Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik
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Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik
Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik Beilage 2014, Claudia Schneider Über ein Jahrzehnt ist seit der Erstellung der 1. Auflage des „Leitfadens für geschlechtssensible Pädagogik“ vergangen – viele Jahre, in denen Elementarpädagog_innen Genderkom petenz aufgebaut und erweitert haben, sie ihre pädagogische Praxis entwickelt und inhaltliche und organisatorische Verände rungen in ihren Einrichtungen eingeleitet und umgesetzt haben mit dem Ziel, Kinder bei Lernprozessen und im Aufwachsen ohne Einschränkungen aufgrund von Geschlechterrollen zu be gleiten. Gender-Expertise wird auf Grundlage gendertheoretischer For schungsergebnisse aufgebaut. Den Entwicklungen des letzten Jahrzehnts Rechnung zu tragen, quasi in komprimierter Form den „state of the art“ der wissenschaftlichen Auseinanderset zung mit Geschlecht/Gender darzustellen, dazu dient dieses Ergänzungsblatt. Was sind gesellschaftlich/politische Entwick lungen und aktuelle Forschungsfelder; was sind neue For schungsergebnisse, aber auch Forschungsfragen, die vonsei ten der Wissenschaft und der Praxis bearbeitet werden können? Gender verstehen Als produktiv in der Analyse von Geschlechterverhältnissen erweisen sich zunehmend diejenigen gendertheoretischen Forschungsansätze, die Geschlecht in umfassendem Sinn als Konstruktion begreifen, die nach der eigenen aktiven Beteili gung an der Produktion von Geschlechterunterschieden fragen und die Lernprozesse im Rahmen der geschlechterdifferenzie renden Sozialisation analysieren – im wörtlichen Sinn, indem im Verlauf von Sozialisation Differenzierungen und Prozesse von Unterscheidung auf das Kind ‚einwirken‘ (vgl. Gildemeister/ Robert 2008, Paseka 2009). Kinder lernen, als geschlechtliches Wesen wahrgenommen zu werden, danach bewertet, beurteilt zu werden, sie lernen, sich selbst als geschlechtliches Wesen zu erfahren und sich entsprechend zu verhalten, zum Beispiel durch die Vorbilder in der Werbung. Die in ihr angepriesene kindliche Produktwelt ist eine – schon überwunden geglaubte – zunehmend geschlechtlich zweigeteilte: das Kinderüber raschungsei für Mädchen in rosa und andere Objekte der „Pinkification“ stehen als Symbole für ein soziales Konzept von Mädchensein, das einengt und traditionelle Stereotypen be stätigt, somit die Bandbreite an Spiel und Erfahrung limitiert (vgl. pinkstinks.de). Kinder identifizieren sich z.B. mit bestimm ten Spielwaren und Spielfiguren mit ihrer geschlechtsspezifi sche Ausdifferenzierung (z.B. Hello Kitty, LightningMcQueen; vgl. mytoys.de: Mädchenwelten – Jungenwelten). Diese Ein flüsse sind vom erzieherischen Umfeld oft nicht geplant oder gewollt, und sie werden von den Eltern oder Erzieher_innen selten wahrgenommen. „So sagte beispielsweise eine Mut ter: ‚Ich weiß auch nicht, warum das so ist, dass die Jungs immer so wild sind und Action machen müssen. Ich glaube, das ist doch angeboren. Wir haben das eigentlich nie so ge fördert!’ Sie sagt dies in subjektiver Überzeugung, obwohl das Kinderzimmer ihres Sohnes klar auf eine geschlechtli che Symbolik hin ausgelegt ist, obwohl sie es war, die ihren Sohn zum Fußball angemeldet hat, die ihm die Militär-Hose ge kauft hat, die sein Autobett bestellt hat, die den Schlafanzug mit Spiderman ausgewählt hat, die seine Piraten-Geburtstagsfeier organisiert hat u.v.m. Die alltäglichen Handlungsroutinen, in die die alten Geschlechterbilder eingelagert sind, geraten der Mut ter nicht reflexiv in den Blick bzw. erweisen sich aufgrund ihrer Alltäglichkeit als blinde Flecken.“ (Hunger/Zimmer 2012, 9) Auch pädagogische Kontexte sind von geschlechterdifferen zierenden Handlungsroutinen geprägt – ebenso wie wissen schaftliche Untersuchungen: ein aktuelles Forschungsprojekt der Hochschule Dresden zum professionellen Erziehungsver halten von Männern und Frauen in der Elementarpädagogik untersucht, inwieweit sich männliche und weibliche Fachkräfte in ihrem konkreten Interaktionsverhalten gegenüber Kindern unterscheiden (Brandes u.a. 2013, ehs-dresden.de/index. php?id=690). In den ersten vorliegenden Ergebnissen findet sich die durch die Bindungsforschung nahegelegte Vermutung, dass Männer Kinder stärker herausfordern, nicht bestätigt, ebenso wenig zeigen sich Differenzen zwischen weiblichen und männlichen Fachkräften in Bezug auf Einfühlsamkeit, dialogi sche Interaktion, Art der Kooperation und Kommunikations inhalte. Bemerkenswerte Unterschiede im Kommunikationsverhalten zeigen sich aber, wenn die Geschlechtszugehörig keit der Kinder berücksichtigt wird: „Mit Jungen wird deutlich eher sachlich-funktional über die Aktivität als mit Mädchen gesprochen. Mit Mädchen wird hingegen eher die Beziehung oder Persönliches (Attribute, Erfahrungen, Gefühle) thematisiert als mit Jungen. Auch wird in der Zusammenarbeit mit Mäd chen die Aktivität stärker durch assoziative Phantasien oder Narrationen begleitet als mit Jungen. (...) (d)ie deutlichsten Kontraste (bestehen) dabei zwischen den gleichgeschlecht lichen Konstellationen: Das Geschehen zwischen Mann und Junge wird von den Akteuren auffallend und signifikant sachbezogener und funktionaler kommentiert als das zwi schen Frau und Mädchen, wo Persönliches und Narratio nen dominieren. Diese Kontraste gehen aber in erster Linie auf das Geschlecht des Kindes zurück.“ (Brandes u.a. 2013, 40f.) Männer bauen mit Jungen deutlich häufiger Objekte und mit Mädchen eher Subjekte (operationalisiert als „ver fügt (nicht) über Augen“). Frauen stellen dagegen mit Jungen und Mädchen eher Subjekte her (ebda., 41). „Insgesamt er weist sich in der statistischen Datenanalyse das Geschlecht des Kindes als einflussreicher auf das Geschehen als das Geschlecht der Fachkräfte.“ (ebda., 42) Von den Studienautor_innen werden dieses Detailergebnisse (noch) nicht kommentiert oder interpretiert; aus konstruktivis tischer Genderperspektive kann daraus erkannt werden, wie, E1 Beilage 2014, Claudia Schneider wodurch und was die beteiligten Kinder über Geschlecht, Ge schlechterordnungen und Geschlechterrollen lernen, indem die oben beschriebenen Unterscheidungen im Kommunikationsverhalten und in der Produktgestaltung auf sie „einwirken“. Hier wären für die untersuchten Elementarpädagog_innen kon krete Ansatzpunkte zur Sensibilisierung für ihre Herstellungs prozesse von Geschlecht und zum Aufbau ihrer Genderkom petenz: im routinierten und nur bedingt bewusst kontrollierten doing gender in der Interaktion die eigene Beteiligung an der „Produktion von Unterschieden“ zu erkennen und in der Folge ihre pädagogische Professionalität weiter zu entwickeln. Auseinanderfalten von Konstruktions mechanismen (vgl. Hartmann 2011) In konstruktivistisch angelegten Genderanalysen wird Ge schlecht oder Geschlechtszugehörigkeit nicht als Eigenschaft oder Merkmal von Personen betrachtet und wie sich dadurch unterschiedliche Muster der Auseinandersetzung mit der sozi alen und dinglichen Umwelt ergeben, sondern es werden jene sozialen Prozesse untersucht, in denen „Geschlecht“ als sozial folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert wird (Gildemeister 2004, 133). Der Fokus liegt damit nicht auf der Suche nach Unterschieden, sondern auf Prozessen der Un terscheidung im Lernen und Erwerb von Geschlechtsidentität. Was lernen Kinder im Prozess der geschlechterdifferenzieren den Sozialisation über Geschlecht? Der Prozess des sozialen Lernens umfasst die Aneignung der umgebenden Geschlech terordnung und das Hineinwachsen in Geschlechternormen. Eine dieser Normen ist die Norm der Zweigeschlechtlichkeit: „Da Menschen nach den Kategorien männlich und weiblich klassifiziert werden, müssen als Folge auch Unterschiede konstruiert werden, damit Unterscheidung überhaupt zweck mäßig ist“ (Sutterlüti 2010, 44). Die Norm der Zweigeschlecht lichkeit scheint den meisten Menschen „natürlich“ und biolo gisch vorgegeben zu sein (Norm der Naturhaftigkeit) – sie wird erlernt, ebenso wie die Norm der Eindeutigkeit, der Unverän derbarkeit sowie das Prinzip Heterosexualität als Norm, mit Homo-, Bi-, Transsexualitäten und queer als Abweichungen dieser Norm(alität). Weil wir alle, unentwegt und großteils un bewusst, gesellschaftliche Geschlechternormen verinnerlichen, ist es schwierig, Geschlecht und Geschlechterunterschiede als konstruiert wahrzunehmen – dies steht dem Alltagswissen der meisten Menschen diametral entgegen. Regine Gildemeister spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚Provokation für das Alltagsdenken’ (Gildemeister 2005, 71), da das Infragestel len der Geschlechtskategorien Frau und Mann der kulturellen Matrix der Zweigeschlechtlichkeit widerspricht. Diese bestimmt unser Verhalten und Handeln durch „norma tive Vorgaben, die für eine der beiden zur Verfügung stehen E2 den Geschlechterkategorien als angemessen gelten“ (Sut terlüti 2010, 49). Viele Eltern und gendersensibel arbeitende Pädagog_innen stehen vor einem Dilemma, wenn lediglich die negativen Seiten des Weiblichkeits- (Passivität, Ängstlich keit, Schüchternheit, Eitelkeit etc.) bzw. Männlichkeitskonzepts (Aggressivität, Gewaltbereitschaft, Aufsässigkeit, Schmutzto leranz) problematisiert werden (Gildemeister/Robert 2008, 67), die Binarität von männlich und weiblich selbst aber nicht in Frage gestellt wird und dieser Dualismus unberührt bleibt. Man kann mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit von Kindern nicht verlangen, sich als erkennbar männlich und weiblich zu zeigen, und ihnen gleichzeitig die Mittel, mit deren Hilfe sie dies tun können, vorenthalten; sie „gehören zu den Kernelementen des jeweiligen Konstruktionsmodus“ (ebda.). Eine Möglichkeit für Kinder, sich erkennbar männlich oder weib lich zu zeigen, ist eine Präferenz für die „richtigen“ Spielsachen zu entwickeln. Auch wenn Bratz, Barbie, Star Wars und Co. nicht zum standardmäßigen Spielinventar der meisten Kin dergärten und Kindertagesstätten gehören – Kinder werden rund um die Uhr mit diesen Botschaften in Bezug auf Mäd chen- und Bub-Sein konfrontiert. Sie eignen sich in den ent sprechenden Spielhandlungen die zugehörigen Eigenschaften, Fähigkeiten, emotionalen Ausdrucksweisen, Körper- und Stimmbilder an. Der Kindergarten ist ein Ort für Kinder, um in ihren Interaktionen auszuprobieren und zu zeigen, ob und wie sie das von ihnen gesellschaftlich erwartete doing gender be reits gelernt haben. Gendersensible Pädagog_innen unterstützen Kinder dabei, die gesellschaftlichen Anforderungen, die sich im Kinderspielzeug manifestieren, mit kritisch/lustvollen Fragen zu relativieren: „Was tut Aniken Skywalker, wenn er nicht kämpft? Mit wem bespricht er seine Ängste, wie kocht er sich sein Essen? Was tut Barbie, wenn sie sich nicht gerade schön macht? Wer kümmert sich um ihre Wäsche und den Müll?“ Perspektivenwechsel vornehmen – Paradoxien ausbalancieren In Ergänzung zu den Leitfragen im Leitfaden (z.B.: Mit welchem Spielzeug spielen Mädchen/Buben lieber? Wie viel Raum neh men sich Mädchen/Buben?) ist es zum Zweck der Verflüssi gung oder Auflösung der Binarität weiblich/männlich notwen dig, verstärkt nach Konstruktionsmechanismen von Geschlecht zu fragen: < Wo wird Geschlecht „dramatisiert“, indem geschlechts gebundene Aussagen getroffen werden? < Was tun Menschen, damit sie den Erwartungen entspre chend als Frau/Mädchen oder Mann/Bub erkennbar sind? < Was kann ein Differenz-Marker sein – Farben, Spielfiguren, Kleidung,Vornamen,...? Beilage 2014, Claudia Schneider < Wie stellen Kinder – gemäß den gesellschaftlichen Erwar tungshaltungen bzgl. Differenz und Unterschied – in Spielverhalten, Körperrepräsentationen, Bewegungsverhalten, körperlichem Können und Aussehen ihre Geschlechtszu gehörigkeit dar und her? < Wie wird auf Kinder reagiert, die diese Erwartungen, diese Geschlechtergrenzen überschreiten? < Wie kann Geschlecht „entdramatisiert“ werden, indem pädagogische Prozesse an der Heterogenität der Kinder orientiert werden, sie als Individuen und nicht allein Reprä sentant_innen des Geschlechts (oder einer „ethnischen“ Gruppe, einer Religionsgemeinschaft,...) gesehen werden? < Wie können Pägagog_innen Kinder dabei unterstützen, „Bilder entstehen zu lassen, die nicht mit Identifikations zwängen arbeiten, sondern mit Angeboten, für deren Ab lehnung niemand einen Preis bezahlen muss“? (Nils Pickert in: pinkstinks.de/maedchen-gegen-jungen/) Das erfordert von Pädagog_innen, dass sie Schritt für Schritt das Denkens in Binaritäten aufgeben, „die Angst vor den Vermi schungen loslassen können genauso wie die Kategorien Män ner und Frauen selbst. Das ist kein Gleichmachen, sondern ein Vielmachen.“ (Stevie Schmiedel, 1. Vorstandsvorsitzende, Ge schäftsführerin und Pressesprecherin von Pinkstinks, in: pink stinks.de/frau-im-feminismus) Entdecken Sie Ihr Gender Übung zur gender- und diversitätsbewussten Selbstreflexion (aus: PeerThink 2009, 50f.): < „Mit welchem Spielzeug haben Sie als Kind gespielt? Mit welchen Spielsachen haben Sie nicht gespielt, z.B. weil es für 'das andere Geschlecht' reserviert war oder weil es nicht für Sie erreichbar war, weil es zu einer anderen Klasse gehörte (z. B. eine bestimmte Puppe, die zu teuer war)? < Was haben erwachsene Leute oder Gleichaltrige gesagt, was Sie tun sollen und was nicht? < Welche Kleidung hat Sie besonders interessiert, welche war für Sie verboten? < Wer waren Ihre Idole (Sportler_innen, Sänger_innen, große Schwester/großer Bruder, ...)? < Wie war Ihre Beziehung zu anderen Kindern, z.B. in der Schule? War es konkurrenzhaft, interessiert, bedrohlich oder zwiespältig? Erkennen Sie eine Bedeutung von Gender, Klasse oder Kultur in diesen Beziehungen wieder? < Was haben Ihre Eltern, Ihre Familie, Ihre Peer-Group von Ihnen erwartet? < An was haben Sie gelitten? < Haben sie irgendeine Art von Initiationsriten erlebt? < Wann haben Sie sich stark gefühlt? < Wann haben Sie sich schwach gefühlt? < Welche Erinnerungen haben Sie, während Sie diese Fragen gelesen haben, verdrängt?“ Orientierungslinien für pädagogisches Handeln Gesellschaftliche Heterogenität oder Diversität wird zuneh mend wahrgenommen: häufig in Bezug auf Sprachen, Nati onalitäten, Geschlecht, kulturelle und religiöse Bezugssyste me, ökonomische Lage, seltener bezüglich Beziehungs- und Familienformen, sexueller Orientierungen, Bildungsnähe/ -ferne der Familie, Abweichung von der strikten Geschlech terpolarität, Alter oder anderen Kriterien. Menschen sind von dieser Vielfalt von Unterschieden und Zugehörigkeiten be stimmt, bevorzugt oder benachteiligt (z.B. als Weiße, Frau, Mutter, Lesbe, Arbeiterin, Linke, Atheistin) – sie leben in un terschiedlichen und ungleichen Lebensverhältnissen. Gen dersensible und diversitätsbewusste Elementarpädago gik achtet die vorhandene Vielfalt an Familienkulturen und Lebensstilen. Inklusive, diversitätsbewusste Pädagogik denkt Vielfalt von der Vielfalt aus, nicht in Kategorien von Norm und Abweichung (vgl. Hartmann 2011). Sie stellt sich zur Aufgabe, Normen kritisch zu hinterfragen und zu dekonstruieren, „vorherrschende Identitäts annahmen und Normalitätsvorstellungen produktiv zu irritieren, die Dualitäten von Geschlecht, Sexualität und Lebensform zu verflüssigen und mit Kindern normenkritisch ins Gespräch zu kommen, z.B. über die gemeinsame Lektüre und Diskussion von kleinen Geschichten. Dabei gilt es Anknüpfungspunkt auf zugreifen und gemeinsam zu erörtern: ‚Wer bestimmt eigent lich, was richtig ist und was abgelehnt oder ausgelacht wird?’ Die Qualität einer normenkritischen Perspektive liegt darin, Dif ferenz – mit Blick auf Familie, aber auch auf Geschlecht und Sexualität – nicht einfach zu postulieren, sondern die Macht verhältnisse zur Sprache zu bringen, die diese hervorbringen, hierarchisieren, einschränken oder behindern.“ (ebda., 16) Kriterien für die Auswahl von Kinderbüchern, die zu einer vorur teilsbewussten und inklusiven Bildung und Erziehung beitragen können (nach: kinderwelten.net): < Können sich Kinder mit unterschiedlichen Vorerfahrungen und Familienkulturen damit identifizieren? < Regt es Kinder an, ihren Horizont zu erweitern und etwas über die Vielfalt von Lebensgewohnheiten zu erfahren? < Unterstützt es Kindern dabei, ihren „Gefühls-Wortschatz“ zu erweitern? < Enthält es keine stereotypen und diskriminierenden Ab bildungen oder Inhalte ? E3 Beilage 2014, Claudia Schneider < Regt es an, kritisch über Vorurteile und Diskriminierung nachzudenken? < Enthält es Beispiele, die Mut machen, sich gegen Diskrimi nierung und Ungerechtigkeit zu wehren? Exemplarisch folgen Empfehlungen zu den Themenbereichen „Leben in verschiedenen Familienformen“ sowie „Berufsorien tierung und Lebensgestaltung“: Hoffman, Mary/Asquith, Ros (2010): Du gehörst dazu: Das gro ße Buch der Familien. Sauerländer Maxeiner, Alexandra/Kuhl, Anke (2010): Alles Familie! Vom Kind der neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und anderen Verwandten. Klett Zehender, Dirk/Sadr, Soe (2011): So lebe ich ... und wie lebst du? Mardi-Verlag Göbel, Doro/Knorr, Peter (2013): Was machen die da? Eine Wimmelbilder-Geschichte über Berufe. Beltz & Gelberg Prusse, Daniela/Metzger, Wolfgang (2013): Bagger, Traktor, Müllabfuhr! Mein großes Fahrzeuge-Buch. Ravensburger Verlag Literatur Brandes, Holger/Andrä, Markus/Röseler, Wenke/SchneiderAndrich, Petra (2013): Männer in Kitas – Was machen sie anders und wie profitieren die Kinder von ihnen? Ergebnisse aus der „Tandem-Studie“ zu professionellem Erziehungsverhalten von Männern und Frauen. In: frühe Kindheit 5/13, 38-43 Fine, Cordelia (2012/2010): Die Geschlechterlüge. Die Macht der Vorurteile über Mann und Frau. Stuttgart: Klett-Kotta Gender Loops - Praxisbuch für eine geschlechterbewusste und -gerechte Kindertageseinrichtung. Berlin 2008; download: genderloops.eu/docs/genderloops-praxisbuch.pdf Gildemeister, Regine/Robert, Günther (2008): Geschlechter differenzierungen in lebenszeitlicher Perspektive. Interaktion – Institution – Biografie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen schaften Gildemeister, Regine (2005): Gleichheitssemantik und die Pra xis der Differenzierung. Wann und Wie aus Unterscheidungen Unterschiede werden. In: Vogel, Ursula (Hg.): Was ist weiblich – was ist männlich? Aktuelles zur Geschlechterforschung in den Sozialwissenschaften. Bielefeld: Kleine Verlag, 71-88 Wenn ich groß bin, werde ich .. Pixi-Reihe 141. Carlsen Verlag „Es geht um ein ‚Mehr’“ (Diane Torr, schottische Performance-Künstlerin) Das Ziel geschlechtersensibler Pädagogik ist es, eine freie Entwicklung zu ermöglichen, in der Kinder nicht auf festge legte Rollen beschränkt werden; es geht nicht darum, die Ge schlechtsentwicklung zu zerstören, aus Mädchen Buben oder umgekehrt oder sie zu androgynen Wesen zu machen, es geht um ein ‚Mehr’, um Befreiung, Stärkung und Ermutigung! Gildemeister, Regine (2004): Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Frankfurt: Verlag für Sozialwissenschaften, 132-141 Hartmann, Jutta (2011): Familie weiter denken – Impulse für eine inklusive Pädagogik. In: Zentrum für transdisziplinäre Ge schlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin (Hg.): ”School is out?!” – Strategien für eine Schule ohne Aus grenzungen. Erfahrungen von Kindern aus Regenbogenfamili en in der Schule. Internationale Fachkonferenz am 2.12.2011; http://www.gender.hu-berlin.de/rainbowchildren/konferenz/ dokumentation/view, 5-18 (30.5.2014) Hunger, Ina/Zimmer, Renate (2012): Jungen dürfen wild sein – Mädchen auch? Einflüsse auf geschlechtsspezifisches Bewe gungsverhalten. In: Kindergarten heute 8/2012, 8-12. Paseka, Angelika (2009): Geschlecht lernen rekonstruieren – dekonstruieren – konstruieren. Einige Anregungen für eine geschlechtersensible Pädagogik und Didaktik. In: Schweiger, Teresa/Hascher, Tina (Hg.): Geschlecht, Bildung und Kunst. Chancengleichheit in Unterricht und Schule. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 15-39 E4 Beilage 2014, Claudia Schneider PeerThink. Ein Handbuch für intersektionale Gewaltpräventi on mit Peers. Daphne II Projekt „PEERTHINK – TOOLS AND RESOURCES FOR AN INTERSEKTIONAL PREVENTION OF PEER VIOLENCE”. 2009; peerthink.eu/peerthink/images/ stories/090709_manual_deutsch_sb.pdf Schneider, Claudia (2013): Genderkompetenz: vom alltagswelt lichen Geschlechterwissen zur theoriegeleiteten Professionali tät. In: Ernstson, Sven/Meyer, Christine (Hg.): Praxis geschlech tersensibler und interkultureller Bildung. Wiesbaden: Springer VS, 19-40 Sutterlüti, Evelyn (2010): Gender am Werk. Herstellungs- und Reproduktionsmechanismen von Geschlecht in den Unter richtsfächern Technisches und Textiles Werken. Diplomarbeit, Universität für Angewandte Kunst, Wien Anregungen und Materialien für die Arbeit im Kindergartenalter: Bildungsinitiative QUEERFORMAT (2013): Begleitmaterial zum Medienkoffer „Familien und vielfältige Lebensweisen“ für Kin dertageseinrichtungen. Hg.: Senatsverwaltung für Bildung, Ju gend und Wissenschaft, Berlin; queerformat.de/fileadmin/user_upload/news/Begleitmaterial _Kita-Koffer.pdf Burtscher, Irmgard Maria (2008): Naturwissenschaft, Mathema tik und Technik. Das große KITA-Bildungsbuch. München: Don Bosco Unterrichtsmaterialien: (teilweise bereits im Kindergarten einsetzbar) Wagner, Petra (2013): Inklusive Qualitätsentwicklung in Kitas mit dem Ansatz Vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung©; erzieherin.de/inklusive-qualitaetsentwicklung.php mafalda (2014) (Hg.): Handreichung IMPULS. Didaktische und methodische Impulse für IBOBB in der Volksschule. Graz; mafalda.at/index.php?way=8 kinderwelten.net caritas.erzbistum-koeln.de/maik/ ... MAIK – Männer arbeiten in Kitas pinkstinks.de Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstra tegien, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zu weisen Scheller, Anne (2014): Wir entdecken und erkunden: Berufe und Arbeitswelt. Berufswelt gestern und heute – Grundwissen und Zusammenhänge. Alles, was Grundschulkinder über Be rufe und die Arbeitswelt wissen sollten! Hamburg: AOL-Verlag Selbstlaut (2013): Ganz schön intim. Sexualerziehung für 6 - 12 Jährige. Unterrichtsmaterialien zum Download. Erstellt im Auf trag des BMUKK; selbstlaut.org/_TCgi_Images/selbstlaut/ 20130718152344_Ganz_Schoen_Intim_Juli2013.pdf Zentrum polis (2012) (Hg.): Familie. polis aktuell 7/2012. Wien; politik-lernen.at/site/gratisshop/shop.item/106170.html E5 Leitfaden für geschlechtssensible Pädagogik für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren. Claudia Schneider Vorwort Rollenbilder sind prägend ... Ausgehend von dieser Erkenntnis setzen Wiener Bildungs- und Betreu ungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche bereits seit einigen Jah ren auf „geschlechtssensible Pädagogik“. Mädchen und Buben sollen die gleichen Chancen und Möglichkeiten im Leben haben, von Anfang an. Wie prägend im Hinblick auf private und berufliche Biografien Rollenbilder sein können, zeigt sich auf vielfältige Weise: Aus Puppen spiel und Puppenecke führt der Weg für Mädchen oft in „klassische“ Frauenberufe, wie Friseurin, Einzelhandelskauffrau oder Bürokauffrau. Der Weg für Buben aus der Bauecke geht meist in Richtung technischer Berufe, die bessere berufliche Chancen und höhere Gehälter bieten. Damit sind oft auch ökonomische Abhängigkeit oder Unabhängigkeit vorgezeichnet. Als Frauenstadträtin ist es mir ein besonderes Anliegen, dass beide Geschlechter die gleichen Chancen und die gleiche Teilhabe am Leben haben – im Beruf und im Privatleben. Genauso wie ökonomische Unabhängigkeit für Frauen eine der Grundvoraussetzungen für ein selbstbestimmtes und sicheres Leben ist, ist die Pflege und Erziehung von Kindern für Männer eine essentielle Erfahrung und ein wich tiger Beitrag zur Gleichstellung. … Rollenbilder sind veränderbar Da Rollenbilder bereits in frühester Kindheit geprägt werden, ist es mir sehr wichtig, von Anfang an geschlechtssensibles Arbeiten als pädagogisches Konzept in Bildungs und Feizeiteinrichtungen verankert zu wissen und so Handlungsspielräume von Mäd chen und Buben möglichst frühzeitig zu erweitern. Das Aufzeigen von vielfältigen und auch neuen Wegen führt zum Erwerb eines breiten Spektrums an Fähigkeiten und Fer tigkeiten, die Mädchen und Buben auf ihrem weiteren Weg unterstützen und das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter verfolgen helfen. Sie als Pädagoginnen und Päd agogen leisten einen hervorragenden Beitrag in der institutionellen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es ist der Frauenabteilung der Stadt Wien – Magistratsabteilung 57 und mir ein besonderes Anliegen, Sie dabei mit diesem „Leitfaden für geschlechts sensible Pädagogik“ zu unterstützen. Sandra Frauenberger Frauenstadträtin Inhalt Geschlechtssensible Pädagogik Doing gender Die Falle Koedukation Gleichstellung beginnt bei den PädagogInnen Geschlechtssensible Pädagogik ist erfolgreich 9 9 11 12 12 Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung Bei sich selbst anfangen Unter den Eisberg tauchen Gleichbehandlung – (un)möglich? Check-Listen für PädagogInnen als Strukturhilfen zur Förderung von Mädchen und Buben 14 14 16 17 Spielzeug, Spiele, Spielverhalten 21 Raumnutzung im Kindergarten Raumgestaltung 23 23 Körper und Bewegung Hat der Schulsport ein Geschlecht? 25 26 Frei-Räume in Kindergarten und Schule 27 Emotionen und Gefühle 30 Sexualität 32 Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher 33 Sprache 35 Lieder, Sprüche, Reime 36 Feste und Feiern 36 Lesen 37 Arbeit – Berufsorientierung – Lebensplanung Was ist/macht Arbeit? Hausarbeit! Berufsorientierung Lebensplanung 38 38 38 38 Technik in Kindergarten und Volksschule 39 Naturwissenschaftlicher Sachunterricht (nicht nur) in der Volksschule 40 Computer 40 Hausordnungen, formelle und informelle Regeln 41 Elternarbeit 42 18 Inhalt Berufsbild (Kleinkind-)PädagogIn – Selbstbild (Kleinkind-)PädagogIn Männersache Erziehung!? 