Janina Evers - Universität Siegen

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Janina Evers - Universität Siegen
Photo mit freundlicher Genehmigung von:
Courtesy, Justice Talking
www.justicetalking.org/viewprogram.asp?progID=555
Universität Siegen
Integrierter Studiengang
Sozialpädagogik und Sozialarbeit
Fachbereich II
Diplomarbeit
Reunification Programs
im Pflegekinderwesen der USA
Vorgelegt von:
Janina Evers
Turmstraße 29
56242 Marienrachdorf
Matrikelnummer: 690494
Referent: Prof. Dr. Klaus Wolf
Koreferent: Prof. Dr. Insa Fooken
Siegen im November 2007
Vorwort
Vorwort
Diese Arbeit basiert hauptsächlich auf us-amerikanischer Literatur, die ich vor Ort, in der
„Social Work Library“ der Universität von Wisconsin, gesammelt habe. Um nicht nur den
theoretischen Hintergrund darstellen zu können, verschaffte ich mir einen Einblick in die
Praxis, indem ich mit fünf Sozialarbeitern und drei Herkunftsmüttern ein Interview führte.
Einen Eindruck von den allgemeinen Tätigkeiten eines Sozialarbeiters in der Kinder- und
Jugendfürsorge vermittelten mir die Gespräche, mit Frau Plummer in Dane County und
Frau Bowers in Jefferson County. Sie arbeiten in verschiedenen Regionen von Wisconsin
und dadurch weichen die ihnen zugeteilten Aufgabenbereiche etwas voneinander ab. Das
Gespräch mit Frau Kedzie und Frau Veloon, die im Reunification Program in Dane
County arbeiten, und das Interview mit der Herkunftsmutter Nicole werden ausführlicher
dargestellt. An ihnen wird beispielhaft die Umsetzung des Reunification Konzeptes in die
Praxis demonstriert.
Auf die anderen geführten Interviews mit Frau Reichelt, einer Sozialarbeiterin die im
Bereich Familientherapie arbeitet (In-home Therapist), und auf die Gespräche mit
Herkunftsmutter M. und Mutter P. werde ich nur am Rande eingehen.
Während meiner Recherche wurden mir die Komplexität der Thematik und die unzähligen
Aspekte, die mit in das Reunification Konzept und in dessen Ausübung einfließen,
bewusst. Die eingefügten Interview-Ausschnitte der Sozialarbeiter in die einzelnen
Abschnitte der Kapitel dienen der Veranschaulichung der Arbeitsweise und der
Organisation des us-amerikanischen Pflegekinderwesens sowie der Ausübung von
Reunification. Die Interviews wurden als eine reine Informationsquelle genutzt. Es findet
keine empirische Auswertung statt. Deshalb transkribiere ich ohne Füllwörter und
Wortwiederholungen.
6
Einleitung
Einleitung
Die Besonderheit, die bei Pflegekindern entsteht, ist das Aufwachsen in zwei Familien. Je
nach Länge des Aufenthalts in der jeweiligen Familie, entwickeln sich weniger starke bis
starke Bindungen zu den beiden Familien. In Deutschland und anderen Ländern gibt es
zahlreiche Theorien und Spekulationen, mit deren Hilfe man die Bedeutung der beiden
Familien, ihre Beziehung zueinander und die jeweilige Beziehung zum Kind1 zu erklären
versucht. Auch die Forschung beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema und untersucht
Herkunftsfamilien, Pflegekinder und Pflegeeltern unter diesem Aspekt.
Im Gegensatz zu den Ansichten des us-amerikanischen Pflegekinderwesens besteht in
Deutschland noch keine einheitliche Sicht, inwieweit die Herkunftsfamilie mit in das
Pflegeverhältnis einbezogen werden soll und ob die Rückführung des Kindes ein
sinnvolles, anzustrebendes Ziel ist. Die Diskussion, über die kontroversen Konzepte der
Ergänzungsfamilie
(Forschungsgruppe
des
Deutschen
Jugendinstituts)
und
der
Ersatzfamilie (Nienstedt/Westermann) die Mitte der achtziger Jahre begann, wird
weiterhin intensiv geführt. Es ist allerdings noch keine eindeutige, allgemein gültige
Stellungnahme erfolgt, an der sich die Arbeit der deutschen Pflegekinderdienste ausrichten
könnte.
Diese Arbeit führt in die Arbeitsweise des us-amerikanischen Pflegekinderwesens ein, sie
erläutert die Theorie und Ideen, die hinter den angewandten Konzepten stehen und geht
auf deren praktische, konkrete Umsetzung ein. Dabei wird Reunification, die Rückführung
in die Herkunftsfamilie, in den Fokus genommen und anhand dessen wird aufgezeigt, wie
die Kontinuität von Pflegekindern gesichert werden kann.
Mit „Reunification Programs“ ist das gesamte theoretische Konzept und die praktische
Umsetzung gemeint. Der Schwerpunkt liegt somit nicht auf der Erläuterung von
verschiedenen „Rückführungs-Programmen“, wie der Titel vielleicht vermuten lässt,
sondern die einzelnen Kapitel betrachten jeweils Reunification aus einem anderen
Blickwinkel und zeigen die verschiedenen Fassetten dieses Konzeptes auf. Das erste
Kapitel führt in die Thematik ein und stellt das us-amerikanische Pflegekinderwesen in
seinen Grundzügen dar.
