Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik

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Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik
Leitfaden
für geschlechtssensible Pädagogik
Beilage 2014, Claudia Schneider
Über ein Jahrzehnt ist seit der Erstellung der 1. Auflage des
„Leitfadens für geschlechtssensible Pädagogik“ vergangen –
viele Jahre, in denen Elementarpädagog_innen Genderkom­
petenz aufgebaut und erweitert haben, sie ihre pädagogische
Praxis entwickelt und inhaltliche und organisatorische Verände­
rungen in ihren Einrichtungen eingeleitet und umgesetzt haben
mit dem Ziel, Kinder bei Lernprozessen und im Aufwachsen
ohne Einschränkungen aufgrund von Geschlechterrollen zu be­
gleiten.
Gender-Expertise wird auf Grundlage gendertheoretischer For­
schungsergebnisse aufgebaut. Den Entwicklungen des letzten
Jahrzehnts Rechnung zu tragen, quasi in komprimierter Form
den „state of the art“ der wissenschaftlichen Auseinanderset­
zung mit Geschlecht/Gender darzustellen, dazu dient dieses
Ergänzungsblatt. Was sind gesellschaftlich/politische Entwick­
lungen und aktuelle Forschungsfelder; was sind neue For­
schungsergebnisse, aber auch Forschungsfragen, die vonsei­
ten der Wissenschaft und der Praxis bearbeitet werden können?
Gender verstehen
Als produktiv in der Analyse von Geschlechterverhältnissen
erweisen sich zunehmend diejenigen gendertheoretischen
Forschungsansätze, die Geschlecht in umfassendem Sinn als
Konstruktion begreifen, die nach der eigenen aktiven Beteili­
gung an der Produktion von Geschlechterunterschieden fragen
und die Lernprozesse im Rahmen der geschlechterdifferenzie­
renden Sozialisation analysieren – im wörtlichen Sinn, indem im
Verlauf von Sozialisation Differenzierungen und Prozesse von
Unterscheidung auf das Kind ‚einwirken‘ (vgl. Gildemeister/
Robert 2008, Paseka 2009). Kinder lernen, als geschlechtliches
Wesen wahrgenommen zu werden, danach bewertet, beurteilt
zu werden, sie lernen, sich selbst als geschlechtliches Wesen
zu erfahren und sich entsprechend zu verhalten, zum Beispiel
durch die Vorbilder in der Werbung. Die in ihr angepriesene
kindliche Produktwelt ist eine – schon überwunden geglaubte –
zunehmend geschlechtlich zweigeteilte: das Kinderüber­
raschungsei für Mädchen in rosa und andere Objekte der
„Pinkification“ stehen als Symbole für ein soziales Konzept von
Mädchensein, das einengt und traditionelle Stereotypen be­
stätigt, somit die Bandbreite an Spiel und Erfahrung limitiert
(vgl. pinkstinks.de). Kinder identifizieren sich z.B. mit bestimm­
ten Spielwaren und Spielfiguren mit ihrer geschlechtsspezifi­
sche Ausdifferenzierung (z.B. Hello Kitty, LightningMcQueen;
vgl. mytoys.de: Mädchenwelten – Jungenwelten). Diese Ein­
flüsse sind vom erzieherischen Umfeld oft nicht geplant oder
gewollt, und sie werden von den Eltern oder Erzieher_innen
selten wahrgenommen. „So sagte beispielsweise eine Mut­
ter: ‚Ich weiß auch nicht, warum das so ist, dass die Jungs
immer so wild sind und Action machen müssen. Ich glaube,
das ist doch angeboren. Wir haben das eigentlich nie so ge­
fördert!’ Sie sagt dies in subjektiver Überzeugung, obwohl
das Kinderzimmer ihres Sohnes klar auf eine geschlechtli­
che Symbolik hin ausgelegt ist, obwohl sie es war, die ihren
Sohn zum Fußball angemeldet hat, die ihm die Militär-Hose ge­
kauft hat, die sein Autobett bestellt hat, die den Schlafanzug mit
Spiderman ausgewählt hat, die seine Piraten-Geburtstagsfeier
organisiert hat u.v.m. Die alltäglichen Handlungsroutinen, in die
die alten Geschlechterbilder eingelagert sind, geraten der Mut­
ter nicht reflexiv in den Blick bzw. erweisen sich aufgrund ihrer
Alltäglichkeit als blinde Flecken.“ (Hunger/Zimmer 2012, 9)
Auch pädagogische Kontexte sind von geschlechterdifferen­
zierenden Handlungsroutinen geprägt – ebenso wie wissen­
schaftliche Untersuchungen: ein aktuelles Forschungsprojekt
der Hochschule Dresden zum professionellen Erziehungsver­
halten von Männern und Frauen in der Elementarpädagogik
untersucht, inwieweit sich männliche und weibliche Fachkräfte
in ihrem konkreten Interaktionsverhalten gegenüber Kindern
unterscheiden (Brandes u.a. 2013, ehs-dresden.de/index.
php?id=690). In den ersten vorliegenden Ergebnissen findet
sich die durch die Bindungsforschung nahegelegte Vermutung,
dass Männer Kinder stärker herausfordern, nicht bestätigt,
ebenso wenig zeigen sich Differenzen zwischen weiblichen und
männlichen Fachkräften in Bezug auf Einfühlsamkeit, dialogi­
sche Interaktion, Art der Kooperation und Kommunikations­
inhalte. Bemerkenswerte Unterschiede im Kommunikationsverhalten zeigen sich aber, wenn die Geschlechtszugehörig­
keit der Kinder berücksichtigt wird: „Mit Jungen wird deutlich
eher sachlich-funktional über die Aktivität als mit Mädchen
gesprochen. Mit Mädchen wird hingegen eher die Beziehung
oder Persönliches (Attribute, Erfahrungen, Gefühle) thematisiert
als mit Jungen. Auch wird in der Zusammenarbeit mit Mäd­
chen die Aktivität stärker durch assoziative Phantasien oder
Narrationen begleitet als mit Jungen. (...) (d)ie deutlichsten
Kontraste (bestehen) dabei zwischen den gleichgeschlecht­
lichen Konstellationen: Das Geschehen zwischen Mann
und Junge wird von den Akteuren auffallend und signifikant
sachbezogener und funktionaler kommentiert als das zwi­
schen Frau und Mädchen, wo Persönliches und Narratio­
nen dominieren. Diese Kontraste gehen aber in erster Linie
auf das Geschlecht des Kindes zurück.“ (Brandes u.a. 2013,
40f.) Männer bauen mit Jungen deutlich häufiger Objekte
und mit Mädchen eher Subjekte (operationalisiert als „ver­
fügt (nicht) über Augen“). Frauen stellen dagegen mit Jungen
und Mädchen eher Subjekte her (ebda., 41). „Insgesamt er­
weist sich in der statistischen Datenanalyse das Geschlecht
des Kindes als einflussreicher auf das Geschehen als das
Geschlecht der Fachkräfte.“ (ebda., 42)
Von den Studienautor_innen werden dieses Detailergebnisse
(noch) nicht kommentiert oder interpretiert; aus konstruktivis­
tischer Genderperspektive kann daraus erkannt werden, wie,
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Beilage 2014, Claudia Schneider
wodurch und was die beteiligten Kinder über Geschlecht, Ge­
schlechterordnungen und Geschlechterrollen lernen, indem die
oben beschriebenen Unterscheidungen im Kommunikationsverhalten und in der Produktgestaltung auf sie „einwirken“.
Hier wären für die untersuchten Elementarpädagog_innen kon­
krete Ansatzpunkte zur Sensibilisierung für ihre Herstellungs­
prozesse von Geschlecht und zum Aufbau ihrer Genderkom­
petenz: im routinierten und nur bedingt bewusst kontrollierten
doing gender in der Interaktion die eigene Beteiligung an der
„Produktion von Unterschieden“ zu erkennen und in der Folge
ihre pädagogische Professionalität weiter zu entwickeln.
Auseinanderfalten von Konstruktions­
mechanismen (vgl. Hartmann 2011)
In konstruktivistisch angelegten Genderanalysen wird Ge­
schlecht oder Geschlechtszugehörigkeit nicht als Eigenschaft
oder Merkmal von Personen betrachtet und wie sich dadurch
unterschiedliche Muster der Auseinandersetzung mit der sozi­
alen und dinglichen Umwelt ergeben, sondern es werden jene
sozialen Prozesse untersucht, in denen „Geschlecht“ als sozial
folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert
wird (Gildemeister 2004, 133). Der Fokus liegt damit nicht auf
der Suche nach Unterschieden, sondern auf Prozessen der Un­
terscheidung im Lernen und Erwerb von Geschlechtsidentität.
Was lernen Kinder im Prozess der geschlechterdifferenzieren­
den Sozialisation über Geschlecht? Der Prozess des sozialen
Lernens umfasst die Aneignung der umgebenden Geschlech­
terordnung und das Hineinwachsen in Geschlechternormen.
Eine dieser Normen ist die Norm der Zweigeschlechtlichkeit:
„Da Menschen nach den Kategorien männlich und weiblich
klassifiziert werden, müssen als Folge auch Unterschiede
konstruiert werden, damit Unterscheidung überhaupt zweck­
mäßig ist“ (Sutterlüti 2010, 44). Die Norm der Zweigeschlecht­
lichkeit scheint den meisten Menschen „natürlich“ und biolo­
gisch vorgegeben zu sein (Norm der Naturhaftigkeit) – sie wird
erlernt, ebenso wie die Norm der Eindeutigkeit, der Unverän­
derbarkeit sowie das Prinzip Heterosexualität als Norm, mit
Homo-, Bi-, Transsexualitäten und queer als Abweichungen
dieser Norm(alität). Weil wir alle, unentwegt und großteils un­
bewusst, gesellschaftliche Geschlechternormen verinnerlichen,
ist es schwierig, Geschlecht und Geschlechterunterschiede als
konstruiert wahrzunehmen – dies steht dem Alltagswissen der
meisten Menschen diametral entgegen. Regine Gildemeister
spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚Provokation für
das Alltagsdenken’ (Gildemeister 2005, 71), da das Infragestel­
len der Geschlechtskategorien Frau und Mann der kulturellen
Matrix der Zweigeschlechtlichkeit widerspricht.
Diese bestimmt unser Verhalten und Handeln durch „norma­
tive Vorgaben, die für eine der beiden zur Verfügung stehen­
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den Geschlechterkategorien als angemessen gelten“ (Sut­
terlüti 2010, 49). Viele Eltern und gendersensibel arbeitende
Pädagog_innen stehen vor einem Dilemma, wenn lediglich
die negativen Seiten des Weiblichkeits- (Passivität, Ängstlich­
keit, Schüchternheit, Eitelkeit etc.) bzw. Männlichkeitskonzepts
(Aggressivität, Gewaltbereitschaft, Aufsässigkeit, Schmutzto­
leranz) problematisiert werden (Gildemeister/Robert 2008, 67),
die Binarität von männlich und weiblich selbst aber nicht in
Frage gestellt wird und dieser Dualismus unberührt bleibt. Man
kann mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit von Kindern
nicht verlangen, sich als erkennbar männlich und weiblich zu
zeigen, und ihnen gleichzeitig die Mittel, mit deren Hilfe sie dies
tun können, vorenthalten; sie „gehören zu den Kernelementen
des jeweiligen Konstruktionsmodus“ (ebda.).
Eine Möglichkeit für Kinder, sich erkennbar männlich oder weib­
lich zu zeigen, ist eine Präferenz für die „richtigen“ Spielsachen
zu entwickeln. Auch wenn Bratz, Barbie, Star Wars und Co.
nicht zum standardmäßigen Spielinventar der meisten Kin­
dergärten und Kindertagesstätten gehören – Kinder werden
rund um die Uhr mit diesen Botschaften in Bezug auf Mäd­
chen- und Bub-Sein konfrontiert. Sie eignen sich in den ent­
sprechenden Spielhandlungen die zugehörigen Eigenschaften,
Fähigkeiten, emotionalen Ausdrucksweisen, Körper- und
Stimmbilder an. Der Kindergarten ist ein Ort für Kinder, um in
ihren Interaktionen auszuprobieren und zu zeigen, ob und wie
sie das von ihnen gesellschaftlich erwartete doing gender be­
reits gelernt haben.
Gendersensible Pädagog_innen unterstützen Kinder dabei, die
gesellschaftlichen Anforderungen, die sich im Kinderspielzeug
manifestieren, mit kritisch/lustvollen Fragen zu relativieren: „Was
tut Aniken Skywalker, wenn er nicht kämpft? Mit wem bespricht
er seine Ängste, wie kocht er sich sein Essen? Was tut Barbie,
wenn sie sich nicht gerade schön macht? Wer kümmert sich
um ihre Wäsche und den Müll?“
Perspektivenwechsel vornehmen
– Paradoxien ausbalancieren
In Ergänzung zu den Leitfragen im Leitfaden (z.B.: Mit welchem
Spielzeug spielen Mädchen/Buben lieber? Wie viel Raum neh­
men sich Mädchen/Buben?) ist es zum Zweck der Verflüssi­
gung oder Auflösung der Binarität weiblich/männlich notwen­
dig, verstärkt nach Konstruktionsmechanismen von Geschlecht
zu fragen:
< Wo wird Geschlecht „dramatisiert“, indem geschlechts­
gebundene Aussagen getroffen werden?
< Was tun Menschen, damit sie den Erwartungen entspre­
chend als Frau/Mädchen oder Mann/Bub erkennbar sind?
< Was kann ein Differenz-Marker sein – Farben, Spielfiguren,
Kleidung,Vornamen,...?
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< Wie stellen Kinder – gemäß den gesellschaftlichen Erwar­
tungshaltungen bzgl. Differenz und Unterschied – in Spielverhalten, Körperrepräsentationen, Bewegungsverhalten,
körperlichem Können und Aussehen ihre Geschlechtszu­
gehörigkeit dar und her?
< Wie wird auf Kinder reagiert, die diese Erwartungen, diese
Geschlechtergrenzen überschreiten?
< Wie kann Geschlecht „entdramatisiert“ werden, indem
pädagogische Prozesse an der Heterogenität der Kinder
orientiert werden, sie als Individuen und nicht allein Reprä­
sentant_innen des Geschlechts (oder einer „ethnischen“
Gruppe, einer Religionsgemeinschaft,...) gesehen werden?
< Wie können Pägagog_innen Kinder dabei unterstützen,
„Bilder entstehen zu lassen, die nicht mit Identifikations­
zwängen arbeiten, sondern mit Angeboten, für deren Ab­
lehnung niemand einen Preis bezahlen muss“? (Nils Pickert
in: pinkstinks.de/maedchen-gegen-jungen/)
Das erfordert von Pädagog_innen, dass sie Schritt für Schritt
das Denkens in Binaritäten aufgeben, „die Angst vor den Vermi­
schungen loslassen können genauso wie die Kategorien Män­
ner und Frauen selbst. Das ist kein Gleichmachen, sondern ein
Vielmachen.“ (Stevie Schmiedel, 1. Vorstandsvorsitzende, Ge­
schäftsführerin und Pressesprecherin von Pinkstinks, in: pink­
stinks.de/frau-im-feminismus)
Entdecken Sie Ihr Gender
Übung zur gender- und diversitätsbewussten Selbstreflexion
(aus: PeerThink 2009, 50f.):
< „Mit welchem Spielzeug haben Sie als Kind gespielt? Mit
welchen Spielsachen haben Sie nicht gespielt, z.B. weil es
für 'das andere Geschlecht' reserviert war oder weil
es nicht für Sie erreichbar war, weil es zu einer anderen
Klasse gehörte (z. B. eine bestimmte Puppe, die zu teuer
war)?
< Was haben erwachsene Leute oder Gleichaltrige gesagt,
was Sie tun sollen und was nicht?
< Welche Kleidung hat Sie besonders interessiert, welche
war für Sie verboten?
< Wer waren Ihre Idole (Sportler_innen, Sänger_innen, große
Schwester/großer Bruder, ...)?
< Wie war Ihre Beziehung zu anderen Kindern, z.B. in der
Schule? War es konkurrenzhaft, interessiert, bedrohlich
oder zwiespältig? Erkennen Sie eine Bedeutung von Gender, Klasse oder Kultur in diesen Beziehungen wieder?
< Was haben Ihre Eltern, Ihre Familie, Ihre Peer-Group von
Ihnen erwartet?
< An was haben Sie gelitten?
< Haben sie irgendeine Art von Initiationsriten erlebt?
< Wann haben Sie sich stark gefühlt?
< Wann haben Sie sich schwach gefühlt?
< Welche Erinnerungen haben Sie, während Sie diese Fragen
gelesen haben, verdrängt?“
Orientierungslinien für pädagogisches
Handeln
Gesellschaftliche Heterogenität oder Diversität wird zuneh­
mend wahrgenommen: häufig in Bezug auf Sprachen, Nati­
onalitäten, Geschlecht, kulturelle und religiöse Bezugssyste­
me, ökonomische Lage, seltener bezüglich Beziehungs- und
Familienformen, sexueller Orientierungen, Bildungsnähe/
-ferne der Familie, Abweichung von der strikten Geschlech­
terpolarität, Alter oder anderen Kriterien. Menschen sind von
dieser Vielfalt von Unterschieden und Zugehörigkeiten be­
stimmt, bevorzugt oder benachteiligt (z.B. als Weiße, Frau,
Mutter, Lesbe, Arbeiterin, Linke, Atheistin) – sie leben in un­
terschiedlichen und ungleichen Lebensverhältnissen. Gen­
dersensible und diversitätsbewusste Elementarpädago­
gik achtet die vorhandene Vielfalt an Familienkulturen und
Lebensstilen.
Inklusive, diversitätsbewusste Pädagogik denkt Vielfalt von der
Vielfalt aus, nicht in Kategorien von Norm und Abweichung (vgl.
Hartmann 2011). Sie stellt sich zur Aufgabe, Normen kritisch zu
hinterfragen und zu dekonstruieren, „vorherrschende Identitäts­
annahmen und Normalitätsvorstellungen produktiv zu irritieren,
die Dualitäten von Geschlecht, Sexualität und Lebensform zu
verflüssigen und mit Kindern normenkritisch ins Gespräch zu
kommen, z.B. über die gemeinsame Lektüre und Diskussion
von kleinen Geschichten. Dabei gilt es Anknüpfungspunkt auf­
zugreifen und gemeinsam zu erörtern: ‚Wer bestimmt eigent­
lich, was richtig ist und was abgelehnt oder ausgelacht wird?’
Die Qualität einer normenkritischen Perspektive liegt darin, Dif­
ferenz – mit Blick auf Familie, aber auch auf Geschlecht und
Sexualität – nicht einfach zu postulieren, sondern die Macht­
verhältnisse zur Sprache zu bringen, die diese hervorbringen,
hierarchisieren, einschränken oder behindern.“ (ebda., 16)
Kriterien für die Auswahl von Kinderbüchern, die zu einer vorur­
teilsbewussten und inklusiven Bildung und Erziehung beitragen
können (nach: kinderwelten.net):
< Können sich Kinder mit unterschiedlichen Vorerfahrungen
und Familienkulturen damit identifizieren?
< Regt es Kinder an, ihren Horizont zu erweitern und etwas
über die Vielfalt von Lebensgewohnheiten zu erfahren?
< Unterstützt es Kindern dabei, ihren „Gefühls-Wortschatz“
zu erweitern?
< Enthält es keine stereotypen und diskriminierenden Ab­
bildungen oder Inhalte ?
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Beilage 2014, Claudia Schneider
< Regt es an, kritisch über Vorurteile und Diskriminierung
nachzudenken?
< Enthält es Beispiele, die Mut machen, sich gegen Diskrimi­
nierung und Ungerechtigkeit zu wehren?
Exemplarisch folgen Empfehlungen zu den Themenbereichen
„Leben in verschiedenen Familienformen“ sowie „Berufsorien­
tierung und Lebensgestaltung“:
Hoffman, Mary/Asquith, Ros (2010): Du gehörst dazu: Das gro­
ße Buch der Familien. Sauerländer
Maxeiner, Alexandra/Kuhl, Anke (2010): Alles Familie! Vom Kind
der neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und
anderen Verwandten. Klett
Zehender, Dirk/Sadr, Soe (2011): So lebe ich ... und wie lebst
du? Mardi-Verlag
Göbel, Doro/Knorr, Peter (2013): Was machen die da? Eine
Wimmelbilder-Geschichte über Berufe. Beltz & Gelberg
Prusse, Daniela/Metzger, Wolfgang (2013): Bagger, Traktor,
Müllabfuhr! Mein großes Fahrzeuge-Buch. Ravensburger Verlag
Literatur
Brandes, Holger/Andrä, Markus/Röseler, Wenke/SchneiderAndrich, Petra (2013): Männer in Kitas – Was machen sie anders
und wie profitieren die Kinder von ihnen? Ergebnisse aus der
„Tandem-Studie“ zu professionellem Erziehungsverhalten von
Männern und Frauen. In: frühe Kindheit 5/13, 38-43
Fine, Cordelia (2012/2010): Die Geschlechterlüge. Die Macht
der Vorurteile über Mann und Frau. Stuttgart: Klett-Kotta
Gender Loops - Praxisbuch für eine geschlechterbewusste
und -gerechte Kindertageseinrichtung. Berlin 2008; download:
genderloops.eu/docs/genderloops-praxisbuch.pdf
Gildemeister, Regine/Robert, Günther (2008): Geschlechter­
differenzierungen in lebenszeitlicher Perspektive. Interaktion –
Institution – Biografie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen­
schaften
Gildemeister, Regine (2005): Gleichheitssemantik und die Pra­
xis der Differenzierung. Wann und Wie aus Unterscheidungen
Unterschiede werden. In: Vogel, Ursula (Hg.): Was ist weiblich
– was ist männlich? Aktuelles zur Geschlechterforschung in den
Sozialwissenschaften. Bielefeld: Kleine Verlag, 71-88
Wenn ich groß bin, werde ich .. Pixi-Reihe 141. Carlsen Verlag
„Es geht um ein ‚Mehr’“
(Diane Torr, schottische Performance-Künstlerin)
Das Ziel geschlechtersensibler Pädagogik ist es, eine freie
Entwicklung zu ermöglichen, in der Kinder nicht auf festge­
legte Rollen beschränkt werden; es geht nicht darum, die Ge­
schlechtsentwicklung zu zerstören, aus Mädchen Buben oder
umgekehrt oder sie zu androgynen Wesen zu machen, es geht
um ein ‚Mehr’, um Befreiung, Stärkung und Ermutigung!
Gildemeister, Regine (2004): Doing Gender: Soziale Praktiken
der Geschlechterunterscheidung. In: Becker, Ruth/Kortendiek,
Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung.
Frankfurt: Verlag für Sozialwissenschaften, 132-141
Hartmann, Jutta (2011): Familie weiter denken – Impulse für
eine inklusive Pädagogik. In: Zentrum für transdisziplinäre Ge­
schlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin
(Hg.): ”School is out?!” – Strategien für eine Schule ohne Aus­
grenzungen. Erfahrungen von Kindern aus Regenbogenfamili­
en in der Schule. Internationale Fachkonferenz am 2.12.2011;
http://www.gender.hu-berlin.de/rainbowchildren/konferenz/
dokumentation/view, 5-18 (30.5.2014)
Hunger, Ina/Zimmer, Renate (2012): Jungen dürfen wild sein –
Mädchen auch? Einflüsse auf geschlechtsspezifisches Bewe­
gungsverhalten. In: Kindergarten heute 8/2012, 8-12.
Paseka, Angelika (2009): Geschlecht lernen rekonstruieren
– dekonstruieren – konstruieren. Einige Anregungen für eine
geschlechtersensible Pädagogik und Didaktik. In: Schweiger,
Teresa/Hascher, Tina (Hg.): Geschlecht, Bildung und Kunst.
Chancengleichheit in Unterricht und Schule. Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften, 15-39
E4
Beilage 2014, Claudia Schneider
PeerThink. Ein Handbuch für intersektionale Gewaltpräventi­
on mit Peers. Daphne II Projekt „PEERTHINK – TOOLS AND
RESOURCES FOR AN INTERSEKTIONAL PREVENTION OF
PEER VIOLENCE”. 2009; peerthink.eu/peerthink/images/
stories/090709_manual_deutsch_sb.pdf
Schneider, Claudia (2013): Genderkompetenz: vom alltagswelt­
lichen Geschlechterwissen zur theoriegeleiteten Professionali­
tät. In: Ernstson, Sven/Meyer, Christine (Hg.): Praxis geschlech­
tersensibler und interkultureller Bildung. Wiesbaden: Springer
VS, 19-40
Sutterlüti, Evelyn (2010): Gender am Werk. Herstellungs- und
Reproduktionsmechanismen von Geschlecht in den Unter­
richtsfächern Technisches und Textiles Werken. Diplomarbeit,
Universität für Angewandte Kunst, Wien
Anregungen und Materialien
für die Arbeit im Kindergartenalter:
Bildungsinitiative QUEERFORMAT (2013): Begleitmaterial zum
Medienkoffer „Familien und vielfältige Lebensweisen“ für Kin­
dertageseinrichtungen. Hg.: Senatsverwaltung für Bildung, Ju­
gend und Wissenschaft, Berlin;
queerformat.de/fileadmin/user_upload/news/Begleitmaterial
_Kita-Koffer.pdf
Burtscher, Irmgard Maria (2008): Naturwissenschaft, Mathema­
tik und Technik. Das große KITA-Bildungsbuch. München: Don
Bosco
Unterrichtsmaterialien:
(teilweise bereits im Kindergarten einsetzbar)
Wagner, Petra (2013): Inklusive Qualitätsentwicklung in Kitas
mit dem Ansatz Vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung©;
erzieherin.de/inklusive-qualitaetsentwicklung.php
mafalda (2014) (Hg.): Handreichung IMPULS. Didaktische und
methodische Impulse für IBOBB in der Volksschule. Graz;
mafalda.at/index.php?way=8
kinderwelten.net
caritas.erzbistum-koeln.de/maik/ ... MAIK – Männer arbeiten in
Kitas
pinkstinks.de
Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstra­
tegien, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zu­
weisen
Scheller, Anne (2014): Wir entdecken und erkunden: Berufe
und Arbeitswelt. Berufswelt gestern und heute – Grundwissen
und Zusammenhänge. Alles, was Grundschulkinder über Be­
rufe und die Arbeitswelt wissen sollten! Hamburg: AOL-Verlag
Selbstlaut (2013): Ganz schön intim. Sexualerziehung für 6 - 12
Jährige. Unterrichtsmaterialien zum Download. Erstellt im Auf­
trag des BMUKK; selbstlaut.org/_TCgi_Images/selbstlaut/
20130718152344_Ganz_Schoen_Intim_Juli2013.pdf
Zentrum polis (2012) (Hg.): Familie. polis aktuell 7/2012. Wien;
politik-lernen.at/site/gratisshop/shop.item/106170.html
E5
Leitfaden
für geschlechtssensible Pädagogik für
Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für
Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren.
Claudia Schneider
Vorwort
Rollenbilder sind prägend ...
Ausgehend von dieser Erkenntnis setzen Wiener Bildungs- und Betreu­
ungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche bereits seit einigen Jah­
ren auf „geschlechtssensible Pädagogik“. Mädchen und Buben sollen
die gleichen Chancen und Möglichkeiten im Leben haben, von Anfang
an. Wie prägend im Hinblick auf private und berufliche Biografien
Rollenbilder sein können, zeigt sich auf vielfältige Weise: Aus Puppen­
spiel und Puppenecke führt der Weg für Mädchen oft in „klassische“
Frauenberufe, wie Friseurin, Einzelhandelskauffrau oder Bürokauffrau.
Der Weg für Buben aus der Bauecke geht meist in Richtung technischer
Berufe, die bessere berufliche Chancen und höhere Gehälter bieten.
Damit sind oft auch ökonomische Abhängigkeit oder Unabhängigkeit
vorgezeichnet. Als Frauenstadträtin ist es mir ein besonderes Anliegen, dass beide
Geschlechter die gleichen Chancen und die gleiche Teilhabe am Leben haben – im
Beruf und im Privatleben. Genauso wie ökonomische Unabhängigkeit für Frauen eine
der Grundvoraussetzungen für ein selbstbestimmtes und sicheres Leben ist, ist die
Pflege und Erziehung von Kindern für Männer eine essentielle Erfahrung und ein wich­
tiger Beitrag zur Gleichstellung.
… Rollenbilder sind veränderbar
Da Rollenbilder bereits in frühester Kindheit geprägt werden, ist es mir sehr wichtig,
von Anfang an geschlechtssensibles Arbeiten als pädagogisches Konzept in Bildungs­
und Feizeiteinrichtungen verankert zu wissen und so Handlungsspielräume von Mäd­
chen und Buben möglichst frühzeitig zu erweitern. Das Aufzeigen von vielfältigen und
auch neuen Wegen führt zum Erwerb eines breiten Spektrums an Fähigkeiten und Fer­
tigkeiten, die Mädchen und Buben auf ihrem weiteren Weg unterstützen und das Ziel
der Gleichstellung der Geschlechter verfolgen helfen. Sie als Pädagoginnen und Päd­
agogen leisten einen hervorragenden Beitrag in der institutionellen Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen. Es ist der Frauenabteilung der Stadt Wien – Magistratsabteilung 57
und mir ein besonderes Anliegen, Sie dabei mit diesem „Leitfaden für geschlechts­
sensible Pädagogik“ zu unterstützen.
Sandra Frauenberger
Frauenstadträtin
Inhalt
Geschlechtssensible Pädagogik
Doing gender
Die Falle Koedukation
Gleichstellung beginnt bei den PädagogInnen
Geschlechtssensible Pädagogik ist erfolgreich
9
9
11
12
12
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
Bei sich selbst anfangen
Unter den Eisberg tauchen
Gleichbehandlung – (un)möglich?
Check-Listen für PädagogInnen als Strukturhilfen zur Förderung von Mädchen und Buben
14
14
16
17
Spielzeug, Spiele, Spielverhalten
21
Raumnutzung im Kindergarten
Raumgestaltung
23 23
Körper und Bewegung
Hat der Schulsport ein Geschlecht?
25
26
Frei-Räume in Kindergarten und Schule
27
Emotionen und Gefühle
30
Sexualität
32 Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher
33
Sprache
35
Lieder, Sprüche, Reime
36
Feste und Feiern
36
Lesen
37
Arbeit – Berufsorientierung – Lebensplanung
Was ist/macht Arbeit? Hausarbeit!
Berufsorientierung
Lebensplanung
38
38
38
38
Technik in Kindergarten und Volksschule
39
Naturwissenschaftlicher Sachunterricht (nicht nur) in der Volksschule
40
Computer
40
Hausordnungen, formelle und informelle Regeln
41
Elternarbeit
42
18
Inhalt
Berufsbild (Kleinkind-)PädagogIn – Selbstbild (Kleinkind-)PädagogIn
Männersache Erziehung!?
43
43
Qualitätsstandards für geschlechtssensible Pädagogik
auf der Organisationsebene
44
Rechtliche Rahmenbedingungen für geschlechtssensible Pädagogik
45
Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik
Grundlegende Elemente der Hjalli-Pädagogik
Hjalli-Pädagogik als fortschreitender Prozess
Mädchenpädagogik
Bubenpädagogik
Trennung ist die Methode – Integration das Ziel
46
46
47
47
48
48
Heidi Rasworschegg: Eine Reise von Tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt (Laotse)
Bedeutung von Fortbildung zu geschlechtssensibler Pädagogik für die
beruflich-professionelle und die persönliche Entwicklung
49
Sylvia Minich: „Verdammte Barbie“.
Psychologische, soziologische und pädagogische Sichtweisen auf rollenfixierendes Spielzeug am Beispiel Barbie
Barbie – eine Modepuppe
Soziologische Sicht auf weibliche Schönheit
Barbie als Produkt soziologischer Sicht auf Schönheit – Zeugin ihrer Zeit
Einfluss von Barbie
Pädagogische Konsequenzen
53
Literatur
57
Kontaktadressen
64
Links
67
53
53
53
54
54
55
Geschlechtssensible Pädagogik
Geschlechtssensible Pädagogik
Geschlechtssensible Pädagogik geht davon aus, dass die
Geschlechtszugehörigkeit einer Person einer der wichtig­
sten Einflussfaktoren für ihr gesamtes Leben ist. Neben
anderen Aspekten von Vielfalt (wie z.B. ethnische Zugehö­
rigkeit, Religion, sexuelle Orientierung oder Klassierung)
fungiert die Kategorie Geschlecht als „Platzanweiserin“ in
der Gesellschaft und bestimmt Möglichkeiten und Chancen
in vielen Bereichen des Lebens. Welche Eigenschaften,
Fähigkeiten, Interessen, welchen emotionalen Reichtum
eine Person entwickelt, welchen Beruf sie ergreifen wird,
wie sie ihre Beziehungen zu anderen gestalten wird, ist
maßgeblich von der Tatsache bestimmt, ob sie als Mäd­
chen oder Bub auf die Welt kommt. Sie entwickelt dabei
nicht das volle Potential, das in ihr steckt, sondern beson­
ders jene Seiten, die in ihrem gesellschaftlichen Umfeld als
jeweils für ihr Geschlecht passend angesehen werden.
Ziel von geschlechtssensibler Pädagogik ist es, Mädchen
wie Buben zu ermöglichen, ein großes Spektrum an Interes­
sen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu entwickeln, das
nicht durch geschlechtsspezifische Einschränkungen
begrenzt wird. PädagogInnen müssen Kinder darin unter­
stützen, alle Potentiale ihrer Persönlichkeit zu entwickeln,
die sie zu kompetenten, fürsorglichen, sich-selbst-bewuss­
ten Erwachsenen werden lassen.