43 43 Qualitätsstandards für geschlechtssensible Pädagogik auf der Organisationsebene 44 Rechtliche Rahmenbedingungen für geschlechtssensible Pädagogik 45 Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik Grundlegende Elemente der Hjalli-Pädagogik Hjalli-Pädagogik als fortschreitender Prozess Mädchenpädagogik Bubenpädagogik Trennung ist die Methode – Integration das Ziel 46 46 47 47 48 48 Heidi Rasworschegg: Eine Reise von Tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt (Laotse) Bedeutung von Fortbildung zu geschlechtssensibler Pädagogik für die beruflich-professionelle und die persönliche Entwicklung 49 Sylvia Minich: „Verdammte Barbie“. Psychologische, soziologische und pädagogische Sichtweisen auf rollenfixierendes Spielzeug am Beispiel Barbie Barbie – eine Modepuppe Soziologische Sicht auf weibliche Schönheit Barbie als Produkt soziologischer Sicht auf Schönheit – Zeugin ihrer Zeit Einfluss von Barbie Pädagogische Konsequenzen 53 Literatur 57 Kontaktadressen 64 Links 67 53 53 53 54 54 55 Geschlechtssensible Pädagogik Geschlechtssensible Pädagogik Geschlechtssensible Pädagogik geht davon aus, dass die Geschlechtszugehörigkeit einer Person einer der wichtig sten Einflussfaktoren für ihr gesamtes Leben ist. Neben anderen Aspekten von Vielfalt (wie z.B. ethnische Zugehö rigkeit, Religion, sexuelle Orientierung oder Klassierung) fungiert die Kategorie Geschlecht als „Platzanweiserin“ in der Gesellschaft und bestimmt Möglichkeiten und Chancen in vielen Bereichen des Lebens. Welche Eigenschaften, Fähigkeiten, Interessen, welchen emotionalen Reichtum eine Person entwickelt, welchen Beruf sie ergreifen wird, wie sie ihre Beziehungen zu anderen gestalten wird, ist maßgeblich von der Tatsache bestimmt, ob sie als Mäd chen oder Bub auf die Welt kommt. Sie entwickelt dabei nicht das volle Potential, das in ihr steckt, sondern beson ders jene Seiten, die in ihrem gesellschaftlichen Umfeld als jeweils für ihr Geschlecht passend angesehen werden. Ziel von geschlechtssensibler Pädagogik ist es, Mädchen wie Buben zu ermöglichen, ein großes Spektrum an Interes sen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu entwickeln, das nicht durch geschlechtsspezifische Einschränkungen begrenzt wird. PädagogInnen müssen Kinder darin unter stützen, alle Potentiale ihrer Persönlichkeit zu entwickeln, die sie zu kompetenten, fürsorglichen, sich-selbst-bewuss ten Erwachsenen werden lassen. Kategorien sozialer Vielfalt (Diversitäten), wie eben Alter, Ethnizität, Behinderung, sexuelle Orientierung und andere überlagert (oder unterfüttert). Gender meint daher auch Geschlecht in der Vielfalt all dieser sozialen Ausprägungen. Dies erfordert ein Denken in Komplexität und Kontinuen anstatt in Binarität und Fixierung. Geschlechtssensible Pädagogik ist Teil der alltäglichen Beziehung zwischen PädagogIn und Mädchen und Buben. Sie drückt eine persönliche Haltung aus, die davon aus geht, dass alles menschliche Handeln, Denken, Tun geschlechtsspezifisch geprägt ist. Diesen Umstand zu reflektieren bedeutet geschlechtssensibel zu sein. Das erfordert die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der eigenen Person, mit dem persönlichen Geworden-Sein als Frau oder Mann und mit den eigenen Frauen- und Männer bildern. Geschlechtssensible Pädagogik stellt die Frage nach der eigenen aktiven Beteiligung an der Produktion von Geschlechtsunterschieden. Diese Prozesshaftigkeit der sozialen Konstruktion am Ge schlecht wird auch als doing gender (West/Zimmerman 1987) bezeichnet. Und diese soziale Konstruktion wird nicht nur ein mal vollzogen, sondern sie wiederholt sich tagtäglich neu. Doing Gender Die Texte dieser Broschüre stützen sich auf Erkenntnisse der Geschlechterforschung, die nachweisen, dass Geschlecht – das, was wir jeweils für „weiblich“ und „männ lich“ halten – gesellschaftlich, konstruiert, und daher verän derbar ist. „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ sind keine angeborenen Attribute. Die Geschlechterforschung belegt seit langem, dass bestimmte Verhaltensweisen durch Bil dung, Erziehung und Sozialisation erworben werden. Ein „Blick über den Tellerrand“ in andere Kulturen und ein Rückblick in die Geschichte bestätigen die Möglichkeiten der Entwicklung bzw. der Veränderung von Geschlechter rollen – das macht Mut darauf, aktiv an der Umsetzung von geschlechtssensibler Pädagogik zu arbeiten. Um die theoretische Differenzierung besser fassen zu kön nen, hat es sich auch im deutschen Sprachraum bewährt, sich englischen Vokabulars zu bedienen: Im Englischen gibt es für „Geschlecht“ zwei Begriffe. Man unterscheidet zwi schen Sex (für das biologische Geschlecht oder die Anato mie) und dem Begriff Gender, der diese Vorstellungen, Erwartungen und sozialen Konstruktionen beinhaltet. Wir werden jedoch nicht allein geschlechtsbezogen bestimmt. Geschlechtsspezifische Sozialisation wird durch weitere „Und jede und jeder ,macht gender‘, ohne darüber nachzu denken. Heute in der U-Bahn sah ich einen gut gekleideten Mann mit einem einjährigen Kind in einem Buggy. Gestern war im Bus ein Mann, der einen Säugling in einem Tragege stell vor der Brust trug. Männer, die sich in der Öffentlichkeit um kleine Kinder kümmern, sind ein zunehmend normaler Anblick – zumindest in New York. Beide Männer wurden aber ganz offensichtlich angestarrt – und angelächelt, beifäl lig. Alle machen gender – die Männer, die die Vaterrolle ver änderten, und die anderen Fahrgäste, die ihnen wortlos Bei fall zollten. Dabei war aber auch noch mehr Vergeschlechtli chung im Gange, mehr ,gendering‘, und das dürfte schon weniger Menschen aufgefallen sein. Das Baby hatte eine weiße Häkelmütze und weiße Sachen an. Man hätte nicht sagen können, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Das Kind im Buggy trug ein dunkelblaues T-Shirt und dunkle Hosen aus bedrucktem Stoff. Als es ans Aussteigen ging, setzte ihm sein Vater eine Yankee-Baseballmütze auf. Aha, dache ich, ein Junge. Dann sah ich in den Ohren des Kindes winzige Ohrringe glitzern und, als die beiden ausstiegen, seine geblümten Turnschuhe und spitzenbesetzten Söck chen. Also doch kein Junge. Gender gemacht. 9 Geschlechtssensible Pädagogik Als Bestandteil des täglichen Lebens ist uns gender so ver traut, dass unsere Erwartungen, wie Frauen und Männer sich verhalten sollten, gewöhnlich erst bewusst durchbro chen werden müssen, damit wir überhaupt erst merken, wie gender produziert wird. Gender-Zeichen und Signale sind so allgegenwärtig, dass wir sie gewöhnlich gar nicht bemer ken – es sei denn, sie fehlen oder sind zweideutig. Dann ist uns unbehaglich, bis es uns gelingt, die andere Person einem gender-Status zuzuordnen; gelingt es uns nicht, sind wir sozial desorientiert. In unserer Gesellschaft kann dieser Status außer Frau oder Mann auch Transvestit sein (eine Person, die gegengeschlechtliche Kleidung trägt) oder Transsexuelle(r) (eine Person, deren Geschlecht operativ umgewandelt wurde). Transvestiten und Transsexuelle kon struieren ihren gender-Status, indem sie ihre Kleidung, ihre Sprechweise, ihren Gang, ihre Gestik sorgfältig auf die Art und Weise abstimmen, die für Frauen und Männer – je nach dem, als was sie gelten wollen – vorgeschrieben ist; und genauso macht es jeder ,normale‘ Mensch“ (Lorber 1999, 55f.). Auch ErzieherInnen (KindergartenpädagogInnen, Mütter, Väter, Großeltern, Verwandte, die Sitznachbarin in der U-Bahn...) bestärken in Interaktionen durch ihre oftmals unbewussten Erwartungshaltungen Geschlechterstereo type – sie „machen“ Mädchen und Buben unterschiedlich. Bewundern wir bei IHR nicht eher den Glitzerhaarreifen oder den neuen Bärenpullover, während SEIN RollerScooter oder der von ihm gebaute Lego-Kran unsere Aner kennung bekommen (Wahrscheinlich würde sich in dieser konkreten Szene sogar der Ausdruck in unserer Stimme verändern)? Mädchen werden dadurch tendenziell abhängi ger von der Beurteilung von außen, für subjektive „Schön heitskriterien“, die nichts mit ihren Fähigkeiten oder ihrem Können zu tun haben. Buben hingegen bekommen Beach tung für ihre unmittelbaren körperlichen Fähigkeiten, sie sind aber in weit geringerem Ausmaß auf die Bestätigung von anderen angewiesen – ein konstruiertes Auto funktio niert auch so. Geschlechtssensible Pädagogik möchte dazu beitragen, Handlungsspielräume von Mädchen und Buben, aber auch erwachsener Frauen und Männer zu erweitern. Ge schlechtssensible Pädagogik ist keine neue Methode, bie tet keine Patentrezepte und kann auch nicht das Setzen einer Maßnahme bedeuten, um sich dadurch grundlegende Änderungen zu erwarten. Sie will weder „Defizite“ der Mäd chen ausgleichen, um sie männlichen Normen anzupassen. Noch Mädchen zu Buben, Buben zu Mädchen oder beide zu androgynen Wesen machen. Der Verschiedenheit von Menschen soll – unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse – in einem lebendigen pädagogi 10 schen Prozess Rechnung getragen werden. Mädchen und Buben sollen nicht nach einem festgelegten Modell geformt werden. Aufgrund von geschlechtsspezifischen Sozialisationspro zessen müssen wir davon ausgehen, dass Mädchen und Buben unterschiedliche Erfahrungen brauchen, um erwei terte Handlungsmöglichkeiten entwickeln zu können. Dazu müssen Erwachsene unterstützend eingreifen und sich ein mischen, um entsprechend Freiräume für Mädchen und Buben zu schaffen. Aufgabe von PädagogInnen ist es, „... für die Herstellung gleicher Lernchancen für beide Geschlechter zu sorgen. Dabei kann ,gleich‘ in diesem Fall ja nach Geschlecht etwas sehr Unterschiedliches bedeu ten“ (Spitta 1996, 13). PädagogInnen müssen mit geschlechtsspezifisch geschärf tem Blick bisher nie hinterfragte Alltagsrealitäten ausleuch ten. Mit der „Gender-Brille“ gilt es, die Inhalte der Arbeit, die von Ihnen verantworteten Angebote und Dienstleistungen für Mädchen, Buben, Frauen und Männer neu zu sehen. Voraussetzung dafür sind Analysekompetenz, Handlungs kompetenz und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Dazu brauchen sie: 1.) die Auseinandersetzung mit theoretischen Grundla gen, die Reflexion der eigenen theoretischen Annahmen (die manchmal wissenschaftlichen Befunden und Tatsa chen widersprechen) und die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien (vgl. Focks 2002) – das tun Sie gerade, indem Sie diesen Text lesen; 2.) die Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrneh mung: Unsere Wahrnehmung, unser Denken und unsere Handlungen sind beeinflusst durch gesellschaft liche Normen: – Stereotype (eingebürgerte Vorstellungen, Klischees und Vorurteile), – Alltagstheorien (auf Stereotypen beruhende verein fachte und wissenschaftlich nicht begründete Erklä rungsmuster) und – Verhaltenstypisierungen bzw. soziale Praktiken (Klei dung, Körpersprache, Umgangsweisen mit Konflik ten...) (Focks 2002, 15). Beobachtung und Wahrnehmung sind immer selektiv. Ob und wie wir Dinge wahrnehmen hängt von der Besetzung oder Bewertung ab. „Unerwartetes“ nehmen wir nur beschränkt wahr. „Ich sehe nur, was ich weiß“ oder: „Was man nicht weiß, das sieht man nicht.“ Es ist also nicht die Wahrnehmung zuerst da und dann die Bewertung, sondern umgekehrt! Zudem passieren im Alltag fortwährend pauschalisierende Typisierungen und Festschreibungen auf Geschlechterpolaritäten, weil sie Geschlechtssensible Pädagogik zur Strukturierung von komplexen Situationen hilfreich sind (es gibt ja vermeintlich nur zwei Möglichkeiten, weiblich oder männlich). Je vielfältiger die Situation an sich ist, desto sinnvoller und notwendiger ist Typisie rung: Komplexität zwingt zu Stereotypisierungen. 3.) Erst nach der Aneignung von theoretischem Wissen und der sensibilisierten Wahrnehmung durch die GenderBrille kommt der dritte Schritt: die Veränderung. Die Einführung von neuen Benutzungsregeln, eine verän derte Raumgestaltung oder die Herstellung von Situa tionen, in denen das Geschlecht nicht als Abgrenzung verwendet werden muss, weil nur eins da ist – in geschlechtshomogene Gruppen. Das Ziel in der Auseinandersetzung mit dem sozialen Geschlecht bzw. Gender ist nicht die Festlegung dessen, was Mädchen von Jungen unterscheidet, oder wie Mäd chen und Jungen „eigentlich“ sind (um damit „geschlechts spezifische“ Verhaltensweisen nachzuweisen), sondern die Frage: Was tun Subjekte, damit sie als Frau/Mädchen oder Mann/Bub erkennbar sind? Dabei wird nicht bei der Dar stellung des Offensichtlichen stehen geblieben, sondern der Frage nachgegangen, was die Beteiligten – Mädchen und Buben, Frauen und Männer – und die Strukturen und Rahmenbedingungen zur „Fabrikation von Unterschieden“ beitragen, um diesen Beitrag zur alltäglichen Konstruktion der Geschlechterverhältnisse zu beschreiben und zu analy sieren. Kinder lernen vor allem durch die Modellfunktion der Erwachsenen, indem sie beobachten, welche Aufgaben Frauen bzw. Männer übernehmen, an welchen Orten sie sich aufhalten, wie sie sich bewegen, wie sie reden, wie sie miteinander kommunizieren, was sie von Mädchen bzw. von Jungen erwarten usw. Kinder setzen sich dabei aktiv – wenngleich nicht bewusst und insbesondere bei kleineren Kindern nicht reflektiert – mit den sie umgebenden Geschlechterverhältnissen auseinander. Vor allem im Spiel erproben sie, was es heißt „weiblich“ oder „männlich“ zu sein: „Welche Eigenschaften schreiben mir die anderen zu? Wie soll ich mich als Mädchen bzw. als Junge verhalten? Wie kann ich zeigen, dass ich ein Mädchen bzw. ein Junge bin?“ Im gemeinsamen Spiel „stellen sie situativ das Ver hältnis der Geschlechter her, reproduzieren oder variieren es und überschreiten auch Geschlechterzuweisungen“ (Focks 2002, 49). Bilderbücher, Spielsachen, Schulbücher, der Sport, Werbe plakate,... all das gibt uns Informationen darüber, welche die herrschenden Weiblichkeits- und Männlichkeitsbilder sind. Auch Rahmenbedingungen und Strukturen tragen zum doing gender bei. So transportiert z.B. die Halbtagsschule ein spezifisches Frauen- und Mutterbild, das die traditio nelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung stützt und ebenso als Vorbild für Kinder wirkt (vgl. Schneider 2002). Wenn wir die soziale Kategorie Geschlecht nicht mit in die Arbeit einbeziehen, „verkennen wir manchmal problemati sche Verhaltensweisen, indem wir sie als ,normal‘, geschlechtstypisch oder als eine Verweigerung der Anpas sung an pädagogische Normen und Regeln interpretieren. Erst wenn wir das Verhalten von Kindern im Zusammen hang mit dem kulturellen System der Zweigeschlechtlich keit analysieren, zeigt sich, dass manche Verhaltensweisen auch Strategien und Versuche der Bewältigung von Bela stungsfaktoren widerspiegeln“ (Focks 2002, 146). Und dadurch kann es gelingen, die persönlichen Herausforde rungen von PädagogInnen z.B. mit „störenden Buben“ oder „verstummenden Mädchen“ nicht als individuelle Schwie rigkeiten zu empfinden, sondern als strukturell verursacht. Das schafft Entlastung und Erleichterung, neue Möglichkei ten können sich eröffnen. Geschlechtssensible Pädagogik kann nur gelingen, wenn mehreres gleichberechtigt stattfindet: Reflexion und Verän derung von Einstellungen und des Verhaltens der Personen, Veränderungen von Inhalten (z.B. Darstellung von Mäd chen/Frauen und Buben/Männern in Liedern oder Büchern) und Veränderungen von Strukturen. Die Falle Koedukation Es wurde und wird geglaubt, wenn Mädchen und Buben am selben Ort, zur selben Zeit mit den selben Inhalten zusam men sind, ergibt sich das selbe Resultat – gleiche Rechte. Stimmt das? Geschlechtstypisches Verhalten wird bereits in der früh kindlichen Sozialisation, in der Herkunftsfamilie, bei Tages eltern und im Kindergarten, erworben. Während der Volks schulzeit wird die Geschlechtsidentität in sozialen Interak tionen weiter erprobt und ausdifferenziert. Studien, die die Auswirkungen der gegenwärtig praktizierten Koedukation – des gemeinsamen Unterrichts von Mädchen und Buben – auf geschlechtsspezifisches Verhalten von Mädchen und Buben, ihre Interessensentwicklung, ihr Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Leistungsselbstkonzept untersuchen, kommen zu kritischen Ergebnissen (vgl. Kaiser 1997, Welz/Dussa 1998, Pfister/Valtin 1993, Hempel 1996). Entge gen den Erwartungen, die an die Einführung der Koeduka tion geknüpft waren, trägt das Miteinander der Geschlech ter nicht „automatisch“ zu einem „natürlichen“, herrschafts 11 Geschlechtssensible Pädagogik freien Umgang von Mädchen und Buben bei. Im Gegenteil: der herkömmliche gemeinsame Unterricht von Mädchen und Buben kann Geschlechterstereotype verstärken, und unreflektierte Koedukation führt eher zu einer „Einübung in Geschlechterhierarchien“ als zu geschlechterdemokrati schen Entwicklungen. Immer noch wird in Kindergarten und Schule zu wenig wahrgenommen, „wie die Begabung und Wissbegierde von Mädchen als ,weiblicher Fleiß‘ fehlinterpretiert wird, wie sehr Mädchen in manchen Fällen unterfordert werden, wie sie lernen, zu verlieren, sich zurückzunehmen, gute Miene zu machen gegenüber Abwertungen ihrer Person und sexu ellen Übergriffen, um nicht als Spielverderberinnen dazuste hen“ (Popp 1997, 209). Im Verlauf ihrer Schulzeit verlieren Mädchen ihre Stimme. Buben hingegen bleiben gefangen in einem Netz aus Selbstüberschätzung, Körperfeindlichkeit, Zwang nach Kontrolle und dem Druck, immer „cool“ sein zu müssen. Was sie im herkömmlichen Erziehungssystem nicht lernen ist, wie sie mit Verunsicherungen, Kränkungen und Ängsten umgehen können. Gleichstellung beginnt bei den PädagogInnen „Wir haben gedacht, dass wir die Kinder verändern sollten, aber es wurde deutlich, dass wir selbst es waren, die sich verändern mussten“, sagt eine Volksschullehrerin der Gemeinde Gävle in Schweden, die mit ihrer Schule Gleich stellungsarbeit betreibt, „das zunehmende Bewusstsein veränderte auch die Kinder“ (Jämställdhetsarbete 2003). Und die schwedische Bildungsforscherin Kajsa Svaleryd ergänzt: „Mit der Genderperspektive zu arbeiten heißt es zu wagen, unter die Oberfläche der Vorstellungen und der pädagogischen Praktiken zu tauchen. Ich beschreibe Gleichstellung oft mit einem Eisberg: 1/7 ist über der Ober fläche – und das ist das, was wir messen können; die Noten, die Aufmerksamkeitsverteilung, die Gestaltung der Lehrmittel, die Raumnahme der Kinder usw. Aber der größte Teil des Eisberges besteht aus Verhaltensweisen, Normen und Einstellungen – und liegt unter der Oberfläche“ (Svaleryd 2003). Geschlechtssensible Pädagogik ist erfolgreich Wie lautet die Antwort auf die Frage, ob, wann und wie Gleichstellung von Mädchen und Buben, Frauen und Män nern realisiert ist? Woran kann Gleichstellung sichtbar wer den, und zwar nicht als Absichtserklärung, pädagogische Aktion oder Programm, sondern als Resultat? 12 Kriterien für Gleichstellung sind oftmals weitgehend unklar: „Wann sind Buben und Mädchen gleichgestellt? Wenn ich es für mich behaupte? Wenn ich dafür sorge, dass beide Geschlechter den gleichen Zugriff auf die Ressourcen der Einrichtung haben? Wenn ich Jungen genauso mag wie Mädchen? Wenn ich keinem Angehörigen eines Geschlechts gegenüber irgendwelche Vorbehalte habe“ (Büttner 2003, 39f.)? Gleichstellung kann leicht in normativen Überlegungen gefasst werden, lässt sich aber empirisch nur schwer dar stellen. Darüber hinaus warnt der deutsche Pädagoge Bütt ner: „In dem Moment, wo sich die geschlechtsspezifische Haltung in eine ,rein menschliche‘ aufzulösen scheint, ist (...) der Aspekt der Gleichstellung in der pädagogischen Haltung zu Mädchen und Jungen nicht mehr transparent.“ Als stärkend für PädagogInnen meint er: „Das Wissen um eine unterschiedliche Haltung gegenüber Jungen und Mäd chen ist (...) nicht etwas Defizitäres in der eigenen Profes sionalität. Im Gegenteil, es zeugt von einem Bewusstsein der geschlechtsspezifischen eigenen Identität. Es kann hel fen, im konkreten pädagogischen Alltag die Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu kennen und Interventionen zu planen, die andere Haltungen und Identitäten ansprechen und beteiligen lassen“ (ebd., 43). Wenn geschlechtssensible Pädagogik sich nicht in einer Auflistung von Aktivitäten erschöpfen soll, sondern die Frage lautet: Was sind die Resultate? – wie lautet dann die Antwort? Zugegeben: Erfolge von geschlechtssensibler Pädagogik in Kinderbetreuungseinrichtungen sind Grenzen gesetzt (aber auch Erfolge beschieden, dazu weiter unten). Denn Päd agogInnen können die nachhaltigen Ergebnisse ihrer Arbeit gerade im Kindergarten häufig noch nicht wahrnehmen. Die Qualität der Arbeit lässt sich nicht so einfach durch aktuell sichtbare Erfolge messen. Kinder inszenieren nämlich in dieser Entwicklungsphase die Geschlechterverhältnisse besonders stark (vgl. Focks 2002, 85). Und dennoch: auch für den Kindergartenbereich liegen ermutigende Ergebnisse vor, berichtet der Kindergartenpädagoge Mario Ruthofer nach drei Jahren geschlechtssensibler Arbeit im Wiener Kindertagesheim fun&care: „Die Erfolge unserer Arbeit las sen sich meiner Meinung nach schwer messen; auf dem Gebiet der Sprache jedoch hörten wir den Erfolg schon sehr rasch. Mädchen und Buben gebrauchen die Sprache sehr geschlechtergerecht und unterscheiden sprachlich genau (Monsterin, Bärin, Häsinnenstall, Pilotinnenschule,...). Dass wir im Spielverhalten der Kinder keine krassen Geschlechtszuweisungen beobachten konnten oder aus grenzende Äußerungen hörten (,Mädchen können nicht Geschlechtssensible Pädagogik bauen‘, ,Buben sind nicht schön‘ oder ähnliches), war für mich ein toller, schneller Erfolg. Die Beteiligung der Väter am Kindergartenalltag war und ist ein erklärtes Ziel unserer Arbeit; dennoch überraschte uns der hohe Anteil von Vätern, die ihr Kind in der Eingewöh nungsphase begleiteten, die Kinder holen oder bringen, und die Besuche an den Elternabenden. Der Vollständigkeit hal ber möchte ich anführen, dass die Präsenz der Väter trotz dem immer noch deutlich hinter der der Mütter liegt“ (Rut hofer in Orner u.a. 2003, 80f.). Die Ergebnisse der Evaluation dieses Projektkindergartens lesen sich ebenfalls eindeutig: Die Kinder ordnen klassisch weibliche und männliche Gegenstände, Verhaltensweisen und Persönlichkeitseigenschaften häufiger geschlechts neutral, d.h. beiden Geschlechtern zu, als Kinder eines Kontrollkindergartens ohne geschlechtssensible Pädago gik. Die Kinder des Kontrollkindergartens stimmen den vor gegebenen geschlechtsstereotypen Traumberufen häufiger zu als die Kinder des Projektkindergartens fun&care; diese Kinder entscheiden sich differenzierter. Die Eltern im Pro jektkindergarten begleiten ihre Kinder häufiger bei Ausflü gen, vor allem die höhere Aktivität der Väter ist auffällig (Spiel/Wagner 2003). In Österreich gibt es (noch) keine Langzeituntersuchungen über die Auswirkungen von geschlechtssensibler Pädago gik in Kleinkindeinrichtungen – daher ist es besonders wich tig, ausländische Erfahrungen heranzuziehen, die vor allem aus Island und Schweden vorliegen (über die „Hjalli-Päd agogik“ lesen Sie ab Seite 46). Margrét Pála Ólafsdóttir , die Begründerin der Hjalli-Pädagogik in Island, erstellte eine Studie über 120 Kinder im Alter von 7 bis 13 Jahren, die einen Hjalli-Kindergarten besucht hatten, und verglich sie mit einer gleich großen Anzahl „gewöhnlicher“ Kinder. Die Hjalli-Kinder waren aufgeschlossener gegenüber Kindern des anderen Geschlechts und hatten auch keine negative Einstellung zur gemischtgeschlechtlichen Zusammenarbeit, was bei Schulkindern dieses Alters häufig vorkommt. Die etwas älteren Hjalli-Kinder hatten allgemein ein besseres Selbstbild und oft bessere Noten. Hjalli-Mädchen waren auch aufgeschlossener gegenüber Buben als Freunden, was die Mädchen der Kontrollgruppe nicht waren. Volk schullehrerInnen sagen, dass sie Hjalli-Kinder leicht erken nen: diese SchülerInnen folgen dem Unterricht leichter und besser und zeigen mehr Respekt (Mattsson 2003). 13 Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung Die Beobachtung der Kinder ist ein grundlegender Bestandteil der professionellen Arbeit von PädagogInnen. Ausgestattet mit der Gender-Brille – mit den theoretischen Grundlagen zu Geschlechtersozialisation und Geschlech terverhältnissen – können PädagogInnen nun daran gehen, ihren Arbeitsalltag mit geschärftem Blick zu analysieren. Dabei sollten sie mit klar eingegrenzten Fragestellungen beginnen. Suchen Sie aus der folgenden Auflistung ein für Sie interes santes Thema aus, oder wählen Sie ihren eigenen persönli chen Fokus: Beobachtungen in der Kindergruppe ❚ ❚ ❚ Mit welchem Spielzeug spielen Mädchen/Buben lieber? Wie viel Raum nehmen sich Mädchen/Buben? Wie geschieht die Rollenverteilung bei Rollenspielen? Wer übernimmt die Hauptrolle(n)? Wer spielt liebe/böse Rollen? ❚ Wer spricht viel und ausführlich? ❚ Wer hört und schaut gern und geduldig zu? ❚ Wer macht welche Tätigkeiten? ❚ Welche soziale Kompetenzen können bei Mädchen und bei Buben festgestellt werden? ❚ Wie selbständig sind Mädchen und Jungen beim Anund Ausziehen? Wer hilft anderen dabei? ❚ Wie reagieren Mädchen und Jungen in Konfliktsituatio nen? ❚ Spielen/arbeiten Mädchen/Buben eher mit Kindern glei chen Geschlechts? ❚ Wer zeigt sich wobei kompetent, wodurch? ❚ Wer traut sich was zu? Wer nicht? ❚ Wer ist in Fallbesprechungen häufig im Mittelpunkt? ❚ Reden Pädagoginnen bzw. Pädagogen mit Mädchen anders als mit Buben (Tonfall, Inhalt, Art)? ❚ Welches sind die eigenen Spielvorlieben der Kindergar tenpädagogin oder des -pädagogen in der pädagogi schen Arbeit? ❚ Welches sind die eigenen Interessen der Lehrerin/des Lehrers in der pädagogischen Arbeit? ❚ Wie sehr beteiligen sich Mütter/Väter/Bezugspersonen am Kindergarten- bzw. Schulalltag (verhalten sich rol lenkonform oder -unkonform)? 14 Bei sich selbst anfangen Die Verantwortlichkeit für die Fähigkeiten und Rollen, die Mädchen und Buben in Betreuungs- und Bildungseinrich tungen wie Kindergarten, Schule und Hort entwickeln, liegt größtenteils bei den PädagogInnen. Um dabei unter die Oberfläche zu schauen, den weitaus größeren Teil des Eis berges analysieren zu können, der unter der Wasserfläche schwimmt, müssen wir die Gender-TaucherInnen-Brille auf setzen: das eigene Verhalten analysieren. (Selbst-)Beob achtungen, die das Erkennen und Verstehen des eigenen Verhaltens wecken, sind Voraussetzung für die Arbeit mit dem Thema Gleichberechtigung. Um sich selbst zu verän dern, muss man sich zunächst über sich selbst bewusst werden. Um eigenen Bildern von Weiblichkeit und Männlichkeit auf die Spur zu kommen, persönliche Annahmen, Verhaltens weisen und Normen zu reflektieren, stellen Sie sich fol gende Fragen (vgl. Orner u.a. 2003, Hanifl 1998, Focks 2002, www.maedchen-jungen.de, Herincs/Policzer 2003, Schwager Schütter 1993, Leeb 2004, Rohrmann 2000): Frauen- und Männerbilder ❚ Wie stelle ich mir eine „typische“ Frau oder einen „typi schen“ Mann vor? ❚ In welchen Situationen fühle ich mich als Frau oder Mann wohl, und warum, glaube ich, ist das so? ❚ Würde ich mich als „weiblich“ oder „männlich“ bezeich nen und weshalb? ❚ Wie trete ich, bezogen auf mein Geschlecht, im Kinder garten, im Hort, in der Schule auf, gegenüber meinen KollegInnen, den Eltern und natürlich den Mädchen und Buben? ❚ Welches Verhältnis habe ich zu meinem Beruf? ❚ Was tue ich (als Frau, als Mann), wenn ich mitbekomme, dass Jungen Mädchen oder Kolleginnen mit sexuellen Sprüchen anmachen? Ziele und Visionen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse ❚ Was will ich für mein eigenes Leben erreichen bzw. ver ändern? ❚ Was möchte ich in meinem Beruf verändern bzw. errei chen, was für die Mädchen und Buben in meiner Gruppe? Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung ❚ Was soll sich gesellschaftspolitisch ändern? Was kann ich dazu beitragen? ❚ Wie kann das kulturelle Bild von Männlichkeit so verän dert werden, dass es gesellschaftlich erforderliche Erziehungs- und Betreuungsarbeit einschließt? ❚ Wie können Weiblichkeitsbilder so gefasst werden, dass weitere Aufgabengebiete positiv besetzbar sind und Fürsorgeaufgaben gegebenenfalls ohne schlechtes Gewissen und ohne allzu große Verlustängste abgege ben werden können? ❚ Ist es mir klar, dass ich mit Geschenken für den Mutter tag ein veraltetes Rollenbild an Kinder und Eltern weiter gebe? ❚ Glaube ich auch, dass berufstätige Mütter Rabenmütter sein müssen, und stelle ich Berufstätigkeit beim Vater nie in Frage? Eigene Prägung ❚ Welche Erfahrungen habe ich als Mädchen bzw. Junge gemacht? ❚ Welche Normen und Werte habe ich verinnerlicht („Das tut ein Mädchen nicht!“ oder „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“)? ❚ Übertrage ich unbewusst und ungewollt Aspekte mei nes eigenen Aufwachsens und meiner Erziehung auf Mädchen bzw. Jungen in der Einrichtung? Eigenes Sprachverhalten ❚ Verwende ich geschlechtergerechten Sprache oder die männliche Form als Norm – und spreche Mädchen dadurch nicht an („Lena, willst du Tormann sein?“)? Verhalten der PädagogIn ❚ Arbeite ich lieber mit Großgruppen oder Kleingruppen? Warum könnte das so sein? ❚ Wie gehe ich mit Störungen während meines Angebotes um? Wie sehen diese Störungen aus? Sind die Verursa cherInnen tendenziell eher Mädchen oder eher Buben? ❚ Habe ich eine Vorliebe für bestimmte Aktivitäten? Wel che sind das? Und warum könnte das so sein? ❚ Rede ich mit Mädchen anders als mit Buben (Tonfall, Inhalt, Art, ...)