemlich den Pflanzensaft auszupressen, das ausgepreßte zu reinigen, abzudampfen und zu krystallisiren, und endlich die Krystalle von neuen zu reinigen. § 8. Hier finden sich gleichwohl verschiedene Schwührigkeiten hauptsächlich wegen der in den Wurzeln befindlichen mehligen Theile, weil unsere Wurzeln im October reif werden, da die Hitze schon nachläßt. Vorzüglich die Zuckerwurzeln haben diese mehlige Substanz häufiger bey sich als die übrigen Wurzeln, die den Saft schleimig zähe macht. Da also die Zuckerwurzeln das meiste zu schaffen machen, wenn man aus ihnen Zucker verfertigen will, so will ich jetzt die Methode den Zucker aus demselben zu scheiden umständlich beschreiben. Diese Herstellung des Zuckers von Andreas Sigismund Marggraf war die erste Reindarstellung eines Pflanzenstoffes. Die Arbeit von Marggraf, der von der Herstellung des Zuckers aus heimischen Gewächsen überzeugt war, hat insgesamt 24 Paragraphen. Ab § 9. beschreibt er die Herstellung des Zuckers aus Zuckerwurzeln, „die den Saft schleimig zähe macht“, und immer ein Problem bei der Zuckerherstellung darstellte. Marggraf erreichte eine Ausbeute von 1.56% Zucker, bezogen auf das Gewicht frischer Rüben (MARGGRAF, 1783, WALLENSTEIN, 1953/54). Dieudonné Thiébault Als Franz Carl Achard sich 1784 mit der 104 Zuckergewinnung aus Rüben begann war er zunächst darauf bedacht eine möglichst zuckerreiche Rübe zu bekommen. Er befaßte sich anfangs nicht auschließlich mit der Runkelrübe sondern auch mit der Zuckergewinnung aus Mais und anderen Rübensorten. Achard arbeitete bei seinen Versuchen gründlich und systematisch und vergaß dabei Zeit un Umgebung. So verbrachte er 1790 dreizehn Nächte im Laboratorium. Der französische Schriftsteller Dieudonné Thiébault37 der Achard besuchte schrieb dazu (THIÉBAULT, 1805, WALLENSTEIN, 1953/54): Thiébaults Erinnerungen 37 König Friedrichs II. (der Große) von Preußen Dieudonné Thiébault (26.12.1733 Rupt sur Moselle - 05.12.1807 Versailles) wurde im Jahr 1765 als Professor für französische Grammatik nach Berlin berufen, um die Schriften König Friedrichs II. (der Große) (24.01.1712 Berlin - 17.08.1786 Schloss Sanssouci; König von Preußen 1740 - 1786) zu korrigieren. Er mußte versprechen, kein Deutsch zu lernen, um sein reines Französisch nicht zu verwässern. Er blieb zwanzig Jahre am Hof und veröffentlichte 1804 in Paris seine Erinnerungen „Mes Souvenirs de vingt ans séjour á Berlin“ („Erinnerungen an meinen 20jährigen Aufenthalt zu Berlin“), in dem er, teils aus eigener Anschauung, teils nach Berichten Dritter, über die letzten Jahre des Marquis d’Argens (27.06.1703 Aix-en-Provence – 12.01.1771 La Garde bei Toulon) am Preußischen Hof berichtet. Er lernte alle kennen, die Prinzessinnen und Prinzen, die Gesandten aus Frankreich, Österreich, England und Rußland, die Mitglieder der Akademie der Wissenschaft. Vor allem aber traf er mit Friedrich II. zusammen, immer wieder und immer in intensivem Gedankenaustausch. Als Wissenschaftler analysierte Thiébault den Aufbau von Staat, Verwaltung, Auswärtigem, von Post, Transport und Polizei. Und als Literat charakterisierte er treffend, einfühlsam aber auch keine Frivolität auslassend die höfische Gesellschaft in Berlin und Europa. 105 „Ich habe gesehen, wie er sich neunmal 24 Stunden hintereinander in sein Laboratorium gestellt hat, um dasselbe Experiment zu verfolgen. Ich habe gesehen, wie er allen Unbilden der Jahreszeit trotzte und ganze Tage damit verbrachte, seine Verfahren zur Vervollkommnung der Tabakkultur zu begutachten, und so aus den von ihm erhaltenen Ergebnissen 23 000 Dreisätze unter Feldbedingungen aufstellte: Er hat uns einen Plan von 40 000 durchzuführenden Versuchen gezeigt, um alle bekannten Gesteinsarten beliebig zerlegen oder zusammensetzen zu können. Ich habe schließlich gesehen, wie er viele geschickt erdachte und sowohl präzise arbeitende wie auch nützliche Maschinen der Akademie vorstellte usw. Monsieur Achard hat viel erreicht, weil er ebensoviel Ausdauer wie Eifer besitzt und weil er sich mit diesen Vorzügen völlig der Wissenschaft widmet“ Fassade des Akademiehauses, Dorotheenstr. 10, (1945 zerstört). In diesem Haus wohnten und wirkten Marggraf und Achard. Mit zwei Reliefbüsten von Andreas Sigismund Marggraf und Franz Carl Achard (1892 angebracht). Die Pflanzenzüchtungsversuche begann Achard im Hausgarten und führte sie später auf dem 5 Morgen des Gutes Kaulshof bei Berlin (jetzt Lichtenberg) durch. Er setzte diese in Französisch-Buchholz und in Cunern fort. Anfangs widmete er sich auch dem Tabakanbau. Dabei untersuchte er welche Sorten sich für den Anbau eigneten und wie die gewonnen Blätter zu behandeln waren. Die Züchtungsversuche von Achard wurden in der Zeit von 1784 bis 1800 unter primitiven Bedingen und unter großen Schwierigkeiten durchgeführt. In seiner ersten Arbeit der Selektierungs- 106 und Anbauarbeiten „Ausführliche Beschreibung der Methode, nach welcher bei der Cultur der Runkelrübe verfahren werden muß, um ihren Zuckerstoff nach Möglichkeit zu vermehren und sie so zu erhalten, daß sie mit Vorteil zur Zuckerfabrikation angewendet werden kann“ (1799) aber auch in späteren Arbeiten „Die europäische Zuckerfabrikation aus Runkelrüben in Verbindung mit der Bereitung des Branntweins, des Rums, des Essigs und eines Caffee-Surrogales aus ihren Abfällen“, gibt er Anweisungen für den Rübenanbau die noch heute gültig sind. Die Zuckerrübe ist eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahr Blätter, Rübenkörper und 2 Meter tief reichende Wurzeln ausbildet. In der Rübe werden Kohelenhydrate in Form von Zucker (Saccharose) gebildet. Die Zuckerrübe ist ein wichtiger Bestandteil der landwirtschaftlichen Fruchtfolge, wobei besonders Zuckerrüben die getreidebetonte Fruchtfolge auflockert. Hatten die Zuckerrüben zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter Achard einen Zuckergehalt von ca. 4%, weist die Zuckerrübe heute einen Zuckergehält von 17 bis 24% auf. Gedenktafel mit der Reliefbüste von Franz Carl Achard, angebracht am 8. Juni 1892 zusammen mit derjenigen von Marggraf an der Fassade des Akademiehauses in der Dorotheenstr. 10. (1945 zerstört) Die erste Kampagne der Rübenzuckerindustrie begann nicht im Oktober 1801 mit gesunden Rüben, sondern erst im März 1802 mit teilweise verdorbenen Rüben, insgesamt 5 000 Zentner, 70 Zentner an einem Tage. In der Zuckerfabrik von Achard in Cunern, es gab noch keine Dampfmaschine und es wurde mit der Hand gearbeitet. Zuckerrübenanbau (1802) „In einem Holzkasten wurden die Rüben mit einem Besen gewaschen. Sechs kräftige Männer bedienten die Schneidemaschine. Bereits ein Jahr drauf erleichterte Achard diese Arbeit, indem er einen Ochsen in die antreibende Tretmühle 107 einspannte. Die zerkleinerten Rüben wurden in einer Walzenpresse durch Tücher ausgepreßt. Der Saft wurde durch Schwefelsäure, durch Kreide, Asche und gebrannten Kalk koaguliert und danach durch Wolltücher filtriert. Er soll das Aussehen von Rheinwein gehabt haben. Achard nannte ihn „Kläre“. Dieser - wie wir heute sagen würden - Dünnsaft wurde in flache Pfannen eingedampft, dekantiert und abgelassen. Verkocht wurde der „Dicksaft“ über Feuer, bald darauf in verbesserter Weise mit Dampf, ebenfalls in offenen Pfannen. Wenn die Masse die richtige Konsistenz hatte, wurde sie in tönerne Zuckerhutformen gegossen. Hierin kristallisierte ein Rohzuckerhut, die Melasse tropfte durch die mit einem Loch versehene Spitze ab. Achard hat keinen Weißzucker erzeugt und dadurch wohl die 1½ Jahrhunderte lang bestehende, chemisch und technologisch nicht notwendige Trennung des Verfahrens in Rohrzuckerherstellung und Raffination festgelegt. Sicher wäre es ihm möglich gewesen, weißen Zucker zu erzeugen. Aber er mußte Rücksicht nehmen auf den Wunsch der Staatsverwaltung und hütete sich wohl auch vor der Gegnerschaft der priviligierten Raffinerien. In Achards Schriften ist von Anfang an die Rede, daß aus der Runkelrübe als Nebenprodukt der Zuckergewinnung hergestellt werden sollten: Sirup, Branntwein und Essig. Auch wollte Achard aus den Blättern ein Tabaksurrogat gewinnen. Achard hat also auch auf diesen Gebiete den Weg gewiesen. Wir sind in 150 Jahren wohl vorangekommen, haben aber das Ziel noch nicht erreicht. Von 25% Trockensubstanz der heutigen Zuckerrübe gewinnt eine Weißzuckerfabrik als Hauptprodukt 14% Zucker. 11% Trockensubstanz werden als - im engeren Sinne des Wortes – minderwertige Abfallprodukte abgegeben oder gehen verloren. Das sind 44% der Gesamttrockensubstanz, nicht so viel, wie das Lignin im Falle der Zelluloseherstellung ausmacht, aber Zuckerrübe genügend; um die Wissenschaft zu unermüdlichen Versuchen anzuregen, damit der von Achard gezeigte Weg zu Ende gegangen werde“ (W ALLENSTEIN, 1953/54). 108 Achard war ein gewissenhafter Forscher, doch ein schlechter Kaufmann. So befand er sich ununterbrochen in finanziellen Schwierigkeiten. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Achards wurden durch Schicksalsschläge noch vermehrt. Besonders als sein Gut Cunern 1807 vollkommen abbrannte. Moritz Freiherr von Koppy (1749 1814) hatte bereits 1805 in der Nähe von Cunern auf seinem Besitz Krain bei Strehlen mit Achards Erfahrungen ebenfalls eine Zuckerfabrik gegründet, die 1811 abbrannte aber 1813 wieder aufgebaut wurde. Auch hatte es Achard mit den Eifersüchteleien von Kollegen zu tun. So verfaßte Sigismund Friedrich Hermbstädt38, der später bei der Gründung der 38 Sigismund Friedrich Hermbstädt (14.04.1760 Erfurt - 22.10.1833 Berlin). Nach Privatunterricht und dem Besuch der St. Michaelsschule und des Ratsgymnasiums in seiner Heimatstadt begann Hermbstädt das Studium der Medizin und Pharmazie an der Universität Erfurt. Zusätzlich besuchte er Vorlesungen der Chemie bei Wilhelm Bernhard Trommsdorf (1738 - 1782), dem Vater des später berühmten Sohnes Johann Bartholomäus Trommsdorf (08.05.1770 Erfurt - 08.03.1837 Erfurt). Nach der Promotion ging Hermbstädt als Repetent für die chemischen Vorlesungen zu Johann Christian Wiegleb (21.12.1732 Langensalza – 16.01.1800 Langensalza) nach Langensalza in dessen von ihm begründeten pharmazeutischen Lehranstalt. Danach arbeitete er einige Jahre in der Ratsapotheke in Hamburg. 1784 arbeitete er als Verwalter in der Apotheke Zum weissen Schwan in Berlin, der Apotheke des verstorbenen Valentin Rose dem Älteren in der bis 1780 auch Martin Heinrich Klaproth (01.12.1743 Wernigerode - 01.01.1817 Berlin) tätig war. Dazu führte Hermbstädt studien am Königlichen Collegium Medico-Chirurgicum fort. Nach einer Exkursion in den Harz und das Erzgebirge (1786) begann er in Berlin mit Privatvorlesungen über Chemie, Physik, Technologie und Pharmazie und wurde 1791 Professor der Chemie und Pharmazie am Collegium Medico-Chirurgicum und übernahm für sieben Jahre die Leitung der Königlichen Hofapotheke. In dieser Zeit erfolgten die Ernennung zum Rat am Obercollegium medicum zum Assessor des königlichen Manufacturund Commerzcollegiums sowie zum Assessor bei der Salzadministration. Durch letzteres wirkte Hermbstädt in chemisch-technologischen Fragen im Ressort des Ministers Karl August von Struensee mit. Durch einen Aufstand auf der Zuckerinsel San Domingo (Haiti) wurde der Zucker in Preußen knapp und teuer und Hermbstädt sollte nach Ersatzstoffen für den Rohzucker suchen. Obwohl ihm die Arbeiten von Andreas Sigismund Marggraf und Franz Carl Achard bekannt waren führte er eigene Untersuchungen an einheimischen Pflanzen wie Türkischen Weizen, Russisch Bärenklau, weiße und schwarze Birken, Pastinaken, Möhren und Rüben, besonders aber Ahorn auf süße Säfte und Zuckergehalt durch, um Achard mit seinen Rübenzuckerversuchen zuvorzukommen. Hermbstädts Versuche waren erfolglos und der Rübenzucker gewann die Oberhand. Obwohl er sich später dazu bekannte, erwähnte er in seinen späteren technologischen Werken Achard und dessen Leistungen zum Rübenzucker mit keinem Wort. Hermbstädts Veröffentlichungen in der Technologie, Landwirtschaft und Pharmazie brachten ihm mehr Erfolg. Er befaßte sich mit Druckverfahren, Färberei, Gerberei, Branntweinherstellung, Bierbrauen, Zuckersiederei, Herstellung von Bleiweiss, Veredelung von Flachs, Kultivierung der Tabakpflanze und viele andere Technologien. Er wurde 1810 auf Vorschlag von Alexander von Humboldt als außerordentlicher Professor für Technologie an die neu gegründete Universität Berlin berufen, wobei er ab 1816 auch Vorlesungen an der Bergakademie in Freiberg (Sachsen) hielt. Großen Einfluss hatte Hermbstädt auf das chemische Denken seiner Zeit. Mit der Übersetzung von Lavoisiers „Traité élémentaire des chimie“ das er als „Des Herrn Lavoisiers System der antiphlogistischen Chemie“ 1792 herausgab, führte zu einer raschen Abkehr der Phlogistontheoreie. Auch unterstützte er die 109 Universität Berlin (1810) als Professor für Technologie wirkte, eine Schrift. In dieser schrieb er abfällig, "daß sie in keinem Falle dazu geeignet ist, den Leuten eine richtige Vorstellung von der Fabrication des Zuckers zu geben, ja daß ihr Inhalt vielmehr so wenig populär vorgetragen ist, daß er mehr abschrecken als zur Unternehmung jener Fabrikation erziehen wird“ (NN, 2000). Durch den Aufbau des Gutes Cunern zu einer Lehranstalt für Rübenzuckerforschung (1811) kamen viele Schüler zu Achard. Diese wohnten in der Nähe der Fabrik, wo 23 Stuben eingerichtet wurden. Ein österreichischer Schüler schrieb in einem Brief aus jener Zeit u. a. (W ALLENSTEIN, 1953/53): Franz Carl Achard „Jedes Individuum hat ein eigenes, hübsch ausgemaltes Zimmer mit vortrefflicher Heizung. Wir zahlen für Frühstück, Mittag- und Abendessen nebst Bedienung täglich einen Taler. Es sind gegenwärtig 14, darunter 4 Holländer, ein Schwede, ein Westfale, drei Sachsen, ein Österreicher, ein Mecklenburger und drei preußische Adlige, durchaus sehr gebildete Männer, die alle willens sind, Zuckerfabriken anzulegen“. Über die Arbeit auf der Lehranstalt für Rübenzuckerforschung äußerst sich der österreichische Schüler von Achard weiter (WALLENSTEIN, 1953/53): Verbreitung der neuen chemischen Nomenklatur die von Antoine Laurent Lavoisier (26.08.1743 Paris - 08.05.1794 Paris, hingerichtet), Claude Louis Berthollet (09.12.1748 Talloires (bei Annecy) - 06.11.1822 Arcueil (bei Paris) und Louis Bernárd Guyton de Morveau (04.01.1737 Dijon - 02.01.1816 Paris) ausging. Hermbstädt schrieb mehrere Werke: Physikalisch-Chemische Versuche Beobachtungen (1786), Systematischer Grundriss der allgemeinen Experimentalchemie (1792), Grundriss der Experimetalpharmazie (1792/93), Grundriss der Färbereikunst (1802), Katechismus der Apothekerkunst (1806), Chemische Grundsätze der Kunst Bier zu brauen (1814), Grundriss der Technologie (1816) und war Herausgeber des Archivs der Agrikulturchemie für denkende Landwirte (ab 1804). Hermbstädt wurde er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt. Friedrich Schinkel entwarf im Auftrag des Gewerbevereins, in dem Hermbstädt ein rühriges Mitglied war, einen Gedenkstein, eine Stele, mit der Inschrift: „Dem Andenken S. F. Hermbstaedts - Der Verein für Gewerbefleiß in Preußen“ (MÜLLER, 2000, NN, 2005k). 