autorevuebausatzstory2009

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autorevuebausatzstory2009
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Selbsthilfe
Wie jetzt?
Die Werthaltung von Caterhams ist genial, das Pfund im Keller.
Wir schichten unser Portfolio spaßbringend um und bauen uns einen Sportwagen.
von Christoph jordan Fotos: andre a s riedmann
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enn ich mir das nur nicht angefangen hätte. Aber
man will ja das mühselig Ersparte gewinnbringend
anlegen. Wobei gewinnbringend hier nicht im engeren Sinn, sondern als Lustgewinn beim Autofahren zu verstehen
ist. Und was hat man schon von der ganzen Kohle, wenn sie
praktisch unverzinst am Sparbuch liegt? Darum nützt man den
günstigen Umrechnungskurs des Pfundes und stellt sich einen
Caterham in die Garage. Besser gesagt: Eine Palette mit dem
Chassis eines Caterham und unzähligen Schachteln dazu. Natürlich könnte man sich das Auto auch fertig liefern lassen, doch
wer kann schon von sich behaupten, sein Auto selbst zusammengeschraubt zu haben? Das begünstigt den ­Bezug zum Auto,
schult uns in Demut, fördert die sozialen K
­ ontakte, bringt
­ inblick in die Technik – und das Allerbeste daran: Am Ende
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darf man sich getrost wie ein Held fühlen.
Denn selbst wenn man keine zwei Linken hat, flößt einem
dieser Berg an Autoteilen, der da bewältigt werden möchte,
­ordentlich Respekt ein. Die Aufteilung nach Baugruppen in
­eigenen Schachteln ist freilich vorbildlich, aber wer kann
die schon ungeöffnet stehen lassen? Nennen wir es einmal
­Weihnachtsabendsyndrom: Alles aufreißen, aus­packen, sich
über Eisentrümmer freuen wie ein Kleinkind, um dann
­erschrocken vor dem Haufen zu stehen wie vor einer Lego-­
Raumstation und sich zu fragen: Das soll einmal ein Sportwagen
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fe ature
Feuertaufe Verzweiflung herrscht eigentlich nur am Anfang, wenn einem
wirklich bewusst wird, worauf man sich eingelassen hat. Der Zusammenbau
ist für jeden, der gefahrlos einen Werkzeugsatz bedienen kann, problemlos.
Toll auch am Bausatz: Durch lauter Neuteile bleiben die Finger schön sauber.
Als Lohn für die Mühen gibt es das puristischste Fahrgefühl, das man heute
noch legal erleben darf.
werden? Auf den man sich dann auch im Grenzbereich verlassen
können soll?
Es dauert gottseidank nicht lange, bis sich die ersten Schaulustigen in der Werkstatt einfinden. Das hat den Nachteil, dass
sich die vorgegebene Bauzeit (120 Stunden) durch Pausenbiere
und Fachsimpelei um ein Vielfaches verlängert, ­andererseits
freut man sich über jede helfende Hand. Das Ein­fädeln der
Querlenker beispielsweise braucht derer vier. Min­destens. Dann
der Einbau der Achsen: Die Vorderachse besteht aus Doppelquerlenkern, die Hinterachse ist eine De­Dion-Konstruktion mit
Längslenkern und zusätzlichem A-Frame. Kennen Sie nicht? Ich
bis zum Zusammenbau auch nicht. Ist ­diese Arbeit erledigt,
­korrigiert sich der Status – nach dem ­Montieren der Bremsen
und Räder – von Immobilie zu r­ ollbar, immerhin. Wenn man
wieder etwas verbastelt hat oder eine Schraube partout nicht an
ihren Platz wollte, kann man ihn trotzig in den letzten Garagenwinkel rollen und nimmer hinschauen. Schöpferische Pausen
haben noch nie geschadet.
Beim Einbau des Interieurs spürt man den Geist des Colin
Chapman durchs Cockpit wehen. Alles ist aufs Wesentliche
­reduziert – was zum Fahren (besser: für die Zulassung) nicht
­nötig ist, ist auch nicht vorhanden. Das kommt dem Bastler
­natürlich schwer entgegen, zumal der Hauptkabelbaum bereits
ansteckfertig im Chassis hängt.