? Reflexion der PädagogInnen zu Spielorten, Spielen und räumlicher Präsenz ❚ ❚ ❚ ❚ Wo halte ich mich am häufigsten auf? Womit spiele ich am liebsten? Wo sind meine Aufenthalts- und Spielorte? Weshalb? Welche Vorbildwirkung geht dabei auf die Kinder aus? Reflexion von Essenssituationen „Der größte Unterschied zwischen Mädchen und Buben liegt darin, wie wir mit ihnen umgehen“, formuliert die USamerikanische Autorin Barbara Mackoff pointiert (1998, 41). Welches sind Ihre Erwartungen in Hinblick auf Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen? ❚ Wer trifft die Vorbereitungsarbeiten – Frauen/Männer – Mädchen/Buben? ❚ Selbständigkeit beim Essen (Messer und Gabel verwen den, sich selbst nehmen, ...): Wie gelingt es den Mäd chen, wie den Buben? Und wie stehe ich dazu? ❚ Welches Tischverhalten erwarte ich von Mädchen? Was toleriere ich bei Buben? Gibt es Unterschiede in meiner Erwartungshaltung? Stellen Sie sich folgende Fragen: Haltung der PädagogInnen bei Konflikten ❚ Welche Erwartungshaltungen gebe ich durch meine Vor stellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit an die Kin der weiter? ❚ Welche Zuordnungen setze ich ein, um mir das Verhält nis von Mädchen und Jungen plausibel zu machen? ❚ Welche Gefühls- und Verhaltensweisen irritieren meine Wahrnehmung, weil sie nicht in meine Bilder passen? ❚ Wo „vergeschlechtliche“ ich Situationen oder Verhal tensweisen? ❚ Ist es mir egal, ob ich mit Mädchen oder Buben arbeite? ❚ Wie geht es mir, wenn Kinder Konflikte austragen möch ten? Kann ich das gut aushalten? Wie reagiere ich, wenn ich merke, dass Kinder einen Konflikt haben? ❚ Welches Konfliktlösungsverhalten biete ich an, wie unterstütze ich die Kinder? ❚ Habe ich unterschiedliche Erwartungen an Mädchen und Buben? ❚ Sollten Mädchen meiner Meinung nach eher einlenken? ❚ Dürfen Mädchen Wut und Zorn äußern? ❚ Wie reagiere ich, wenn Buben weinen? Wann kann das zulassen, wann nicht (z.B. bei körperlichen Verletzun gen, bei seelischen Verletzungen, ...)? ❚ Toleriere ich, dass Buben raufen? Wie sehe ich das bei Mädchen? Eigenes Vorbild ❚ Welches Frauenbild (Männerbild) verkörpere ich und gebe es als Vorbild an die Kinder meiner Gruppe weiter? ❚ Bei welchen Tätigkeiten können mich die Kinder beob achten: die Pädagogin mit Hammer und Säge – den Pädagogen beim Nähen? ❚ Wie löse ich Konflikte? Ruhephase nach dem Mittagessen im Kindergarten ❚ Manche Kinder halten sich nicht an die Abmachung, 15 Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung ❚ ❚ ❚ dass es für eine gewisse Zeit ruhigere Aktivitäten geben soll. Sind das tendenziell eher Mädchen? Oder Buben? Wo liegt meine Toleranzgrenze? Wie reagiere ich bei Buben (Blickkontakt, Gesten, ver bale Äußerung, Hingehen, Körperkontakt, ...)? Wie reagiere ich bei Mädchen (Blickkontakt, Gesten, verbale Äußerung, Hingehen, Körperkontakt, ...)? nal zu Erkenntnissen, erst dann war eine Veränderung mög lich“ (Svaleryd 2002, 9). Beobachtet wurden mit ähnlichem Fokus, wie bereits weiter oben beschrieben: ❚ ❚ Ein- und Wegräumen von Spielmaterial In welchem Zimmer spielen die Kinder, gibt es Unter schiede zwischen Mädchen und Buben? Was spielen die Kinder, gibt es Unterschiede zwischen Mädchen und Buben? Wer spielt mit wem und mit wie vielen, gibt es Unter schiede zwischen Mädchen und Buben? Mit welchem Spielzeug bzw. Material wird gespielt, gibt es Unterschiede zwischen Mädchen und Buben? Wo befindet sich die/der PädagogIn während dieses Spiels? Was trainieren die Kinder in diesem Spiel, gibt es Unter schiede zwischen Mädchen und Buben? ❚ Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede beim Ein räumen von Spielmaterial? Lassen Mädchen benutztes Spielgut öfter liegen? Oder Buben? ❚ Wen bittet die Pädagogin/der Pädagoge beim Einräu men behilflich zu sein? Eher Mädchen? Eher Buben? Setzen Mädchen oder Buben mehr Widerstand, wenn sie mithelfen sollen, liegen gebliebenes Spielmaterial wegzuräumen? ❚ Unter den Eisberg tauchen Fragen der Auswertung der Beobachtungen waren: Im Rahmen des Gleichberechtigungsprojekts in den Kinder gärten Tittmyran und Björntomten in Schweden setzten die PädagogInnen als Methode zur (Selbst-)Beobachtung unter anderem Beobachtungsprotokolle und die Videokamera mit Unterstützung externer gendersensibler Fachberatung ein. ❚ Warum sitzen die Kinder bei Versammlungen oder beim Essen gerade dort, wo sie sitzen? ... um die Arbeit der PädagogInnen zu erleichtern, ... weil das Kind womög lich eine gute HelferIn ist, ... um Streitigkeiten zu verhin dern, ... weil sich das Kind aufgrund der Platzierung wohler fühlt? ❚ Bekommt ein Geschlecht häufiger Zurechtweisungen, ne gative Botschaften und negative Aufmerksamkeit? Warum? ❚ Werden Spiele von Mädchen und von Jungen im selben Umfang verhindert? Was macht ein Spiel zum Spiel, welche Spiele sind erlaubt? ❚ Spricht das Personal mehr mit den Mädchen oder mehr mit den Jungen? Unterscheiden sich die Gespräche, abhängig vom Geschlecht des Kindes? ❚ Welche Kinder haben die größere, entwickeltere sprachli che Kompetenz? Beruht dies auf Reife oder Stimulans? ❚ Wird vom Personal erwartet, dass Jungen es eilig haben bei der Suche nach neuen Abenteuern? Ist dies ein Grund, weshalb sie so schnell auf die Signale der Jun gen reagieren? ❚ Warum müssen Mädchen mehrmals versuchen, das Nähgarn einzufädeln, bevor das Personal ihnen zeigt wie es geht, während die Jungen sofort Hilfe bekommen? Wozu führt so eine Behandlung? (Svaleryd 2002, 8) „Anna beobachtete Stina, als sie die Gruppenstunde leitete. Nachher fragte Anna Stina, ob es ihr bewusst gewesen wäre, dass sie sich – um Bestätigung zu erlangen, Antwor ten auf Fragen oder Unterstützung beim Singen zu bekom men – immer an die Mädchen gewendet hatte. Stina nahm sich selbst in Schutz und versuchte auf unterschiedliche Weise ihr Verhalten zu verteidigen: sie versuchte Annas Beobachtungen mit dem Argument zu widerlegen, dass Anna nicht alles hätte sehen können. Anna wies weiters darauf hin, dass Stina die Jungs häufiger zurecht wies und ihnen mehr, aber nicht immer positive Aufmerksamkeit wid mete. Stina verließ aus diesem Grund das Zimmer und knallte die Tür zu. Auf diese Weise reagierten alle Beteiligten zu Anfang des Projekts. Es wurde nach Ursachen gefragt. Viele nahmen die Kritik persönlich und empfanden sie als Vorwurf, so als wären sie für die Arbeit nicht geeignet. Es dauerte sehr lange, bis diese Beobachtungen als eine Entwicklung der eigenen Qualitäten im Beruf gedeutet wurden. Es wurden ja keine Persönlichkeiten beobachtet, sondern PädagogInnen beim Ausüben ihres Berufes. Die Beobachtungen wurden deshalb ausgeführt, weil alle ihre Berufsrolle bewusst ent wickeln sollten. Das Personal lernte seine eigene Persön lichkeit vom pädagogischen Handeln zu trennen. Mit Hilfe von Beobachtungen mit der Videokamera kam das Perso 16 ❚ ❚ ❚ Eine Folge der Verhaltensanalysen war, dass das Personal anfing, verstärkt mit Sprache, unterschiedlichen Begriffen und mit Gesprächsregeln zu arbeiten wie z.B. der Reihe nach zu Wort kommen. Sie erfanden Märchen mit „Mär chensteinen“, erzählten was froh, böse und traurig machen kann. Die Sprache ist der Grundstein für Empathie, Selbst beherrschung, Moral und Gewissen. Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung Viele der früheren Spiele, die die Jungen gewohnt waren forderten einen immensen Kraftaufwand: klettern, buddeln, ringen, jagen. Jemandem mit Zärtlichkeit beim Massieren zu begegnen war also eine neue Erfahrung. Die Verklei dungsgarderobe wurde ausgebaut. Früher gab es nur alte Frauenkleider, das Kostüm einer Prinzessin sowie mehrere Tierkostüme. Heute gibt es auch Piratenkostüme sowie Ver kleidungen für Superman, Batman, Clowns, KönigInnen und IndianerInnen. Dies hat dazu beigetragen, dass die Buben sich während des Rollenspiels anders benehmen, z.B. die Rolle des Superpapa übernehmen. Sie entwickeln Verständnis und Respekt – Eigenschaften, die diese Spiele auch fordern (ebd., 12). Der Kindergarten Tittmyran/Björntomten bekam für sein „Neudenken und die Pädagogischen Visionen“ den Quali tätspreis für Kindergärten von der Gemeinde Gävle verliehen, zusätzlich zu finanzieller und moralischer Unterstützung. Auch schwedische Volksschulen führ(t)en erfolgreich Gleichstellungsarbeit durch. Es wurde erkannt, dass Gleich stellungsmaßnahme aus dem Kindergarten in der Schule fortgesetzt werden müssen. Ausgangspunkt war, dass die VolksschullehrerInnen der Schulen in Björke und Trödje (Gemeinde Gävle) die Mädchen, die aus einem gleichstel lungsorientierten Kindergarten in die Schule kamen, als sehr anspruchsvoll erlebten: sie nahmen „viel zu viel Raum und Aufmerksamkeit in Anspruch, obwohl sie zahlmäßig in der Minderheit waren“ (Jämställdhetsarbete 2003). Die Leh rerInnen waren entsetzt, dass die Mädchen so selbständig waren und sich selbst Gehör verschaffen konnten. Mäd chen und Jungen waren viel selbstsicherer, die Buben waren verbal kompetenter und zugänglicher. Dies macht deutlich: Ungleichbehandlung muss nicht unan genehm oder störend sein; immer wieder sagen Pädago gInnen: ,Es ist ruhig in meiner Gruppe – es funktioniert gut‘ als Argument dagegen, sich aktiv mit Gleichbehandlungs fragen zu beschäftigen. „Das Schwierige dabei ist, dass es sich um Normen handelt, an die wir so gewöhnt sind, dass wir sie nicht sehen – und diese gibt es in den meisten Klas senzimmern“ (ebd.). Die persönliche und professionelle Weiterentwicklung der PädagogInnen wurde ausgelöst durch Videoanalysen in der Klasse, die geschlechtsspezifisch unterschiedliche Behand lung vonseiten der LehrerInnen erkennen halfen. Dies ermög lichte die Weiterentwicklung für alle Beteiligten: „Die Kinder beginnen, Geschlechterstereotype zu überschreiten; sie wer den selbstsicherer. Die Mädchen aus dem Kindergarten haben ihr Verhalten eindeutig nachhaltig verändert. Das führt dazu, dass die PädagogInnen ihre Arbeit verändern müssen, weil sie nicht mehr auf die Mädchengruppe als Hilfslehrerin nen vertrauen können. Aufzuhören mit dem ,Service‘ für die Buben war besonders schwer“ (ebd.). Gleichbehandlung – (un)möglich? Eines der größten Hindernisse für tatsächliche Gleichbe rechtigung in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sind – bestätigt durch wissenschaftliche Untersuchungen – nicht „schicksalhaft determinierende Sozialisationslasten“, sondern die unreflektierte alltägliche Konstruktion von sozialem Geschlecht durch Interaktionen von PädagogIn nen und Mädchen und Buben (vgl. Kaiser 2003). Es beste hen massive geschlechtsspezifische Unterschiede im Ver halten von Lehrpersonen gegenüber SchülerInnen. Mäd chen und Buben werden unterschiedlich wahrgenommen und behandelt, und zwar von Lehrerinnen ebenso wie von Lehrern (Meier-Rust 2004). Das Erkennen der aktiv handeln den eigenen Beteiligung von PädagogInnen ist eine der größten, aber notwendigsten Voraussetzungen für das Gelingen geschlechtssensibler Pädagogik. KleinkindpädagogInnen KleinkindpädagogInnen, die sich selbst auf die Schliche kommen wollten, waren erstaunt über Videoaufzeichnun gen der morgendlichen Zusammenkünfte mit den Kindern. Sie waren erstaunlich, da Mädchen und Jungen konträr zu eigenen Überzeugungen und Wahrnehmungen gravierend unterschiedlich behandelt wurden. „Mädchen erhielten nur halb so viel Zuspruch wie Jungen, Buben hörten im Durch schnitt ihren Namen siebenmal ausgesprochen, Mädchen nur zweimal. Auf Beiträge von Jungen wurde meist mit Fol gefragen eingegangen, während Mädchen oft ohne jede Reaktion auskommen mussten. Weitere Erkenntnisse: Jungen wurden mit weitaus mehr Er mahnungen und Verboten belegt als Mädchen. Nur ein ein ziges Mädchen erhielt (...) eine Verwarnung. Jungen wurden gelobt für ihre Schnelligkeit, Stärke und alles, was messbar war. Mädchen hörten nichts dergleichen, lediglich ihre Tüchtigkeit und Freundlichkeit wurde kommentiert, auch dass sie Gefühle zeigen konnten“ (Pettersson 2004, 77). Eltern Nicht nur professionell pädagogisch arbeitende Erwachsene sind vor unbewussten (und ungewollten) geschlechtsspezifi schen Erwartungen und Zuschreibungen nicht gefeit, son dern auch die Eltern. Georg Stöckli, Erziehungswissenschaf ter am Pädagogischen Institut der Universität Zürich, unter suchte u.a. die Erwartungen von Eltern und deren Auswir kungen auf das Selbstbild des Kindes am Anfang der Primar schule: „Bei der Befürchtung, dass ein Sohn ihren Hoffnun 17 Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung gen auf schulischen Erfolg nicht entsprechen könnte, zeigten Mütter eine deutliche emotionale Erregung. Bei Mädchen spielte dagegen die Aussicht auf Misserfolg nicht nur keine Rolle, hier war es im Gegenteil die Aussicht auf schulischen Erfolg, die die Mütter emotional belastete. Die nächste Befra gung fand am Ende des ersten Schuljahres statt, also nach dem Eltern über die Schulnoten eine Rückmeldung über die reale Leistung ihres Kindes erhalten hatten. Auch hier fiel das Ergebnis markant geschlechtsspezifisch aus. Während näm lich Eltern ihre überhöhten Begabungsvorstellungen im Falle einer Tochter problemlos revidierten und das Urteil der Lehr person akzeptierten, hielten sie bei Söhnen an ihrem ursprünglichen Begabungsbild fest: Eltern von Buben erwie sen sich immun gegenüber dem realen Notenbild, dieses wurde ganz einfach dem Lehrer oder dem Unterricht angela stet. Ebenso geschlechtsspezifisch fällt die Erfolgserklärung von Eltern aus. Während der schulische Erfolg eines Mäd chens mehrheitlich auf Anstrengung und Fleiß zurückgeführt wird (von Vätern etwas eindeutiger als von den Müttern), wird derselbe Erfolg beim Sohn der Begabung zugeschrieben. ,Begabung sieht man nicht, man kann sie nur indirekt erschließen‘, erklärt Georg Stöckli, ,sehen kann man nur die Anstrengung. Wenn also ein Mädchen fleißig ist, die Aufga ben macht, Angst vor der Prüfung hat – dann wird daraus auf mangelnde Begabung geschlossen. Bei Buben passiert das Gegenteil: Sie geben sich als cool, strengen sich nicht an – und jede Leistung wird mit Begabung erklärt.‘ Derart ausge prägte Erwartungen und Zuschreibungen haben Wirkung. Schon wenige Wochen nach Schulanfang schätzen Mäd chen ihre Fähigkeiten weit tiefer ein als Buben. Gemessen am Urteil der Lehrperson schätzen sich Buben typischer weise weit darüber ein, Mädchen eher darunter“ (Meier-Rust 2004, 5f.). und weniger auf fehlende Anstrengung zurückgeführt als bei den Jungen. Leistungsschwachen Mädchen wird eine ungünstigere Leistungsprognose gemacht als leistungs schwachen Jungen“ (Tiedemann 1995, 153). Diese geschlechtstypischen Erwartungen von Lehrkräften bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Selbsteinschätzung der Mädchen und Buben. Ein Vergleich der eigenen Ein schätzung der schulischen Kompetenz mit den Noten in Mathematik am Ende des 2. Schuljahres ergab: Knaben überschätzen und Mädchen unterschätzen ihre schulischen Kompetenzen, wobei wegen der stärkter überhöhten Selbst einschätzung der Knaben ihre Fehleinschätzung (...) beson ders massiv ausfällt (Stöckli 2002, 17). Check-Listen für PädagogInnen als Strukturhilfen zur Förderung von Mädchen und Buben Die ehemalige Kindertagesheimleiterin Daniela Orner berichtet: „Um im Alltag zu überprüfen, ob wir Mädchen und Buben fördern, entwickelten wir in Anlehnung an Kai ser/Wigger 2000 einen ,Fit-für’s-Leben-Pass‘ in Abstim mung auf das Alter der von uns betreuten Kinder. Anhand eines bunt gestalteten Bogens konnten Kinder, Eltern und Betreuungspersonen sehen, welche Fähigkeiten und Fertig keiten jedes Kind bereits erworben hat. ,Fit-für’s-Leben-Pass‘ Kleinkindergruppe (0- bis 3-jährige): Das kann ich schon! ❚ ❚ ❚ ❚ VolksschullehrerInnen Entgegen dem allseits formulierten Grundsatz der Gleichbe handlung der Schülerinnen und Schülern tragen auch Lehr personen in der Volksschule zur geschlechtsspezifisch unter schiedlichen Entwicklung von Fähigkeiten und Interessen bei. Joachim Tiedemann etwa untersuchte die geschlechts typischen Erwartungen von Lehrkräften der Grundschule bezüglich des Mathematikunterrichts und kam zu dem Ergebnis, „dass Mädchen, die im Mathematikunterricht im mittleren oder unteren Leistungsbereich liegen, im Urteil der Lehrkräfte weniger gut logisch denken können als Jungen mit vergleichbaren Leistungen. Die Lehrkräfte erwarten bei Mädchen bei erhöhter Anstrengung geringere Leistungsver besserungen im Mathematikunterricht als bei Jungen. Die LehrerInnen schätzen Mathematik für die Mädchen im mittle ren Leistungsbereich im Vergleich mit den Jungen als ein schwierigeres Fach ein. Erwartungswidrige Leistungseinbrü che werden bei Mädchen eher auf mangelnde Fähigkeiten 18 ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ meine Patschen selber anziehen einem anderen Kind den Mund abwischen einen Ball fangen drei verschiedene Werkzeuge benennen und ,benutzen‘ können mein Geschirr vom Esstisch abräumen einen Turm bauen, der mir bis zum Nabel reicht ein anderes Kind trösten mit einem anderen Kind Plastilin teilen meine Hände waschen (die Ärmel raufschieben, Wasser aufdrehen, Seife nehmen, Hände abtrocknen ohne alles unter Wasser zu setzen) ein Lätzchen zusammenlegen ,Fit-für’s-Leben-Pass‘ Kindergartengruppe (3- bis 6-jährige): Das kann ich schon! ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ einschenken und mir auch selbst das Essen aus der Servierschüssel nehmen mir ein Brot streichen meine ,Gatschhose‘ selber anziehen meine Spielsachen ein- und auch wegräumen Blumen gießen, ohne sie dabei zu ,ertränken‘ Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung Für Kinder im Schulalter kann der „Fit-für’s-Leben-Pass“ so aussehen, die Vorlage ist als Anregung gedacht: Fit für’sLebenPASS Von: Klasse: Zusammen in der Klasse Für mich und andere sorgen Für mich und andere sorgen Ich kenne mich mit Natur und Technik aus Geschenkgut schein für eine Massage schenken Einen Knopf annähen Sicher mit Küchenmaschinen (z.B. Mixer) um gehen Sägen, nageln, schrauben Behutsam eine Übung mit Partner/in durchführen Ein Bett beziehen Abwaschen und abtrocknen Einen Zauberstock sägen und schnitzen Ich traue mich vor Publikum einen Vortrag zu halten, ein Gedicht vorzu tragen, ein Lied zu singen, etc. Ein T-Shirt bügeln Tisch nach einer Mahlzeit reinigen Sicher mit drei verschiedenen Werkzeugen umgehen Gesprächsleitung im Kreis Servietten kunst voll falten Kleine Wäsche händisch waschen Ein Regal nach Anleitung zusammenbauen Rücksicht nehmen Einen Esstisch schön dekorieren Schuhe putzen und pflegen Einen Fahrradschlauch flicken Ich kann mich bemerkbar machen Ein kleines Essen zubereiten Das Waschbecken in der Klasse reinigen Einen Computer einschalten und daran arbeiten Selbstständig einen Besuch vor bereiten, Termine vereinbaren Einkaufslisten schreiben, einkau fen und abrechnen Saugen, fegen, aufwischen Ein Kartentelefon bedienen Informationen zu Klassenthemen besorgen Brot selber schnei den und schmie ren Pate/Patin für ein kleineres Kind in der Schule sein Im Garten aus säen, pflanzen, bearbeiten und ernten Das kann ich auch noch Schule: Unterschrift: Allein mit Bus oder Bahn fahren 19 Sensibilisierung von Beobachtung und Wahrnehmung ❚ ❚ einen Nagel einschlagen Sessel auf den Tisch stellen, ohne dass andere Sessel herunterfallen ❚ einen Tisch/das Tischtuch abwischen ❚ einem anderen Kind beim Anziehen helfen ❚ den Tisch decken“ (Orner u.a. 2003, 54) Der Pass „soll die Kinder anregen, Selbsteinschätzung an konkret nachvollziehbaren Leistungen zu üben und den Lernprozess auch selbstverantwortlich mitzugestalten. ... Dabei sind bei der Arbeit mit dem Pass individuelle Abspra chen mit dem Kind zu treffen. Während für das eine Kind ein erhöhter Bedarf für das Einüben rücksichtsvoller Fähigkei ten besteht, verfügt das andere vielleicht über ein Übermaß 20 an Rücksichtnahme und sollte ermuntert werden, Übungs möglichkeiten zur Durchsetzungsfähigkeit wahrzunehmen“ (Kaiser, Wigger 2000). Ob ein Lernziel erreicht wurde, kann von der Lehrperson, aber auch von der Klasse bestätigt werden. Alle Kinder sollen alles probieren. PädagogInnen können aber verschiedene Ziele haben, abhängig davon, mit wel cher Gruppe sie arbeiten: Beim Backen in der Mädchen gruppe kann das Ziel vielleicht sein, ohne Rezept zu ba cken, zu experimentieren. Mit einer Gruppe von Buben zu backen kann statt dessen bedeuten, die Gewichtung auf die Zusammenarbeit, den Geruch und die Sprache zu legen (Svaleryd 2002, 11). Spielzeug, Spiele, Spielverhalten Spielzeug, Spiele, Spielverhalten Die „kindgerechte“ Umgebung – Kindergarten, Spielzeug, Bilderbücher, Schulbücher, pädagogische Fachkräfte und andere „Miterziehende“ – vermitteln Mädchen und Buben Wesentliches über die „Geschlechterwelten“. „Spielend“ werden bereits Kleinkinder auf ihre jeweiligen späteren Erwachsenenrollen vorbereitet. Ein Großteil der Spielbereiche ist geschlechtsspezifisch determiniert und „vorbelastet“. Die meisten Spielwaren und die mitgelieferten impliziten Botschaften über deren „richti gen Gebrauch“ erschweren ein „anderes“ Spielen jenseits traditioneller Klischees. Kann He-Man auch Vater werden und damit soziales und solidarisches Verhalten, positive Emotionen, Fürsorglichkeit und Verantwortlichkeit (er)leben? Kann Barbie Bildhauerin sein, sich schmutzig machen, schwere körperliche Arbeit erbringen und damit berühmt werden (Kämpf-Jansen 1989)? „Alles, was Kinder im Spiel erproben, trauen sie sich auch in der Wirklichkeit zu“ (Blank-Mathieu 1997, 76). Eine Möglichkeit, das geschlechtsspezifische Spielverhal ten und seine Auswirkungen zu untersuchen ist es, Spiele, Spielzeug und Spielerfahrungen einzuteilen in folgende Bereiche: 1.) Phantasie- und Rollenspiel 2.) Regelspiel/Bewegungsspiel 3.) Experimentier-, Bau- und Konstruktionsspiel 4.) Kreatives Gestalten: Malen, Zeichnen 5.) Medien-Nutzung und anschließend mit folgenden Fragestellungen zu analy sieren: ❚ Welches Spielzeug/welche Spiele fallen in diese Kate gorie? ❚ Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden durch die Beschäftigung mit ihnen erworben? ❚ Welche Räume im Kindergarten/Hort werden mit diesen Spielen „bespielt“? ❚ Spielen eher Mädchen oder eher Buben mit diesem Spielzeug? Um die Umwelteinflüsse zu berücksichtigen, können fol gende Fragen anregend sein (Herincs/Policzer 2003): ❚ Was bringen Mädchen und Buben von zu Hause mit? ❚ Was „verkaufen“ Werbung und Spielzeugindustrie als Mädchen- oder Bubenspielzeug? Wiener Kindergarten- und Hortpädagoginnen – Teilnehme rinnen der Fortbildung: „Geschlechtssensible Pädagogik im Kindergarten“ für KindergartenpädagogInnen der Stadt Wien, von 1998 bis 2000 von C. Schneider geleitet – kamen so zu folgenden Ergebnissen (die mit zahlreichen wissen schaftlichen Untersuchungen überein stimmen, vgl. Bütt ner/Dittmann 1992): Mädchen üben sich – häufiger als Buben – vor allem in fol genden Bereichen: ❚ Mütterlichkeit, Fürsorglichkeit, Verantwortung überneh men für das Wohlergehen Anderer, sprachliche Aus drucksfähigkeit – durch Puppen- und Rollenspiele ❚ Geduld, Ausdauer, Geschicklichkeit, Feinmotorik, Krea tivität, ästhetisches Bewusstsein – durch Spielmaterial wie Steck- und Fädelspiele ❚ körperliche Geschicklichkeit auf engem Raum, Koope ration in Paaren oder Kleingruppen, gedämpfter Wettei fer – durch Bewegungsspiele wie z.B. Seil drehen, Gum mihüpfen Buben hingegen trainieren bzw. erfahren tendenziell häufiger: ❚ Dreidimensionalität, Raumerfahrung, physikalische Gesetze, bleibende (!) Werke zu planen und umzusetzen – durch Konstruktionsmaterial und -spiele ❚ Stärke, Kampfgeist, Siegen, die Heldenrolle – durch Action-Spiele ❚ sich durchzusetzen, Kräfte messen, eigene Grenzen suchen und ausdehnen/überschreiten, Kampfverhalten, viel Raum in Anspruch zu nehmen, Dynamik und Kon kurrenz in großen Gruppen – durch bubentypische Bewegungsspiele Ergänzt werden diese Befunde durch Ergebnisse einer Marktstudie des Bundesverbandes des Spielwareneinzel handels „Spielwarenmarkt Deutschland“ aus dem Jahr 1997 (Müller-Heisrath/Kückmann-Metschies 1998, 50f.): ❚ 61% aller Ausgaben für Spielzeug entfallen auf Buben, ❚ Jungen erhalten ca. 10% mehr Spielzeug als Mädchen, ❚ 2% der Mädchen, aber 55% der Jungen bekommen Aktionsspielzeug geschenkt, ❚ 12% der Mädchen und 43% der Jungen erhalten Videos, ❚ 27% der Mädchen, 43% der Jungen Kinderfahrzeuge, ❚ 4% der Mädchen und 34% der Jungen bekommen Fahrzeuge geschenkt. 21 Spielzeug, Spiele, Spielverhalten Erfahrungen, die Mädchen und Buben auf Grund ihrer Sozialisation, unbewussten Erwartungen und Forderungen von Erwachsenen häufig verschlossen bleiben, sind also vor allem (vgl. Mühlegger 1999): Mädchen Jungen Spiele, die Interesse an Technik und Handwerk wecken Spiele, die Interesse an Haushalt und Kindererziehung wecken Spiele, in denen der Umgang mit Dingen im Vordergrund steht Spiele, in denen die Beziehung zu Personen im Vordergrund steht Produktion von Werken, bei denen Funktionalität wichtig ist Produktion von Werken, bei denen Ästhetik wichtig ist Erfahrungen, die Selbstvertrauen und Unabhängigkeit vom Urteil Anderer ermöglichen Erfahrungen, die eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Grenzen ermöglichen Aktivitäten, die Durchsetzungsfähigkeit und Abgrenzungsvermögen fördern Aktivitäten, die Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen fördern Spiele, in denen Körperkraft und grobmotorische Bewegung erlebbar sind Spiele, in denen feinmotorische Geschicklichkeit erlebbar ist Raumgreifende Spielformen Standortgebundene Spielformen Spiele, die ermöglichen, aus sich heraus zu gehen, sich lautstark und lustvoll auszudrücken Spiele, die ermöglichen, bei sich zu bleiben, Ruhe, Gelassenheit und Entspannung zu erleben Spiele mit fantastischen Inhalten, die ermöglichen, sich als unbesiegbar, großartig und omnipotent zu erleben Spiele mit realistischen Inhalten, die ermöglichen, sich als fürsorglich, kooperativ und gefühlvoll zu erleben Spiele, die eine positive Auseinandersetzung mit Aggression ermöglichen Spiele, die eine positive Auseinandersetzung mit Angst und Schwäche ermöglichen 22 Raumnutzung im Kindergarten Raumnutzung im Kindergarten „In vielen Kindertageseinrichtungen gibt es spezifische Spiel- und Aktivitätsbereiche wie die Bauecke, die Puppen ecke, den Werktisch oder den Bilderbuchbereich. Beobach tungen zeigen, dass lange Zeit nach der ,Öffnung‘ der Bauecken für Mädchen und der Puppenecken für Buben noch immer Bauen und Konstruieren eine weitgehend bubendo minierte Tätigkeit ist und versorgendes Spiel in der Puppen wohnung oft den Mädchen vorbehalten bleibt. Um das Handlungsspektrum der Kinder zu erweitern ist es wichtig, diese ,Vorbestimmtheit‘ zu vermeiden. Bei der Beobachtung von Alltagssituationen in Kinderbe treuungseinrichtungen ist häufig zu bemerken, ❚ dass meist Buben den Großteil des zur Verfügung ste henden Raumes in Anspruch nehmen, indem sie z.B. mit Fahrzeugen durch den Raum sausen oder großflä chig den Boden mit Eisenbahnschienen verbauen; ❚ dass Mädchen vorwiegend am Tisch sitzen und zeich nen, Bücher betrachten oder sich mit ,Schachtelspielen‘ beschäftigen. Beide Geschlechter, Mädchen und Buben, nutzen dadurch jedoch lediglich ein sehr eingeschränktes Spielbereichsan gebot. Viele Mädchen spielen den Großteil der Zeit, die sie im Kindergarten verbringen, in der Puppenecke. Die mei sten Buben verbringen überdurchschnittlich viel Zeit in der Bauecke. Die Ursachen dafür liegen einerseits in den an die Kinder gesetzten Erwartungen geschlechtstypischen Verhaltens, andererseits aber auch in den fehlenden Möglichkeiten: Wann sollen Mädchen denn bauen und konstruieren, wenn die Bauecke immer von ,den Buben‘ besetzt ist? Wie sollen die Buben denn das Puppenkind wickeln, wenn die Pup penecke immer von ,den Mädchen‘ besetzt ist“ (Orner u.a. 2003, 31ff.)