110 Hermbstädts Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof (Berlin) „Die ganze Manipulation ist sehr einfach, sobald man die nötigen Maschinen hat, und der erzeugte, raffinierte Zucker gibt dem indischen in nichts nach. - Bei der Erlernung der Manipulation muß jeder Schüler, er sei Graf oder Fürst, alles selbst arbeiten, bloß Wasser und Holz sind durch Handlanger zugeführt. Früh um sechs fängt die Arbeit in der Werkstätte an, wo sich jeder Schüler nach Maßgabe seiner Kenntnisse praktisch üben kann. Später läßt der Direktor die Lehrlinge klassenweise zu sich kommen, bespricht sich mit ihnen über die gemachten Versuche und diktiert den theoretischen Unterricht. Auch nachmittags, nachdem jeder Schüler in seinem Zimmer für sich gespeist hat, ist immerwährende Arbeit in der Fabrik. Die Resultate der seinigen darf jeder Schüler behalten und aufbewahren. So werde auch ich Proben meines verfertigten Sirups, Rohzuckers, raffinierten Zuckers, Branntweins und Arraks mitbringen. Nachdem man bis 8 oder 9 Uhr und bei wichtigen Arbeiten auch noch viel länger in der Fabrik zugebracht hat, schreibt man dann noch die Erfahrungen des Tages auf. So verfließen die Tage wie Stunden, und nie ist mit die Zeit angenehmer und schneller vergangen“ Trotz großer Geldschwierigkeiten ist Achards große Moral und Charakterstärke hervorzuheben, in dem er hohe Summen geboten bekam, die er aber ausschlug und auch standhaft blieb, um ihn von der Verfolgung seiner Idee, der Rübenzuckerherstellung abzubringen. So sollen ihm aus England 50 000 Taler in einem andern Fall 200 000 Taler geboten worden sein, wenn er erklären würde, dass nach neueren Versuchen der Kolonialzucker (Rohrzucker) doch nicht durch Rübenzucker ersetzt werden könne. 111 Buch über die Zuckerfabrikation aus Rüben von Franz Carl Achard (1809) Die Arbeiter in den Rohrzuckerfabriken waren Sklaven, die aus Afrika verschleppt worden waren und unter unmenschlichen Bedingungen lebten und arbeiteten mussten. Achard schrieb dazu (W ALLENSTEIN, 1953/53): „Es ist eine Vorstellung, die alles menschliche Gefühl empört, wenn man bedenkt, wie die Menschen als Tiere verkauft, behandelt, von ihrem Vaterlande, ihrer Familie und von allem, was ihnen das Liebste ist, weggerissen werden und dagegen 112 Grausamkeit, schlechte Kost und Kleidung und immerwährende Krankheiten, solange sie lebten, zu erdulden haben. Glücklich schätzten die Gefährten der Elenden diejenigen, die auf der Reise sterben, das zu erwartende Elend nicht erleben. Man hat berechnet, daß wenigstens die Hälfte stirbt, ehe die Schiffe die westindischen Gräber erreichen. Hinzu kommt noch die grausame und unmenschliche Behandlung der allermeisten Pflanzer, ihre selbst ungesunde und beschwerliche Arbeit auf den sumpfigen Pflanzungen bei der Bebauung und Ernte, desgleichen der Verarbeitung des Zuckerrrohrs auf den Zuckermühlen, wo ihre schon ungesunden Körper vollends entkräftet werden. Diese ungesunden gemarterten, mit bösen Ausschlägen stets geplagten Menschengestalten sind es, die uns den Zucker bereiten. So haben selbst mehrere westindische Pflanzer den Zustand der Sklaven beschrieben. Die gegebene Schilderung ihres Elends ist daher der Wahrheit gemäß und leider nicht übertrieben“. Zuckerrüben in dem Buch über die Zuckerfabrikation aus Rüben von Franz Carl Achard (1809) 113 Achard wollte der unmenschlichen Produktionsmethode des Rohrzuckers eine europäische des Rübenzuckers gegenüberstellen, um wie er schrieb, „durch den Broterwerb, den sie vielen von ihrer Hände Arbeit sich ernährenden Menschen verschafft, den allgemeinen Wohlstand zu fördern, durch das viele Viehfutter, das sie abwirft, den Ertrag der Äcker zu vergrößern und die Viehzucht zu erweitern“. Ein philippinisches Sprichwort lautet: Zucker ist süß für die, die ihn essen, süßer für die, die von ihm Gewinne einstreichen, und bitter für jene, die ihn produzieren müssen. Sklaven beim der Zuckerrohrernte Am Schlusse des Absatzes in dem Achard die Rübenzuckerproduktion zur Ablösung der Sklavenwirtschaft beim Zuckerrohr fordert und als Mittel gegen das Elend einer halben Million im Joch der härtesten Tyrrannei seufzender Menschen betrachtet, schreibt er: „Wer solches nicht fühlt, den mag ich nicht zum Freunde haben, denn die Natur machte einen Mißgriff, als sie ihm die menschliche Form gab“ (WALLENSTEIN, 1953/53): In der Neuen Berliner Monatsschrift erschien 1801 ein Gedicht eines unbekannten Freundes des heimischen Gewächses (Zuckerrübe): Oh wundervolle Runkelrübe! Dir welkt das blut´ge Zuckerrohr, Bald steigt beim Knall der Peitschenhiebe Des Negers Schrei nicht mehr empor. Der Franke wird des Kampfes müde, Der Brite fürchtet Deine Macht, Und eh´ Europa es gedacht, Wird´s einer Rübe wegen Friede. 114 Franz Carl Achard verbreitete seine Kenntnisse und gründlichen Schriften über den Anbau und die Verarbeitung der Rüben, bis zu seinem Tode. Durch diese wurde er in Europa bekannt. Zeitgenössische französische Darstellung: Die Zuckerrübe kann sich nicht gegen das Zuckerrohr durchsetzen. Friedrich Wilhelm II., König von Ptreußen Achard wurde am 8. Oktober1810 gerade 57 Jahre alt in Pension geschickt. Dadurch wurden seine Einkünfte stark gemindert. 1812 wurde er zum Ehrenmitglied der Akademie ernannt, was die Akademie nichts kostete. Auch der üblichen Nekrolog ist bei der Akademie nie erschienen. Friedrich Wwilhelm III., König von Preußen Durch die politische Großwetterlage wurde die Rübenzuckerfabrikation in der Frühphase zu deren Spielball. Preußen verlor 179239 nach der Niederlage gegen die 39 Preußen wurde von König Friedrich Wilhelm II. (25.09.1744 Berlin - 16.11.1797 Berlin; König 1786 - 1797) regiert. Dieser war ein Neffe von Friedrich II. (der Große). 115 französische Revolutionsarmee die linksrheinischen Gebiete, wobei die 2. (1793) und 3. (1795) Teilung Polens Entschädigung bot. Nach der Erhebung Preußens gegen Frankreich (1806)40 wird die preußische Armee am 14. Oktober 1806 bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Gleich am Tage nach der Doppelschlacht, am 15. Oktober 1806, hatte Friedrich Wilhelm III. in Erwiderung eines Schreibens von Napoleon, das er im dicksten Schlachtgetümmel bekommen hatte, diesen um Einstellung der Kampfhandlungen gebeten. Napoleon, der sich in Weimar aufhielt, lehnte dies ab. Am 27. Oktober 1806 zog Napoleon in Berlin ein, wo ihm eine Bürgerdeputation vor dem Brandenburger Tor die Schlüssel der Stadt überreichte. Während Napoleon glanzvoll in Berlin Einzug hielt war das Königspaar in den Osten geflohen. Einzug von Napoleon in Berlin am 27. Oktober 1806 Napoleon erließ mit dem Berliner Dekret am 21. November 1806 eine Kontinentalsperre, d. h. eine wirtschaftliche Absperrung des europäischen Festlandes gegen England. Dadurch wurde auch der „westindische“ Rohrzucker vom europäischen Markt ferngehalten. Der Widerstand Rußlands zu der Kontinentalsperre wurde 1812 der Anlass zu Napoleons Feldzug gegen Rußland. Die einmalige Chance zur Entwicklung zur Marktreife für die Rübenzuckerindustrie gelang jedoch nicht bis zum Ende der Kontinentalsperre (1813). Nahezu alle deutschen Rübenzuckerfabriken kamen in den (18)20er Jahren, als der Rohrzucker wieder günstig angeboten wurde, zum Erliegen. Die Entwicklung lief in Frankreich 40 Preußen wurde von König Friedrich Wilhelm III. (03.08.1770 Potsdam - 07.06.1840 Berlin; König 1797 - 1840) regiert. Dieser war der Sohn von Friedrich Wilhelm II. 116 anders. Dort wurde der Import von Rohrzucker 1811 verboten, und nach einem vorübergehenden Einsatz von Traubenzucker, die Rübenzuckerindustrie entschieden gefördert. Der Unternehmer Louis François Xavier Joseph Crespel-Delisse (1789 1865) produzierte in seiner Fabrik in Arras im Jahre 1825 140 000, 1828 bereits 500 000 Pfund Rübenzucker. 1840 gab es in Frankreich bereits über 500 Rübenzuckerfabriken. Es ist eine Ironie des Schicksaks, dass die von Marggraf und Achard wissenschaftlich und technologisch erforschte Herstellung des Rübenzuckers in den (18)20er Jahren zum erliegen kam, während die protektionistische Politik Frankreichs ihm zum Durchbruch half. Erst als insbesondere Justus Liebig nach Studienreisen in Frankreich die Rübenzuckerindustrie rückimpotierte wurde diese auch in Deutschland heimisch gemacht. Der Zucker wird in Ländern mit gemäßigtem Klima, vor allem Europa, die Vereinigten Staaten, China und Japan aus Zuckerrüben gewonnen. In tropischen und subtropischen Ländern wird der Zucker aus Zuckerrohr gewonnen. Die wichtigsten Zuckerproduzenten sind: Indien, Brasilien, Thailand, China, Australien, Mexiko, Kuba und die USA. Im Wirtschaftsjahr 2004/2005 wurden in der Bundesrepublik Deutschland in 46 676 landwirtschaftlichen Betrieben Zuckerrüben angebaut. Mit rund 437 000 ha nahm die Zuckerrübenanbaufläche etwa 4 Prozent der gesamten Ackerfläche ein. Diese Zuckerrüben wurden in 26 Zuckerfabriken zu Zucker verarbeitet (NN, 2005h). Die Weltzuckerproduktion umfasst heute über 130 Millionen Tonnen, davon werden rund ein Drittel aus Zuckerrüben gewonnen. Andreas Sigismund Marggraf (Büste) Franz Carl Achard 117 Tabelle: Kulturgeschichte des Zuckers (NN, 2000) Jahr Ereignis 15 000 v. Chr. Der Zucker, oder besser gesagt, das Zuckerrohr, stammt aus Melanesien, aus der Südsee. Dort diente er bereits 15.000 Jahre v.Chr. als Proviant auf langen Bootsfahrten. Das Zuckerrohr ist bereits in Ostasien bekannt und gelangt von dort nach Indien und Persien Die Perser entwickeln eine Methode zur Zuckergewinnung: In kegelförmige Tonoder Holzgefäße wird heißer Zuckerrohrsaft eingefüllt. Der Sirup mit den nicht zuckerhaltigen Stoffen tropft durch eine Öffnung in der Kegelspitze aus der kristallisierenden Zuckermasse ab. Zurück bleibt der Zuckerhut. Über Indien gelangte das Zuckerrohr um 650 n.Chr. ans Mittelmeer. Kreuzfahrer brachten um 1100 erstmals Zucker ins Abendland. Eine Kostbarkeit. 1372 etwa tauschte man zwei Mastochsen für ein Kilo Zucker. Bis 1480 hatte sich der Zuckerrohranbau im ganzen Mittelmeerraum verbreitet. Mit den Kreuzrittern lernen die ersten Mitteleuropäer den Zucker kennen. In einer Reisebeschreibung heißt es: "In den Feldern der Ebene bei Tripolis fand man ein Honigschilf, welches sie dort zucra nennen." Erste Importe bringen den Zucker nach Europa, wo er sich bei Königen und Fürsten bald größter Beliebtheit erfreut. 1493 brachte Columbus das Zuckerrohr nach Hispaniola (Dominikanische Republik und Haiti). Zuckerrohr wird weltweit auf großen Plantagen angebaut und nach Europa verschifft. Zucker bleibt ein teures Gut. Das gemeine Volk süßt nach wie vor mit Honig aus Zeidlerei. Zuckerbau ist ein schweres Geschäft. Die Indios weigerten sich, freiwillig auf den Plantagen zu arbeiten. Zur Arbeit gezwungen starben sie dahin. Las Casas, ein Dominikaner, "Apostel der Indianer", schlug vor, robuste Neger aus Afrika einzusetzen, um die Indios zu schonen. Es war gut gemeint, nahm aber ein böses Ende. Die Indios waren um 1540 trotzdem ausgestorben. Der Sklavenhandel dagegen nahm ungeahnte Ausmaße an. Zwischen 1450 und 1850 wurden etwa 10 Millionen Afrikaner versklavt, damit die Europäer ihren Kaffee süßen konnten. Die Kirche protestierte zwar verhalten, war aber letztlich doch zu sehr Teil der Gesellschaft, um ernsthaft Front zu beziehen. Der Chemiker Marggraf, Mitglied der Preußischen Akademie, wies bereits 1747 nach, daß Rohr- und Rübenzucker chemisch identisch seien. Marggraf war Grundlagenforscher. Die Frage der wirtschaftlichen Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse interessierte ihn nicht. In seinem Brief an König Friedrich Wilhelm III. vom 2.12.1799 weist Achard darauf hin, daß Marggraf zwar den Zucker in den Rüben bewiesen, daß diese wichtige Sache aber dann 52 Jahre geschlafen habe. Um 1800 lag der Weltverbrauch bei 250.000 Tonnen Rohrzucker. Um 1900 lag der Weltverbrauch bei 11 Millionen Zucker: 50 % davon aus Zuckerrüben! Achard hat den Rübenzucker nicht erfunden. Er lebte in einer bewegten Zeit. 1700 Gründung der Preußischen Akademie. 1740-1763 die Schlesischen Kriege. 1789 Französische Revolution. 1793 und 1795 die zweite und dritte Teilung Polens. 1806 wird Preußen von Napoleon bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Zwischen 1806 und 1813 verhängt Napoleon eine Kontinentalsperre gegen Großbritannien, der erste Wirtschaftskrieg. Achard verdanken wir, daß er die praktische Umsetzung der Marggrafschen Entdeckung von 1747 zum Thema gemacht hat. Franz Carl Achard züchtete ab 1784 aus der Runkelrübe (1,6% Saccharose)die Zuckerrübe, deren Wurzeln etwa 5 % Saccharose enthielten. Heutige Züchtungen weisen rund 20 % Zucker auf. Achard war aber leider kein praktischer Mensch, erst 6 000 v. Chr. um 600 v. Chr. um 650 n. Chr. 1100 n. Chr. 1493 Ab 1500 um 1540 1450 bis 1850 1747 1799 um 1800 1753 - 1821 118 1811 1820 - 1850 1841 ab 1845 ab 1850 recht kein Geschäftsmann. Bei der technologischen Umsetzung scheiterte er und starb verarmt und vergessen. Die Rübenzuckerindustrie in Preußen blühte nur so lange, wie sie durch die napoleonische Kontinentalsperre vor der "westindischen" Konkurrenz geschützt war. Als der Rohrzucker wieder ins Land strömte, war es mit dem Rübenzucker in Preußen vorbei. Anders in Frankreich. Hier verordnete Napoleon 1811 eine Importsperre für Rohrzucker. Die nationale Rübenzuckerfabrikation wurde intensiv gefördert. In den (18)20er und (18)30er Jahren gingen dann die Deutschen in Frankreich zur Schule. Chemiker wie Liebig und Schubarth machten Studienreisen. Über Frankreich kam der Rübenzucker schließlich nach Deutschland zurück. Um 1850 war der Kampf entschieden. Der Rübenzucker hatte sich gegenüber dem Rohrzucker durchgesetzt. 