Das Reinheitsgebot gilt übrigens seit 1957, dem Jahr, in dem
der Lotus Seven – der unmittelbare Vorgänger des Caterham –
auf den Markt gebracht wurde. 1973 hätte der Lotus Seven ein72
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gestellt werden sollen, doch Caterham Car Sales, seit 1967
­ lleinvertreiber des Super Seven, erwarb von Colin Chapman
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die Produktionsrechte. Seither hat sich an der Grundkonstruk­
tion des Chassis kaum etwas verändert, lediglich die Motoren
und Antriebskomponenten wurden im Lauf der Jahre moderner.
Nun fehlen noch Kleinigkeiten wie Motor und Getriebe, die
außerhalb des Chassis so aussehen, als würden sie niemals in
den filigranen Rahmen passen wollen. Mit Geduld und einigen
Anläufen lassen sich die beiden doch noch überreden, ihre P
­ lätze
einzu­nehmen. Jetzt nur noch Kardanwelle, Differenzial und
Tank, ein Schluck Benzin und jede Menge Spannung. Der erste
Start­versuch. Wenn dein Baby dann im Standgas dahinschnurrt,
ist das einer der glückseligen Momente, die sich mit Geld nicht
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bezahlen lassen – und darum sollte es ja eigentlich gehen. Das Fotomodell ist ein Caterham RS 170 – fahrbar, aber noch
nicht zulassungsfertig. Der Bausatz kostet 35.890 Euro inkl. MWSt
und NOVA, weiters sind der „Post Build Check“, bei dem das Auto
noch einmal nachkontrolliert wird, sowie die Typisierung inkludiert. Fertiggestellt kostet der RS 170 39.490 Euro.
Österreichischer Importeur ist Martin Jung, Saxenegg 3,
4323 Münzbach, 07264/20 175. www.caterham-austria.at
Technische Daten: Ford Duratec 2,0 16 V, 170 PS bei 7000 U/min,
190 Nm bei 6100 U/min, 0–100 km/h in 4,8 sec, Spitze 203 km/h.
Leergewicht 550 kg. Leistungsgewicht: 3,24 kg/PS. Zum Vergleich:
Ein Porsche 911 Turbo hat 3,3 kg/PS.
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Schaulustige bringen
den Nachteil, dass
sich die vorgegebene
Bauzeit durch Pausen­
biere und Oktan­
gespräche um ein
Vielfaches verlängert,
dafür freut man sich
über jede helfende
Hand.
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Krisen-Gebrauchte, Teil II
Autokauf für Fortgeschrittene: Ausnutzen des niedrigen Pfundkurses
sowie Solidaritätskäufe mit jenen, die es ganz dringend brauchen.
€ 1.990,–
Solidarität Natürlich hülfe es Saab mehr, einen Neu­
wagen zu kaufen, aber mit knappem Budget geht sich eben
nur eine symbolische Handlung (vgl. Sprung aus dem Erd­
geschoß-Fenster der für alles verantwortlichen Banker) aus.
Man könnte natürlich auch einen großen Opel erwerben,
aber gebrauchte Omegas sind teurer, als man vermutet.
£ 3.995,–
Überm Kanal Englands
­Klassiker-Markt liegt derzeit
etwas in Agonie, und der niedrige Pfundkurs handelt für uns
Eurozonenbewohner schon ein
Viertel des Kaufpreises ohne
Handeln weg. Damit kommt der
fein restaurierte MGB Roadster
mit den Krisen-Stoßstangen um
3.995 Pfund günstig über den
Kanal, ums selbe Geld gäbe es
einen gepflegten Jaguar XJS 4,0,
den eine innerfamiliäre Krise
(„Wife says, it’s me or the Jag –
tricky!“) auf den Markt spült.
Und der 1950er Rover 75 trägt
mit seiner Patina die abgewetzte
Stimmung unserer Tage perfekt
nach außen. Aber: „A dream to
drive“, um 1.250 Pfund. Das
­Typisieren rechtsgesteuerter
Autos ist in Österreich problemlos, wer gustieren mag:
www.carandclassic.co. uk oder
www.classiccarsforsale.co.uk.
£ 3.995,–
£ 1.250,–
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