Verpflegung und Religionsgrundsätze
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Verpflegung und Religionsgrundsätze
Verpflegung und Religionsgrundsätze Prof. Dr. Elisabeth Leicht-Eckardt (Dipl.oec.troph. (FH) Johanna E. Giesenkamp) Hannover, Altenpflegemesse, 09.03.2016 WABE-Zentrum Klaus-Bahlsen-Haus der Hochschule Osnabrück www.wabe-zentrum.de WABE: Waldhof - Aktion – Bildung - Erleben Eröffnung 2004: Barrierefreies Zentrum für Verbraucherinformation und Ernährung, nachhaltige Lebensmittelproduktion und Nacherntetechnologie Anbau 2011: Erweiterung mit neu konzipierter Technik der Ressourcenerfassung Finanziert durch Hochschule Osnabrück Religionsadäquate Verpflegung – Projekthintergrund Hochschule Osnabrück Institutionen im Projektbeirat • • • • • • Präsidium Anschubfinanzierung Forschung Pluralität der Studierenden Nachhaltigkeit Gesellschaftliches Engagement Regionale Wirkung • apetito AG: Qualitätsmanagement, Marketing Kita, Schule, Betrieb • Arbeitskreis der Religionen in Osnabrück • Bistum Osnabrück • Deutsche Gesellschaft für Ernährung • Institut für Islamische Religionspädagogik; ZIIS – Zentrum für Interkulturelle Islamstudien an der Universität Osnabrück • Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, K.d.ö.R. • Schura Niedersachsen (Landesverband der Muslime in Niedersachsen, e. V.) • Serviceagentur „ganztägig lernen Niedersachsen“ bis Sommer 2012 • Universität Osnabrück, Institut für Ev. Theologie Inklusion / 1 Lateinisch: includere (Aktion Mensch 2012) Uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen ohne Einschränkung durch ihre ethische Herkunft, des sozialen Status‘ oder der individuellen Begabung Inklusion / 2 Pädagogische Inklusion Konzentriert sich auf die Gestaltung von Unterricht und Lernprozessen für die Begabungsvielfalt aller Kinder und Jugendlichen (1) Soziale Inklusion Ist dann verwirklicht, wenn jeder Mensch in seiner Individualität von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, in vollem Umfang an ihr teilzuhaben oder teilzunehmen (2) 1) Leicht-Eckardt, E., Nachtwey, T.: Inklusion durch Schulverpflegung In: Jahrbuch Ganztagsschule 2014: Inklusion. Der pädagogische Umgang mit Heterogenität, Schwalbach 2013, S. 43 - 55 2) Pichler, G.: Inklusion und Integration im Alltag, unveröff. Vortragsmanuskript , Wallenhorst 2012 Inklusion /3 Inklusion bedeutet Denken – Planen – Umsetzen - Prüfen - Räumlich - Technisch - Organisatorisch Kommunikation für die Betroffenen - Zugang zu Gebäuden und Räumen inkl. Sanitärbereich - Abläufe im Alltag – ggf. vor und hinter den Kulissen! - Zuverlässigkeit und Vertrauen – z.B. bzgl. Verpflegung! Religionszugehörigkeit Christentum Evangelische Kirche Evangelische Freikirchen Summe (evangelisch) Katholische Kirche Orthodoxe Kirchen sonstige christliche Kirchen Summe Christentum Islam min. max. absolut 23.896.089 330.274 24.226.363 24.651.001 1.268.500 33.274 49.815.590 prozentual Quelle EKD 2012 29,63% 30,15% DBK 2010/11 1,55% EKD 2012 0,04% EKD 2012 60,94% BAMF 2009 S. 81 3.780.599 4.342.716 4,62% 5,31% Buddhismus 270.000 0,33% REMID 2012 Judentum Juden laut Zentralwohlfartsstelle ohne Gemeindezugehörigkeit Union progressiver Juden Summe Judentum 102.797 90.000 5.000 197.797 0,13% ZWST 2011 0,11% REMID 2012 0,01% REMID 2012 0,24% Hinduismus Schätzungen min. Schätzungen max. Konfessionslos oder zugehörig zu weiteren Glaubensgemeinschaften min. max. REMID 2012 91.500 102.500 0,11% 0,13% Berechnung 27.023.397 27.866.514 33,06% 34,09% Statistisches Bundesamt Statistisch erfasste Religionszugehörigkeit in Deutschland Diese Zahlen ändern sich aktuell !!! Verpflegung / 1 Ernährung: Verzehr von Speisen und Getränken Verpflegung: Zur Verfügung stellen von Speisen und Getränken und deren Ausgabe (Voll-, Teilverpflegung) Speisenproduktion Vor-, Zu- und Nachbereitung oder Aufbereitung von Lebensmitteln oder Speisen/Getränken Convenienceprodukte z.B. Getränke- und Snackautomaten, Aufbereitung von Warmverpflegung und/oder (Tief-)Kühlprodukten Verpflegung / 2 Herstellung, Vermarktung, Verpackung, Logistik Arbeitskraft Reinigung, Arbeits- und Betriebsmittel, Vorund Nachbereitung Beschaffung, Transport, Lagerung Zubereitung, Energieverbrauch, Wasserverbrauch, Zeit Verpflegung /3 Hygiene Betrieb: Betriebsstätten, Gegenstände, Ausrüstungen Produkte: Warenfluss, Lagerung, Schädlingsbekämpfung, Verpackung Personal: Persönliche Sauberkeit, Kleidung, Schuhe, Krankheiten Rechtlich, vor allem hygienisch, einwandfrei DGE Qualitätsstandard • Essen und Trinken • Quantitativ und qualitativ angemessen • Mindestens 20 Tages-Speisenpläne • Ernährungsphysiologisch ausgewogen • Sensorisch ansprechend (Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz) • Abwechslungsreich • Nachhaltig: Ökologisch, wirtschaftlich, sozial, gesund Verpflegung /4 • • • • • • • Bewirtschaftungs-, Verpflegungs-, Küchen-, Warenwirtschafts-, Bestell-, Ausgabe-, Abrechnungssystem Verpflegung /5 erfordert • Bewusstsein (Ernährung, Verpflegung, Nachhaltigkeit) • Zielsetzung (Politik, Beteiligte, Kosten, Qualität, Umwelt, Gesundheit) • Rahmenbedingungen (Raum, Technik, Zeit, Kosten) • Handlungskompetenz (Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten) • Abstimmung aller Beteiligten! Verpflegung / 6 umfasst Management von • Beschaffung: Herkunft und Qualitätssicherung von Lebensmitteln und Getränken (z.B. Ökologischer Landbau, Regionale Erzeuger, Saison, Sensorik, Ernährungsphysiologie) entsprechend der Speisen‐ und Getränkeplanung • Arbeitsprozessen: Personal, Zeit, Bedingungen… • Technikeinsatz: Ressourcenoptimierung, z.B. Auswahl von Geräten und Verfahren, Reinigung… • Entsorgung (Resteverwertung; Wertstoffe…) Gesicherte Angebots-, Prozess -, Ergebnisqualität Ökonomisch - ökologisch – sozial - gesund Erwartungen an Verpflegung Kundengruppe MitarbeiterInnen Externe Geschmack Arbeitsrecht Angehörige Gewohnheit Zeitdruck Aufsicht Auswahl Kostendruck Geldgeber Sicherheit Gruppendruck Dienstleister Berufs(gruppen)spezifische Anforderungen Institutionenspezifische Vorgaben Preis-Leistung Versorgung Betreuung Verpflegungsvorschriften Vorgestellte Religionen • Christentum • Islam • Judentum • Buddhismus • Hinduismus Christentum - Verpflegungsvorschriften • Fastenzeiten – unterschiedlich umgesetzt • Heute: Fasten vor Ostern Tradition: Freitags Fisch • Früher weitere Fastenzeiten (v. a. Advent) • Fastenzeiten von vielen Christen nicht mehr eingehalten • Grundsätzlich keine verbotenen Lebensmittel • Früher vereinzelt Ausnahmen, z. B. Pferdefleisch Islam - Verpflegungsvorschriften • Halal = erlaubt, zulässig (auch helal) • Haram = verboten • Dazwischen Grauzone des Verpönten: Makruh Nicht verboten, Vermeiden wird jedoch belohnt In der Praxis genauso gehandhabt wie haram • Grundsatz: Alles erlaubt - mit Ausnahme von Verbotenem • Betonung auf dem gesundheitlich Zuträglichen Islam - erlaubte Fleischprodukte Fleischverzehr erlaubt, wenn von erlaubtem Tier • • • • Rind Geflügel Schaf Ziege Erlaubtes muss auf geeignete Weise geschlachtet sein Nicht erlaubt: z. B. Schweinefleisch, einige Raubvögel Verzehr von Blut Fleisch – Schlachtvorschriften im Islam • Rituelles Schlachten nach muslimischen Vorschriften: Schächten (Dhabh) Tierschutzgesetz verbietet