1850 war auch das Ende der Sklaverei gekommen. Achard hatte 35 Jahre seines Lebens für den Rübenzucker geopfert. Ein wesentliches Motiv für ihn war auch der Kampf gegen die Sklaverei. Erster Würfelzucker der Welt, erfunden von Jakob Christian Rad (Direktor der Datschitzer Zuckerraffinerie in Böhmen) war mit roter Lebensmittelfarbe eingefärbt, weil Juliane Rad (seine Frau) sich beim Herausbrechen aus den vorher üblichen Zuckerhüten den Finger verletzt hatte und ihren Mann daraufhin bat, gleich kleinere Zucker-Portionen herzustellen. Er erfand die Zuckerwürfelpresse, stellte die ersten Würfelzucker her und schenkte die ersten, rot gefärbt, seiner Frau zur Erinnerung an den Vorfall. Frau Rad hatte die blutbespritzten Zuckerstücke dennoch ihren Gästen angeboten, da Zucker damals sehr wertvoll war. So weiß, wie wir Zucker heute kennen, wird er erst durch Raffination, zum Beispiel mit einem Vakuum-Apparat. In Rübenzuckerfabriken kam 1845 die Wattsche Dampfmaschine für die Unterdruckverkochung im Vakuumapparat zum Einsatz. Mitscherlich entwickelte eine optische Methode der Zuckerbestimmung, das Polarisationsverfahren mit Saccharimeter. Reinen weißen Zucker bester Qualität, der besonderen Ansprüchen an Reinheit genügen muß, stellt man in einem gesonderten Arbeitsgang her. Dabei wird aufgelöster Zucker filtriert, gereinigt oder entfärbt, um schließlich ein Produkt von heute über 99,9 % reiner Saccharose zu erhalten, die "Raffinade". Der Konkurrenzkampf zwischen Rohr- und Rübenzucker sorgt für einen drastischen Preisverfall. Das „weiße Gold“ Zucker entwickelt sich zum täglichen Bedarfsgut. Auskristallisierung des Zuckersirups in Zuckerhüten. (Duhamel du Monceau's "Art de rafiner le sucre" von 1764) 119 Tabelle: verschiedene Zuckersorten (NN, 2000) Basterdzucker Brauner Zucker Dekorierzucker Demerara-Zucker Einmachzucker Farin Fondant Grießzucker Hagelzucker Instantzucker Invertzucker Isoglucose Kandisfarin Kandiszucker Karamell Läuterzucker Maltose/Malzzucker Melasse Milchzucker Perlzucker Pilézucker Puderzucker Raffinade Fein kristallin, zur Herstellung von Backwaren, feucht, krümelig, inverthaltig. Grob auskristallisiert, Zwischenprodukt bei der Zuckerherstellung. Anhaftender Sirup verleiht dem Zucker Färbung und klebrige feuchte Konsistenz. Dekorierzucker: feinster Puderzucker und Reisstärke, zur Dekoration von Gebäck, da auf warmem Gebäck nicht schmelzend. Weißer Rohrzucker, der mit Melasse aus Zuckerrohr versetzt ist. Er bildet ein großes, leicht klebriges, blaßbraunes Kristall. Er wird häufig zu Kaffee serviert und auch bei der Herstellung von Gebäck und Süßigkeiten verwendet. Meist aus einfachem Weisszucker hergestellt, enthält jedoch häufig als Zusatz Pektin, um das Gelieren der Früchte zu beschleunigen. Feiner, mehlartiger Zucker, durch Zufügen von Sirup braun gefärbt. Flüssiger Zucker: häufig in Nahrungsmittelindustrie angewandt; aus konzentrierter Zuckerlösung. Gerührte Masse aus gekochtem Zucker, für die Zubereitung von Gebäck, Pralinen und Konfekt. Gelierzucker: für Konfitüren, Gelees und Marmeladen aus Raffinade mit Pektin, Zitronensäure oder Weinsäure als Geliermittel. Grießzucker ist ein grobkörniger Kristallzucker. Kristallzucker wird in den Korngrößen Grießzucker, Sandzucker und Kastorzucker angeboten. Sieht aus wie kleine Hagelkörner, zum Verzieren von Gebäck; aus Raffinade durch Agglomerieren hergestellt. Rasch lösliche Raffinade, besitzt bei gleicher Süßkraft doppeltes Volumen. Durch Hydrolyse (Inversion) von Saccharose entstandenes Gemisch, halb aus Traubenzucker, halb aus Fruchtzucker. (auch "Glukosesirup", "Corn Sirup", "Maissirup", "Maiszucker"), in Getränken und Obstkonserven verwendet, dem Invertzucker verwandt. Vorwiegend aus Maisstärke hergestellt. Brauner Kandis mit kleinerer Kristallgröße. Geringere Reinheit als Kandis. Zuckerkristalle von unterschiedlicher Größe und Farbe; entsteht durch langsames Auskristallisieren reiner Zuckerlösung. Um braunen Kandis zu erhalten, wird karamellisierter Zucker zugefügt; gleiche Süßkraft wie Raffinade. Durch Erhitzen von Traubenzucker oder Rohrzucker auf 150 bis 180°C entstehende braune Masse, die nicht kristallisiert Klarer, dickflüssiger Sirup aus Invertzucker und wenig Wasser, wird meist für die Herstellung von Mixgetränken (Cocktails etc.) eingesetzt, da auch kalt schnell löslich. Aus Stärke gewonnener Zucker, der bei der Produktion von Alkohol zum Einsatz kommt. Als dunkelbrauner Sirup verbleibender "Produktionsrest" der Zuckerherstellung; dient der Alkohol- oder Hefenherstellung, wird auch als Viehfutter verwertet. Melasse aus Zuckerrohr dient der Rumherstellung ("Laktose", "Sandzucker") in der Milch vorkommend, besteht aus Glukose und Galaktose. In der Pharmakologie häufig als Grundlage für Tabletten dienend. Wird von vielen Menschen, besonders Nichteuropäern, genetisch bedingt nicht vertragen. Andere Bezeichnung für Hagelzucker (siehe oben). Weißzucker aus Zuckerplatten in Stücke zerschlagen. Puderzucker: fein gemahlene Raffinade; bei der Herstellung von Zuckerglasuren und beim Backen von Makronen verwandt. Meistgebrauchter weißer Haushaltszucker, aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben hergestellt. Besteht zu 99,9 Prozent aus Saccharose, muss besonderen Reinheitsanforderungen entsprechen, in verschiedener Körnigkeit hergestellt. 120 Nicht süß schmeckender Zucker, kommt in vielen Pflanzen vor. Tritt häufig als Verunreinigung im Haushaltszucker auf. Zucker, aus Zuckerrohr hergestellt; gleichbedeutend mit Saccharose. Rohrzucker wird häufig im Erzeugerland als Rohzucker abgegeben und in speziellen Zuckerraffinerien aufgelöst, erneut kristallisiert (=raffiniert) und je nach dem Bedarf des lokalen Marktes in verschiedenen Sorten an die Verbraucher abgegeben. Vollrohrzucker ist eingedickter und getrockneter Zuckerrohrsaft ohne weitere Verarbeitung. Er besteht zu 95 Prozent aus Saccharose und anderen Zuckerarten, enthält aber auch Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine. Ahornsirup, Rübensirup, Birnendicksaft u. a. Sirupe durch mehrmaliges Kochen des Saftes hergestellt. Hoher Zuckeranteil: (Ahornsirup 65 %, Rübensirup 62 %, Birnendicksaft 78 %). Alle aus Stärke (z.B. Maisstärke) hergestellten Zuckerarten, u.a.: Isoglukose, Stärkesirup, Glukosesirup, Fruktosesirup, Maltodextrin; in der Industrie zunehmend verbreitet, häufige Alternative zur Raffinade. Aus Weintrauben hergestellt besteht hauptsächlich aus Dextrose. Raffinose Rohrzucker Sirup Stärkezucker Traubenzucker Vanillezucker Vanillinzucker Feiner weißer Zucker mit echtem Vanillemark gemischt. Weißzucker Würfelzucker Zuckeralkohole Zuckerkulör Vanillinzucker: Statt echter Vanille wird Vanillin Aroma mit feinem weißem Zucker vermischt. Auch "Grundsorte", Vorform der Raffinade. Angefeuchtete Raffinade zu Würfeln gepresst, anschließend wieder getrocknet. Als Zuckeraustauschstoffe verwendet. Zuckerabbau bei Verdauung langsamer, als normaler Zucker. Bedeutsam für nicht insulinpflichtige Diabetiker z.B. Sorbit, Xylit und Mannit. Lösung aus Karamell, zum Färben von Speisen verwendet. Tabelle: Verbrauch an Zucker in Deutschland (W ALLENSTEIN, 1953/54) Jahr Verbrauch in Kilogramm/pro Kopf 1800 1850 1900 1950 weniger als 1 kg 2.5 kg 12 kg 26 kg Tabelle: Herstellung von Zucker aus Rüben (weltweit) (W ALLENSTEIN, 1953/54) Jahr Tonnen 1800 1850 1900 1950 0 etwa 100 000 5.4 Millionen 11.6 Millionen 121 Süßen des Weins mit Zucker Eine besondere Beachtung schenkte Bronner der Verbesserung der Weine mit Zucker. Dabei kommen die Empfehlungen des Ludwig Gall (GALL, 1854, 1861) dem Zusatz von Zuckerlösungen zum Tragen. Bronner schrieb zu Beginn des Kapitels „Die zweckmäßige Bereitung der Rothweine“ (BRONNER, 1856, SCHUMANN, 1979): „Bevor ich mich in die nähere Erörterung dieses Gegenstandes einlasse, muß ich vorausschicken, daß wir jetzt auf einem ganz anderen Standpunkt der Weinbereitung stehen, als es vor 10 Jahren der Fall war. Bisher war jeder Weinproduzent darauf hingewiesen, sein Gewächs nach angenommener Norm jedes Jahr einmal wie das andere mal zu behandeln, mochte dasselbe ausfallen, wie es wollte, er mußte sich´s gefallen lassen, was ihn Klima und Witterung bescherten, er war Spielball des Zufalls und der Witterungsverhältnisse“. Bronner macht auch auf die wirtschaftliche Bedeutung des „Gallisierens“ aufmerksam. In einem ungünstigen Jahr hat er für 1 350 l Maische von 2 000 Stöcken nur 11 fl. erlöst, - „jetzt würde ich das Zehnfache dafür einlösen“. „Besonders in den nördlichen Weinbauländern wie Deutschland können in manchen Jahren wetterbedingt die Trauben nicht ausreifen. Dies zeigt sich daran, daß der Zuckergehalt der Trauben nicht ausreichend ist, um einen Alkoholgehalt zu liefern, wie es für einen harmonischen Wein erforderlich ist. Oft geht mit diesem „Mangel an Zucker“ ein „Übermaß an Säure“ einher. Anreicherung des Zuckergehaltes und Entsäuerung gehen daher oft nebeneinander her. Dies ist auch der Grund, warum wir diesen beiden wichtigen Maßnahmen im Rahmen der önologischen Verfahren ein besonderes Kapitel widmen. Die Anreicherung des Weines erfolgte um 1800 erstmals durch Zusatz reinen Zuckers und wurde vom französischen Chemiker, Mediziner und Minister Jean Antoine Chaptal (04.06.1756 Nojaret (bei Ludwig Gall 122 Lozère - 30.07.1832 Paris) (1801) empfohlen. In Frankreich nennt man heute diese „Trockenzuckerung“ chaptalisieren. Da in Deutschland die Trauben (der Most) in unreifen Jahren aber meist neben dem Mangel an Zucker auch ein Übermaß an organischen Säuren (vor allem Äpfelsäure) enthält, würde die Trockenzuckerung (Zugabe des festen Zuckers in den hergestellten Most) nicht ausreichen. So kam etwa im Jahre 1828 Ludwig Gall (28.12.1791 Aldenhoven bei Jülich - 31.01.1863 Trier) auf die Idee, diesen doppelten Fehler des unreifen Mostes durch Zugabe von „Zuckerlösungen“ („Gallisieren“) zu beheben. Wenn die Zuckerlösungen genügend konzentriert sind (höher als der zu verbessernde Most), dann kann sowohl der Zuckergehalt erhöht und durch die Verdünnung die Säurekonzentration herabgesetzt werden. Die dabei eintretende „Volumenvermehrung“ war noch ein dritter positiver Effekt aus der Sicht des Winzers. Diese nur in Deutschland erlaubte Handhabung wurde auch noch in einer die Tatsachen auf den Kopf stellenden Weise als „Naßverbesserung“ bezeichnet“ (NN, 2005b). „Galls Methode, Nachzuckern oder auch Gallisieren genannt, wurde von den Winzern in klimatisch günstiger gelegenen Landschaften bald angegriffen, setzte sich aber dennoch durch und brachte dem Moselwein einen nötigen Erfolg. Deshalb wird heute angenommen, daß Galls Methode dem Moselweinbau das Überleben gesichert hat. Sicherlich gab es auch Mißbräuche. Deshalb wurde der mögliche Umfang des Naßzuckerung bald gesetzlich festgelegt. Galls Methode war bis 1984 zulässig. Zu dieser Zeit wurde die natürliche C. F. Öchsle Naßzuckerung durch eine von dem Europäischen Ministerrat festgelegte chemische Methode ersetzt (15.03.1984)“ (MONZ, 2005). In seinen genauen Anweisungen gibt Bronner zur Durchführung der Verbesserung für gute Jahre 90° und für geringere Jahre 80° nach der „Öchselschen Waage41“ von Christian Ferdinand Öchsle42 an. Eine Säureminderung war nur durch Die Öchsle-Waage ist eine Mostwaage zur Bestimmung des Mostgewichtes, also der Dichte von Traubenmost. Dabei handelt es sich um eine Senk- bzw. Spindelwaage (Aräometer) mit angepasster Skalenteilung. Senkwaagen zur Qualitätsbestimmung des Mostes werden seit über 300 Jahren verwendet, jedoch wurden sie erst in den 1820er Jahren vom Mechaniker und Goldschmied Christian Ferdinand Öchsle (auch Öechsle) (26.12.1774 Buhlbach bei Baiersbronn - 17.03.1852 Pforzheim) mit einer praktischen Skala, der nach ihm benannten Öchsle-Skala, versehen. Diese ist vor allem in Deutschland Schweiz und Luxemburg gebräuchlich. Den Betrag des Mostgewichts in Grad Öchsle erhält man aus der bei 20 °C gemessenen Dichte ρ des Mosts durch die Formel p-1000 g/l. Ein Most mit der Dichte 1083 g/l hat also 83 °Öchsle. Über das Mostgewicht lässt sich der potentielle Alkoholgehalt des Weines bestimmen (wenn der Wein durchgegoren ist, das heißt der gesamte Zucker im Wein in Alkohol umgewandelt wurde). Ein Most mit 80 Grad Öchsle ergibt vollständig vergoren einen Wein mit 84 Gramm reinem Alkohol pro Liter, was einem 41 123 die Zugabe von Zuckerlösungen möglich. Zur Säurefeststellung empfiehlt Bronner die Titration mit verdünntem Salmiakgeist. Als angestrebtes Alkohol-Säure-Verhältnis empfiehlt er 6 - 8 g Alkohol und 6 - 8 0/00 Säure. In Österreich wird der Zuckergehalt des Mostes mit der Klosterneuburger Mostwaage (KMW) von August-Wilhelm Freiherr von Babo43 gemessen. Alkoholgehalt von 10,6 Vol % entspricht. Im Allgemeinen liegt das Mostgewicht eines mittleren Jahrgangs in Deutschland zwischen 70 und 80 °Öchsle. Eine Qualitätsaussage über den fertigen Wein ergibt sich nur bedingt aus dem Öchslewert. Ein höherer Zuckergehalt im Most lässt auf eine bessere Reife der Trauben schließen, entscheidend ist aber, was der Winzer oder Kellermeister daraus macht. In Österreich misst man das Mostgewicht in Klosterneuburger Zuckergraden. Die Klosterneuburger Mostwaage (KMW) ist eine Senkspindel zum Messen des Zuckergehaltes von Most und wurde 1861 von August-Wilhelm Freiherr von Babo (1827 - 1894), dem ersten Direktor der Klosterneuburger Weinbauschule entwickelt. Die Skala zeigt den Zuckergehalt des Mostes direkt in Prozenten (g/100g) an. Man kann den Zuckergehalt des Mostes auch alternativ mit einem Refraktometer messen (NN, 2005c). 42 Christian Ferdinand Oechsle (auch Öchsle) (26.12.1774 in Baiersbronn-Buhlbach (Württemberg) - 18.03.1852 Pforzheim). Der Vater war der Glashüttenmeister Israel Oechsle, die Mutter Christina Juditha Lieb und hatten sieben Kinder. Christian F. Oechsle heiratete am 8. Dezember 1803 Karoline Wilhelmine Friederike Gmelin (geb. 18.02.1778) mit der er fünf Kinder hatte. Nach der Schulzeit in Buhlbach im Nordschwarzwald begann er Ende der 17(80)er Jahre eine Lehre als Goldschmied und Bijoutier in Öhringen in Württemberg. Nach Wanderjahren siedelte Oechsle nach Pforzheim über und wurde 1800 Kabinettmeister in der Goldwarenfabrik von Denning. Im Jahre 1810 gründete er eine eigene mechanische Werkstätte in Pforzheim und fertigte Präzisions-Brückenwaagen, physikalische und hydrostatische Gerätschaften für neu gegründete Laboratorien an Universitäten, sowie Musikinstrumente. Im Jahre 1820 wurde Oechsle das Amt des Großherzoglich-Badischen Gold-Kontrolleurs übertragen. Er entwickelte 1829 ein gefahrloses Knallgasgebläse für Lötarbeiten und betrieb eine Spiritusbrennerei und -destillation. Im Jahre 1836 erschien seine Arbeit „Über den Gebrauch der Most- und Weinwaage", in der er seine Methode zur Bestimmung der spezifischen Dichte (später nach Ferdinand Oechsle zu Grad Oechsle benannt) im frisch gepressten Traubensaft beschrieb. Weiterhin erfand er eine Goldlegierungswaage (1838) durch welche man auf mechanischem Wege die Menge Gold oder Kupfer für eine Legierung ermitteln konnte, eine "Rechenmaschine für Bijouteriefabrikanten" (1840) und das Lebensrad (ein Vorgänger des Kinematographen) (HACHENBERGER, 2005). 43 August Wilhelm Freiherr von Babo (28.01.1827 Weinheim - 16.10.1894 Weidling bei Klosterneuburg). Der Vater war der Weinheimer Lampert Joseph Leopold Freiherr von Babo (02.10.1790 Mannheim - 20.06.1860 Weinheim), der zwar Jura studiert hatte, aber zur Landwirtschaft wechselte und ein Schüler von Albrecht Daniel Thaer (14.05.1855 Celle 26.10.1828 Gut Möglin bei Wriezen) war, und dessen 2. Ehefrau Emilie Geib (verh. 22.07.1822), mit der er drei Söhne hatte. Aus erster Ehe (verh. 14.11.1816) mit Caroline Ehrmann (verstorben 1820) hatte er den Sohn und späteren Chemiker Lambert Heinrich Freiherr von Babo (25.11.1818 Ladenburg am Neckar - 15.04.1899 Karlsruhe), der Naturstoffe untersuchte, den Babo-Trichter für das Erhitzen im Luftbad, eine Laborzentrifuge und einen Verbrennungsofen für die Elementaranalyse entwickelte. Der Halbbruder August Wilhelm Freiherr von Babo heiratete (27.03.1852) Auguste Margarethe Bender mit der er zwei Töchter und drei Söhne hatte und in 2. Ehe (07.09.1875) Elise Hartig, die Ehe blieb kinderlos. 124 Öchsle-Waage August Wilhelm Freiherr von Babo studierte an den Universitäten Heidelberg und Freiburg Landwirtschaft und besuchte landwirtschaftliche Anstalten in Hof-Geisberg, Poppelsdorf und Eldene bei Greifswald. Anschließend war er an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Weinheim tätig und betreute später sechs Jahre den Landwirtschaftlichen Versuchsweingarten in Karlsruhe. August Wilhelm Freiherr von Babo übernahm 1860 die Leitung der neu gegründeten privaten Wein- und Obstbauschule in Klosterneuburg in Österreich. Die Schule wurde 1863 vom Land übernommen und 1874 zur staatlichen Fachmittelschule erhoben. 