Kategorien sozialer Vielfalt (Diversitäten), wie eben Alter,
Ethnizität, Behinderung, sexuelle Orientierung und andere
überlagert (oder unterfüttert). Gender meint daher auch
Geschlecht in der Vielfalt all dieser sozialen Ausprägungen.
Dies erfordert ein Denken in Komplexität und Kontinuen
anstatt in Binarität und Fixierung.
Geschlechtssensible Pädagogik ist Teil der alltäglichen
Beziehung zwischen PädagogIn und Mädchen und Buben.
Sie drückt eine persönliche Haltung aus, die davon aus­
geht, dass alles menschliche Handeln, Denken, Tun
geschlechtsspezifisch geprägt ist. Diesen Umstand zu
reflektieren bedeutet geschlechtssensibel zu sein. Das
erfordert die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der
eigenen Person, mit dem persönlichen Geworden-Sein als
Frau oder Mann und mit den eigenen Frauen- und Männer­
bildern. Geschlechtssensible Pädagogik stellt die Frage
nach der eigenen aktiven Beteiligung an der Produktion von
Geschlechtsunterschieden.
Diese Prozesshaftigkeit der sozialen Konstruktion am Ge­
schlecht wird auch als doing gender (West/Zimmerman 1987)
bezeichnet. Und diese soziale Konstruktion wird nicht nur ein­
mal vollzogen, sondern sie wiederholt sich tagtäglich neu.
Doing Gender
Die Texte dieser Broschüre stützen sich auf Erkenntnisse
der Geschlechterforschung, die nachweisen, dass
Geschlecht – das, was wir jeweils für „weiblich“ und „männ­
lich“ halten – gesellschaftlich, konstruiert, und daher verän­
derbar ist. „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ sind keine
angeborenen Attribute. Die Geschlechterforschung belegt
seit langem, dass bestimmte Verhaltensweisen durch Bil­
dung, Erziehung und Sozialisation erworben werden. Ein
„Blick über den Tellerrand“ in andere Kulturen und ein
Rückblick in die Geschichte bestätigen die Möglichkeiten
der Entwicklung bzw. der Veränderung von Geschlechter­
rollen – das macht Mut darauf, aktiv an der Umsetzung von
geschlechtssensibler Pädagogik zu arbeiten.
Um die theoretische Differenzierung besser fassen zu kön­
nen, hat es sich auch im deutschen Sprachraum bewährt,
sich englischen Vokabulars zu bedienen: Im Englischen gibt
es für „Geschlecht“ zwei Begriffe. Man unterscheidet zwi­
schen Sex (für das biologische Geschlecht oder die Anato­
mie) und dem Begriff Gender, der diese Vorstellungen,
Erwartungen und sozialen Konstruktionen beinhaltet. Wir
werden jedoch nicht allein geschlechtsbezogen bestimmt.
Geschlechtsspezifische Sozialisation wird durch weitere
„Und jede und jeder ,macht gender‘, ohne darüber nachzu­
denken. Heute in der U-Bahn sah ich einen gut gekleideten
Mann mit einem einjährigen Kind in einem Buggy. Gestern
war im Bus ein Mann, der einen Säugling in einem Tragege­
stell vor der Brust trug. Männer, die sich in der Öffentlichkeit
um kleine Kinder kümmern, sind ein zunehmend normaler
Anblick – zumindest in New York. Beide Männer wurden
aber ganz offensichtlich angestarrt – und angelächelt, beifäl­
lig. Alle machen gender – die Männer, die die Vaterrolle ver­
änderten, und die anderen Fahrgäste, die ihnen wortlos Bei­
fall zollten. Dabei war aber auch noch mehr Vergeschlechtli­
chung im Gange, mehr ,gendering‘, und das dürfte schon
weniger Menschen aufgefallen sein. Das Baby hatte eine
weiße Häkelmütze und weiße Sachen an. Man hätte nicht
sagen können, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Das
Kind im Buggy trug ein dunkelblaues T-Shirt und dunkle
Hosen aus bedrucktem Stoff. Als es ans Aussteigen ging,
setzte ihm sein Vater eine Yankee-Baseballmütze auf. Aha,
dache ich, ein Junge. Dann sah ich in den Ohren des Kindes
winzige Ohrringe glitzern und, als die beiden ausstiegen,
seine geblümten Turnschuhe und spitzenbesetzten Söck­
chen. Also doch kein Junge. Gender gemacht.
9
Geschlechtssensible Pädagogik
Als Bestandteil des täglichen Lebens ist uns gender so ver­
traut, dass unsere Erwartungen, wie Frauen und Männer
sich verhalten sollten, gewöhnlich erst bewusst durchbro­
chen werden müssen, damit wir überhaupt erst merken, wie
gender produziert wird. Gender-Zeichen und Signale sind
so allgegenwärtig, dass wir sie gewöhnlich gar nicht bemer­
ken – es sei denn, sie fehlen oder sind zweideutig. Dann ist
uns unbehaglich, bis es uns gelingt, die andere Person
einem gender-Status zuzuordnen; gelingt es uns nicht, sind
wir sozial desorientiert. In unserer Gesellschaft kann dieser
Status außer Frau oder Mann auch Transvestit sein (eine
Person, die gegengeschlechtliche Kleidung trägt) oder
Transsexuelle(r) (eine Person, deren Geschlecht operativ
umgewandelt wurde). Transvestiten und Transsexuelle kon­
struieren ihren gender-Status, indem sie ihre Kleidung, ihre
Sprechweise, ihren Gang, ihre Gestik sorgfältig auf die Art
und Weise abstimmen, die für Frauen und Männer – je nach
dem, als was sie gelten wollen – vorgeschrieben ist; und
genauso macht es jeder ,normale‘ Mensch“ (Lorber 1999,
55f.).
Auch ErzieherInnen (KindergartenpädagogInnen, Mütter,
Väter, Großeltern, Verwandte, die Sitznachbarin in der
U-Bahn...) bestärken in Interaktionen durch ihre oftmals
unbewussten Erwartungshaltungen Geschlechterstereo­
type – sie „machen“ Mädchen und Buben unterschiedlich.
Bewundern wir bei IHR nicht eher den Glitzerhaarreifen
oder den neuen Bärenpullover, während SEIN RollerScooter oder der von ihm gebaute Lego-Kran unsere Aner­
kennung bekommen (Wahrscheinlich würde sich in dieser
konkreten Szene sogar der Ausdruck in unserer Stimme
verändern)? Mädchen werden dadurch tendenziell abhängi­
ger von der Beurteilung von außen, für subjektive „Schön­
heitskriterien“, die nichts mit ihren Fähigkeiten oder ihrem
Können zu tun haben. Buben hingegen bekommen Beach­
tung für ihre unmittelbaren körperlichen Fähigkeiten, sie
sind aber in weit geringerem Ausmaß auf die Bestätigung
von anderen angewiesen – ein konstruiertes Auto funktio­
niert auch so.
Geschlechtssensible Pädagogik möchte dazu beitragen,
Handlungsspielräume von Mädchen und Buben, aber auch
erwachsener Frauen und Männer zu erweitern. Ge­
schlechtssensible Pädagogik ist keine neue Methode, bie­
tet keine Patentrezepte und kann auch nicht das Setzen
einer Maßnahme bedeuten, um sich dadurch grundlegende
Änderungen zu erwarten. Sie will weder „Defizite“ der Mäd­
chen ausgleichen, um sie männlichen Normen anzupassen.
Noch Mädchen zu Buben, Buben zu Mädchen oder beide
zu androgynen Wesen machen. Der Verschiedenheit von
Menschen soll – unter Berücksichtigung gesellschaftlicher
Geschlechterverhältnisse – in einem lebendigen pädagogi­
10
schen Prozess Rechnung getragen werden. Mädchen und
Buben sollen nicht nach einem festgelegten Modell geformt
werden.
Aufgrund von geschlechtsspezifischen Sozialisationspro­
zessen müssen wir davon ausgehen, dass Mädchen und
Buben unterschiedliche Erfahrungen brauchen, um erwei­
terte Handlungsmöglichkeiten entwickeln zu können. Dazu
müssen Erwachsene unterstützend eingreifen und sich ein­
mischen, um entsprechend Freiräume für Mädchen und
Buben zu schaffen. Aufgabe von PädagogInnen ist es, „...
für die Herstellung gleicher Lernchancen für beide
Geschlechter zu sorgen. Dabei kann ,gleich‘ in diesem Fall
ja nach Geschlecht etwas sehr Unterschiedliches bedeu­
ten“ (Spitta 1996, 13).
PädagogInnen müssen mit geschlechtsspezifisch geschärf­
tem Blick bisher nie hinterfragte Alltagsrealitäten ausleuch­
ten. Mit der „Gender-Brille“ gilt es, die Inhalte der Arbeit, die
von Ihnen verantworteten Angebote und Dienstleistungen
für Mädchen, Buben, Frauen und Männer neu zu sehen.
Voraussetzung dafür sind Analysekompetenz, Handlungs­
kompetenz und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Dazu
brauchen sie:
1.) die Auseinandersetzung mit theoretischen Grundla­
gen, die Reflexion der eigenen theoretischen Annahmen
(die manchmal wissenschaftlichen Befunden und Tatsa­
chen widersprechen) und die Auseinandersetzung mit
wissenschaftlichen Theorien (vgl. Focks 2002) – das tun
Sie gerade, indem Sie diesen Text lesen;
2.) die Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrneh­
mung: Unsere Wahrnehmung, unser Denken und
unsere Handlungen sind beeinflusst durch gesellschaft­
liche Normen:
– Stereotype (eingebürgerte Vorstellungen, Klischees
und Vorurteile),
– Alltagstheorien (auf Stereotypen beruhende verein­
fachte und wissenschaftlich nicht begründete Erklä­
rungsmuster) und
– Verhaltenstypisierungen bzw. soziale Praktiken (Klei­
dung, Körpersprache, Umgangsweisen mit Konflik­
ten...) (Focks 2002, 15).
Beobachtung und Wahrnehmung sind immer selektiv.
Ob und wie wir Dinge wahrnehmen hängt von der
Besetzung oder Bewertung ab. „Unerwartetes“ nehmen
wir nur beschränkt wahr. „Ich sehe nur, was ich weiß“
oder: „Was man nicht weiß, das sieht man nicht.“ Es ist
also nicht die Wahrnehmung zuerst da und dann die
Bewertung, sondern umgekehrt! Zudem passieren im
Alltag fortwährend pauschalisierende Typisierungen und
Festschreibungen auf Geschlechterpolaritäten, weil sie
Geschlechtssensible Pädagogik
zur Strukturierung von komplexen Situationen hilfreich
sind (es gibt ja vermeintlich nur zwei Möglichkeiten,
weiblich oder männlich). Je vielfältiger die Situation an
sich ist, desto sinnvoller und notwendiger ist Typisie­
rung: Komplexität zwingt zu Stereotypisierungen.
3.) Erst nach der Aneignung von theoretischem Wissen und
der sensibilisierten Wahrnehmung durch die GenderBrille kommt der dritte Schritt: die Veränderung. Die
Einführung von neuen Benutzungsregeln, eine verän­
derte Raumgestaltung oder die Herstellung von Situa­
tionen, in denen das Geschlecht nicht als Abgrenzung
verwendet werden muss, weil nur eins da ist – in
geschlechtshomogene Gruppen.
Das Ziel in der Auseinandersetzung mit dem sozialen
Geschlecht bzw. Gender ist nicht die Festlegung dessen,
was Mädchen von Jungen unterscheidet, oder wie Mäd­
chen und Jungen „eigentlich“ sind (um damit „geschlechts­
spezifische“ Verhaltensweisen nachzuweisen), sondern die
Frage: Was tun Subjekte, damit sie als Frau/Mädchen oder
Mann/Bub erkennbar sind? Dabei wird nicht bei der Dar­
stellung des Offensichtlichen stehen geblieben, sondern
der Frage nachgegangen, was die Beteiligten – Mädchen
und Buben, Frauen und Männer – und die Strukturen und
Rahmenbedingungen zur „Fabrikation von Unterschieden“
beitragen, um diesen Beitrag zur alltäglichen Konstruktion
der Geschlechterverhältnisse zu beschreiben und zu analy­
sieren.
Kinder lernen vor allem durch die Modellfunktion der
Erwachsenen, indem sie beobachten, welche Aufgaben
Frauen bzw. Männer übernehmen, an welchen Orten sie
sich aufhalten, wie sie sich bewegen, wie sie reden, wie sie
miteinander kommunizieren, was sie von Mädchen bzw.
von Jungen erwarten usw. Kinder setzen sich dabei aktiv –
wenngleich nicht bewusst und insbesondere bei kleineren
Kindern nicht reflektiert – mit den sie umgebenden
Geschlechterverhältnissen auseinander. Vor allem im Spiel
erproben sie, was es heißt „weiblich“ oder „männlich“ zu
sein: „Welche Eigenschaften schreiben mir die anderen zu?
Wie soll ich mich als Mädchen bzw. als Junge verhalten?
Wie kann ich zeigen, dass ich ein Mädchen bzw. ein Junge
bin?“ Im gemeinsamen Spiel „stellen sie situativ das Ver­
hältnis der Geschlechter her, reproduzieren oder variieren
es und überschreiten auch Geschlechterzuweisungen“
(Focks 2002, 49).
Bilderbücher, Spielsachen, Schulbücher, der Sport, Werbe­
plakate,... all das gibt uns Informationen darüber, welche
die herrschenden Weiblichkeits- und Männlichkeitsbilder
sind.
Auch Rahmenbedingungen und Strukturen tragen zum
doing gender bei. So transportiert z.B. die Halbtagsschule
ein spezifisches Frauen- und Mutterbild, das die traditio­
nelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung stützt und
ebenso als Vorbild für Kinder wirkt (vgl. Schneider 2002).
Wenn wir die soziale Kategorie Geschlecht nicht mit in die
Arbeit einbeziehen, „verkennen wir manchmal problemati­
sche Verhaltensweisen, indem wir sie als ,normal‘,
geschlechtstypisch oder als eine Verweigerung der Anpas­
sung an pädagogische Normen und Regeln interpretieren.
Erst wenn wir das Verhalten von Kindern im Zusammen­
hang mit dem kulturellen System der Zweigeschlechtlich­
keit analysieren, zeigt sich, dass manche Verhaltensweisen
auch Strategien und Versuche der Bewältigung von Bela­
stungsfaktoren widerspiegeln“ (Focks 2002, 146). Und
dadurch kann es gelingen, die persönlichen Herausforde­
rungen von PädagogInnen z.B. mit „störenden Buben“ oder
„verstummenden Mädchen“ nicht als individuelle Schwie­
rigkeiten zu empfinden, sondern als strukturell verursacht.
Das schafft Entlastung und Erleichterung, neue Möglichkei­
ten können sich eröffnen.
Geschlechtssensible Pädagogik kann nur gelingen, wenn
mehreres gleichberechtigt stattfindet: Reflexion und Verän­
derung von Einstellungen und des Verhaltens der Personen,
Veränderungen von Inhalten (z.B. Darstellung von Mäd­
chen/Frauen und Buben/Männern in Liedern oder Büchern)
und Veränderungen von Strukturen.
Die Falle Koedukation
Es wurde und wird geglaubt, wenn Mädchen und Buben am
selben Ort, zur selben Zeit mit den selben Inhalten zusam­
men sind, ergibt sich das selbe Resultat – gleiche Rechte.
Stimmt das?
Geschlechtstypisches Verhalten wird bereits in der früh­
kindlichen Sozialisation, in der Herkunftsfamilie, bei Tages­
eltern und im Kindergarten, erworben. Während der Volks­
schulzeit wird die Geschlechtsidentität in sozialen Interak­
tionen weiter erprobt und ausdifferenziert. Studien, die die
Auswirkungen der gegenwärtig praktizierten Koedukation –
des gemeinsamen Unterrichts von Mädchen und Buben –
auf geschlechtsspezifisches Verhalten von Mädchen und
Buben, ihre Interessensentwicklung, ihr Selbstvertrauen,
Selbstwertgefühl und Leistungsselbstkonzept untersuchen,
kommen zu kritischen Ergebnissen (vgl. Kaiser 1997,
Welz/Dussa 1998, Pfister/Valtin 1993, Hempel 1996). Entge­
gen den Erwartungen, die an die Einführung der Koeduka­
tion geknüpft waren, trägt das Miteinander der Geschlech­
ter nicht „automatisch“ zu einem „natürlichen“, herrschafts­
11
Geschlechtssensible Pädagogik
freien Umgang von Mädchen und Buben bei. Im Gegenteil:
der herkömmliche gemeinsame Unterricht von Mädchen
und Buben kann Geschlechterstereotype verstärken, und
unreflektierte Koedukation führt eher zu einer „Einübung in
Geschlechterhierarchien“ als zu geschlechterdemokrati­
schen Entwicklungen.
Immer noch wird in Kindergarten und Schule zu wenig
wahrgenommen, „wie die Begabung und Wissbegierde von
Mädchen als ,weiblicher Fleiß‘ fehlinterpretiert wird, wie
sehr Mädchen in manchen Fällen unterfordert werden, wie
sie lernen, zu verlieren, sich zurückzunehmen, gute Miene
zu machen gegenüber Abwertungen ihrer Person und sexu­
ellen Übergriffen, um nicht als Spielverderberinnen dazuste­
hen“ (Popp 1997, 209). Im Verlauf ihrer Schulzeit verlieren
Mädchen ihre Stimme. Buben hingegen bleiben gefangen in
einem Netz aus Selbstüberschätzung, Körperfeindlichkeit,
Zwang nach Kontrolle und dem Druck, immer „cool“ sein zu
müssen. Was sie im herkömmlichen Erziehungssystem
nicht lernen ist, wie sie mit Verunsicherungen, Kränkungen
und Ängsten umgehen können.
Gleichstellung beginnt bei den
PädagogInnen
„Wir haben gedacht, dass wir die Kinder verändern sollten,
aber es wurde deutlich, dass wir selbst es waren, die sich
verändern mussten“, sagt eine Volksschullehrerin der
Gemeinde Gävle in Schweden, die mit ihrer Schule Gleich­
stellungsarbeit betreibt, „das zunehmende Bewusstsein
veränderte auch die Kinder“ (Jämställdhetsarbete 2003).
Und die schwedische Bildungsforscherin Kajsa Svaleryd
ergänzt: „Mit der Genderperspektive zu arbeiten heißt es zu
wagen, unter die Oberfläche der Vorstellungen und der
pädagogischen Praktiken zu tauchen. Ich beschreibe
Gleichstellung oft mit einem Eisberg: 1/7 ist über der Ober­
fläche – und das ist das, was wir messen können; die
Noten, die Aufmerksamkeitsverteilung, die Gestaltung der
Lehrmittel, die Raumnahme der Kinder usw. Aber der
größte Teil des Eisberges besteht aus Verhaltensweisen,
Normen und Einstellungen – und liegt unter der Oberfläche“
(Svaleryd 2003).
Geschlechtssensible Pädagogik
ist erfolgreich
Wie lautet die Antwort auf die Frage, ob, wann und wie
Gleichstellung von Mädchen und Buben, Frauen und Män­
nern realisiert ist? Woran kann Gleichstellung sichtbar wer­
den, und zwar nicht als Absichtserklärung, pädagogische
Aktion oder Programm, sondern als Resultat?
12
Kriterien für Gleichstellung sind oftmals weitgehend unklar:
„Wann sind Buben und Mädchen gleichgestellt? Wenn ich
es für mich behaupte? Wenn ich dafür sorge, dass beide
Geschlechter den gleichen Zugriff auf die Ressourcen der
Einrichtung haben? Wenn ich Jungen genauso mag wie
Mädchen? Wenn ich keinem Angehörigen eines
Geschlechts gegenüber irgendwelche Vorbehalte habe“
(Büttner 2003, 39f.)?
Gleichstellung kann leicht in normativen Überlegungen
gefasst werden, lässt sich aber empirisch nur schwer dar­
stellen. Darüber hinaus warnt der deutsche Pädagoge Bütt­
ner: „In dem Moment, wo sich die geschlechtsspezifische
Haltung in eine ,rein menschliche‘ aufzulösen scheint, ist
(...) der Aspekt der Gleichstellung in der pädagogischen
Haltung zu Mädchen und Jungen nicht mehr transparent.“
Als stärkend für PädagogInnen meint er: „Das Wissen um
eine unterschiedliche Haltung gegenüber Jungen und Mäd­
chen ist (...) nicht etwas Defizitäres in der eigenen Profes­
sionalität. Im Gegenteil, es zeugt von einem Bewusstsein
der geschlechtsspezifischen eigenen Identität. Es kann hel­
fen, im konkreten pädagogischen Alltag die Grenzen der
eigenen Möglichkeiten zu kennen und Interventionen zu
planen, die andere Haltungen und Identitäten ansprechen
und beteiligen lassen“ (ebd., 43).
Wenn geschlechtssensible Pädagogik sich nicht in einer
Auflistung von Aktivitäten erschöpfen soll, sondern die
Frage lautet: Was sind die Resultate? – wie lautet dann die
Antwort?
Zugegeben: Erfolge von geschlechtssensibler Pädagogik in
Kinderbetreuungseinrichtungen sind Grenzen gesetzt (aber
auch Erfolge beschieden, dazu weiter unten). Denn Päd­
agogInnen können die nachhaltigen Ergebnisse ihrer Arbeit
gerade im Kindergarten häufig noch nicht wahrnehmen. Die
Qualität der Arbeit lässt sich nicht so einfach durch aktuell
sichtbare Erfolge messen. Kinder inszenieren nämlich in
dieser Entwicklungsphase die Geschlechterverhältnisse
besonders stark (vgl. Focks 2002, 85). Und dennoch: auch
für den Kindergartenbereich liegen ermutigende Ergebnisse
vor, berichtet der Kindergartenpädagoge Mario Ruthofer
nach drei Jahren geschlechtssensibler Arbeit im Wiener
Kindertagesheim fun&care: „Die Erfolge unserer Arbeit las­
sen sich meiner Meinung nach schwer messen; auf dem
Gebiet der Sprache jedoch hörten wir den Erfolg schon sehr
rasch. Mädchen und Buben gebrauchen die Sprache sehr
geschlechtergerecht und unterscheiden sprachlich genau
(Monsterin, Bärin, Häsinnenstall, Pilotinnenschule,...). Dass
wir im Spielverhalten der Kinder keine krassen
Geschlechtszuweisungen beobachten konnten oder aus­
grenzende Äußerungen hörten (,Mädchen können nicht
Geschlechtssensible Pädagogik
bauen‘, ,Buben sind nicht schön‘ oder ähnliches), war für
mich ein toller, schneller Erfolg.
Die Beteiligung der Väter am Kindergartenalltag war und ist
ein erklärtes Ziel unserer Arbeit; dennoch überraschte uns
der hohe Anteil von Vätern, die ihr Kind in der Eingewöh­
nungsphase begleiteten, die Kinder holen oder bringen, und
die Besuche an den Elternabenden. Der Vollständigkeit hal­
ber möchte ich anführen, dass die Präsenz der Väter trotz­
dem immer noch deutlich hinter der der Mütter liegt“ (Rut­
hofer in Orner u.a. 2003, 80f.).
Die Ergebnisse der Evaluation dieses Projektkindergartens
lesen sich ebenfalls eindeutig: Die Kinder ordnen klassisch
weibliche und männliche Gegenstände, Verhaltensweisen
und Persönlichkeitseigenschaften häufiger geschlechts­
neutral, d.h. beiden Geschlechtern zu, als Kinder eines
Kontrollkindergartens ohne geschlechtssensible Pädago­
gik. Die Kinder des Kontrollkindergartens stimmen den vor­
gegebenen geschlechtsstereotypen Traumberufen häufiger
zu als die Kinder des Projektkindergartens fun&care; diese
Kinder entscheiden sich differenzierter. Die Eltern im Pro­
jektkindergarten begleiten ihre Kinder häufiger bei Ausflü­
gen, vor allem die höhere Aktivität der Väter ist auffällig
(Spiel/Wagner 2003).
In Österreich gibt es (noch) keine Langzeituntersuchungen
über die Auswirkungen von geschlechtssensibler Pädago­
gik in Kleinkindeinrichtungen – daher ist es besonders wich­
tig, ausländische Erfahrungen heranzuziehen, die vor allem
aus Island und Schweden vorliegen (über die „Hjalli-Päd­
agogik“ lesen Sie ab Seite 46). Margrét Pála Ólafsdóttir , die
Begründerin der Hjalli-Pädagogik in Island, erstellte eine
Studie über 120 Kinder im Alter von 7 bis 13 Jahren, die
einen Hjalli-Kindergarten besucht hatten, und verglich sie
mit einer gleich großen Anzahl „gewöhnlicher“ Kinder. Die
Hjalli-Kinder waren aufgeschlossener gegenüber Kindern
des anderen Geschlechts und hatten auch keine negative
Einstellung zur gemischtgeschlechtlichen Zusammenarbeit,
was bei Schulkindern dieses Alters häufig vorkommt. Die
etwas älteren Hjalli-Kinder hatten allgemein ein besseres
Selbstbild und oft bessere Noten. Hjalli-Mädchen waren
auch aufgeschlossener gegenüber Buben als Freunden,
was die Mädchen der Kontrollgruppe nicht waren. Volk­
schullehrerInnen sagen, dass sie Hjalli-Kinder leicht erken­
nen: diese SchülerInnen folgen dem Unterricht leichter und
besser und zeigen mehr Respekt (Mattsson 2003).
13
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
Sensibilisierung von Beobachtung
und Wahrnehmung
Die Beobachtung der Kinder ist ein grundlegender
Bestandteil der professionellen Arbeit von PädagogInnen.
Ausgestattet mit der Gender-Brille – mit den theoretischen
Grundlagen zu Geschlechtersozialisation und Geschlech­
terverhältnissen – können PädagogInnen nun daran gehen,
ihren Arbeitsalltag mit geschärftem Blick zu analysieren.
Dabei sollten sie mit klar eingegrenzten Fragestellungen
beginnen.
Suchen Sie aus der folgenden Auflistung ein für Sie interes­
santes Thema aus, oder wählen Sie ihren eigenen persönli­
chen Fokus:
Beobachtungen in der Kindergruppe
❚
❚
❚
Mit welchem Spielzeug spielen Mädchen/Buben lieber?
Wie viel Raum nehmen sich Mädchen/Buben?
Wie geschieht die Rollenverteilung bei Rollenspielen?
Wer übernimmt die Hauptrolle(n)? Wer spielt liebe/böse
Rollen?
❚ Wer spricht viel und ausführlich?
❚ Wer hört und schaut gern und geduldig zu?
❚ Wer macht welche Tätigkeiten?
❚ Welche soziale Kompetenzen können bei Mädchen und
bei Buben festgestellt werden?
❚ Wie selbständig sind Mädchen und Jungen beim Anund Ausziehen? Wer hilft anderen dabei?
❚ Wie reagieren Mädchen und Jungen in Konfliktsituatio­
nen?
❚ Spielen/arbeiten Mädchen/Buben eher mit Kindern glei­
chen Geschlechts?
❚ Wer zeigt sich wobei kompetent, wodurch?
❚ Wer traut sich was zu? Wer nicht?
❚ Wer ist in Fallbesprechungen häufig im Mittelpunkt?
❚ Reden Pädagoginnen bzw. Pädagogen mit Mädchen
anders als mit Buben (Tonfall, Inhalt, Art)?
❚ Welches sind die eigenen Spielvorlieben der Kindergar­
tenpädagogin oder des -pädagogen in der pädagogi­
schen Arbeit?
❚ Welches sind die eigenen Interessen der Lehrerin/des
Lehrers in der pädagogischen Arbeit?
❚ Wie sehr beteiligen sich Mütter/Väter/Bezugspersonen
am Kindergarten- bzw. Schulalltag (verhalten sich rol­
lenkonform oder -unkonform)?
14
Bei sich selbst anfangen
Die Verantwortlichkeit für die Fähigkeiten und Rollen, die
Mädchen und Buben in Betreuungs- und Bildungseinrich­
tungen wie Kindergarten, Schule und Hort entwickeln, liegt
größtenteils bei den PädagogInnen. Um dabei unter die
Oberfläche zu schauen, den weitaus größeren Teil des Eis­
berges analysieren zu können, der unter der Wasserfläche
schwimmt, müssen wir die Gender-TaucherInnen-Brille auf­
setzen: das eigene Verhalten analysieren. (Selbst-)Beob­
achtungen, die das Erkennen und Verstehen des eigenen
Verhaltens wecken, sind Voraussetzung für die Arbeit mit
dem Thema Gleichberechtigung. Um sich selbst zu verän­
dern, muss man sich zunächst über sich selbst bewusst
werden.
Um eigenen Bildern von Weiblichkeit und Männlichkeit auf
die Spur zu kommen, persönliche Annahmen, Verhaltens­
weisen und Normen zu reflektieren, stellen Sie sich fol­
gende Fragen (vgl. Orner u.a. 2003, Hanifl 1998, Focks
2002, www.maedchen-jungen.de, Herincs/Policzer 2003,
Schwager Schütter 1993, Leeb 2004, Rohrmann 2000):
Frauen- und Männerbilder
❚
Wie stelle ich mir eine „typische“ Frau oder einen „typi­
schen“ Mann vor?
❚ In welchen Situationen fühle ich mich als Frau oder
Mann wohl, und warum, glaube ich, ist das so?
❚ Würde ich mich als „weiblich“ oder „männlich“ bezeich­
nen und weshalb?
❚ Wie trete ich, bezogen auf mein Geschlecht, im Kinder­
garten, im Hort, in der Schule auf, gegenüber meinen
KollegInnen, den Eltern und natürlich den Mädchen und
Buben?
❚ Welches Verhältnis habe ich zu meinem Beruf?
❚ Was tue ich (als Frau, als Mann), wenn ich mitbekomme,
dass Jungen Mädchen oder Kolleginnen mit sexuellen
Sprüchen anmachen?
Ziele und Visionen in Bezug auf die
Geschlechterverhältnisse
❚ Was will ich für mein eigenes Leben erreichen bzw. ver­
ändern?
❚ Was möchte ich in meinem Beruf verändern bzw. errei­
chen, was für die Mädchen und Buben in meiner
Gruppe?
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
❚ Was soll sich gesellschaftspolitisch ändern? Was kann
ich dazu beitragen?
❚ Wie kann das kulturelle Bild von Männlichkeit so verän­
dert werden, dass es gesellschaftlich erforderliche
Erziehungs- und Betreuungsarbeit einschließt?
❚ Wie können Weiblichkeitsbilder so gefasst werden, dass
weitere Aufgabengebiete positiv besetzbar sind und
Fürsorgeaufgaben gegebenenfalls ohne schlechtes
Gewissen und ohne allzu große Verlustängste abgege­
ben werden können?
❚ Ist es mir klar, dass ich mit Geschenken für den Mutter­
tag ein veraltetes Rollenbild an Kinder und Eltern weiter­
gebe?
❚ Glaube ich auch, dass berufstätige Mütter Rabenmütter
sein müssen, und stelle ich Berufstätigkeit beim Vater
nie in Frage?
Eigene Prägung
❚ Welche Erfahrungen habe ich als Mädchen bzw. Junge
gemacht?
❚ Welche Normen und Werte habe ich verinnerlicht („Das
tut ein Mädchen nicht!“ oder „Ein Indianer kennt keinen
Schmerz!“)?
❚ Übertrage ich unbewusst und ungewollt Aspekte mei­
nes eigenen Aufwachsens und meiner Erziehung auf
Mädchen bzw. Jungen in der Einrichtung?
Eigenes Sprachverhalten
❚ Verwende ich geschlechtergerechten Sprache oder die
männliche Form als Norm – und spreche Mädchen
dadurch nicht an („Lena, willst du Tormann sein?“)?
Verhalten der PädagogIn
❚ Arbeite ich lieber mit Großgruppen oder Kleingruppen?
Warum könnte das so sein?
❚ Wie gehe ich mit Störungen während meines Angebotes
um? Wie sehen diese Störungen aus? Sind die Verursa­
cherInnen tendenziell eher Mädchen oder eher Buben?
❚ Habe ich eine Vorliebe für bestimmte Aktivitäten? Wel­
che sind das? Und warum könnte das so sein?
❚ Rede ich mit Mädchen anders als mit Buben (Tonfall,
Inhalt, Art, ...)?
Reflexion der PädagogInnen zu Spielorten,
Spielen und räumlicher Präsenz
❚
❚
❚
❚
Wo halte ich mich am häufigsten auf?
Womit spiele ich am liebsten?
Wo sind meine Aufenthalts- und Spielorte? Weshalb?
Welche Vorbildwirkung geht dabei auf die Kinder aus?
Reflexion von Essenssituationen
„Der größte Unterschied zwischen Mädchen und Buben
liegt darin, wie wir mit ihnen umgehen“, formuliert die USamerikanische Autorin Barbara Mackoff pointiert (1998, 41).
Welches sind Ihre Erwartungen in Hinblick auf Unterschiede
zwischen Mädchen und Jungen?
❚ Wer trifft die Vorbereitungsarbeiten – Frauen/Männer –
Mädchen/Buben?
❚ Selbständigkeit beim Essen (Messer und Gabel verwen­
den, sich selbst nehmen, ...): Wie gelingt es den Mäd­
chen, wie den Buben? Und wie stehe ich dazu?
❚ Welches Tischverhalten erwarte ich von Mädchen? Was
toleriere ich bei Buben? Gibt es Unterschiede in meiner
Erwartungshaltung?