? Die Reflexion des eigenen Rollenvorbildes in der Kindergruppe kann aufschlussreich sein: ❚ Wo sind meine beliebtesten Spiel- und Aufenthaltsorte im Gruppenraum? ❚ Womit beschäftige ich mich am Liebsten? ❚ Und wo halte ich mich am häufigsten auf? ❚ Welche Kinder halten sich im Baubereich auf, wie lange, was spielen sie dort? ❚ Welche Plätze werden im Garten von Mädchen benützt, welche von Buben? ❚ Welche Kinder verwenden die Fahrzeuge, wie lange? ❚ In welchen Farben sind die jeweiligen Bereiche gestaltet (kräftige Grundfarben, Pastellfarben)? ❚ Welche Spielbereiche sind aus dem Gruppenraum aus gelagert? Weshalb? ❚ Wie oft im Laufe eines Tages beschäftigen sich Mäd chen/Buben im jeweiligen Bereich? Ist eine Tendenz bemerkbar (mehr Mädchen, mehr Buben)? ❚ Gibt es Unterschiede im Spielverhalten? ❚ Wie kann die Bereichefrequenz gesteigert werden? ❚ Welche Ideen haben Sie, um Bereiche und Materialien für Mädchen und Buben leichter zugänglich bzw. inter essanter zu machen? (Orner u.a. 2003, 34) Raumgestaltung Um eine gleichberechtigte Nutzung der unterschiedlichen Spiel- und Erfahrungsbereiche zu ermöglichen, müssen tra ditionelle Raumkonzepte überdacht und aktiv umgestaltet werden. Folgende Anregungen zum Raumkonzept und ergänzende Maßnahmen haben sich bewährt: ❚ Auflösen des traditionellen Rollen- und Familienspielbe reiches (früher „Puppenecke“) und des Bau- und Kon struktionsbereiches (früher „Bauecke“), statt dessen freie Spielflächen ohne spezifische Bestimmungen ❚ Spielgut in Rollcontainern ❚ flexible Teppiche, die Spielflächen klar abgrenzen (posi tive Verstärkung erfahren dadurch vor allem Mädchen, die dadurch überhaupt erst ein Gefühl für den ihnen zustehenden Raum bekommen und diesen Raum bes ser verteidigen können) ❚ Spielimpulse setzen, mitspielen ❚ anderes Material ergänzend anbieten ❚ Einführung von Mädchen- und Bubentagen ❚ Einrichten von Mädchen- und Bubenbereichen ❚ Auswahl an Verkleidungsstücken erweitern (Männerge wand) ❚ Gartengewand für den Freibereich ❚ Mädchen- und Bubendreirad, Mädchen- und Buben auto Vergleichen Sie Ihre Antworten mit Beobachtungen des Spielverhaltens der Kinder: ❚ Welche Spielbereiche werden bevorzugt von Buben fre quentiert? ❚ Welche von Mädchen? 23 Raumnutzung im Kindergarten Für eine allgemeine Bestandsaufnahme einer Einrichtung eignen sich zusammenfassend diese Analysefragen (vgl. Herincs/Policzer 2003): ❚ Ermöglicht die Raumgestaltung allen Kindern – Mäd chen und Buben – gleichermaßen die gleichberechtigte Nutzung (des Raumes, der darin enthaltenen Spielmate rialien und Erfahrungen)? ❚ Motiviert die Raumgestaltung alle Kinder gleicher maßen, selbständig zu agieren und kreativ eigene Struk turen zu entwickeln? ❚ Vermeidet die Raumgestaltung Rollenstereotype? ❚ Macht sie Kinder neugierig darauf, den Raum zu erfor schen? ❚ Haben Kinder die Möglichkeit, zeitweise in geschlechts homogenen Gruppen zu sein? 24 ❚ Nehmen PädagogInnen ihre Vorbildfunktion wahr, indem sie sich relativ ausgewogen in allen Bereichen aufhalten, besonders jedoch in den für ihr Geschlecht untypischen Bereichen (Männer in der Kuschelecke mit dem Bilderbuch, Frauen beim Bäumeklettern?) ❚ Werden Bereiche ohne geschlechtstypisierende Bezeichnungen benannt (Wohnung statt Puppenecke, „grüne Ecke“ statt Bauecke, ...)? ❚ Wird bei der Materialauswahl beachtet, dass unter schiedliche Interessen ansprechende Materialien besonderen Einladungscharakter haben (Handy im Rol lenspielbereich, Naturmaterialien im Baubereich, ...)? ❚ Werden Elemente des „Spielzeugfreien Kindergartens“ eingesetzt, um kreatives Spielverhalten ohne vorgege bene geschlechtstypische Zuschreibung zu unterstüt zen? Körper und Bewegung Körper und Bewegung „Wie der Körper nun genau zu halten und zu bewegen ist, erfolgt mittels einer ,stillen Pädagogik‘ (...). Z.B. signalisiert der Imperativ ,Halt die Beine zusammen‘, der ausnahmslos an Mädchen und Frauen gerichtet ist, dass etwas an ihrem Körper unschicklich oder sogar gefährlich ist, was sie bes ser verbergen sollten. Wenig Raum einzunehmen, sich zurückzunehmen durch eine schmale Fußstellung, durch zusätzlich eng am Körper gehaltene Arme, eine immer noch typische ,Engstellung‘ des ,weiblich‘ inszenierten Körpers, bringt nicht nur räumliche Anspruchslosigkeit zum Aus druck, sondern verweist zudem auf innere Zurückhaltung, mangelnde Selbstsicherheit und Nachgiebigkeit. Dies ist eine Haltung, die eher auf die Einnahme untergeordneter Positionen im sozialen Raum gelesen wird. Die Darstellung von ,Männlichkeit‘ hingegen erfordert eine breite Körperhal tung und Gesten, die auf Raumgewinn angelegt sind, also Bedeutung, Dominanz und vor allem Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit signalisieren (...)“ (Sobiech 2002, 37). Die kindliche Identitätsentwicklung zu fördern umfasst den sozialen, den emotionalen, den kreativen, den kognitiven genauso wie den motorischen Bereich. Überlegen Sie: Haben Mädchen und Buben die gleichen Freiräume, dürfen sie z.B. alleine auf den Spielplatz gehen, müssen sie dort kleinere Geschwister beaufsichtigen, wie lange dürfen sie bleiben,...? (Herincs/Policzer 2003; Gruber/Balkanli/Dole schel 1996) Ingrid Kromer vom österreichischen Institut für Jugendfor schung definiert u.a. Innenorientierung und „SchwachSein“ als zentrale Strukturmerkmale der weiblichen Soziali sation (neben Körpernähe und Emotionalität, Beziehungs orientierung und Abhängigkeit, Minderwertigkeit), hingegen Außenorientierung und Körperferne als zentral für die männliche Sozialisation (neben Selbstbewusstsein, NichtBezogenheit, Überlegenheit und Kontrolle) (Kromer 1999): Innenorientierung wird bei Mädchen gefördert, dagegen werden Erfahrungschancen „draußen“ und eine altersge mäße Entwicklung des Zutrauens und der Stärke einge schränkt. Mädchen und Frauen orientieren sich dadurch am Innenleben von Menschen, an den Erfordernissen einer Beziehung und an den notwendigen Aufgaben im Haushalt. Mädchen werden für ein Leben „drinnen“ sozialisiert – das meint die Verwirklichung in zwischenmenschlichen Bezie hungen, Familie und Haus. „Neben der Einschränkung von Erfahrungschancen ,draußen‘, der permanenten Beaufsich tigung und Kontrolle von Mädchen und der stummen Ver mittlung von diffuser Gefährlichkeit der Welt draußen wird eine altersgemäße Weiterentwicklung des Zutrauens und der Stärke verhindert. (...) Das Zugeständnis von Schwäche und Unterlegenheit führt bei Mädchen häufig dazu, dass sie lernen, sich tatsächlich als hilflos und schwach zu erleben und darzustellen („Schwach-Sein“). Sie werden kaum dazu ermuntert, sich alleine – in Abwesenheit der Erwachsenen – zu behaupten, unabhängig von ihnen Erfolgserlebnisse zu haben, mit ihrer körperlichen Kraft und Stärke umzugehen und auch aggres siv zu sein“ (Kromer 1999). Es fehlen ihnen Erfahrungen, in denen sie Körperkraft und grobmotorische Bewegung erle ben können. Mädchen, die mit Buben raufen oder auf Bäume klettern, bekommen zu hören: „An dir ist ein Bub verloren gegangen!“ Im Gegensatz dazu ist es typisch für Buben, dass sie „hin aus“ gehen (Außenorientierung): Wer kennt sie nicht, die Bubengruppe im Kindergarten oder in der Kindergruppe, die lautstark durch die Gruppenräume tobt, während Mädchen konzentriert am Tisch werken und zeichnen? Buben verbin den damit eine Abenteuer- und Risikobereitschaft und fol gen dem ständigen Impuls, Grenzen zu überschreiten. Für die meisten Buben ist es selbstverständlich, dass sie hinaus gehen, sich neue Lebensräume (Straße, Clique, Spiel plätze,..) selbständig erschließen. Trotzdem ist die Bezie hung von Buben (und Männern) zu ihrem Körper durch Kör perferne zu charakterisieren: sie ist leistungsfixiert (oder auf rasche sexuelle Befriedigung hin orientiert). Männer gehen mit ihrem Körper oft grob und verletzend um (ebd.). Auch der Straßenraum wird von Mädchen anders genutzt als von Buben. „Während letztere die Straße einfach zum Spielen nutzen und als ,ihr Reich‘ in Besitz zu nehmen trachten, sind für Mädchen die Straßen eher nur Wege, die sie in Begleitung von Geschwistern, Freundinnen und Eltern, in führender Begleitung jüngerer Geschwister oder zum Einkaufen nutzen. Rund 63% der Mädchen im Volksschulalter werden auf dem Schulhin- und -rückweg beglei tet, bei den Buben sind es nur 52% (...). Ein generell aggressiveres bzw. riskanteres Verhalten spielt bei Buben bzw. männlichen Jugendlichen jedenfalls auch beim erhöhten Unfallrisiko eine wichtige Rolle. Buben ver unglücken auch zu Fuß und per Rad wesentlich häufiger als Mädchen. Sowohl beim Gehen als auch beim Radfahren ist das Verhältnis etwa 2:1 [Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt 2003]“ (VCÖ 2004, 11). 25 Körper und Bewegung Geschlechtsspezifisch unterschiedliche Erwartungen drü cken sich auch in Normen für körperliche Entwicklungs stände aus: So zu lesen in der Broschüre: „Mehr Sicherheit durch Bewegung. Unfallprävention und Sicherheitserzie hung durch ganzheitliche Förderung im Kindergarten“. Um zu überprüfen, wo Kindergartenkinder bewegungs mäßig stehen, kann ein Protokollbogen verwendet werden. Allerdings sind die Werte für „Schlussweiten sprung, 6-Meter-Lauf, Klettern über die Bank, auf einem Bein Stehen, Hände öffnen und schließen“ eingeteilt in für Mädchen und Buben geltende Werte (für jeweils 3-jährige und 6-jährige) – nicht nach Körpergröße oder Gewicht! So sollten 3-jährige Mädchen beim Schlussweitensprung 38 cm weit springen, gleichaltrige Buben jedoch 50 cm; 6-jährige Mädchen den 6-Meter-Lauf in 3,35 Sekunden zurücklegen, gleichaltrige Buben in 3,15 Sekunden (Koller/ Kummetz/Pfohl, 53f.). Was dabei für ein Mädchen „normal“ ist – und die Anforderungen für Mädchen sind niedriger als für Buben – stellt bei einem Buben bereits ein Manko dar, das notfalls durch gezielte Förderung wettgemacht werden soll. Stellen Sie folgende Analysefragen zur Bestandsaufnahme von Bewegungsmöglichkeiten und Raumnahme (vgl. Her incs/Policzer 2003, Focks 2002, 163f.): ❚ Welchen Kindern gelingt es, welche Spielflächen für sich in Anspruch zu nehmen? ❚ Von wem werden die Fahrzeuge (im Garten) genützt? ❚ Haben Mädchen und Buben den gleichen Zugang zum Bewegungsraum, zum Bewegungsbereich? Wie werden diese Bereiche genützt? ❚ Welche Bewegungsmöglichkeiten stehen den Kindern zur Verfügung, mit welchen Einschränkungen sind sie konfrontiert? ❚ Was trauen sich Mädchen oder Buben körperlich zu? ❚ Wo werden Mädchen oder Jungen durch die Raumge staltung möglicherweise auf bestimmte Bewegungen, Spiele und Tätigkeiten festgelegt oder begrenzt? ❚ Wie lassen sich durch Raumgestaltung und Einrichtung sowie durch die Gestaltung des Außengeländes Mäd chen und Jungen auch zu geschlechtsuntypischen, Kompetenz erweiternden Aktivitäten angeregt? ❚ Wo finden sie Rückzugsmöglichkeiten und Freiräume? 26 Hat der Schulsport ein Geschlecht? Im sportlichen Bereich werden von den Kindern oft die häu figsten aktiven geschlechtsspezifisch unterschiedlichen vorschulischen Erfahrungen gemacht – hier sind vor allem Buben und Ballsport zu nennen (Zuba 2003, 35). So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele Lehre rInnen und Verantwortliche für den Sportunterricht von einer natürlichen Geschlechterdifferenz ausgehen. Dies zeigt eine Untersuchung von Sheila Scraton (1992): „... von 56 inter viewten Personen in Entscheidungsfunktionen in Bezug auf Sporterziehung bezogen sich 53 auf das Vorhandensein von eindeutigen ,natürlichen‘ Geschlechtsunterschieden“ (Scraton 1992, 47; zit. nach Zuba 2003, 32; Übersetzung C.S.). Hier wird auf „sex“ verwiesen, ohne Prozesse des „doing gender“ zu berücksichtigen. Doch die gibt es gerade im Schulalltag überall: Während des Bewegungsunterrichts müssen die Kinder in der Regel keine bestimmte Sitzord nung einhalten, sondern können ihre InteraktionspartnerIn nen öfters als in anderen Gegenständen frei wählen. Dadurch erlaubt der Sportunterricht den Kindern auch öfter sowohl informelle, zwischenmenschliche als auch körperli che Kontakte mit ihren MitschülerInnen. Aufgrund der grö ßeren Raumsituation haben die Kinder die Möglichkeit öfter unbeobachtet durch die Lehrperson zu interagieren. Andrew Parker (1996) beschreibt in einer Studie über Kon struktion von Männlichkeit im Sportunterricht von Buben die Gründe eines höheren aggressiven Verhaltens im Bewe gungsunterricht im Vergleich zu anderen Gegenständen mit den Worten: „In fact, because of its relatively ,informal‘ and ,spacious‘ appeal, physical education appeared to provide more opportunity than other lessons for the enactment of such behaviour“ (Parker 1996, 143) (Zuba 2003, 31). Frei-Räume in Kindergarten und Schule Frei-Räume in Kindergarten und Schule Die Situation auf Schulhöfen Beobachtungen des Pausenhofgeschehens einer Grund schule in Göttingen zeigten, dass auf der durchgehend asphaltierten Fläche praktisch nur Tobe-, Rauf- und Rem pelspiele stattfanden. Kinder, die sich dem nicht gewach sen fühlten, standen „mit dem Rücken zur Wand“ oder ver suchten, im Gebäude zu bleiben. Hiervon waren besonders die Mädchen betroffen (Schlapeit-Beck/Spalink-Sievers 1993, 80ff.). Untersuchungen auf Schulhöfen der Stadt Basel ergaben, dass sich das Spielverhalten von Mädchen und Knaben in jedem Alter deutlich unterscheidet. Mäd chen spielen öfter in kleinen Gruppen, kleinräumig und in vielfältiger Weise. Knaben sind häufiger in großen Verbän den mit raumgreifendem Spiel wie Fußball oder Spaßkämp fen beschäftigt (Pausenplatz-Gestaltung). Mädchen und Buben spielen am liebsten mit Kindern des gleichen Geschlechts und entwickeln geschlechtsspezifi sches Spielverhalten, unterschiedliche Spielkulturen, Spieltypen und Gruppenstrukturen: Mädchen spielen in 2-er und 3-er Gruppen, kommunikativ, nicht konkurrenzorientiert. Ihre Spiele zeigen große Affinität zur Lebenswelt der Erwachsenen; es handelt sich oft um Kommunikations-, Koordinations-, Empathiespiele, die ver bale Kompetenzen benötigen, sie sind konsensorientiert und auf kleinem Raum zu spielen. Mädchen halten sich eher an vorgegebene Nutzungen. Buben spielen in größeren Gruppen, gegen die Kultur der Erwachsenen abgegrenzt, konkurrenzorientiert; ein Verhal tenskodex bestimmt, was männlich ist (darüber wird Ein schluss und Ausschluss produziert); Jungenspiele sind häu fig bewegungsorientiert, es geht ums Kämpfen, Raufen, Fangen; Jungen handeln Machtansprüche, Dominanz und Ränge aus, brauchen mehr Platz und übertreten öfter Benutzungsregeln. Soweit die Bestandsaufnahme. Auch Ihnen werden Fußball spielende Buben und Mädchen beim Gummihüpfen oder Zauberpony-Spielen bekannt sein. Für eine aktuelle Bestandsaufnahme können sich Ihre Beobachtungen auf folgende Fragen stützen (vgl. Studer 2004a): ❚ Wer spielt wo? Was tun Mädchen und Buben im Schul hof, auf der Freifläche des Kindergartens, des Horts? ❚ Welche Orte nutzen sie und wann (Pause, Unterricht, Nachmittagsbetreuung, vor und nach der Schule)? ❚ Wer nimmt wie viel Raum ein? ❚ ❚ ❚ Wer spielt mit wem? Wer spielt/macht was? Sind alle damit zufrieden oder gibt es andere Wünsche, die derzeit noch keinen Platz finden? Was ist zu tun? Geschlechtsspezifische Spielvorlieben sol len durchaus berücksichtigt werden bei der Gestaltung von Frei- und Pausenplätzen. Um geschlechtsstereotypes Ver halten eher durchbrechen zu können, sollen Mädchen ani miert werden, sich durch Ball- und andere raumgreifende Spiele Raum schrittweise anzueignen; Buben sollen für kleinräumiges Spiel interessiert werden. Ziel ist weniger, alle Kinder zum Zusammenspielen zu animieren, sondern viel mehr, „Bewusstsein für eine faire Raumaufteilung zu schaf fen: Mädchen müssten dann lernen, Raum zu ergreifen und diesen Raum als ihnen zustehend zu betrachten. Knaben müssten lernen, Raum zu überlassen und mit dieser Ein schränkung umzugehen“ (Pausenplatz-Gestaltung, 25). In einer deutschen Untersuchung von Schön (1999) beschrei ben ältere Mädchen sehr genau, was Frauen den Zugang zum öffentlichen Raum jenseits der unmittelbaren Gewalt drohung verwehrt: Es ist die allzu selbstverständliche männliche Besetzung öffentlicher Räume, die nichts ande res zulässt, Andere ausschließt und Normen setzt. Hierzu gehören die raumnehmenden und beherrschenden Körper haltungen und Verhaltensweisen von Männern im öffentli chen Raum ebenso wie der männlich dominierte Fußball in all seinen Ausprägungen. Mädchen nutzen Orte nicht, die Jungen für sich beanspruchen (Ballspielkäfige, Fußball plätze) – in der Regel auch nicht in deren Abwesenheit. Die räumliche Dominanz der Jungen und die räumliche „Zurückhaltung“ der Mädchen lassen sich selbstverständ lich nicht allein durch Planung beheben. „Trotzdem müssen alle Planungsmaßnahmen sorgfältig nach geschlechtsspe zifischen Konsequenzen durchdacht werden, so dass nicht schon durch die bereitgestellten Spielräume eine Zuord nung vorgegeben wird, die Jungen zu Platzhirschen und Mädchen zu Zaungästen macht“ (Steinmaier 1993, 140). Die Gestaltung eines Platzes übt einen großen Einfluss auf die Pausenaktivitäten der Kinder aus. Je nachdem, ob die vorhandene Fläche unstrukturiert oder vielfältig strukturiert ist, können die Kinder ihren verschiedenen Interessen und Bedürfnissen besser nachgehen. Strukturierte und gestal tete Flächen tragen dem unterschiedlichen Spielverhalten 27 Frei-Räume in Kindergarten und Schule von Mädchen und Buben Rechnung, während offene Flä chen raumgreifendes Spiel favorisieren. Mädchen haben dann schlechte Chancen, Raum zu gewinnen, Ältere drän gen Jüngere an den Rand. Nutzungsregeln können die Spielmöglichkeiten für die Kin der einschränken, häufig bevorzugen sie jedoch die Buben. Fragen Sie sich: ❚ Welche Nutzungsregeln, Hausordnungen, informellen Regeln gibt es in meiner Einrichtung? ❚ Wer beachtet die Regeln? ❚ Wen schränken sie ein? ❚ Gibt es Unterschiede nach Geschlechtern, Alter, sozia ler Gruppen oder Ethnien? ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ Fragen Sie weiters, welchen Einfluss die Aufsicht im Freige lände oder Schulhof hat: ❚ Was macht die Aufsicht? ❚ Straft sie ab, hilft sie wenn sich ein Kind weh tut, spielt sie mit, läuft sie herum,...? ❚ Beeinflusst das Verhalten der BetreuerInnen und der Aufsicht das Verhalten der Mädchen und Buben? ❚ Welche Veränderungen bewirkt verändertes Verhalten von BetreuerInnen? ❚ Anregungen zur Gestaltung von Freiflächen von Kindergärten, Horten und Schulen ❚ Die Gestaltung sollte sowohl großräumige als auch klein räumige Spiele ermöglichen: Großräumiges Spiel sollte wirksam eingegrenzt werden, z.B. durch lockere Baumbe pflanzung oder abgesenkte Flächen. Für kleinräumiges Spiel eignet sich eine Gestaltung mit einfachen, platzgestal tenden Elementen: Bäume, Büsche, Steine, verschiedene Bodenbeläge, Bänke (Pausenplatz-Gestaltung). Generell gilt: Freiräume, die nicht von allen gleichermaßen aneigen bar sind, sind zu vermeiden! Weitere Empfehlungen (nach Burdewick o.J., Studer 2004a und 2004b): ❚ Raum verändern – durch Umbau, neue Möbel und Spielgeräte ❚ mobiles Material zur Verfügung stellen – Bälle, Seile, Malkreiden ❚ Zonen von unterschiedlicher Aufenthaltsqualität schaffen ❚ vielfach nutzbare Spielbereiche, Sand-Matsch-Berei che, Wasserspielplätze ❚ Schaukeln, besonders wenn sie zu mehrt nutzbar sind, Schwunggeräte, Seilbahnen, Klettertürme zum Klettern und für Rollenspiele, zum Rückzug ❚ sich treffen, reden, beobachten ermöglichen ❚ Bereiche, wo es etwas zu beobachten gibt, z.B. Ein gangsbereiche 28 ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ ❚ Nischen als Sitzplätze und Rückzugsraum „schöne“ Sitzbereiche, Orte die gepflegt sind, sauber, wo Blumen wachsen das Miteinander der SchülerInnen verändern aktive Beteiligung Erwachsener (PädagogInnen, Auf sichtspersonen), Vorleben neuer Regeln (respektvoller Umgang miteinander, Bewegungsspiele von Frauen und Mädchen) Nutzungszeiten ändern, Pausen für Klassen staffeln, Pausenlängen ändern bei Konflikten: gemeinsam Lösungen mit Kindern suchen, ev. auch Hilfe von außen in Anspruch nehmen (Mediation, Unterstützung von älteren/Peers) bei gewalttätigen Handlungen: eindeutiges Stellungneh men von Seiten der PädagogInnen in der Planung von Vorhaben, Projekten, Umgestaltun gen, Neugestaltungen: – Erheben der Bedürfnisse und Wünsche aller Beteilig ten, diese Erhebung geschlechtsspezifisch auswerten – Überprüfung, ob und wie sich geplante Maßnahmen auf unterschiedliche NutzerInnen auswirken gemeinsames Gestalten des Pausenhofes von Päda gogInnen, Mädchen und Buben keine geschlechtsspezifisch konnotierten Spielbereiche: kein „Haus“, sondern ein „Spieltier“ weg vom klassischen Gerätespiel – hin zu Naturerfah rungen (Wasser, Dreck, Erde, Körpererfahrungen, Früchte essen, Blätter abreißen,...) Nischen, Sträucher zum Zurückziehen und Verstecken, alte Decken zum Mit-Raus-Nehmen unterschiedliche Bodenbeläge ermöglichen unter schiedliches Tun Schwingen, Klettern, Springen ermöglichen multifunktionale Nutzungen ermöglichen auf Veränderbarkeit achten Wasseranschluss und -nutzung draußen und drinnen beim Eingang Klärung der Frage: Wer ist für Erhaltung und laufende Pflege verantwortlich? Sind personelle und finanzielle Ressourcen dafür vorhanden? Ein Hinweis zur Partizipation von Mädchen und Buben bei der Gestaltung von Freiflächen: Befragt zu ihren Wünschen in Bezug auf eine Umgestaltung eines Schulhofes mit dem Ziel, den Interessen von Mädchen und Jungen Geltung zu verschaffen, wünschten sich Mädchen Sitzgelegenheiten und Hüpfkästchen zum Tempelhüpfen, Jungen Spielfelder und Klettergerüste (Bitzan 2000, 147). „Die Mädchen und Jungen sagen das, was auf dem Schulhof sonst übliche Praxis ist (Alltag). Ob sie vielleicht auch ganz andere Erfah rungen machen wollten oder könnten, kommt weder ihnen noch der [Pädagogin] in den Blick“ (ebd.). Um der Gefahr zu Frei-Räume in Kindergarten und Schule entgehen, Stereotypen und gut Bekanntes abzufragen und somit trotz emanzipatorischem Anspruch Klischees zu reproduzieren, empfiehlt es sich, in einem längeren, vorbe reitenden Projekt den Kindern zu ermöglichen, neue Erfah rungsräume zu phantasieren. Erfahrungen aus dem Mäd chengarten Szene Wien – ein Projekt der Parkbetreuung im 11. Wiener Gemeindebezirk (Gruber/Staller/Studer 1998) – zeigen, dass „ein Großteil von Ideen sozusagen ,zwischen durch‘, beim gemeinsamen Tun entstand, während Ver sammlungen sich als weniger produktiv gestalteten. Hier sind genaues Hinhören und Beobachten vonseiten der BetreuerInnen ebenso wie Gespräche in kleinerem und grö ßerem Rahmen mit Mädchen von großer Bedeutung“ (ebd., 25). Ein wesentlicher Faktor beim Mädchengarten war und ist jedoch, dass die Mädchen die Entwicklung und Umset zung von Ideen unter sich tun können. „Die Anwesenheit von Burschen ist meist ein zentraler Faktor dafür, dass Mädchen sich in eine Warteposition begeben, den Bur schen das aktive Handeln überlassen und damit in ein Ver harren in altbekannte Raumaneignungsmuster abgedrängt werden (vgl. Flade/Kustor 1996)“ (ebd., 26). Das Projekt Mädchengarten geht davon aus, dass „Mädchen aktive Menschen sind, und dass ihr Verhalten im öffentlichen Raum ein Spiegel der bestehenden Machtverhältnisse ist“ (ebd., 45). Gedanken zum Schluss Werden die typischen Mädchenspiele mit ihrem kleineren Aktionsradius, ihre eingeschränkten Bewegungsräume, ihre eher standortgebundenen Spielformen als Defizit gesehen und das expansive Verhalten der Jungen als Norm? Wie werden die „raumeingeschränkten“ Mädchen zu „raum kompetenten“ Frauen, die typischerweise im Unterschied zu Männern viel mehr Wege zurücklegen und viel mehr Orte an einem Tag miteinander verknüpfen müssen (Wohnung, Erwerbsarbeit, Einkauf, Schule, Kindergarten, Schul freundIn) (Löw 2001)? Eine qualitative Untersuchung dar über, was Kinder einer Schulklasse im Alter von 9 bis 11 Jahren im Straßenraum und in öffentlichen Freiräumen ler nen und welchen Aktionsradius sie nützen, ergab: „Die Jun gen verbanden mit dem großräumigen Herumstreunen (...) fast alle Allein-Sein, nicht selten auch Einsamkeit. Sie erschlossen sich die öffentlichen Räume der Erwachsenen, ohne dass sich Handlungen oder Kontakte ergaben. Sie blieben in der Rolle der Beobachter“ (Ahrend 1997, 208, zit. nach Löw 2001, 251; Hervorhebung i.O.). Eine Gruppe von Mädchen dieser Klasse führte eine Sammelaktion für Schildkröten durch: hier wurde es zur Mutprobe, auf Fremde zuzugehen, um Geld zu bitten und in Diskussion zu treten. Ist mehr Raum mehr Macht? Ja und nein. Jedenfalls muss die Annahme, dass man in einem größeren Raum auch mehr lernen kann, ergänzt werden mit der Frage danach, was gelernt wird. 29 Emotionen und Gefühle Emotionen und Gefühle Mädchen und Buben wird bereits von klein auf ein unter schiedlicher Zugang und Umgang mit Emotionen und Gefühlen anerzogen. Viele Buben beginnen z.B. ab einem Alter von etwa drei Jahren, sich raumgreifend zu bewegen – und das oft in einem rauschhaften Gefühl. Natürlich kann wildes und aggressives Verhalten auch lustvoll sein. Aber kann es nicht auch darum gehen, durch Inszenierung von Stärke klein machende Gefühle abzuwehren? Vielleicht haben auch Erwachsene Probleme damit, Buben als unsicher, beküm mert oder verwirrt zu erleben (das passt ja auch gar nicht zur Männerrolle). Und sehen manche erwachsene Frauen in Buben nicht auch kleine Männer, vor deren Rücksichtslo sigkeit sie kapitulieren, wenn sie deren verbalen und körper lichen Machtdemonstrationen nichts entgegensetzen? Auch der geschlechtstypische Umgang mit Schmerz und Traurigkeit ist für die Entwicklung von Buben höchst proble matisch. „Denn ,sich zusammen reißen‘, statt zu weinen, bedeutet, nicht zu lernen, Traurigkeit und Schmerz als wich tige innere Regungen und körperliche Zeichen ernst zu neh men“ (Focks 2002, 76). Die Jugendforscherin Ingrid Kromer nennt Überlegenheit und Kontrolle, Nicht-Bezogenheit, Körperferne und Ratio nalität als Kennzeichen für die männliche Sozialisation, Emotionalität und Beziehungsorientierung hingegen als kennzeichnend für die weibliche Sozialisation (Kromer 1999): „Das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Anlehnung wird klei nen Mädchen von Kindheit an selbstverständlich zugestan den und sie lernen daher sehr früh, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken (...) sowie sich von ihnen leiten zu lassen. Das bedeutet auch, dass sie dabei die Fähigkeit erwerben, Gefühle auch bei anderen wahrzuneh men, Anteil zu nehmen und mitfühlend zu sein. Emotiona lität ist ein den Frauen von der Gesellschaft zugewiesenes Prinzip. Denn Beziehungsarbeit/Familienarbeit ist Frauen sache und erfordert Sensibilität für Gefühle, Stimmungen und die Bedürfnislage anderer Menschen und ist auf das Wohlsein anderer (Kinder, Kranke, Alte und v.a. Männer) gerichtet. Dabei wird vernachlässigt, Mädchen auch zu befähigen, wie sie Rationalität und Nüchternheit einsetzen können, um Gefühle zu klären und zu entwirren, und somit auch zu einem Gewinn an eigener Handlungsfähigkeit zu kommen. (...) 