1870 erreichte August Wilhelm Freiherr von Babo die Gründung einer oenochemischen Versuchstation für die von 1875 bis 1878 neue Gebäude gebaut wurden. August Wilhelm Freiherr von Babo gilt als der Begründer des neuen Weinbaus. Seine Bedeutung liegt in der umfassenden Förderung des Weinbaus und der Kellerwirtschaft sowie den Ausbau der Ausbildung von Lehre und Forschung in Klosterneuburg. Die Klosterneuburger Mostwaage (KMW) ist eine Senkspindel zum Messen des Zuckergehaltes von Most und wurde 1861 von August-Wilhelm Freiherr von Babo entwickelt. Mit ihr wird in Österreich der Zuckergehalt des Most gemessen, in Deutschland und der Schweiz in Oechsle-Graden. Die Skala zeigt den Zuckergehalt des Mostes direkt in Prozenten (g/100g) an. August-Wilhelm Freiherr von Babo kämpfte seit Ausbruch der Reblausepedemie (1867 in Klosterneuburg, 1874 bei Bonn nachgewiesen) gegen diese Gefahr für den Weinbau an. Die aus Nordamerika stammende Blattlaus-Verwandte wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach Europa eingeschleppt (ab ca. 1860 nachgewiesen) und breitete sich in der Reblausinvasion rasant von dort über sämtliche europäische Weinbaugebiete aus. Die französische Regierung rief 1870 eine Kommission zur Bekämpfung der Reblaus unter Vorsitz von Louis Pasteur (27.12.1822 Dole - 28.09.1895 Villeneuve-l´Etang (bei Paris)) ins Leben, die angeblich über 700 Vorschläge prüfte und trotzdem erfolglos blieb. August-Wilhelm Freiherr von Babo Einfluss ist es zu verdanken, dass der Weinbau auf eine Unterlage aus reblausresistenten nordamerikanische Reben umgestellt wurde. Ironie des Schicksals ist, dass die Reblaus auf amerikanischen Reben, die Babo geschenkt wurden, nach Österreich kam (BAUER, 2005). 125 Reblausplage im Weinbau Die Reblausplage in den Weinbergen hat Johann Philipp Bronner nicht mehr miterlebt. Die Reblaus (Phylloxera vastatrix, auch als Phylloxera vitifolii, Viteus vitifolii, Dactylosphaera vitifolii, Daktulosphaira vitifoliae bekannt) ist ein parasitisches Insekt, das 1855 auf nordamerikanischen Wildreben entdeckt wurde. Von der Ostküste der USA kam die Reblaus über London Mitte der (18)60er Jahre in den Süden Frankreichs nach Europa. Die amerikanische Reben waren für Züchtungsversuche nach Europa exportiert wurden. In Österreich wurde die Reblaus erstmals 1869 in Klosterneuburg nachgewiesen. August-Wilhelm Freiherr von Babo hatte amerikanische Reben für Züchtungsversuche geschenkt bekommen. 1874 wurde die Reblaus erstmals in Deutschland (in der Nähe von Bonn in der Gartenanlage Annaberg), 1907 im Mosel-Saar-Ruwer-Gebiet und 1913 im Weinbaugebiet Baden. gefunden und verbreitete sich schnell in alle Weinanbaugebiete in Europa. Schon um 1900 war ein Großteil der europäischen Rebstöcke (Vitis vinifera L.) entweder befallen oder bereits zerstört Bereits 1873 wurde bereits eine Verordnung zur Bekämpfung der Reblaus erlassen worden. Mit strengen Quarantänebestimmungen und den Reblausgesetzen von 1875, 1883 und 1904 gelang eine Vernichtung der Reblausherde. Den Durchbruch in der indirekten Bekämpfung brachte dann endgültig die Freigabe des Pfropfrebenanbaus im Jahre 1925 (MCCABE, 2005, REISENZEIN, 2005). Reblaus (Dactylosphaera vitifolii) (Meyers Lexikon, 1888) wandert wieder in den Boden ein. „Die Reblaus gehört zu jenen Blattläusen, die einen Standortwechsel zwischen Rebwurzel und Rebspross durchführen. Die weiblichen Wurzelrebläuse vermehren sich ungeschlechtlich mit einer sehr hohen Anzahl an Nachkommen. Im Laufe des Sommers verlassen einige Individuen den Boden. Bei der oberirdischen Entwicklung kommt es zuerst zu einem geschlechtlichen Zyklus. Aus der daraus hervorgehenden Stammmutter (Fundatrix) entwickeln sich ungeschlechtlich 3 bis 4 Generationen Blattrebläuse. Ein Teil der Blattrebläuse 126 Sie verfügt über eine sehr hohe Reproduktionsrate und kann aktiv (geflügelte Blatt-Reblaus) und passiv (Bodenbearbeitung, Pflanzmaterial) weit verbreitet werden. Da ihr vielgestaltiger Entwicklungszyklus auch die Möglichkeit zu genetischen Veränderungen bietet, können sich neue Rassen entwickeln. Die Gefährlichkeit der Reblaus liegt in ihrer Schadwirkung an der Rebe. Durch die Saugtätigkeit der Reblaus an den Wurzeln wird das Wurzelsystem der Reben geschädigt. Die Vitalität der Rebstöcke kann dadurch beeinträchtigt werden. Die Verletzungen im Wurzelbereich sind Eintrittsstellen für gefährliche Krankheitserreger. Diese sekundären Krankheitserreger können bei Reben Rückgangs- und Absterbeerscheinungen verursachen. Ein oberirdischer Reblaus-Befall führt zu Blattgallenbildungen. Diese Blattvergallung tritt in erster Linie an Amerikaner-Reben, bei hohem Befallsdruck auch an Europäer-Reben auf“ (REISENZEIN, 2005). Vom Süden Frankreichs erreichte die Reblausplage um 1890 die Champagne, nachdem sie im Süden weitgehend ignoriert wurde. Jetzt begann man, nachdem man die Folgen des Reblausbefalls an den Reben erkannte mit Bekämpfungsmassnahmen. Dazu importierte man eine Art Laus (Tyroglyphus phylloxera), welche als Erzfeind dieser Reblaus gilt (sich jedoch harmlos gegenüber Rebstöcken verhält). Diese Laus fühlte sich jedoch nicht sonderlich wohl im europäischen Klima und erwies sich als nutzlos. Augenscheinlich erfolgversprechend erwies sich die Behandlung des Blattwerks der Rebe mit Schwefelkohlenwasserstoff, war jedoch wirkungslos, weil damit nur ein Stadium des komplexen Lebenszyklus der Reblaus effektiv beeinträchtigt wurde. Was die Winzer damals nicht ahnten ist, dass es sich bei ihren befallenen Rebstöcken im praktischen Sinne eher gleichzeitig um zwei Varianten der Rebläuse handelte: Blattrebläuse (gallicola) und Wurzelrebläuse (radicicola) (MCCABE, 2005). „Was Winzer beim Befall ihrer Rebstöcke im Blattwerk entdecken, stellt bereits ein fortgeschrittenes Stadium des Lebenszyklus der Reblaus dar. Diese (Blatt)Rebläuse saugen an den Blättern und geben gleichzeitig ihren Speichel an die Saftbahnen ab, welcher wiederum Auswüchse (Gallen) auf der Unterseite der Blätter verursacht. Diese kleinen Gallen wachsen um die flügellosen Läuse (gallicolae) heran mit einer kleinen Öffnung zur Oberfläche des Blattes. In diesen Gallen legt die Laus nun mitunter mehrere hundert winzige, zitronenfarbene, ovale Eier ab. Nach ca. acht Tagen schlüpfen neue junge Läuse aus den Eiern und attackieren weiter das Blattwerk des Rebstockes, bilden wieder Gallen und legen wiederum Eier. Dieser Zyklus-Anteil bringt, primär über die Sommermonate, drei bis zu sechs Generationen der Reblaus hervor. Letztlich werden die Blätter leblos braun und fallen ab. Ein Anteil der Rebläuse dieser Blätter wandert zuvor weiter, die anderen fallen mit zur 127 Bodenebene (in diesem Stadium werden die Läuse als neogallicicolae-radicicolae bezeichnet). Dort angelangt setzen sie ihre Machenschaften am Wurzelwerk fort (diese Läuse gelten nun als radicicolae). Derartige Umstände im Blattwerk dürfte die 128 erfahrenen Weinbauern damals zwar verärgert haben, wirkten aber auf Anhieb sicherlich nicht sonderlich besorgniserregend, da ähnliche, parasitisch bedingte Begleiterscheinungen im Anbau von Wein oder gar Hopfen schon lange bekannt waren. Was sie jedoch nicht ahnten ist, dass, auch wenn diese Blatt-Phase der Reblaus eher unbedeutend ist, sich diese jungen Rebläuse mittlerweile auch im Wurzelwerk ihrer Rebstöcke festgesetzt hatten, um dort als Puppen zu überwintern. Zudem sind die (Wurzel-)Reblaus und die Puppe fast unsichtbar, da sie farblich den Wurzeln ähneln und zudem sehr klein sind (0,7 - 1 mm). Im Frühling leben die Rebstöcke saisongemäß wieder auf, die Puppen streifen ihre Haut ab, saugen am Wurzelwerk, bilden Gallen, und es werden wieder fleißig Eier gelegt. Auch im unterirdischen Bereich entstehen dadurch drei bis sechs Generationen der Phylloxera. Dabei wird anfangs das Wurzelwerk von der Reblaus nicht erheblich verletzt. Sobald das Ende des Sommers naht, wachsen bei manchen der bisher flügellosen Rebläuse nun Flügel heran. Im Herbst verlassen sie ihre unterirdische Heimat, befallen den selben Rebstock oberirdisch oder wandern und fliegen nun auch zu anderen Rebstöcken, legen unbegattet irgendwo nahe dem Boden am Rebstock oder unter den Blättern der nun befallenen Rebstöcke jeweils ca. 5 Eier ab und verenden. Die gelegten Eier sind entweder klein (männlich) oder groß (weiblich). Ca. zwei Wochen später schlüpfen neue, diesmal männliche und weibliche Rebläuse. Sie sind jedoch nur für die Fortpflanzung bestimmt und haben keine Organe für parasitische Zwecke. Sie begatten sich, und die Mutterläuse legen nun jeweils ein olivgrünes oder braunes 'Winterei' (ca. 0.27 x 0.13 mm), normalerweise verborgen in Schlitzen der Rinde des Rebstockes. Dieses Ei überwintert entweder in der Rinde verborgen, oder eine neue (1 - 2 mm lange) Mutterlaus schlüpft u.U. schon im selben Jahr. Diese Laus gilt als die 'Stammmutter' (fundatrix) und wendet sich frischem Blattwerk des Rebstockes zu, bildet folglich eine Galle, wo dann hunderte Eier gelegt werden. Daraus entwickeln sich nun wieder die (Blatt-)Rebläuse und der Zyklus wiederholt sich. Nach zwei bis drei Jahren stirbt der Rebstock (primär bedingt durch Wurzelschaden) ab, und noch verbleibende Rebläuse ziehen um zum nächsten Rebstock. Wenn ein Weinbauer die Blatt-Symptome entdeckt, bedeutet dies generell, dass nahegelegene Rebstöcke bereits längst befallen sein dürften. Das Roden der befallenen Rebstöcke, auch bis hinunter zur Wurzelebene, ist allgemein nutzlos. Im Gegenteil: es kann die Verbreitung der Reblaus sogar fördern, da sie beispielsweise beim Entfernen des Strauchs und Wurzelwerks über Fugen und Nischen der Werkzeuge und landwirtschaftlichen Geräte (sogar durch die Stiefel der Arbeiter oder gar in Körben) in neue Regionen eingeführt werden können. Die Reblaus selbst (ohne 'Hilfe' des Menschen) verbreitet sich eher langsam (ca. 25 - 30 km/Jahr). Die beflügelten Rebläuse überwinden allgemein nur sehr kurze 129 Entfernungen (mit optimalem Rückenwind sind jedoch 30 km denkbar). Ebenso werden die flügellosen Rebläuse vom Winde zeitweilig auf nahegelegene Rebstöcke geweht. Rebläuse wandern zudem unterirdisch zu verflochtenen Wurzeln anderer Rebstöcke. Klimatisch vorteilhafte Bedingungen (wärmeres Klima) fördern den Lebenszyklus“ (MCCABE, 2005. Reblausbefall von Reben mit Reblaus Bei allem Unglück mit dem Reblausbefall der Weinberge war aufgefallen, dass es den urprünglich importierten Rebstöcken aus den USA trotz der Reblaus blendend ging und eine weitgehende Immunität gegenüber diesen bestand. So begann man die reblausresistenten Rebstöcke aus den USA (z. B. Vitis riparia, rotundifolia, berlandieri, rupestris, lambrusca) mit heimischen Reben zu propfen und 130 begann mit deren Bepflanzung, während man die ungepropften heimischen Rebstöcke rodete. Die Reblaus gehört noch heute zu den wirtschaftlich bedeutenden Rebschädlingen und kommt nahezu in allen Weinbaugebieten vor. Seit 1998 wurde in Österreich ein verstärktes Auftreten der Blattreblaus an verwilderten Unterlagsreben und an anfälligen Europäerreben beobachtet. Im Jahre 2000 wurde dort an den Wurzeln von Pfropfreben eine Vermehrung der Wurzelreblaus und die Bildung von Wucherungen (Nodositäten) beobachtet. Durch stichprobenartige Untersuchungen an 70 Einzelflächen fand man heraus, dass in die österreichischen Weinbaugebieten ein flächendeckender Befall durch die Wurzelreblaus vorhanden ist. Inzwischen wird dort ein umfassendes Feld-Monitoring zum Auftreten der Reblaus durchgeführt. Folgende Maßnahmen werden empfohlen (REISENZEIN, 2005): „Kulturmaßnahmen im Kampf gegen die Reblaus: • • • • • Entfernung von Edelreiswurzeln, verwilderten Unterlagsreben, Räumung ungepflegter Weingärten, Reinigung der Bodenbearbeitungsgeräte, Gründliche Rodung und mehrjährige Brache vor Neuauspflanzung, Verwendung der hoch reblaustoleranten Unterlage "Börner", Rebschulkontrollen als phytosänitäre Maßnahme. Chemische Maßnahmen gegen die Blattreblaus: • • Für die Bekämpfung in Ertragsanlagen stehen zur Zeit keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Einige Wirkstoffe (z. B. Endosulfan, Dimethoate), die gegen Kräuselmilben eingesetzt werden, besitzen eine Zusatzwirkung. Für Junganlagen, Mutterweingärten und Rebschulen stehen zwei Wirkstoffe (Imidacloprid und Azadirachtin) zur Verfügung“. Die Reblaus war historisch betrachtet das größte Unglück des Weinbaus in Europa überhaupt. Gab es oft minderwertige Rebsorten in oft ungünstigen Lagen vor dem Reblausbefall, so achteten die Winzer bei der notwendingen Neubepflanzung mit den Rebstock-Unterlagen aus den USA darauf, dass nur die besten heimischen Rebsorten in ihren guten Lagen diese Veredelung erhielten. Die Reblaus ist international weiterhin problematisch für die Weinbauern. Dazu kommt, dass die Biologie der Reblaus bis heute noch nicht vollständig verstanden ist, auch spricht man von Mutationen. Auch die NASA beschäftigt sich mit der Reblaus. Der Kampf gegen die Reblaus ist noch lange nicht gewonnen (MCCABE, 2005). 131 Der Schauspieler Hans Moser44 (06.08.1880 Wien - 19.06.1964 Wien) spielte in einem Film mit, in dem der Reblaus ein Lied gewidmet ist welches er unnachahmlich nuschelig sang: Hans Moser 44 Hans Moser wurde als Johann Julier am 6. August 1880, als drittes Kind des Akademischen Bildhauers Franz Julier und seiner Frau Serafina geb. Pöschl, in Wien geboren. Er besuchte die Bürger- und Handelsschule und arbeitete in der Buchhaltung einer Lederwarenhandlung. Er nahm Schauspielunterricht an der Theatherschule Otto in Wien und Sprechunterricht bei dem Hofschauspieler Josef Moser nach dem er sich fortan nannte. Mit 17 Jahre erhielt Hans Moser sein erstes Engagement an einer Schmieren Bühne in Friedek Mistek an der Ostrawitza, dann in Laibach. Er spielt als Statist und Chorsänger in Czernowitz und Cilli; an Deutschen Theater in Böhmen in Josefsstadt und Reichenberg erhielt er erste Sprechrollen. Ab 1903 wurde er Ensemblemitglied am Theater in der Josefsstadt, kündigte aber 1907 da er wegen seiner Körperkürze oft in Kinderrollen eingesetzt wurde und tingelte auf Wanderbühnen in Böhmen, Steiermark, Mähren und Ungarn. Hans Moser heiratete am 5. August 1911 in Wien Blanca Hirschler (1890 - 1974) mit der er eine Tochter hatte. Von 1914 bis 1918 war er Soldat in der k. u. k. Bau-Compagnie 1 des 4. Regiments an der Ostfront. und in Norditalien. Danach trat er wieder auf Bühnen auf und spielte 1924 in einem Stummfilm mit. Insgesamt drehte der kleine runde Mann mit unverwechselbarer Gestik, Mimik und schrullig-knarzendem Tonfall 137 Filme. Obwohl seine Aussprache jeden Schauspiellehrer die Haare zu Berge stehen liess, wurde er gerade durch sein einmaliges Nuscheln vom Dienst zu einem Original unter den Schauspielern. Seine letzte Bühnenrolle gab er als himmlischer Kanzlist in Franz Molnars „Liliom". Hans Moser, der auch als unnachahmlicher Interpret von alten Wienerliedern („Sperrstund is'") brillierte, starb hochbetagt am 19. Mai 1964 in Wien (NN, 2005l). 