Stellen Sie sich folgende Fragen:
Haltung der PädagogInnen bei Konflikten
❚ Welche Erwartungshaltungen gebe ich durch meine Vor­
stellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit an die Kin­
der weiter?
❚ Welche Zuordnungen setze ich ein, um mir das Verhält­
nis von Mädchen und Jungen plausibel zu machen?
❚ Welche Gefühls- und Verhaltensweisen irritieren meine
Wahrnehmung, weil sie nicht in meine Bilder passen?
❚ Wo „vergeschlechtliche“ ich Situationen oder Verhal­
tensweisen?
❚ Ist es mir egal, ob ich mit Mädchen oder Buben arbeite?
❚ Wie geht es mir, wenn Kinder Konflikte austragen möch­
ten? Kann ich das gut aushalten? Wie reagiere ich,
wenn ich merke, dass Kinder einen Konflikt haben?
❚ Welches Konfliktlösungsverhalten biete ich an, wie
unterstütze ich die Kinder?
❚ Habe ich unterschiedliche Erwartungen an Mädchen
und Buben?
❚ Sollten Mädchen meiner Meinung nach eher einlenken?
❚ Dürfen Mädchen Wut und Zorn äußern?
❚ Wie reagiere ich, wenn Buben weinen? Wann kann das
zulassen, wann nicht (z.B. bei körperlichen Verletzun­
gen, bei seelischen Verletzungen, ...)?
❚ Toleriere ich, dass Buben raufen? Wie sehe ich das bei
Mädchen?
Eigenes Vorbild
❚ Welches Frauenbild (Männerbild) verkörpere ich und
gebe es als Vorbild an die Kinder meiner Gruppe weiter?
❚ Bei welchen Tätigkeiten können mich die Kinder beob­
achten: die Pädagogin mit Hammer und Säge – den
Pädagogen beim Nähen?
❚ Wie löse ich Konflikte?
Ruhephase nach dem Mittagessen im
Kindergarten
❚ Manche Kinder halten sich nicht an die Abmachung,
15
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
❚
❚
❚
dass es für eine gewisse Zeit ruhigere Aktivitäten geben
soll. Sind das tendenziell eher Mädchen? Oder Buben?
Wo liegt meine Toleranzgrenze?
Wie reagiere ich bei Buben (Blickkontakt, Gesten, ver­
bale Äußerung, Hingehen, Körperkontakt, ...)?
Wie reagiere ich bei Mädchen (Blickkontakt, Gesten,
verbale Äußerung, Hingehen, Körperkontakt, ...)?
nal zu Erkenntnissen, erst dann war eine Veränderung mög­
lich“ (Svaleryd 2002, 9).
Beobachtet wurden mit ähnlichem Fokus,
wie bereits weiter oben beschrieben:
❚
❚
Ein- und Wegräumen von Spielmaterial
In welchem Zimmer spielen die Kinder, gibt es Unter­
schiede zwischen Mädchen und Buben?
Was spielen die Kinder, gibt es Unterschiede zwischen
Mädchen und Buben?
Wer spielt mit wem und mit wie vielen, gibt es Unter­
schiede zwischen Mädchen und Buben?
Mit welchem Spielzeug bzw. Material wird gespielt, gibt
es Unterschiede zwischen Mädchen und Buben?
Wo befindet sich die/der PädagogIn während dieses
Spiels?
Was trainieren die Kinder in diesem Spiel, gibt es Unter­
schiede zwischen Mädchen und Buben?
❚ Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede beim Ein­
räumen von Spielmaterial? Lassen Mädchen benutztes
Spielgut öfter liegen? Oder Buben?
❚ Wen bittet die Pädagogin/der Pädagoge beim Einräu­
men behilflich zu sein? Eher Mädchen? Eher Buben?
Setzen Mädchen oder Buben mehr Widerstand, wenn
sie mithelfen sollen, liegen gebliebenes Spielmaterial
wegzuräumen?
❚
Unter den Eisberg tauchen
Fragen der Auswertung der Beobachtungen
waren:
Im Rahmen des Gleichberechtigungsprojekts in den Kinder­
gärten Tittmyran und Björntomten in Schweden setzten die
PädagogInnen als Methode zur (Selbst-)Beobachtung unter
anderem Beobachtungsprotokolle und die Videokamera mit
Unterstützung externer gendersensibler Fachberatung ein.
❚ Warum sitzen die Kinder bei Versammlungen oder beim
Essen gerade dort, wo sie sitzen? ... um die Arbeit der
PädagogInnen zu erleichtern, ... weil das Kind womög­
lich eine gute HelferIn ist, ... um Streitigkeiten zu verhin­
dern, ... weil sich das Kind aufgrund der Platzierung
wohler fühlt?
❚ Bekommt ein Geschlecht häufiger Zurechtweisungen, ne­
gative Botschaften und negative Aufmerksamkeit? Warum?
❚ Werden Spiele von Mädchen und von Jungen im selben
Umfang verhindert? Was macht ein Spiel zum Spiel,
welche Spiele sind erlaubt?
❚ Spricht das Personal mehr mit den Mädchen oder mehr
mit den Jungen? Unterscheiden sich die Gespräche,
abhängig vom Geschlecht des Kindes?
❚ Welche Kinder haben die größere, entwickeltere sprachli­
che Kompetenz? Beruht dies auf Reife oder Stimulans?
❚ Wird vom Personal erwartet, dass Jungen es eilig haben
bei der Suche nach neuen Abenteuern? Ist dies ein
Grund, weshalb sie so schnell auf die Signale der Jun­
gen reagieren?
❚ Warum müssen Mädchen mehrmals versuchen, das
Nähgarn einzufädeln, bevor das Personal ihnen zeigt wie
es geht, während die Jungen sofort Hilfe bekommen?
Wozu führt so eine Behandlung? (Svaleryd 2002, 8)
„Anna beobachtete Stina, als sie die Gruppenstunde leitete.
Nachher fragte Anna Stina, ob es ihr bewusst gewesen
wäre, dass sie sich – um Bestätigung zu erlangen, Antwor­
ten auf Fragen oder Unterstützung beim Singen zu bekom­
men – immer an die Mädchen gewendet hatte. Stina nahm
sich selbst in Schutz und versuchte auf unterschiedliche
Weise ihr Verhalten zu verteidigen: sie versuchte Annas
Beobachtungen mit dem Argument zu widerlegen, dass
Anna nicht alles hätte sehen können. Anna wies weiters
darauf hin, dass Stina die Jungs häufiger zurecht wies und
ihnen mehr, aber nicht immer positive Aufmerksamkeit wid­
mete. Stina verließ aus diesem Grund das Zimmer und
knallte die Tür zu.
Auf diese Weise reagierten alle Beteiligten zu Anfang des
Projekts. Es wurde nach Ursachen gefragt. Viele nahmen
die Kritik persönlich und empfanden sie als Vorwurf, so als
wären sie für die Arbeit nicht geeignet. Es dauerte sehr
lange, bis diese Beobachtungen als eine Entwicklung der
eigenen Qualitäten im Beruf gedeutet wurden. Es wurden ja
keine Persönlichkeiten beobachtet, sondern PädagogInnen
beim Ausüben ihres Berufes. Die Beobachtungen wurden
deshalb ausgeführt, weil alle ihre Berufsrolle bewusst ent­
wickeln sollten. Das Personal lernte seine eigene Persön­
lichkeit vom pädagogischen Handeln zu trennen. Mit Hilfe
von Beobachtungen mit der Videokamera kam das Perso­
16
❚
❚
❚
Eine Folge der Verhaltensanalysen war, dass das Personal
anfing, verstärkt mit Sprache, unterschiedlichen Begriffen
und mit Gesprächsregeln zu arbeiten wie z.B. der Reihe
nach zu Wort kommen. Sie erfanden Märchen mit „Mär­
chensteinen“, erzählten was froh, böse und traurig machen
kann. Die Sprache ist der Grundstein für Empathie, Selbst­
beherrschung, Moral und Gewissen.
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
Viele der früheren Spiele, die die Jungen gewohnt waren
forderten einen immensen Kraftaufwand: klettern, buddeln,
ringen, jagen. Jemandem mit Zärtlichkeit beim Massieren
zu begegnen war also eine neue Erfahrung. Die Verklei­
dungsgarderobe wurde ausgebaut. Früher gab es nur alte
Frauenkleider, das Kostüm einer Prinzessin sowie mehrere
Tierkostüme. Heute gibt es auch Piratenkostüme sowie Ver­
kleidungen für Superman, Batman, Clowns, KönigInnen
und IndianerInnen. Dies hat dazu beigetragen, dass die
Buben sich während des Rollenspiels anders benehmen,
z.B. die Rolle des Superpapa übernehmen. Sie entwickeln
Verständnis und Respekt – Eigenschaften, die diese Spiele
auch fordern (ebd., 12).
Der Kindergarten Tittmyran/Björntomten bekam für sein
„Neudenken und die Pädagogischen Visionen“ den Quali­
tätspreis für Kindergärten von der Gemeinde Gävle verliehen,
zusätzlich zu finanzieller und moralischer Unterstützung.
Auch schwedische Volksschulen führ(t)en erfolgreich
Gleichstellungsarbeit durch. Es wurde erkannt, dass Gleich­
stellungsmaßnahme aus dem Kindergarten in der Schule
fortgesetzt werden müssen. Ausgangspunkt war, dass die
VolksschullehrerInnen der Schulen in Björke und Trödje
(Gemeinde Gävle) die Mädchen, die aus einem gleichstel­
lungsorientierten Kindergarten in die Schule kamen, als
sehr anspruchsvoll erlebten: sie nahmen „viel zu viel Raum
und Aufmerksamkeit in Anspruch, obwohl sie zahlmäßig in
der Minderheit waren“ (Jämställdhetsarbete 2003). Die Leh­
rerInnen waren entsetzt, dass die Mädchen so selbständig
waren und sich selbst Gehör verschaffen konnten. Mäd­
chen und Jungen waren viel selbstsicherer, die Buben
waren verbal kompetenter und zugänglicher.
Dies macht deutlich: Ungleichbehandlung muss nicht unan­
genehm oder störend sein; immer wieder sagen Pädago­
gInnen: ,Es ist ruhig in meiner Gruppe – es funktioniert gut‘
als Argument dagegen, sich aktiv mit Gleichbehandlungs­
fragen zu beschäftigen. „Das Schwierige dabei ist, dass es
sich um Normen handelt, an die wir so gewöhnt sind, dass
wir sie nicht sehen – und diese gibt es in den meisten Klas­
senzimmern“ (ebd.).
Die persönliche und professionelle Weiterentwicklung der
PädagogInnen wurde ausgelöst durch Videoanalysen in der
Klasse, die geschlechtsspezifisch unterschiedliche Behand­
lung vonseiten der LehrerInnen erkennen halfen. Dies ermög­
lichte die Weiterentwicklung für alle Beteiligten: „Die Kinder
beginnen, Geschlechterstereotype zu überschreiten; sie wer­
den selbstsicherer. Die Mädchen aus dem Kindergarten
haben ihr Verhalten eindeutig nachhaltig verändert. Das führt
dazu, dass die PädagogInnen ihre Arbeit verändern müssen,
weil sie nicht mehr auf die Mädchengruppe als Hilfslehrerin­
nen vertrauen können. Aufzuhören mit dem ,Service‘ für die
Buben war besonders schwer“ (ebd.).
Gleichbehandlung – (un)möglich?
Eines der größten Hindernisse für tatsächliche Gleichbe­
rechtigung in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen
sind – bestätigt durch wissenschaftliche Untersuchungen –
nicht „schicksalhaft determinierende Sozialisationslasten“,
sondern die unreflektierte alltägliche Konstruktion von
sozialem Geschlecht durch Interaktionen von PädagogIn­
nen und Mädchen und Buben (vgl. Kaiser 2003). Es beste­
hen massive geschlechtsspezifische Unterschiede im Ver­
halten von Lehrpersonen gegenüber SchülerInnen. Mäd­
chen und Buben werden unterschiedlich wahrgenommen
und behandelt, und zwar von Lehrerinnen ebenso wie von
Lehrern (Meier-Rust 2004). Das Erkennen der aktiv handeln­
den eigenen Beteiligung von PädagogInnen ist eine der
größten, aber notwendigsten Voraussetzungen für das
Gelingen geschlechtssensibler Pädagogik.
KleinkindpädagogInnen
KleinkindpädagogInnen, die sich selbst auf die Schliche
kommen wollten, waren erstaunt über Videoaufzeichnun­
gen der morgendlichen Zusammenkünfte mit den Kindern.
Sie waren erstaunlich, da Mädchen und Jungen konträr zu
eigenen Überzeugungen und Wahrnehmungen gravierend
unterschiedlich behandelt wurden. „Mädchen erhielten nur
halb so viel Zuspruch wie Jungen, Buben hörten im Durch­
schnitt ihren Namen siebenmal ausgesprochen, Mädchen
nur zweimal. Auf Beiträge von Jungen wurde meist mit Fol­
gefragen eingegangen, während Mädchen oft ohne jede
Reaktion auskommen mussten.
Weitere Erkenntnisse: Jungen wurden mit weitaus mehr Er­
mahnungen und Verboten belegt als Mädchen. Nur ein ein­
ziges Mädchen erhielt (...) eine Verwarnung. Jungen wurden
gelobt für ihre Schnelligkeit, Stärke und alles, was messbar
war. Mädchen hörten nichts dergleichen, lediglich ihre
Tüchtigkeit und Freundlichkeit wurde kommentiert, auch
dass sie Gefühle zeigen konnten“ (Pettersson 2004, 77).
Eltern
Nicht nur professionell pädagogisch arbeitende Erwachsene
sind vor unbewussten (und ungewollten) geschlechtsspezifi­
schen Erwartungen und Zuschreibungen nicht gefeit, son­
dern auch die Eltern. Georg Stöckli, Erziehungswissenschaf­
ter am Pädagogischen Institut der Universität Zürich, unter­
suchte u.a. die Erwartungen von Eltern und deren Auswir­
kungen auf das Selbstbild des Kindes am Anfang der Primar­
schule: „Bei der Befürchtung, dass ein Sohn ihren Hoffnun­
17
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
gen auf schulischen Erfolg nicht entsprechen könnte, zeigten
Mütter eine deutliche emotionale Erregung. Bei Mädchen
spielte dagegen die Aussicht auf Misserfolg nicht nur keine
Rolle, hier war es im Gegenteil die Aussicht auf schulischen
Erfolg, die die Mütter emotional belastete. Die nächste Befra­
gung fand am Ende des ersten Schuljahres statt, also nach­
dem Eltern über die Schulnoten eine Rückmeldung über die
reale Leistung ihres Kindes erhalten hatten. Auch hier fiel das
Ergebnis markant geschlechtsspezifisch aus. Während näm­
lich Eltern ihre überhöhten Begabungsvorstellungen im Falle
einer Tochter problemlos revidierten und das Urteil der Lehr­
person akzeptierten, hielten sie bei Söhnen an ihrem
ursprünglichen Begabungsbild fest: Eltern von Buben erwie­
sen sich immun gegenüber dem realen Notenbild, dieses
wurde ganz einfach dem Lehrer oder dem Unterricht angela­
stet. Ebenso geschlechtsspezifisch fällt die Erfolgserklärung
von Eltern aus. Während der schulische Erfolg eines Mäd­
chens mehrheitlich auf Anstrengung und Fleiß zurückgeführt
wird (von Vätern etwas eindeutiger als von den Müttern), wird
derselbe Erfolg beim Sohn der Begabung zugeschrieben.
,Begabung sieht man nicht, man kann sie nur indirekt
erschließen‘, erklärt Georg Stöckli, ,sehen kann man nur die
Anstrengung. Wenn also ein Mädchen fleißig ist, die Aufga­
ben macht, Angst vor der Prüfung hat – dann wird daraus auf
mangelnde Begabung geschlossen. Bei Buben passiert das
Gegenteil: Sie geben sich als cool, strengen sich nicht an –
und jede Leistung wird mit Begabung erklärt.‘ Derart ausge­
prägte Erwartungen und Zuschreibungen haben Wirkung.
Schon wenige Wochen nach Schulanfang schätzen Mäd­
chen ihre Fähigkeiten weit tiefer ein als Buben. Gemessen
am Urteil der Lehrperson schätzen sich Buben typischer­
weise weit darüber ein, Mädchen eher darunter“ (Meier-Rust
2004, 5f.).
und weniger auf fehlende Anstrengung zurückgeführt als bei
den Jungen. Leistungsschwachen Mädchen wird eine
ungünstigere Leistungsprognose gemacht als leistungs­
schwachen Jungen“ (Tiedemann 1995, 153).
Diese geschlechtstypischen Erwartungen von Lehrkräften
bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Selbsteinschätzung
der Mädchen und Buben. Ein Vergleich der eigenen Ein­
schätzung der schulischen Kompetenz mit den Noten in
Mathematik am Ende des 2. Schuljahres ergab: Knaben
überschätzen und Mädchen unterschätzen ihre schulischen
Kompetenzen, wobei wegen der stärkter überhöhten Selbst­
einschätzung der Knaben ihre Fehleinschätzung (...) beson­
ders massiv ausfällt (Stöckli 2002, 17).
Check-Listen für PädagogInnen als
Strukturhilfen zur Förderung von Mädchen
und Buben
Die ehemalige Kindertagesheimleiterin Daniela Orner
berichtet: „Um im Alltag zu überprüfen, ob wir Mädchen
und Buben fördern, entwickelten wir in Anlehnung an Kai­
ser/Wigger 2000 einen ,Fit-für’s-Leben-Pass‘ in Abstim­
mung auf das Alter der von uns betreuten Kinder. Anhand
eines bunt gestalteten Bogens konnten Kinder, Eltern und
Betreuungspersonen sehen, welche Fähigkeiten und Fertig­
keiten jedes Kind bereits erworben hat.
,Fit-für’s-Leben-Pass‘ Kleinkindergruppe
(0- bis 3-jährige): Das kann ich schon!
❚
❚
❚
❚
VolksschullehrerInnen
Entgegen dem allseits formulierten Grundsatz der Gleichbe­
handlung der Schülerinnen und Schülern tragen auch Lehr­
personen in der Volksschule zur geschlechtsspezifisch unter­
schiedlichen Entwicklung von Fähigkeiten und Interessen
bei. Joachim Tiedemann etwa untersuchte die geschlechts­
typischen Erwartungen von Lehrkräften der Grundschule
bezüglich des Mathematikunterrichts und kam zu dem
Ergebnis, „dass Mädchen, die im Mathematikunterricht im
mittleren oder unteren Leistungsbereich liegen, im Urteil der
Lehrkräfte weniger gut logisch denken können als Jungen
mit vergleichbaren Leistungen. Die Lehrkräfte erwarten bei
Mädchen bei erhöhter Anstrengung geringere Leistungsver­
besserungen im Mathematikunterricht als bei Jungen. Die
LehrerInnen schätzen Mathematik für die Mädchen im mittle­
ren Leistungsbereich im Vergleich mit den Jungen als ein
schwierigeres Fach ein. Erwartungswidrige Leistungseinbrü­
che werden bei Mädchen eher auf mangelnde Fähigkeiten
18
❚
❚
❚
❚
❚
❚
meine Patschen selber anziehen
einem anderen Kind den Mund abwischen
einen Ball fangen
drei verschiedene Werkzeuge benennen und ,benutzen‘
können
mein Geschirr vom Esstisch abräumen
einen Turm bauen, der mir bis zum Nabel reicht
ein anderes Kind trösten
mit einem anderen Kind Plastilin teilen
meine Hände waschen (die Ärmel raufschieben, Wasser
aufdrehen, Seife nehmen, Hände abtrocknen ohne alles
unter Wasser zu setzen)
ein Lätzchen zusammenlegen
,Fit-für’s-Leben-Pass‘ Kindergartengruppe
(3- bis 6-jährige): Das kann ich schon!
❚
❚
❚
❚
❚
einschenken und mir auch selbst das Essen aus der
Servierschüssel nehmen
mir ein Brot streichen
meine ,Gatschhose‘ selber anziehen
meine Spielsachen ein- und auch wegräumen
Blumen gießen, ohne sie dabei zu ,ertränken‘
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
Für Kinder im Schulalter kann der „Fit-für’s-Leben-Pass“ so aussehen,
die Vorlage ist als Anregung gedacht:
Fit­
für’sLebenPASS
Von:
Klasse:
Zusammen in
der Klasse
Für mich und
andere sorgen
Für mich und
andere sorgen
Ich kenne mich
mit Natur und
Technik aus
Geschenkgut­
schein für eine
Massage
schenken
Einen Knopf
annähen
Sicher mit
Küchenmaschinen
(z.B. Mixer) um­
gehen
Sägen, nageln,
schrauben
Behutsam eine
Übung mit
Partner/in
durchführen
Ein Bett beziehen
Abwaschen
und abtrocknen
Einen Zauberstock
sägen und
schnitzen
Ich traue mich vor
Publikum einen
Vortrag zu halten,
ein Gedicht vorzu­
tragen, ein Lied zu
singen, etc.
Ein T-Shirt bügeln
Tisch nach
einer Mahlzeit
reinigen
Sicher mit drei
verschiedenen
Werkzeugen
umgehen
Gesprächsleitung
im Kreis
Servietten kunst­
voll falten
Kleine Wäsche
händisch waschen
Ein Regal
nach Anleitung
zusammenbauen
Rücksicht
nehmen
Einen Esstisch
schön dekorieren
Schuhe putzen
und pflegen
Einen Fahrradschlauch
flicken
Ich kann mich
bemerkbar
machen
Ein kleines Essen
zubereiten
Das Waschbecken
in der Klasse
reinigen
Einen Computer
einschalten und
daran arbeiten
Selbstständig
einen Besuch vor­
bereiten, Termine
vereinbaren
Einkaufslisten
schreiben, einkau­
fen und abrechnen
Saugen, fegen,
aufwischen
Ein Kartentelefon
bedienen
Informationen zu
Klassenthemen
besorgen
Brot selber schnei­
den und schmie­
ren
Pate/Patin für ein
kleineres Kind in
der Schule sein
Im Garten aus­
säen, pflanzen,
bearbeiten und
ernten
Das kann ich
auch noch
Schule:
Unterschrift:
Allein mit Bus
oder Bahn fahren
19
Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung
❚
❚
einen Nagel einschlagen
Sessel auf den Tisch stellen, ohne dass andere Sessel
herunterfallen
❚ einen Tisch/das Tischtuch abwischen
❚ einem anderen Kind beim Anziehen helfen
❚ den Tisch decken“
(Orner u.a. 2003, 54)
Der Pass „soll die Kinder anregen, Selbsteinschätzung an
konkret nachvollziehbaren Leistungen zu üben und den
Lernprozess auch selbstverantwortlich mitzugestalten. ...
Dabei sind bei der Arbeit mit dem Pass individuelle Abspra­
chen mit dem Kind zu treffen. Während für das eine Kind ein
erhöhter Bedarf für das Einüben rücksichtsvoller Fähigkei­
ten besteht, verfügt das andere vielleicht über ein Übermaß
20
an Rücksichtnahme und sollte ermuntert werden, Übungs­
möglichkeiten zur Durchsetzungsfähigkeit wahrzunehmen“
(Kaiser, Wigger 2000). Ob ein Lernziel erreicht wurde, kann
von der Lehrperson, aber auch von der Klasse bestätigt
werden.
Alle Kinder sollen alles probieren. PädagogInnen können
aber verschiedene Ziele haben, abhängig davon, mit wel­
cher Gruppe sie arbeiten: Beim Backen in der Mädchen­
gruppe kann das Ziel vielleicht sein, ohne Rezept zu ba­
cken, zu experimentieren. Mit einer Gruppe von Buben zu
backen kann statt dessen bedeuten, die Gewichtung auf
die Zusammenarbeit, den Geruch und die Sprache zu legen
(Svaleryd 2002, 11).
Spielzeug, Spiele, Spielverhalten
Spielzeug, Spiele, Spielverhalten
Die „kindgerechte“ Umgebung – Kindergarten, Spielzeug,
Bilderbücher, Schulbücher, pädagogische Fachkräfte und
andere „Miterziehende“ – vermitteln Mädchen und Buben
Wesentliches über die „Geschlechterwelten“. „Spielend“
werden bereits Kleinkinder auf ihre jeweiligen späteren
Erwachsenenrollen vorbereitet.
Ein Großteil der Spielbereiche ist geschlechtsspezifisch
determiniert und „vorbelastet“. Die meisten Spielwaren und
die mitgelieferten impliziten Botschaften über deren „richti­
gen Gebrauch“ erschweren ein „anderes“ Spielen jenseits
traditioneller Klischees. Kann He-Man auch Vater werden
und damit soziales und solidarisches Verhalten, positive
Emotionen, Fürsorglichkeit und Verantwortlichkeit
(er)leben? Kann Barbie Bildhauerin sein, sich schmutzig
machen, schwere körperliche Arbeit erbringen und damit
berühmt werden (Kämpf-Jansen 1989)? „Alles, was Kinder
im Spiel erproben, trauen sie sich auch in der Wirklichkeit
zu“ (Blank-Mathieu 1997, 76).
Eine Möglichkeit, das geschlechtsspezifische Spielverhal­
ten und seine Auswirkungen zu untersuchen ist es, Spiele,
Spielzeug und Spielerfahrungen einzuteilen in folgende
Bereiche:
1.) Phantasie- und Rollenspiel
2.) Regelspiel/Bewegungsspiel
3.) Experimentier-, Bau- und Konstruktionsspiel
4.) Kreatives Gestalten: Malen, Zeichnen
5.) Medien-Nutzung
und anschließend mit folgenden Fragestellungen zu analy­
sieren:
❚ Welches Spielzeug/welche Spiele fallen in diese Kate­
gorie?
❚ Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden durch die
Beschäftigung mit ihnen erworben?
❚ Welche Räume im Kindergarten/Hort werden mit diesen
Spielen „bespielt“?
❚ Spielen eher Mädchen oder eher Buben mit diesem
Spielzeug?
Um die Umwelteinflüsse zu berücksichtigen, können fol­
gende Fragen anregend sein (Herincs/Policzer 2003):
❚ Was bringen Mädchen und Buben von zu Hause mit?
❚ Was „verkaufen“ Werbung und Spielzeugindustrie als
Mädchen- oder Bubenspielzeug?
Wiener Kindergarten- und Hortpädagoginnen – Teilnehme­
rinnen der Fortbildung: „Geschlechtssensible Pädagogik im
Kindergarten“ für KindergartenpädagogInnen der Stadt
Wien, von 1998 bis 2000 von C. Schneider geleitet – kamen
so zu folgenden Ergebnissen (die mit zahlreichen wissen­
schaftlichen Untersuchungen überein stimmen, vgl. Bütt­
ner/Dittmann 1992):
Mädchen üben sich – häufiger als Buben – vor allem in fol­
genden Bereichen:
❚ Mütterlichkeit, Fürsorglichkeit, Verantwortung überneh­
men für das Wohlergehen Anderer, sprachliche Aus­
drucksfähigkeit – durch Puppen- und Rollenspiele
❚ Geduld, Ausdauer, Geschicklichkeit, Feinmotorik, Krea­
tivität, ästhetisches Bewusstsein – durch Spielmaterial
wie Steck- und Fädelspiele
❚ körperliche Geschicklichkeit auf engem Raum, Koope­
ration in Paaren oder Kleingruppen, gedämpfter Wettei­
fer – durch Bewegungsspiele wie z.B. Seil drehen, Gum­
mihüpfen
Buben hingegen trainieren bzw. erfahren tendenziell häufiger:
❚ Dreidimensionalität, Raumerfahrung, physikalische
Gesetze, bleibende (!) Werke zu planen und umzusetzen
– durch Konstruktionsmaterial und -spiele
❚ Stärke, Kampfgeist, Siegen, die Heldenrolle – durch
Action-Spiele
❚ sich durchzusetzen, Kräfte messen, eigene Grenzen
suchen und ausdehnen/überschreiten, Kampfverhalten,
viel Raum in Anspruch zu nehmen, Dynamik und Kon­
kurrenz in großen Gruppen – durch bubentypische
Bewegungsspiele
Ergänzt werden diese Befunde durch Ergebnisse einer
Marktstudie des Bundesverbandes des Spielwareneinzel­
handels „Spielwarenmarkt Deutschland“ aus dem Jahr
1997 (Müller-Heisrath/Kückmann-Metschies 1998, 50f.):
❚ 61% aller Ausgaben für Spielzeug entfallen auf Buben,
❚ Jungen erhalten ca. 10% mehr Spielzeug als Mädchen,
❚ 2% der Mädchen, aber 55% der Jungen bekommen
Aktionsspielzeug geschenkt,
❚ 12% der Mädchen und 43% der Jungen erhalten
Videos,
❚ 27% der Mädchen, 43% der Jungen Kinderfahrzeuge,
❚ 4% der Mädchen und 34% der Jungen bekommen
Fahrzeuge geschenkt.
21
Spielzeug, Spiele, Spielverhalten
Erfahrungen, die Mädchen und Buben auf Grund ihrer
Sozialisation, unbewussten Erwartungen und Forderungen
von Erwachsenen häufig verschlossen bleiben, sind also
vor allem (vgl. Mühlegger 1999):
Mädchen
Jungen
Spiele, die Interesse an Technik und Handwerk
wecken
Spiele, die Interesse an Haushalt und Kindererziehung
wecken
Spiele, in denen der Umgang mit Dingen im
Vordergrund steht
Spiele, in denen die Beziehung zu Personen im
Vordergrund steht
Produktion von Werken, bei denen Funktionalität
wichtig ist
Produktion von Werken, bei denen Ästhetik
wichtig ist
Erfahrungen, die Selbstvertrauen und Unabhängigkeit
vom Urteil Anderer ermöglichen
Erfahrungen, die eine realistische Einschätzung der
eigenen Fähigkeiten und Grenzen ermöglichen
Aktivitäten, die Durchsetzungsfähigkeit und
Abgrenzungsvermögen fördern
Aktivitäten, die Rücksichtnahme und
Einfühlungsvermögen fördern
Spiele, in denen Körperkraft und grobmotorische
Bewegung erlebbar sind
Spiele, in denen feinmotorische Geschicklichkeit
erlebbar ist
Raumgreifende Spielformen
Standortgebundene Spielformen
Spiele, die ermöglichen, aus sich heraus zu gehen,
sich lautstark und lustvoll auszudrücken
Spiele, die ermöglichen, bei sich zu bleiben, Ruhe,
Gelassenheit und Entspannung zu erleben
Spiele mit fantastischen Inhalten, die ermöglichen, sich
als unbesiegbar, großartig und omnipotent zu erleben
Spiele mit realistischen Inhalten, die ermöglichen, sich
als fürsorglich, kooperativ und gefühlvoll zu erleben
Spiele, die eine positive Auseinandersetzung mit
Aggression ermöglichen
Spiele, die eine positive Auseinandersetzung mit
Angst und Schwäche ermöglichen
22
Raumnutzung im Kindergarten
Raumnutzung im Kindergarten
„In vielen Kindertageseinrichtungen gibt es spezifische
Spiel- und Aktivitätsbereiche wie die Bauecke, die Puppen­
ecke, den Werktisch oder den Bilderbuchbereich. Beobach­
tungen zeigen, dass lange Zeit nach der ,Öffnung‘ der Bauecken für Mädchen und der Puppenecken für Buben noch
immer Bauen und Konstruieren eine weitgehend bubendo­
minierte Tätigkeit ist und versorgendes Spiel in der Puppen­
wohnung oft den Mädchen vorbehalten bleibt. Um das
Handlungsspektrum der Kinder zu erweitern ist es wichtig,
diese ,Vorbestimmtheit‘ zu vermeiden.
Bei der Beobachtung von Alltagssituationen in Kinderbe­
treuungseinrichtungen ist häufig zu bemerken,
❚ dass meist Buben den Großteil des zur Verfügung ste­
henden Raumes in Anspruch nehmen, indem sie z.B.
mit Fahrzeugen durch den Raum sausen oder großflä­
chig den Boden mit Eisenbahnschienen verbauen;
❚ dass Mädchen vorwiegend am Tisch sitzen und zeich­
nen, Bücher betrachten oder sich mit ,Schachtelspielen‘
beschäftigen.
Beide Geschlechter, Mädchen und Buben, nutzen dadurch
jedoch lediglich ein sehr eingeschränktes Spielbereichsan­
gebot. Viele Mädchen spielen den Großteil der Zeit, die sie
im Kindergarten verbringen, in der Puppenecke. Die mei­
sten Buben verbringen überdurchschnittlich viel Zeit in der
Bauecke.
Die Ursachen dafür liegen einerseits in den an die Kinder
gesetzten Erwartungen geschlechtstypischen Verhaltens,
andererseits aber auch in den fehlenden Möglichkeiten:
Wann sollen Mädchen denn bauen und konstruieren, wenn
die Bauecke immer von ,den Buben‘ besetzt ist? Wie sollen
die Buben denn das Puppenkind wickeln, wenn die Pup­
penecke immer von ,den Mädchen‘ besetzt ist“ (Orner u.a.
2003, 31ff.)?
Die Reflexion des eigenen Rollenvorbildes in der
Kindergruppe kann aufschlussreich sein:
❚ Wo sind meine beliebtesten Spiel- und Aufenthaltsorte
im Gruppenraum?
❚ Womit beschäftige ich mich am Liebsten?
❚ Und wo halte ich mich am häufigsten auf?
❚ Welche Kinder halten sich im Baubereich auf, wie lange,
was spielen sie dort?
❚ Welche Plätze werden im Garten von Mädchen benützt,
welche von Buben?