30 Beziehungsorientierung: Mädchen lernen (...) sich auf andere zu beziehen und früh Rücksicht zu nehmen. In ihren engen Beziehungen zu Bezugspersonen zu Hause und zu ein oder zwei besten Freundinnen entwickeln sie die Fähig keit, Freundschaften und Kontakte zu knüpfen und zu pfle gen, sich für Beziehungen einzusetzen, sich um andere zu sorgen“ (Kromer 1999). Und was lernen Buben in unserer Gesellschaft auf dem Weg zum Mann? „Überlegenheit und Kontrolle: Männer müssen besser sein, besser als andere Männer, besser in jedem Fall als Mädchen. Männer verfügen über die Definitionsmacht. (...) Besser, stärker und machtvoller zu sein heißt aber auch, Schwachheit, Traurigkeit, Ängstlichkeit nicht zulassen zu dürfen, eigene Gefühlsregungen zu kontrollieren, ,im Griff‘ zu haben. Weil für Buben die Wahrnehmung und der Zugang zu ihrer ,Innenseite‘ der Gefühle verschlossen wird, müssen sie sich nach außen als Mann produzieren. Dafür gibt es verschiedene Strategien und Lösungsmuster: Lei stung mit dem Ziel, immer höhere Rekorde zu schaffen; Mutproben und Rivalitäten; Abwertung von Frauen, aber auch allem Nicht-Männlich-Normalen: Homosexualität, Ausländer,... Nicht-Bezogenheit: Männliche Beziehungen und Bindun gen sind in einer Vielzahl von schlechter Qualität. Es ist ein früh anerzogenes Muster, dass Männer sich draußen allein zurecht finden müssen. Dies führt zu Beziehungsmustern, die mitunter oberflächlich und unverlässlich bleiben. (...) Das ist auch die Voraussetzung dafür, andere zu benützen, mit anderen zu konkurrieren, es macht letztlich Gewalthan deln leichter. Mangelnde Beziehungsfähigkeit führt zu mangelndem Ein fühlungsvermögen in andere Menschen, aber auch zu einer schlechten Qualität der Beziehung zu sich selbst. Deutlich wird das z.B. in Gruppensituationen: Buben fehlt die Kom petenz, in der Gruppe ,sie selbst‘ zu bleiben. Wir kennen das Phänomen: Einzeln ist mit Buben durchaus was anzu fangen, aber in der Gruppe sind sie oft nicht wiederzuerken nen... Körperferne und Rationalität: (...) Insgesamt ist es für [Buben und] Männer oft schwierig, Zugang zu den eigenen Gefühlen zu bekommen bzw. ihnen Ausdruck zu verleihen, was nicht selten Stummheit zur Folge hat. Männer/Buben tun sich schwer, mit anderen darüber zu reden, was sie innerlich bewegt. Dieses ,Verwehren des eigenen Selbst‘, diese Unfähigkeit, mit sich selbst in Kontakt zu treten, ist Emotionen und Gefühle letztlich eine Voraussetzung dafür, dass nach wie vor tradi tionelle Männlichkeitsbilder übernommen und gelebt wer den“ (Kromer 1999). PädagogInnen können sich folgende Fragen stellen (u.a. aus Herincs/Policzer 2003): ❚ Können Mädchen und Buben ihre Gefühle erkennen, benennen und akzeptieren? ❚ Werden die Kinder angeregt und unterstützt darin, ihre Gefühle zu verbalisieren? ❚ Können Mädchen und Buben auf ihre und die Bedürf nisse anderer Rücksicht nehmen? ❚ Werden geschlechterstereotype Zuschreibungen ver mieden (z.B. Lob in Bezug auf Mut, Tapferkeit und Stärke an Buben, Verleugnung von Gefühlen und Schmerz)? ❚ Reflektieren PädagogInnen ihren eigenen Umgang mit Gefühlen wie Ärger, Wut, Trauer,...? ❚ Verbalisieren auch PädagogInnen ihre Gefühle? ❚ Lernen alle Kinder – Mädchen wie Buben – verschie dene Konfliktlösungsansätze kennen? ❚ Können Kinder eine Akzeptanz für Unterschiedlichkeiten entwickeln? ❚ Können PädagogInnen den Zusammenhang von Kon fliktlösungsmustern und Geschlechterrollen erkennen? 31 Sexualität Sexualität Für Kinder ab dem Kindergartenalter ist die Beschäftigung mit ihrem eigenen Körper und ihrer Sexualität nichts Neues. „Der Wunsch nach Zärtlichkeit, Wohlbefinden, Erregung und Befriedigung, nach Wissen um körperlich-seelische Vorgänge und Befindlichkeiten setzt nicht erst mit dem soundsovielten Lebensjahr ein, sondern ist in unterschied lichsten Ausprägungen immer da, wo Babys, Kinder oder Erwachsene sind“ (Axster/Trabe 2001, 35). Das heißt, jede/r PädagogIn „trifft auf viele kleine Fachfrauen und -männer. Das, was wir diesen jungen ,Expertinnen‘ und ,Experten‘ als Erwachsene anbieten können und sollten, sind Zusatzinfor mation, Benennungshilfen und die Stärkung der Intuition und Gefühle. (...) Die Information, dass die Genitalien, Geschlechtsteile genau wie alle anderen Körperstellen sich so oder so oder so anfühlen, ist für Mädchen und Buben nichts Neues; lediglich die Information über die Bezeich nungen und vor allem die Erfahrung, dass darüber öffentlich geredet werden kann, ist häufig neu“ (ebd., 35ff.). Es ist für kleine Mädchen sehr schwierig, ein positives und sicheres Körpergefühl zu entwickeln, wenn sie keine (oder negativ besetzte) Bezeichnungen für ihr Genital bekommen und oft keine Vorstellungen von ihrem Körperinneren ent wickeln können. Wie unterschiedlich dazu stellt sich die Entwicklung des Körperbildes bei Buben dar – gerade weil deren Genitalien für sie und alle sichtbar mit einer Reihe von (meist liebevollen und bewundernden) Namen belegt sind (Rendtorff 1997). „Es gibt kein Patentrezept für Sexualerziehung, für Aufklä rung und das Reden über den eigenen Körper. Am besten geht sicher immer ein Weg, der zu einer/einem selbst passt, wobei es immer wieder erstaunlich ist, was auch wir Erwachsenen selber immer noch Neues erfahren können im Austausch mit Kindern. Immer wieder überraschen Fragen nach etwas, was eine/r selbst sich noch nie so überlegt hat. Und vielleicht auch keine direkte Antwort darauf weiß. (...) 32 Kinder, die gelernt haben, dass sie über ihre Gefühle und ihren Körper, über das, was sie mögen und nicht mögen, sprechen können, sind weniger häufig von sexuellem Miss brauch betroffen als Kinder, die gelernt haben, dass über ,das da unten‘ nicht geredet werden darf. Sie haben keine Begriffe für das, was da berührt wird, für das, was verwir rend ist, für die Gefühle dazu. Wenn Mädchen und Buben ihre Körper und die Empfindun gen und Gefühle, die der Körper auslöst, benennen und erleben dürfen, haben sie ein großes Spektrum an Empfin dungs- und Handlungsmöglichkeiten. Wir Erwachsenen können ihnen helfen, diese zu erschließen und zu genießen. (...) Berührungen, Körper, Sexualität,... sind besprechbar. Die eine wird Fragen zu Aids beantworten, die andere wird Wert drauf legen, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass Onanieren/Masturbieren schöne Gefühle macht und etwas ist, das eine/r mit sich allein genießen kann, ein ande rer wird das Sperma-„Wettrennen“ zum Ei anschaulich dar stellen und wieder ein anderer wird lieber darüber sprechen wollen und können, dass es die verschiedensten Arten von Familien und Liebespaaren gibt. Hilfreich ist immer die Reflexion der eigenen Gewohnheiten, Vorlieben und Tabus. Und auch der eigenen Grenzen“ (Axster/Trabe 2001, 37f.). Sexualerziehung umfasst Körperentdeckung, Gefühlswahr nehmung, Sinnesschulung, Ich-Stärkung, Selbstbewusst sein, Körperlichkeit und Nähe, unbeobachtetes Experimen tieren. Zu empfehlen für die Arbeit mit Kindergarten- und Volks schulkindern sind sexualpädagogische Angebote wie zum Beispiel die Homepage von Dagmar Kasüschke: www.maedchen-jungen.de, die Homepage des Wiener Vereins Selbstlaut (siehe Anhang) und der Artikel von Lilly Axster und Angelika Trabe (2001). Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher (Bilder-)Bücher zeigen Kindern Alltägliches, Bekanntes – oder aber neue, spannende Möglichkeiten. Bilderbücher werden wieder und wieder angesehen, oft gemeinsam mit einer vertrauten Person, die vorliest, erklärt, Fragen beant wortet. Worte und Verse prägen sich ein, Bilder werden Vor bilder, in den Köpfen entstehen Lebensmuster. Christine Nöstlinger sagt: „Kinderbücher müssen Hoffnung transpor tieren.“ Bücher sollen die Wirklichkeit zeigen, aber welche Wirklich keit? Die Wirklichkeit hat viele Gesichter; es macht Sinn, ermutigende Seiten der Wirklichkeit abzubilden, zu sagen: „So geht es auch!“; nicht die schöne heile Welt, sondern den konstruktiven Umgang mit den angenehmen und unan genehmen Seiten des Lebens. (Bilder-)Bücher sind ein wesentliches Medium, um die Ziele geschlechtssensibler Pädagogik erreichen zu können. Zur Auswahl mädchen- und bubenfreundlicher Bilderund Kinderbücher eignet sich folgende Kriterienliste (vgl. Seifried 1996 und 2001): Darstellung ❚ Wie viele Mädchen, wie viele Buben sind auf den Bildern zu sehen? ❚ Wer hält sich vor allem zu Hause auf, wer auf der Straße? Wer in geschützten Räumen, wer in offenen, gefährlichen Situationen? ❚ Wie ist ihre Kleidung? Z.B. bei Mädchen hinderlich bei Aktivitäten? ❚ In Gruppenszenen: Wie viele Personen sind weiblich, wie viele männlich? ❚ Wie sehen die Mädchen und Frauen aus: Sind sie auch wütend oder schmutzig? ❚ Wie sehen die Buben und Männer aus: Sind sie auch verunsichert oder traurig? Handlung ❚ Wer ist im Mittelpunkt des Geschehens, männliche oder weibliche Wesen? ❚ Wer spielt Nebenrollen? ❚ Welche Eigenschaften haben die dargestellten Mäd chen/Frauen, welche die Buben/Männer? Einfühlsam – kreativ – eigensinnig – mutig – schüchtern – witzig – geschickt – liebevoll – zärtlich – phantasievoll – wild... ❚ Werden Schwächen/Stärken bei Mädchen und Buben gleichermaßen aufgezeigt und bewertet? ❚ Ist es „normal“, dass das Mädchen aktiv oder der Bub passiv ist, oder bekleiden die Kinder damit eine Außen seiterInnenposition? ❚ Welche Gefühle haben die Kinder in der Handlung? Z.B.: ängstlich – mutig – traurig – zornig... ❚ Dürfen Mädchen wütend sein, sind sie auch waghalsig, erfinderisch und vorlaut? ❚ Wie wird der Umgang von Mädchen miteinander darge stellt? Z.B. in Hinblick auf Solidarität und Kritikfähigkeit? ❚ Was spielen, arbeiten, machen Buben, was Mädchen? Und wo spielen, arbeiten und beschäftigen sie sich? ❚ Mit welchem Spielzeug werden Mädchen und Buben dargestellt? Sind Mädchen interessiert und sachkun dig? ❚ Wer hat Ideen, von wem gehen Initiativen aus und wer setzt sich durch? ❚ Sind weibliche und männliche Figuren gleichermaßen sach- und lebewesenbezogen dargestellt? ❚ In welchem persönlichen Bezugsrahmen stehen weib liche und männliche Gestalten? ❚ Sind sie allein oder hauptsächlich in Begleitung? ❚ Sind Mädchen und Buben gleichermaßen in gleichge schlechtlicher und andersgeschlechtlicher Begleitung? ❚ Erscheinen weibliche und männliche Gestalten gleicher maßen als Persönlichkeiten? ❚ Bei Bilderbüchern mit sexualkundlichem Aspekt: Wer den weibliche und männliche Geschlechtsorgane glei chermaßen offen und positiv dargestellt? ❚ Bedeutet dieses Bilderbuch für Mädchen eine Ermuti gung? ❚ Erleichtert es Buben den Abschied vom ewigen Helden? ❚ Werden Mädchen und Buben ermutigt, ihren Weg bzw. neue Wege zu gehen? ❚ Werden Formen des Widerstandes gegen Übergriffe angeführt und positiv bewertet? ❚ Wird Freundschaft zwischen Mädchen gleichwertig gezeigt wie die zwischen Buben und zwischen Mädchen und Buben? Erwachsene ❚ Welche Familienformen und sonstigen Formen des Zusammenlebens werden dargestellt? ❚ Wird die Beziehungsarbeit in der Familie und zu anderen Personen thematisiert? 33 Bilderbücher, Kinderbücher, Schulbücher ❚ Welche Berufe werden von welchen Personen ausge führt? ❚ Werden Frauen nicht nur als Hausfrauen gezeigt, son dern mit Beruf und eigenen Freizeitaktivitäten? ❚ Gibt es Frauenbilder, die Mut machen können, die ver mitteln: Erwachsenwerden lohnt sich? ❚ Wer erledigt die Hausarbeit? ❚ Kümmern sich Frauen und Männer um die Kinder? ❚ Sind die Buchmänner bereit, neue Verhaltensweisen zu lernen? ❚ Wie gehen Männer mit Autorität und Macht um? ❚ Wer trifft Entscheidungen über Anschaffungen, Ausga ben, Investitionen? ❚ Wer verdient, wer besitzt? Werden bei unterschiedlichen Besitz- und Entscheidungsverhältnissen oder Hand lungsspielräumen die Gründe dafür kritisch hinterfragt? ❚ Sind „böse“ Figuren männlich und/oder weiblich? Tierdarstellungen ❚ Welche männlichen Tiere und welche weiblichen Tiere sind dargestellt? Schaf, Kuh, Schwein – Pferd, Hund, Löwe. Welche Rolle übernehmen diese Tiere? Schulbücher bilden zwar nur einen Teilbereich der schuli schen Sozialisation, sie können aber maßgeblich dazu bei tragen, Mädchen und Buben rollenerweiternde Identifikati onsmöglichkeiten zu bieten oder aber Geschlechterrollen verfestigen. Schließlich vermitteln Schulbücher nicht nur fachliches Wissen (z.B. wie multipliziert wird, wie viele Bun desländer Österreich hat, wie Wörter richtig geschrieben werden,...), sondern es werden explizit oder implizit auch Aussagen über die Geschlechter getroffen. Durch Rechnun gen wie: „Mutter strickt den Buben Fußballerschals. Peters Schal ist 100cm lang, Antons Schal 82cm. Wie groß ist der Unterschied?“ bzw. durch Abbildungen, auf denen kochende Frauen oder sportliche Buben zu sehen sind, werden auch Rollenklischees vermittelt. Der so genannte „heimliche Lehrplan“ der Geschlechtererziehung lässt sich auch in Schulbüchern ausmachen, in dem SchülerInnen so nebenbei einiges über Geschlechterverhältnisse lernen. 34 Analysekriterien für Schulbücher können sein: ❚ Wie oft kommen Mädchen/Frauen im Vergleich zu Buben/Männern in Text und Bild vor? ❚ Werden Mädchen/Frauen sprachlich sichtbar gemacht? ❚ Wie oft werden Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer bei welchen Tätigkeiten dargestellt: wer übt welche Frei zeitaktivitäten aus, wer hat welche Berufe und berufli chen Positionen inne, wer ist für den Bereich Haushalt, Beziehungen, für das Schaffen einer angenehmen Atmosphäre,... zuständig, wer gibt wofür Geld aus, wie viel (Innen- und Außen-)Raum wird wem zugestanden, wer übt welche politischen Funktionen aus? ❚ Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen werden Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer zugeordnet (ruhig, stark, brav, durchsetzungsfähig, fürsorglich, wild, erfolgreich, hilflos, wütend, lieb,...)? ❚ Werden unterschiedliche Lebens- und Wohnformen (Klein-, Großfamilie, AlleinerzieherInnen, Wohngemein schaften, gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaf ten,...) dargestellt? ❚ Wenn es um Erfindungen, Kunstwerke, historische Per sönlichkeiten, das Leben zu anderen Zeiten oder in anderen Kulturen geht,...: werden ausschließlich Lei stungen von Männern sichtbar gemacht oder werden auch Frauen und ihre Leistungen dargestellt? ❚ Werden auch Mädchen/Frauen bzw. Buben/Männer ver schiedener Kulturen, die in Österreich leben, sichtbar gemacht? ❚ Werden geschlechtsspezifische Ungleichheiten und Benachteiligungen aufgezeigt sowie deren Ursachen thematisiert? Z.B. Lohn- und Gehaltsunterschiede, unbezahlte Hausarbeit – bezahlte Erwerbsarbeit, Mehr fachbelastung von Frauen, geringer Prozentsatz an Alleinerziehern und Männern in Karenz,... Sprache Sprache Verbrüderung, Weihnachtsmann, Kaufmannsladen, „seinen Mann stehen“, Schülerausweis,... Krankenschwester, Puppenmutti, Heulsuse, Zimperliese,... Trotz des bestehenden Gleichheitsgrundsatzes ist auch unsere sprachliche Welt eine zweigeteilte – Frauen welt/Männerwelt. Sprache bildet einerseits die Wirklichkeit ab, schafft andererseits aber auch Realitäten – und damit unter Umständen Ungleichheiten. In der Sprache kommen gesellschaftliche Norm- und Wert vorstellungen sowie Machtprinzipien zum Ausdruck. Was in einer Sprache nicht benannt wird, wofür es keine Aus drücke gibt, das hat auch keine Funktion in der Gesell schaft, und damit keinen gesellschaftlichen Wert. Das gibt es eben nicht. Was für gesellschaftlich relevant erachtet wird, findet Ausdruck, was als unwichtig oder nebensäch lich gilt, wird sich auch sprachlich nicht niederschlagen oder aber mit abwertenden Begriffen belegt. Frauen werden oft in Abhängigkeit von männlichen Begriff lichkeiten sprachlich gefasst. Gerade das „Fräulein“, zu dem es keine männliche Entsprechung gibt, dokumentiert die jahrhundertelange Bestimmung von Frauen: erst über die Heirat mit einem Mann erhält es ein Geschlecht und wird zur Frau. Der direkte Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft spielt eine ganz grundlegende Rolle in der Erziehung. Denn in der Erziehung wird vor allem über die Sprache die Reali tät der Gesellschaft und der Kultur, in der Kinder aufwach sen, vermittelt. Es ist für jede Person essentiell wichtig, von anderen Perso nen wahrgenommen, beachtet und in der eigenen Identität bestätigt zu werden: Identifiziert werden ist die Vorausset zung zur Gewinnung einer Identität. Identität wiederum ist die Voraussetzung für psychisches, soziales, wenn nicht sogar biologisches Überleben. Wir sind irritiert, wenn wir von Leuten, die uns persönlich kennen, mit falschem Namen angesprochen werden; wir ertragen es schwer, wenn das ärztliche oder pflegende Personal im Kranken haus über uns als „die gebrochene Zehe auf Zimmer 7“ oder „die beidseitige Lymphdrüsenentzündung“ spricht. „Machen Sie die Probe aufs Exempel: Bezeichnen Sie einen Mann als Verkäuferin, Hausfrau, Fachfrau, Beamtin, Ärztin – und beobachten Sie seine Reaktion. Männer wehren sich dagegen, mit einem Femininum bezeichnet zu werden, denn Wörter und Wendungen mit weiblichen Konnotationen oder Begleitvorstellungen bedeuten Herabsetzung, Wert minderung. An diesem Sachverhalt – dem Betroffensein durch falsches Benanntwerden – kann deutlich gemacht werden, welche Erfahrungen Frauen mit der Sprache und durch die Sprache machen: die Erfahrung von Diskriminie rung“ (Merz 2001, 139). Doch ist es immer noch schwierig, den herkömmlichen üblichen Sprachgebrauch als diskrimi nierend zu erkennen. „Wir alle haben von Anfang an ,Män nerdeutsch‘ (Männer-Französisch usw.) gehört, gelernt und verinnerlicht. Mütter und Väter, Nachbarinnen, Nachbarn, KindergärtnerInnen usw. sprechen in der Regel Männerdeutsch. Eine sexismusfreie Sprache käme uns merkwürdig vor; wir haben sie nie kennengelernt“ (Rusterholtz, zit. nach Merz 2001, 137). Machen Sie einen Test: Lassen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler einmal eine Gruppe von Bauern, Lehrern, Tischlern, Bürgermeistern zeichnen und schauen Sie sich die Ergeb nisse an. Wäre das Ergebnis das gleiche gewesen, wenn die Aufgabe „Zeichnet eine Gruppe von Bäuerinnen und Bauern, Lehrerinnen und Lehrern bzw. Tischlerinnen und Tischlern“ gelautet hätte? Checkliste für eine nicht-diskriminierende Sprache (vgl. „1 + 1“ 1995, Seifried 2001, Gretel 2001, Frau 2001): ❚ Lösen Sie sich von der verbreiteten Behauptung, die Schülerinnen seien bei den Schülern stets „mitgemeint“. ❚ Sprechen Sie – wenn beide Geschlechter gemeint sind – von Schülerinnen und Schülern. ❚ Nennen Sie häufig die Schülerinnen an erster Stelle. ❚ Verwenden Sie weibliche Personenbezeichnungen: Zahnärztin, Teilnehmerin, Abteilungsvorständin, Siegerin ❚ Ersetzen Sie das geläufige Pronomen „jeder, der“ durch „alle, die“, oder sagen Sie „jede und jeder“, „geschlechtsneutral“ kann das Pronomen „jeder“ näm lich nicht verwendet werden! ❚ Ebenso bei: „jemand, niemand, einer, keiner, man,...“ Nehmen Sie gesplittet darauf Bezug: „Niemand, der oder die schon einmal im Gefängnis gesessen ist, kann das behaupten. Jede und jeder von euch wird das Pro blem kennen.“ Vermeiden Sie diese Fürwörter durch Passivkonstruktion, direkte Anrede, oder ersetzen sie sie durch wir oder ich, konkreteres Formulieren. ❚ Setzen Sie sich über „festgeschriebene“ Grammatikre geln hinweg, denn es gibt keinen Grund, falsche, aber „grammatikalisch richtig“ befundene Sätze endlos zu reproduzieren. ❚ „Es“ ist geschlechtslos. Von einem Mädchen als „es“ zu sprechen, gilt als überholt. 35 Lieder, Sprüche, Reime | Feste und Feiern ❚ Achten Sie auf Konsequenz: statt: Mitarbeitergespräche ➔ Beurteilungsgespräch, Qualifikationsgespräch, Mitar beiterinnen- und Mitarbeitergespräch, statt: Fußgängerstreifen ➔ Zebrastreifen ❚ Vermeiden Sie diskriminierende geschlechtlich konno tierte Bezeichnungen bzw. Aussagen (z.B. Heulsuse, Karrierefrau, Pantoffelheld, „Ein Mädchen tut das nicht!“,...) ❚ Verzichten Sie auf ausschließlich Buben/Männer bezeichnende Worte (Mannschaft, Fahrgast, Weih nachtsmann, Hampelmann, Stehauf-Männchen, Kauf mannsladen,...). ❚ Verwenden Sie positive Identifikationsmöglichkeiten für Buben und Mädchen (Puppenpapa, Torfrau,...) ❚ Vermeiden Sie sexistische Sprache (statt Hausfrauen pflicht: Hausarbeit; das schwache Geschlecht: das weibliche Geschlecht; Karrierefrau: erfolgreiche Frau) Verwenden Sie die zahlreichen Möglichkeiten, geschlech tergerecht zu formulieren, indem Sie ❚ weibliche und männliche Formen nennen (Wir suchen noch eine Schülerin oder einen Schüler für den Biblio theksdienst.). ❚ die Schrägstrichschreibung verwenden (Unsere Schule besuchen 745 Schüler/innen.). ❚ das Binnen-I verwenden (Alle LehrerInnen treffen sich morgen ab 14 Uhr zu einer Planungssitzung.). ❚ geschlechtsneutrale Formulierungen verwenden (Die Zahl der Teilnehmenden ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Direktion ist für die Durchführung verant wortlich. Wer raucht, hat eine kürzere Lebenserwar tung.); Achtung: Es besteht die Gefahr der Verschleie rung: „Die Angestellten haben ein Durchschnittsgehalt von...“ verschleiert die geschlechtsspezifischen Ge haltsunterschiede. ❚ auf Kongruenz achten (die Gemeinde Wien ist die größte Trägerin von Kindertagesheimen; die Schule als Arbeit geberin). (vgl.: bm:bwk: Formulieren 2002) Weitere Vorschläge, um das Kommunikationsverhalten zwi schen BetreuerInnen und Mädchen und Buben zu analysie ren (Orner u.a. 2003, 50): ❚ Wie spreche ich mit Mädchen und Buben? Spreche ich mit Mädchen in einem anderen Tonfall als mit Buben – „lieblich“, eher sachlich? ❚ Wer spricht mehr und öfter? Buben? Mädchen? Wessen Reden bekommen mehr Raum innerhalb der Gruppe? Lieder, Sprüche, Reime Zusätzlich zu den Kriterien für (Bilder-)Bücher und nicht dis kriminierende Sprache (siehe oben) der wichtigste Hinweis: ❚ Verzichten Sie auf diskriminierende Reime und Lieder (Nudeldicke Dirn, Dickmadam,...)! ❚ Ersetzen Sie Personenbezeichnungen durch den Namen des Kindes (statt: „Steigt ein Büblein auf den Baum“ – „Steigt die Pia auf den Baum“) ❚ Verwenden Sie die neutrale Bezeichnung „Kind“: z.B. „fünf Kinder sind in den Wald gegangen“ ❚ Verwenden Sie dem handelnden Kind entsprechend: „die Hampelfrau“, „Wasserfrau mit welcher Farbe...“ (Herincs/Policzer 2003) Feste und Feiern Bei vielen traditionellen österreichischen Festen im Jahreslauf stehen Männer im Mittelpunkt: Weihnachten, Hl. Martin, Nikolaus,... Hier gilt es ein Gegengewicht zu schaffen, neue „Frauenfeste“ zu schaffen – z.b. die „Weihnachtsfrau“ – und Frauenfiguren aus dem überlieferten Brauchtum ins Zen 36 trum der Aufmerksamkeit zu rücken: die Hl. Barbara, Lucia, die Percht und andere weibliche Sagengestalten sollen in die Festgestaltung integriert werden. Informationen und Anregungen finden Sie bei Herincs/Policzer (2003) und im Link-Verzeichnis im Anhang der Broschüre. Lesen Lesen Seit der internationalen PISA-Studie 2000 wissen wir, dass Mädchen nicht nur anders und anderes, sondern auch bes ser lesen als Jungen – und zwar in allen 32 von der OECD getesteten Staaten. Ausschlaggebend dafür dürfte sein, dass der schulische Schriftspracherwerb und insgesamt der Deutschunterricht in seinem Angebot an Texten, Aufga ben und Themen eindeutig die Interessen der Mädchen bevorzugt (vgl. Richter 1996). „Im Lesen ist der Leistungsvorsprung der Mädchen bei kontinuierlichen Texten (Erzählungen, Argumentationen, Darlegungen) besonders ausgeprägt, während bei nicht kontinuierlichen Texten (Formularen, Anzeigen, Tabellen, Grafiken) sehr viel geringere Geschlechtsunterschiede zu verzeichnen sind. Auch im Hinblick auf die Anforderungen an den Umgang mit Texten zeigen sich spezifische Unter schiede: Im Vergleich zu Mädchen bereitet es Jungen deut lich größere Schwierigkeiten, Texte und ihre Merkmale kri tisch zu reflektieren und zu bewerten“ (Bericht 2001). Allgemein kann in pädagogischen Kontexten davon ausge gangen werden, dass die inhaltliche Bedeutsamkeit, die dem Lernmaterial subjektiv beigemessen wird von ent scheidender Bedeutung für die Lernergebnisse ist. Die Geschlechterdifferenzen wären demnach auszugleichen oder wenigstens zu verringern, wenn die Interessen der Jungen im Lernmaterial stärker berücksichtigt würden. Das bedeutet für die pädagogische Praxis, von den Interessen jedes einzelnen Kindes auszugehen. „Ein solcher Unterricht kann sich nicht nur an einem Lernwerk für alle orientieren, sondern er muss Raum lassen für die Interessen der Kinder – beim Lesen, beim Schreiben freier Texte und auch beim systematischen Rechtschreibunterricht“ (Richter 1998, 14; vgl. auch Richter 2001). Empfehlungen für den Leseunterricht – Mädchen und Buben zum Lesen anstiften ❚ akzeptieren, dass Mädchen und Buben anders und anderes lesen ❚ sich als PädagogIn für die Lektüren von Buben und Mädchen interessieren und diese gleichwertig gelten lassen ❚ Identifikationsfiguren für Mädchen und Buben bieten beim Vorlesen (als Lese- und Hörvergnügen) ❚ moralisieren vermeiden ❚ verschiedene Zugänge zum Lesen schaffen, z.B. über – Zeitschriften – verschiedene Buchtypen: Comic, Sachbuch, Abenteuer- oder Fantasieroman – Bekanntes und Neues – Hörkassetten, Hörbücher – elektronische Medien – Internet, CD-ROMs ❚ freie, individuelle Wahl der Lektüre ermöglichen, auf breites Angebot achten ❚ während des Unterrichts längere individuelle, freie Lese zeiten anbieten ❚ über Gelesenes reden: – Mädchen und Buben erzählen einander, was sie lesen – Leseweisen, Eindrücke und Meinungen austauschen, andere Haltungen kennen lernen – Lektüren gegenseitig empfehlen, einander zum Lesen animieren (Garbe 2004, 12) 37 Arbeit – Berufsorientierung – Lebensplanung Arbeit – Berufsorientierung – Lebensplanung Was ist/macht Arbeit? Hausarbeit! „Hausarbeit ist nicht ihrem Wesen nach ,Frauenarbeit‘; Waschen und Putzen bedeuten für eine Frau nicht mehr Erfül lung und nicht weniger Erschöpfung als für einen Mann. Sie sind soziale Dienstleistungen, denn sie dienen der Reproduk tion der Arbeitskraft“ (Dalla Costa 1973, 31f., zit. nach Lorber 1999, 251). Gerade am Beispiel der Hausarbeit zeigt sich die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern und deren ungleiche gesellschaftliche Bewertung. Soziale Kompeten zen, Fürsorge, Beziehungsarbeit, Sich-Kümmern um das Wohlergehen anderer (Menschen, Tiere, Pflanzen), Verantwor tung für Reproduktionsarbeiten übernehmen, Zeitmanage ment, Waschen, Bügeln, Kehren, Kochen und Ernährung,...: All das sind Qualifikationen für Hausarbeit, welche die mei sten Mädchen wie „selbstverständlich“ erlernen und in Kin dergarten und Schule mitbringen, die meisten Buben jedoch nicht. Männliche Sozialisation muss in ihrer Hausarbeitsferne als defizitär bezeichnet werden. Im Sinne einer Erziehung zur Gleichberechtigung müssen diese Fähigkeitsbereiche aufge wertet und auch Buben das Einüben in diese Tätigkeiten ermöglicht und abverlangt werden. „Hausarbeitsdidaktik für Jungen“, wie sie u.a. von der deutschen Schulforscherin Astrid Kaiser entwickelt wurde (Kaiser 1997), ist ein Bestand teil einer umfassenden sozialen Jungenförderung. Die Wertschätzung der Hausarbeit in unserer Gesellschaft spiegelt sich bereits in der Einschätzung von Kindergartenkin dern wider: „Meine Mama arbeitet nicht, sie ist Hausfrau“. Der Arbeitsbegriff in seiner herkömmlichen Verständnisweise trägt dazu bei, Hierarchien zu erhalten. Die Einschränkung auf außerhäusliche Erwerbsarbeit soll im Bewusstsein der Päd agogInnen und in der Bearbeitung mit den Kindern differen ziert und ausgeweitet werden auf die vielfältigen Formen der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten, wozu auch unbezahlte Versorgungs- und Beziehungsarbeit, ehrenamtliche Tätigkei ten usw. zählen. Ein anschauliches Praxisbeispiel des Kinder gartenprojekts „Buben und Hausarbeit“ ist nachzulesen bei Oberauer (2001). Berufsorientierung Weiters ist festzustellen, dass Mädchen und Buben oft kaum Vorstellungen von Berufen haben. Häufig sind ihnen schon 38 die beruflichen Tätigkeiten der Eltern, die außer Haus gesche hen, unklar. Auch deshalb könnte – neben den bereits oben beschriebenen Notwendigkeiten – der Einstieg ins Thema Arbeit und Berufe über das Arbeitsfeld Hausarbeit erfolgen. Schließlich ist diese allen Kindern mehr oder weniger aus eigenen Erfahrungen und eigenem Erleben vertraut. Darauf aufbauend können die – bereits bestehenden – beruflichen Vorbilder der Mädchen und Buben mit neuen, auch untypi schen Vorstellungen und Visionen erweitert werden. Zahlrei che Praxisanregungen finden sich in Gehring/Marbot (1999) (z.B. „Berufe raten“, „Traumberufe“, Exkursionen, BerufeQuartett, Geschichten)! Für Schulkinder eignet sich gut das „Lexikon bedeutender Frauen und ungewöhnlicher Männer“ (Spitta/Vach 2002), das Identifikationsangebote abseits von stereotypen Rollenmustern bietet. Lebensplanung Langfristig kann sich die geschlechtsspezifisch geteilte Arbeitswelt nur verändern, wenn einerseits Mädchen ein erweitertes Berufswahlspektrum aktiv nützen, andererseits Buben bzw. Männer ihre Verantwortung für gesellschaftlich relevante Beziehungs-, Versorgungs- und Betreuungsarbeit wahrnehmen und übernehmen. Insofern ist es gerade für Buben bereits ab dem Kindergartenalter wichtig, eine ent sprechende Vorstellung von ihrem späteren Leben als Erwachsener zu entwickeln, die nicht ausschließlich von Erwerbsarbeit bestimmt ist – „ungewöhnlich“ eben (siehe Spitta/Vach 2002). Leitfragen zum Thema Arbeit ❚ Werden Mädchen ermuntert, verantwortliche Positionen zu übernehmen, werden sie bestärkt darin Entscheidun gen zu treffen und ihre eigenen Interessen zu vertreten? ❚ Können Mädchen eine befriedigende Vorstellung als berufstätige Frau entwickeln? ❚ Wird Buben die Verantwortung für Reproduktionsarbeit nahegebracht und werden ihnen die diesbezüglichen Kenntnisse und Fertigkeiten beigebracht? ❚ Werden Buben in hauswirtschaftlichen Belangen gefördert? ❚ Wird Erziehung als Männer- und Frauenarbeit gesehen? ❚ Wird geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bewusst gemacht? ❚ Werden Mädchen und Buben für eine ausgewogene Aufteilung beruflicher, familiärer und gesellschaftlicher Pflichten zwischen Männern und Frauen sensibilisiert? Technik in Kindergarten und Volksschule Technik in Kindergarten und Volksschule „Kennzeichnend bereits in den ersten Lebensjahren ist – sowohl für Mädchen als auch für Jungen – der Drang die eigene Umwelt zu entdecken, zu erforschen und zu verste hen. Wenn ein zehn Monate altes Baby alles in den Mund steckt, dann forscht es. (...) Wenn ein 15monatiges Kind immer wieder die Rassel aus dem Kinderwagen wirft und ihr hinterher blickt, dann erprobt es die ersten physikalischen Grundgesetze (Fallgesetz – Schwerkraft). Und da macht es keinen Unterschied, ob Mädchen oder Junge. Das Start kapital für ein technisches oder – umfassender formuliert – für ein naturwissenschaftliches Vermögen ist bei Mädchen und Jungen gleichermaßen angelegt“ (www.maedchen jungen.de). So formuliert es die deutsche Pädagogin Dag mar Kasüschke, auf deren Homepage (ebd.) viele PraxisAnregungen für forschendes Lernen zu finden sind. Wenn ein dreijähriges Kind mit dem Dreiradler über die Wiese des Kindergartens saust, „lernt“ es nicht nur spiele risch den spezifischen Umgang mit Wagnis, Mut und Risiko; bei dieser Beschäftigung werden noch dazu am eigenen Körper grundlegende physikalische Erfahrungen (beim Kurvenfahren) erlebt. Sind solche Erfahrungen Mäd chen und Buben gleichermaßen möglich? Untersuchungen über Erwartungshaltungen von SchülerIn nen und LehrerInnen der Grundschule zeigen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede (vgl. Thies/Röhner 2000)! „Mädchen definieren sich im Spiegel der männlichen Ter rainbesetzung bereits vorab als nicht kompetent und wer den in ihrer Einschätzung durch die Lehrerin bestätigt“ (ebd., 176). „Die beobachteten Mädchen unterschätzen ihre technische Kompetenz zugunsten einer ,Ich-kann-nichtHaltung‘ (...). Dagegen finden die beobachteten Jungen in ihrer Arbeit Selbstbestätigung“ (ebd., 138f.). Dies bedeutet, dass Kompetenzdifferenzierungen zwischen den Ge schlechtern maßgeblich durch die Interaktionen mit Päd agogInnen entstehen bzw. verstärkt werden. Die Folge die ser subtil wirkenden stereotypisierenden Mechanismen ist bezogen auf Naturwissenschaften und Technik eine Dequa lifizierung der Mädchen. „Mädchen und Jungen (...), die den Zuschreibungen nicht entsprechen (...) werden in der Ent wicklung geschlechtsuntypischer Interessen, Begabungen und Fähigkeiten beeinträchtigt, da Erwartungen Leistungen und Verhalten mitbestimmen“ (ebd., 147). Um die Voraussetzungen in Ihrer Einrichtung zu überprüfen, können Sie sich folgende Fragen stellen: ❚ Können alle Kinder – Mädchen wie Buben – handwerk liche, technische, naturwissenschaftliche Kompetenzen entwickeln? ❚ Wie ist das gewährleistet? ❚ Wie wird dieses Ziel individuell überprüft? ❚ Wie sieht die chemische, physikalische, mathematische Frühförderung aus (z.B. Experimentieren, Lego-Bauen, ...)? In einigen Kindertageseinrichtungen haben sich z.B. extra Mädchen-Lego-Kisten und Buben-Lego-Kisten bewährt (vgl. Schwager Schütter 1993, Orner u.a. 2003) ❚ Wird Mädchen und Buben ermöglicht, ganzheitliche Erfahrungen von naturwissenschaftlichen Phänomenen zu machen, z.B. Körpererlebnisse auf der schiefen Ebene, bei Geschwindigkeit, Beschleunigung, Flieh kraft,..? ❚ Wird den Kindern vermittelt, dass Mathematik und Naturwissenschaften einen großen Platz auch im tägli chen Leben, im Haushalt einnehmen? ❚ Werden vor allem Mädchen unterstützt, ihr Berufsspek trum auf den Bereich Technik/Naturwissenschaften zu erweitern? ❚ Können alle Kinder – Mädchen wie Buben – gleicherma ßen praktische Erfahrungen mit Werkzeugen (Hammer, Säge, Schraubenzieher, Nägel, Feile, ...) und verschie denen Werkmaterialien (Holz, Metall, Ytong,...) machen? ❚ Wie wird das gewährleistet? ❚ Ist das Werkzeug frei zugänglich? ❚ Welches Vorbild bietet die erwachsene Pädagogin im Umgang mit Technik (Anwendung, Werkzeug, Experi mentieren, Neugierde,...)? 39 Naturwissenschaftlicher Sachunterricht (nicht nur) in der Volksschule | Computer Naturwissenschaftlicher Sachunter richt (nicht nur) in der Volksschule Um die herkömmliche Konnotation von Naturwissenschaf ten und Männlichkeit zu vermeiden, sollten folgende didak tische Prinzipien für geschlechtergerechten Sachunterricht berücksichtigt werden (vgl. Wyatt 1996): ❚ „Die Motivation für die Versuche entstammen dem All tag: Tiere beobachten, Kochen, Zaubertricks vorführen, Kleidung finden,... ❚ Die Versuche sind nicht mit teuren und abschreckenden Apparaturen durchzuführen, sondern mit Witz, Bleistift, Papier, Backpulver, Alufolie, Zitrone und anderen einfa chen Mitteln. ❚ Erstaunliche Probleme, die Lust zum Nachdenken machen, stehen im Mittelpunkt. ❚ Naturwissenschaft wird als lebensnah und nicht in Form abgehobener Formeln präsentiert. ❚ Die Versuche sind einfach und phantastisch, so dass sie zum Machen unmittelbar animieren. ❚ Die Sprache entstammt dem Alltag von Mädchen und spricht sie an. ❚ In Geschichten und Bildern werden echte weibliche Modelle vorstellt, Wissenschafterinnen, die tatsächlich als Jaguarforscherin oder Sternentdeckerin Berühmtheit gewonnen haben und den Mädchen zeigen: Frauen können es in diesen Gebieten weit bringen und span nende Aufgaben bekommen“ (Kaiser u.a. 2003, 139). Eine Sammlung von Praxisbeispielen, die diesen Kriterien entsprechen, findet sich im ansprechenden Buch „Wissen schaft für Mädchen und andere kluge Köpfe“ (Wyatt 1996) für Kinder ab dem Volksschulalter! Computer Wie vertraut Mädchen und Buben im Volkschulalter bereits mit neuen Technologien sind, hängt stark davon ab, ob und welche Geräte sie daheim vorfinden bzw. geschenkt bekommen. Aber auch das Geschlecht spielt eine Rolle. ❚ Mädchen und Jungen haben gleiche Kompetenzen. ❚ Sie haben unterschiedliche Zugänge. ❚ Jungen haben größere Vorerfahrungen. ❚ Jungen haben größere Motivation sich mit Computern zu beschäftigen. ❚ Jungen verbringen deutlich mehr Zeit mit dem Compu ter. ❚ Jungen verfügen häufiger über einen eigenen Computer. ❚ Mädchen trauen sich selbst weniger Leistungen im Umgang mit dem Computer zu. Daher muss beachtet werden, „dass gerade der Einstieg in die Computerarbeit gezielte Orientierung auf die Mädchen erfordert“ (Kaiser 2000, 69). 40 Folgende Fragen dienen der Bestandsaufnahme Ihrer Arbeitsstätte (vgl. auch Schneider/Tanzberger 2001, 53ff.): ❚ Haben alle Kinder – Mädchen wie Buben – gleicherma ßen Zugang zum Computer? ❚ Wie ist das gewährleistet? Bewährt haben sich Listen, in die Kinder sich eintragen können, oder begrenzte Benutzungszeiten. ❚ Erkennen die PädagogInnen bei den Kindern geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Zugänge zum Computer und der Arbeitsweisen mit dem Computer? ❚ Ist das Geschlechterverhältnis der AkteurInnen von Computerspielen zahlenmäßig ausgewogen? Werden die Figuren ohne Geschlechterrollenklischees darge stellt (fürsorgliche, fragende Mädchen/Frauen, rettende, wissende Buben/Männer)? Hausordnungen, formelle und informelle Regeln Hausordnungen, formelle und informelle Regeln Regeln – für Verhalten, für Benutzung, für die Inanspruch nahme von Raum, Objekten und Zeit – können die gleich berechtigte Partizipation von Mädchen und Buben ermögli chen, aber auch verhindern. Dies trifft gleichermaßen auf formelle Regeln wie z.B. verschriftlichte Hausordnungen zu, wie auch auf informelle Regeln, die nicht schriftlich festge legt sind, aber den (meisten) Beteiligten bekannt sind. Für die Nutzung der in Wien sogenannten Ballspielkäfige gibt es keine formellen Regeln, offiziell sind sie allen Perso nen zugänglich. Dennoch ist die Nutzung nicht gleichbe rechtigt. Auf die meisten Mädchen, wie auch die weniger offensiven Buben, wirken offenbar informelle Regeln, die ihre Körpererfahrungen einschränken; viele Mädchen spie len nicht einfach Fußball. Hier gilt es, mit Unterstützung von BetreuerInnen und PädagogInnen die informellen Regeln zu verändern, u.a. auch dadurch, dass erwachsenen Frauen als Vorbilder für die Benützung dienen und selbst Fußball spielen, oder indem Erwachsene zurückgedrängte Kinder bei der gleichberechtigten Nutzung unterstützen (vgl. Stu der 2004a und 2004b). Eben solches gilt für bestimmte Bereiche im Kindergarten wie die Bewegungsbaustelle, den Toberaum, den Compu ter, die Puppenküche etc. Bewährt haben sich zeitliche Begrenzungen (maximal 15 Minuten am Computer) oder geschlechtshomogene Gruppen (die Puppenküche an einem Nachmittag nur den Buben). Es gibt auch „Regeln, die bestimmte Bereiche des kindli chen Lebens tabuisieren oder ausklammern, weil sie nicht ins pädagogische Konzept passen, wie z.B. Spielzeugkata loge, Stickeralben, Computer, ferngesteuerte Autos oder Medienfiguren“ (www.maedchen-jungen.de). Wer ist hier von am meisten betroffen? ❚ Welche formellen Regeln (Hausordnungen,...) haben wir? ❚ Welche informellen Regeln gelten? ❚ Haben alle Kinder gleichberechtigten Zugang zu allen Bereichen? ❚ Welche Regelungen könnten das gewährleisten? ❚ Gibt es Regeln, die bestimmte BenutzerInnen oder BenutzerInnengruppen ausschließen? 41 Elternarbeit Elternarbeit Im Rahmen der Elternarbeit begegnen sich erwachsene Frauen und Männer mit ihren jeweils verinnerlichten Weib lichkeits- und Männlichkeitsbildern. Professionelle und nicht-professionalisierte pädagogische Kompetenzen (erstere aufseiten der PädagogIn – letztere bei den Eltern und anderen Bezugspersonen) und Autorität werden hier verhandelt. Persönliche Haltungen und Einstellungen der PädagogInnen zu berufstätigen Müttern, zu Männern als Bezugspersonen für Kinder, zu unterschiedlichen Lebens welten, ihr Berufsbild und vieles andere beeinflussen die Kommunikation und den Kontakt im Rahmen der Elternar beit. Als Reflexionsanregung für PädagogInnen können folgende Fragen dienen: ❚ Behandle ich Frauen und Männer gleich in Bezug auf erzieherische Kompetenzen? ❚ Wie denke ich über berufstätige Mütter, wie über berufs tätige Väter? ❚ Wie akzeptierend verhalte ich mich gegenüber unter schiedlichen Lebensweisen? ❚ Wie stelle ich meine eigene pädagogische Professiona lität dar? Sprachlich: Wie lasse ich mich ansprechen – Tante, Vorname, Frau Bauer? Bildlich: Welche Selbst präsentation biete ich in Wandzeitungen, auf Fotos? ❚ Verfüge ich über aktuelle Kenntnisse über Familien-, Scheidungs-, Obsorge- oder Wegweiserecht? ❚ Verfüge ich über Kompetenzen in Gesprächsführung, weiß ich Bescheid über geschlechtsspezifische Kom munikations- und Konfliktmuster? 42 Möglichkeiten, um Mütter und Väter in die Kindertages heimarbeit miteinzubeziehen, vor allem Väter, können sein (Orner u.a. 2003): ❚ Information für Mütter und Väter über geschlechtssen sible Pädagogik vor der Anmeldung ihrer Kinder ❚ Vermittlung einer offenen, gesprächsbereiten Haltung ❚ Gestaltung des Kindertagesheims: Platz zum Verweilen und Warten anbieten, Lesestoff bereitstellen; Werke der Kinder (Zeichnungen, ...) aufhängen; Fotos, die Kinder bei Tätigkeiten im Kindergarten zeigen aufhängen, z.B. Mädchen im Werkbereich, Buben bei fürsorglichen Tätigkeiten, ... ❚ Elternrunden, Elternabende (zur gemeinsamen Refle xion, zum fachlichen Austausch) ❚ Elternbibliothek (Entlehnmöglichkeit von Fachbüchern und Fachzeitschriften für die Eltern) ❚ Einladung zur Mitarbeit – besonders von Vätern – in den Kindergarten, und zwar nicht nur für Werkprojekte, son dern auch für die Alltagsarbeit, etwa als Begleitperson bei Ausflügen, ... Berufsbild (Kleinkind-)PädagogIn – Selbstbild (Kleinkind-)PädagogIn Berufsbild (Kleinkind-)PädagogIn – Selbstbild (Kleinkind-)PädagogIn „Erziehungsarbeit, die von Frauen ausgeübt wird, wird immer noch als Ausdruck ganzheitlicher und gefühlsmäßi ger Intuition oder eines mehr oder weniger unerklärlichen weiblich-wesenhaften Arbeitsvermögens angesehen und nicht als professionelles Handeln auf einem spezifischen Wissenshintergrund“ (Rabe-Kleberg 1997, 102, zit. nach Kasüschke/Klees-Möller 2004, 196). In Österreich ist das Arbeitsfeld Kleinkindpädagogik gekennzeichnet durch ❚ eine Ausbildung, die größtenteils auf der Sekundarstufe 2 angesiedelt ist (im Gegensatz zur universitären päd agogischen Ausbildung) (vgl. Hanifl 1999), ❚ MitarbeiterInnen mit Qualifikationen unterhalb der gere gelten Fachkraftausbildung (HelferInnen, Zivildiener,...), ❚ geringe Bezahlung, ❚ kaum Möglichkeiten der Weiterqualifizierung, ❚ kaum Möglichkeiten für beruflichen Aufstieg. Das Berufsbild der Kindergartenpädagogin wird im Informa tionsblatt des Österreichischen Arbeitsmarktservice AMS Ausgabe 2003/2004 wie folgt beschrieben: „Als Kindergärt nerin betreust du Kinder im Vorschulalter. Du spielst, turnst, bastelst, zeichnest und isst mit ihnen. Dabei förderst du ihre geistige und körperliche Entwicklung und ihr Sozialverhal ten“ (zit. nach Orner 2003, 26). „Kennzeichnendes Merkmal sozialer Berufe ist die Span nung zwischen institutionell verankertem professionellem Wissen auf der einen Seite und Beziehungswissen und Beziehungsfähigkeiten auf der anderen Seite. Letzteres bleibt als berufliches Merkmal jedoch in der Regel unbe achtet, wird der Privatsphäre und dem weiblichen Geschlecht zugeordnet und abgewertet. (...) Die Gleichset zung von Weiblichkeit und Beziehungsorientierung, Betreu ung, Erziehung und Fürsorge erweist sich (...) im doppelten Sinne als problematisch: zum einen wegen des geringen Ansehens sozialer Berufe und zum anderen, weil das oft zu einem Kern des Selbstbildes der Pädagogin wird“ (Focks 2002, 115f.). Auch in der „Frauenwelt“ Kleinkindpädagogik lassen sich bekannte Muster eines geschlechtsspezifisch segregierten Erwerbsarbeitsmarktes ausmachen: „Leitungspositionen im Kindergartenwesen sind (...) immer wieder männlich besetzt: Der Pfarrer als Chef im kirchlichen Kindergarten, der Leiter eines Kinderhortes bei gleichzeitig verschwin dend geringem Anteil an Männern in den Kindergruppen, der männliche Leiter einer Abteilung, die für das Kinterta gesheimwesen in Wien zuständig ist, der Mann als Direktor einer Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, der Geschäftsführer der gemeinnützigen Familienorganisation – und immer wieder der Schulsprecher, der Interessen von den der Anzahl nach deutlich überwiegenden Schülerinnen an Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik vertritt“ (Orner 2003, 23). Männersache Erziehung!? Über drei Jahre Erfahrung mit Frauen und Männern im Kin dergartenteam berichtet die ehemalige Leiterin des Kinder tagesheims fun&care: „Drei von vier Gruppen waren jeweils mit Männern und Frauen besetzt. Im Nachhinein steht jedoch fest, dass diese geschlechterparitätische Besetzung unserem Konzept der Arbeitsteilung – des Leitsatzes ,Halbe-Halbe‘ – nicht immer entsprochen hat. Auch wir waren anfangs ein bisschen fehlsichtig auf dem Auge, das Arbeitsleistungen von Männern und Frauen wahrnehmen sollte. Der Arbeitseinsatz und das erledigte Pensum an Arbeit von Frauen waren oft deutlich höher als das der männlichen Kollegen. Wir haben uns des Themenbereichs ,Männer und Frauen im Kindergartenteam‘ erst spät angenommen. Im letzten Pro jektjahr waren die Diskussionen heftig und der Ärger groß. Wir haben zweieinhalb Jahre lang versucht, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, ihren Teil der Verant wortung an Kindergartenarbeit zu übernehmen. Gefunden haben wir nicht viele – die Fluktuation an männlichem Per sonal war dementsprechend hoch und die Frauen im Team nicht mehr bereit, Mehrarbeit zu übernehmen. (...) Wir sind jedoch nach wie vor überzeugt, dass die Zusam menarbeit von Frauen und Männern in Kindertageseinrich tungen sowohl für die Kinder als auch das Team eine große Bereicherung sein kann. Und so wenig wir Aussprüche wie ,Aber alle können doch voneinander profitieren!‘ auch mögen – die Frauen des Teams haben sich ein Stück der Gelassenheit, des ,nicht so eng‘ Sehens abgeschaut, die Männer haben vom Tempo, der Weitsicht und dem Verant wortungsgefühl der Frauen profitiert“ (Orner u.a. 2003, 24f.). 43 Qualitätsstandards für geschlechtssensible Pädagogik auf der Organisationsebene Qualitätsstandards für geschlechtssensible Pädagogik auf der Organisationsebene Bestehende Qualitätsstandards für Kleinkindpädagogik, wie die Kindergarten-Einschätz-Skala KES (Tietze u.a. 1997) erweisen sich als unzureichend in Hinblick auf die Kri terien geschlechtssensibler Pädagogik (vgl. die differen zierte Kritik an der KES von Buch 2003). Die vorliegende Broschüre enthält auf den vorangegange nen Seiten eine umfassende Auflistung von geschlechts sensiblen Qualitätsstandards, die nun folgend erweitert werden um die Ebenen Team und Organisation (vgl. Walter 2000, Grossenbacher 2004, Kriterienkatalog 2000): ❚ Ist die Kategorie Geschlecht als Querschnittsaufgabe in die Qualifizierung – Ausbildung und Fortbildung – von Tageseltern, Kindergarten- und HortbetreuerInnen, NachmittagsbetreuerInnen, (Volksschul-)LehrerInnen implementiert? ❚ Sind die Lehrenden an oben genannten Institutionen für geschlechtssensible Pädagogik qualifiziert? ❚ Sind die TrägerInnen von Betreuungs- und Bildungs einrichtungen und die InspektorInnen für geschlechts sensible Pädagogik qualifiziert? ❚ Ist gewährleistet, dass PädagogInnen Supervision in Anspruch nehmen können, die gendersensibilisiert ist? ❚ Sind im Leitbild der Bildungs- oder Betreuungseinrich tung gendersensible Grundsätze des pädagogischen Handelns, wie Gleichberechtigung von Mädchen und Buben, Frauen und Männern, enthalten? ❚ Wird die Verankerung der Gleichstellung von der Leitung der Einrichtung vorangetrieben? ❚ Wird Gleichstellung im Team oder im Kollegium disku tiert? ❚ Ist die Gleichstellung der Geschlechter in der koeduka tiven Schule Thema im Schulentwicklungsprozess? ❚ Gibt es Gleichstellungsteams oder -verantwortliche in der Einrichtung und in der TrägerInnenorganisation? ❚ Verfügt die Einrichtung über ausreichendes GenderWissen? Wenn nicht, werden ExpertInnen von außen beigezogen? ❚ Wird bei der Formulierung außerunterrichtlicher Pflich ten von Lehrpersonen das Engagement für Betreuungs aufgaben als gleichwertiger Arbeitsbereich anerkannt? 44 ❚ Gibt es Modelle der Arbeitszeitgestaltung, die eine Verein barung von Berufs- und Familienarbeit ermöglichen, ohne die beruflichen Entwicklungschancen zu beschneiden? ❚ Sind Aufstiegschancen für Frauen und insbesondere für Mütter vorhanden und werden Frauen zur Übernahme von Leitungsfunktionen motiviert? Können Leitungs funktionen auch in Teilzeit wahrgenommen werden? ❚ Pflegen Pädagoginnen und Pädagogen einen Umgang miteinander, der für die Mädchen und Buben jederzeit als Beispiel im Sinne der Gleichstellung gelten kann? ❚ Wird bei der (Selbst-)Evaluation der Organisation Gleichstellung als ein Qualitätskriterium explizit genannt und überprüft? ❚ Werden PädagogInnen gemäß ihren Bemühungen beur teilt, Geschlechtergleichstellung in ihrer pädagogischen Arbeit umzusetzen? ❚ Berücksichtigt das Planungs- und Reflexionsschema in Kindertagesheimen und Schulen die Aspekte ge schlechtssensibler Pädagogik? ❚ Sind geschlechtssensible Qualitätsstandards formuliert, die u.a. die Themen Spielmaterial, Bildungsmittel, Inter aktionen, Raumnutzung, Freiflächengestaltung, bewe gungspädagogische Angebote, Sprache,... beinhalten? Werden diese Qualitätsstandards einerseits auf der Ebene der TrägerIn, andererseits für jeden Kindergarten, jede Schule überprüft? ❚ Stehen für psychologische, sozialpädagogische oder medizinische Abklärungen für Mädchen und Buben eine Frau und ein Mann zur Verfügung? ❚ Werden Statistiken so erhoben, dass sie nach Ge schlecht aufgeschlüsselt werden können? ❚ Besteht die Möglichkeit und das Interesse für fachpäd agogische Beratung der PädagogInnen zu geschlechts sensibler Pädagogik? ❚ Besteht die Möglichkeit und das Interesse für fachliche Vermittlung des Themas geschlechtssensible Pädago gik nach außen – Eltern, Öffentlichkeit? ❚ Besteht die Möglichkeit und das Interesse zur Zusam menarbeit mit Forschungsstätten (universitär und außer universitär), mit Mädchenberatungsstellen, mit Institu tionen und Fachleuten, die zu geschlechtssensibler Pädagogik arbeiten? Rechtliche Rahmenbedingungen für geschlechtssensible Pädagogik Rechtliche Rahmenbedingungen für geschlechtssensible Pädagogik Für Trägerinnen und Träger von Bildungs- und Betreuungs einrichtungen für Kinder gilt das Prinzip des Gender Main streaming. Nach der Definition des Europarats von 1998 wird Gender Mainstreaming verstanden als „(Re-) Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezo gene Sichtweise in alle politischen Konzepte auf allen Ebe nen und in allen Phasen durch alle an politischen Entschei dungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen“ (Abschlussbericht der Sachverständigengruppe für Gender Mainstreaming beim Europarat 1998). „Gender Main streaming heißt, soziale Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und bei allen Planungs und Entscheidungsschritten immer bewusst wahrzuneh men und zu berücksichtigen. Alle Vorhaben werden so gestaltet, dass sie auch einen Beitrag zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern leisten“ (www.gem.or.at). Für die Volksschule ist in erster Linie das Unterrichtsprin zip „Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Män nern“ mit dem Grundsatzerlass von 1995 zu nennen (Volks schul-Lehrplan, BGBl. II Nr. 283/2003). Der Erlass nennt fol gende Ziele: ❚ Bewusstmachen von geschlechtsspezifischer Sozialisa tion ❚ Wahrnehmung von Ursachen und Formen geschlechts spezifischer Arbeitsteilung ❚ Erkennen möglicher Beiträge zur Tradierung und Verfe stigung von Rollenklischees ❚ Reflexion des eigenen Verhaltens ❚ Bewusstmachen alltäglicher Formen von Gewalt und Rassismus ❚ Förderung der Bereitschaft zum Abbau von geschlechtsspezifischen Vorurteilen (BMUK 1995) (vgl. Schneider/Tanzberger 2001) Im „Aktionsplan 2003 – Gender Mainstreaming und geschlechtssensible Bildung“ formuliert Bundesministerin Elisabeth Gehrer: „... Gender Mainstreaming in der Schule bedeutet, die Gender-Perspektive in allen Bereichen des Lernens und Lehrens, in der Organisation Schule und im Handeln aller Beteiligten zu verankern, um geschlechterge rechtes Lernen zu ermöglichen“ (bm:bwk 2003). 45 Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik Mädchen und Buben haben das Recht, die ganze Bandbreite von menschlichen Eigenschaften und Möglichkeiten entwik keln zu können, und dieses Recht kann nur gewährleistet werden, wenn alle alles machen können. Die Geschlechtszu gehörigkeit „monopolisiert“ nicht nur Raum, Objekte und Rollen, sondern auch bestimmte Verhaltensweisen und Eigenschaften. Auch Margrét Pála Ólafsdóttir, die 1989 die Hjalli-Pädagogik begründete, fiel das unterschiedliche Sozialverhalten von Mädchen und Buben z.B. in Konfliktsituationen auf. Sie nahm das zum Anlass von Veränderung und war in der Folge immer noch enttäuscht über das Ergebnis. Also stellte sie sich Fragen wie: „Sind wir als Erzieherinnen hier gescheitert, oder sind ,meine‘ Buben aggressiver?“ Bis sie erkannte: „Die Fragen sind die falschen! Nicht die Erzieherin oder die Kinder sind die Ursache; die Rahmenbedingungen sind die fal schen! Die Koedukation selbst ist das Problem!