132 Die Reblaus Text/Musik: Marischka/Föderl Gesang: Hans Moser I weiß net was das is, I trink so gern ein Flascherl Wein da muass gar ka bsondrer Anlass oder Sonntag sein. I sitz oft stundenlang allein auf einem Fleckerl in einem Weinlokal, in einem stillen Eckerl an andern Menschen wäre das vielleicht zu dumm doch ich bin selig dort und ich weiss warum: I muass im frühern Leben eine Reblaus gwesen sein ja, sonst wär die Sehnsucht nicht so gross nach einem Wein drum tu den Wein ich auch nicht trinken sondern beissen, I hab den Roten grad so gern als wie den Weissen. und schwörn könnt ich, dass ich eine Reblaus gwesen bin ich weiss bestimmt, ich habe gehaust in einem Weingarten bei Wien drum habe den Gumpoldskirchner ich so vom Herzen gern und wann ich stirb, möcht i a Reblaus wieder wern. I hab mir schon als Kind gedacht, was kann denn das nur sein wenn die Mutter mir a Milch geben hat, dann wollt ich nur an Wein. Ich konnte damals schon die Mülli nicht vertragen mir habn's die Haar aufgstellt und umdraht war mein Magen nach langem hin und herstudieren kam ich drauf, dass i den Wein viel lieber wia a Mülli sauf. I muass im frühern Leben eine Reblaus gwesen sein sonst wär die Sehnsucht nicht so gross nach einem Wein drum tu den Wein ich auch nicht trinken sondern beissen, I hab den Roten grad so gern als wie den Weissen. 133 und schwörn könnt ich, das ich eine Reblaus gwesen bin ich weiss bestimmt ich habe gehaust in einem Weingarten bei Wien drum habe den Gumpoldskirchner ich so vom Herzen gern und wann ich stirb,- bitteschön - möcht i a Reblaus wieder wern. Hans Moser als Dienstmann 134 Danksagung Ich bedanke mich vielmals bei Dr. Heiko Frahm für eine Rückübersetzung einer kurzen Passage von der englischen Sprache in die die deutsche Sprache. Frau Dipl. Ing. Annette Gimber vom Winzerkeller Wiesloch eG danke ich für die Überlassung von Prospektmaterial über die Johann-Philipp-Bronner-Weine vom Winzerkeller Wiesloch. 135 Literatur AGRICOLA G (1556) De re metallica. Froben, Basel, 1556 BASLER P, PFENNINGER H, BILL R (2002) Die deutschen Rebsorten Johanniter, Solaris, Bronner und Fr.242-73. 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Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 188 Seiten. (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen (1986), 196 Seiten) Die Weinbaugebiete Rheinhessen, Nahe und Mosel sind in diesem Band bis in Einzelheiten beschrieben, obwohl die Behörden dem Autor gegenüber recht misstrauisch waren: 'Der Sonderbarkeit wegen muss ich hier einen Fall anführen, dessen Beurteilung ich dem Leser überlassen will. Nämlich in einer gewissen Stadt am Rheine hielt man meine Forschungen über den Zustand des dortigen Weinbaues für eine Maske zu politischen oder demagogischen Umtrieben...' BRONNER J P (1835) Anweisung zur nützlichen Anpflanzung der Tafeltrauben und anderer Traubensorten an sonst unbenutzten Plätzen in Höfen, Gärten an Häusern und Mauern u. s. w. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 57 Seiten. (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen, 80 Seiten) Von besonderer Bedeutung (ist diese Schrift Bronners für die Rebpflanzung an Häusern und Mauern oder in Hausgärten. Hier finden sich genaue Zeichnungen von unterschiedlichen Formen der Pergola-Bepflanzung nebst einer Beschreibung der Rebsorten für Tafeltrauben und zur Weingewinnung. Ein Standardwerk auch für Hobby-Weingärtner. BRONNER J P (1836) Der Weinbau in Sued-Deutschland. Band I. Heft 3. Der Weinbau im Rheingaue, von Hochheim bis Coblenz, vollständig dargestellt. C. F. Winter 142 Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 182 Seiten (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen (1986), 200 Seiten) Die Weinbaugebiete Rheinhessen, Nahe und Mosel sind in diesem Band bis in Einzelheiten beschrieben, obwohl die Behörden dem Autor gegenüber recht misstrauisch waren: 'Der Sonderbarkeit wegen muss ich hier einen Fall anführen, dessen Beurteilung ich dem Leser überlassen will. Nämlich in einer gewissen Stadt am Rheine hielt man meine Forschungen über den Zustand des dortigen Weinbaues für eine Maske zu politischen oder demagogischen Umtrieben...' BRONNER J P (1837) Der Weinbau in Sued-Deutschland. Band II. Heft 4. Der Weinbau im Koenigreich Wuertemberg 1. Abt. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 204 Seiten (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen, (1986) 224 Seiten) Der erste Teil der Beschreibung des Weinbaues im Königreich Württemberg behandelt das Neckartal von Esslingen bis Mosbach und die Weingegend rechts des Neckars. Bronner bereiste Württemberg 1833 und 1834. 'Diese Reisen, welche ich Behufs der Ausarbeitung meines Buches unternahm, machte ich stets zu fuße, und nahm mir bei Besichtigung jedes Weinorts, welche ich besuchte, einen verständigen Weinbergsmann als Führer mit...' Inhalt: Neckartal - Mosbach - Neckarzimmern - Hasmersheim - Gundelsheim Wimpfen - Heilbronn - Weinsberger Thal - Weinsberg - Großbottwar Mundelsheim - Besigheim - Marbach - Mühlhausen a.N. - Stuttgart Winnenden - Eßlingen - Uhlbach BRONNER J P (1837) Der Weinbau in Sued-Deutschland. Band II. Heft 5. Der Weinbau im Koenigreich Wuertemberg. 2. Abt. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 212 Seiten (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen, (1986) 216 Seiten) Der Band enthält die Beschreibung des Weinbaues in den Kreisen Tübingen, Rottenburg, Reutlingen, Urach, sowie die Gebiete Enztal, Stromberg, Zabergäu und Heucheberg. Ebenfalls enthalten ist die kritische Beleuchtung des Schwabenweins in einer Zusammenfassung. Bronner unterstützt die Bestrebungen der württembergischen Weinverbesserungs-Gesellschaft und spart nicht mit kritische Bemerkungen über die Verhältnisse der Zeit um 1834. Inhalt: Schwäbische Alb - Metzingen - Reutlingen - Tübingen - Die Enz Mühlacker - Der Stromberg - Das Zabergau - Der Heuchelberg – Weinbaugesellschaften - Zusammenstellung der Weinbau- und WeinbereitungsVerhältnisse in Württemberg BRONNER J P (1839) Der Weinbau in Sued-Deutschland. Band II. Heft 6. Der Weinbau des Main- und Taubergrundes und der Wuerzburger Gegend. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 166 Seiten (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen (1986), 176 Seiten) 143 In diesem Band würden die Weinbauorte in den Kreisen Adelsheim, Boxberg, Buchen, Gerlachsheim, Krautheim, Tauberbischofsheim, Walldürn, Wertheim und Mergentheim beschrieben. Großen Raum nimmt die Beschreibung des Weinbaues in Würzburg ein. 'Seine Produkte gehören teilweise zu den vorzüglichsten Deutschlands: namentlich darf Würzburg auf diese Auszeichnung stolz sein...' BRONNER J P (1840) Der Weinbau in Frankreich und der französischen Schweiz. Lf. 1. Der Weinbau und die Weinbereitung in der Champagne. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 111 Seiten. BRONNER J P (1842) Die teutschen Schaumweine für teutsche Weinzucht und teutsche Weintrinker. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 71 Seiten. 'Für teutsche Weinzucht und teutsche Weintrinker' heißt die Widmung in Bronners Schrift. Er vermittelt hierin seine reichen Erfahrungen, die er vor Ort in der Champagne gewonnen hatte. Aktuell auch die Tendenz; Ich will hier nicht als Prophet auftreten, aber wenn wir die Richtung unserer Zeit und ihre Bedürfnisse mit scharfem Auge verfolgen, so wird und muss eine Zeit kommen, wo es zum Bedürfnisse wird, einen großen Teil unserer Weine in Schaumweinen anzusetzen...' BRONNER J P (1842) Der Weinbau in Sued-Deutschland. Band II. Heft 7. Der Weinbau und die Weinbereitung an der Bergstraße, im Bruhrhein und den weiteren Districten bis Durlach und Pforzheim. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 182 Seiten. (Nachdruck: Schwäbische Verlags Gesellschaft Brenner, Tübingen (1986), 200 Seiten) Hier werden die Weinorte von Zwingenberg bis Heidelberg und weiter über Durlach nach Pforzheim beschrieben. Hervorgehoben werden die Bemühungen der dortigen Weinbauverbesserer Dr. Batt aus Weinheim, Freiherr von Babo aus Weinheim und Garteninspektor Metzger aus Heidelberg. Inhalt: Die Bergstraße - Zwingenberg - Auerbach - Bensheim - Heppenheim Laudenbach - Hemsbach - Sulzbach - Weinheim - Lützelsachsen Leutershausen - Schriesheim - Handschuhsheim - Neuenheim - Heidelberg Rohrbach - Leimen - Nußloch - Wiesloch – Langenbrücken BRONNER J P (1856) Die Bereitung der Rothweine und deren zweckmäßigste Behandlung. Nach eigenen, in sämmtlichen Wein-Gegenden Europas gesammelten Beobachtungen. Frankfurt am Main, 344 Seiten BRONNER J P (1857) Die wilden Trauben des Rheinthales. C. F. Winter Universitätsbuchhandlung, Heidelberg, 47 Seiten. 144 Schriften von Johann Philipp Bronner45 BRONNER J P (1822) Die Amtsstadt Wiesloch mit ihren Umgebungen. Verhandlungen des Großherzoglich badischen Landwirtschaftsverein Ettlingen 2: 21-38 BRONNER J P (1833) Über die Vorbereitung des Bodens bei Anlage neuer Weinberge und das Setzen der Reben. Landwirtschaftliches Wochenblatt für das Großherzogthum Baden. Karlsruhe 1833 Heft 1, Seite 3-7 BRONNER J P (1833) Über das richtige Zuschneiden der Wurzelreben vor dem Setzen. Landwirtschaftliches Wochenblatt für das Großherzogthum Baden. Karlsruhe 1833 Heft 7, Seite 33-35 BRONNER J P (1833) Über den Nutzen der faulen Trauben bei der Weinlese. Landwirtschaftliches Wochenblatt für das Großherzogthum Baden. Karlsruhe 1833 Heft 47, Seite 279-281 BRONNER J P (1833) Über die Nachteile der Traubenlese in früher Morgenstunde oder bei Regenwetter. Landwirtschaftliches Wochenblatt für das Großherzogthum Baden. Karlsruhe 1833 Heft 47, Seite 284-286 BRONNER J P (1834) Bericht über die Ergebnisse einer Reise ins Rheingau zur Zeit der Spätlese. Landwirtschaftliches Wochenblatt für das Großherzogthum Baden. Karlsruhe 1833 Heft 1, Seite 3-7 BRONNER J P (1847) Der weiße Burgunder. Nassauisches Landwirtschaftliches Wochenblatt (1847): 171 BRONNER J P (1848) Der weiße Burgunder. Zeitschrift des Landwitschaftlichen Vereins für Rheinpreußen, Bonn (1848) 16: 385-386 BRONNER J P (1853) Das wieder aufgefundene Bergwerk in Wiesloch bei Heidelberg. Der Bergwerksfreund 15: 713-717 BRONNER J P (1859) Amtlicher Bericht der 33. Versammlung des Vereins deutscher Naturforscher und Aerzte zu Bonn 1857. Bonn (1859): 117-129 Schriften von Carl Bronner (1818 - 1903) (Sohn von Johann Philipp Bronner) BRONNER C (1878) Verzeichnis der in der Rebschule von Carl Bronner in Wiesloch befindlichen Wein- und Tafeltrauben. Wiesloch 1875 45 Neben den genannten Arbeiten hat Johann Philipp Bronner zwischen 1830 und 1840 jährlich etwa fünf bis zehn Arbeiten im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt für das Großherzogthum Baden“ veröffentlicht. Die Inhalte umfassen meist auch in den Büchern angesprochene Probleme, konnten aber auch „Über den Gebrauch der Holzschuhe“ (1837) oder „Über das Anlegen von Weinchroniken“ (1834) berichten (SCHUMANN, 1979). 145 Bronner C (1878) Classifikation der Traubenvarietäten. Im Auftrag der internationalen ampelographischen Commission nach seinen Sortimenten zusammengestellt. Heidelberg 1878. 24 Seiten Der Sohn Johann Philipp Bronners verfügte über das breiteste Rebsortiment und klassifizierte die Rebsorten nach der Form der Beeren. 1875 beauftragte ihn die in Colmar tagende „Ampelographische Commission", sein „Classificationssystem" zu veröffentlichen. Johann Philipp Bronner Johann Philipp Bronner Johann Philipp Bronner 146 Weinreben aus aller Welt Nach Wein-Rebsorten - alphabetisch sortiert http://www.webservice-rehnert.de/wein-rebsorten.php Rebsorte Kreuzung, Vorkommen, usw. Abouriou Man nimmt an, dass diese Rebsorte ein Sämling alter französischer Reben ist. Hauptsächlich in Südwestfrankreich angebaut, werden aus ihr süffige Tischweine gekeltert. Die Abouriou ist sehr widerstandsfähig gegen falschen und echten Mehltau, treibt früh aus und hat einen starken Wuchs. Die relativ junge Rebsorte (1971) entstand aus einer Kreuzung zwischen dem Lemberger und dem Dornfelder. Aus ihr entstehen tiefrote und gerbstoffhaltige Weine. Zurückgehende württembergische Rotweinsorte, auch Säuerlicher Burgunder oder Kleiner Trollinger genannt. Der Blaue Affenthaler ergibt säuerlich-herbe Weine. Die Afus Ali ist die weltweit bedeutendste Tafeltraube nach der Sultanina. Mit ca 150000 ha Anbaufläche steht sie weltweit an 7. Stelle in der Verbreitung. Die Afus Ali stammt aus dem Orient und wurde 1883 von einem Seidenhändler von Beyruth nach Frankreich mitgebracht. Daher ist sie auch unter dem Namen Dattier de Beyrouth bekannt - nicth zuletzt wegen ihrer großen dattelförmigen Beeren. Hauptsächlich in Italiens MIttelmeerregion heimische Rebsorte. Schon die Römer verarbeiteten sie in ihrem berühmten Falerner Wein. Die Rebe wurde wahrscheinlich von den Phöniziern nach Italien importiert. Die Aglianico ist früh austreibend und liebt trockene, sonnige Standorte. Sie reift in der Regel Mitte Oktober. Aus ihr gekelterte Weine sind trocken und leicht tanninhaltig mit kräftiger Säure und angenehmer Gerbstoffnote. Die Säure gibt ihnen ein gutes Alterungspotential. Im Alter sind die Weine voller und runder. Die Albalonga ist ein wertvolle weiße Rebsorte. Sie wurde 1951 in Würzburg aus Rieslaner x Silvaner gekreuzt und erhielt 1971 Sortenschutz. Die Sorte ist in Lage und Boden sehr anspruchsvoll und neigt zur Beerenbotrytis - eine gute Voraussetzung für Auslesen. Sie reift mittelfrüh. Die Albalonga ergibt fruchtige, elegante Weine und edelsüße Auslesen. Auch Blanc de Troyes, Blanc de Trois und Vert Blanc genannt. Die Sorte ist wahrscheinlich burgundischen Ursprungs. Der Name ist abgeleitet von ihrer hohen Ertragsfähigkeit (Plant de Trois Raisins = Pflanze der drei Trauben je Trieb). Die Weine aus der Aligoté-Rebe sind sehr herb und haben kaum Alterungspotential. Im Burgund sind sie Grundlage für den Apéritif Kir also Weißwein mit einem Schuss Crème de Cassis. Acolon Affenthaler, Blauer Afus Ali Aglianico Albalonga Aligote 147 Alvarinho Arrufiac Azal Arneis Auxerrois Bacchus Barbera Blauburger Blauer Limberger Blauer Zweigelt Sehr hochwertige Rebe im Vinho Verde, Portugal. Das ist auch ihr Herkunftsland. Die Alvarinho hat einen frühen Austrieb und einen hohen Ertrag. Aus ihr werden trockene, frische Weisse gekeltert. Die Weine sind fruchtbetont, aromatisch und leicht perlend mit einer gut strukturierten Säure. Seltene, in der Gascogne angepflanzte rote Rebsorte. Relativ unbekannte, in Portugal kultivierte Rebsorte. Aus der Rebsorte Arneis, die in Mittelitalien angebaut wird, entstehen Weißweine, die mit einem leichten Mandel-geschmack ausgestattet sind. In den 80er Jahren fast in Vergessenheit geraten, wird Sie heute wieder gern gepflanzt. Der Name der Weinrebe, aus der blaß bis hellgelbe Weine entsehen, kommt von der französischen Grafschaft Auxerrois zwischen Burgund und Chablis. Das Burgund und die Champagne sind in Frankreich auch die Gebiete, in denen der Auxerrois gepflanzt wird. Die Rebe wurde in den frühen (19)30er Jahren aus den Rebsorten Müller-Thurgau, Silvaner und Riesling im Institut für Rebenzüchtung Gielweilerhof in Siebendingen in der Pfalz gezüchtet. In Deutschland findet man den Bacchus vor allem in Rheinhessen, Franken und in der Pfalz. Aus ihr können auch Spätlesen gewonnen werden. Rote Rebsorte, die vor allem im nördlichen Italien im Piemont angebaut wird. Sehr gute Anbaugebiete gibt es in der Gemeinde Barolo, aus der der gleichnamige Wein stammt. Weine aus der Barbera-Rebe sind aufgrund der hochen Gerbstoffanteile lange haltbar und sind von tiefroter Farbe und schwerem Körper. Der Blauburger entstand aus einer Kreuzung zwischen Portugieser und Lemberger. Der Blauburger wird hauptsächlich in Österreich und Deutschland gepflanzt und bringt dunkelrote Weine hervor, die auch als Deckwein zum Färben anderer, hellerer Weine verwendet werden. Der Name Blauer Limberger ist eine Synonym für den Lemberger. Die Rebsorten Blauer Zweigelt und Zweigelt sind identisch. Bonvino Nero Synonym für die Rebsorte Cesanese Bourboulenc Aus Griechenland stammende und vor allem in Südfrankreich gepflanzte Rebsorte. Blaufränkisch Die unter diesem Namen in Österreich kultivierte Rebsorte ist identisch mit dem Lemberger. Dritthäufigste österreichische Rotweinsorte, die sich zu fast 94% im Burgenland befinden. Während aus den Gebieten Neusiedlersee und Neusiedlersee-Hügelland einige charaktervolle Blaufränkisch kommen, verdankt das Südburgendland in ganz besonderem Maße seinen Ruf seinen Blaufränkisch-Weinen. Das benachbarte ungarische Weinbaugebiet Sopron ist ebenfalls wegen seiner gehaltvollen und kernigen Blaufränkisch-Weine bekannt, und auch im berühmtesten ungarischen Rotwein, dem Egri Bikavér (Erlauer Stierblut), spielt der Blaufränkisch heute eine wichtige Rolle. Einige beachtenswerte Blaufränkisch-Weine gibt es auch in Deutschland, und zwar in Württemberg, wo sie allerdings unter dem Namen Lemberger in den Handel kommen. 