❚ Welche Kinder verwenden die Fahrzeuge, wie lange?
❚ In welchen Farben sind die jeweiligen Bereiche gestaltet
(kräftige Grundfarben, Pastellfarben)?
❚ Welche Spielbereiche sind aus dem Gruppenraum aus­
gelagert? Weshalb?
❚ Wie oft im Laufe eines Tages beschäftigen sich Mäd­
chen/Buben im jeweiligen Bereich? Ist eine Tendenz
bemerkbar (mehr Mädchen, mehr Buben)?
❚ Gibt es Unterschiede im Spielverhalten?
❚ Wie kann die Bereichefrequenz gesteigert werden?
❚ Welche Ideen haben Sie, um Bereiche und Materialien
für Mädchen und Buben leichter zugänglich bzw. inter­
essanter zu machen? (Orner u.a. 2003, 34)
Raumgestaltung
Um eine gleichberechtigte Nutzung der unterschiedlichen
Spiel- und Erfahrungsbereiche zu ermöglichen, müssen tra­
ditionelle Raumkonzepte überdacht und aktiv umgestaltet
werden. Folgende Anregungen zum Raumkonzept und
ergänzende Maßnahmen haben sich bewährt:
❚ Auflösen des traditionellen Rollen- und Familienspielbe­
reiches (früher „Puppenecke“) und des Bau- und Kon­
struktionsbereiches (früher „Bauecke“), statt dessen
freie Spielflächen ohne spezifische Bestimmungen
❚ Spielgut in Rollcontainern
❚ flexible Teppiche, die Spielflächen klar abgrenzen (posi­
tive Verstärkung erfahren dadurch vor allem Mädchen,
die dadurch überhaupt erst ein Gefühl für den ihnen
zustehenden Raum bekommen und diesen Raum bes­
ser verteidigen können)
❚ Spielimpulse setzen, mitspielen
❚ anderes Material ergänzend anbieten
❚ Einführung von Mädchen- und Bubentagen
❚ Einrichten von Mädchen- und Bubenbereichen
❚ Auswahl an Verkleidungsstücken erweitern (Männerge­
wand)
❚ Gartengewand für den Freibereich
❚ Mädchen- und Bubendreirad, Mädchen- und Buben­
auto
Vergleichen Sie Ihre Antworten mit Beobachtungen
des Spielverhaltens der Kinder:
❚ Welche Spielbereiche werden bevorzugt von Buben fre­
quentiert?
❚ Welche von Mädchen?
23
Raumnutzung im Kindergarten
Für eine allgemeine Bestandsaufnahme einer Einrichtung
eignen sich zusammenfassend diese Analysefragen
(vgl. Herincs/Policzer 2003):
❚ Ermöglicht die Raumgestaltung allen Kindern – Mäd­
chen und Buben – gleichermaßen die gleichberechtigte
Nutzung (des Raumes, der darin enthaltenen Spielmate­
rialien und Erfahrungen)?
❚ Motiviert die Raumgestaltung alle Kinder gleicher­
maßen, selbständig zu agieren und kreativ eigene Struk­
turen zu entwickeln?
❚ Vermeidet die Raumgestaltung Rollenstereotype?
❚ Macht sie Kinder neugierig darauf, den Raum zu erfor­
schen?
❚ Haben Kinder die Möglichkeit, zeitweise in geschlechts­
homogenen Gruppen zu sein?
24
❚ Nehmen PädagogInnen ihre Vorbildfunktion wahr,
indem sie sich relativ ausgewogen in allen Bereichen
aufhalten, besonders jedoch in den für ihr Geschlecht
untypischen Bereichen (Männer in der Kuschelecke mit
dem Bilderbuch, Frauen beim Bäumeklettern?)
❚ Werden Bereiche ohne geschlechtstypisierende
Bezeichnungen benannt (Wohnung statt Puppenecke,
„grüne Ecke“ statt Bauecke, ...)?
❚ Wird bei der Materialauswahl beachtet, dass unter­
schiedliche Interessen ansprechende Materialien
besonderen Einladungscharakter haben (Handy im Rol­
lenspielbereich, Naturmaterialien im Baubereich, ...)?
❚ Werden Elemente des „Spielzeugfreien Kindergartens“
eingesetzt, um kreatives Spielverhalten ohne vorgege­
bene geschlechtstypische Zuschreibung zu unterstüt­
zen?
Körper und Bewegung
Körper und Bewegung
„Wie der Körper nun genau zu halten und zu bewegen ist,
erfolgt mittels einer ,stillen Pädagogik‘ (...). Z.B. signalisiert
der Imperativ ,Halt die Beine zusammen‘, der ausnahmslos
an Mädchen und Frauen gerichtet ist, dass etwas an ihrem
Körper unschicklich oder sogar gefährlich ist, was sie bes­
ser verbergen sollten. Wenig Raum einzunehmen, sich
zurückzunehmen durch eine schmale Fußstellung, durch
zusätzlich eng am Körper gehaltene Arme, eine immer noch
typische ,Engstellung‘ des ,weiblich‘ inszenierten Körpers,
bringt nicht nur räumliche Anspruchslosigkeit zum Aus­
druck, sondern verweist zudem auf innere Zurückhaltung,
mangelnde Selbstsicherheit und Nachgiebigkeit. Dies ist
eine Haltung, die eher auf die Einnahme untergeordneter
Positionen im sozialen Raum gelesen wird. Die Darstellung
von ,Männlichkeit‘ hingegen erfordert eine breite Körperhal­
tung und Gesten, die auf Raumgewinn angelegt sind, also
Bedeutung, Dominanz und vor allem Wettbewerbs- und
Konkurrenzfähigkeit signalisieren (...)“ (Sobiech 2002, 37).
Die kindliche Identitätsentwicklung zu fördern umfasst den
sozialen, den emotionalen, den kreativen, den kognitiven
genauso wie den motorischen Bereich. Überlegen Sie:
Haben Mädchen und Buben die gleichen Freiräume, dürfen
sie z.B. alleine auf den Spielplatz gehen, müssen sie dort
kleinere Geschwister beaufsichtigen, wie lange dürfen sie
bleiben,...? (Herincs/Policzer 2003; Gruber/Balkanli/Dole­
schel 1996)
Ingrid Kromer vom österreichischen Institut für Jugendfor­
schung definiert u.a. Innenorientierung und „SchwachSein“ als zentrale Strukturmerkmale der weiblichen Soziali­
sation (neben Körpernähe und Emotionalität, Beziehungs­
orientierung und Abhängigkeit, Minderwertigkeit), hingegen
Außenorientierung und Körperferne als zentral für die
männliche Sozialisation (neben Selbstbewusstsein, NichtBezogenheit, Überlegenheit und Kontrolle) (Kromer 1999):
Innenorientierung wird bei Mädchen gefördert, dagegen
werden Erfahrungschancen „draußen“ und eine altersge­
mäße Entwicklung des Zutrauens und der Stärke einge­
schränkt. Mädchen und Frauen orientieren sich dadurch am
Innenleben von Menschen, an den Erfordernissen einer
Beziehung und an den notwendigen Aufgaben im Haushalt.
Mädchen werden für ein Leben „drinnen“ sozialisiert – das
meint die Verwirklichung in zwischenmenschlichen Bezie­
hungen, Familie und Haus. „Neben der Einschränkung von
Erfahrungschancen ,draußen‘, der permanenten Beaufsich­
tigung und Kontrolle von Mädchen und der stummen Ver­
mittlung von diffuser Gefährlichkeit der Welt draußen wird
eine altersgemäße Weiterentwicklung des Zutrauens und
der Stärke verhindert. (...)
Das Zugeständnis von Schwäche und Unterlegenheit führt
bei Mädchen häufig dazu, dass sie lernen, sich tatsächlich
als hilflos und schwach zu erleben und darzustellen
(„Schwach-Sein“). Sie werden kaum dazu ermuntert, sich
alleine – in Abwesenheit der Erwachsenen – zu behaupten,
unabhängig von ihnen Erfolgserlebnisse zu haben, mit ihrer
körperlichen Kraft und Stärke umzugehen und auch aggres­
siv zu sein“ (Kromer 1999). Es fehlen ihnen Erfahrungen, in
denen sie Körperkraft und grobmotorische Bewegung erle­
ben können. Mädchen, die mit Buben raufen oder auf
Bäume klettern, bekommen zu hören: „An dir ist ein Bub
verloren gegangen!“
Im Gegensatz dazu ist es typisch für Buben, dass sie „hin­
aus“ gehen (Außenorientierung): Wer kennt sie nicht, die
Bubengruppe im Kindergarten oder in der Kindergruppe, die
lautstark durch die Gruppenräume tobt, während Mädchen
konzentriert am Tisch werken und zeichnen? Buben verbin­
den damit eine Abenteuer- und Risikobereitschaft und fol­
gen dem ständigen Impuls, Grenzen zu überschreiten. Für
die meisten Buben ist es selbstverständlich, dass sie hinaus
gehen, sich neue Lebensräume (Straße, Clique, Spiel­
plätze,..) selbständig erschließen. Trotzdem ist die Bezie­
hung von Buben (und Männern) zu ihrem Körper durch Kör­
perferne zu charakterisieren: sie ist leistungsfixiert (oder auf
rasche sexuelle Befriedigung hin orientiert). Männer gehen
mit ihrem Körper oft grob und verletzend um (ebd.).
Auch der Straßenraum wird von Mädchen anders genutzt
als von Buben. „Während letztere die Straße einfach zum
Spielen nutzen und als ,ihr Reich‘ in Besitz zu nehmen
trachten, sind für Mädchen die Straßen eher nur Wege, die
sie in Begleitung von Geschwistern, Freundinnen und
Eltern, in führender Begleitung jüngerer Geschwister oder
zum Einkaufen nutzen. Rund 63% der Mädchen im Volksschulalter werden auf dem Schulhin- und -rückweg beglei­
tet, bei den Buben sind es nur 52% (...).
Ein generell aggressiveres bzw. riskanteres Verhalten spielt
bei Buben bzw. männlichen Jugendlichen jedenfalls auch
beim erhöhten Unfallrisiko eine wichtige Rolle. Buben ver­
unglücken auch zu Fuß und per Rad wesentlich häufiger als
Mädchen. Sowohl beim Gehen als auch beim Radfahren ist
das Verhältnis etwa 2:1 [Quelle: Deutsches Statistisches
Bundesamt 2003]“ (VCÖ 2004, 11).
25
Körper und Bewegung
Geschlechtsspezifisch unterschiedliche Erwartungen drü­
cken sich auch in Normen für körperliche Entwicklungs­
stände aus: So zu lesen in der Broschüre: „Mehr Sicherheit
durch Bewegung. Unfallprävention und Sicherheitserzie­
hung durch ganzheitliche Förderung im Kindergarten“.
Um zu überprüfen, wo Kindergartenkinder bewegungs­
mäßig stehen, kann ein Protokollbogen verwendet
werden. Allerdings sind die Werte für „Schlussweiten­
sprung, 6-Meter-Lauf, Klettern über die Bank, auf einem
Bein Stehen, Hände öffnen und schließen“ eingeteilt in für
Mädchen und Buben geltende Werte (für jeweils 3-jährige
und 6-jährige) – nicht nach Körpergröße oder Gewicht! So
sollten 3-jährige Mädchen beim Schlussweitensprung
38 cm weit springen, gleichaltrige Buben jedoch 50 cm;
6-jährige Mädchen den 6-Meter-Lauf in 3,35 Sekunden
zurücklegen, gleichaltrige Buben in 3,15 Sekunden (Koller/
Kummetz/Pfohl, 53f.). Was dabei für ein Mädchen „normal“
ist – und die Anforderungen für Mädchen sind niedriger als
für Buben – stellt bei einem Buben bereits ein Manko dar,
das notfalls durch gezielte Förderung wettgemacht werden
soll.
Stellen Sie folgende Analysefragen zur Bestandsaufnahme
von Bewegungsmöglichkeiten und Raumnahme (vgl. Her­
incs/Policzer 2003, Focks 2002, 163f.):
❚ Welchen Kindern gelingt es, welche Spielflächen für sich
in Anspruch zu nehmen?
❚ Von wem werden die Fahrzeuge (im Garten) genützt?
❚ Haben Mädchen und Buben den gleichen Zugang zum
Bewegungsraum, zum Bewegungsbereich? Wie werden
diese Bereiche genützt?
❚ Welche Bewegungsmöglichkeiten stehen den Kindern
zur Verfügung, mit welchen Einschränkungen sind sie
konfrontiert?
❚ Was trauen sich Mädchen oder Buben körperlich zu?
❚ Wo werden Mädchen oder Jungen durch die Raumge­
staltung möglicherweise auf bestimmte Bewegungen,
Spiele und Tätigkeiten festgelegt oder begrenzt?
❚ Wie lassen sich durch Raumgestaltung und Einrichtung
sowie durch die Gestaltung des Außengeländes Mäd­
chen und Jungen auch zu geschlechtsuntypischen,
Kompetenz erweiternden Aktivitäten angeregt?
❚ Wo finden sie Rückzugsmöglichkeiten und Freiräume?
26
Hat der Schulsport ein Geschlecht?
Im sportlichen Bereich werden von den Kindern oft die häu­
figsten aktiven geschlechtsspezifisch unterschiedlichen
vorschulischen Erfahrungen gemacht – hier sind vor allem
Buben und Ballsport zu nennen (Zuba 2003, 35).
So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele Lehre­
rInnen und Verantwortliche für den Sportunterricht von einer
natürlichen Geschlechterdifferenz ausgehen. Dies zeigt eine
Untersuchung von Sheila Scraton (1992): „... von 56 inter­
viewten Personen in Entscheidungsfunktionen in Bezug auf
Sporterziehung bezogen sich 53 auf das Vorhandensein
von eindeutigen ,natürlichen‘ Geschlechtsunterschieden“
(Scraton 1992, 47; zit. nach Zuba 2003, 32; Übersetzung
C.S.). Hier wird auf „sex“ verwiesen, ohne Prozesse des
„doing gender“ zu berücksichtigen. Doch die gibt es gerade
im Schulalltag überall: Während des Bewegungsunterrichts
müssen die Kinder in der Regel keine bestimmte Sitzord­
nung einhalten, sondern können ihre InteraktionspartnerIn­
nen öfters als in anderen Gegenständen frei wählen.
Dadurch erlaubt der Sportunterricht den Kindern auch öfter
sowohl informelle, zwischenmenschliche als auch körperli­
che Kontakte mit ihren MitschülerInnen. Aufgrund der grö­
ßeren Raumsituation haben die Kinder die Möglichkeit öfter
unbeobachtet durch die Lehrperson zu interagieren.
Andrew Parker (1996) beschreibt in einer Studie über Kon­
struktion von Männlichkeit im Sportunterricht von Buben
die Gründe eines höheren aggressiven Verhaltens im Bewe­
gungsunterricht im Vergleich zu anderen Gegenständen mit
den Worten: „In fact, because of its relatively ,informal‘ and
,spacious‘ appeal, physical education appeared to provide
more opportunity than other lessons for the enactment of
such behaviour“ (Parker 1996, 143) (Zuba 2003, 31).
Frei-Räume in Kindergarten und Schule
Frei-Räume in Kindergarten und Schule
Die Situation auf Schulhöfen
Beobachtungen des Pausenhofgeschehens einer Grund­
schule in Göttingen zeigten, dass auf der durchgehend
asphaltierten Fläche praktisch nur Tobe-, Rauf- und Rem­
pelspiele stattfanden. Kinder, die sich dem nicht gewach­
sen fühlten, standen „mit dem Rücken zur Wand“ oder ver­
suchten, im Gebäude zu bleiben. Hiervon waren besonders
die Mädchen betroffen (Schlapeit-Beck/Spalink-Sievers
1993, 80ff.). Untersuchungen auf Schulhöfen der Stadt
Basel ergaben, dass sich das Spielverhalten von Mädchen
und Knaben in jedem Alter deutlich unterscheidet. Mäd­
chen spielen öfter in kleinen Gruppen, kleinräumig und in
vielfältiger Weise. Knaben sind häufiger in großen Verbän­
den mit raumgreifendem Spiel wie Fußball oder Spaßkämp­
fen beschäftigt (Pausenplatz-Gestaltung).
Mädchen und Buben spielen am liebsten mit Kindern des
gleichen Geschlechts und entwickeln geschlechtsspezifi­
sches Spielverhalten, unterschiedliche Spielkulturen, Spieltypen und Gruppenstrukturen:
Mädchen spielen in 2-er und 3-er Gruppen, kommunikativ,
nicht konkurrenzorientiert. Ihre Spiele zeigen große Affinität
zur Lebenswelt der Erwachsenen; es handelt sich oft um
Kommunikations-, Koordinations-, Empathiespiele, die ver­
bale Kompetenzen benötigen, sie sind konsensorientiert
und auf kleinem Raum zu spielen. Mädchen halten sich
eher an vorgegebene Nutzungen.
Buben spielen in größeren Gruppen, gegen die Kultur der
Erwachsenen abgegrenzt, konkurrenzorientiert; ein Verhal­
tenskodex bestimmt, was männlich ist (darüber wird Ein­
schluss und Ausschluss produziert); Jungenspiele sind häu­
fig bewegungsorientiert, es geht ums Kämpfen, Raufen,
Fangen; Jungen handeln Machtansprüche, Dominanz und
Ränge aus, brauchen mehr Platz und übertreten öfter
Benutzungsregeln.
Soweit die Bestandsaufnahme. Auch Ihnen werden Fußball­
spielende Buben und Mädchen beim Gummihüpfen oder
Zauberpony-Spielen bekannt sein. Für eine aktuelle
Bestandsaufnahme können sich Ihre Beobachtungen auf
folgende Fragen stützen (vgl. Studer 2004a):
❚ Wer spielt wo? Was tun Mädchen und Buben im Schul­
hof, auf der Freifläche des Kindergartens, des Horts?
❚ Welche Orte nutzen sie und wann (Pause, Unterricht,
Nachmittagsbetreuung, vor und nach der Schule)?
❚ Wer nimmt wie viel Raum ein?
❚
❚
❚
Wer spielt mit wem?
Wer spielt/macht was?
Sind alle damit zufrieden oder gibt es andere Wünsche,
die derzeit noch keinen Platz finden?
Was ist zu tun? Geschlechtsspezifische Spielvorlieben sol­
len durchaus berücksichtigt werden bei der Gestaltung von
Frei- und Pausenplätzen. Um geschlechtsstereotypes Ver­
halten eher durchbrechen zu können, sollen Mädchen ani­
miert werden, sich durch Ball- und andere raumgreifende
Spiele Raum schrittweise anzueignen; Buben sollen für
kleinräumiges Spiel interessiert werden. Ziel ist weniger, alle
Kinder zum Zusammenspielen zu animieren, sondern viel­
mehr, „Bewusstsein für eine faire Raumaufteilung zu schaf­
fen: Mädchen müssten dann lernen, Raum zu ergreifen und
diesen Raum als ihnen zustehend zu betrachten. Knaben
müssten lernen, Raum zu überlassen und mit dieser Ein­
schränkung umzugehen“ (Pausenplatz-Gestaltung, 25). In
einer deutschen Untersuchung von Schön (1999) beschrei­
ben ältere Mädchen sehr genau, was Frauen den Zugang
zum öffentlichen Raum jenseits der unmittelbaren Gewalt­
drohung verwehrt: Es ist die allzu selbstverständliche
männliche Besetzung öffentlicher Räume, die nichts ande­
res zulässt, Andere ausschließt und Normen setzt. Hierzu
gehören die raumnehmenden und beherrschenden Körper­
haltungen und Verhaltensweisen von Männern im öffentli­
chen Raum ebenso wie der männlich dominierte Fußball in
all seinen Ausprägungen. Mädchen nutzen Orte nicht, die
Jungen für sich beanspruchen (Ballspielkäfige, Fußball­
plätze) – in der Regel auch nicht in deren Abwesenheit.
Die räumliche Dominanz der Jungen und die räumliche
„Zurückhaltung“ der Mädchen lassen sich selbstverständ­
lich nicht allein durch Planung beheben. „Trotzdem müssen
alle Planungsmaßnahmen sorgfältig nach geschlechtsspe­
zifischen Konsequenzen durchdacht werden, so dass nicht
schon durch die bereitgestellten Spielräume eine Zuord­
nung vorgegeben wird, die Jungen zu Platzhirschen und
Mädchen zu Zaungästen macht“ (Steinmaier 1993, 140).
Die Gestaltung eines Platzes übt einen großen Einfluss auf
die Pausenaktivitäten der Kinder aus. Je nachdem, ob die
vorhandene Fläche unstrukturiert oder vielfältig strukturiert
ist, können die Kinder ihren verschiedenen Interessen und
Bedürfnissen besser nachgehen. Strukturierte und gestal­
tete Flächen tragen dem unterschiedlichen Spielverhalten
27
Frei-Räume in Kindergarten und Schule
von Mädchen und Buben Rechnung, während offene Flä­
chen raumgreifendes Spiel favorisieren. Mädchen haben
dann schlechte Chancen, Raum zu gewinnen, Ältere drän­
gen Jüngere an den Rand.
Nutzungsregeln können die Spielmöglichkeiten für die Kin­
der einschränken, häufig bevorzugen sie jedoch die Buben.
Fragen Sie sich:
❚ Welche Nutzungsregeln, Hausordnungen, informellen
Regeln gibt es in meiner Einrichtung?
❚ Wer beachtet die Regeln?
❚ Wen schränken sie ein?
❚ Gibt es Unterschiede nach Geschlechtern, Alter, sozia­
ler Gruppen oder Ethnien?
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Fragen Sie weiters, welchen Einfluss die Aufsicht im Freige­
lände oder Schulhof hat: ❚ Was macht die Aufsicht?
❚ Straft sie ab, hilft sie wenn sich ein Kind weh tut, spielt
sie mit, läuft sie herum,...?
❚ Beeinflusst das Verhalten der BetreuerInnen und der
Aufsicht das Verhalten der Mädchen und Buben?
❚ Welche Veränderungen bewirkt verändertes Verhalten
von BetreuerInnen?
❚
Anregungen zur Gestaltung von Freiflächen
von Kindergärten, Horten und Schulen
❚
Die Gestaltung sollte sowohl großräumige als auch klein­
räumige Spiele ermöglichen: Großräumiges Spiel sollte
wirksam eingegrenzt werden, z.B. durch lockere Baumbe­
pflanzung oder abgesenkte Flächen. Für kleinräumiges
Spiel eignet sich eine Gestaltung mit einfachen, platzgestal­
tenden Elementen: Bäume, Büsche, Steine, verschiedene
Bodenbeläge, Bänke (Pausenplatz-Gestaltung). Generell
gilt: Freiräume, die nicht von allen gleichermaßen aneigen­
bar sind, sind zu vermeiden!
Weitere Empfehlungen (nach Burdewick o.J., Studer 2004a
und 2004b):
❚ Raum verändern – durch Umbau, neue Möbel und
Spielgeräte
❚ mobiles Material zur Verfügung stellen – Bälle, Seile,
Malkreiden
❚ Zonen von unterschiedlicher Aufenthaltsqualität schaffen
❚ vielfach nutzbare Spielbereiche, Sand-Matsch-Berei­
che, Wasserspielplätze
❚ Schaukeln, besonders wenn sie zu mehrt nutzbar sind,
Schwunggeräte, Seilbahnen, Klettertürme zum Klettern
und für Rollenspiele, zum Rückzug
❚ sich treffen, reden, beobachten ermöglichen
❚ Bereiche, wo es etwas zu beobachten gibt, z.B. Ein­
gangsbereiche
28
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Nischen als Sitzplätze und Rückzugsraum
„schöne“ Sitzbereiche, Orte die gepflegt sind, sauber,
wo Blumen wachsen
das Miteinander der SchülerInnen verändern
aktive Beteiligung Erwachsener (PädagogInnen, Auf­
sichtspersonen), Vorleben neuer Regeln (respektvoller
Umgang miteinander, Bewegungsspiele von Frauen und
Mädchen)
Nutzungszeiten ändern, Pausen für Klassen staffeln,
Pausenlängen ändern
bei Konflikten: gemeinsam Lösungen mit Kindern
suchen, ev. auch Hilfe von außen in Anspruch nehmen
(Mediation, Unterstützung von älteren/Peers)
bei gewalttätigen Handlungen: eindeutiges Stellungneh­
men von Seiten der PädagogInnen
in der Planung von Vorhaben, Projekten, Umgestaltun­
gen, Neugestaltungen:
– Erheben der Bedürfnisse und Wünsche aller Beteilig­
ten, diese Erhebung geschlechtsspezifisch auswerten
– Überprüfung, ob und wie sich geplante Maßnahmen
auf unterschiedliche NutzerInnen auswirken
gemeinsames Gestalten des Pausenhofes von Päda­
gogInnen, Mädchen und Buben
keine geschlechtsspezifisch konnotierten Spielbereiche:
kein „Haus“, sondern ein „Spieltier“
weg vom klassischen Gerätespiel – hin zu Naturerfah­
rungen (Wasser, Dreck, Erde, Körpererfahrungen,
Früchte essen, Blätter abreißen,...)
Nischen, Sträucher zum Zurückziehen und Verstecken,
alte Decken zum Mit-Raus-Nehmen
unterschiedliche Bodenbeläge ermöglichen unter­
schiedliches Tun
Schwingen, Klettern, Springen ermöglichen
multifunktionale Nutzungen ermöglichen
auf Veränderbarkeit achten
Wasseranschluss und -nutzung draußen und drinnen
beim Eingang
Klärung der Frage: Wer ist für Erhaltung und laufende
Pflege verantwortlich? Sind personelle und finanzielle
Ressourcen dafür vorhanden?
Ein Hinweis zur Partizipation von Mädchen und Buben bei
der Gestaltung von Freiflächen: Befragt zu ihren Wünschen
in Bezug auf eine Umgestaltung eines Schulhofes mit dem
Ziel, den Interessen von Mädchen und Jungen Geltung zu
verschaffen, wünschten sich Mädchen Sitzgelegenheiten
und Hüpfkästchen zum Tempelhüpfen, Jungen Spielfelder
und Klettergerüste (Bitzan 2000, 147). „Die Mädchen und
Jungen sagen das, was auf dem Schulhof sonst übliche
Praxis ist (Alltag). Ob sie vielleicht auch ganz andere Erfah­
rungen machen wollten oder könnten, kommt weder ihnen
noch der [Pädagogin] in den Blick“ (ebd.). Um der Gefahr zu
Frei-Räume in Kindergarten und Schule
entgehen, Stereotypen und gut Bekanntes abzufragen und
somit trotz emanzipatorischem Anspruch Klischees zu
reproduzieren, empfiehlt es sich, in einem längeren, vorbe­
reitenden Projekt den Kindern zu ermöglichen, neue Erfah­
rungsräume zu phantasieren. Erfahrungen aus dem Mäd­
chengarten Szene Wien – ein Projekt der Parkbetreuung im
11. Wiener Gemeindebezirk (Gruber/Staller/Studer 1998) –
zeigen, dass „ein Großteil von Ideen sozusagen ,zwischen­
durch‘, beim gemeinsamen Tun entstand, während Ver­
sammlungen sich als weniger produktiv gestalteten. Hier
sind genaues Hinhören und Beobachten vonseiten der
BetreuerInnen ebenso wie Gespräche in kleinerem und grö­
ßerem Rahmen mit Mädchen von großer Bedeutung“ (ebd.,
25). Ein wesentlicher Faktor beim Mädchengarten war und
ist jedoch, dass die Mädchen die Entwicklung und Umset­
zung von Ideen unter sich tun können. „Die Anwesenheit
von Burschen ist meist ein zentraler Faktor dafür, dass
Mädchen sich in eine Warteposition begeben, den Bur­
schen das aktive Handeln überlassen und damit in ein Ver­
harren in altbekannte Raumaneignungsmuster abgedrängt
werden (vgl. Flade/Kustor 1996)“ (ebd., 26). Das Projekt
Mädchengarten geht davon aus, dass „Mädchen aktive
Menschen sind, und dass ihr Verhalten im öffentlichen
Raum ein Spiegel der bestehenden Machtverhältnisse ist“
(ebd., 45).
Gedanken zum Schluss
Werden die typischen Mädchenspiele mit ihrem kleineren
Aktionsradius, ihre eingeschränkten Bewegungsräume, ihre
eher standortgebundenen Spielformen als Defizit gesehen
und das expansive Verhalten der Jungen als Norm? Wie
werden die „raumeingeschränkten“ Mädchen zu „raum­
kompetenten“ Frauen, die typischerweise im Unterschied
zu Männern viel mehr Wege zurücklegen und viel mehr Orte
an einem Tag miteinander verknüpfen müssen (Wohnung,
Erwerbsarbeit, Einkauf, Schule, Kindergarten, Schul­
freundIn) (Löw 2001)? Eine qualitative Untersuchung dar­
über, was Kinder einer Schulklasse im Alter von 9 bis 11
Jahren im Straßenraum und in öffentlichen Freiräumen ler­
nen und welchen Aktionsradius sie nützen, ergab: „Die Jun­
gen verbanden mit dem großräumigen Herumstreunen (...)
fast alle Allein-Sein, nicht selten auch Einsamkeit. Sie
erschlossen sich die öffentlichen Räume der Erwachsenen,
ohne dass sich Handlungen oder Kontakte ergaben. Sie
blieben in der Rolle der Beobachter“ (Ahrend 1997, 208, zit.
nach Löw 2001, 251; Hervorhebung i.O.). Eine Gruppe von
Mädchen dieser Klasse führte eine Sammelaktion für
Schildkröten durch: hier wurde es zur Mutprobe, auf
Fremde zuzugehen, um Geld zu bitten und in Diskussion zu
treten.
Ist mehr Raum mehr Macht? Ja und nein. Jedenfalls muss
die Annahme, dass man in einem größeren Raum auch
mehr lernen kann, ergänzt werden mit der Frage danach,
was gelernt wird.
29
Emotionen und Gefühle
Emotionen und Gefühle
Mädchen und Buben wird bereits von klein auf ein unter­
schiedlicher Zugang und Umgang mit Emotionen und
Gefühlen anerzogen.
Viele Buben beginnen z.B. ab einem Alter von etwa drei
Jahren, sich raumgreifend zu bewegen – und das oft in
einem rauschhaften Gefühl. Natürlich kann wildes und
aggressives Verhalten auch lustvoll sein. Aber kann es nicht
auch darum gehen, durch Inszenierung von Stärke klein
machende Gefühle abzuwehren? Vielleicht haben auch
Erwachsene Probleme damit, Buben als unsicher, beküm­
mert oder verwirrt zu erleben (das passt ja auch gar nicht
zur Männerrolle). Und sehen manche erwachsene Frauen in
Buben nicht auch kleine Männer, vor deren Rücksichtslo­
sigkeit sie kapitulieren, wenn sie deren verbalen und körper­
lichen Machtdemonstrationen nichts entgegensetzen?
Auch der geschlechtstypische Umgang mit Schmerz und
Traurigkeit ist für die Entwicklung von Buben höchst proble­
matisch. „Denn ,sich zusammen reißen‘, statt zu weinen,
bedeutet, nicht zu lernen, Traurigkeit und Schmerz als wich­
tige innere Regungen und körperliche Zeichen ernst zu neh­
men“ (Focks 2002, 76).
Die Jugendforscherin Ingrid Kromer nennt Überlegenheit
und Kontrolle, Nicht-Bezogenheit, Körperferne und Ratio­
nalität als Kennzeichen für die männliche Sozialisation,
Emotionalität und Beziehungsorientierung hingegen als
kennzeichnend für die weibliche Sozialisation (Kromer
1999):
„Das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Anlehnung wird klei­
nen Mädchen von Kindheit an selbstverständlich zugestan­
den und sie lernen daher sehr früh, ihre eigenen Gefühle
wahrzunehmen und auszudrücken (...) sowie sich von ihnen
leiten zu lassen. Das bedeutet auch, dass sie dabei die
Fähigkeit erwerben, Gefühle auch bei anderen wahrzuneh­
men, Anteil zu nehmen und mitfühlend zu sein. Emotiona­
lität ist ein den Frauen von der Gesellschaft zugewiesenes
Prinzip. Denn Beziehungsarbeit/Familienarbeit ist Frauen­
sache und erfordert Sensibilität für Gefühle, Stimmungen
und die Bedürfnislage anderer Menschen und ist auf das
Wohlsein anderer (Kinder, Kranke, Alte und v.a. Männer)
gerichtet. Dabei wird vernachlässigt, Mädchen auch zu
befähigen, wie sie Rationalität und Nüchternheit einsetzen
können, um Gefühle zu klären und zu entwirren, und somit
auch zu einem Gewinn an eigener Handlungsfähigkeit zu
kommen. (...)
30
Beziehungsorientierung: Mädchen lernen (...) sich auf
andere zu beziehen und früh Rücksicht zu nehmen. In ihren
engen Beziehungen zu Bezugspersonen zu Hause und zu
ein oder zwei besten Freundinnen entwickeln sie die Fähig­
keit, Freundschaften und Kontakte zu knüpfen und zu pfle­
gen, sich für Beziehungen einzusetzen, sich um andere zu
sorgen“ (Kromer 1999).
Und was lernen Buben in unserer Gesellschaft auf dem Weg
zum Mann?
„Überlegenheit und Kontrolle: Männer müssen besser
sein, besser als andere Männer, besser in jedem Fall als
Mädchen. Männer verfügen über die Definitionsmacht. (...)