Schlachten ohne Betäubung (§4a, Absatz 1) Ausnahmegenehmigung laut Gesetz möglich, aber selten erteilt Teils Elektrokurzzeitbetäubung durch Muslime akzeptiert • Durch Christen und Juden Geschlachtetes teils akzeptiert • Heute i.d.R. nicht nachvollziehbar für Gläubige, wer geschlachtet hat, deshalb problematisch Zertifikate Islam – sonstige Lebensmittel • Lebensmittel vom lebenden Tier erlaubt, wenn von einem für den Verzehr erlaubten Tier, z. B. Hühnereier, Kuhmilch • Pflanzliche Lebensmittel grundsätzlich erlaubt (Ausnahme berauschende Substanzen) Orangensaft ja Alkoholfreies Bier meist nicht • Milch erlaubt • Milchprodukte nicht immer, evtl. problematische Zutaten: Gelatine, Enzyme, Alkoholische Bestandteile, z.B. in Aromen •„Technische Hilfsstoffe“, nicht auf Zutatenliste Islam - verarbeitete Lebensmittel (Halb-) Fertigprodukte • Wie Milchprodukte, zusätzlich: • Tierische Fette (meist nicht halal) • Einige Zutaten können auf verschiedene Art produziert werden, so dass sie halal oder haram sein können Zertifikate Halal - Informationen • Bücher Evtl. an Gemeinde wenden • Apps • Internetseiten Islam adäquate Verpflegung • Beschaffung, Lagerung, Vor- und Zubereitung gemäß Halal-Vorschriften • Kein Blut in Fleischspeisen • Verzicht auf nicht erlaubte Zutaten, auch in Spuren z. B. Alkohol in Aromen, Speisegelatine • „Kontamination“: Kontakt mit nicht geeigneten Speisen vermeiden, gilt auch für Reinigungsmittel etc. und Lieferanten • Ramadan: geringerer Bedarf - Fastenzeit Judentum und Verpflegungsvorschriften Jüdische Speisegesetze = Kaschrut (Kaschrut: wörtlich = rituelle Tauglichkeit/Eignung) Koscher – erlaubt, geeignet, rein Trefe – nicht zum Verzehr geeignet bzw. erlaubt Judentum Milch und Fleisch Trennung von Lebensmitteln: • Speisen mit Milchprodukten = milchig • Speisen mit Fleischprodukten = fleischig • „Neutrale“ Speisen (weder Milch noch Fleisch) = parve, z. B. Gemüse, Eier, Fisch Speisen müssen von Juden oder unter jüdischer Beteiligung hergestellt werden. z.B. aus Trauben gewonnenen Produkte nur aus jüdischer Produktion erlaubt Weinessig Judentum - Blutverbot Verboten ist der Verzehr von Blut • jüdisches Schlachten = Schechita (Schächten) • Gilt für Geflügel und Fleisch • Fisch kann auch so verzehrt werden (Blutverbot gilt hier nicht) Das Blutverbot rührt daher, dass das Blut als Sitz der Seele angesehen wird, diese soll unversehrt bleiben Auswirkungen auf Geschirr und „Geschmack“ Judentum – erlaubte Fleischprodukte Erlaubt sind • Säugetiere, die wiederkäuen und gespaltene Hufe haben - Folglich erlaubt: Rehwild, Rind, Schaf und Ziege - Nicht erlaubt: Schweinefleisch und Nebenprodukte des Schweins (kein Wiederkäuer) • Wassertiere mit Flossen und Schuppen - Geeignet z. B. Forelle, Lachs, Tunfisch Nicht geeignet z. B. Tintenfisch, Shrimps, Aal Judentum – erlaubte/verbotene (Fleisch)produkte - Geflügel • Vögel meist koscher • Es werden 21 unkoschere Vogelarten in der Thora angegeben, die meisten werden üblicherweise hier nicht verzehrt • Relevant höchstens Straußenfleisch –verboten Erlaubt: Von erlaubten Tieren gewonnene Produkte (z. B. Hühnerei) Judentum – adäquate Verpflegung Wie bei Halal-Verpflegung, jedoch zusätzlich Koscherliste • Kochen unter jüdischer Beteiligung • Kochen in koscherer Küche Rituelle Reinigung vor erster Benutzung Danach nur noch koschere Speisen • Buch • www.ordonline.de Die Waren haben nicht immer ein Siegel! • Strikte Trennung von milchig, fleischig, parvedig Besondere Regeln zu Pessach - betrifft v. a. Getreide Buddhismus und Verpflegungsvorschriften • Speisevorschriften nicht so eindeutig wie z. B. im