148 Bouchet Bouvier Brunello Burgunder Cabernet Cubin Cabernet Dorio Cabernet Dorsa Cabernet Franc Cabernet Sauvignon Cairette Canaiolo nero Ein in Teilen von Frankreich gebräuchlicher Name für den Cabernet Franc. Die Bouviertraube kommt hauptsächlich in Österreich - vor allem in der Steiermark und im Burgenland - vor. In Ungarn, Slowenien und Kroatien wird sie ebenfalls angebaut. Sie zeigt einen mittleren Wuchs bei geringen Anforderungen an die Lage. Die Bouviertraube hat einen knackigen, saftigen Geschmack; deshalb wird sie auch als Tafeltraube verwendet. Aus ihr werden milde, mit hoher Restsüße ausgestattete Weine gekeltert, die oft eine Muskatnote aufweisen. Rebsorte aus der Toskana, die mit dem Sangiovese verwandt ist. Die aus ihr gekelterten Weine sind dem Sangiovese auch durchaus ähnlich, bilden aber meist einen kräftigeren Charakter aus. „Im 12. Jahrhundert gelangten Zisterziensermönche in den Pfälzer Wald, gründeten dort das Kloster Eußerthal und avancierten zu Hütern der Reichskleinodien (Krone, Szepter, Reichsschwert, Reichapfel u. a.), die im 12. und 13. Jahrhundert auf dem Trifels aufbewahrt wurden. Den Weg zwischen ihrem Kloster und dem Trifels legten sie auf Eseln zurück, er heißt noch heute Mönchsweg. Er führt durch den Ort Gräfenhausen, wo seit der Zisterzienserzeit Burgunderreben wachsen. Die Burgunderrebe stammt aus der französischen Provinz Burgund und wird dort ‘Pinot noir’ genannt. Es war früher unter Androhung der Todesstrafe verboten, diese Reben auszuführen. Zisterziensermönche aus der Abtei Cîteaux in Burgund brachten sie deshalb in einer oder mehrerer Orgelpfeifen versteckt nach Gräfenhausen.“ REICHART H J (2006) Organ, Heft 1 (März 2006), Seite 57 Realtiv junge Rebsorte, die aus einer Kreuzung zwischen Lemberger und Cabernet Sauvignon entstanden ist. 1970 in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg gezüchtete Rotweinsorte Die Rebsorte bringt wunderbare dunkle Rotweine mit der gleichen Aromatik wie der Cabernet Sauvignon hervor. Junge Rebsorte, eine Kreuzung aus Dornfelder und Caberner Sauvignon. 1971 in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg gezüchtete rote Rebsorte. Aus dieser Traube können dunkle Weine mit fein-fruchtigen Geschmacksnoten gekeltert werden. Wie der Cabernet Dorio ist der Cabernet Dorsa ebenfalls eine Kreuzung aus Dornfelder und Cabernet Sauvignon. 1971 in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg neu gezüchtete rote Rebsorte. Es entstehen körperreiche Weine mit ausgeprägten Kirsch- und Paprikanoten. Die rote Rebsorte Cabernet Franc hat ähnlichkeiten mit dem Cabernert Sauvignon und wird vor allem in Frankreich im Loire-Tal und in Anjou-Rouraine gepflanzt. Eine der besten Rebsorten, die Ende des 18. Jahrhunderts in Erscheinung trat und auf der ganzen Welt verbreitet ist. Sie ist eine Kreuzung aus Cabernet Franc und Sauvignon Blanc. In Deutschland wird sie nicht in wesentlichen Mengen kultiviert. Aus den Trauben des Cabernet Sauvignon entstehen dunkle und haltbare Weine mit Aromen von Paprika, Teer, Kaffee und Tabak. Der Name Cairette wird, je nach Region, als Synonym für den Bourboulenc oder den Ugni Blanc genutzt. Wein aus der Rebe Canaiolo nero ist der Verschnittpartner für Sangiovese für den Chianti. Die Canaiolo nero gibt es auch als weiße Variante, die Canaiolo bianco. 149 Carignan Cesanese Chardonnay Eine in Südfrankreich angebaute Rebsorte, die dunkle Weine mit milder Säure hervorbringt. Alte Rebsorte, die in Mittelitalien gepflanzt wird. Die aus ihr gekelterten Weine haben eine leichte süße und einen mittleren Körper. Chardonnay ist eine Rebsorte, aus dessen Trauben Weißwein und Schaumweine wie Champagner gewonnen wird. Der Chardonnay ist sehr anpassungsfähig und bringt wohlschmeckende Weine hervor. Mit weltweit ca. 130 000 Hektar Anpflanzungen ist Chardonnay auf der Liste der meistgenutzen Wein Rebsorten auf Platz 7. Cortese Weiße Rebsorte, in Deutschland (im Markgräflerland in Baden) als Gutedel bekannt. Als Chasselas ist sie jedoch die weiße Rebsorte der Westschweiz. Dort heißt sie auch Fendant, Dorin oder Perlan. Sie ergibt ausgezeichnete und höchst angenehm zu trinkende Weine. Aber auch die Spitzengewächse des Chablais um Aigle und der Lavaux - bis hin zum herausragenden Dézalay - verdeutlichen, daß diese Rebsorte unter optimalen Boden- und Klimabedingungen in der Lage ist, höchst beachtenswerte Weine hervorzubringen. Sie zählen zu den besten Weißweinen der Schweiz. Im Elsaß wird der Chasselas als Verschnittwein für den Edelzwicker verwandt. Weltbekannte weiße Rebsorte, die süße und langlebige Weine hervorbringt.. Wird auch als Pineau de la Loire bezeichnet. In der Touraine und dem Anjou werden fast alle bedeutenden Weißweine aus ihr gewonnen. Außerhalb Frankreichs findet man sie in Kalifornien und in Südafrika (unter dem Namen Steen). Der Chenin blanc ist sehr ergiebig und kann einen relativ ausdruckslosen Wein ergeben. Wird er in seinem Ertrag begrenzt wird und hat optimale Bedingungen, ergibt er einen rassigen, feinen Wein Rote Rebsorte die ihre Heimat in Südfrankreich hat. Aus ihr werden leichte und aromatische Weine gekeltert und wird gern als Verschnittwein genutzt. Die Clairette Blanche ist weltweit verbreitet: In Frankreich - vor allem Provence, Bouche-du-Rhône, Hérault, Languedoc, Ardèche, Aude, Herault und Pyrénées - Südafrika, Italien, Marokko, Algerien, Kalifornien, Australien und Uruguay. Ihre Herkunft hat sie vermutlich im Herault. Die Clairette Blanche ist eine starkwüchsige, spätreife Rebsorte und sie ist geeignet für magere Böden. Aus ihr werden sortenreine Weine (AOC Clairette de Bellegarde, Clairette de Languedoc, letzterer ein Süßwein) gekeltert. Außerdem wird die Clairette im Verschnitt als Schaumwein verarbeitet: Clairette de Dié und Blanquette de Limoux. Der Name Clevner oder Klevner oder auch Roter Klevner ist keine eigenständige Rebsorte sondern wird als Synonym für Chardonay, Spätburgunger, Frühburgunder und auch Traminer verwendet. Weiße Rebsorte, die in Frankreich und in Californien gepflanzt wird. Sie ergibt helle Weine mit rassiger Säure die auch gern als Verschnittweine genutzt werden. Die rote Rebsorte ist im Nordosten Italiens beheimatet. Die aus ihr gekelterten Weine sind leicht, fruchtbetont und haben Aromen von Vanille und Mandel. Corvina Veronese wird oft mit anderen Weinen der Region zu Valpolicella verschnitten. Courtillier Musqué ist eine (weiß, französische) Tafeltraube. Eigenständig wird sie aber nicht in der Weinbereitung verwendet. Ihr Geschmack ist muskatähnlich. Eine vorrangig im italienischen Piemont gepflanzte Rebsorte. Courbu Kaum gepflanzte Rebsorte aus Frankreich. Chasselas Chenin Blanc Cinsault Clairette Blanche Clevner Colombard Corvina Veronese Courtillier Musqué 150 Dolcetto: Domina Dornfelder Drupeggio Dunkelfelder Ehrenfelser Elbling Faberrebe Fendant Freisamer Frühburgunder Frankonia French Colombar Furmint Rebsorte, die in Italien und Frankreich beheimatet ist. Aus ihre werden milde, fruchtige und meist jung getrunkene Weine gekeltert die Aromen von Süßholz und Mandeln aufweisen. In Franken und an der Ahr kultivierte Rotweinsorte, eine Kreuzung aus Portugieser und Spätburgunder. Aus den Trauben der Domina entstehen dunkle mit kräftigem Körper ausgestattete Rotweine. Dornfelder ist eine Rebsorte, aus der Rotwein gekeltert wird. Die Pflanze hat bescheidene Ansprüche an die Bodenbeschaffenheit. Dornfelder Wein wird hauptsächlich in der Pfalz und in Rheinhessen angebaut. August Herold (1902-1973) kreuzte die Sorte 1955 in Lauffen (Weinsberg) aus Helfensteiner x Heroldrebe. Abgeleitet wurde der Name vom Weinbaufachmann Imanuel Dornfeld (17961869) aus Weinsberg. Nach 1975 verbreitete sie sich in den deutschen Weinbaugebieten, wobei sie eindeutig eine pflälzische Domäne ist. Der ursprünglich als Deckrotwein gezüchtete Dornfelder bringt Weine mit einer dunkelroten oder violetten Farbe und einen fruchtigen Geschmack hervor. Der Name Drupeggio ist ein Synonym für den Canaiolo nero. Rote Neuzüchtung von Froelich aus unbekannter Kreuzung, mit der heute 173 ha, fast ausschließlich in der Pfalz, Baden und Rheinhessen, bestockt sind. Sie liefert farbintensive, doch geschmacklich eher belanglose Weine. Rebsorte, aus dem ein blasser Weißwein mit Aromen von Äpflen, Grapefruit, Pfirsichen und Aprikosen entsteht. Ehrenfelser wurde 1929 aus Riesling und Silvaner gekreuzt und wird im Rheingau und in der Pfalz gepflanzt. Benannt ist die Rebe nach der Ruine Ehrenfels bei Rüdesheim. Eine der ältesten Rebsorten, die schon von den Römern kultiviert wurde. Elbling, aus dem sehr blasser Wein entsteht, wächst vor allem in Lothringen und Luxemburg. Aus der 1929 in Alzey (Georg Scheu) aus Weißburgunder und Müller-Thurgau gekreuzten Sorte entstand ein fruchtiger frischer und extraktvoller Wein, welcher sich nach 1970 in der Pfalz verbreitete. In der Schweiz gebräuchliches Synonym für den Gutedel. Der Freisamer ist eine Kreuzung aus Silvaner und Ruländer (1916) , die an Grauburgunder erinnert. Der Frühburgunder ist mit dem Spätburgunder verwandt. In Deutschland wird er vor allem an der Ahr gepflanzt. Die Rebsorte, deren Trauben früh reifen, bringt ziegelrote Weine mit Aromen von Him- und Brombeeren hervor. Die Rebsorte ist identisch mit dem Lemberger, wird aber in Norditalien Frankonia genannt. Amerikanische Bezeichnung für den Colombard. Eine in Ungarn gepflanzte rote Rebsorte. Dieser schwere Wein mit starkem Säuregehalt und leichter süße wird oft als Verschnittwein verwendet. 151 Gamay Garganega Gewürztraminer Graciano Granacha Blanca Die Rebsorte Gamay ist eine der beliebtesten im Beaujolais, wird aber auch im restlichen Frankreich und in der Schweiz angebaut.Sie bringt einen relativ hellen Rotwein hervor und hat einen hohen Säuregehalt. Es wird oft mit Pinot Noir verschnitten. Italienische Rebsorte, aus der der Soave verschnitten wird. Die Rebsorte wird auch roter Tramier genannt und wird im Elsaß, in der Pfalz, in Baden und im Saale-Unstrut-Gebiet gepflanzt. Aus ihr entsteht ein Goldgelber Weißwein, der nach Vanille, Orangen, Rosenblüten und Akazienhonig schmecken kann. Gewürztraminer gehört zu den traditionsreichen Rebsorten, die vor Hunderten von Jahren schon die Kurfürsten der Pfalz zum Anbau empfahlen. Der rund 400jährige Traminerweinberg im südpfälzischen Rhodt unter derRietburg gilt als einzigartiges Denkmal der Weinkultur.In den Verordnungen der Landesherren gehörte er mit dem Riesling und später dem Ruländer immer zu den empfohlenen Rebsorten (Bischöfe von Speyer, Kurfürsten der Pfalz, Grafen von Leinigen). Der Graciano wird vorrangig in Spanien kultiviert. Aus ihr wird ein tiefroter Wein mit vollem Körper gekeltert. Spanische Bezeichnung für den Grenache. Granacha Tinto In Teilen Spaniens die Bezeichnung für die rote Variante des Grenache. Grauburgunder Grauburgunder oder Grauer Burgunder wird hauptsächlich in Italien und Deutschland angebaut und ist eine Mutation des Spätburgunder. Die auch Ruländer genannte Rebsorte bringt Weine hervor, die nach Birne, Honig, Ananas und Grapefruit schmecken. Der Pfälzer Apotheker Johann Seeger Ruland hat diese Rebsorte 1711 in einem verwilderten Garten in Speyer gefunden, verbreitet und ihr auch den Namen gegeben Beliebte Rebsorte, die in Frankreich, Spanien und in Australien angebaut wird. In Teilen von Spanien ist sie sogar die vorherrschende Rebsorte. Es gibt sie als Weiß- und als Rotweinvarianten (Grenache Blanc). Aus ihr werden fruchtige und leicht süßliche Rotweine oder leichte Weißweine mit milder Säure gekeltert. In Teilen Spaniens die Bezeichnung für die weiße Variante des Grenache. Grenache Grenache Blanc Gros Manseng Grüner Veltliner Gutedel Aus Spanien stammende weiße Rebsorte die vor allem in Westfrankreich kultiviert wird. Aus ihr entstehen füllige Weißweine mit ausgeprägten Aromen. In Österreich angebaute Rebsorte die in einigen Weinanbaugebieten bis zu 80 Prozent der Abauflächen belegt. Es entstehen leichte Weine mit Pfefferaromen. Rebsorte, die in der Schweiz und in Deutschland im badischen Markgräflerland kultiviert wird. Sie ist vor allem Kreuzungsgrundlage für eine Reihe sehr bekannter Weißweine gewesen. 152 Huxelrebe Die Huxelrebe ist eine Kreuzung aus Gutedel und der Rebsorte Courtillier Musqué. Bringt Weine mit milder Säure und Aromen von Orangen, Honigmelone und Maracuja hervor. Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1927 durch Georg Scheu. Benannt wurde sie nach dem Weinguts- und Rebschulbesitzer Fritz Huxel (1892-1972) aus Westhofen bei Worms, der sich beim Anbau und bei der Vermehrung der Rebe besondere Dienste erworben hat. Heunisch-Rebe Hárslevelü Humagne Rouge Kanzler Kekfrankos Kerner Lagrein Lemberger Loureiro Macabeo Madeleine Angevine Aromatische ungarische Rebsorte, die charakteristisch würzige Weine liefert. Die Traube bringt ihren Duft in den berühmten Tokajer ein. In Frankreich angebaute, spät reifende Rebsorte. Der Humangne Rouge eignet sich gut zum Ausbau in Holzfässern. Georg Scheu (1879-1949) kreuzte die Sorte 1927 an der Landesanstalt für Rebenzüchtung Alzey aus Müller-Thurgau und Silvaner. Klassifiziert in Deutschland. Der Name wurde scherzhalber von den drei ersten Bundeskanzlern Deutschlands abgeleitet: Der Wein ist raffiniert wie Konrad Adenauer, voll und rund wie Ludwig Erhard, elegant wie Kurt Georg Kiesinger. Starkwüchsige Rebsorte für hochwertige, fruchtige Weine. Nur in Deutschland (60 ha) aktuell an der Nahe 3.95 ha, was etwa 0,09 % der Anbaufläche entspricht. Kekfrankos ist eine Rebsorten-Bezeichnung für den Lemberger in Ungarn. Bekannte Weisweinrebsorte, in in der Schweiz, Südtirol und in Deutschland angebaut wird. Der Kerner entspringt einer Kreuzung 43 aus Trollinger und Riesling und ist nach Justinus Kerner , einem schwäbischen Arzt und Dichter benannt. Es werden aus dem Kerner hellgelbe Weine mit Aromen von Birne, grüner Apfel, schwarze Johannisbeere, und Aprikosegekeltert. In Österreich kultivierte Rebsorte. Er wird zum Keltern von Rotwein, die eine samtrote Farbe und mittleren Körper besitzen genutzt. Aus dem Lagrein können aber auch leichte Roseweine entstehen. Der Lemberger stammt von der Heunisch-Rebe ab. Sie wird vor allem in Österreich und Baden-Württemberg gepflanzt. Aus den Trauben des Lemberger entstehen tief- und schwarzrote Weine mit Aromen von Sauerkirschen und Pflaumenkompott. Der Loureiro wird in Portugal angebaut. Er bringt aromatische Weißweine mit feiner Säure und Aromen von Pfeffer und Lorbeeren hervor. Synonym für den Viura. Für den Weinanbau wird die sonstige Tafeltraube Madeleine Angevine vor allem in England genutzt. Sie ist sehr früh reifend und eignet sich deshalb gut für den Anbau in England. 