Besser, stärker und machtvoller zu sein heißt aber auch,
Schwachheit, Traurigkeit, Ängstlichkeit nicht zulassen zu
dürfen, eigene Gefühlsregungen zu kontrollieren, ,im Griff‘
zu haben. Weil für Buben die Wahrnehmung und der
Zugang zu ihrer ,Innenseite‘ der Gefühle verschlossen wird,
müssen sie sich nach außen als Mann produzieren. Dafür
gibt es verschiedene Strategien und Lösungsmuster: Lei­
stung mit dem Ziel, immer höhere Rekorde zu schaffen;
Mutproben und Rivalitäten; Abwertung von Frauen, aber
auch allem Nicht-Männlich-Normalen: Homosexualität,
Ausländer,...
Nicht-Bezogenheit: Männliche Beziehungen und Bindun­
gen sind in einer Vielzahl von schlechter Qualität. Es ist ein
früh anerzogenes Muster, dass Männer sich draußen allein
zurecht finden müssen. Dies führt zu Beziehungsmustern,
die mitunter oberflächlich und unverlässlich bleiben. (...)
Das ist auch die Voraussetzung dafür, andere zu benützen,
mit anderen zu konkurrieren, es macht letztlich Gewalthan­
deln leichter.
Mangelnde Beziehungsfähigkeit führt zu mangelndem Ein­
fühlungsvermögen in andere Menschen, aber auch zu einer
schlechten Qualität der Beziehung zu sich selbst. Deutlich
wird das z.B. in Gruppensituationen: Buben fehlt die Kom­
petenz, in der Gruppe ,sie selbst‘ zu bleiben. Wir kennen
das Phänomen: Einzeln ist mit Buben durchaus was anzu­
fangen, aber in der Gruppe sind sie oft nicht wiederzuerken­
nen...
Körperferne und Rationalität: (...) Insgesamt ist es für
[Buben und] Männer oft schwierig, Zugang zu den eigenen
Gefühlen zu bekommen bzw. ihnen Ausdruck zu verleihen,
was nicht selten Stummheit zur Folge hat. Männer/Buben
tun sich schwer, mit anderen darüber zu reden, was sie
innerlich bewegt. Dieses ,Verwehren des eigenen Selbst‘,
diese Unfähigkeit, mit sich selbst in Kontakt zu treten, ist
Emotionen und Gefühle
letztlich eine Voraussetzung dafür, dass nach wie vor tradi­
tionelle Männlichkeitsbilder übernommen und gelebt wer­
den“ (Kromer 1999).
PädagogInnen können sich folgende Fragen stellen (u.a.
aus Herincs/Policzer 2003):
❚ Können Mädchen und Buben ihre Gefühle erkennen,
benennen und akzeptieren?
❚ Werden die Kinder angeregt und unterstützt darin, ihre
Gefühle zu verbalisieren?
❚ Können Mädchen und Buben auf ihre und die Bedürf­
nisse anderer Rücksicht nehmen?
❚ Werden geschlechterstereotype Zuschreibungen ver­
mieden (z.B. Lob in Bezug auf Mut, Tapferkeit und
Stärke an Buben, Verleugnung von Gefühlen und
Schmerz)?
❚ Reflektieren PädagogInnen ihren eigenen Umgang mit
Gefühlen wie Ärger, Wut, Trauer,...?
❚ Verbalisieren auch PädagogInnen ihre Gefühle?
❚ Lernen alle Kinder – Mädchen wie Buben – verschie­
dene Konfliktlösungsansätze kennen?
❚ Können Kinder eine Akzeptanz für Unterschiedlichkeiten
entwickeln?
❚ Können PädagogInnen den Zusammenhang von Kon­
fliktlösungsmustern und Geschlechterrollen erkennen?
31
Sexualität
Sexualität
Für Kinder ab dem Kindergartenalter ist die Beschäftigung
mit ihrem eigenen Körper und ihrer Sexualität nichts Neues.
„Der Wunsch nach Zärtlichkeit, Wohlbefinden, Erregung
und Befriedigung, nach Wissen um körperlich-seelische
Vorgänge und Befindlichkeiten setzt nicht erst mit dem
soundsovielten Lebensjahr ein, sondern ist in unterschied­
lichsten Ausprägungen immer da, wo Babys, Kinder oder
Erwachsene sind“ (Axster/Trabe 2001, 35). Das heißt, jede/r
PädagogIn „trifft auf viele kleine Fachfrauen und -männer.
Das, was wir diesen jungen ,Expertinnen‘ und ,Experten‘ als
Erwachsene anbieten können und sollten, sind Zusatzinfor­
mation, Benennungshilfen und die Stärkung der Intuition
und Gefühle. (...) Die Information, dass die Genitalien,
Geschlechtsteile genau wie alle anderen Körperstellen sich
so oder so oder so anfühlen, ist für Mädchen und Buben
nichts Neues; lediglich die Information über die Bezeich­
nungen und vor allem die Erfahrung, dass darüber öffentlich
geredet werden kann, ist häufig neu“ (ebd., 35ff.).
Es ist für kleine Mädchen sehr schwierig, ein positives und
sicheres Körpergefühl zu entwickeln, wenn sie keine (oder
negativ besetzte) Bezeichnungen für ihr Genital bekommen
und oft keine Vorstellungen von ihrem Körperinneren ent­
wickeln können. Wie unterschiedlich dazu stellt sich die
Entwicklung des Körperbildes bei Buben dar – gerade weil
deren Genitalien für sie und alle sichtbar mit einer Reihe von
(meist liebevollen und bewundernden) Namen belegt sind
(Rendtorff 1997).
„Es gibt kein Patentrezept für Sexualerziehung, für Aufklä­
rung und das Reden über den eigenen Körper. Am besten
geht sicher immer ein Weg, der zu einer/einem selbst passt,
wobei es immer wieder erstaunlich ist, was auch wir
Erwachsenen selber immer noch Neues erfahren können im
Austausch mit Kindern. Immer wieder überraschen Fragen
nach etwas, was eine/r selbst sich noch nie so überlegt hat.
Und vielleicht auch keine direkte Antwort darauf weiß. (...)
32
Kinder, die gelernt haben, dass sie über ihre Gefühle und
ihren Körper, über das, was sie mögen und nicht mögen,
sprechen können, sind weniger häufig von sexuellem Miss­
brauch betroffen als Kinder, die gelernt haben, dass über
,das da unten‘ nicht geredet werden darf. Sie haben keine
Begriffe für das, was da berührt wird, für das, was verwir­
rend ist, für die Gefühle dazu.
Wenn Mädchen und Buben ihre Körper und die Empfindun­
gen und Gefühle, die der Körper auslöst, benennen und
erleben dürfen, haben sie ein großes Spektrum an Empfin­
dungs- und Handlungsmöglichkeiten. Wir Erwachsenen
können ihnen helfen, diese zu erschließen und zu genießen.
(...)
Berührungen, Körper, Sexualität,... sind besprechbar. Die
eine wird Fragen zu Aids beantworten, die andere wird Wert
drauf legen, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln,
dass Onanieren/Masturbieren schöne Gefühle macht und
etwas ist, das eine/r mit sich allein genießen kann, ein ande­
rer wird das Sperma-„Wettrennen“ zum Ei anschaulich dar­
stellen und wieder ein anderer wird lieber darüber sprechen
wollen und können, dass es die verschiedensten Arten von
Familien und Liebespaaren gibt. Hilfreich ist immer die
Reflexion der eigenen Gewohnheiten, Vorlieben und Tabus.
Und auch der eigenen Grenzen“ (Axster/Trabe 2001, 37f.).
Sexualerziehung umfasst Körperentdeckung, Gefühlswahr­
nehmung, Sinnesschulung, Ich-Stärkung, Selbstbewusst­
sein, Körperlichkeit und Nähe, unbeobachtetes Experimen­
tieren.
Zu empfehlen für die Arbeit mit Kindergarten- und Volks­
schulkindern sind sexualpädagogische Angebote wie
zum Beispiel die Homepage von Dagmar Kasüschke:
www.maedchen-jungen.de, die Homepage des Wiener
Vereins Selbstlaut (siehe Anhang) und der Artikel von Lilly
Axster und Angelika Trabe (2001).
Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher
Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher
(Bilder-)Bücher zeigen Kindern Alltägliches, Bekanntes –
oder aber neue, spannende Möglichkeiten. Bilderbücher
werden wieder und wieder angesehen, oft gemeinsam mit
einer vertrauten Person, die vorliest, erklärt, Fragen beant­
wortet. Worte und Verse prägen sich ein, Bilder werden Vor­
bilder, in den Köpfen entstehen Lebensmuster. Christine
Nöstlinger sagt: „Kinderbücher müssen Hoffnung transpor­
tieren.“
Bücher sollen die Wirklichkeit zeigen, aber welche Wirklich­
keit? Die Wirklichkeit hat viele Gesichter; es macht Sinn,
ermutigende Seiten der Wirklichkeit abzubilden, zu sagen:
„So geht es auch!“; nicht die schöne heile Welt, sondern
den konstruktiven Umgang mit den angenehmen und unan­
genehmen Seiten des Lebens.
(Bilder-)Bücher sind ein wesentliches Medium, um die Ziele
geschlechtssensibler Pädagogik erreichen zu können.
Zur Auswahl mädchen- und bubenfreundlicher Bilderund Kinderbücher eignet sich folgende Kriterienliste (vgl.
Seifried 1996 und 2001):
Darstellung
❚ Wie viele Mädchen, wie viele Buben sind auf den Bildern
zu sehen?
❚ Wer hält sich vor allem zu Hause auf, wer auf der
Straße? Wer in geschützten Räumen, wer in offenen,
gefährlichen Situationen?
❚ Wie ist ihre Kleidung? Z.B. bei Mädchen hinderlich bei
Aktivitäten?
❚ In Gruppenszenen: Wie viele Personen sind weiblich,
wie viele männlich?
❚ Wie sehen die Mädchen und Frauen aus: Sind sie auch
wütend oder schmutzig?
❚ Wie sehen die Buben und Männer aus: Sind sie auch
verunsichert oder traurig?
Handlung
❚ Wer ist im Mittelpunkt des Geschehens, männliche oder
weibliche Wesen?
❚ Wer spielt Nebenrollen?
❚ Welche Eigenschaften haben die dargestellten Mäd­
chen/Frauen, welche die Buben/Männer? Einfühlsam –
kreativ – eigensinnig – mutig – schüchtern – witzig –
geschickt – liebevoll – zärtlich – phantasievoll – wild...
❚ Werden Schwächen/Stärken bei Mädchen und Buben
gleichermaßen aufgezeigt und bewertet?
❚ Ist es „normal“, dass das Mädchen aktiv oder der Bub
passiv ist, oder bekleiden die Kinder damit eine Außen­
seiterInnenposition?
❚ Welche Gefühle haben die Kinder in der Handlung?
Z.B.: ängstlich – mutig – traurig – zornig...
❚ Dürfen Mädchen wütend sein, sind sie auch waghalsig,
erfinderisch und vorlaut?
❚ Wie wird der Umgang von Mädchen miteinander darge­
stellt? Z.B. in Hinblick auf Solidarität und Kritikfähigkeit?
❚ Was spielen, arbeiten, machen Buben, was Mädchen?
Und wo spielen, arbeiten und beschäftigen sie sich?
❚ Mit welchem Spielzeug werden Mädchen und Buben
dargestellt? Sind Mädchen interessiert und sachkun­
dig?
❚ Wer hat Ideen, von wem gehen Initiativen aus und wer
setzt sich durch?
❚ Sind weibliche und männliche Figuren gleichermaßen
sach- und lebewesenbezogen dargestellt?
❚ In welchem persönlichen Bezugsrahmen stehen weib­
liche und männliche Gestalten?
❚ Sind sie allein oder hauptsächlich in Begleitung?
❚ Sind Mädchen und Buben gleichermaßen in gleichge­
schlechtlicher und andersgeschlechtlicher Begleitung?
❚ Erscheinen weibliche und männliche Gestalten gleicher­
maßen als Persönlichkeiten?
❚ Bei Bilderbüchern mit sexualkundlichem Aspekt: Wer­
den weibliche und männliche Geschlechtsorgane glei­
chermaßen offen und positiv dargestellt?
❚ Bedeutet dieses Bilderbuch für Mädchen eine Ermuti­
gung?
❚ Erleichtert es Buben den Abschied vom ewigen Helden?
❚ Werden Mädchen und Buben ermutigt, ihren Weg bzw.
neue Wege zu gehen?
❚ Werden Formen des Widerstandes gegen Übergriffe
angeführt und positiv bewertet?
❚ Wird Freundschaft zwischen Mädchen gleichwertig
gezeigt wie die zwischen Buben und zwischen Mädchen
und Buben?
Erwachsene
❚ Welche Familienformen und sonstigen Formen des
Zusammenlebens werden dargestellt?
❚ Wird die Beziehungsarbeit in der Familie und zu anderen
Personen thematisiert?
33
Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher
❚
Welche Berufe werden von welchen Personen ausge­
führt?
❚ Werden Frauen nicht nur als Hausfrauen gezeigt, son­
dern mit Beruf und eigenen Freizeitaktivitäten?
❚ Gibt es Frauenbilder, die Mut machen können, die ver­
mitteln: Erwachsenwerden lohnt sich?
❚ Wer erledigt die Hausarbeit?
❚ Kümmern sich Frauen und Männer um die Kinder?
❚ Sind die Buchmänner bereit, neue Verhaltensweisen zu
lernen?
❚ Wie gehen Männer mit Autorität und Macht um?
❚ Wer trifft Entscheidungen über Anschaffungen, Ausga­
ben, Investitionen?
❚ Wer verdient, wer besitzt? Werden bei unterschiedlichen
Besitz- und Entscheidungsverhältnissen oder Hand­
lungsspielräumen die Gründe dafür kritisch hinterfragt?
❚ Sind „böse“ Figuren männlich und/oder weiblich?
Tierdarstellungen
❚ Welche männlichen Tiere und welche weiblichen Tiere
sind dargestellt? Schaf, Kuh, Schwein – Pferd, Hund,
Löwe. Welche Rolle übernehmen diese Tiere?
Schulbücher bilden zwar nur einen Teilbereich der schuli­
schen Sozialisation, sie können aber maßgeblich dazu bei­
tragen, Mädchen und Buben rollenerweiternde Identifikati­
onsmöglichkeiten zu bieten oder aber Geschlechterrollen
verfestigen. Schließlich vermitteln Schulbücher nicht nur
fachliches Wissen (z.B. wie multipliziert wird, wie viele Bun­
desländer Österreich hat, wie Wörter richtig geschrieben
werden,...), sondern es werden explizit oder implizit auch
Aussagen über die Geschlechter getroffen. Durch Rechnun­
gen wie: „Mutter strickt den Buben Fußballerschals. Peters
Schal ist 100cm lang, Antons Schal 82cm. Wie groß ist der
Unterschied?“ bzw. durch Abbildungen, auf denen
kochende Frauen oder sportliche Buben zu sehen sind,
werden auch Rollenklischees vermittelt. Der so genannte
„heimliche Lehrplan“ der Geschlechtererziehung lässt sich
auch in Schulbüchern ausmachen, in dem SchülerInnen so
nebenbei einiges über Geschlechterverhältnisse lernen.
34
Analysekriterien für Schulbücher können sein:
❚ Wie oft kommen Mädchen/Frauen im Vergleich zu
Buben/Männern in Text und Bild vor?
❚ Werden Mädchen/Frauen sprachlich sichtbar gemacht?
❚ Wie oft werden Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer
bei welchen Tätigkeiten dargestellt: wer übt welche Frei­
zeitaktivitäten aus, wer hat welche Berufe und berufli­
chen Positionen inne, wer ist für den Bereich Haushalt,
Beziehungen, für das Schaffen einer angenehmen
Atmosphäre,... zuständig, wer gibt wofür Geld aus, wie
viel (Innen- und Außen-)Raum wird wem zugestanden,
wer übt welche politischen Funktionen aus?
❚ Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen werden
Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer zugeordnet
(ruhig, stark, brav, durchsetzungsfähig, fürsorglich, wild,
erfolgreich, hilflos, wütend, lieb,...)?
❚ Werden unterschiedliche Lebens- und Wohnformen
(Klein-, Großfamilie, AlleinerzieherInnen, Wohngemein­
schaften, gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaf­
ten,...) dargestellt?
❚ Wenn es um Erfindungen, Kunstwerke, historische Per­
sönlichkeiten, das Leben zu anderen Zeiten oder in
anderen Kulturen geht,...: werden ausschließlich Lei­
stungen von Männern sichtbar gemacht oder werden
auch Frauen und ihre Leistungen dargestellt?
❚ Werden auch Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer ver­
schiedener Kulturen, die in Österreich leben, sichtbar
gemacht?
❚ Werden geschlechtsspezifische Ungleichheiten und
Benachteiligungen aufgezeigt sowie deren Ursachen
thematisiert? Z.B. Lohn- und Gehaltsunterschiede,
unbezahlte Hausarbeit – bezahlte Erwerbsarbeit, Mehr­
fachbelastung von Frauen, geringer Prozentsatz an
Alleinerziehern und Männern in Karenz,...
Sprache
Sprache
Verbrüderung, Weihnachtsmann, Kaufmannsladen, „seinen
Mann stehen“, Schülerausweis,...
Krankenschwester, Puppenmutti, Heulsuse, Zimperliese,...
Trotz des bestehenden Gleichheitsgrundsatzes ist auch
unsere sprachliche Welt eine zweigeteilte – Frauen­
welt/Männerwelt. Sprache bildet einerseits die Wirklichkeit
ab, schafft andererseits aber auch Realitäten – und damit
unter Umständen Ungleichheiten.
In der Sprache kommen gesellschaftliche Norm- und Wert­
vorstellungen sowie Machtprinzipien zum Ausdruck. Was in
einer Sprache nicht benannt wird, wofür es keine Aus­
drücke gibt, das hat auch keine Funktion in der Gesell­
schaft, und damit keinen gesellschaftlichen Wert. Das gibt
es eben nicht. Was für gesellschaftlich relevant erachtet
wird, findet Ausdruck, was als unwichtig oder nebensäch­
lich gilt, wird sich auch sprachlich nicht niederschlagen
oder aber mit abwertenden Begriffen belegt.
Frauen werden oft in Abhängigkeit von männlichen Begriff­
lichkeiten sprachlich gefasst. Gerade das „Fräulein“, zu
dem es keine männliche Entsprechung gibt, dokumentiert
die jahrhundertelange Bestimmung von Frauen: erst über
die Heirat mit einem Mann erhält es ein Geschlecht und
wird zur Frau.
Der direkte Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft
spielt eine ganz grundlegende Rolle in der Erziehung. Denn
in der Erziehung wird vor allem über die Sprache die Reali­
tät der Gesellschaft und der Kultur, in der Kinder aufwach­
sen, vermittelt.
Es ist für jede Person essentiell wichtig, von anderen Perso­
nen wahrgenommen, beachtet und in der eigenen Identität
bestätigt zu werden: Identifiziert werden ist die Vorausset­
zung zur Gewinnung einer Identität. Identität wiederum ist
die Voraussetzung für psychisches, soziales, wenn nicht
sogar biologisches Überleben. Wir sind irritiert, wenn wir
von Leuten, die uns persönlich kennen, mit falschem
Namen angesprochen werden; wir ertragen es schwer,
wenn das ärztliche oder pflegende Personal im Kranken­
haus über uns als „die gebrochene Zehe auf Zimmer 7“
oder „die beidseitige Lymphdrüsenentzündung“ spricht.
„Machen Sie die Probe aufs Exempel: Bezeichnen Sie einen
Mann als Verkäuferin, Hausfrau, Fachfrau, Beamtin, Ärztin –
und beobachten Sie seine Reaktion. Männer wehren sich
dagegen, mit einem Femininum bezeichnet zu werden,
denn Wörter und Wendungen mit weiblichen Konnotationen
oder Begleitvorstellungen bedeuten Herabsetzung, Wert­
minderung. An diesem Sachverhalt – dem Betroffensein
durch falsches Benanntwerden – kann deutlich gemacht
werden, welche Erfahrungen Frauen mit der Sprache und
durch die Sprache machen: die Erfahrung von Diskriminie­
rung“ (Merz 2001, 139). Doch ist es immer noch schwierig,
den herkömmlichen üblichen Sprachgebrauch als diskrimi­
nierend zu erkennen. „Wir alle haben von Anfang an ,Män­
nerdeutsch‘ (Männer-Französisch usw.) gehört, gelernt und
verinnerlicht. Mütter und Väter, Nachbarinnen, Nachbarn,
KindergärtnerInnen usw. sprechen in der Regel Männerdeutsch. Eine sexismusfreie Sprache käme uns merkwürdig
vor; wir haben sie nie kennengelernt“ (Rusterholtz, zit. nach
Merz 2001, 137).
Machen Sie einen Test: Lassen Sie Ihre Schülerinnen und
Schüler einmal eine Gruppe von Bauern, Lehrern, Tischlern,
Bürgermeistern zeichnen und schauen Sie sich die Ergeb­
nisse an. Wäre das Ergebnis das gleiche gewesen, wenn
die Aufgabe „Zeichnet eine Gruppe von Bäuerinnen und
Bauern, Lehrerinnen und Lehrern bzw. Tischlerinnen und
Tischlern“ gelautet hätte?
Checkliste für eine nicht-diskriminierende Sprache
(vgl. „1 + 1“ 1995, Seifried 2001, Gretel 2001, Frau 2001):
❚ Lösen Sie sich von der verbreiteten Behauptung, die
Schülerinnen seien bei den Schülern stets „mitgemeint“.
❚ Sprechen Sie – wenn beide Geschlechter gemeint sind
– von Schülerinnen und Schülern.
❚ Nennen Sie häufig die Schülerinnen an erster Stelle.
❚ Verwenden Sie weibliche Personenbezeichnungen:
Zahnärztin, Teilnehmerin, Abteilungsvorständin, Siegerin
❚ Ersetzen Sie das geläufige Pronomen „jeder, der“ durch
„alle, die“, oder sagen Sie „jede und jeder“,
„geschlechtsneutral“ kann das Pronomen „jeder“ näm­
lich nicht verwendet werden!
❚ Ebenso bei: „jemand, niemand, einer, keiner, man,...“
Nehmen Sie gesplittet darauf Bezug: „Niemand, der
oder die schon einmal im Gefängnis gesessen ist, kann
das behaupten. Jede und jeder von euch wird das Pro­
blem kennen.“ Vermeiden Sie diese Fürwörter durch
Passivkonstruktion, direkte Anrede, oder ersetzen sie
sie durch wir oder ich, konkreteres Formulieren.
❚ Setzen Sie sich über „festgeschriebene“ Grammatikre­
geln hinweg, denn es gibt keinen Grund, falsche, aber
„grammatikalisch richtig“ befundene Sätze endlos zu
reproduzieren.
❚ „Es“ ist geschlechtslos. Von einem Mädchen als „es“ zu
sprechen, gilt als überholt.
35
Lieder, Sprüche, Reime | Feste und Feiern
❚ Achten Sie auf Konsequenz: statt: Mitarbeitergespräche
➔ Beurteilungsgespräch, Qualifikationsgespräch, Mitar­
beiterinnen- und Mitarbeitergespräch, statt: Fußgängerstreifen ➔ Zebrastreifen
❚ Vermeiden Sie diskriminierende geschlechtlich konno­
tierte Bezeichnungen bzw. Aussagen (z.B. Heulsuse,
Karrierefrau, Pantoffelheld, „Ein Mädchen tut das
nicht!“,...)
❚ Verzichten Sie auf ausschließlich Buben/Männer
bezeichnende Worte (Mannschaft, Fahrgast, Weih­
nachtsmann, Hampelmann, Stehauf-Männchen, Kauf­
mannsladen,...).
❚ Verwenden Sie positive Identifikationsmöglichkeiten für
Buben und Mädchen (Puppenpapa, Torfrau,...)
❚ Vermeiden Sie sexistische Sprache (statt Hausfrauen­
pflicht: Hausarbeit; das schwache Geschlecht: das
weibliche Geschlecht; Karrierefrau: erfolgreiche Frau)
Verwenden Sie die zahlreichen Möglichkeiten, geschlech­
tergerecht zu formulieren, indem Sie
❚ weibliche und männliche Formen nennen (Wir suchen
noch eine Schülerin oder einen Schüler für den Biblio­
theksdienst.).
❚ die Schrägstrichschreibung verwenden (Unsere Schule
besuchen 745 Schüler/innen.).
❚ das Binnen-I verwenden (Alle LehrerInnen treffen sich
morgen ab 14 Uhr zu einer Planungssitzung.).
❚ geschlechtsneutrale Formulierungen verwenden (Die
Zahl der Teilnehmenden ist im Vergleich zum Vorjahr
gestiegen. Die Direktion ist für die Durchführung verant­
wortlich. Wer raucht, hat eine kürzere Lebenserwar­
tung.); Achtung: Es besteht die Gefahr der Verschleie­
rung: „Die Angestellten haben ein Durchschnittsgehalt
von...“ verschleiert die geschlechtsspezifischen Ge­
haltsunterschiede.
❚ auf Kongruenz achten (die Gemeinde Wien ist die größte
Trägerin von Kindertagesheimen; die Schule als Arbeit­
geberin).
(vgl.: bm:bwk: Formulieren 2002)
Weitere Vorschläge, um das Kommunikationsverhalten zwi­
schen BetreuerInnen und Mädchen und Buben zu analysie­
ren (Orner u.a. 2003, 50):
❚ Wie spreche ich mit Mädchen und Buben? Spreche ich
mit Mädchen in einem anderen Tonfall als mit Buben –
„lieblich“, eher sachlich?
❚ Wer spricht mehr und öfter? Buben? Mädchen? Wessen
Reden bekommen mehr Raum innerhalb der Gruppe?
Lieder, Sprüche, Reime
Zusätzlich zu den Kriterien für (Bilder-)Bücher und nicht dis­
kriminierende Sprache (siehe oben) der wichtigste Hinweis:
❚ Verzichten Sie auf diskriminierende Reime und Lieder
(Nudeldicke Dirn, Dickmadam,...)!
❚ Ersetzen Sie Personenbezeichnungen durch den
Namen des Kindes (statt: „Steigt ein Büblein auf den
Baum“ – „Steigt die Pia auf den Baum“)
❚ Verwenden Sie die neutrale Bezeichnung „Kind“: z.B.
„fünf Kinder sind in den Wald gegangen“
❚ Verwenden Sie dem handelnden Kind entsprechend:
„die Hampelfrau“, „Wasserfrau mit welcher Farbe...“
(Herincs/Policzer 2003)
Feste und Feiern
Bei vielen traditionellen österreichischen Festen im Jahreslauf stehen Männer im Mittelpunkt: Weihnachten, Hl. Martin,
Nikolaus,... Hier gilt es ein Gegengewicht zu schaffen, neue
„Frauenfeste“ zu schaffen – z.b. die „Weihnachtsfrau“ – und
Frauenfiguren aus dem überlieferten Brauchtum ins Zen­
36
trum der Aufmerksamkeit zu rücken: die Hl. Barbara, Lucia,
die Percht und andere weibliche Sagengestalten sollen in
die Festgestaltung integriert werden. Informationen und
Anregungen finden Sie bei Herincs/Policzer (2003) und im
Link-Verzeichnis im Anhang der Broschüre.
Lesen
Lesen
Seit der internationalen PISA-Studie 2000 wissen wir, dass
Mädchen nicht nur anders und anderes, sondern auch bes­
ser lesen als Jungen – und zwar in allen 32 von der OECD
getesteten Staaten. Ausschlaggebend dafür dürfte sein,
dass der schulische Schriftspracherwerb und insgesamt
der Deutschunterricht in seinem Angebot an Texten, Aufga­
ben und Themen eindeutig die Interessen der Mädchen
bevorzugt (vgl. Richter 1996).
„Im Lesen ist der Leistungsvorsprung der Mädchen bei
kontinuierlichen Texten (Erzählungen, Argumentationen,
Darlegungen) besonders ausgeprägt, während bei nicht­
kontinuierlichen Texten (Formularen, Anzeigen, Tabellen,
Grafiken) sehr viel geringere Geschlechtsunterschiede zu
verzeichnen sind. Auch im Hinblick auf die Anforderungen
an den Umgang mit Texten zeigen sich spezifische Unter­
schiede: Im Vergleich zu Mädchen bereitet es Jungen deut­
lich größere Schwierigkeiten, Texte und ihre Merkmale kri­
tisch zu reflektieren und zu bewerten“ (Bericht 2001).
Allgemein kann in pädagogischen Kontexten davon ausge­
gangen werden, dass die inhaltliche Bedeutsamkeit, die
dem Lernmaterial subjektiv beigemessen wird von ent­
scheidender Bedeutung für die Lernergebnisse ist. Die
Geschlechterdifferenzen wären demnach auszugleichen
oder wenigstens zu verringern, wenn die Interessen der
Jungen im Lernmaterial stärker berücksichtigt würden. Das
bedeutet für die pädagogische Praxis, von den Interessen
jedes einzelnen Kindes auszugehen. „Ein solcher Unterricht
kann sich nicht nur an einem Lernwerk für alle orientieren,
sondern er muss Raum lassen für die Interessen der Kinder
– beim Lesen, beim Schreiben freier Texte und auch beim
systematischen Rechtschreibunterricht“ (Richter 1998, 14;
vgl. auch Richter 2001).
Empfehlungen für den Leseunterricht – Mädchen und
Buben zum Lesen anstiften
❚ akzeptieren, dass Mädchen und Buben anders und
anderes lesen
❚ sich als PädagogIn für die Lektüren von Buben und
Mädchen interessieren und diese gleichwertig gelten
lassen
❚ Identifikationsfiguren für Mädchen und Buben bieten
beim Vorlesen (als Lese- und Hörvergnügen)
❚ moralisieren vermeiden
❚ verschiedene Zugänge zum Lesen schaffen, z.B. über
– Zeitschriften
– verschiedene Buchtypen: Comic, Sachbuch, Abenteuer- oder Fantasieroman
– Bekanntes und Neues
– Hörkassetten, Hörbücher
– elektronische Medien – Internet, CD-ROMs
❚ freie, individuelle Wahl der Lektüre ermöglichen, auf
breites Angebot achten
❚ während des Unterrichts längere individuelle, freie Lese­
zeiten anbieten
❚ über Gelesenes reden:
– Mädchen und Buben erzählen einander, was sie
lesen
– Leseweisen, Eindrücke und Meinungen austauschen,
andere Haltungen kennen lernen
– Lektüren gegenseitig empfehlen, einander zum
Lesen animieren
(Garbe 2004, 12)
37
Arbeit – Berufsorientierung – Lebensplanung
Arbeit – Berufsorientierung –
Lebensplanung
Was ist/macht Arbeit? Hausarbeit!
„Hausarbeit ist nicht ihrem Wesen nach ,Frauenarbeit‘;
Waschen und Putzen bedeuten für eine Frau nicht mehr Erfül­
lung und nicht weniger Erschöpfung als für einen Mann. Sie
sind soziale Dienstleistungen, denn sie dienen der Reproduk­
tion der Arbeitskraft“ (Dalla Costa 1973, 31f., zit. nach Lorber
1999, 251).
Gerade am Beispiel der Hausarbeit zeigt sich die traditionelle
Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern und deren
ungleiche gesellschaftliche Bewertung. Soziale Kompeten­
zen, Fürsorge, Beziehungsarbeit, Sich-Kümmern um das
Wohlergehen anderer (Menschen, Tiere, Pflanzen), Verantwor­
tung für Reproduktionsarbeiten übernehmen, Zeitmanage­
ment, Waschen, Bügeln, Kehren, Kochen und Ernährung,...:
All das sind Qualifikationen für Hausarbeit, welche die mei­
sten Mädchen wie „selbstverständlich“ erlernen und in Kin­
dergarten und Schule mitbringen, die meisten Buben jedoch
nicht. Männliche Sozialisation muss in ihrer Hausarbeitsferne
als defizitär bezeichnet werden. Im Sinne einer Erziehung zur
Gleichberechtigung müssen diese Fähigkeitsbereiche aufge­
wertet und auch Buben das Einüben in diese Tätigkeiten
ermöglicht und abverlangt werden. „Hausarbeitsdidaktik für
Jungen“, wie sie u.a. von der deutschen Schulforscherin
Astrid Kaiser entwickelt wurde (Kaiser 1997), ist ein Bestand­
teil einer umfassenden sozialen Jungenförderung.
Die Wertschätzung der Hausarbeit in unserer Gesellschaft
spiegelt sich bereits in der Einschätzung von Kindergartenkin­
dern wider: „Meine Mama arbeitet nicht, sie ist Hausfrau“. Der
Arbeitsbegriff in seiner herkömmlichen Verständnisweise trägt
dazu bei, Hierarchien zu erhalten. Die Einschränkung auf
außerhäusliche Erwerbsarbeit soll im Bewusstsein der Päd­
agogInnen und in der Bearbeitung mit den Kindern differen­
ziert und ausgeweitet werden auf die vielfältigen Formen der
gesellschaftlich notwendigen Arbeiten, wozu auch unbezahlte
Versorgungs- und Beziehungsarbeit, ehrenamtliche Tätigkei­
ten usw. zählen. Ein anschauliches Praxisbeispiel des Kinder­
gartenprojekts „Buben und Hausarbeit“ ist nachzulesen bei
Oberauer (2001).
Berufsorientierung
Weiters ist festzustellen, dass Mädchen und Buben oft kaum
Vorstellungen von Berufen haben. Häufig sind ihnen schon
38
die beruflichen Tätigkeiten der Eltern, die außer Haus gesche­
hen, unklar. Auch deshalb könnte – neben den bereits oben
beschriebenen Notwendigkeiten – der Einstieg ins Thema
Arbeit und Berufe über das Arbeitsfeld Hausarbeit erfolgen.