Islam • Unterscheidung Ordensmitglieder / Laien • Laiengebote bzw. Tugendregeln (ab 12 Jahren), z.B. • Keine Lebewesen töten • Nicht stehlen • Nicht lügen • Keinerlei Rauschmittel genießen • Fleischverzehr oft abgelehnt, aber nicht immer (Tötungsverbot – „Ahimsa“) • Alkohol meist gemieden Buddhismus - Fleischverzehr • Nonnen und Mönche leben z.T. von erbettelter Nahrung. Fleisch, Fisch nicht durch Buddha verboten, damit Gastgeber nicht brüskiert werden • Fleisch muss 3-fach rein sein: Mönch/Nonne darf nicht gesehen, gehört, den begründeten Verdacht haben, dass eigens für ihn/sie das Tier geschlachtet wurde Verboten • Elefanten- und Pferdefleisch dem König vorbehalten • Hundefleisch besonders unrein • z.T. Schweinefleisch • Schlangen- und Raubtierfleisch Buddhismus – vegetarische Speisen • z. T. nicht verzehrte Speisen • Zwiebelgewächse • Eier • Einige buddhistische Schulen vertreten strikten Vegetarismus, andere nicht (z. B. Buddhisten in Tibet) • Viele westliche Buddhisten sind strenge Vegetarier • Weitere Regeln für Ordensmitglieder Buddhismus – adäquate Verpflegung • Vegetarisches Angebot meist für alle Buddhisten akzeptabel • Kennzeichnung von Zwiebelgewächsen und Eiern in Speisen empfohlen, da einige Buddhisten sie meiden • Empfehlung: Fleischspeisen für Fleisch verzehrende Buddhisten kennzeichnen • Reinigungsmittel ohne Bestandteile auf Basis von tierischen Fetten sinnvoll Hinduismus und Verpflegungsvorschriften • Speisevorschriften nicht eindeutig festgelegt • Großer Unterschied zu übrigen Religionen: Speisevorschriften nicht für alle Gläubigen gleich • Unterschiede durch Zugehörigkeit zum Kastensystem, Alter, Geschlecht • Zusätzliche Auswirkungen z. B. durch Stellung innerhalb der Familie etc. Hinduismus – Kasten /1 Vegetarisch Schweinefleisch, wenn nötig Eigene Darstellung basierend auf Angaben von BLUMHAGEN 2011, S. 31f. und SKODA 2007 Hinduismus – Kasten /2 • Rituelle Reinheit der Person steigt mit Stufe im Kastensystem • Verunreinigung durch Kontakt mit Personen auf niedrigeren Stufen möglich • Unreinheit über das Essen übertragbar • Köche meist Brahmanen • Unterschiede je nach Art der Speisen, z.B. Rohe Speisen Speisen mit Milchprodukten Gekochte Speisen Hinduismus – Besonderheiten • Teilweise Ablehnung von Pilzen, Zwiebelgewächsen, selten auch Rüben • Besondere Rolle von Milchprodukten • Bei Butterfett/Ghee Widerspruch zu DGE-Empfehlungen • Teils zusätzlich Ayurveda-Regeln In der Gemeinschaftsverpflegung so nicht umsetzbar Hinduismus – adäquate Verpflegung • Fleischspeisen für Fleisch verzehrende Hindus kennzeichnen • Gerichte z. B. ohne Zwiebeln zubereiten • Lebensmittel getrennt zubereiten, so dass z. B. Zwiebeln extra gereicht werden • Anspruch der Zubereitung von Speisen durch Brahmanen nicht umsetzbar Fazit: Religionsadäquate Verpflegung /1 • Die Speisevorschriften der verschiedenen Religionen sind Fazit /1 vereinbar grundsätzlich • Wenn alle die gleiche Mahlzeit essen sollen: Speisenplan mit vegetarischer Menülinie • Bei mehreren Linien wenig Probleme, v.a. bei Komponentenwahl • Umsetzung bedeutet Aufwand, der in der Gemeinschaftsverpflegung (noch) nicht immer notwendig und leistbar ist • Tatsächlichen Bedarf für inklusives Angebot klären • Kommunikation über Bedürfnisse nötig Fazit Fazit:/2Religionsadäquate Verpflegung /2 • Empfehlenswert: • „Hauptküche“ – alle Regeln beachten • Spezialbereiche für Lebensmittel, die nicht für alle akzeptabel sind • Probleme u.U. bei Sonderkostformen • Nach Rücksprache oft Kompromisse möglich Erleichterung der Umsetzung vor Ort • Transparenz über Vorgehen entscheidend für Akzeptanz