153 Malbec Malvasia Mammolo Marsanne Mataró Mazuela Melon de Bourgogne Merlot Montepulciano Muscat Blank Monastrell Muscat Muskateller Moriomuskat Molinara Müller-Thurgau Der Malbec wird vorrangig in Argentinien und Frankreich kultiviert. Im Bordeaux war sie sogar eine zeitlang die am meisten gepflanzte Rebsorte. Aus dem Malbec werden samtrote Weine mit Aromen von Schokolade, Mandeln und Zedernholz gekeltert. Sehr alte, in Italien kultivierte Rebsorte. Aufgrund des Alters bringt sie relativ unkultivierte Weine mit einem hohen Alkoholgehalt hervor, die zum Teil eine hohe Süße aufweisen. Die in Mittelitalien kultivierte Rebsorte Mammolo hat Ihren Namen nach ihren Veilchen-Duft erhalten. (Mammole = Veilchen). Sie bringt wertvolle Weine mit mittlerem Körper und milder Säure hervor. In Frankreich kultivierte Weißweinrebe, die Weine mit vollem Körper und großer Aromenvielfalt hervorbringt. Die Marsanne wird gern mit Rousanne oder Viognier verschnitten. Rotweinrebe aus Spanien, in Frankreich unter dem Namen Mourvèdre vor allem im Südwesten angebaut Wird vorwiegend verschnitten mit Grenache, Syrah und Carignan Synonym für den Carignan. In Frankreich im Loire-Gebiet gepflanzt. Aus dem Melon de Bourgogne werde frische trockene Weine mit leichten Aromen gekeltert. Der Merlot wird hauptsächlich in Frankreich und in Italien angebaut. Hochwertige Rebsorte, die im Bordeauxgebiet eine fast ebenso bedeutende Rolle spielt wie der Cabernet Sauvignon und die vielen berühmten Rotweinen Weichheit, Frucht, Geschmeidigkeit und Charme verleiht. Aber auch aus Australien und Südamerika (Chile) kommen sehr wohlschmeckende Weine aus der Merlot-Traube. Die schweizerischen Tessiner keltern aus Merlot einen weichen, runden Rotwein mit viel Blume und Frucht.Die alkoholreichen MerlotWeine werden häufig mit Cabernert-Sauvignon verschnitten In Mittelitalien und in den Abruzzen gern gepflanzte Rebsorte. Es werden wertvolle Weine mit mittlerem Köper und gehaltvollen Aromen gekeltert. Synonym für den Muscat. Spanische Bezeichnung für den Mourvèdre. Wichtige, in Frankreich und Italien kultivierte Rebsorte. Sie bringen trockene Weißweine mit leichtem Körper und Aromen von Orangen, Zimt und Pfeffer hervor. Muskateller ist eine der ältesten Rebsorten und stammt aus Vorderasien. In Deutschland nimmt er nur eine Nebenrolle ein. Der Moriomuskat, eine Züchtung aus Silvaner und Weißburgunder wird oft mit Silvaner verschnitten. Die Weine aus dem Moriomuskat haben einen, häufig kräftigen, Muskatton. In Italien kultivierte Rebsorte. Sie wird gern mit dem Corvina Veronese zu Valpolicella verschnitten. Rebsortenrein ergib sie körperreiche Weine mit starker Säure. Neben dem Riesling ist der Müller-Thurgau die beliebteste Weinrebe in Deutschland. Sie wird fast in allen Deutschen Weinbaugebieten, wie etwa Baden, Pfalz, Rheinhessen, Franken, Saale-Unstrut, MoselSaar-Ruwer, in Sachsen und an der Hessischen Bergstraße kultiviert. Ein Synonym für den Müller-Thurgau ist der Name Rivaner. Der Müller-Thurgau entstand aus einer Kreuzung zwischen Riesling und 44 Sylvaner und hat seinen Namen vom Züchter Hermann Müller aus Thurgau. Die aus der Rebsorte entsehenden Weine haben Aromen von Zitrone, Muskat und grünem Paprika und mit einer milden Säure. 154 Moscato bianco Mourvèdre Muscadelle Nobling Nebbiolo Optima Ortega Petit Arvine Petit Manseng Petit Verdot Pinau de la Loire Pinotage Pinot Bianco Italienische Bezeichnung für den Muscat . Wichtige, in Frankreich, Australien und Spanien kultivierte Rebsorte. Der Mourvèdre bringt körperreiche Weine mit Aromen von Brombeeren und Pflaumen hervor. In Frankreich vor allem im Bordeaux und Bergerac kultivierte Rebsorte. Aus ihr entstehen süße Weißweine mit viel Körper und ausgewogenen Aromen. Sie erinnern an Weine aus dem Semillon. Der Nobling wird hauptsächlich im badischen Markgräflerland angebaut und erzeugt Weine mit feiner Säure und mittlerem Körper. Er ist eine Kreuzung aus Silvaner und Gutedel. In Norditalien kultivierte Rebsorte. Die tanninreichen Trauben ermöglichen eine sehr lange Reifezeit, die einen körperreichen Wein mit Aromen von Pflaumen und Teer hervorbringen. Einige Weine aus der Nebbiolo zählen zu den ältesten Weinen der Welt. Eine von zahlreichen Neuzüchtungen, gewonnen aus (Silvaner x Riesling) x Müller-Thurgau, doch ungeachtet ihres euphorischen Namens keinesfalls die beste Rebsorte, wenn sie auch hohe Mostgewichte erreichen kann. Doch die feine, differenzierte und rassige Frucht eines Rieslings ist ihr fremd. Ähnlich vergleichbaren Fehlentwicklungen befindet sie sich seit geraumer Zeit wieder auf dem Rückzug. Derzeit sind noch rund 360 ha mit ihr bestockt, hauptsächlich an Mosel-Saar-Ruwer und in Rheinhessen. Eine vor allem in Rheinhessen und in der Pfalz gepflanzte Rebe mit Aromen von Birnen, Bananen und Aprikosen.Hans Breider (1908 1960) kreuzte 1948 in Würzburg Ortega aus Müller-Thurgau und der Siegerrebe. Sie verbreitete sich nach 1970 als frühreifende, bei später Ernte hochwertige Weine bringende Sorte. Seinen Namen hat sie von dem spanischen Philosophen, Dichter und Weinfreund José Ortega y Gasset 1883 - 1955). In der Schweiz, und hier insbesondere im Wallis, angebaute Weinrebe. Es entstehen trockene bis liebliche Weine mit angenehmen Veilchenduft und milder Säure. Zwar nicht identisch aber dennoch sehr ähnlich dem Gros Manseng. Die Petit Verdot stammt aus dem Bordeaux und wird dort auch noch hauptsächlich kultiviert. Sie ist ebenfalls in Californien beliebt. Aus ihren Trauben entstehen tiefrote und tanninreiche Weine. Chenin Blanc wird in ihrer Heimat oft Pinau de la Loire genannt. Die Pinotage ist eine relativ junge Rebsorte aus Südafrika. Sie entstand aus einer Kreuzung zwischen Pinoit Noir und Cinsault. Aus ihren Trauben werden tiefrote Weine mit vollem Körper und intensiven Aromen gekeltert. Pinot Bianco ist die italienische Bezeichnung für den in Deutschland angebauten Weißburgunder. 155 Pinot Blanc Pinot Gris Pinot Grigio Pinot Meunier Pinot Noir Pinot Nero Portugieser Primitivo Prosecco Prugnolo Gentile Die Pinot Blanc ist identisch mit dem in Deutschland angebauten Weißburgunder. Synonym für den Grauburgunder. Abart des Spätgrugunders, zuerst erfolgreich in Baden ausgebaut, eroberte er Norditalien (Alto Adige, Trentino und Friaul) und das ElsaßPinot gris - Eine echte Variante der herausragenden Pinot-Familie, in Deutschland als Grauer Burgunder oder Ruländer und im Elsaß als Tokay d'Alsace bezeichnet. Die reifen Trauben zeigen eine ins Graue spielende Rosafärbung und liefern bisweilen ganz ausgezeichnete Weine Italienische Bezeichnung für den Grauburgunder. Rote Variante der Pinot-Familie, doch ergiebiger und weniger ausgezeichnet als der Pinot noir. Als Meunier in Frankreich in der Champagne verbreitet und häufig an der Loire anzutreffen. Der Name stammt von der weißlichen Färbung der Blattunterseite, so als sei sie mit Mehl (meunier bedeutet Müller) bestäubt. In Deutschland offiziell als Müllerrebe bezeichnet, doch in Württemberg, wo ihr eigentliches Verbreitungsgebiet (84% der insgesamt 2095 ha) ist, nur unter dem Namen Schwarzriesling bekannt. Pinot Noir ist die französische Bezeichnung für den Spätburgunder. eine der ältesten Rebsorten der Welt, aus Burgund stammend, mittlerweile weltweit ausgebaut In der Champagne bildet der Pinot Noir die Basis für den Champagner. Pinot Nero ist die italienische Bezeichnung für den Spätburgunder. Portugieser wird in Österreich und in Deutschland angebaut. Es entstehen hellrote Weine mit leichtem Körper. Die Rotwein-Rebsorte Primitivo ist in Italien ansässig. Sie ist genetisch mit dem Zinfandel bekannt, der vor allem in Californien angebaut wird. Einige italienische Winzer verkaufen den Primitivo unter dem bekannteren Namen Zinfandel. Die aus dem Primitivo hergestellten Weine lassen sich allerdings nicht mit Zinfandel Weinen vergleichen. Prosecco wird, bis auf Ausnahmen in Argentinien, ausschließlich in Italien angebaut. Aus der Rebsorte entstehen die gleichnamigen Perlweine. Zwar nicht identisch, aber eng verwandt mit dem Sangiovese. Regent Die Rebsorte Regent ist zur Zeit noch im Versuchstadium. Sie entspringt einer Kreuzung aus Silvaner und Müller-Thurgau. Regner Die weiße Rebsorte ist eine Neuzüchtung aus Luglienca bianca( Gelbe Seidentraube (weiß)) x Gamay früh (rot). Die Kreuzung erfolgte 1929 durch Georg Scheu. Mit dem Namen wurde AnneMarie Regner (1911-1999) geehrt, die langjährige Mitarbeiterin von Scheu war. Die Sorte wurde im Jahre 1979 für den Anbau in Rheinhessen freigegeben. Der eher säurearme, blumige und gelbgrüne Wein hat einen leichten Muskatton; er erinnert an MüllerThurgau. 156 Rieslaner Riesling Rivaner Rondinella Rousanne Ruby Cabernet Ruffiac Rieslaner ist nicht nur vom Namen her dem Riesling ähnlich. Entstanden aus einer Kreuzung von Silvaner und Riesling erzeugt der aus Franken stammende Rieslaner ähnlich gute Weine mit Aromen von Grapefruit und Rhabarber. Riesling stammt aus dem Oberrhein wo sie schon im 15. Jahrhundert angebaut wurde. Sie gehörte schon im 17. und 18. Jahrhundert zu den von den Landesherren empfohlenen Sorten (Bischöfe von Speyer, Kurfürsten der Pfalz, Grafen von Leiningen). Der "König der deutschen Weißweine" wurde nach Ansicht vieler Ampelographen aus Wildreben des pfälzischen Auwaldes ausgelesen Der Riesling ist die bekannteste und beste Weißweinrebsorte in Deutschland. Obwohl sie sehr spät reift und hohe Anforderungen an ihre Umgebung stellt kann sie doch in gemäßigten Klimazonen sehr gute Weine hervorbringen. Sie wird in fast allen deutschen Weinbaugebieten gepflanzt. Der Name Rivaner ist ein Synonym für die Rebsorte Müller-Thurgau. Italienische Rebsorte, die in einigen Weinanbaugebieten Italiens sehr beliebt ist. Sie wird jedoch sehr häufig zum Verschnitt mit anderen Weinen genutzt. In Frankreich kultivierte Weinrebe. Die Ruby Cabernet ist eine relativ junge Rebsorte, die vorrangig in Australien, Südafrika und Californien kultiviert wird. Sie entstand aus einer Kreuzung zwischen Carignan und Cabernet Sauvignon. Aus ihren Trauben entsteht ein Wein mit vollem Körper mit mittlerer Säure. Synonym für den Arrufiac. Ruländer Der Name Ruländer ist ein Synonym für den Grauburgunder. Der Pfälzer Apotheker Johann Seeger Ruland hat diese Rebsorte 1711 in einem verwilderten Garten in Speyer gefunden, verbreitet und ihr auch den Namen gegeben. Samtrot Eine auf Baden-Württemberg begrenzte Mutation des Schwarzriesling. Die aus ihr erzeugten ziegelroten Weine erinnern an den Spätburgunder. Der Sangiovese ist die wichtigste italienische Rotweinsorte. Vor allem in der Toskana sorgt sie für die wohlschmeckenden Weine Chianti und Montepulciano. Aus den Trauben der Sangiovese entstehen Weine mit Aromen von Brombeeren und Waldbeeren und vollem Körper. Durch den Anteil an Tanninen können die Weine lange reifen. Früh reifender Wein der vor allem in Österreich und in Teilen Tschechiens gepflanzt wird. Auch Blauer genannt; alte französische Rotweinsorte, genaue Herkunft unbekannt Die Traube wurde um1870 aus dem Elsaß nach Deutschland gebracht; erbringt gute Ergebnisse in der Pfalz; ergibt tiefrote Weine mit zartem BordeauxBukett. Aus ihm wird ein tiefroter Wein mit mittlerem Körper gekeltert. Sangiovese Sankt Laurent (Saint Laurent) 157 Sauvignon Blanc Scheurebe Schwarzriesling Semillon Siegerrebe Silvaner Spätburgunder Syrah Syrak Sauvignon Blanc wird vor allem in Frankreich angebaut. Sehr erfolgreich ist die Rebe vor allem in Sauternes im Bordeaux, wo sehr gute Süßweine aus Sauvignon Blanc gekeltert werden. Es entstehen aber auch sehr schmackhafte trockende Weißweine aus der Rebsorte. In Deutschland durfte sie eine Zeit lang nicht angebaut werden. Deshalb wird sie erst seit den (19)80er Jahren in Deutschland kultiviert. Je nach Anbaugebiet bietet der Sauvignon Blanc Aromen von schwarzer Johannisbeere, Stachelbeere, Grapefruit, Ananas und Rhabarber. Die Scheurebe, gezüchtet aus den Reben Silvaner und Riesling ist eine spät reifender Weißwein. Sie wurde nach dem Züchter Georg 45 Scheu (1879-1949) benannt, der sie 1916 in der Landesanstalt für Rebenzüchtung in Alzey kreierte. Aus ihr entstehen Weine mit Aromen von schwarzer Johannisbeere, Maracuja, Pfirsich und Mango. Der Schwarzriesling ist vor allem in Baden-Württemberg angesiedelt. Zusammen mit dem Traminer ist er einer der Stammreben aller Burgunderweine. Die hell- bis ziegelroten Weine führen Aromen von Brombeere, Waldbeere und Himbeere. Obwohl der Semillon mit einer der wichtigsten Weißweinrebsorten ist, wird sie meist mit dem Sauvignon Blanc verschnitten..Die Weine aus Semillon sind sehr alterungsfähig, wobei sich mit dem Alter die vordergründige Süße verliert und der Wein (oft nach Jahrzehnten) etwas karamelisiert und fast trocken wirkt. Die Rebe wurde als Kreuzung zwischen Gewürztraminer und Madeleine Angevine gezüchtet. Die Kreuzung erfolgte durch Georg Scheu im Jahre 1929 an der Landesanstalt für Rebenzüchtung in Alzey/Rheinland-Pfalz. Da sie sehr früh reift, eignet sie sich für Süßweine. Der Silvaner ist in Deutschland stark verbreitet. Wahrscheinlich kam er vor rund 300 Jahren über die Bischöfe von Speyer in die Pfalz. Aus ihr werden vor allem in Franken sehr gute Weine gekeltert. Aber auch in Rheinhessen, Saale-Unstrut und in Österreich wird der Silvaner kultiviert.Es entstehen feinsäurige Weine mit Aromen von Stachelbeere, Quitte und Karamel. Bodensee. Wird vor allem im Burgund, in Baden und in der Pfalz angebaut. Weine aus der Rebe Spätburgunder lassen sich gut lagern und bringen ziegel- bis tiefrote Weine mit Aromen von Brombeere, Waldbeere, Himbeere und Kirsche hervor.In Frankreich nennt man den Spätburgunder Pinot Noir. Für Spitzenweine ist diese anspruchsvolle Rebe vielleicht die wichtigste Rebsorte der Welt. Sie bringt große Weine in Burgund und Deutschland hervor. Darüber hinaus verlangt sie den Önologen mit ihrer Empfindichkeit einiges an Können ab. Eine aus dem arabischen Raum stammende, alte Rebsorte, die vor allem in Frankreich angebaut wird. Aus ihr entstehen tiefrote Weine mit vollem Körper. Der hohe Tanningehalt sorgt dafür, dass Weine aus dem Syrah lange reifen können und ein hohes Alter erreichen. Sie braucht heißes, trockenes Klima und wird vor allem im Rhonetal angebaut. Sie ist Bestandteil vieler Verschnittweine in ganz Südfrankreich, wo sie auch Hermitage heißt. Englische Bezeichnung für den Syrah. 