Schließlich ist diese allen Kindern mehr oder weniger aus
eigenen Erfahrungen und eigenem Erleben vertraut. Darauf
aufbauend können die – bereits bestehenden – beruflichen
Vorbilder der Mädchen und Buben mit neuen, auch untypi­
schen Vorstellungen und Visionen erweitert werden. Zahlrei­
che Praxisanregungen finden sich in Gehring/Marbot (1999)
(z.B. „Berufe raten“, „Traumberufe“, Exkursionen, BerufeQuartett, Geschichten)! Für Schulkinder eignet sich gut das
„Lexikon bedeutender Frauen und ungewöhnlicher Männer“
(Spitta/Vach 2002), das Identifikationsangebote abseits von
stereotypen Rollenmustern bietet.
Lebensplanung
Langfristig kann sich die geschlechtsspezifisch geteilte
Arbeitswelt nur verändern, wenn einerseits Mädchen ein
erweitertes Berufswahlspektrum aktiv nützen, andererseits
Buben bzw. Männer ihre Verantwortung für gesellschaftlich
relevante Beziehungs-, Versorgungs- und Betreuungsarbeit
wahrnehmen und übernehmen. Insofern ist es gerade für
Buben bereits ab dem Kindergartenalter wichtig, eine ent­
sprechende Vorstellung von ihrem späteren Leben als
Erwachsener zu entwickeln, die nicht ausschließlich von
Erwerbsarbeit bestimmt ist – „ungewöhnlich“ eben (siehe
Spitta/Vach 2002).
Leitfragen zum Thema Arbeit
❚ Werden Mädchen ermuntert, verantwortliche Positionen
zu übernehmen, werden sie bestärkt darin Entscheidun­
gen zu treffen und ihre eigenen Interessen zu vertreten?
❚ Können Mädchen eine befriedigende Vorstellung als
berufstätige Frau entwickeln?
❚ Wird Buben die Verantwortung für Reproduktionsarbeit
nahegebracht und werden ihnen die diesbezüglichen
Kenntnisse und Fertigkeiten beigebracht?
❚ Werden Buben in hauswirtschaftlichen Belangen gefördert?
❚ Wird Erziehung als Männer- und Frauenarbeit gesehen?
❚ Wird geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bewusst
gemacht?
❚ Werden Mädchen und Buben für eine ausgewogene
Aufteilung beruflicher, familiärer und gesellschaftlicher
Pflichten zwischen Männern und Frauen sensibilisiert?
Technik in Kindergarten und Volksschule
Technik in Kindergarten und Volksschule
„Kennzeichnend bereits in den ersten Lebensjahren ist –
sowohl für Mädchen als auch für Jungen – der Drang die
eigene Umwelt zu entdecken, zu erforschen und zu verste­
hen. Wenn ein zehn Monate altes Baby alles in den Mund
steckt, dann forscht es. (...) Wenn ein 15monatiges Kind
immer wieder die Rassel aus dem Kinderwagen wirft und ihr
hinterher blickt, dann erprobt es die ersten physikalischen
Grundgesetze (Fallgesetz – Schwerkraft). Und da macht es
keinen Unterschied, ob Mädchen oder Junge. Das Start­
kapital für ein technisches oder – umfassender formuliert –
für ein naturwissenschaftliches Vermögen ist bei Mädchen
und Jungen gleichermaßen angelegt“ (www.maedchen­
jungen.de). So formuliert es die deutsche Pädagogin Dag­
mar Kasüschke, auf deren Homepage (ebd.) viele PraxisAnregungen für forschendes Lernen zu finden sind.
Wenn ein dreijähriges Kind mit dem Dreiradler über die
Wiese des Kindergartens saust, „lernt“ es nicht nur spiele­
risch den spezifischen Umgang mit Wagnis, Mut und
Risiko; bei dieser Beschäftigung werden noch dazu am
eigenen Körper grundlegende physikalische Erfahrungen
(beim Kurvenfahren) erlebt. Sind solche Erfahrungen Mäd­
chen und Buben gleichermaßen möglich?
Untersuchungen über Erwartungshaltungen von SchülerIn­
nen und LehrerInnen der Grundschule zeigen deutliche
geschlechtsspezifische Unterschiede (vgl. Thies/Röhner
2000)!
„Mädchen definieren sich im Spiegel der männlichen Ter­
rainbesetzung bereits vorab als nicht kompetent und wer­
den in ihrer Einschätzung durch die Lehrerin bestätigt“
(ebd., 176). „Die beobachteten Mädchen unterschätzen ihre
technische Kompetenz zugunsten einer ,Ich-kann-nichtHaltung‘ (...). Dagegen finden die beobachteten Jungen in
ihrer Arbeit Selbstbestätigung“ (ebd., 138f.). Dies bedeutet,
dass Kompetenzdifferenzierungen zwischen den Ge­
schlechtern maßgeblich durch die Interaktionen mit Päd­
agogInnen entstehen bzw. verstärkt werden. Die Folge die­
ser subtil wirkenden stereotypisierenden Mechanismen ist
bezogen auf Naturwissenschaften und Technik eine Dequa­
lifizierung der Mädchen. „Mädchen und Jungen (...), die den
Zuschreibungen nicht entsprechen (...) werden in der Ent­
wicklung geschlechtsuntypischer Interessen, Begabungen
und Fähigkeiten beeinträchtigt, da Erwartungen Leistungen
und Verhalten mitbestimmen“ (ebd., 147).
Um die Voraussetzungen in Ihrer Einrichtung zu überprüfen,
können Sie sich folgende Fragen stellen:
❚ Können alle Kinder – Mädchen wie Buben – handwerk­
liche, technische, naturwissenschaftliche Kompetenzen
entwickeln?
❚ Wie ist das gewährleistet?
❚ Wie wird dieses Ziel individuell überprüft?
❚ Wie sieht die chemische, physikalische, mathematische
Frühförderung aus (z.B. Experimentieren, Lego-Bauen,
...)? In einigen Kindertageseinrichtungen haben sich z.B.
extra Mädchen-Lego-Kisten und Buben-Lego-Kisten
bewährt (vgl. Schwager Schütter 1993, Orner u.a. 2003)
❚ Wird Mädchen und Buben ermöglicht, ganzheitliche
Erfahrungen von naturwissenschaftlichen Phänomenen
zu machen, z.B. Körpererlebnisse auf der schiefen
Ebene, bei Geschwindigkeit, Beschleunigung, Flieh­
kraft,..?
❚ Wird den Kindern vermittelt, dass Mathematik und
Naturwissenschaften einen großen Platz auch im tägli­
chen Leben, im Haushalt einnehmen?
❚ Werden vor allem Mädchen unterstützt, ihr Berufsspek­
trum auf den Bereich Technik/Naturwissenschaften zu
erweitern?
❚ Können alle Kinder – Mädchen wie Buben – gleicherma­
ßen praktische Erfahrungen mit Werkzeugen (Hammer,
Säge, Schraubenzieher, Nägel, Feile, ...) und verschie­
denen Werkmaterialien (Holz, Metall, Ytong,...) machen?
❚ Wie wird das gewährleistet?
❚ Ist das Werkzeug frei zugänglich?
❚ Welches Vorbild bietet die erwachsene Pädagogin im
Umgang mit Technik (Anwendung, Werkzeug, Experi­
mentieren, Neugierde,...)?
39
Naturwissenschaftlicher Sachunterricht (nicht nur) in der Volksschule | Computer
Naturwissenschaftlicher Sachunter­
richt (nicht nur) in der Volksschule
Um die herkömmliche Konnotation von Naturwissenschaf­
ten und Männlichkeit zu vermeiden, sollten folgende didak­
tische Prinzipien für geschlechtergerechten Sachunterricht
berücksichtigt werden (vgl. Wyatt 1996):
❚ „Die Motivation für die Versuche entstammen dem All­
tag: Tiere beobachten, Kochen, Zaubertricks vorführen,
Kleidung finden,...
❚ Die Versuche sind nicht mit teuren und abschreckenden
Apparaturen durchzuführen, sondern mit Witz, Bleistift,
Papier, Backpulver, Alufolie, Zitrone und anderen einfa­
chen Mitteln.
❚ Erstaunliche Probleme, die Lust zum Nachdenken
machen, stehen im Mittelpunkt.
❚ Naturwissenschaft wird als lebensnah und nicht in Form
abgehobener Formeln präsentiert.
❚ Die Versuche sind einfach und phantastisch, so dass sie
zum Machen unmittelbar animieren.
❚ Die Sprache entstammt dem Alltag von Mädchen und
spricht sie an.
❚ In Geschichten und Bildern werden echte weibliche
Modelle vorstellt, Wissenschafterinnen, die tatsächlich
als Jaguarforscherin oder Sternentdeckerin Berühmtheit
gewonnen haben und den Mädchen zeigen: Frauen
können es in diesen Gebieten weit bringen und span­
nende Aufgaben bekommen“ (Kaiser u.a. 2003, 139).
Eine Sammlung von Praxisbeispielen, die diesen Kriterien
entsprechen, findet sich im ansprechenden Buch „Wissen­
schaft für Mädchen und andere kluge Köpfe“ (Wyatt 1996)
für Kinder ab dem Volksschulalter!
Computer
Wie vertraut Mädchen und Buben im Volkschulalter bereits
mit neuen Technologien sind, hängt stark davon ab, ob und
welche Geräte sie daheim vorfinden bzw. geschenkt
bekommen. Aber auch das Geschlecht spielt eine Rolle. ❚ Mädchen und Jungen haben gleiche Kompetenzen.
❚ Sie haben unterschiedliche Zugänge.
❚ Jungen haben größere Vorerfahrungen.
❚ Jungen haben größere Motivation sich mit Computern
zu beschäftigen.
❚ Jungen verbringen deutlich mehr Zeit mit dem Compu­
ter.
❚ Jungen verfügen häufiger über einen eigenen Computer.
❚ Mädchen trauen sich selbst weniger Leistungen im
Umgang mit dem Computer zu.
Daher muss beachtet werden, „dass gerade der Einstieg in
die Computerarbeit gezielte Orientierung auf die Mädchen
erfordert“ (Kaiser 2000, 69).
40
Folgende Fragen dienen der Bestandsaufnahme Ihrer
Arbeitsstätte (vgl. auch Schneider/Tanzberger 2001, 53ff.):
❚ Haben alle Kinder – Mädchen wie Buben – gleicherma­
ßen Zugang zum Computer?
❚ Wie ist das gewährleistet? Bewährt haben sich Listen, in
die Kinder sich eintragen können, oder begrenzte
Benutzungszeiten.
❚ Erkennen die PädagogInnen bei den Kindern
geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der
Zugänge zum Computer und der Arbeitsweisen mit dem
Computer?
❚ Ist das Geschlechterverhältnis der AkteurInnen von
Computerspielen zahlenmäßig ausgewogen? Werden
die Figuren ohne Geschlechterrollenklischees darge­
stellt (fürsorgliche, fragende Mädchen/Frauen, rettende,
wissende Buben/Männer)?
Hausordnungen, formelle und informelle Regeln
Hausordnungen, formelle und informelle Regeln
Regeln – für Verhalten, für Benutzung, für die Inanspruch­
nahme von Raum, Objekten und Zeit – können die gleich­
berechtigte Partizipation von Mädchen und Buben ermögli­
chen, aber auch verhindern. Dies trifft gleichermaßen auf
formelle Regeln wie z.B. verschriftlichte Hausordnungen zu,
wie auch auf informelle Regeln, die nicht schriftlich festge­
legt sind, aber den (meisten) Beteiligten bekannt sind.
Für die Nutzung der in Wien sogenannten Ballspielkäfige
gibt es keine formellen Regeln, offiziell sind sie allen Perso­
nen zugänglich. Dennoch ist die Nutzung nicht gleichbe­
rechtigt. Auf die meisten Mädchen, wie auch die weniger
offensiven Buben, wirken offenbar informelle Regeln, die
ihre Körpererfahrungen einschränken; viele Mädchen spie­
len nicht einfach Fußball. Hier gilt es, mit Unterstützung von
BetreuerInnen und PädagogInnen die informellen Regeln zu
verändern, u.a. auch dadurch, dass erwachsenen Frauen
als Vorbilder für die Benützung dienen und selbst Fußball
spielen, oder indem Erwachsene zurückgedrängte Kinder
bei der gleichberechtigten Nutzung unterstützen (vgl. Stu­
der 2004a und 2004b).
Eben solches gilt für bestimmte Bereiche im Kindergarten
wie die Bewegungsbaustelle, den Toberaum, den Compu­
ter, die Puppenküche etc. Bewährt haben sich zeitliche
Begrenzungen (maximal 15 Minuten am Computer) oder
geschlechtshomogene Gruppen (die Puppenküche an
einem Nachmittag nur den Buben).
Es gibt auch „Regeln, die bestimmte Bereiche des kindli­
chen Lebens tabuisieren oder ausklammern, weil sie nicht
ins pädagogische Konzept passen, wie z.B. Spielzeugkata­
loge, Stickeralben, Computer, ferngesteuerte Autos oder
Medienfiguren“ (www.maedchen-jungen.de). Wer ist hier­
von am meisten betroffen?
❚ Welche formellen Regeln (Hausordnungen,...) haben
wir?
❚ Welche informellen Regeln gelten?
❚ Haben alle Kinder gleichberechtigten Zugang zu allen
Bereichen?
❚ Welche Regelungen könnten das gewährleisten?
❚ Gibt es Regeln, die bestimmte BenutzerInnen oder
BenutzerInnengruppen ausschließen?
41
Elternarbeit
Elternarbeit
Im Rahmen der Elternarbeit begegnen sich erwachsene
Frauen und Männer mit ihren jeweils verinnerlichten Weib­
lichkeits- und Männlichkeitsbildern. Professionelle und
nicht-professionalisierte pädagogische Kompetenzen
(erstere aufseiten der PädagogIn – letztere bei den Eltern
und anderen Bezugspersonen) und Autorität werden hier
verhandelt. Persönliche Haltungen und Einstellungen der
PädagogInnen zu berufstätigen Müttern, zu Männern als
Bezugspersonen für Kinder, zu unterschiedlichen Lebens­
welten, ihr Berufsbild und vieles andere beeinflussen die
Kommunikation und den Kontakt im Rahmen der Elternar­
beit.
Als Reflexionsanregung für PädagogInnen können folgende
Fragen dienen:
❚ Behandle ich Frauen und Männer gleich in Bezug auf
erzieherische Kompetenzen?
❚ Wie denke ich über berufstätige Mütter, wie über berufs­
tätige Väter?
❚ Wie akzeptierend verhalte ich mich gegenüber unter­
schiedlichen Lebensweisen?
❚ Wie stelle ich meine eigene pädagogische Professiona­
lität dar? Sprachlich: Wie lasse ich mich ansprechen –
Tante, Vorname, Frau Bauer? Bildlich: Welche Selbst­
präsentation biete ich in Wandzeitungen, auf Fotos?
❚ Verfüge ich über aktuelle Kenntnisse über Familien-,
Scheidungs-, Obsorge- oder Wegweiserecht?
❚ Verfüge ich über Kompetenzen in Gesprächsführung,
weiß ich Bescheid über geschlechtsspezifische Kom­
munikations- und Konfliktmuster?
42
Möglichkeiten, um Mütter und Väter in die Kindertages­
heimarbeit miteinzubeziehen, vor allem Väter, können sein
(Orner u.a. 2003):
❚ Information für Mütter und Väter über geschlechtssen­
sible Pädagogik vor der Anmeldung ihrer Kinder
❚ Vermittlung einer offenen, gesprächsbereiten Haltung
❚ Gestaltung des Kindertagesheims: Platz zum Verweilen
und Warten anbieten, Lesestoff bereitstellen; Werke der
Kinder (Zeichnungen, ...) aufhängen; Fotos, die Kinder
bei Tätigkeiten im Kindergarten zeigen aufhängen, z.B.
Mädchen im Werkbereich, Buben bei fürsorglichen
Tätigkeiten, ...
❚ Elternrunden, Elternabende (zur gemeinsamen Refle­
xion, zum fachlichen Austausch)
❚ Elternbibliothek (Entlehnmöglichkeit von Fachbüchern
und Fachzeitschriften für die Eltern)
❚ Einladung zur Mitarbeit – besonders von Vätern – in den
Kindergarten, und zwar nicht nur für Werkprojekte, son­
dern auch für die Alltagsarbeit, etwa als Begleitperson
bei Ausflügen, ...
Berufsbild (Kleinkind-)PädagogIn – Selbstbild (Kleinkind-)PädagogIn
Berufsbild (Kleinkind-)PädagogIn –
Selbstbild (Kleinkind-)PädagogIn
„Erziehungsarbeit, die von Frauen ausgeübt wird, wird
immer noch als Ausdruck ganzheitlicher und gefühlsmäßi­
ger Intuition oder eines mehr oder weniger unerklärlichen
weiblich-wesenhaften Arbeitsvermögens angesehen und
nicht als professionelles Handeln auf einem spezifischen
Wissenshintergrund“ (Rabe-Kleberg 1997, 102, zit. nach
Kasüschke/Klees-Möller 2004, 196). In Österreich ist das
Arbeitsfeld Kleinkindpädagogik gekennzeichnet durch
❚ eine Ausbildung, die größtenteils auf der Sekundarstufe
2 angesiedelt ist (im Gegensatz zur universitären päd­
agogischen Ausbildung) (vgl. Hanifl 1999),
❚ MitarbeiterInnen mit Qualifikationen unterhalb der gere­
gelten Fachkraftausbildung (HelferInnen, Zivildiener,...),
❚ geringe Bezahlung,
❚ kaum Möglichkeiten der Weiterqualifizierung,
❚ kaum Möglichkeiten für beruflichen Aufstieg.
Das Berufsbild der Kindergartenpädagogin wird im Informa­
tionsblatt des Österreichischen Arbeitsmarktservice AMS
Ausgabe 2003/2004 wie folgt beschrieben: „Als Kindergärt­
nerin betreust du Kinder im Vorschulalter. Du spielst, turnst,
bastelst, zeichnest und isst mit ihnen. Dabei förderst du ihre
geistige und körperliche Entwicklung und ihr Sozialverhal­
ten“ (zit. nach Orner 2003, 26).
„Kennzeichnendes Merkmal sozialer Berufe ist die Span­
nung zwischen institutionell verankertem professionellem
Wissen auf der einen Seite und Beziehungswissen und
Beziehungsfähigkeiten auf der anderen Seite. Letzteres
bleibt als berufliches Merkmal jedoch in der Regel unbe­
achtet, wird der Privatsphäre und dem weiblichen
Geschlecht zugeordnet und abgewertet. (...) Die Gleichset­
zung von Weiblichkeit und Beziehungsorientierung, Betreu­
ung, Erziehung und Fürsorge erweist sich (...) im doppelten
Sinne als problematisch: zum einen wegen des geringen
Ansehens sozialer Berufe und zum anderen, weil das oft zu
einem Kern des Selbstbildes der Pädagogin wird“ (Focks
2002, 115f.).
Auch in der „Frauenwelt“ Kleinkindpädagogik lassen sich
bekannte Muster eines geschlechtsspezifisch segregierten
Erwerbsarbeitsmarktes ausmachen: „Leitungspositionen im
Kindergartenwesen sind (...) immer wieder männlich
besetzt: Der Pfarrer als Chef im kirchlichen Kindergarten,
der Leiter eines Kinderhortes bei gleichzeitig verschwin­
dend geringem Anteil an Männern in den Kindergruppen,
der männliche Leiter einer Abteilung, die für das Kinterta­
gesheimwesen in Wien zuständig ist, der Mann als Direktor
einer Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, der
Geschäftsführer der gemeinnützigen Familienorganisation –
und immer wieder der Schulsprecher, der Interessen von
den der Anzahl nach deutlich überwiegenden Schülerinnen
an Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik vertritt“
(Orner 2003, 23).
Männersache Erziehung!?
Über drei Jahre Erfahrung mit Frauen und Männern im Kin­
dergartenteam berichtet die ehemalige Leiterin des Kinder­
tagesheims fun&care: „Drei von vier Gruppen waren jeweils
mit Männern und Frauen besetzt. Im Nachhinein steht
jedoch fest, dass diese geschlechterparitätische Besetzung
unserem Konzept der Arbeitsteilung – des Leitsatzes
,Halbe-Halbe‘ – nicht immer entsprochen hat. Auch wir
waren anfangs ein bisschen fehlsichtig auf dem Auge, das
Arbeitsleistungen von Männern und Frauen wahrnehmen
sollte. Der Arbeitseinsatz und das erledigte Pensum an
Arbeit von Frauen waren oft deutlich höher als das der
männlichen Kollegen.
Wir haben uns des Themenbereichs ,Männer und Frauen im
Kindergartenteam‘ erst spät angenommen. Im letzten Pro­
jektjahr waren die Diskussionen heftig und der Ärger groß.
Wir haben zweieinhalb Jahre lang versucht, qualifizierte
Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, ihren Teil der Verant­
wortung an Kindergartenarbeit zu übernehmen. Gefunden
haben wir nicht viele – die Fluktuation an männlichem Per­
sonal war dementsprechend hoch und die Frauen im Team
nicht mehr bereit, Mehrarbeit zu übernehmen. (...)
Wir sind jedoch nach wie vor überzeugt, dass die Zusam­
menarbeit von Frauen und Männern in Kindertageseinrich­
tungen sowohl für die Kinder als auch das Team eine große
Bereicherung sein kann. Und so wenig wir Aussprüche wie
,Aber alle können doch voneinander profitieren!‘ auch
mögen – die Frauen des Teams haben sich ein Stück der
Gelassenheit, des ,nicht so eng‘ Sehens abgeschaut, die
Männer haben vom Tempo, der Weitsicht und dem Verant­
wortungsgefühl der Frauen profitiert“ (Orner u.a. 2003, 24f.).
43
Qualitätsstandards für geschlechtssensible Pädagogik auf der Organisationsebene
Qualitätsstandards für
geschlechtssensible Pädagogik
auf der Organisationsebene
Bestehende Qualitätsstandards für Kleinkindpädagogik,
wie die Kindergarten-Einschätz-Skala KES (Tietze u.a.
1997) erweisen sich als unzureichend in Hinblick auf die Kri­
terien geschlechtssensibler Pädagogik (vgl. die differen­
zierte Kritik an der KES von Buch 2003).
Die vorliegende Broschüre enthält auf den vorangegange­
nen Seiten eine umfassende Auflistung von geschlechts­
sensiblen Qualitätsstandards, die nun folgend erweitert
werden um die Ebenen Team und Organisation (vgl. Walter
2000, Grossenbacher 2004, Kriterienkatalog 2000):
❚ Ist die Kategorie Geschlecht als Querschnittsaufgabe in
die Qualifizierung – Ausbildung und Fortbildung – von
Tageseltern, Kindergarten- und HortbetreuerInnen,
NachmittagsbetreuerInnen, (Volksschul-)LehrerInnen
implementiert?
❚ Sind die Lehrenden an oben genannten Institutionen für
geschlechtssensible Pädagogik qualifiziert?
❚ Sind die TrägerInnen von Betreuungs- und Bildungs­
einrichtungen und die InspektorInnen für geschlechts­
sensible Pädagogik qualifiziert?
❚ Ist gewährleistet, dass PädagogInnen Supervision in
Anspruch nehmen können, die gendersensibilisiert ist?
❚ Sind im Leitbild der Bildungs- oder Betreuungseinrich­
tung gendersensible Grundsätze des pädagogischen
Handelns, wie Gleichberechtigung von Mädchen und
Buben, Frauen und Männern, enthalten?
❚ Wird die Verankerung der Gleichstellung von der Leitung
der Einrichtung vorangetrieben?
❚ Wird Gleichstellung im Team oder im Kollegium disku­
tiert?
❚ Ist die Gleichstellung der Geschlechter in der koeduka­
tiven Schule Thema im Schulentwicklungsprozess?
❚ Gibt es Gleichstellungsteams oder -verantwortliche in
der Einrichtung und in der TrägerInnenorganisation?
❚ Verfügt die Einrichtung über ausreichendes GenderWissen? Wenn nicht, werden ExpertInnen von außen
beigezogen?
❚ Wird bei der Formulierung außerunterrichtlicher Pflich­
ten von Lehrpersonen das Engagement für Betreuungs­
aufgaben als gleichwertiger Arbeitsbereich anerkannt?
44
❚ Gibt es Modelle der Arbeitszeitgestaltung, die eine Verein­
barung von Berufs- und Familienarbeit ermöglichen, ohne
die beruflichen Entwicklungschancen zu beschneiden?
❚ Sind Aufstiegschancen für Frauen und insbesondere für
Mütter vorhanden und werden Frauen zur Übernahme
von Leitungsfunktionen motiviert? Können Leitungs­
funktionen auch in Teilzeit wahrgenommen werden?
❚ Pflegen Pädagoginnen und Pädagogen einen Umgang
miteinander, der für die Mädchen und Buben jederzeit
als Beispiel im Sinne der Gleichstellung gelten kann?
❚ Wird bei der (Selbst-)Evaluation der Organisation
Gleichstellung als ein Qualitätskriterium explizit genannt
und überprüft?
❚ Werden PädagogInnen gemäß ihren Bemühungen beur­
teilt, Geschlechtergleichstellung in ihrer pädagogischen
Arbeit umzusetzen?
❚ Berücksichtigt das Planungs- und Reflexionsschema in
Kindertagesheimen und Schulen die Aspekte ge­
schlechtssensibler Pädagogik?
❚ Sind geschlechtssensible Qualitätsstandards formuliert,
die u.a. die Themen Spielmaterial, Bildungsmittel, Inter­
aktionen, Raumnutzung, Freiflächengestaltung, bewe­
gungspädagogische Angebote, Sprache,... beinhalten?
Werden diese Qualitätsstandards einerseits auf der
Ebene der TrägerIn, andererseits für jeden Kindergarten,
jede Schule überprüft?
❚ Stehen für psychologische, sozialpädagogische oder
medizinische Abklärungen für Mädchen und Buben eine
Frau und ein Mann zur Verfügung?
❚ Werden Statistiken so erhoben, dass sie nach Ge­
schlecht aufgeschlüsselt werden können?
❚ Besteht die Möglichkeit und das Interesse für fachpäd­
agogische Beratung der PädagogInnen zu geschlechts­
sensibler Pädagogik?
❚ Besteht die Möglichkeit und das Interesse für fachliche
Vermittlung des Themas geschlechtssensible Pädago­
gik nach außen – Eltern, Öffentlichkeit?
❚ Besteht die Möglichkeit und das Interesse zur Zusam­
menarbeit mit Forschungsstätten (universitär und außer­
universitär), mit Mädchenberatungsstellen, mit Institu­
tionen und Fachleuten, die zu geschlechtssensibler
Pädagogik arbeiten?
Rechtliche Rahmenbedingungen für geschlechtssensible Pädagogik
Rechtliche Rahmenbedingungen für
geschlechtssensible Pädagogik
Für Trägerinnen und Träger von Bildungs- und Betreuungs­
einrichtungen für Kinder gilt das Prinzip des Gender Main­
streaming. Nach der Definition des Europarats von 1998
wird Gender Mainstreaming verstanden als „(Re-)
Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung
politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezo­
gene Sichtweise in alle politischen Konzepte auf allen Ebe­
nen und in allen Phasen durch alle an politischen Entschei­
dungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen“
(Abschlussbericht der Sachverständigengruppe für Gender
Mainstreaming beim Europarat 1998). „Gender Main­
streaming heißt, soziale Ungleichheiten zwischen Frauen
und Männern in allen Bereichen und bei allen Planungs­
und Entscheidungsschritten immer bewusst wahrzuneh­
men und zu berücksichtigen. Alle Vorhaben werden so
gestaltet, dass sie auch einen Beitrag zur Förderung der
Gleichstellung von Frauen und Männern leisten“
(www.gem.or.at).
Für die Volksschule ist in erster Linie das Unterrichtsprin­
zip „Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Män­
nern“ mit dem Grundsatzerlass von 1995 zu nennen (Volks­
schul-Lehrplan, BGBl. II Nr. 283/2003). Der Erlass nennt fol­
gende Ziele:
❚ Bewusstmachen von geschlechtsspezifischer Sozialisa­
tion
❚ Wahrnehmung von Ursachen und Formen geschlechts­
spezifischer Arbeitsteilung
❚ Erkennen möglicher Beiträge zur Tradierung und Verfe­
stigung von Rollenklischees
❚ Reflexion des eigenen Verhaltens
❚ Bewusstmachen alltäglicher Formen von Gewalt und
Rassismus
❚ Förderung der Bereitschaft zum Abbau von
geschlechtsspezifischen Vorurteilen (BMUK 1995) (vgl.
Schneider/Tanzberger 2001)
Im „Aktionsplan 2003 – Gender Mainstreaming und
geschlechtssensible Bildung“ formuliert Bundesministerin
Elisabeth Gehrer: „... Gender Mainstreaming in der Schule
bedeutet, die Gender-Perspektive in allen Bereichen des
Lernens und Lehrens, in der Organisation Schule und im
Handeln aller Beteiligten zu verankern, um geschlechterge­
rechtes Lernen zu ermöglichen“ (bm:bwk 2003).
45
Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik
Geschlechtssensible Pädagogik
in Island: Hjalli-Pädagogik
Mädchen und Buben haben das Recht, die ganze Bandbreite
von menschlichen Eigenschaften und Möglichkeiten entwik­
keln zu können, und dieses Recht kann nur gewährleistet
werden, wenn alle alles machen können. Die Geschlechtszu­
gehörigkeit „monopolisiert“ nicht nur Raum, Objekte und
Rollen, sondern auch bestimmte Verhaltensweisen und
Eigenschaften.
Auch Margrét Pála Ólafsdóttir, die 1989 die Hjalli-Pädagogik
begründete, fiel das unterschiedliche Sozialverhalten von
Mädchen und Buben z.B. in Konfliktsituationen auf. Sie
nahm das zum Anlass von Veränderung und war in der Folge
immer noch enttäuscht über das Ergebnis. Also stellte sie
sich Fragen wie: „Sind wir als Erzieherinnen hier gescheitert,
oder sind ,meine‘ Buben aggressiver?“ Bis sie erkannte: „Die
Fragen sind die falschen! Nicht die Erzieherin oder die Kinder
sind die Ursache; die Rahmenbedingungen sind die fal­
schen! Die Koedukation selbst ist das Problem!“ (Ólafsdóttir
1996, 358) Wenn Gleichstellung das Ziel ist, müssen all die
alten Fallen, Sackgassen, althergebrachten Annahmen
bezüglich gemischtgeschlechtlicher Gruppen neuem Denken
Platz machen.
Nina Sandberg, Kindergartenpädagogin in einem isländi­
schen Hjalli-Kindergarten, berichtet: „Ich habe so oft gese­
hen, dass die Buben den ganzen Platz beanspruchen und
die Mädchen untergehen, wenn sie zusammen sind. Buben
beschlagnahmen automatisch alles was mit Motorik zu tun
hat, sie bestimmen im ,Kissenzimmer‘ und sind die Könige in
der Sandkiste. Die Mädchen dagegen sind brav, geben
gerne der Kindergärtnerin die Hand und beschäftigen sich
still und ruhig. Deshalb sieht die Hjalli-Pädagogik getrennte
Buben- und Mädchengruppen vor, um beiden Geschlechtern
die Möglichkeit zum Training neuen Verhaltens zu geben.
Aber es reicht nicht einfach, die Geschlechter zu trennen, um
die Bildung von Geschlechterrollen zu verhindern. In HjalliKindergärten arbeiten die PädagogInnen konsequent daran,
neue Aspekte in die Buben- bzw. Mädchenrollen zu bringen.
Für Mädchen haben wir spezielle Übungen, um das Selbst­
vertrauen zu stärken, sich Gehör zu verschaffen und Raum
einzunehmen. Die Buben dagegen trainieren sich zu beneh­
men, Disziplin, Freundschaft und Nähe.
Die Tageseinteilung des Kindergartens ist stark strukturiert:
Die Tage sind aufgeteilt in Gruppenstunden und Wahlstun­
46
den. Für die Gruppenarbeitszeit entwickelt jede Kindergar­
tenpädagogin für ihre Gruppe ein eigenes Programm und
eigene Spiele. Die unterschiedlichen Methoden haben aber
alle das gleiche langfristige Ziel: Mädchen und Buben zu
einem gleichberechtigten Umgang miteinander zu befähigen.
Egal ob wir in einer Mädchen- oder Bubengruppe sind, sie
sind alle nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: keine
geschlechtsspezifischen Spielsachen, häufig sogar über­
haupt keine Spielsachen. Nur Materialien, um daraus etwas
zu schaffen. In einem Zimmer sitzt eine Bubengruppe im
Kreis und sie erzählen einander von ihrem Tag, während ein
Ball von Hand zu Hand weitergegeben wird. Nur der, der den
Ball hat, darf reden. Die anderen sitzen ruhig und hören zu.
Im Raum daneben arbeiten Buben still und konzentriert an
einem Tisch.
Als wir Hjalli auf Probe in einem privaten Kindergarten einfüh­
ren wollten, waren die Eltern überzeugt, dass Margrét Pálas
Methode, die Kinder nach Geschlecht zu trennen, ein Ver­
such war die Kinder homosexuell zu machen. Als die ersten
drei Probemonate zu Ende waren, war aber nur noch eines
von insgesamt 26 Elternpaaren negativ eingestellt. Die ande­
ren haben die positiven Veränderungen ihrer Kinder auch zu
Hause gemerkt und wollten absolut nicht mehr zum alten
System zurückkehren“ (Mattsson 2003).