“ (Ólafsdóttir 1996, 358) Wenn Gleichstellung das Ziel ist, müssen all die alten Fallen, Sackgassen, althergebrachten Annahmen bezüglich gemischtgeschlechtlicher Gruppen neuem Denken Platz machen. Nina Sandberg, Kindergartenpädagogin in einem isländi schen Hjalli-Kindergarten, berichtet: „Ich habe so oft gese hen, dass die Buben den ganzen Platz beanspruchen und die Mädchen untergehen, wenn sie zusammen sind. Buben beschlagnahmen automatisch alles was mit Motorik zu tun hat, sie bestimmen im ,Kissenzimmer‘ und sind die Könige in der Sandkiste. Die Mädchen dagegen sind brav, geben gerne der Kindergärtnerin die Hand und beschäftigen sich still und ruhig. Deshalb sieht die Hjalli-Pädagogik getrennte Buben- und Mädchengruppen vor, um beiden Geschlechtern die Möglichkeit zum Training neuen Verhaltens zu geben. Aber es reicht nicht einfach, die Geschlechter zu trennen, um die Bildung von Geschlechterrollen zu verhindern. In HjalliKindergärten arbeiten die PädagogInnen konsequent daran, neue Aspekte in die Buben- bzw. Mädchenrollen zu bringen. Für Mädchen haben wir spezielle Übungen, um das Selbst vertrauen zu stärken, sich Gehör zu verschaffen und Raum einzunehmen. Die Buben dagegen trainieren sich zu beneh men, Disziplin, Freundschaft und Nähe. Die Tageseinteilung des Kindergartens ist stark strukturiert: Die Tage sind aufgeteilt in Gruppenstunden und Wahlstun 46 den. Für die Gruppenarbeitszeit entwickelt jede Kindergar tenpädagogin für ihre Gruppe ein eigenes Programm und eigene Spiele. Die unterschiedlichen Methoden haben aber alle das gleiche langfristige Ziel: Mädchen und Buben zu einem gleichberechtigten Umgang miteinander zu befähigen. Egal ob wir in einer Mädchen- oder Bubengruppe sind, sie sind alle nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: keine geschlechtsspezifischen Spielsachen, häufig sogar über haupt keine Spielsachen. Nur Materialien, um daraus etwas zu schaffen. In einem Zimmer sitzt eine Bubengruppe im Kreis und sie erzählen einander von ihrem Tag, während ein Ball von Hand zu Hand weitergegeben wird. Nur der, der den Ball hat, darf reden. Die anderen sitzen ruhig und hören zu. Im Raum daneben arbeiten Buben still und konzentriert an einem Tisch. Als wir Hjalli auf Probe in einem privaten Kindergarten einfüh ren wollten, waren die Eltern überzeugt, dass Margrét Pálas Methode, die Kinder nach Geschlecht zu trennen, ein Ver such war die Kinder homosexuell zu machen. Als die ersten drei Probemonate zu Ende waren, war aber nur noch eines von insgesamt 26 Elternpaaren negativ eingestellt. Die ande ren haben die positiven Veränderungen ihrer Kinder auch zu Hause gemerkt und wollten absolut nicht mehr zum alten System zurückkehren“ (Mattsson 2003). Grundlegende Elemente der Hjalli-Pädagogik Wahrnehmen von Vielfalt: Diskriminierung, die von der Annahme eines ,Durchschnitts‘ ausgeht, wird verhindert. ,Problemkinder‘ existieren nicht, „Schulen reden bloß davon, um die Verantwortung für’s Scheitern den Kindern zuzu schieben“ (Ólafsdóttir 1996, 359). Rahmenbedingungen dafür sind 5 bis 10 Kinder pro ErzieherIn. Geschlechtertrennung: Geschlechtshomogene Gruppen sind eine effektive und einfache Möglichkeit, Mädchen und Buben das ihnen zustehende Maß an Aufmerksamkeit, Unterricht, Ermutigung und Raum zu geben. Dadurch wer den Diskriminierungen von Mädchen und Buben verhindert (unterschiedliche Aufmerksamkeitsverteilung qualitativ und quantitativ; die Tendenz von Kindern, geschlechtsstereotype Aufgaben zu machen und geschlechtsstereotype Verhaltens weisen zu üben). Unterschiedliches Verhalten von Kindern bewirkt unterschiedliches Verhalten von PädagogInnen: Kin Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik der empfangen in geschlechtsheterogenen Gruppen Bot schaften und Reaktionen, die die ErzieherIn an die Kinder des anderen Geschlechts gerichtet hat. Hausgemachte Umgebung: Vorhanden ist unstrukturiertes Material (z.B. Holzblöcke, Sand, Wasser), Tische und Stühle; Ton und Kreide werden selbst hergestellt. Einfachheit und Ruhe: Leere Wände, sanfte Farben; nicht benützte Materialien sind verstaut. Das Tagesprogramm ist einfach und wiederholt sich jeden Tag – das gibt allen das Gefühl von Sicherheit und Stärke; die Kinder wissen genau, was als nächstes kommt, und keine PädagogIn kann den Ablauf verändern; das Programm ändert sich stündlich: von der Arbeitsstunde in der eigenen Gruppe zur Spielstunde und wieder zurück. Die Spielstunde beginnt immer mit einem Auswahl-Treffen: die Kinder können wählen zwischen Spiel zimmer (ausgestattet mit Kissen und Kleidern für Rollen spiele) und dem Arbeitsraum, der in vier Bereiche geteilt ist: Zeichnen, Bauklötze, Ton und Sand. Das Kind, das zuerst wählt, wird das nächste Mal zuletzt dran sein; wenn vier Kin der im Spielzimmer sind ist es besetzt. Grenzen als Voraussetzung von Freiheit. Typisch „männli che“ Eigenschaften, wie Unabhängigkeit, Initiative, Mut, Kraft sind individualisiert. Typisch „weibliche“ Eigenschaften hingegen sind Altruismus, Weichheit, Feinfühligkeit, Intimität. „Statt die Geschlechter immer zu mischen, um alle Eigen schaften in die Person integrieren zu können, mischen wir die Eigenschaften für alle, sowohl die individualisierten – ich bezogenen – als auch die sozial orientierten – wir-bezoge nen“ (ebd., 362). Hjalli-Pädagogik als fortschreitender Prozess Margrét Pála Ólafsdóttir machte nach zwei Jahren Arbeit in geschlechtshomogenen Gruppen eine Untersuchung der schriftlichen Aufzeichnungen der Kindergartenpädagogin nen. Ein Ergebnis war: Mädchen bekamen mit 59% mehr Aufmerksamkeit als Gruppe – ,they‘, ,the girls‘ war in den Aufzeichnungen zu lesen – und weniger individuelle Auf merksamkeit (41%) – ,she‘, oder der Name des Mädchens. Bei den Buben war das genaue Gegenteil der Fall. Neue Diskussionen begannen, neue Übungen wurden kre iert, um das Problem anzugehen: Die Pädagoginnen entwickelten je ein spezielles Begrü ßungsritual für die Mädchen (jede einzelne von ihnen wird mit Namen begrüßt, um ihr Selbstwertgefühl zu unterstützen) und für die Buben (die Gruppe als Ganze wird angesprochen, um ihr Gefühl für Gemeinschaft und die Bedeutung von Soli darität zu unterstützen). Sechs Monate später war die per sönliche Aufmerksamkeit für Mädchen von 41% auf 59% gestiegen, die persönliche Aufmerksamkeit für Buben von 59% auf 64%. „Es ist nicht eine Art von Aufmerksamkeit besser als die andere, aber Mädchen und Buben haben das Recht auf beide Arten“ (ebd., 363). Weitere wichtige Bestandteile der Hjalli-Pädagogik sind: ❚ Individualtraining für Mädchen: im Mittelpunkt stehen Wagemut und Kühnheit („daring“) ❚ Sozialtraining für Buben: im Mittelpunkt stehen Für sorge und sich kümmern („caring“) Mädchenpädagogik Die Pädagoginnen selbst müssen ihre verinnerlichten Ein stellungen in Bezug auf (ihr) Frau-Sein und ihr Bild des Erzie herinnen-Berufs grundlegend verändern. Sie taten dies zum Beispiel im Umgang mit Schmerz beim Barfuß-Gehen über Lavafelder im Freien: „Wer sind die mutigsten Mädchen in ganz Hafnarfjördur? Und so sangen und tanzten wir – barfuß. Wir fühlten uns wie Superwomen – Superfrauen. Die Mäd chen hatten lustvoll und stolz eine neue Welt entdeckt.“ Was war das Außergewöhnliche? Diese Art von Verhalten – Barfuß-Gehen – war etwas gänzliches Neues für die Mäd chen, die in der Stadt aufgewachsen waren; der Lärm, den sie machten, ermutigte sie, sie schrieen und lachten und genos sen es. „Training in Lärm-Machen und das Benutzen der Stimme muss Teil der Übungen zum Wagen sein. Die Stimme zu gebrauchen ist auch wichtig für Mädchen, um direkte Informationen über ihre Wünsche und Gefühle zu geben“ (ebd., 364). Bewegung ist die Grundlage für Handlungen. Gewöhnlich integrieren Buben Lärm und Bewegung in ihr Spiel; Mädchen sitzen während Buben springen. Mädchen gehen während Buben laufen. Bewegung ist das grundle gende Element für Aktivität, um lustvoll herumzulaufen, tief zu atmen, sich Raum zu nehmen und lebendig zu fühlen. „Lärm, Bewegung und Unübliches, ,unweibliche‘ Aktion, war alles, was wir brauchten! In unserer Kompensationsarbeit mussten wir uns nicht sorgen um die üblichen ,weiblichen‘ Verhaltensweisen und Tätigkeiten, weil der Rest der Gesell schaft sich darum kümmern würde wie gewöhnlich. (...) Schreien und Laufen über den Spielbereich, Wasserkämpfe, bis wir durch und durch nass waren, so laut singen bis der ganze Kindergarten erzittert, Wut und Zorn spüren; niemand sagt uns, dass wir brav und ruhig sein sollen! (...) Das wahre Wagnis besteht darin, etwas zu versuchen, wovon du nicht weißt, ob es gelingen wird“ (ebd., 365). „Training im FehlerMachen“ gehört also dazu, kann aber erst nach dem „Wag nis-Training“ beginnen. 47 Geschlechtssensible Pädagogik in Island: Hjalli-Pädagogik Bubenpädagogik Die Basis des „Sozialtrainings“ ist die Selbstdisziplin: jedes Kind muss Kommunikation und Kooperation üben, die auf Regeln gründen und lernen, positives Auftreten anderen Leuten gegenüber zu zeigen. „Alle individualisierten Metho den mit Buben enden in Verrat an ihren sozialen Fähigkeiten; liebenswürdiges Verhalten nicht einzufordern betrügt Buben ebenfalls. Buben haben das Recht, nicht unter dem Gesetz der Fäuste zu leben und die Fesseln von Grobheit und anmaßendem Verhalten, die wir ihnen vermachen, loszuwer den. Buben haben alles Recht der Welt, ein Bild von sich selbst als liebenswürdige und wundervolle Persönlichkeiten zu entwickeln. Das einzige, was wir Erwachsene tun müs sen, ist ihnen zu zeigen, wie. (...) Worte, die an Buben gerich tet sind, um ihnen zu zeigen wie sie sich benehmen sollen, sind oft sinnlos. Lange Erklärungen können kontraproduktiv sein, weil sie ein negatives Selbstbild und das Gefühl von Schuld erzeugen. Wir Erwachsene haben die Worte, Buben nicht. Deshalb mache ich den Buben eindeutig klar, was ich von ihnen in Bezug auf ihr Verhalten erwarte und dass ich jede Form von antisozialem Verhalten sofort stoppe. Ich sage eher: ,Sei ruhig – jetzt!‘ Ich nehme eher einen Buben in den Arm statt ihn anzubrüllen. Ich erwarte nicht von ihm für alles verantwortlich zu sein, bevor er nicht Selbstdisziplin gelernt hat. Ich würde eher einen Buben, der einen anderen haut, sanft halten statt ihm zu sagen, er sei ein schlimmer Bub. Bevor er lernt seine Hände zu kontrollieren, passe ich auf und er kann darauf vertrauen. Ich würde eher für zwei Minuten die ,gelbe Karte‘ zeigen statt einen Buben aus der Arbeitsstunde rauszuschmeißen, ihn zu isolieren und ihn allein zu lassen mit der Verantwortung und der Demütigung. Ich handle schnell und begründet, ohne Ärger oder Anklage. Ich zeige oder sage den Buben, dass sie wundervoll sind und geliebt sind und sie meine Zuneigung nicht verlieren. Sie wissen, dass ich sie im Lernen unterstütze, weil sie wis sen, dass ich sie wundervoll finde. Ältere Buben begannen, sich um die jüngeren zu kümmern, einfach weil keine Mädchen da waren, die das Monopol dar auf haben und die Besten sind dabei, anderen zu helfen. Sich um die Umgebung kümmern, Tische abwischen, Brot machen, Boden wischen, mit der Nähmaschine nähen, Geschirr abwaschen: eine ganz neue Welt tut sich für die Buben auf und keine Mädchen sind da, die über ihre kleinen Fehler lachen könnten. Spezielle Nähe-Übungen bestehen aus Massagen von Päd agogInnen oder von Buben untereinander. Ihre Angst vor Berührung ist herausgefordert, der Gruppenstress ist redu ziert. Das ist eines der Ziele der Bubenpädagogik: die Bezie 48 hungen zwischen den Buben, die einander massieren oder ein Fußbad geben, ist wundervoll. Ihre Selbstwahrnehmung wächst und sie lernen, die Bedürfnisse anderer wahrzuneh men. Sobald jede Bubengruppe in Nähe trainiert ist, sind sie bereit mit den Mädchen zusammen zu kommen und das was sie gelernt haben anzuwenden. (...) Ich muss die Buben nicht stoppen, um die Mädchen zu beschützen. Geschlechtshomogene Bubengruppen entla sten mich von der Rolle der Polizistin und Lebensretterin. Nun kann ich den Buben mehr positive Aufmerksamkeit schenken und sie sind von den Erzieherinnen-Befehlen von früher befreit. Buben haben das Recht, ihre eigene Art und Weise zu kreieren und ihr Leben zu erforschen, ohne nega tive oder demütigende Bemerkungen von uns zu bekom men. Buben lernen ohne Anschuldigungen und Schuldzuweisun gen Probleme zu lösen. So wie sie die verschüttete Milch aufwischen klären sie kleinere Streitigkeiten – sie beschlie ßen einfach, wieder Freunde zu sein und zu teilen. Die Buben wissen, wie sie einen kleinen weinenden Buben beru higen und wie sie einem anderen Kind, das im Spiel verletzt wurde, sanft über den Rücken streichen. Es ist so einfach und effektiv, in Situationen zu agieren, wenn die Entschuldi gungen und die Schuld nicht mehr im Vokabular vorhanden sind. Der körperliche Schmerz ist auszuhalten, wenn nie mand auf deinen Gefühlen herumtrampelt“ (ebd., 366f.). Trennung ist die Methode – Integration das Ziel Kinder, die aus anderen Kindergärten kommen, verändern ihr Verhalten langsam: Mädchen, die zu Beginn in der Nähe der PädagogIn im „Arbeitszimmer“ bleiben, weil dieses „beschützter“ ist, statt in das Spielzimmer zu gehen, entdecken mit der Zeit, dass es für sie andere Möglichkeiten gibt; sobald Jungen – die zu Beginn die Malecke meiden, weil sie gewöhnt sind, dass Stifte und Papier den Mädchen gehören – realisieren, dass der Raum ihnen gehört, nutzen sie ihn ohne spezielle Ermu tigung vonseiten der PädagogIn. Alle grundlegenden Elemente der Hjalli-Pädagogik und alle Methoden werden mit Mädchen und Buben angewendet – der einzige Unterschied liegt im jeweiligen Schwergewicht jeder einzelnen Methode, um das Selbstbild von Mädchen und Buben zu erweitern. In gemischten Gruppen ist die hohe Achtung der Buben gegenüber den Mädchen merkbar: Diese Art von emotiona lem Respekt und warmherziger Fürsorge sollte nicht ein Pri vileg von ein paar Buben sein – aber nur zu oft ist es so. (Ólafsdóttir, 1996) Heidi Rasworschegg Heidi Rasworschegg Eine Reise von Tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt (Laotse). Bedeutung von Fortbildung zu geschlechts sensibler Pädagogik für die beruflich-profes sionelle und die persönliche Entwicklung Mit großen Erwartungen kam ich vor fast vier Jahren im Oktober 2000 in die Fortbildung „Geschlechtssensible Päd agogik“ von Daniela Orner.1 Hatte ich doch immer schon große Freude daran, mich für die Aufwertung der Frau in unserer Gesellschaft einzusetzen. Den Untertitel „Raumge staltung“ hatte ich schnell wieder vergessen.... Nun sollte ich mich auseinander setzen mit Räumen? Wozu sollte das gut sein? Wir wurden aufgefordert uns Folgendes zu überlegen: ❚ Wo sind Frauen? Was tun sie? ❚ Wo sind Männer? Was tun sie? ❚ Welche Spielbereiche im Kindertagesheim (KTH) werden bevorzugt von Buben frequentiert? ❚ Welche von Mädchen? ❚ Welche Kinder halten sich im Baubereich auf, wie lange, was spielen sie dort? ❚ Welche Plätze werden im Garten von Mädchen benützt, welche von Buben? ❚ Welche Kinder verwenden die Fahrzeuge, wie lange? ❚ Was ist meine Rolle als Pädagogin im Gruppenraum? Wo sind meine beliebtesten Aufenthaltsorte? War es das, was ich mir vorstellte? Nicht wirklich! Hinzu kamen „Beobachtungsaufgaben“, die wir jeweils bis zum nächsten Termin zu erledigen hatten. Die erste lautete: „Meine persönlichen Beobachtungen bezüglich Männern/ Buben und Frauen/Mädchen im ÖFFENTLICHEN RAUM“ (Verkehrsmittel/Spielplätze, Parks/Sportplätze, Freiflächen). War es das, womit ich mich beschäftigen wollte? Nicht unbedingt! Also gab es auch genug Gründe, warum ich die nötige Zeit dazu nicht finden konnte. Als der nächste Termin näher kam, bemühte ich mich diese „Hausübung“ beim Autofahren erledigen zu können. Da ich oft den Gürtel entlang fahre, beobachtete ich die „Ball käfige“ zwischen Margareten Gürtel und Gaudenzdorfer Gürtel, die auch am Abend gut beleuchtet sind. Es war erstaunlich, ich konnte immer nur Burschen und Männer entdecken, die diese Plätze benützten! Das hatte ich nicht erwartet. Also hielt ich sehr bewusst Ausschau nach Mädchen und Frauen in diesem Bereich. Endlich nach Wochen hatte ich eine Frau entdeckt. Voller Begeisterung teilte ich das im nächsten Kurs mit. Die Frage der Kursleiterin: „Spielte sie aktiv mit oder war sie als Zuse herin dabei?“ irritierte mich zunächst, ließ mich aber dann erkennen, dass darin ein wesentlicher Unterschied besteht (Die Frau war bewundernde Zuschauerin.). Von Mal zu Mal fand ich mehr Gefallen daran, mich auch mit „Räumen“ zu befassen! Konnte ich doch bei den Erkennt nissen Einsichten gewinnen, die ich bis dahin in dieser Deutlichkeit noch nicht kannte. Eine von vielen spannenden Gruppenaufgaben im Rahmen der Fortbildung lautete: „Das ideale KTH für Mädchen“ – „Das ideale KTH für Buben“. Wir sollten in zwei Gruppen an diese Aufgabe her angehen, und hatten keinerlei finanzielle, technische oder sonstige Einschränkungen. Begeistert meldete ich mich für „das ideale Mädchen-KTH“, habe ich doch eine Tochter, und war überzeugt die Bedürf nisse und Wünsche von Mädchen gut zu kennen. Umso mehr erstaunte es mich, wie schwer es unserer Gruppe fiel, voranzukommen und Ideen zu entwickeln. Gelegentlich spähten wir zur anderen Gruppe, die sich mit „dem idealen Buben-KTH“ beschäftigte. Voller Spaß und Energie werkten sie, und wir konnten auch von der Ferne schon ein abenteuerlich aufregendes Ergebnis erkennen. Wir plagten uns weiterhin mit unserer Aufgabe und waren etwas unsicher mit dem Resultat. Hatten wir doch das Gefühl, dass wir nicht genau wussten, was Mädchen wirk lich wollen. Oder könnte es damit zusammenhängen, wel che Erwartungen wir Erwachsene an Mädchen bzw. Buben haben? Wir diskutierten folgendes Beispiel: „Mädchen wol len zeichnen, Buben wollen klettern.“ Wollen Mädchen zeichnen und Buben klettern? Oder erwarten wir, dass Mädchen gerne zeichnen und Buben gerne klettern? Da wir uns darüber nicht einig werden konnten, ließen wir die 49 Heidi Rasworschegg Frage im Raum stehen (es war ähnlich schwierig zu beant worten wie: „Was war zuerst – Ei oder Henne?“). Unser Mädchen-KTH hatte einen Kommunikationsraum im Zentrum, anschließend daran waren die anderen Räume kreisförmig herum angeordnet. Sie dienten verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten (Träumen und Lesen, Musik, Aufgaben, Zeichnen und Malen, Werken, Bauen und Kon struieren, Fitness, Computer, Wohnbereich mit Wintergar ten). Nach außen ins Freie waren jeweils große Fensterscheiben, sodass ein guter Überblick möglich war. Dort gab es nun Sand und Wasser, Büsche und Sträucher, Rückzugsmög lichkeiten, Verkleidungsmaterialien, Decken, Zelte, Kletter bäume, Fahrzeuge, viele Schaukeln, Wiesen, Blumen, Gemüsebeete, eine Bewegungsbaustelle und einen Ball spielkäfig. zur Verfügung stand. Zusätzlich versuchte sie durch ande res Material, wie zum Beispiel Tücher, Federn und Perlen schnüre den Konstruktionsbereich für Mädchen attraktiver zu gestalten. Auch durch das bewusste Mitspielen der Päd agogin konnte die Aufenthaltsdauer der Mädchen in diesem Bereich deutlich erhöht werden. Unsere Kursleiterin erinnerte uns an unser Thema: „Wo halten Sie als Pädagogin sich am liebsten auf?“ Von den Teilnehmerinnen wurden folgende Beispiele genannt: ❚ beim Tisch ❚ in Kindernähe ❚ im multifunktionalen Bereich ❚ beim Zeichentisch ❚ in Türnähe Wir als Frauen haben für Mädchen in der Gruppe einen gro ßen VORBILDCHARAKTER. Wir beschäftigten uns im Anschluss mit Untersuchungser gebnissen zu den Themen: „Was wollen Mädchen?“ und „Freizeitbedürfnisse von Mäd chen – ein kleiner Unterschied?“ (siehe Benard/Schlaffer/ Plohovits 1997). Wir haben uns daher auch folgende Fragen zu stellen: ❚ Wo und wie häufig spielen wir mit? ❚ Was spielen Mädchen/Frauen? ❚ Womit spielen wir/in welchem Bereich? ❚ Wie gut können wir mit technischem Material umgehen? Nun konnten wir feststellen, dass wir mit unseren Ideen ziemlich nah an die realen Wünsche von Mädchen herange kommen waren. Unser Modell berücksichtigte sowohl das stärkere Bedürfnis nach Rückzug als auch überschaubare umgrenzte Flächen und Plätze. „,Ich will einen Platz nur für Mädchen. Käfige sollten in der Mitte aufgeteilt sein – halb für Mädchen und halb für Buben. Dort würde ich dann Volleyball spielen.‘ ,Ich wünsche mir einen extra Käfig für Mädchen, denn die Buben haben schon einen. Wenn wir hineingehen, sekkie ren sie uns.‘ (...) ,Ich wünsche mir zwei Fußballkäfige, weil nur Buben spie len und die Mädchen nicht dürfen. Ein Käfig sollte für Buben sein und der andere für Mädchen sein.‘ (...) Wenn der Raum ,für alle‘ da ist, gehört er de facto nur den Buben.“ (S. 36). Ich überlegte, wie oft ich mich als Pädagogin in der Bau ecke aufgehalten hatte. Mein persönliches Resultat war äußerst „mager“! Aber in Zukunft habe ich ja die Möglich keit, bewusst in diesen Bereich zu gehen. Beim Lesen dieser Zitate fühlte sich eine Kursteilnehmerin bestärkt, die uns berichtete, dass sie im Bau- und Kon struktionsbereich eine zeitweilige Trennung der Geschlech ter einführte, um diesen für Mädchen attraktiver zu machen. „Unterschiede machen, damit Unterschiede kleiner wer den!“ Sie erzählte, dass sie fixe Mädchen- und Bubenzeiten ein führte. Ebenso gab es zwei Legokisten, eine für Mädchen, eine für Buben, sodass auch für alle gleiches Spielmaterial 50 Nach so vielen Erkenntnissen, die ich im Kurs sammeln konnte, war ich schon sehr neugierig auf die Besichtigung des ersten Wiener Kindertagesheimes mit dem Schwer punkt „Geschlechtssensible Kleinkindpädagogik“ in Wien 15, Brunhildengasse 1. Obwohl ich keine konkreten Vorstellungen hatte, war ich doch ein bisschen enttäuscht, da die Gruppenräume auf den ersten Blick etwas „ernüchternd“ auf mich wirkten. Irgendwie hatte ich mir „mehr“ erwartet. Diesen Eindruck versuchte ich – nett verpackt – unserer Kursleiterin zu vermitteln, die zu diesem Zeitpunkt (im Juni 2001) auch die Leiterin dieses Kindertagesheims war. „Mei stens sind unsere BesucherInnen erstaunt, so nach dem Motto: Und das ist alles?“ Ihre Antwort „entlastete“ mich, da ich nicht als Einzige diese Ansicht hatte. Sie erklärte uns anschließend, dass die Einrichtungsgegenstände so ausge wählt wurden, dass es nur wenig „fixe“ Bereiche gibt, um den Kindern vielfältige Gestaltungsvariationen zu ermögli chen. Es gab viele verschiebbare Möbel, z.B.: Sitzbankele mente, Spielzeugkisten bzw. -laden auf Rädern,... Heidi Rasworschegg Nun konnte ich auch erkennen, was mich zunächst irritierte. Die üblichen Spielzeugregale, sowie die gewohnte Gestal tung des Bau- und Konstruktionsbereiches (früher „Bau ecke“) und des Rollen- und Familienspielbereiches (früher „Puppenecke“), die ich vermisste, vermittelten mir das Gefühl, dass hier etwas fehlt. Obwohl grundsätzlich allen Kindern die vorhandenen Raumangebote zur Verfügung stehen, spielen üblicherweise doch eindeutig mehr Mäd chen im Rollen- und Familienspielbereich, so wie der Bau- und Konstruktionsbereich häufiger von den Buben in Anspruch genommen wird. Unter dem neuen Blickwinkel aber, dass diese Bereiche täglich individuell – nach den Bedürfnissen der Kinder – gestaltet werden können, konnte ich verstehen, warum mehr freier Raum als sonst notwen dig war. So kann geschlechtsspezifisch vorbelasteten Spielorten entgegengewirkt werden. Zum Abschluss warf ich noch einmal einen Blick in die Gruppenräume, jetzt gefielen sie mir besser als beim ersten Betrachten. In meinem ersten Kursjahr hatte ich oft die Gelegenheit zu erkennen, dass es sehr wohl wichtig ist, mich mit Räumen und Raumgestaltung zu befassen. Obwohl ich darüber nicht von Anfang an begeistert war, stellte diese Auseinan dersetzung in der Folge eine wichtige Grundlage für meine weiteren „Geschlechtssensiblen Einsichten“ dar. Ich freute mich schon sehr auf die nächste Fortbildung2, wo wir uns intensiv mit Bildungsmitteln auseinandersetzen wollten. Spielzeugkataloge, Spielmaterial, Bilderbücher, Lieder, Kreisspiele, Sprüche, Reime, Gesellschaftsspiele, sowie das Rollenspiel wurden kritisch unter geschlechts sensiblen Aspekten betrachtet: ❚ Wie werden Mädchen und Frauen dargestellt? ❚ Wie werden Buben und Männer dargestellt? ❚ Welche Rollenstereotype werden transportiert? ❚ Wie können in der Pädagogik eingesetzte Medien dazu beitragen, Handlungsspielräume zu erweitern? Bei der Befassung mit „traditionellen“ Liedern (Spannenlan ger Hansel, Zeigt her eure Füße, Ist die schwarze Köchin da,...), Sprüchen (Eine kleine Dickmadam, 1,2,3,4,5,6,7, eine alte Frau kocht Rüben, Wiener Wäscheweiber,...) und Spielen (Räuber und Gendarm, Sesselkönig, Brüderlein, wer klopft,...) waren wir in unserer Runde geteilter Meinung. Während einige für das Umformulieren in geschlechterge rechte Texte waren (vgl. Folder „Geschlechtergerechtes Formulieren“), ging es anderen eindeutig zu weit, Brauch tum derart zu verändern. Ich versuchte meine Haltung zu reflektieren. Teilweise fand ich zwar Spaß an kreativen Wortschöpfungen und sprachli chen Neugestaltungen (aus dem Tante-Emma-Laden wird dann ein Onkel-Otto-Geschäft, aus der Krankenschwester ein Krankenbruder), aber manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass dieses „vehemente Verlangen“ nun alles geschlechtergerecht aufzubereiten (Brüderlein, wer klopft/ Schwesterlein, wer klopft, Armer, schwarzer Kater/Arme, schwarze Katze,...) doch ziemlich kleinlich war. Erst im dritten Fortbildungsjahr3 konnte ich von der Bedeutung der Formulierungen überzeugt werden. Als wir in der Übung „Kein... ohne...“ Klischeebilder vortra gen sollten, fiel uns das sehr leicht: Kein Mädchen ohne... Zöpfe, kein Bub ohne... Auto. Im nächsten Schritt, wo es darum ging unsere Wünsche für erweiterte Handlungsspiel räume zu nennen, hatten wir erhebliche Probleme: Kein Mädchen ohne... Matador, kein Bub ohne... Kosmetikkoffer. Ein erster Hinweis für mich, dass wir für Inhalte, die wir nicht so oft hören, schwerer Worte finden; in der Folge fehlen uns entsprechende Bilder dafür. Wenn es uns dann doch gelingt, neue Bilder zu entwerfen, stellt sich fast ebenso schnell die Frage, ob sie uns gefallen bzw. wie wir sie bewerten (Wer mag schon einen Bub oder Mann mit Kos metikkoffer? „So ein Weichei!“ „Das ist ja kein ,richtiger‘ Mann!“). Unsere Befassung mit dem Thema SPRACHE wurde von Frau Orner mit folgender Übung eingeleitet: „Der Bürgermeister ist Dienstvorgesetzter der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gemeinde. Er kann Beamte und Angestellte der Gemeinde mit der Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten beauftragen“ (alte Fassung der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, zit. nach: Braun 1991). Wir sollten anschließend beschreiben, welches Bild in uns entstanden war, wie wir uns „den Bürgermeister“ vorgestellt hatten. Keine von uns hatte das Bild einer Frau im Amte „des Bürgermeisters“ im Kopf, alle sahen Männer vor ihrem geistigen Auge. Sie unterschieden sich lediglich in Alter und Aussehen. Das war ja ein ziemlich ernüchterndes Ergebnis! Vor allem im Hinblick darauf, dass ich mir bis zu diesem Zeitpunkt sicher war, dass mit dem Hinweis „in der Folge sind bei männlichen Formulierungen selbstverständlich auch Frauen gemeint“ diese automatisch mitgedacht werden. Nun musste ich bei dieser praktischen Übung erfahren, dass dies keineswegs der Fall war. 51 Heidi Rasworschegg Also ist es sehr wichtig – und keineswegs kleinlich – Spra che geschlechtergerecht einzusetzen! Ich fasste den Vorsatz, mich ab nun selbst zu beobachten, wie ich im Alltag formulierte. Da hörte ich mich sagen: „Das kann jeder machen, wie er will.“ Ich befand mich aber aus schließlich unter Frauen! Beim nächsten Mal würde ich es richtig schaffen, hoffte ich. „Das kann jede machen, wie sie will.“ Ich versuchte mich nicht zu sehr unter Druck zu setzen, da ich bei „Umlernprozessen“ schon meine persönlichen Erfahrungswerte kenne. Zunächst setze ich mich mit fachli chen Inhalten auseinander, das ermöglicht mir in der Folge, mich gezielter zu beobachten. Zu Beginn betrachte ich es schon als Erfolg, wenn mir überhaupt auffällt, WAS ich ver ändern möchte. Danach versuche ich geeignete Formulie rungen zu finden. Besonders freue ich mich, wenn es mir gelingt, diese in meinen Alltag zu integrieren. Normaler weise dauert dieser Prozess – vom theoretischen Input bis zur praktischen Anwendung im Alltag – bei mir in etwa ein Jahr. Auf meinem Weg versuche ich auch andere Menschen für Themen zu sensibilisieren, die mir wichtig erscheinen. Mög lichkeiten über „Geschlechtssensible Pädagogik“ zu disku tieren bieten sich viele, ob bei Kindergeburtstagsfeiern: „Das hätte ich mich nicht für einen Buben kaufen getraut! Das hätte mich zu sehr an Polly Pocket erinnert.“, bei Fami lienfesten, wo ein Vater zur Tochter sagt: „Du wirst auch ein mal arbeiten müssen, außer du heiratest einen reichen Mann!“ oder im Einkaufszentrum, als eine Passantin zu mei ner Tochter, die pfeifend neben mir ging, meinte: „Du wärst auch besser ein Bub geworden!“. Meine Tochter antwortete übrigens sehr selbstbewusst: „Nein danke, ich bin gerne ein Mädchen.“, und ging pfeifend weiter. Wenn ich meine Tochter beim Spielen beobachte, kann ich noch eine Menge lernen. Einmal „kämpfte“ sie mit ihrer Freundin mit Luftballonschwertern. Als ich fragte, was sie spielten, antwortete sie: „Wir sind Ritterinnen.“ Ich war ver blüfft. Hätte ich eine weibliche Form zu Ritter gesucht, wäre mir höchstens das Burgfräulein eingefallen. Und das ist etwas ganz anderes als eine Ritterin! Es fällt mir auf, dass meine Tochter häufig geschlechtergerecht formuliert. Und gibt es kein bestehendes Wort, so erfindet sie eines. Das gefällt mir. Nun, wo ich ein Jahr Zeit hatte, mich zu beobachten und zu „trainieren“, passiert es auch manchmal, dass ich ganz spontan reagiere. Als ich mich mit meiner Familie (Mutter, Vater, Tochter, Hund) auf den Weg in den Urlaub machte, begrüßte uns der Taxilenker mit den Worten: „Alle Mann an Bord?“ „Ja“, antwortete ich, „und die Frauen auch!