Februar 2005 (Eltern) - Elisabeth Hussendörfer

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Februar 2005 (Eltern) - Elisabeth Hussendörfer
1 DIEGROSSEFREIHEIT: Familie Hussendörfer
auf dem Campingplatz bei Goldsithney
2 VERFÜHREN ZUM SHOPPING: die hübschen
Schaufenster im Städtchen Fowey
3 INSEL IN SICHT: Auf dem Eiland vor
Cornwalls Küste steht St. Michael's Mount
4 STEINALT: St. Michael's Mount, eine Burg
mit fast 1000-jähriger Geschichte
5 BEHELFS-WICKELTISCH: Der Absatz vor der
Dusche eignet sich gut zum Windelwechseln
6 ENGLISCHE RIVIERA: Am Strand von St. Ives
reiht sich ein Liegestuhl an den anderen
7 SO WEIT DIE FÜSSE TRAGEN: Im Dartmoor
gibt es Wanderwege in alle Richtungen
8 VIKTORIAS WELT: 365 Hektar Parkanlagen
umgeben Lanhydrock in Cornwall
9 SCHÖNER WOHNEN: Blühende
Kletterpflanzen schmücken viele Häuser
10 ENTDECKERGEIST: Emilia, 9 Monate,
erkundet auf allen vieren das Dartmoor
130 ELTERN 2|2005
TEXT: ELISABETH HUSSENDÖRFER FOTOS: WERNER GRITZBACH ILLUSTRATIONEN: ERIC GIRIAT
Mit Baby durch
Südengland
Obwohl einiges dagegen sprach, gingen Emilias Eltern auf Tour.
Mit dem Wohnmobil quer durch die Graftschaften Kent, Devon, Cornwall
Und Salisbury. Und räumten so mit einigen Vorurteilen auf
URLAUB
Familie & Freizeit
1 SÜSSE SÜNDE: Zum Cream Tea
gehören Scones, die mit dickcremiger Sahne und Erdbeermarmelade bestrichen werden
2 REISELUSTIG: Emilia war auf der
Tour durch Südengland
nicht einen Tag quengelig
3 SPEKTAKULÄR: die Felsenküste
bei Gorran Haven
4 EIN PLATZ AN DER SONNE: Rast auf
der Hafenmauer in St. Ives
5 HAUS MIT HUT: Dicke Strohdächer
schmücken auch heute
noch viele englische Cottages
6 PICKNICK FÜR ANFÄNGER: Im
Dartmoor bekommt Emilia
zwischendurch Brei zur Stärkung
132 ELTERN 2|2005
1 IT'S TEA-TIME - und
Mama will Emilia nicht
probieren lassen!
2 ZU SCHÖN ZUM VERLAUFEN: das Labyrinth
im Glendurgan
Garden bei Falmouth
N
ach Südengland? Mit dem Wohnmobil und einem neun
Monate alten Baby, das gerade anfängt zu krabbeln? Freunde und Verwandte schüttelten den Kopf, als sie von unseren Reiseplänen erfuhren. Von „strapaziöser Anreise" über „Wucherpreise" bis „ungeeignet mit Kleinkind" reichten ihre Einwände.
Fast hätten wir uns umstimmen lassen. Doch da waren diese
Bilder, die uns einfach nicht losließen: die sattgrünen Wiesen
und dramatischen Steilküsten in den Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen. Die mystischen Moorlandschaften im Sherlock-Holmes-Kriminalfilm „Der Hund von Baskerville". Die entzückenden Teestuben im Laura- Ashley-Stil. So beschlossen Tom und ich
zu fahren. Und erlebten mit unserer kleinen Tochter zwei unvergessliche Ferienwochen auf der britischen Insel. Ein guter
Grund, hier mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen:
VORURTEIL 1: Die lange A u t o f a h r t ist
für ein Kleinkind zu strapaziös
Zugegeben: Dieser Punkt bereitete uns vor der Abreise viel
Kopfzerbrechen. Denn beim Austüfteln unserer Wunschroute von
unserem Wohnort in Schwaben bis nach Land's End, dem westlichsten Punkt Großbritanniens, und wieder zurück waren wir
auf rund 3000 Kilometer gekommen. Für uns Erwachsene kein
Problem. Wohl aber für Emilia, die es gar nicht mag, stundenlang im Autokindersitz festgeschnallt zu sein.
Die Lösung kam in Form eines Rückhaltesystems für Kinderwagenaufsätze (Infos unter www.stahl-gurte.de): So konnte Emilia im Kinderwagenoberteil, das wir auf der Rückbank des Campers anschnallten, selig schlummern, während wir Strecke machten.
Schon am ersten Tag bewährte sich das „Reisebett". Wir starteten nach dem Essen, unsere Maus schlief tief und zufrieden.
Begleitet von Robbie-Williams-Songs steuerten wir die französische Atlantikküste an. Wir wollten den Ärmelkanal im Eurotunnel überqueren. Das ist zwar etwas teurer als die Überfahrt
mit der Fähre. Doch der Mehrpreis lohnt sich: Der Zugtransfer
von Calais nach Folkestone geht rasend schnell. Nach 35 dunklen Minuten erblickten wir bereits wieder Tageslicht. Da waren
sie, die sattgrünen Hügel!