Grundlegende Elemente der Hjalli-Pädagogik
Wahrnehmen von Vielfalt: Diskriminierung, die von der
Annahme eines ,Durchschnitts‘ ausgeht, wird verhindert.
,Problemkinder‘ existieren nicht, „Schulen reden bloß davon,
um die Verantwortung für’s Scheitern den Kindern zuzu­
schieben“ (Ólafsdóttir 1996, 359). Rahmenbedingungen
dafür sind 5 bis 10 Kinder pro ErzieherIn.
Geschlechtertrennung: Geschlechtshomogene Gruppen
sind eine effektive und einfache Möglichkeit, Mädchen und
Buben das ihnen zustehende Maß an Aufmerksamkeit,
Unterricht, Ermutigung und Raum zu geben. Dadurch wer­
den Diskriminierungen von Mädchen und Buben verhindert
(unterschiedliche Aufmerksamkeitsverteilung qualitativ und
quantitativ; die Tendenz von Kindern, geschlechtsstereotype
Aufgaben zu machen und geschlechtsstereotype Verhaltens­
weisen zu üben). Unterschiedliches Verhalten von Kindern
bewirkt unterschiedliches Verhalten von PädagogInnen: Kin­
Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik
der empfangen in geschlechtsheterogenen Gruppen Bot­
schaften und Reaktionen, die die ErzieherIn an die Kinder
des anderen Geschlechts gerichtet hat.
Hausgemachte Umgebung: Vorhanden ist unstrukturiertes
Material (z.B. Holzblöcke, Sand, Wasser), Tische und Stühle;
Ton und Kreide werden selbst hergestellt.
Einfachheit und Ruhe: Leere Wände, sanfte Farben; nicht
benützte Materialien sind verstaut. Das Tagesprogramm ist
einfach und wiederholt sich jeden Tag – das gibt allen das
Gefühl von Sicherheit und Stärke; die Kinder wissen genau,
was als nächstes kommt, und keine PädagogIn kann den
Ablauf verändern; das Programm ändert sich stündlich: von
der Arbeitsstunde in der eigenen Gruppe zur Spielstunde
und wieder zurück. Die Spielstunde beginnt immer mit einem
Auswahl-Treffen: die Kinder können wählen zwischen Spiel­
zimmer (ausgestattet mit Kissen und Kleidern für Rollen­
spiele) und dem Arbeitsraum, der in vier Bereiche geteilt ist:
Zeichnen, Bauklötze, Ton und Sand. Das Kind, das zuerst
wählt, wird das nächste Mal zuletzt dran sein; wenn vier Kin­
der im Spielzimmer sind ist es besetzt.
Grenzen als Voraussetzung von Freiheit. Typisch „männli­
che“ Eigenschaften, wie Unabhängigkeit, Initiative, Mut,
Kraft sind individualisiert. Typisch „weibliche“ Eigenschaften
hingegen sind Altruismus, Weichheit, Feinfühligkeit, Intimität.
„Statt die Geschlechter immer zu mischen, um alle Eigen­
schaften in die Person integrieren zu können, mischen wir die
Eigenschaften für alle, sowohl die individualisierten – ich­
bezogenen – als auch die sozial orientierten – wir-bezoge­
nen“ (ebd., 362).
Hjalli-Pädagogik als fortschreitender
Prozess
Margrét Pála Ólafsdóttir machte nach zwei Jahren Arbeit in
geschlechtshomogenen Gruppen eine Untersuchung der
schriftlichen Aufzeichnungen der Kindergartenpädagogin­
nen. Ein Ergebnis war: Mädchen bekamen mit 59% mehr
Aufmerksamkeit als Gruppe – ,they‘, ,the girls‘ war in den
Aufzeichnungen zu lesen – und weniger individuelle Auf­
merksamkeit (41%) – ,she‘, oder der Name des Mädchens.
Bei den Buben war das genaue Gegenteil der Fall.
Neue Diskussionen begannen, neue Übungen wurden kre­
iert, um das Problem anzugehen:
Die Pädagoginnen entwickelten je ein spezielles Begrü­
ßungsritual für die Mädchen (jede einzelne von ihnen wird mit
Namen begrüßt, um ihr Selbstwertgefühl zu unterstützen)
und für die Buben (die Gruppe als Ganze wird angesprochen,
um ihr Gefühl für Gemeinschaft und die Bedeutung von Soli­
darität zu unterstützen). Sechs Monate später war die per­
sönliche Aufmerksamkeit für Mädchen von 41% auf 59%
gestiegen, die persönliche Aufmerksamkeit für Buben von
59% auf 64%. „Es ist nicht eine Art von Aufmerksamkeit
besser als die andere, aber Mädchen und Buben haben das
Recht auf beide Arten“ (ebd., 363).
Weitere wichtige Bestandteile der Hjalli-Pädagogik sind:
❚ Individualtraining für Mädchen: im Mittelpunkt stehen
Wagemut und Kühnheit („daring“)
❚ Sozialtraining für Buben: im Mittelpunkt stehen Für­
sorge und sich kümmern („caring“)
Mädchenpädagogik
Die Pädagoginnen selbst müssen ihre verinnerlichten Ein­
stellungen in Bezug auf (ihr) Frau-Sein und ihr Bild des Erzie­
herinnen-Berufs grundlegend verändern. Sie taten dies zum
Beispiel im Umgang mit Schmerz beim Barfuß-Gehen über
Lavafelder im Freien: „Wer sind die mutigsten Mädchen in
ganz Hafnarfjördur? Und so sangen und tanzten wir – barfuß.
Wir fühlten uns wie Superwomen – Superfrauen. Die Mäd­
chen hatten lustvoll und stolz eine neue Welt entdeckt.“
Was war das Außergewöhnliche? Diese Art von Verhalten –
Barfuß-Gehen – war etwas gänzliches Neues für die Mäd­
chen, die in der Stadt aufgewachsen waren; der Lärm, den sie
machten, ermutigte sie, sie schrieen und lachten und genos­
sen es. „Training in Lärm-Machen und das Benutzen der
Stimme muss Teil der Übungen zum Wagen sein. Die Stimme
zu gebrauchen ist auch wichtig für Mädchen, um direkte
Informationen über ihre Wünsche und Gefühle zu geben“
(ebd., 364). Bewegung ist die Grundlage für Handlungen.
Gewöhnlich integrieren Buben Lärm und Bewegung in ihr
Spiel; Mädchen sitzen während Buben springen. Mädchen
gehen während Buben laufen. Bewegung ist das grundle­
gende Element für Aktivität, um lustvoll herumzulaufen, tief zu
atmen, sich Raum zu nehmen und lebendig zu fühlen.
„Lärm, Bewegung und Unübliches, ,unweibliche‘ Aktion, war
alles, was wir brauchten! In unserer Kompensationsarbeit
mussten wir uns nicht sorgen um die üblichen ,weiblichen‘
Verhaltensweisen und Tätigkeiten, weil der Rest der Gesell­
schaft sich darum kümmern würde wie gewöhnlich. (...)
Schreien und Laufen über den Spielbereich, Wasserkämpfe,
bis wir durch und durch nass waren, so laut singen bis der
ganze Kindergarten erzittert, Wut und Zorn spüren; niemand
sagt uns, dass wir brav und ruhig sein sollen! (...) Das wahre
Wagnis besteht darin, etwas zu versuchen, wovon du nicht
weißt, ob es gelingen wird“ (ebd., 365). „Training im FehlerMachen“ gehört also dazu, kann aber erst nach dem „Wag­
nis-Training“ beginnen.
47
Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik
Bubenpädagogik
Die Basis des „Sozialtrainings“ ist die Selbstdisziplin: jedes
Kind muss Kommunikation und Kooperation üben, die auf
Regeln gründen und lernen, positives Auftreten anderen
Leuten gegenüber zu zeigen. „Alle individualisierten Metho­
den mit Buben enden in Verrat an ihren sozialen Fähigkeiten;
liebenswürdiges Verhalten nicht einzufordern betrügt Buben
ebenfalls. Buben haben das Recht, nicht unter dem Gesetz
der Fäuste zu leben und die Fesseln von Grobheit und
anmaßendem Verhalten, die wir ihnen vermachen, loszuwer­
den. Buben haben alles Recht der Welt, ein Bild von sich
selbst als liebenswürdige und wundervolle Persönlichkeiten
zu entwickeln. Das einzige, was wir Erwachsene tun müs­
sen, ist ihnen zu zeigen, wie. (...) Worte, die an Buben gerich­
tet sind, um ihnen zu zeigen wie sie sich benehmen sollen,
sind oft sinnlos. Lange Erklärungen können kontraproduktiv
sein, weil sie ein negatives Selbstbild und das Gefühl von
Schuld erzeugen. Wir Erwachsene haben die Worte, Buben
nicht. Deshalb mache ich den Buben eindeutig klar, was ich
von ihnen in Bezug auf ihr Verhalten erwarte und dass ich
jede Form von antisozialem Verhalten sofort stoppe. Ich
sage eher: ,Sei ruhig – jetzt!‘ Ich nehme eher einen Buben in
den Arm statt ihn anzubrüllen. Ich erwarte nicht von ihm für
alles verantwortlich zu sein, bevor er nicht Selbstdisziplin
gelernt hat. Ich würde eher einen Buben, der einen anderen
haut, sanft halten statt ihm zu sagen, er sei ein schlimmer
Bub. Bevor er lernt seine Hände zu kontrollieren, passe ich
auf und er kann darauf vertrauen. Ich würde eher für zwei
Minuten die ,gelbe Karte‘ zeigen statt einen Buben aus der
Arbeitsstunde rauszuschmeißen, ihn zu isolieren und ihn
allein zu lassen mit der Verantwortung und der Demütigung.
Ich handle schnell und begründet, ohne Ärger oder Anklage.
Ich zeige oder sage den Buben, dass sie wundervoll sind
und geliebt sind und sie meine Zuneigung nicht verlieren.
Sie wissen, dass ich sie im Lernen unterstütze, weil sie wis­
sen, dass ich sie wundervoll finde.
Ältere Buben begannen, sich um die jüngeren zu kümmern,
einfach weil keine Mädchen da waren, die das Monopol dar­
auf haben und die Besten sind dabei, anderen zu helfen.
Sich um die Umgebung kümmern, Tische abwischen, Brot
machen, Boden wischen, mit der Nähmaschine nähen,
Geschirr abwaschen: eine ganz neue Welt tut sich für die
Buben auf und keine Mädchen sind da, die über ihre kleinen
Fehler lachen könnten.
Spezielle Nähe-Übungen bestehen aus Massagen von Päd­
agogInnen oder von Buben untereinander. Ihre Angst vor
Berührung ist herausgefordert, der Gruppenstress ist redu­
ziert. Das ist eines der Ziele der Bubenpädagogik: die Bezie­
48
hungen zwischen den Buben, die einander massieren oder
ein Fußbad geben, ist wundervoll. Ihre Selbstwahrnehmung
wächst und sie lernen, die Bedürfnisse anderer wahrzuneh­
men. Sobald jede Bubengruppe in Nähe trainiert ist, sind sie
bereit mit den Mädchen zusammen zu kommen und das
was sie gelernt haben anzuwenden. (...)
Ich muss die Buben nicht stoppen, um die Mädchen zu
beschützen. Geschlechtshomogene Bubengruppen entla­
sten mich von der Rolle der Polizistin und Lebensretterin.
Nun kann ich den Buben mehr positive Aufmerksamkeit
schenken und sie sind von den Erzieherinnen-Befehlen von
früher befreit. Buben haben das Recht, ihre eigene Art und
Weise zu kreieren und ihr Leben zu erforschen, ohne nega­
tive oder demütigende Bemerkungen von uns zu bekom­
men.
Buben lernen ohne Anschuldigungen und Schuldzuweisun­
gen Probleme zu lösen. So wie sie die verschüttete Milch
aufwischen klären sie kleinere Streitigkeiten – sie beschlie­
ßen einfach, wieder Freunde zu sein und zu teilen. Die
Buben wissen, wie sie einen kleinen weinenden Buben beru­
higen und wie sie einem anderen Kind, das im Spiel verletzt
wurde, sanft über den Rücken streichen. Es ist so einfach
und effektiv, in Situationen zu agieren, wenn die Entschuldi­
gungen und die Schuld nicht mehr im Vokabular vorhanden
sind. Der körperliche Schmerz ist auszuhalten, wenn nie­
mand auf deinen Gefühlen herumtrampelt“ (ebd., 366f.).
Trennung ist die Methode – Integration das Ziel
Kinder, die aus anderen Kindergärten kommen, verändern
ihr Verhalten langsam:
Mädchen, die zu Beginn in der Nähe der PädagogIn im
„Arbeitszimmer“ bleiben, weil dieses „beschützter“ ist, statt
in das Spielzimmer zu gehen, entdecken mit der Zeit, dass
es für sie andere Möglichkeiten gibt; sobald Jungen – die zu
Beginn die Malecke meiden, weil sie gewöhnt sind, dass
Stifte und Papier den Mädchen gehören – realisieren, dass
der Raum ihnen gehört, nutzen sie ihn ohne spezielle Ermu­
tigung vonseiten der PädagogIn.
Alle grundlegenden Elemente der Hjalli-Pädagogik und alle
Methoden werden mit Mädchen und Buben angewendet –
der einzige Unterschied liegt im jeweiligen Schwergewicht
jeder einzelnen Methode, um das Selbstbild von Mädchen
und Buben zu erweitern.
In gemischten Gruppen ist die hohe Achtung der Buben
gegenüber den Mädchen merkbar: Diese Art von emotiona­
lem Respekt und warmherziger Fürsorge sollte nicht ein Pri­
vileg von ein paar Buben sein – aber nur zu oft ist es so.
(Ólafsdóttir, 1996)
Heidi Rasworschegg
Heidi Rasworschegg
Eine Reise von Tausend Meilen beginnt
mit dem ersten Schritt (Laotse).
Bedeutung von Fortbildung zu geschlechts­
sensibler Pädagogik für die beruflich-profes­
sionelle und die persönliche Entwicklung
Mit großen Erwartungen kam ich vor fast vier Jahren im
Oktober 2000 in die Fortbildung „Geschlechtssensible Päd­
agogik“ von Daniela Orner.1 Hatte ich doch immer schon
große Freude daran, mich für die Aufwertung der Frau in
unserer Gesellschaft einzusetzen. Den Untertitel „Raumge­
staltung“ hatte ich schnell wieder vergessen....
Nun sollte ich mich auseinander setzen mit Räumen? Wozu
sollte das gut sein? Wir wurden aufgefordert uns Folgendes zu überlegen:
❚ Wo sind Frauen? Was tun sie?
❚ Wo sind Männer? Was tun sie?
❚ Welche Spielbereiche im Kindertagesheim (KTH) werden
bevorzugt von Buben frequentiert?
❚ Welche von Mädchen?
❚ Welche Kinder halten sich im Baubereich auf, wie lange,
was spielen sie dort?
❚ Welche Plätze werden im Garten von Mädchen benützt,
welche von Buben?
❚ Welche Kinder verwenden die Fahrzeuge, wie lange?
❚ Was ist meine Rolle als Pädagogin im Gruppenraum?
Wo sind meine beliebtesten Aufenthaltsorte?
War es das, was ich mir vorstellte? Nicht wirklich!
Hinzu kamen „Beobachtungsaufgaben“, die wir jeweils bis
zum nächsten Termin zu erledigen hatten. Die erste lautete:
„Meine persönlichen Beobachtungen bezüglich Männern/
Buben und Frauen/Mädchen im ÖFFENTLICHEN RAUM“
(Verkehrsmittel/Spielplätze, Parks/Sportplätze, Freiflächen).
War es das, womit ich mich beschäftigen wollte? Nicht
unbedingt!
Also gab es auch genug Gründe, warum ich die nötige Zeit
dazu nicht finden konnte.
Als der nächste Termin näher kam, bemühte ich mich diese
„Hausübung“ beim Autofahren erledigen zu können. Da ich
oft den Gürtel entlang fahre, beobachtete ich die „Ball­
käfige“ zwischen Margareten Gürtel und Gaudenzdorfer
Gürtel, die auch am Abend gut beleuchtet sind. Es war
erstaunlich, ich konnte immer nur Burschen und Männer
entdecken, die diese Plätze benützten!
Das hatte ich nicht erwartet. Also hielt ich sehr bewusst
Ausschau nach Mädchen und Frauen in diesem Bereich.
Endlich nach Wochen hatte ich eine Frau entdeckt. Voller
Begeisterung teilte ich das im nächsten Kurs mit. Die Frage
der Kursleiterin: „Spielte sie aktiv mit oder war sie als Zuse­
herin dabei?“ irritierte mich zunächst, ließ mich aber dann
erkennen, dass darin ein wesentlicher Unterschied besteht
(Die Frau war bewundernde Zuschauerin.).
Von Mal zu Mal fand ich mehr Gefallen daran, mich auch mit
„Räumen“ zu befassen! Konnte ich doch bei den Erkennt­
nissen Einsichten gewinnen, die ich bis dahin in dieser
Deutlichkeit noch nicht kannte.
Eine von vielen spannenden Gruppenaufgaben im Rahmen
der Fortbildung lautete:
„Das ideale KTH für Mädchen“ – „Das ideale KTH für
Buben“. Wir sollten in zwei Gruppen an diese Aufgabe her­
angehen, und hatten keinerlei finanzielle, technische oder
sonstige Einschränkungen.
Begeistert meldete ich mich für „das ideale Mädchen-KTH“,
habe ich doch eine Tochter, und war überzeugt die Bedürf­
nisse und Wünsche von Mädchen gut zu kennen.
Umso mehr erstaunte es mich, wie schwer es unserer
Gruppe fiel, voranzukommen und Ideen zu entwickeln.
Gelegentlich spähten wir zur anderen Gruppe, die sich mit
„dem idealen Buben-KTH“ beschäftigte. Voller Spaß und
Energie werkten sie, und wir konnten auch von der Ferne
schon ein abenteuerlich aufregendes Ergebnis erkennen.
Wir plagten uns weiterhin mit unserer Aufgabe und waren
etwas unsicher mit dem Resultat. Hatten wir doch das
Gefühl, dass wir nicht genau wussten, was Mädchen wirk­
lich wollen. Oder könnte es damit zusammenhängen, wel­
che Erwartungen wir Erwachsene an Mädchen bzw. Buben
haben? Wir diskutierten folgendes Beispiel: „Mädchen wol­
len zeichnen, Buben wollen klettern.“ Wollen Mädchen
zeichnen und Buben klettern? Oder erwarten wir, dass
Mädchen gerne zeichnen und Buben gerne klettern? Da wir
uns darüber nicht einig werden konnten, ließen wir die
49
Heidi Rasworschegg
Frage im Raum stehen (es war ähnlich schwierig zu beant­
worten wie: „Was war zuerst – Ei oder Henne?“).
Unser Mädchen-KTH hatte einen Kommunikationsraum im
Zentrum, anschließend daran waren die anderen Räume
kreisförmig herum angeordnet. Sie dienten verschiedenen
Beschäftigungsmöglichkeiten (Träumen und Lesen, Musik,
Aufgaben, Zeichnen und Malen, Werken, Bauen und Kon­
struieren, Fitness, Computer, Wohnbereich mit Wintergar­
ten).
Nach außen ins Freie waren jeweils große Fensterscheiben,
sodass ein guter Überblick möglich war. Dort gab es nun
Sand und Wasser, Büsche und Sträucher, Rückzugsmög­
lichkeiten, Verkleidungsmaterialien, Decken, Zelte, Kletter­
bäume, Fahrzeuge, viele Schaukeln, Wiesen, Blumen,
Gemüsebeete, eine Bewegungsbaustelle und einen Ball­
spielkäfig.
zur Verfügung stand. Zusätzlich versuchte sie durch ande­
res Material, wie zum Beispiel Tücher, Federn und Perlen­
schnüre den Konstruktionsbereich für Mädchen attraktiver
zu gestalten. Auch durch das bewusste Mitspielen der Päd­
agogin konnte die Aufenthaltsdauer der Mädchen in diesem
Bereich deutlich erhöht werden.
Unsere Kursleiterin erinnerte uns an unser Thema:
„Wo halten Sie als Pädagogin sich am liebsten auf?“ Von
den Teilnehmerinnen wurden folgende Beispiele genannt:
❚ beim Tisch ❚ in Kindernähe ❚ im multifunktionalen Bereich
❚ beim Zeichentisch
❚ in Türnähe
Wir als Frauen haben für Mädchen in der Gruppe einen gro­
ßen VORBILDCHARAKTER.
Wir beschäftigten uns im Anschluss mit Untersuchungser­
gebnissen zu den Themen:
„Was wollen Mädchen?“ und „Freizeitbedürfnisse von Mäd­
chen – ein kleiner Unterschied?“ (siehe Benard/Schlaffer/
Plohovits 1997). Wir haben uns daher auch folgende Fragen zu stellen:
❚ Wo und wie häufig spielen wir mit?
❚ Was spielen Mädchen/Frauen?
❚ Womit spielen wir/in welchem Bereich?
❚ Wie gut können wir mit technischem Material umgehen?
Nun konnten wir feststellen, dass wir mit unseren Ideen
ziemlich nah an die realen Wünsche von Mädchen herange­
kommen waren. Unser Modell berücksichtigte sowohl das
stärkere Bedürfnis nach Rückzug als auch überschaubare
umgrenzte Flächen und Plätze.
„,Ich will einen Platz nur für Mädchen. Käfige sollten in der
Mitte aufgeteilt sein – halb für Mädchen und halb für Buben.
Dort würde ich dann Volleyball spielen.‘
,Ich wünsche mir einen extra Käfig für Mädchen, denn die
Buben haben schon einen. Wenn wir hineingehen, sekkie­
ren sie uns.‘ (...)
,Ich wünsche mir zwei Fußballkäfige, weil nur Buben spie­
len und die Mädchen nicht dürfen. Ein Käfig sollte für Buben
sein und der andere für Mädchen sein.‘ (...)
Wenn der Raum ,für alle‘ da ist, gehört er de facto nur den
Buben.“ (S. 36).
Ich überlegte, wie oft ich mich als Pädagogin in der Bau­
ecke aufgehalten hatte. Mein persönliches Resultat war
äußerst „mager“! Aber in Zukunft habe ich ja die Möglich­
keit, bewusst in diesen Bereich zu gehen.
Beim Lesen dieser Zitate fühlte sich eine Kursteilnehmerin
bestärkt, die uns berichtete, dass sie im Bau- und Kon­
struktionsbereich eine zeitweilige Trennung der Geschlech­
ter einführte, um diesen für Mädchen attraktiver zu machen.
„Unterschiede machen, damit Unterschiede kleiner wer­
den!“
Sie erzählte, dass sie fixe Mädchen- und Bubenzeiten ein­
führte. Ebenso gab es zwei Legokisten, eine für Mädchen,
eine für Buben, sodass auch für alle gleiches Spielmaterial
50
Nach so vielen Erkenntnissen, die ich im Kurs sammeln
konnte, war ich schon sehr neugierig auf die Besichtigung
des ersten Wiener Kindertagesheimes mit dem Schwer­
punkt „Geschlechtssensible Kleinkindpädagogik“ in Wien
15, Brunhildengasse 1.
Obwohl ich keine konkreten Vorstellungen hatte, war ich
doch ein bisschen enttäuscht, da die Gruppenräume auf
den ersten Blick etwas „ernüchternd“ auf mich wirkten.
Irgendwie hatte ich mir „mehr“ erwartet.
Diesen Eindruck versuchte ich – nett verpackt – unserer
Kursleiterin zu vermitteln, die zu diesem Zeitpunkt (im Juni
2001) auch die Leiterin dieses Kindertagesheims war. „Mei­
stens sind unsere BesucherInnen erstaunt, so nach dem
Motto: Und das ist alles?“ Ihre Antwort „entlastete“ mich,
da ich nicht als Einzige diese Ansicht hatte. Sie erklärte uns
anschließend, dass die Einrichtungsgegenstände so ausge­
wählt wurden, dass es nur wenig „fixe“ Bereiche gibt, um
den Kindern vielfältige Gestaltungsvariationen zu ermögli­
chen. Es gab viele verschiebbare Möbel, z.B.: Sitzbankele­
mente, Spielzeugkisten bzw. -laden auf Rädern,... Heidi Rasworschegg
Nun konnte ich auch erkennen, was mich zunächst irritierte.
Die üblichen Spielzeugregale, sowie die gewohnte Gestal­
tung des Bau- und Konstruktionsbereiches (früher „Bau­
ecke“) und des Rollen- und Familienspielbereiches (früher
„Puppenecke“), die ich vermisste, vermittelten mir das
Gefühl, dass hier etwas fehlt. Obwohl grundsätzlich allen
Kindern die vorhandenen Raumangebote zur Verfügung
stehen, spielen üblicherweise doch eindeutig mehr Mäd­
chen im Rollen- und Familienspielbereich, so wie der Bau-
und Konstruktionsbereich häufiger von den Buben in
Anspruch genommen wird. Unter dem neuen Blickwinkel
aber, dass diese Bereiche täglich individuell – nach den
Bedürfnissen der Kinder – gestaltet werden können, konnte
ich verstehen, warum mehr freier Raum als sonst notwen­
dig war. So kann geschlechtsspezifisch vorbelasteten
Spielorten entgegengewirkt werden. Zum Abschluss warf ich noch einmal einen Blick in die
Gruppenräume, jetzt gefielen sie mir besser als beim ersten
Betrachten.
In meinem ersten Kursjahr hatte ich oft die Gelegenheit zu
erkennen, dass es sehr wohl wichtig ist, mich mit Räumen
und Raumgestaltung zu befassen. Obwohl ich darüber
nicht von Anfang an begeistert war, stellte diese Auseinan­
dersetzung in der Folge eine wichtige Grundlage für meine
weiteren „Geschlechtssensiblen Einsichten“ dar.
Ich freute mich schon sehr auf die nächste Fortbildung2, wo
wir uns intensiv mit Bildungsmitteln auseinandersetzen
wollten. Spielzeugkataloge, Spielmaterial, Bilderbücher,
Lieder, Kreisspiele, Sprüche, Reime, Gesellschaftsspiele,
sowie das Rollenspiel wurden kritisch unter geschlechts­
sensiblen Aspekten betrachtet:
❚ Wie werden Mädchen und Frauen dargestellt?
❚ Wie werden Buben und Männer dargestellt?
❚ Welche Rollenstereotype werden transportiert?
❚ Wie können in der Pädagogik eingesetzte Medien dazu
beitragen, Handlungsspielräume zu erweitern?
Bei der Befassung mit „traditionellen“ Liedern (Spannenlan­
ger Hansel, Zeigt her eure Füße, Ist die schwarze Köchin
da,...), Sprüchen (Eine kleine Dickmadam, 1,2,3,4,5,6,7,
eine alte Frau kocht Rüben, Wiener Wäscheweiber,...) und
Spielen (Räuber und Gendarm, Sesselkönig, Brüderlein,
wer klopft,...) waren wir in unserer Runde geteilter Meinung.
Während einige für das Umformulieren in geschlechterge­
rechte Texte waren (vgl. Folder „Geschlechtergerechtes
Formulieren“), ging es anderen eindeutig zu weit, Brauch­
tum derart zu verändern.
Ich versuchte meine Haltung zu reflektieren. Teilweise fand
ich zwar Spaß an kreativen Wortschöpfungen und sprachli­
chen Neugestaltungen (aus dem Tante-Emma-Laden wird
dann ein Onkel-Otto-Geschäft, aus der Krankenschwester
ein Krankenbruder), aber manchmal hatte ich auch das
Gefühl, dass dieses „vehemente Verlangen“ nun alles
geschlechtergerecht aufzubereiten (Brüderlein, wer klopft/
Schwesterlein, wer klopft, Armer, schwarzer Kater/Arme,
schwarze Katze,...) doch ziemlich kleinlich war. Erst im
dritten Fortbildungsjahr3 konnte ich von der Bedeutung
der Formulierungen überzeugt werden.
Als wir in der Übung „Kein... ohne...“ Klischeebilder vortra­
gen sollten, fiel uns das sehr leicht: Kein Mädchen ohne...
Zöpfe, kein Bub ohne... Auto. Im nächsten Schritt, wo es
darum ging unsere Wünsche für erweiterte Handlungsspiel­
räume zu nennen, hatten wir erhebliche Probleme: Kein
Mädchen ohne... Matador, kein Bub ohne... Kosmetikkoffer.
Ein erster Hinweis für mich, dass wir für Inhalte, die wir nicht
so oft hören, schwerer Worte finden; in der Folge fehlen uns
entsprechende Bilder dafür. Wenn es uns dann doch
gelingt, neue Bilder zu entwerfen, stellt sich fast ebenso
schnell die Frage, ob sie uns gefallen bzw. wie wir sie
bewerten (Wer mag schon einen Bub oder Mann mit Kos­
metikkoffer? „So ein Weichei!“ „Das ist ja kein ,richtiger‘
Mann!“).
Unsere Befassung mit dem Thema SPRACHE wurde von
Frau Orner mit folgender Übung eingeleitet:
„Der Bürgermeister ist Dienstvorgesetzter der Beamten,
Angestellten und Arbeiter der Gemeinde. Er kann Beamte
und Angestellte der Gemeinde mit der Wahrnehmung
bestimmter Angelegenheiten beauftragen“ (alte Fassung
der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, zit. nach: Braun
1991).
Wir sollten anschließend beschreiben, welches Bild in uns
entstanden war, wie wir uns „den Bürgermeister“ vorgestellt
hatten. Keine von uns hatte das Bild einer Frau im Amte
„des Bürgermeisters“ im Kopf, alle sahen Männer vor ihrem
geistigen Auge. Sie unterschieden sich lediglich in Alter und
Aussehen.
Das war ja ein ziemlich ernüchterndes Ergebnis! Vor allem
im Hinblick darauf, dass ich mir bis zu diesem Zeitpunkt
sicher war, dass mit dem Hinweis „in der Folge sind bei
männlichen Formulierungen selbstverständlich auch Frauen
gemeint“ diese automatisch mitgedacht werden. Nun
musste ich bei dieser praktischen Übung erfahren, dass
dies keineswegs der Fall war.
51
Heidi Rasworschegg
Also ist es sehr wichtig – und keineswegs kleinlich – Spra­
che geschlechtergerecht einzusetzen!
Ich fasste den Vorsatz, mich ab nun selbst zu beobachten,
wie ich im Alltag formulierte. Da hörte ich mich sagen: „Das
kann jeder machen, wie er will.“ Ich befand mich aber aus­
schließlich unter Frauen! Beim nächsten Mal würde ich es
richtig schaffen, hoffte ich. „Das kann jede machen, wie sie
will.“
Ich versuchte mich nicht zu sehr unter Druck zu setzen, da
ich bei „Umlernprozessen“ schon meine persönlichen
Erfahrungswerte kenne. Zunächst setze ich mich mit fachli­
chen Inhalten auseinander, das ermöglicht mir in der Folge,
mich gezielter zu beobachten. Zu Beginn betrachte ich es
schon als Erfolg, wenn mir überhaupt auffällt, WAS ich ver­
ändern möchte. Danach versuche ich geeignete Formulie­
rungen zu finden. Besonders freue ich mich, wenn es mir
gelingt, diese in meinen Alltag zu integrieren. Normaler­
weise dauert dieser Prozess – vom theoretischen Input bis
zur praktischen Anwendung im Alltag – bei mir in etwa ein
Jahr.
Auf meinem Weg versuche ich auch andere Menschen für
Themen zu sensibilisieren, die mir wichtig erscheinen. Mög­
lichkeiten über „Geschlechtssensible Pädagogik“ zu disku­
tieren bieten sich viele, ob bei Kindergeburtstagsfeiern:
„Das hätte ich mich nicht für einen Buben kaufen getraut!
Das hätte mich zu sehr an Polly Pocket erinnert.“, bei Fami­
lienfesten, wo ein Vater zur Tochter sagt: „Du wirst auch ein­
mal arbeiten müssen, außer du heiratest einen reichen
Mann!“ oder im Einkaufszentrum, als eine Passantin zu mei­
ner Tochter, die pfeifend neben mir ging, meinte: „Du wärst
auch besser ein Bub geworden!“. Meine Tochter antwortete
übrigens sehr selbstbewusst: „Nein danke, ich bin gerne ein
Mädchen.“, und ging pfeifend weiter.
Wenn ich meine Tochter beim Spielen beobachte, kann ich
noch eine Menge lernen. Einmal „kämpfte“ sie mit ihrer
Freundin mit Luftballonschwertern. Als ich fragte, was sie
spielten, antwortete sie: „Wir sind Ritterinnen.“ Ich war ver­
blüfft. Hätte ich eine weibliche Form zu Ritter gesucht, wäre
mir höchstens das Burgfräulein eingefallen. Und das ist
etwas ganz anderes als eine Ritterin! Es fällt mir auf, dass
meine Tochter häufig geschlechtergerecht formuliert. Und
gibt es kein bestehendes Wort, so erfindet sie eines. Das
gefällt mir.
Nun, wo ich ein Jahr Zeit hatte, mich zu beobachten und zu
„trainieren“, passiert es auch manchmal, dass ich ganz
spontan reagiere. Als ich mich mit meiner Familie (Mutter,
Vater, Tochter, Hund) auf den Weg in den Urlaub machte,
begrüßte uns der Taxilenker mit den Worten: „Alle Mann an
Bord?“ „Ja“, antwortete ich, „und die Frauen auch!“
So bin ich täglich auf die eine oder andere Art mit
„Geschlechtssensibler Pädagogik“ beschäftigt. Und immer
wenn ich auf meinem Heimweg den Gürtel entlang fahre,
werfe ich automatisch einen Blick in die Ballkäfige, obwohl
seit der ersten Beobachtungsaufgabe immerhin schon vier
Jahre vergangen sind. Gestern sah ich das erste Mal drei
Mädchen Basketball spielen und sie hatten den ganzen
Raum für sich!