158 Tannat Tempranillo Tinta Barocca Tinta Roriz Tocai Friulano Touriga Nacional Trajadura Traminer Trebbiano Trollinger Rebsorte, die in Frankreich und Spanien kultiviert wird. Da die Weine aus der Tannat-Traube sehr tanninreich sind, werden sie mit Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon verschnitten. Wichtigste Rotweinrebsorte in Spanien. Aus ihr werden Ribera del Duero und Rioja gekeltert. Aus ihr entstehen samtrote Weine mit vollem Körper und dennoch milder Säure. Mit ihrer kräftigen, dennoch sanftigen Struktur ist die Tempranillo die spanische Antwort auf die Cabernet Sauvignon. Eine in Portugal und Südafrika gepflanzte Rotweinsorte, die zu Portwein verschnitten wird. In Portugal die Bezeichnung für den Tempranillo. Die Tocai Friulano findet sich in der nordostitalienischen Region Friaul und ist dort die am häufigsten angebaute Weißweinrebe. Ihre Weine zeigen eine ausgeprägte Frische und Leichtigkeit. Sie haben darüber hinaus deutliche florale Noten und Mandeltöne. In Portugal kultivierte Rebsorte, die unter anderem mit dem Tinta Barocca zu Portwein verschnitten wird. Die für die Portweinproduktion wichtigste Rebsorte, die überwiegend im Duoro Tal angebaut wird. Sie läßt dunkle, hochkonzentrierte, tanninreiche Weine entstehen Die Trajadura ist eine qualitativ hochwertige Region in Portugal, die für den Vinho Verde verwendet wird. Ihre Weine sind körperreich und haben einen hohen Alkoholgehalt. Trajadura wird sowohl sortenrein ausgebaut, als auch für Cuvees verwendet, dann meist mit Loureiro oder Alvarinho als Verschnittpartner. Der Traminer ist ein Vorläufer des Gewürztraminers, von dem er sich durch hellere Trauben und nicht so intensiven Geschmack. Die Traminer-Rebsorte stammt ursprünglich aus Südtirol ist heute aber in viele Regionen der Welt verbreitet. Besonders interessante Traminer kommen heute aus Österreich (dort vor allem aus der SüdostSteiermark) und dem Elsass. Beliebteste Weißweinrebe in Italien und traditionell gepflanzte Rebe in Frankreich. Aus ihr werden leichte spritzige Weine gekeltert, die einen mitteren Körper und rassige Säure besitzen. Schon Plinius der Ältere (23-79) sprach von einem "Vinum trebulanum" aus dem Ort Trebulanis in Kampanien, was auf einen Urahn der Sorte hindeuten könnte. Der Autor Petrus de Crescentiis (1230-1310) beschreibt den Trebbiano als edeln, haltbaren Wein (er muss also damals andere Eigenschaften gehabt haben). Die Rebsorte Trollinger ist die typisch Baden-Württembergische Weinrebe, die an den dort vorhandenen steilen Berghängen gepflanzt wird. Die aus ihr gekelterten hellroten Weine haben eine feine Säure und einen mittleren Körper. Die Ursprünge der Trollinger liegen vermutlich in Tirol. Sie wird in Deutschland fast ausschließlich in Württemberg kultiviert, wo sie schon seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen ist. Der Trollinger-Wein begründet den Nationalstolz der Württemberger und gelangt nur selten über die Landesgrenzen hinaus. Meist lieblich ausgebaut, will er jung und leicht gekühlt getrunken sein. 159 Ugni Blanc Verdello Viognier Viura Weißburgunder Weißer Elbling Welschriesling Zierfandler Zinfandel Französische Bezeichnung für den Trebbiano. Sie gilt als die graue Eminenz Frankreichs und ist identisch mit der in Italien weitverbreiteten Trebbiano-Traube. Im Süden Frankreichs wird sie auch als Clairette Ronde bezeichnet (Eine Verwandschaft besteht jedoch nicht). In Süditalien kultivierte Weißweinsorte. Es entstehen leichte Weine, die jung getrunken werden. Die Verdello erbringt frische Weine mit kräftigem Körper und Aroma nach frischen Zitronen. Die wahrscheinlich mit der portugiesischen Verdello verwandte Sorte findet sich außer in Umbrien auch auf Sizilien. In Frankreich kultivierte Rebsorte. Es entstehen Weine mit Aromen von Aprikosen und Pfirsich und feinen Säureanteilen. Ein Wein, der jung getrunken werden sollte. Wichtige, in Spanien kultivierte Weißweinsorte. Es entstehen liebliche Weine mit vollem Körper. In Spanien und vor allem in Rioja die meist angebaute Weißweinrebsorte. Viura ist auch ein Synonym für die Macabeo. In Frankreich ist der Weißburgunder als Pinot Blanc bekannt. Dort wird er hauptsächlich im Elsaß, in Deutschland in Baden und in der Pfalz angebaut. Aus der Rebe entseht ein Wein mit mittlerem Körper und Aromen von Banane, Aprikose, Karamel und Zitrone. Der Weißburgunder ist eine wertvolle, wenn auch (noch) nicht sehr häufig angebaute Sorte. Nachweislich bekannt ist der Pinot Blanc (wie er in Frankreich genannt wird) bereits seit dem 14. Jahrhundert. Er entstand durch Mutation aus dem Grauen Burgunder Der Name Weißer Elbling ist ein Synonym für den Elbling. Spätreifende Rebsorte, die Weine mit großem Säuregehalt hervorbringt. Sie hat mit dem Riesling nur eine Namensähnlichkeit. Nicht verwandt mit dem deutschen Riesling. Verbreitung: hauptsächlich in Südosteuropa. Reift ähnlich spät wie der Riesling. Geschmack: säurebetont. Die Zierfandler-Rebsorte wird in Österreich angebaut. Sie ist nicht mit dem Zinfandel verwandt oder ähnlich. Wahrscheinlich aus Niederösterreich stammend.Fast ausschließlich in der Thermenregion. Begründete zusammen mit dem Rotgipfler den Ruhm des Weinortes Gumpoldskirchen. Zinfandel oder "Zin" ist eine Rotwein-Rebsorte. Stammanbaugebiet ist Californien, wo sie auch die am meisten angebaute Rebe ist. Californien ist auch das einzige relevante Weinanbaugebiet, denn nur dort findet man wirklich bedeutende Anbaugebiete. Der Zinfandel ist nicht mit der in Österreich verbreiteten Rebsorte Zierfandler verwandt. In Italien nennt man den Zinfandel Primitivo. 160 Zweigelt Der Zweigelt ist vor allem in Österreich sehr beliebt. Die Rebsorte ist eine Kreuzung aus Lemberger und Sankt Laurent. Es entstehen 46 hellrote Weine mit mittlerem Körper. Fritz Zweigelt kreuzte im Jahre 1922 Blaufränkisch und St. Laurent zur heute sehr populären Zweigelt-Traube (auch Rotburger genannt). Die Weine, substanzreich, fruchtig, oft mit Vanille-Aromen und tanninreichem Abgang, erreichen bei fachgerechter Vinifizierung und Lagerung (etwa in französischen Barriques) durchaus eine lange Haltbarkeit. Mit der Zweigelt-Traube gelingen immer wieder hervorragende Cuvées, so zum Beispiel im Zusammenspiel mit Cabernet Sauvignon. 43 Justinus Andreas Christian Kerner (18.09.1786 Ludwigsburg - 21.02.1862 Weinsberg). Der Vater war der Oberamtmann Christoph Ludwig Kerner (1744 - 1799), die Mutter Friederike Luise Stockmayer (1750 - 1817), die 12 Kinder hatten. Durch den frühen Tod des Vaters konnte der sensible und oft kränkelnde Justiuns Kerner erst nach vier leidvollen Lehrlingsjahren in verschiedenen Berufen durch Unterstützung guter Freunde von 1804 bis 1809 Naturwissenschaften und Medizin an der Universität Tübingen studieren, wo er 1810 zum Dr. med. promovierte. Ab 1810 wirkte Justinus Kerner als Arzt in Dürrmenz, Wildbad und Welzheim und wurde 1815 Oberamtsarzt in Gaildorf und 1819 in dem Weinstädtchen Weinsberg, wo er bis 1851 praktizierte. Zwischenzeitlich hatte er am 28. Februar 1813 die Pastorentochter Friederike Ehmann (1786 - 1854) geheiratet mit der Justinus Kerner drei Kinder hatte. Justinus Kerner Kerner versuchte auch geistig und seelisch Kranke zu heilen was ihm eine Herzenssache war, da er selbst oft unter Melancholie litt. Er beschäftigte sich mit wissenschasftlichen Untersuchungen, insbesondere mit parapsychologischen Fragen und medialen Erscheinungen. Magnetische Heilversuche und mystische Experimente machten ihn über die Mnedizin hinaus bekannt. Kerner versuchte u. a. auch experimentell die Wirkungen des Rieslings auf das Nerrvensystem, im Vergleich mit anderen Weinen, Traubenbeeren und Rebsorten zu ergründen. Er entwickelte eine innige Beziehung zum den Reben und dem Wein, dem er gerne reichlich huldigte und ihn beflügelten in Poesie und Prosa zu dichten. So schrieb Kerner viele Gedichte und Balladen, die zu Volks- und Weinliedern vertont wurden. Er bildete als geistiger Vater und geselligem Mittelpunkt einen unübersehbaren Freundeskreis zu dem u. a. Ludwig Uhland, Gustav Schwab, Eduard Mörike, Nikolaus Lenau gehörten. Kerrner hätte gerne Weinsberg zu einem „schwäbischen Weimar“ gemacht und war einer der begabtesten und vielseitigsten Schwaben seiner Zeit. Die Stadt Weinsberg richtete das ehemalige Haus der Familie Kerner zu einem Kerner Museum ein. Gekreuzt von August Herold (1902 - 1973) 1929 in Weinsberg aus Trollinger x Riesling, bekam sie ihren Namen. Im Jahre 1968 erhielt die Neuzüchtung, Sortenschutz unter der Bezeichnung „Kerner-Rebe“ LINSENMEIER O (2005) Kerner, Justinius Andreas Christian (1786 - 1862). In: Persönlichkeiten der Weinkultur. Kurz-Biographien aus 16 Jahrhunderten. Gesellschaft für Geschichte des Weines e. V. URL:http://www.geschichte-des-weines.de/personenAZ/kerner_justinus_andreas_christian.html (03.11.2005) 161 44 Hermann Müller-Thurgau (21.10.1850 Tägerwilen (Schweiz - 18.01.1927 Wädenswil (Schweiz). Er heiratete 1881 Berta Biegen aus Oestrich/Rheingau mit der er drei Töchter hatte. Studierte Naturwissenschaften in Zürich und Neuenburg und promovierte 1874 bei dem Botaniker Julius Sachs (02.10.1832 Breslau - 29.05.1897 Würzburg) an der Universität Würzbug. Hermann Müller-Thurgau war von 1876 bis 1890 Dirigent der Pflanzenphysiologischen Versuchstation in Geisenheim und erhielt 1891 den Ruf zur Gründung und Leitung der Deutsch-schweizerischen Versuchsstation und Schule für Obst, Wein- und Gartenbau (heute Forschungsanstalt) in Wädenswil. Er war von 1892 bis 1924 Redakteur der Schweizerischen Zeitschrift für Obst- und Weinbau. Als er 1891 als Direktor der neu gegründeten Versuchs- und Lehranstalt Wädenswil in die Schweiz zurück- kehrte, ließ er sich 150 der wertvollsten Sämlinge nachkommen. 1894 wurden die ersten zwei Reben des Sämlings Nr. 58 (Riesling x Silvaner 1) angepflanzt. In der Folge die Vermehrung durch Schellenberg und die Prüfung in der Praxis. 1913 die Einfuhr nach Deutschland durch Dern, der die Sortenbezeichnung Müller-Thurgau einführt und 1970 Klassifizierung als empfohlene Sorte. 1975 nimmt sie den ersten Platz in der Anbaustatistik Deutschlands ein. In der Zwischenzeit ist sie Nummer 2 nach dem Riesling. Hermann Müller-Thurgau führte bahnbrechende Arbeiten auf den Gebieten der Physiologie der Rebe (Blütenbiologie, Assimilationsund Stoffwechselvorgänge), Rebkrankheiten (Falscher Mehltau, Botrytis, Rotbrenner) Beinflussungsmöglichkeiten der alkoholischen Gärung, biologischer Säureabbau sowie die Entwicklung von Methoden zur Herstellung alkoholfreier Traubensäfte. Über 200 Publikationen zeugen von Hermann Müller-Thurgaus Schaffenskraft. FRITZSCHE R (2005) Müller-Thurgau, Hermann (1850 1927). ). In: Persönlichkeiten der Weinkultur. KurzBiographien aus 16 Jahrhunderten. Gesellschaft für Geschichte des Weines e. V. URL: http://www.geschichte-des-weines.de/personenAZ/ mueller_thurgau_hermann.html (03.11.2005) 45 Georg Scheu (21.06.1879 Krefeld - 02.11.1949 Alzey). Er war verheiratet mit Gertrude Appenzeller aus Hermann Müller-Thurgau Schneidemühl und hatten zwei Kinder. Nach seiner Schulzeit machte Georg Scheu eine gärtnerische Ausbildung in Hannover und war danach Gartenbautechniker in München und Schierstein. Danach machte er eine weitere Ausbildung an der Lehr- und Forschungsanstalt in Geisenheim sowie drei Jahre am Kaiser-Wilhelm-Institut in Bromberg. Ab 1909 war Georg Scheu Kreisberater für Wein- und Obstbau bei der Landwirtschaftskammer in Alzey. Hier begann er mit dem Aufbau von Rebschulen und organisierte die Pflanzengutversorgung in Rheinhessen. Georg Scheu begann auch die Rebenselektion und Kreuzungszüchtung. Er bearbeitete umfangreiche Versuchsserien vieler Fragen der Weinbaus. Er verbesserte die Jungfeldaufzucht sowie die Erziehung und bearbeitete die Chlorosefrage (Vergilbungskrankheit der Rebe bei der der Nährstoff Eisen (Fe) verantwortlich ist. Eisen ist in verschiedenen Enzymsystemen im pflanzlichen Stoffwechsel unentbehrlich und bewirkt bei Mangel oder Inaktivierung eine drastische Verminderung des Chlorophyllgehaltes). Scheu erkannte, dass die Rollkrankheit von einer Virose verursacht wird. Georg Scheu war ein eifriger Züchter auf ihn gehen die Rebsorten Scheurebe, Huxelrebe, Siegerrebe, Faber Kanzler, Septimer und Würzer zurück. Die größte Bedeutung erlangte dabei die Scheurebe, 1916 Züchtung aus (Silvaner x Riesling). 162 BAUER O (2005) Scheu, Georg (1879 - 1949). ). In: Persönlichkeiten der Weinkultur. KurzBiographien aus 16 Jahrhunderten. Gesellschaft für Geschichte des Weines e. V. URL: http://www.geschichte-des-weines.de/personenAZ/scheu_georg.html (03.11.2005) 46 Fritz Zweigelt (13.01.1888 Hitzendorf/Steiermark - 18.09. 1964 Graz). Studierte Botanik an der Universität Graz wo er promovierte und Assistent am dortigen Botanischen Institut wurde. Er habilitierte später an der Wiener Uiniversität für Bodenkultur für Landwirtschaftlichen Pflanzenschutz. Zweigelt wurde 1912 Assistent an der Lehr- und Forschungsanstalt in Klosterneuburg. Im Jahre 1922 wirde er Leiter der 1921 gegründeten Bundes-Rebzuchtstation, später auch Leiter der Abteilung Angewandte Entomologie und Pflanzenkrankheiten und Lehrer für Entomologie und Pflanzenzüchtung. Von 1938 bis 1945 war Professor Dr. Zweigelt Direktor der Höheren Staatslehranstalt und Staatsversuchsstation für Wein-, Obstund Gartenbau. Nach der Pensionierung wurde er Fachkonsulent in der Privatwirtschaft. Mehrere Neuenburger Rebzüchtungen gehen auf Zweigelt zurück (Jubiläumsrebe, Rotburger, Blauburger (=Zweigeltrebe). Sein Name ist Fritz Zweigelt untrennbar mit der nach ihm benannten Neuzüchtung Zweigelt verbunden. In diesem Zusammenhang sagte er: "Dass es eine Zweigelttraube gibt, weckt in mir gemischte Gefühle - einerseits die Hoffnung, dass sie mich wahrscheinlich überleben wird und andererseits die Hoffnung, dass sich manch einer an diesem Wein berauschen wird, wie ich mich seinerzeit berauscht habe an der Freude an der gelungenen Züchtung." Fritz Zweigelt erhiielt zahlreiche Ehrungen (Erzherzog-Johann-Medaille (1936), BaboMedaille (1937), Karl-Escherich-Medaille (1937)). Bauer W (2005) Zweigelt, Fritz (1888 - 1964). In: Persönlichkeiten der Weinkultur. KurzBiographien aus 16 Jahrhunderten. Gesellschaft für Geschichte des Weines e. V. URL: http://www.geschichte-des-weines.de/personenAZ/zweigelt_fritz.html (04.11.2005) 163 Fotos von verschiedenen Rebsorten Auxerrois Bacchus Barbera Blaufränkisch 164 Bouvier Chabernet Savignon Chardonnay Cortese 165 Domina Dornfelder Faber Elbling 166 Gamay Gewürztraminer Grauburgunder Huxelrebe 167 Kerner Molinara Morio Muskat Müller-Thurgau 168 Nebbiolo Muscat Bleu Ortega Pinot Blanc 169 Pinot Gris Pinot Noir Portugieser Regent 170 Riesling Rivaner Rondinella Roter Gutedel 171 Rotgipfler Ruländer Silvaner Scheurebe 172 Spätburgunder Syrah Traminer Trollinger 173 Weissburgunder Welschriesling Zweigelt Zierfandler