VORURTEIL 2: England ist nichts für Feinschmecker
„Wer in England gut essen will, muss dreimal am Tag frühstücken", befand der britische Schriftsteller William Somerset Maugham. Seine Anspielung auf die angeblich mäßige Küche im Königreich konnten wir (leider?) nicht überprüfen. Erstens hatten wir
unseren eigenen Herd und unsere eigenen Töpfe dabei. Zweitens
kocht Tom leidenschaftlich gern. Und drittens sind Restaurantbesuche mit einem Krabbelkind für Eltern nicht wirklich ein Genuss.
Trotzdem, eine Leckerei hat die englische Küche unserer Meinung nach auf jeden Fall zu bieten: Cream Tea. Wir tranken ihn
zum ersten Mal im mittelalterlichen Küstenstädtchen Lyme Regis,
im weitläufigen Garten des Hotels Alexandra. Anfangs waren wir
skeptisch. Sahnetee? Ein neugieriger Blick zu den Nachbartischen
ließ unsere Zweifel jedoch schnell verschwinden. Die dickcremige
Sahne kommt nämlich nicht in den Tee, sondern wird zusammen
mit Marmelade auf Scones, kleine runde Kuchen, gestrichen.
Von da an gönnten wir uns nachmittags öfters Cream Tea. Besonders großen Spaß machte uns die Teezeremonie in stilvollen
Landhotels. Mal saßen wir da auf antiken Sesseln im Kaminzimmer, mal in geblümten Teestuben a la Laura-Ashley, mal auf mit
Rosen umsäumten Terrassen mit Blick auf paradiesische Parks.
VORURTEIL 3: England ist landschaftlich eintönig
Von wegen nur Hecken und Steinmauern, die sich wie endlose Schnüre über die Felder ziehen! Klar, die gibt es auch. Zum Beispiel im Westzipfel von Südengland, Richtung Lands End. Kern,
die erste Grafschaft, durch die wir fuhren, überraschte uns jedoch
mit wunderschönen Gärten und einer spektakulären Steilküste.
Unmöglich, sich nur mit einem kurzen Blick auf die fast 170 Meter hohen weißen Klippen am Beachy Head bei Eastbourne zufrieden zu geben. Also parkten wir unser Wohnmobil, zogen die
Wanderstiefel an, nahmen Emilia huckepack und marschierten los.
Ähnlich eindrucksvoll auch der Dartmoor Nationalpark in Devon, eine mit Granitfelsen, Megalithen und Steinkreisen übersäte
Gegend. Emilias Augen strahlten, als wir mit ihr diese mystische
Moor- und Heidelandschaft durchstreiften, in der sich nicht Fuchs
und Hase, sondern Wildponys und Schafe gute Nacht sagen.
Ab Plymouth hatten wir dann das Gefühl, Urlaub in Südfrankreich zu machen. Dank des nahen Golfstroms wachsen in
Cornwall Rhododendren, Ginster, Eukalyptus und Palmen. Dazu
gibt es belebte Seebäder aus viktorianischer Zeit und Strände mit
goldgelbem Sand. Klar, dass wir da einem faulen Bade- und Buddeltag nicht widerstehen konnten. Zum Glück haben wir ein paar
Beweisfotos geschossen. Sonst hätte uns zu Hause niemand geglaubt, dass es hier teilweise wie an der Cote d'Azur aussieht.
VORURTEIL 4: Von einer Wohnmobiltour
haben Babys noch nichts
Zweifellos wäre Emilia auch glücklich gewesen, wenn wir uns
irgendwo am Meer ein Ferienhaus gemietet hätten. Andererseits
machten wir die Erfahrung, dass man gerade mit Baby im Wohnmobil gut verreisen kann. Besser jedenfalls als mit einem dreijährigen Kind. In Emilias Alter sind Kinder nämlich noch recht
anspruchslos. Sie brauchen weder Pool noch Abenteuerspielplatz
noch gleichaltrige Spielkameraden. Es macht ihnen deshalb auch
nichts aus, ständig den Ort zu wechseln. Solange Mama und Papa immer in der Nähe sind und das Quartier immer gleich bleibt,
ist alles gut. Emilia jedenfalls war auf unserer Rundreise nicht einen Tag quengelig. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass wir darauf achteten, dass sich unser Nomadenleben schnell auf den gewohnten Tagesrhythmus von zu Hause einpendelte.
VORURTEIL 5: England ist ein teures Reiseland
In der Tat sind die Preise oft happig (bedingt auch durch den
hohen Pfundkurs). So kostete der Eintritt in die berühmten römischen Bäder in Bath zum Beispiel umgerechnet 13 Euro (pro *•
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URLAUB
Familie & Freizeit
Person!), in die wunderschöne gotische Kathedrale von Salisbury sechs Euro. Dafür gaben wir für Essen nicht sehr viel Geld
aus. Denn dank des großzügigen Stauraums in unserem Camper hatten wir nicht nur ausreichend Gläschen für Emilia, sondern auch viele andere haltbare Lebensmittel dabei. Vor Ort kauften wir lediglich frisches Obst und Gemüse, je nach Lust auch
mal Fisch oder Fleisch.