1
Geschlechtssensible Pädagogik (Raumgestaltung) Oktober 2000 – Juni 2001, insgesamt 20 Stunden
2
Daniela Orner, Geschlechtssensible Pädagogik – Bildungsmittel (Medien und Methoden), September 2001 – April 2002, insgesamt 15 Stunden
3
Daniela Orner, Geschlechtssensible Pädagogik (Fortsetzungsseminar), Oktober 2002 – Mai 2003, insgesamt 12 Stunden
52
Sylvia Minich
Sylvia Minich
„Verdammte Barbie“.
Psychologische, soziologische und päda­
gogische Sichtweisen auf rollenfixierendes
Spielzeug am Beispiel Barbie
Spiel hat viele Bedeutungen, es bereitet auf das spätere
Leben vor und hilft Eindrücke zu verarbeiten. Spielerfahrun­
gen fördern die Entwicklung von geistigen Strukturen, Spiel
entspannt, bietet Entwicklungsimpulse – und es macht ein­
fach Spaß. Spielmaterialien unterstützen diese Lernpro­
zesse im besten Fall. Die Auswahl pädagogisch sinnvoll zu
treffen – und dabei auch noch den geschlechtsspezifischen
Aspekt nicht zu vernachlässigen – ist auf Grund der Fülle
mittlerweile immer schwieriger, allerdings auch lustvoller.
Rein fachlich ist Barbie Rollenspielmaterial, das heißt, sie
dient dazu – wie alle Puppen – durch das Bespielen in die
umgebende soziale Struktur hineinzuwachsen. Alles aus
der Erwachsenenwelt, das dem Kind noch nicht offen steht,
kann so „vorgelebt“ werden. Im Speziellen ist Barbie Kleine­
Welt-Spiel-Material, wie z.B. Bauernhof, Polizeistation etc.
Das Kind dirigiert diese Welt, die verkleinerte Dimension
ermöglicht einen guten Überblick über das Spielgeschehen.
Zusammenfassend heißt dies, dass Barbie kein übliches
Puppenspiel provoziert, wo das Kind selbst zum Elternteil
wird und seine Identität an die Puppe abgibt, sondern es
wird RegisseurIn über eine ganze Welt, kann sogar viele
Rollen gleichzeitig einnehmen. Trotzdem sind die haupt­
sächlichen Spielinhalte typische Frauenthemen: Kinder,
Küche und – statt Kirche – Kosmetik (Minich 2003).
In pädagogischen Kreisen wird Barbie vorwiegend wegen
ihres vermeintlich negativen Einflusses auf die Schönheits­
vorstellung von Mädchen und wegen der oberflächlichen
Spielinhalte (Glamour und Schönheit) abgelehnt – und zwar
heftig und emotional. Folgende Darlegungen spannen nun
einen Bogen von der Besonderheit der Barbie aus histori­
schem Blickwinkel über die Bedeutung weiblicher Schön­
heit bis zu Untersuchungsergebnissen, inwieweit Barbie
eine Beeinflussung der Schönheitsvorstellung weiblicher
Jugendlicher unterstellt werden kann, um zuletzt pädagogi­
sche Konsequenzen aufzuzeigen.
Barbie – eine Modepuppe
Puppen sind verkleinerte Abbilder von Menschen und somit
ZeitzeugInnen. Puppen dienten im 17. und 18. Jahrhundert
nicht als Spielzeug, sondern als ModekurierInnen. Diese
„Mannecuins“ (aus dem Holländischen abgeleitet für
„Menschlein“) warben für modische Produkte. Ende des 18.
Jahrhunderts verloren diese Puppen durch den kolorierten
Kupferstich ihre Bedeutung.
Erst mit der Verbreitung der Lehren von Rousseau, Pesta­
lozzi und Basedow bekam Kindheit ihren eigenen Stellen­
wert, bis dahin waren Kinder kleine Erwachsene. Nun
begann der Siegeszug der Puppe als Spielware. Schon
1860 kam es zur Wiederauflage der Modepuppen, nun
„Parisiennes“ genannt, die monatlich erschienen und mit
Modejournal und Schnittbogen als Lehrmaterial für Mäd­
chen galten (Ecker 1989).
Barbie ist also Nachfahrin dieses Typs von Puppe – keine
mondäne Neuschöpfung des 20. Jahrhunderts. Als Charak­
ter- oder Rollenpuppe hat Barbie einen klaren Erziehungs­
auftrag, nämlich die Vorbereitung von Mädchen zur Ausein­
andersetzung mit Schönheit und Kostümierung.
Soziologische Sicht auf weibliche Schönheit
In matriarchalischen Gesellschaften spielt männliche
Schönheit eine bedeutende Rolle, z. B. schmücken sich die
Männer der Woodabes (Nigeria) täglich stundenlang! In
patriarchalischen Gesellschaften liegt es an der Frau, durch
Schönheit zu bestechen. Schönheit dient als Mittel, dem
bestimmenden Teil der Gesellschaft zu gefallen, um so an
dessen Möglichkeiten partizipieren zu können. Davon ist
abzuleiten, dass Schönheit ein politisches wie kulturelles
und auch epochenabhängiges Machtinstrumentarium ist
(Wolf 2000, 17).
Warum konnte und kann weibliche Schönheit jedoch auch
in Zeiten beginnender Emanzipation und wirtschaftlicher
Unabhängigkeit immer noch so eine Bedeutung haben? Die
ersten Frauen, die viel Geld verdienten, verdankten das
ihrem Aussehen: Prostituierte, Models, Schauspielerin­
nen…. Schönheit scheint also zwingend vorausgesetzt,
wenn Frau ökonomisch erfolgreich sein will.
Frauen leisten zwei Drittel der Arbeitsstunden, sie besitzen
jedoch nur ein Zehntel des Weltvermögens (Wolf 2000).
Frauen verdienen in der westlichen Welt nur zwei Drittel des­
sen, was Männer verdienen, davon geben sie jedoch ein Drit­
53
Sylvia Minich
tel für schönheitsfördernde Maßnahmen aus. Schönheit wird
so symbolisch zur Währung. Frauen nehmen Schmerzen
(Operationen, Enthaarungen…) und menschenunwürdige
Zustände (Hunger, beengende Kleidung…) auf sich, um
Schönheitsidealen nahe zu kommen. Hier erhebt sich nun
die Frage, wie ein Schönheitsidol wie Barbie Fuß fassen
konnte – denn eines muss klar sein: Barbie existierte als Ideal
bereits in den Köpfen, bevor sie als Puppe Gestalt bekam.
Barbie als Produkt soziologischer Sicht auf
Schönheit – Zeugin ihrer Zeit
Barbie als US-amerikanisches Produkt der Fünfziger- und
Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war Symbol des
amerikanischen dream/way of life. Die unschuldig weibliche
Ausstrahlung der unberührten Frau erinnert an Filmstar
Doris Day, die lächelnd die amerikanische Vorstadtidylle
repräsentierte: Der Mann verdient genug, dass die Frau zu
Hause bleiben kann. Sie dankt ihm dies durch jugendliche
Frische, blendendes Aussehen und ebensolche Laune.
Frau bezogen ist. Barbie ermöglicht im Spiel, alle Rollen aus
der Frauenperspektive wahrzunehmen und dabei erfolg­
reich, reich und schön zu sein. Einerseits Traumwelt, ande­
rerseits realer Omnipotenzanspruch: Barbie bietet Autono­
mie, Unabhängigkeit und dies alles ohne Gewalt und
Kampf, in guter Laune mit einem Lächeln auf den Lippen.
Weiblich eben. Vor allem schön.
Mit einem Unterschied zur Realität: Barbie ist nie auch nur
im Ansatz von einem Mann abhängig, im Gegenteil, sie ent­
scheidet, wann er (Ken) als Begleiter, niemals jedoch als
Dominator auftauchen darf. Es erhebt sich nun die Frage,
warum muss Barbie schön sein, wenn ihr ohnehin die ganze
Welt offen steht, sie nicht von einem Mann abhängig ist?
So gesehen müsste man dem Spiel mit Barbie Gegenwarts­
bewältigung absprechen, denn Frauen in patriarchalischen
Gesellschaften sind von Männern abhängig. Erfolg und
Autonomie sind im Ansatz möglich – vorausgesetzt, „Frau
ist schön“.
Einfluss von Barbie
Verständlicherweise verzückte nach den Kriegswirren auch
in Europa eine solche Vorführung von Lifestyle. Nach Zeiten
des Mangels war es begreiflich, dass Sauberfrau Barbie
den im Wiederaufbau schwer arbeitenden Frauen Traumge­
stalt wurde, sie stand für ein amüsantes Leben ohne kör­
perliche Anstrengung, voll Freude und Lebendigkeit. Viel
Sehnsucht konnte in diese Figur gebannt werden und es
scheint verständlich, dass sie gerade von Müttern ver­
schenkt wurde – alle Mütter wollen, dass es ihren Kindern
einmal besser geht. Aber wie kann diese Puppe nach so
vielen Jahren und Entwicklungen noch immer Idol sein?
Barbie wird alle zehn Jahre äußerlich dem Zeitgeist ange­
passt, ebenso erfährt sie auch gesellschaftliche Verände­
rungen: Sie darf mittlerweile so gut wie alle Berufe ausüben
(Paläontologin, Popstarin, Astronautin, Ärztin…), immer
jedoch ist sie bestens in Form und gestylt. Auch sozial ist
Barbie engagiert, ihre Freundin Share-a-smile-Becky sitzt
im Rollstuhl, natürlich auch makellos schön. So wird Barbie
politisch korrekt: Eine wunderschöne beruflich erfolgreiche
Frau mit ausgefülltem Privatleben und sozialer Sensitivität
(Benard/Schlaffer 2000).
Mädchen auf dem Weg zur Frau wollen keine „So-wie-ich­
und-du-Puppe“, sondern eine Figur, die all das erfüllt, was
gesellschaftlich für Frauen opportun erscheint – Lebensvor­
bereitung schlechthin. Alle Träume – die Mädchen noch
nicht leben dürfen – lassen sich im Spiel mit Barbie erfüllen!
Die westliche Welt ist eine männerdominierte, dennoch
zeigt die Firma Mattel, dass in Barbies Welt alles auf die
54
Für mich tat sich wissenschaftlich die Frage auf, inwieweit
das Spiel mit Barbie Einfluss auf die Schönheitsvorstellung
weiblicher Jugendlicher nehmen kann. Aus einer sehr
umfassenden Fragebogenerhebung an 67 18- bis 20-jähri­
gen Frauen (Minich 2003) stelle ich die wichtigsten Ergeb­
nisse nun vor:
Nach den persönlichen weiblichen Schönheitsvorstellungen
befragt, siegten die Merkmale, für die Frauen selbst Verant­
wortung übernehmen können: Gepflegtheit (90%), Enthaa­
rungen (66-69%) (gefragt war nach unterschiedlichen Kör­
perpartien, z.B. Achseln, Bikinizone..) und weiße Zähne
(63%).
Die typischen Barbieattribute wie große Augen (42%),
Schlankheit (31%), langes Haar (28%), schlanke Taille
(28%), lange Beine (24%), geschminkte Augen (16%),
kleine Nase (16%), Faltenfreiheit (13%), großer Busen (9%)
sind in sehr unterschiedlichen Anteilen vertreten.
An ihrer eigenen Person als schön konstatierten 71% ihre
Augen, 27% ihre Haare, 12% ihren Mund. Als weniger
schön wurden mit je 15% die Nase und die Figur und mit
13% die Haut genannt.
Direkt danach gefragt, was seinerzeit an Barbie gefiel, ant­
worteten 78% Barbies Haare, 73% die Kleidung, 51% die
Accessoires, 47% das Zubehör, 36% die Variationsbreite
des Spieles, 34% ihre Figur, 32% ihre Gelenkigkeit, und
über immer neue Artikel freuten sich 27%.
Sylvia Minich
Einer relativ hohen Zufriedenheit der Befragten mit dem
eigenen Haar steht hohe Unzufriedenheit mit der eigenen
Figur gegenüber – immerhin wären 38% sofort zu einer
Liposuktion (Fettabsaugung) an Beinen oder Po bereit. For­
mende und stützende Kleidung ist Standard für so gut wie
für alle befragten jungen Frauen. Der Anteil derer, die mit
dem eigenen Gesicht genauso zufrieden sind wie mit Bar­
bies Antlitz war sechsmal höher als die Anzahl derer, die mit
dem eigenen Gesicht unzufrieden sind. Dies zeigt, dass
Schönheit nicht an Vorgaben, sondern an Individualität
gemessen wird.
ideal zu entsprechen – der Trend zeigt eine Gegensatzdyna­
mik auf: Mütter, die begeisterte Barbie-Fans sind, bewirken
Abwehr dieses Schönheitsideales bei ihren Töchtern und
umgekehrt.
Gesundheitliche Fakten zählen für das Aussehen nicht,
Unzufriedenheit mit der eigenen Figur wird klar deklariert,
jedoch weiß nur eine der 67 Befragten ihren Body-MaßIndex (Der Body-Maß-Index ist die medizinische Berech­
nungsformel für die Beurteilung des Körpergewichtes: Kör­
pergewicht (in kg) geteilt durch Körpergröße (in m) im Qua­
drat. Ergebnisse zwischen 19 bis 24 gelten bei 18-34 jähri­
gen als normal, bei über 35jährigen liegt der Idealbereich
zwischen 19 und 26.). Der Maßstab für das eigene Körper­
gewicht sind nicht medizinische Kriterien, sondern die sub­
jektive Wahrnehmung der eigenen Silhouette. Jede der
Befragten kennt ca. vier andere junge Frauen mit Essstö­
rungen.
Spielzeug als Teil des Sozialisationsfeldes ist Träger von
Wertevermittlung. Als Ergebnis der Untersuchung kann
geschlossen werden, dass Schönheit als Wert absolut
begriffen wurde, jedoch nicht, dass eine bestimmte Ästhe­
tik von der Barbiepuppe übernommen wurde.
Zu den Ausgaben für Kosmetika befragt, ist ein signifikan­
tes Ansteigen von 25% auf bis zu 50% des eigenen Geldes
abzulesen, und zwar steigern sich die Ausgaben proportio­
nal zu den Einkünften – je mehr Geld vorhanden ist, umso
höher ist der Prozentsatz der Ausgaben. Pflege und Ver­
schönerung wird demnach als existentiell wichtig erachtet.
Pädagogische Konsequenzen
Die anfängliche Hypothese, dass Mädchen, die mit Barbies
spielen, eine Schönheitsvorstellung entwickeln, die dieser
Puppe entspricht, konnte durch die Untersuchung nicht
eindeutig bewiesen werden. Zu sehr unterscheiden sich die
Merkmale, die bei Barbie als schön empfunden wurden von
denen, die für die jungen Frauen selbst bestimmend sind.
Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen korreliert
manchmal, aber nicht eindeutig mit dem Abweichen des
eigenen Aussehens von Barbies Attributen. Dies lässt
jedoch nicht den Schluss zu, dass Barbie keinen Einfluss
auf die Schönheitsvorstellung hat, sondern dass vielmehr
eine realitätsbezogene Relativierung stattfindet. Einige Attri­
bute scheinen hohen Nachahmungswunsch auszulösen
(schlanke Beine…), andere werden als bei sich selbst nicht
relevant erlebt (lange Haare, großer Busen…).
Eindeutiger ist der Zusammenhang zwischen den emotio­
nalen Bezügen der Mütter der Befragten zu Barbie und den
eigenen Bedürfnissen der Mädchen, diesem Schönheits­
Junge Frauen sind bereit, sehr viel für ihre Schönheit zu tun.
Da Schönheit allerdings ein soziales Konstrukt ist, kann
nicht linear davon ausgegangen werden, dass Barbie diese
Aktivitätsbeschleunigung für das eigene Aussehen initiierte,
sondern dass die Zusammenhänge in größeren Bezügen zu
sehen sind.
Die Auswahl von Spielzeug durch Eltern und PädagogInnen
zeigt dem Kind auf, welche Themen Wichtigkeit haben,
jedoch das Kind entscheidet, was es damit macht. Die
Untersuchung zeigt lediglich, dass Schönheitsmerkmale
von den Kindern erkannt und benannt werden können,
diese aber nicht als zu internalisierend erfasst werden müs­
sen (Minich 2003).
Pädagogisches Handeln ist immer eine politische und
gesellschaftliche Entscheidung. Schon die Auswahl eines
Spielmaterials übermittelt dem Kind die Botschaft, wie
seine Auseinandersetzung mit der Welt erfolgen soll, was
von ihm erwartet wird.
Es ist keineswegs egal, was wir Kindern im Spiel zumuten,
denn alles, was uns wichtig erscheint, geben wir mit diesen
Spiel-Gaben an das Kind weiter. Kein Kind „spielt nur“ – es
begreift im Spiel die Welt und unsere Absichten, es in die­
ser Welt zu verorten.
Viele Spielhandlungen mit Barbie sind ritualisiert und erin­
nern an Kulthandlungen (z.B. das ständige Umkleiden, um
an die jeweiligen Situationen angepasst zu sein). In vielen
Wiederholungszirkeln verarbeiten die Kinder so gegenwär­
tige und zukünftige Thematiken (z.B.: Morgens gepflegt in
der Firma erscheinen, nachmittags sportlich am Tennisplatz
üben, abends in auffälliger Robe auf den Ball gehen…) Oft­
malige Wiederholungen zeigen immer ein besonderes
Spielbedürfnis des Kindes, es erschiene aus pädagogischer
Sicht absurd, das Spiel mit Barbie nicht zuzulassen.
55
Sylvia Minich
Dem Spiel des Kindes und damit auch der Auswahl seiner
Materialien sind Achtung entgegenzubringen. Hier richtet
sich ein junger Mensch in einer ihn umgebenden Gegenwart
und in einer ihn erwartenden Zukunft ein. Dass auf Jungen
und Mädchen jeweils spezielle Ansprüche warten, ist Reali­
tät, dass weibliche Schönheit großen Stellenwert in unserer
Gesellschaft hat, auch.
Durch meine Untersuchungen habe ich gelernt zu relativie­
ren und zu objektivieren. Als Pädagogin möchte ich sagen,
dass Barbie ja nur ein Phänomen unter vielen ist – wenn sie
weiterhin so viel Ablehnung auslöst, sollte man bedenken,
wie viel Macht wir einem kleinen geformten Stück Vinyl in
die Hand geben und wie wenig wir an die relativierenden
Kräfte im Kind glauben. Wir stellen mit der Auswahl von
Spielmaterial Möglichkeiten in den pädagogischen Raum –
was das Kind jedoch daraus macht, ist immer noch an
seine subjektiven Kräfte gebunden.
56
Wie Pädagogik damit zurande kommt, dass einerseits das
Phänomen Barbie existiert, andererseits für eine emanzi­
pierte, geschlechtssensible Entwicklung von Gesellschaft
solches Spielmaterial kontraproduktiv erscheint, ist eine
Grundproblematik in der Erziehung. Immer wenn Gesell­
schaft mit einer Erscheinung nicht zufrieden ist, ist Erzie­
hung angesagt. Verkehrserziehung gegen Verkehrstote,
Ethikunterricht bei Werteverfall, der spielzeugfreie Kinder­
garten als Suchtprävention.
Pädagogik ist jedoch kein Kräutergarten, wo gegen alles ein
Pflänzchen gewachsen ist.
Wenn Gesellschaft will, dass Kinder in eine gute Gesell­
schaft kommen, so sind alle aufgerufen, diese gute Gesell­
schaft zu sein!
Literatur
Literatur
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Kontaktadressen
Kontaktadressen
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1082 Wien, Friedrich Schmidt Platz 3/4. Stock
Tel.: 01/4000-83515
www.frauen.wien.at
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur
Abt. für geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gender
Mainstreaming
1014 Wien, Minoritenplatz 5
Tel.: 01/53120-2820
www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/prinz/erziehung­
gleichstellung.xml
Erziehung zur Gleichstellung von Männern und Frauen
www.bmukk.gv.at/gleichstellung-schule
Geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gleichstellung von
Mädchen und Buben
fun & care – Geschlechtssensibles Kindertagesheim
1150 Wien, Brunhildengasse 1A/1, Tür 3.1
Tel.: 01/786 50 88
Pädagogik, Fortbildungseinrichtungen
EfEU – Verein zur Erarbeitung feministischer
Erziehungs- und Unterrichtsmodelle
1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 41
Tel.: 01/966 28 24
www.efeu.or.at
Bibliothek, Beratung, Aus- und Fortbildung, Forschung,
Evaluation, Publikationen
ifp – Institut für Freizeitpädagogik
1080 Wien, Albertgasse 35/II
Tel.: 01/40 66 555
www.wienxtra.at
Fort- und Ausbildungen zu gendersensiblen Themen
Männerberatung Wien
1100 Wien, Erlachgasse 95/5
Tel.: 01/603 28 28
www.maenner.at
Verein Wiener Jugendzentren
1210 Wien, Prager Straße 20
Tel.: 01/278 76 45
www.jugendzentren.at
Fortbildungen
64
Freizeit
Geheimer Garten – Verein Zeitraum
1150 Wien, Reichsapfelgasse 31
Tel.: 01/895 72 65
www.zeitraum.co.at/aufsuchend/garten.html
Öffnungszeiten exklusiv für Mädchen
Mädchengarten
1110 Wien, Hauffgasse 26
Tel.: 0699/192 06 463
www.maedchengarten.at
Verein Wiener Jugendzentren
1210 Wien, Prager Straße 20
Tel.: 01/278 76 45
www.jugendzentren.at
diverse gendersensible Angebote für Mädchen und Buben
wienXtra
www.wienxtra.at
Freizeit-Aktivitäten für Kinder und Jugendliche, Fortbil­
dungsmöglichkeiten für Erwachsene und ein breites
Beratungs- und Bildungsservice für junge Menschen –
mädchenspezifische Angebote
Berufsorientierung
SPRUNGBRETT Mädchen – Beruf – Zukunft
1150 Wien, Pilgerimgasse 22-24/1/1
Tel.: 01/789 45 45
www.sprungbrett.or.at
Berufsorientierung für Mädchen ab 10 Jahren
Gesundheit, Sexualität
F.E.M.
1180 Wien, Bastiengasse 36-38
Tel.: 01/476 15-5771
www.fem.at/fem18/femhome.htm
Beratung, Workshops für Mädchen zum Thema Sexualität,
Körper, Essstörungen,...; Informationsabende für Erwach­
sene z.B. zu Essstörungen
F.E.M. Süd – Frauengesundheitszentrum im Kaiser
Franz Josef Spital Wien
1100 Wien, Kundratstraße 3 | Tel.: 01/601 91-5201
www.fem.at/femsued/suedhome.htm
Muttersprachliche ärztliche, gynäkologische und psycholo­
Kontaktadressen
gische Beratung für Mädchen und Frauen in den Sprachen
Türkisch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch (ärztliche Bera­
tung auch in arabischer Sprache möglich). Vorträge zu den
Themen Gesundheit, Körper,...
Love talks
Österreichisches Institut für Familienforschung
1010 Wien, Gonzagagasse 19/8
Tel. 01/535 14 54
http://lovetalks.org
Workshops zum Thema Sexualität für Schulen und
Kindergärten, Special LoveTalks für Menschen mit
Behinderungen
Tamar – Beratungsstelle für sexuell missbrauchte
Mädchen und Frauen
1090 Wien, Wexstraße 22/3/1
Tel.: 01/334 04 37
www.tamar.at
Beratung und Begleitung, Präventionsarbeit durch Infor­
mation und Fortbildungen
Frauennotruf der Stadt Wien
Tel.: 01/71 71 9 (rund um die Uhr!)
www.wien.gv.at/ma57/notruf.htm
M.E.N. Männergesundheitszentrum
im Kaiser Franz Josef Spital
1100 Wien, Kundratstraße 3
Tel.: 01/601 91-5454
www.men-center.at
Wiener Notruf – Beratung für vergewaltigte Frauen
und Mädchen
1172 Wien, Postfach 214
Tel.: 01/523 22 22 (rund um die Uhr!)
www.frauenweb.at/notruf
Workshops für Multiplikatorinnen zum Thema sexuelle
Gewalt
Sexueller Missbrauch
Selbstverteidigung
Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen
und Frauen
1060 Wien, Theobaldgasse 20/1/9
Tel.: 01/587 10 89
www.members.aon.at/maedchenberatung
Angebote für Mädchen, für PädagogInnen, Supervision
Defendo – Schutz vor Gewalt und Missbrauch
1040 Wien, Mittersteig 9/Top 1-2
Tel.: 01/587 09 92
www.defendo.at
Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungstraining für
Mädchen und Buben, Mutter-Tochter-Kurse, Ausbildung
zur Defendo-Trainerin, Vorträge
Selbstlaut – Verein zur Prävention von sexuellem
Kindesmissbrauch
1090 Wien, Berggasse 32/4
Tel.: 01/810 90 31
http://members.telering.at/selbstlaut/
Präventionsarbeit mit Kindern, Beratung, Praxis- und Pro­
jektbegleitung, Elternabende, LehrerInnen-Konferenzen,
Hilfe und Unterstützung bei Verdacht/Aufdeckung von
sexuellem Missbrauch, Supervision, Seminare, Bibliothek
Ninlil – Verein wider die sexuelle Gewalt gegen Frauen,
die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert
werden
1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 41
Tel.: 01/714 39 39
www.ninlil.at
Persönliche und telefonische Einzelberatungen, themen­
spezifische Teamberatungen bzw. Fallsupervisionen und
Seminare
Drehungen
1052 Wien, Postfach 1313
www.verein-drehungen.at
Kurse zum Thema „Körperbewusstsein – Selbstbewusst­
sein – Selbstbehauptung“ für Mädchen und Frauen
Frau in Bewegung
c/o Hanja Dirnbacher
Tel.: 01/729 69 13
www.drehungen.at
Kurse für Mädchen und Frauen, Mutter-Tochter-Kurse,
Ausbildung zur Trainerin für Drehungen
power4me – Prävention und Selbstverteidigung
1190 Wien, Probusgasse 3
Tel.: 0699/144 44 044
www.power4me.at
Klassenworkshops (zum Teil geschlechtsgetrennt), Mäd­
chen- und Bubenworkshops, Mutter-Tochter-Kurse
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Kontaktadressen
SEITO BOEI – Arbeitsgemeinschaft für Frauennotwehrtechnik
Tel.: 0699/114 38 076
www.seitoboei.at
Mädchenkurse, Ausbildungen
Wen Do Wien
Feministische Selbstverteidigung von Frauen für Frauen
und Mädchen
Autonomes Frauen/Lesbenzentrum
1090 Wien, Währingerstraße 59/6
Tel.: 01/408 50 57
Mädchenkurse
Zusätzlich bieten diverse Volkshochschulen Selbstverteidi­
gungskurse für Mädchen/Buben bzw. Frauen an. Beim Bildungstelefon nachfragen (Tel.: 01/893 00 83) bzw. im Internet unter
http://vwv.at/Kurssuche.do?menuId=kurse-kurssuche
suchen.
MigrantInnen
F.E.M. Süd – Frauengesundheitszentrum im Kaiser
Franz Josef Spital Wien
1100 Wien, Kundratstraße 3
Tel.: 01/60191-5201
www.fem.at/femsued/suedhome.htm
Muttersprachliche ärztliche, gynäkologische und psycholo­
gische Beratung für Mädchen und Frauen in den Sprachen
Türkisch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch (ärztliche Bera­
tung auch in arabischer Sprache möglich). Vorträge zu den
Themen Gesundheit, Körper,...
Miteinander lernen – BIRLIKTE ÖGRENELIM
1160 Wien, Koppstraße 38/8
Tel.: 01/493 16 08
www.miteinlernen.at
Beratung, Bildung und Psychotherapie für Frauen, Kinder
und Familien mit dem Schwerpunkt MigrantInnen aus der
Türkei
Peregrina
1090 Wien, Währingerstraße 59/Stiege 6/1
Tel.: 01/408 61 19
www.peregrina.at
Beratungs-, Therapie- und Bildungszentrum für Immigran­
tinnen jeglicher Herkunft, auch muttersprachliche Beratung
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Bücher
Buchhandlung Frauenzimmer
1070 Wien, Zieglergasse 28
Tel.: 01/522 48 92
www.frauenzimmer.at
Literatur u.a. zu geschlechtssensiblen Themen in Schule,
Kindergarten, außerschulischer Arbeit, zu (sexueller)
Gewalt, Präventions-, Unterrichtsmaterialien, Kinderbücher
Stichwort – Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung
Bibliothek . Dokumentation . Multimedia
1150 Wien, Diefenbachgasse 38/1
Tel.: 01/812 98 86
www.stichwort.or.at
Archiv und Bibliothek mit Online-Recherchemöglichkeit,
Vorträge
Links
Links
Geschlechtssensible Pädagogik
www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/prinz/erziehung_gleichstellung.xml
Infos des bmukk zum Thema „Erziehung zur Gleichstellung von Männern und Frauen“
www.bmukk.gv.at/gleichstellung-schule
Infos des bmukk zum Thema „Geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gleichstellung von Mädchen und Buben“
www.maedchen-jungen.de/geschlecht/index.html
Anregungen, Ideen und Vorschläge zum Thema Mädchen & Jungen für die Arbeit im Kindergarten
www.genderundschule.de
Website von der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte, Niedersachsen
mit vielen Informationen und praktischen Beispielen (Mädchen-, Bubenarbeit,...)
www.wechselspiel-online.de
Infos zu geschlechtsbewusster Pädagogik
www.das-labyrinth.at/ilse/ilsestart.htm
Homepage von Ilse M. Seifried mit vielen Buchbesprechungen, Infos zu Gender Mainstreaming, geschlechtssensibler Päd­
agogik,...
www.engelszungen.at
Homepage von Gerda Sengstbratl mit Infos zu „roten Festen“ u.a.
www.lrsocialresearch.at/content.php?pg=archiv&aid=473&lng=de
Informationen zum Thema Gender Mainstreaming
Feste, Feiern, Bräuche
www.weihnachtsstadt.de/brauchtum/allgemein/Barbara_Tag.htm
www.petruscanisius.de/Bokeloh/B_Patron_Barbara.htm
Hl. Barbara
www.weihnachtsstadt.de/brauchtum/allgemein/Santa_Lucia.htm
Luzia
www.nordzeit.de/weiwei.htm
Infos zu Weihnachten (Percht, Luzia,...)
http://members.chello.at/hhofer/advent-weihnachten-international.htm
Geschichten, Bräuche, Rezepte zu Weihnachten in anderen Ländern
www.frauensagen.at.tf/
Sagen und Geschichten für Frauen und Mädchen
www.frauenwissen.at/
Göttinnen, Magie und Rituale
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Links
Arbeitswelt
www.jobs4girls.at/003/FrauenInJobs
200 berufstätige Frauen, aus unterschiedlichsten Bereichen, mit ganz verschiedenen Ausbildungswegen erzählen von
ihrem Berufsleben
www.mut.co.at
Maßnahmen zur Technikförderung und zur Erweiterung des Berufswahlspektrums von Mädchen
www.zzzebra.de/index.asp?themaid=386
dieser Teil der Website www.zzzebra.de richtet sich an Mädchen und stellt u.a. berühmte Mathematikerinnen,
Physikerinnen, Biologinnen, Medizinerinnen vor
Historisches/Biographisches
www.bmukk.gv.at/schulen/bw/ueberblick/frauenzeittafel.xml
historische Daten zur Frauen- und Mädchenbildung in Österreich
www.renner-institut.at/frauenakademie/index.html
Informationen zu Frauen/Frauenpolitik in Österreich
http://www.onb.ac.at/ariadne/ueber_ariadne.htm
Informationen zur österreichischen Frauengeschichte, zu Persönlichkeiten, Frauenvereinen, Mädchenschulen/Frauenbil­
dungseinrichtungen, Frauenzeitschriften,...
www.renner-institut.at/frauenakademie/frauentag/frauentag.htm
www.meinhard.privat.t-online.de/frauen/frauentag.html
www.frauennews.de/themen/taggesch.htm
Informationen zum Internationalen Frauentag
www.fembio.org
Institut für Frauen-Biographieforschung initiiert von Luise F. Pusch. Bietet unter anderem Datensätze zu berühmten Frauen.
Sonstiges
www.wien.gv.at/ma57/sprache/index.html
http://frauensprache.com/
www.bmukk.gv.at/medienpool/7108/PDFzuPubl0403.pdf
Infos zu geschlechtergerechter Sprache
www.plattformgegendiegewalt.at/02_de/projects.asp?sort=Nam
Sammlung von Organisationen/Personen, die in den einzelnen Bundesländern Österreichs geschlechtssensible Gewaltprä­
ventionsprojekte anbieten
www.ffl.at
Homepage des Frauenforums Leibeserziehung, Infos zur Schriftenreihe „Mädchen im Turnsaal“
Impressum:
Medieninhaberin und Herausgeberin: Frauenabteilung der Stadt Wien (MA 57), Friedrich-Schmidt-Platz 3, A-1082 Wien
Inhalt: Claudia Schneider I Redaktion: Monika Steinböck (aktuelle Auflage) I Grafik: atelier olschinsky
3. Auflage I Wien, Oktober 2011
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