“ So bin ich täglich auf die eine oder andere Art mit „Geschlechtssensibler Pädagogik“ beschäftigt. Und immer wenn ich auf meinem Heimweg den Gürtel entlang fahre, werfe ich automatisch einen Blick in die Ballkäfige, obwohl seit der ersten Beobachtungsaufgabe immerhin schon vier Jahre vergangen sind. Gestern sah ich das erste Mal drei Mädchen Basketball spielen und sie hatten den ganzen Raum für sich! 1 Geschlechtssensible Pädagogik (Raumgestaltung) Oktober 2000 – Juni 2001, insgesamt 20 Stunden 2 Daniela Orner, Geschlechtssensible Pädagogik – Bildungsmittel (Medien und Methoden), September 2001 – April 2002, insgesamt 15 Stunden 3 Daniela Orner, Geschlechtssensible Pädagogik (Fortsetzungsseminar), Oktober 2002 – Mai 2003, insgesamt 12 Stunden 52 Sylvia Minich Sylvia Minich „Verdammte Barbie“. Psychologische, soziologische und päda gogische Sichtweisen auf rollenfixierendes Spielzeug am Beispiel Barbie Spiel hat viele Bedeutungen, es bereitet auf das spätere Leben vor und hilft Eindrücke zu verarbeiten. Spielerfahrun gen fördern die Entwicklung von geistigen Strukturen, Spiel entspannt, bietet Entwicklungsimpulse – und es macht ein fach Spaß. Spielmaterialien unterstützen diese Lernpro zesse im besten Fall. Die Auswahl pädagogisch sinnvoll zu treffen – und dabei auch noch den geschlechtsspezifischen Aspekt nicht zu vernachlässigen – ist auf Grund der Fülle mittlerweile immer schwieriger, allerdings auch lustvoller. Rein fachlich ist Barbie Rollenspielmaterial, das heißt, sie dient dazu – wie alle Puppen – durch das Bespielen in die umgebende soziale Struktur hineinzuwachsen. Alles aus der Erwachsenenwelt, das dem Kind noch nicht offen steht, kann so „vorgelebt“ werden. Im Speziellen ist Barbie Kleine Welt-Spiel-Material, wie z.B. Bauernhof, Polizeistation etc. Das Kind dirigiert diese Welt, die verkleinerte Dimension ermöglicht einen guten Überblick über das Spielgeschehen. Zusammenfassend heißt dies, dass Barbie kein übliches Puppenspiel provoziert, wo das Kind selbst zum Elternteil wird und seine Identität an die Puppe abgibt, sondern es wird RegisseurIn über eine ganze Welt, kann sogar viele Rollen gleichzeitig einnehmen. Trotzdem sind die haupt sächlichen Spielinhalte typische Frauenthemen: Kinder, Küche und – statt Kirche – Kosmetik (Minich 2003). In pädagogischen Kreisen wird Barbie vorwiegend wegen ihres vermeintlich negativen Einflusses auf die Schönheits vorstellung von Mädchen und wegen der oberflächlichen Spielinhalte (Glamour und Schönheit) abgelehnt – und zwar heftig und emotional. Folgende Darlegungen spannen nun einen Bogen von der Besonderheit der Barbie aus histori schem Blickwinkel über die Bedeutung weiblicher Schön heit bis zu Untersuchungsergebnissen, inwieweit Barbie eine Beeinflussung der Schönheitsvorstellung weiblicher Jugendlicher unterstellt werden kann, um zuletzt pädagogi sche Konsequenzen aufzuzeigen. Barbie – eine Modepuppe Puppen sind verkleinerte Abbilder von Menschen und somit ZeitzeugInnen. Puppen dienten im 17. und 18. Jahrhundert nicht als Spielzeug, sondern als ModekurierInnen. Diese „Mannecuins“ (aus dem Holländischen abgeleitet für „Menschlein“) warben für modische Produkte. Ende des 18. Jahrhunderts verloren diese Puppen durch den kolorierten Kupferstich ihre Bedeutung. Erst mit der Verbreitung der Lehren von Rousseau, Pesta lozzi und Basedow bekam Kindheit ihren eigenen Stellen wert, bis dahin waren Kinder kleine Erwachsene. Nun begann der Siegeszug der Puppe als Spielware. Schon 1860 kam es zur Wiederauflage der Modepuppen, nun „Parisiennes“ genannt, die monatlich erschienen und mit Modejournal und Schnittbogen als Lehrmaterial für Mäd chen galten (Ecker 1989). Barbie ist also Nachfahrin dieses Typs von Puppe – keine mondäne Neuschöpfung des 20. Jahrhunderts. Als Charak ter- oder Rollenpuppe hat Barbie einen klaren Erziehungs auftrag, nämlich die Vorbereitung von Mädchen zur Ausein andersetzung mit Schönheit und Kostümierung. Soziologische Sicht auf weibliche Schönheit In matriarchalischen Gesellschaften spielt männliche Schönheit eine bedeutende Rolle, z. B. schmücken sich die Männer der Woodabes (Nigeria) täglich stundenlang! In patriarchalischen Gesellschaften liegt es an der Frau, durch Schönheit zu bestechen. Schönheit dient als Mittel, dem bestimmenden Teil der Gesellschaft zu gefallen, um so an dessen Möglichkeiten partizipieren zu können. Davon ist abzuleiten, dass Schönheit ein politisches wie kulturelles und auch epochenabhängiges Machtinstrumentarium ist (Wolf 2000, 17). Warum konnte und kann weibliche Schönheit jedoch auch in Zeiten beginnender Emanzipation und wirtschaftlicher Unabhängigkeit immer noch so eine Bedeutung haben? Die ersten Frauen, die viel Geld verdienten, verdankten das ihrem Aussehen: Prostituierte, Models, Schauspielerin nen…. Schönheit scheint also zwingend vorausgesetzt, wenn Frau ökonomisch erfolgreich sein will. Frauen leisten zwei Drittel der Arbeitsstunden, sie besitzen jedoch nur ein Zehntel des Weltvermögens (Wolf 2000). Frauen verdienen in der westlichen Welt nur zwei Drittel des sen, was Männer verdienen, davon geben sie jedoch ein Drit 53 Sylvia Minich tel für schönheitsfördernde Maßnahmen aus. Schönheit wird so symbolisch zur Währung. Frauen nehmen Schmerzen (Operationen, Enthaarungen…) und menschenunwürdige Zustände (Hunger, beengende Kleidung…) auf sich, um Schönheitsidealen nahe zu kommen. Hier erhebt sich nun die Frage, wie ein Schönheitsidol wie Barbie Fuß fassen konnte – denn eines muss klar sein: Barbie existierte als Ideal bereits in den Köpfen, bevor sie als Puppe Gestalt bekam. Barbie als Produkt soziologischer Sicht auf Schönheit – Zeugin ihrer Zeit Barbie als US-amerikanisches Produkt der Fünfziger- und Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war Symbol des amerikanischen dream/way of life. Die unschuldig weibliche Ausstrahlung der unberührten Frau erinnert an Filmstar Doris Day, die lächelnd die amerikanische Vorstadtidylle repräsentierte: Der Mann verdient genug, dass die Frau zu Hause bleiben kann. Sie dankt ihm dies durch jugendliche Frische, blendendes Aussehen und ebensolche Laune. Frau bezogen ist. Barbie ermöglicht im Spiel, alle Rollen aus der Frauenperspektive wahrzunehmen und dabei erfolg reich, reich und schön zu sein. Einerseits Traumwelt, ande rerseits realer Omnipotenzanspruch: Barbie bietet Autono mie, Unabhängigkeit und dies alles ohne Gewalt und Kampf, in guter Laune mit einem Lächeln auf den Lippen. Weiblich eben. Vor allem schön. Mit einem Unterschied zur Realität: Barbie ist nie auch nur im Ansatz von einem Mann abhängig, im Gegenteil, sie ent scheidet, wann er (Ken) als Begleiter, niemals jedoch als Dominator auftauchen darf. Es erhebt sich nun die Frage, warum muss Barbie schön sein, wenn ihr ohnehin die ganze Welt offen steht, sie nicht von einem Mann abhängig ist? So gesehen müsste man dem Spiel mit Barbie Gegenwarts bewältigung absprechen, denn Frauen in patriarchalischen Gesellschaften sind von Männern abhängig. Erfolg und Autonomie sind im Ansatz möglich – vorausgesetzt, „Frau ist schön“. Einfluss von Barbie Verständlicherweise verzückte nach den Kriegswirren auch in Europa eine solche Vorführung von Lifestyle. Nach Zeiten des Mangels war es begreiflich, dass Sauberfrau Barbie den im Wiederaufbau schwer arbeitenden Frauen Traumge stalt wurde, sie stand für ein amüsantes Leben ohne kör perliche Anstrengung, voll Freude und Lebendigkeit. Viel Sehnsucht konnte in diese Figur gebannt werden und es scheint verständlich, dass sie gerade von Müttern ver schenkt wurde – alle Mütter wollen, dass es ihren Kindern einmal besser geht. Aber wie kann diese Puppe nach so vielen Jahren und Entwicklungen noch immer Idol sein? Barbie wird alle zehn Jahre äußerlich dem Zeitgeist ange passt, ebenso erfährt sie auch gesellschaftliche Verände rungen: Sie darf mittlerweile so gut wie alle Berufe ausüben (Paläontologin, Popstarin, Astronautin, Ärztin…), immer jedoch ist sie bestens in Form und gestylt. Auch sozial ist Barbie engagiert, ihre Freundin Share-a-smile-Becky sitzt im Rollstuhl, natürlich auch makellos schön. So wird Barbie politisch korrekt: Eine wunderschöne beruflich erfolgreiche Frau mit ausgefülltem Privatleben und sozialer Sensitivität (Benard/Schlaffer 2000). Mädchen auf dem Weg zur Frau wollen keine „So-wie-ich und-du-Puppe“, sondern eine Figur, die all das erfüllt, was gesellschaftlich für Frauen opportun erscheint – Lebensvor bereitung schlechthin. Alle Träume – die Mädchen noch nicht leben dürfen – lassen sich im Spiel mit Barbie erfüllen! Die westliche Welt ist eine männerdominierte, dennoch zeigt die Firma Mattel, dass in Barbies Welt alles auf die 54 Für mich tat sich wissenschaftlich die Frage auf, inwieweit das Spiel mit Barbie Einfluss auf die Schönheitsvorstellung weiblicher Jugendlicher nehmen kann. Aus einer sehr umfassenden Fragebogenerhebung an 67 18- bis 20-jähri gen Frauen (Minich 2003) stelle ich die wichtigsten Ergeb nisse nun vor: Nach den persönlichen weiblichen Schönheitsvorstellungen befragt, siegten die Merkmale, für die Frauen selbst Verant wortung übernehmen können: Gepflegtheit (90%), Enthaa rungen (66-69%) (gefragt war nach unterschiedlichen Kör perpartien, z.B. Achseln, Bikinizone..) und weiße Zähne (63%). Die typischen Barbieattribute wie große Augen (42%), Schlankheit (31%), langes Haar (28%), schlanke Taille (28%), lange Beine (24%), geschminkte Augen (16%), kleine Nase (16%), Faltenfreiheit (13%), großer Busen (9%) sind in sehr unterschiedlichen Anteilen vertreten. An ihrer eigenen Person als schön konstatierten 71% ihre Augen, 27% ihre Haare, 12% ihren Mund. Als weniger schön wurden mit je 15% die Nase und die Figur und mit 13% die Haut genannt. Direkt danach gefragt, was seinerzeit an Barbie gefiel, ant worteten 78% Barbies Haare, 73% die Kleidung, 51% die Accessoires, 47% das Zubehör, 36% die Variationsbreite des Spieles, 34% ihre Figur, 32% ihre Gelenkigkeit, und über immer neue Artikel freuten sich 27%. Sylvia Minich Einer relativ hohen Zufriedenheit der Befragten mit dem eigenen Haar steht hohe Unzufriedenheit mit der eigenen Figur gegenüber – immerhin wären 38% sofort zu einer Liposuktion (Fettabsaugung) an Beinen oder Po bereit. For mende und stützende Kleidung ist Standard für so gut wie für alle befragten jungen Frauen. Der Anteil derer, die mit dem eigenen Gesicht genauso zufrieden sind wie mit Bar bies Antlitz war sechsmal höher als die Anzahl derer, die mit dem eigenen Gesicht unzufrieden sind. Dies zeigt, dass Schönheit nicht an Vorgaben, sondern an Individualität gemessen wird. ideal zu entsprechen – der Trend zeigt eine Gegensatzdyna mik auf: Mütter, die begeisterte Barbie-Fans sind, bewirken Abwehr dieses Schönheitsideales bei ihren Töchtern und umgekehrt. Gesundheitliche Fakten zählen für das Aussehen nicht, Unzufriedenheit mit der eigenen Figur wird klar deklariert, jedoch weiß nur eine der 67 Befragten ihren Body-MaßIndex (Der Body-Maß-Index ist die medizinische Berech nungsformel für die Beurteilung des Körpergewichtes: Kör pergewicht (in kg) geteilt durch Körpergröße (in m) im Qua drat. Ergebnisse zwischen 19 bis 24 gelten bei 18-34 jähri gen als normal, bei über 35jährigen liegt der Idealbereich zwischen 19 und 26.). Der Maßstab für das eigene Körper gewicht sind nicht medizinische Kriterien, sondern die sub jektive Wahrnehmung der eigenen Silhouette. Jede der Befragten kennt ca. vier andere junge Frauen mit Essstö rungen. Spielzeug als Teil des Sozialisationsfeldes ist Träger von Wertevermittlung. Als Ergebnis der Untersuchung kann geschlossen werden, dass Schönheit als Wert absolut begriffen wurde, jedoch nicht, dass eine bestimmte Ästhe tik von der Barbiepuppe übernommen wurde. Zu den Ausgaben für Kosmetika befragt, ist ein signifikan tes Ansteigen von 25% auf bis zu 50% des eigenen Geldes abzulesen, und zwar steigern sich die Ausgaben proportio nal zu den Einkünften – je mehr Geld vorhanden ist, umso höher ist der Prozentsatz der Ausgaben. Pflege und Ver schönerung wird demnach als existentiell wichtig erachtet. Pädagogische Konsequenzen Die anfängliche Hypothese, dass Mädchen, die mit Barbies spielen, eine Schönheitsvorstellung entwickeln, die dieser Puppe entspricht, konnte durch die Untersuchung nicht eindeutig bewiesen werden. Zu sehr unterscheiden sich die Merkmale, die bei Barbie als schön empfunden wurden von denen, die für die jungen Frauen selbst bestimmend sind. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen korreliert manchmal, aber nicht eindeutig mit dem Abweichen des eigenen Aussehens von Barbies Attributen. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass Barbie keinen Einfluss auf die Schönheitsvorstellung hat, sondern dass vielmehr eine realitätsbezogene Relativierung stattfindet. Einige Attri bute scheinen hohen Nachahmungswunsch auszulösen (schlanke Beine…), andere werden als bei sich selbst nicht relevant erlebt (lange Haare, großer Busen…). Eindeutiger ist der Zusammenhang zwischen den emotio nalen Bezügen der Mütter der Befragten zu Barbie und den eigenen Bedürfnissen der Mädchen, diesem Schönheits Junge Frauen sind bereit, sehr viel für ihre Schönheit zu tun. Da Schönheit allerdings ein soziales Konstrukt ist, kann nicht linear davon ausgegangen werden, dass Barbie diese Aktivitätsbeschleunigung für das eigene Aussehen initiierte, sondern dass die Zusammenhänge in größeren Bezügen zu sehen sind. Die Auswahl von Spielzeug durch Eltern und PädagogInnen zeigt dem Kind auf, welche Themen Wichtigkeit haben, jedoch das Kind entscheidet, was es damit macht. Die Untersuchung zeigt lediglich, dass Schönheitsmerkmale von den Kindern erkannt und benannt werden können, diese aber nicht als zu internalisierend erfasst werden müs sen (Minich 2003). Pädagogisches Handeln ist immer eine politische und gesellschaftliche Entscheidung. Schon die Auswahl eines Spielmaterials übermittelt dem Kind die Botschaft, wie seine Auseinandersetzung mit der Welt erfolgen soll, was von ihm erwartet wird. Es ist keineswegs egal, was wir Kindern im Spiel zumuten, denn alles, was uns wichtig erscheint, geben wir mit diesen Spiel-Gaben an das Kind weiter. Kein Kind „spielt nur“ – es begreift im Spiel die Welt und unsere Absichten, es in die ser Welt zu verorten. Viele Spielhandlungen mit Barbie sind ritualisiert und erin nern an Kulthandlungen (z.B. das ständige Umkleiden, um an die jeweiligen Situationen angepasst zu sein). In vielen Wiederholungszirkeln verarbeiten die Kinder so gegenwär tige und zukünftige Thematiken (z.B.: Morgens gepflegt in der Firma erscheinen, nachmittags sportlich am Tennisplatz üben, abends in auffälliger Robe auf den Ball gehen…) Oft malige Wiederholungen zeigen immer ein besonderes Spielbedürfnis des Kindes, es erschiene aus pädagogischer Sicht absurd, das Spiel mit Barbie nicht zuzulassen. 55 Sylvia Minich Dem Spiel des Kindes und damit auch der Auswahl seiner Materialien sind Achtung entgegenzubringen. Hier richtet sich ein junger Mensch in einer ihn umgebenden Gegenwart und in einer ihn erwartenden Zukunft ein. Dass auf Jungen und Mädchen jeweils spezielle Ansprüche warten, ist Reali tät, dass weibliche Schönheit großen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat, auch. Durch meine Untersuchungen habe ich gelernt zu relativie ren und zu objektivieren. Als Pädagogin möchte ich sagen, dass Barbie ja nur ein Phänomen unter vielen ist – wenn sie weiterhin so viel Ablehnung auslöst, sollte man bedenken, wie viel Macht wir einem kleinen geformten Stück Vinyl in die Hand geben und wie wenig wir an die relativierenden Kräfte im Kind glauben. Wir stellen mit der Auswahl von Spielmaterial Möglichkeiten in den pädagogischen Raum – was das Kind jedoch daraus macht, ist immer noch an seine subjektiven Kräfte gebunden. 56 Wie Pädagogik damit zurande kommt, dass einerseits das Phänomen Barbie existiert, andererseits für eine emanzi pierte, geschlechtssensible Entwicklung von Gesellschaft solches Spielmaterial kontraproduktiv erscheint, ist eine Grundproblematik in der Erziehung. Immer wenn Gesell schaft mit einer Erscheinung nicht zufrieden ist, ist Erzie hung angesagt. Verkehrserziehung gegen Verkehrstote, Ethikunterricht bei Werteverfall, der spielzeugfreie Kinder garten als Suchtprävention. Pädagogik ist jedoch kein Kräutergarten, wo gegen alles ein Pflänzchen gewachsen ist. Wenn Gesellschaft will, dass Kinder in eine gute Gesell schaft kommen, so sind alle aufgerufen, diese gute Gesell schaft zu sein! Literatur Literatur Ahrend Christine: Lehren der Straße. Über Kinderöffentlichkeiten und Zwischenräume. In: Ecarius Jutta, Löw Martina (Hginnen): Raumbildung – Bildungsräume. Über die Verräumlichung sozialer Prozesse. Opladen 1997, 197-212 Axster Lilly, Trabe Angelika: Berührungen – Körper – Sexualität. In: Schneider/Tanzberger 2001, 35-40 Balkanli Vildan, Doleschel Irmgard, Gruber Sonja: Jede Ecke will ich gehen – MigrantInnenkinder in der Freizeit. Hgin: Katholische Jungschar Österreichs. Wien 1996 Benard Cheryl, Schlaffer Edit: Wie aus Mädchen tolle Frauen werden. München 2000 Benard Cheryl, Schlaffer Edit, Plohovits Daniela: Verspielte Chancen? 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Stock Tel.: 01/4000-83515 www.frauen.wien.at Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur Abt. für geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gender Mainstreaming 1014 Wien, Minoritenplatz 5 Tel.: 01/53120-2820 www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/prinz/erziehung gleichstellung.xml Erziehung zur Gleichstellung von Männern und Frauen www.bmukk.gv.at/gleichstellung-schule Geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gleichstellung von Mädchen und Buben fun & care – Geschlechtssensibles Kindertagesheim 1150 Wien, Brunhildengasse 1A/1, Tür 3.1 Tel.: 01/786 50 88 Pädagogik, Fortbildungseinrichtungen EfEU – Verein zur Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle 1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 41 Tel.: 01/966 28 24 www.efeu.or.at Bibliothek, Beratung, Aus- und Fortbildung, Forschung, Evaluation, Publikationen ifp – Institut für Freizeitpädagogik 1080 Wien, Albertgasse 35/II Tel.: 01/40 66 555 www.wienxtra.at Fort- und Ausbildungen zu gendersensiblen Themen Männerberatung Wien 1100 Wien, Erlachgasse 95/5 Tel.: 01/603 28 28 www.maenner.at Verein Wiener Jugendzentren 1210 Wien, Prager Straße 20 Tel.: 01/278 76 45 www.jugendzentren.at Fortbildungen 64 Freizeit Geheimer Garten – Verein Zeitraum 1150 Wien, Reichsapfelgasse 31 Tel.: 01/895 72 65 www.zeitraum.co.at/aufsuchend/garten.html Öffnungszeiten exklusiv für Mädchen Mädchengarten 1110 Wien, Hauffgasse 26 Tel.: 0699/192 06 463 www.maedchengarten.at Verein Wiener Jugendzentren 1210 Wien, Prager Straße 20 Tel.: 01/278 76 45 www.jugendzentren.at diverse gendersensible Angebote für Mädchen und Buben wienXtra www.wienxtra.at Freizeit-Aktivitäten für Kinder und Jugendliche, Fortbil dungsmöglichkeiten für Erwachsene und ein breites Beratungs- und Bildungsservice für junge Menschen – mädchenspezifische Angebote Berufsorientierung SPRUNGBRETT Mädchen – Beruf – Zukunft 1150 Wien, Pilgerimgasse 22-24/1/1 Tel.: 01/789 45 45 www.sprungbrett.or.at Berufsorientierung für Mädchen ab 10 Jahren Gesundheit, Sexualität F.E.M. 1180 Wien, Bastiengasse 36-38 Tel.: 01/476 15-5771 www.fem.at/fem18/femhome.htm Beratung, Workshops für Mädchen zum Thema Sexualität, Körper, Essstörungen,...; Informationsabende für Erwach sene z.B. zu Essstörungen F.E.M. Süd – Frauengesundheitszentrum im Kaiser Franz Josef Spital Wien 1100 Wien, Kundratstraße 3 | Tel.: 01/601 91-5201 www.fem.at/femsued/suedhome.htm Muttersprachliche ärztliche, gynäkologische und psycholo Kontaktadressen gische Beratung für Mädchen und Frauen in den Sprachen Türkisch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch (ärztliche Bera tung auch in arabischer Sprache möglich). Vorträge zu den Themen Gesundheit, Körper,... Love talks Österreichisches Institut für Familienforschung 1010 Wien, Gonzagagasse 19/8 Tel. 01/535 14 54 http://lovetalks.org Workshops zum Thema Sexualität für Schulen und Kindergärten, Special LoveTalks für Menschen mit Behinderungen Tamar – Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und Frauen 1090 Wien, Wexstraße 22/3/1 Tel.: 01/334 04 37 www.tamar.at Beratung und Begleitung, Präventionsarbeit durch Infor mation und Fortbildungen Frauennotruf der Stadt Wien Tel.: 01/71 71 9 (rund um die Uhr!) www.wien.gv.at/ma57/notruf.htm M.E.N. Männergesundheitszentrum im Kaiser Franz Josef Spital 1100 Wien, Kundratstraße 3 Tel.: 01/601 91-5454 www.men-center.at Wiener Notruf – Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen 1172 Wien, Postfach 214 Tel.: 01/523 22 22 (rund um die Uhr!) www.frauenweb.at/notruf Workshops für Multiplikatorinnen zum Thema sexuelle Gewalt Sexueller Missbrauch Selbstverteidigung Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und Frauen 1060 Wien, Theobaldgasse 20/1/9 Tel.: 01/587 10 89 www.members.aon.at/maedchenberatung Angebote für Mädchen, für PädagogInnen, Supervision Defendo – Schutz vor Gewalt und Missbrauch 1040 Wien, Mittersteig 9/Top 1-2 Tel.: 01/587 09 92 www.defendo.at Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungstraining für Mädchen und Buben, Mutter-Tochter-Kurse, Ausbildung zur Defendo-Trainerin, Vorträge Selbstlaut – Verein zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch 1090 Wien, Berggasse 32/4 Tel.: 01/810 90 31 http://members.telering.at/selbstlaut/ Präventionsarbeit mit Kindern, Beratung, Praxis- und Pro jektbegleitung, Elternabende, LehrerInnen-Konferenzen, Hilfe und Unterstützung bei Verdacht/Aufdeckung von sexuellem Missbrauch, Supervision, Seminare, Bibliothek Ninlil – Verein wider die sexuelle Gewalt gegen Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden 1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 41 Tel.: 01/714 39 39 www.ninlil.at Persönliche und telefonische Einzelberatungen, themen spezifische Teamberatungen bzw. Fallsupervisionen und Seminare Drehungen 1052 Wien, Postfach 1313 www.verein-drehungen.at Kurse zum Thema „Körperbewusstsein – Selbstbewusst sein – Selbstbehauptung“ für Mädchen und Frauen Frau in Bewegung c/o Hanja Dirnbacher Tel.: 01/729 69 13 www.drehungen.at Kurse für Mädchen und Frauen, Mutter-Tochter-Kurse, Ausbildung zur Trainerin für Drehungen power4me – Prävention und Selbstverteidigung 1190 Wien, Probusgasse 3 Tel.: 0699/144 44 044 www.power4me.at Klassenworkshops (zum Teil geschlechtsgetrennt), Mäd chen- und Bubenworkshops, Mutter-Tochter-Kurse 65 Kontaktadressen SEITO BOEI – Arbeitsgemeinschaft für Frauennotwehrtechnik Tel.: 0699/114 38 076 www.seitoboei.at Mädchenkurse, Ausbildungen Wen Do Wien Feministische Selbstverteidigung von Frauen für Frauen und Mädchen Autonomes Frauen/Lesbenzentrum 1090 Wien, Währingerstraße 59/6 Tel.: 01/408 50 57 Mädchenkurse Zusätzlich bieten diverse Volkshochschulen Selbstverteidi gungskurse für Mädchen/Buben bzw. Frauen an. Beim Bildungstelefon nachfragen (Tel.: 01/893 00 83) bzw. im Internet unter http://vwv.at/Kurssuche.do?menuId=kurse-kurssuche suchen. MigrantInnen F.E.M. Süd – Frauengesundheitszentrum im Kaiser Franz Josef Spital Wien 1100 Wien, Kundratstraße 3 Tel.: 01/60191-5201 www.fem.at/femsued/suedhome.htm Muttersprachliche ärztliche, gynäkologische und psycholo gische Beratung für Mädchen und Frauen in den Sprachen Türkisch, Bosnisch, Serbisch, Kroatisch (ärztliche Bera tung auch in arabischer Sprache möglich). Vorträge zu den Themen Gesundheit, Körper,... Miteinander lernen – BIRLIKTE ÖGRENELIM 1160 Wien, Koppstraße 38/8 Tel.: 01/493 16 08 www.miteinlernen.at Beratung, Bildung und Psychotherapie für Frauen, Kinder und Familien mit dem Schwerpunkt MigrantInnen aus der Türkei Peregrina 1090 Wien, Währingerstraße 59/Stiege 6/1 Tel.: 01/408 61 19 www.peregrina.at Beratungs-, Therapie- und Bildungszentrum für Immigran tinnen jeglicher Herkunft, auch muttersprachliche Beratung 66 Bücher Buchhandlung Frauenzimmer 1070 Wien, Zieglergasse 28 Tel.: 01/522 48 92 www.frauenzimmer.at Literatur u.a. zu geschlechtssensiblen Themen in Schule, Kindergarten, außerschulischer Arbeit, zu (sexueller) Gewalt, Präventions-, Unterrichtsmaterialien, Kinderbücher Stichwort – Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung Bibliothek . Dokumentation . Multimedia 1150 Wien, Diefenbachgasse 38/1 Tel.: 01/812 98 86 www.stichwort.or.at Archiv und Bibliothek mit Online-Recherchemöglichkeit, Vorträge Links Links Geschlechtssensible Pädagogik www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/prinz/erziehung_gleichstellung.xml Infos des bmukk zum Thema „Erziehung zur Gleichstellung von Männern und Frauen“ www.bmukk.gv.at/gleichstellung-schule Infos des bmukk zum Thema „Geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gleichstellung von Mädchen und Buben“ www.maedchen-jungen.de/geschlecht/index.html Anregungen, Ideen und Vorschläge zum Thema Mädchen & Jungen für die Arbeit im Kindergarten www.genderundschule.de Website von der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte, Niedersachsen mit vielen Informationen und praktischen Beispielen (Mädchen-, Bubenarbeit,...) www.wechselspiel-online.de Infos zu geschlechtsbewusster Pädagogik www.das-labyrinth.at/ilse/ilsestart.htm Homepage von Ilse M. Seifried mit vielen Buchbesprechungen, Infos zu Gender Mainstreaming, geschlechtssensibler Päd agogik,... www.engelszungen.at Homepage von Gerda Sengstbratl mit Infos zu „roten Festen“ u.a. www.lrsocialresearch.at/content.php?pg=archiv&aid=473&lng=de Informationen zum Thema Gender Mainstreaming Feste, Feiern, Bräuche www.weihnachtsstadt.de/brauchtum/allgemein/Barbara_Tag.htm www.petruscanisius.de/Bokeloh/B_Patron_Barbara.htm Hl. Barbara www.weihnachtsstadt.de/brauchtum/allgemein/Santa_Lucia.htm Luzia www.nordzeit.de/weiwei.htm Infos zu Weihnachten (Percht, Luzia,...) http://members.chello.at/hhofer/advent-weihnachten-international.htm Geschichten, Bräuche, Rezepte zu Weihnachten in anderen Ländern www.frauensagen.at.tf/ Sagen und Geschichten für Frauen und Mädchen www.frauenwissen.at/ Göttinnen, Magie und Rituale 67 Links Arbeitswelt www.jobs4girls.at/003/FrauenInJobs 200 berufstätige Frauen, aus unterschiedlichsten Bereichen, mit ganz verschiedenen Ausbildungswegen erzählen von ihrem Berufsleben www.mut.co.at Maßnahmen zur Technikförderung und zur Erweiterung des Berufswahlspektrums von Mädchen www.zzzebra.de/index.asp?themaid=386 dieser Teil der Website www.zzzebra.de richtet sich an Mädchen und stellt u.a. berühmte Mathematikerinnen, Physikerinnen, Biologinnen, Medizinerinnen vor Historisches/Biographisches www.bmukk.gv.at/schulen/bw/ueberblick/frauenzeittafel.xml historische Daten zur Frauen- und Mädchenbildung in Österreich www.renner-institut.at/frauenakademie/index.html Informationen zu Frauen/Frauenpolitik in Österreich http://www.onb.ac.at/ariadne/ueber_ariadne.htm Informationen zur österreichischen Frauengeschichte, zu Persönlichkeiten, Frauenvereinen, Mädchenschulen/Frauenbil dungseinrichtungen, Frauenzeitschriften,... www.renner-institut.at/frauenakademie/frauentag/frauentag.htm www.meinhard.privat.t-online.de/frauen/frauentag.html www.frauennews.de/themen/taggesch.htm Informationen zum Internationalen Frauentag www.fembio.org Institut für Frauen-Biographieforschung initiiert von Luise F. Pusch. Bietet unter anderem Datensätze zu berühmten Frauen. Sonstiges www.wien.gv.at/ma57/sprache/index.html http://frauensprache.com/ www.bmukk.gv.at/medienpool/7108/PDFzuPubl0403.pdf Infos zu geschlechtergerechter Sprache www.plattformgegendiegewalt.at/02_de/projects.asp?sort=Nam Sammlung von Organisationen/Personen, die in den einzelnen Bundesländern Österreichs geschlechtssensible Gewaltprä ventionsprojekte anbieten www.ffl.at Homepage des Frauenforums Leibeserziehung, Infos zur Schriftenreihe „Mädchen im Turnsaal“ Impressum: Medieninhaberin und Herausgeberin: Frauenabteilung der Stadt Wien (MA 57), Friedrich-Schmidt-Platz 3, A-1082 Wien Inhalt: Claudia Schneider I Redaktion: Monika Steinböck (aktuelle Auflage) I Grafik: atelier olschinsky 3. Auflage I Wien, Oktober 2011 68