Geschont haben wir unsere Ferienkasse außerdem bei den
Übernachtungen. Zum einen, weil wir - auf drei Monate befristet — Mitglied im englischen Camping- und Caravaningclub geworden sind (das spart Stellplatzgebühr!). Zum
anderen, weil wir des öfteren auf Bauernhöfen gecampt haben. Wie zum Beispiel in der Nähe von Trowbridge. „Farm
Camping" ist zwar nicht so komfortabel, dafür idyllischer als
die großen Campingplätze - und nur halb so teuer.
VORURTEIL 6: In England ist das Wetter oft schlecht
Das mag für den Rest von Großbritannien gelten, nicht
aber für Südengland. Auf unserer Rundreise sind wir nur einmal nass geworden - am vorletzten Tag. Ansonsten war es heiter bis stark bewölkt.
Briten sehen das Wetter sowieso mit anderen Augen. Diese Erfahrung machten wir an einem trüben Tag im Longleat
House, einem Prachtschloss aus dem 16. Jahrhundert bei
Warminster. Als wir bei unserem Rundgang durch die mit
wertvollen Kunstschätzen gefüllten Zimmer einen Blick hinaus in den Park warfen, stellte sich plötzlich jemand neben
uns, deutete zum Himmel und fragte: „Isn't it a lovely day?"
Da sahen auch wir ihn, den kleinen Fleck Blau im Grau.
War das nun englischer Humor? Oder jene viel zitierte landestypische Demut dem Wetter gegenüber? Egal. Der Mann
hatte Recht. Es war ein schöner Tag. Einer von insgesamt zwölf
schönen Ferientagen im Königreich.
1 VORSICHT, WILDWECHSEL! Im
Dartmoor grasen Ponys frei
2 STRANDLÄUFER: Elisabeth
Hussendörfer mit Familie in der
Bucht von Gorran Haven
3 MALERISCH: die Gassen in der
Künstlerstadt St. Ives
INFOS U N D PREISE
Die Autorin war mit dem Modell Hymer Exsis
(4 Schlafplätze, 4 Sitzplätze) unterwegs. Mietpreis: je
nach Saison 59 bis 97 Euro pro Tag. Alkovenfahrzeuge von
Hymer kosten je nach Länge und Saison 59 bis 125 Euro
Leihgebühr pro Tag. Hinzu kommt bei allen Reisemobilen
eine Servicepauschale von 115 Euro. Näheres unter
www.hymer-rent.de oder in den 47 Hymer-rent-Mietstationen in Deutschland.
Reisemobile zu mieten gibt's außerdem bei Deutsche
Reisemobil Vermietungs GmbH (Tel. 08 00/2 26 73 77,
www.drm.de), McRent (Tel. 08 00/0 62 73 68,
www.mcTent.de), bei vielen Reisemobil-Händlern
sowie bei Dertour.
Am besten fordert man vorab bei den
Campingverbänden (www.caravanclub.co.uk oder
www.campingandcaravanningdub.co.uk) ein Verzeichnis
aller Plätze an. Ausländische Gäste können für drei
Monate Mitglied werden (Kosten 10 Pfund, Tel. 00 44/
24 76/85 67 97) und damit je nach Platz bis zu 4,75 Pfund
Stellplatzgebühr sparen. Ohne Mitgliedschaft liegen
die Preise bei umgerechnet 10 bis 20 Euro pro
Übernachtung für zwei Personen und ein Wohnmobil.
Kinder bis sechs Jahre campen kostenlos. Farmcamping
auf Bauernhöfen kostet etwa die Hälfte. Caravans
(Mobilhomes) in südenglischen Ferienparks sind buchbar
bei Dertour, Adac Reisen und Wolters Reisen.
Ein flexibles Returnticket (mit mehr als fünf
Tagen Abstand zwischen Hin- und Rückreise) für ein Reisemobil kostet - vom 1.1.-30.6. und 1.9.-31.12.05 - 271 Euro.
Der Hochsaisonpreis im Juli und August beträgt 501 Euro.
Infos und Buchung in allen Reisebüros mit DertourProgramm oder direkt beim Eurotunnel-Buchungsservice
unter 0180-5 00 02 48, www.eurotunnel.com.
über Südengland bei VisitBritain,
Tel. 01801-46 86 42, www.visitbritain.com/de.
„Cornwall" von B. Pollmann und I. Pompe (mit
35 Wandervorschlägen), Bruckmann, 11,90 Euro;
„Cornwall, Somerset, Devon, Dorset" von C. Görnandt,
Dumont Reiseverlag, 12 Euro.
www.eltern.de
Südengland bietet zahlreiche Attraktionen auch für Kinder. Mehr
darüber erfahren Sie unter www.eltem.de.
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