1
Der Begriff Kind/Kinder schließt in dieser Arbeit alle Menschen unter 18 Jahren mit ein
Einleitung
7
Im nachfolgenden Kapitel wird die theoretische Sichtweise von Reunification erörtert,
welchen Grundgedanken es unterliegt und es wird in Bezug zu dem Konzept Permanency
Planning gesetzt. Das dritte Kapitel betrachtet die Abläufe des Pflegekinderwesens der
USA und gliedert den Reunification Prozess in diese Abläufe ein. Dieses ist nach
Meinung der Verfasserin bedeutsam, um Reunification im Gesamtkontext verstehen zu
können. Ein wesentlicher Teil der Reunification Arbeit besteht in der Arbeit mit den
Herkunftseltern, die in Kapitel 4 näher geschildert wird.
In den folgenden Kapiteln wird die praktische Umsetzung des Reunification Konzeptes,
anhand von speziellen Programmen und Beispielen aus der Praxis näher erläutert. Dabei
wird auch die Entstehungsgeschichte von speziellen Reunification Programmen
geschildert.
In den letzten beiden Kapiteln wird der Erfolg der Umsetzung von der Theorie in die
Praxis kritisch beleuchtet und der Bezug zum deutschen Pflegekinderwesen geschaffen.
Der Leitgedanke dieser Arbeit besteht in der Schilderung der Arbeitsweise und der
zugrunde liegenden Idee, die ein anderes Land hat. Es sollen Perspektiven aufgezeigt
werden, wie die Rückführung in die Herkunftsfamilie bewerkstelligt werden kann und
somit u.a. zur Sicherung der Kontinuität von Pflegekindern beitragen kann. Diese Arbeit
soll aufzeigen, inwieweit das deutsche Pflegekinderwesen aus der Theorie und Praxis des
us-amerikanischen Pflegekinderwesens lernen kann.
8
1. Das Pflegekinderwesen der USA
1.
Das Pflegekinderwesen der USA
1.1
Definition Foster Care und die unterschiedlichen Ausprägungen
des Pflegeverhältnisses
Foster Care (Pflegekinderwesen) wird im Code of Federal Regulation2als „ 24-hour
substitute care for children placed away from their parents or guardians and for whom the
State agency has placement and care responsibility” definiert (Code of Federal
Regulations 2006).
Eine ausführlichere Definition stammt von dem Autor Blumental (1983), der Family
Foster Care als eine geplante, zeitlich begrenzte Ersatzfamilienfürsorge bezeichnet, die mit
einer gleichzeitigen Versorgung von den Sozialeinrichtungen einhergeht. Die Klienten
sind Kinder, die keine angemessene Versorgung von ihren biologischen Eltern erhalten
und somit nicht zu Hause verweilen können. Social Service (Sozialeinrichtungen) soll den
Eltern und Kindern behilflich sein, die Probleme zu lösen, die zur Fremdunterbringung
geführt haben (zit. n. Pecora et. al. 2006, S. 303).
Die Gewährleistung der Sicherheit und des Kindeswohls wird von den Autoren Chipungu
und Bent-Goodley (2004) als das grundlegendste Ziel des us-amerikanischen
Pflegekinderwesens angesehen (vgl. S. 76).
Foster
Care
bezieht
die
verschiedensten
Formen
der
Pflege
mit
ein.
Die
Fremdunterbringung kann unter anderem in Kinship Care (Verwandtenpflege),
Therapeutischer Pflege, Kurzzeitpflege, Adoptionspflege, Traditional or Rehabilitation
Foster Care (traditionelle oder Rehabilitationspflege),
Long-Term
Foster Care
(Langzeitpflege) oder in der Heimerziehung erfolgen. Der Begriff Family Foster Care
beinhaltet lediglich die Unterbringung in einer Familie, nicht aber die Unterbringung in
einer Institution.
Für diese Arbeit sind Traditional und Long-Term Foster Care von großer Bedeutung.
Diese Formen der Pflege sind am ehesten mit dem deutschen Begriff der Vollzeitpflege zu
vergleichen. Jedoch besteht in den USA ein großer Unterschied zwischen diesen beiden
Arten der Pflege.
2 Kodierung von allgemeinen und permanenten Regeln, die im Bundesverzeichnis der Exekutive
veröffentlicht werden (vgl. U.S. Government Printing, 2007)
1. Das Pflegekinderwesen der USA
9
Traditional Foster Care bezieht sich meistens auf Kinder, die von ihren Eltern
vernachlässigt oder misshandelt wurden. Die Fremdplatzierung des Kindes geht mit der
Hoffnung einher, dass sich das Verhalten der Eltern ändern kann und eine
Zusammenführung der Familie möglich ist. Während sich das Kind im Pflegekinderwesen
befindet, arbeiten die Herkunftseltern an ihrem Erziehungsstil und nehmen an ElternTrainingsprogrammen oder speziellen Therapien teil. Der Verlauf dieser Trainings- und
Therapiemaßnahmen wird genauestens vom Social Service und der Pflegefamilie
überwacht. Bleiben nach einiger Zeit Fortschritte der Herkunftsfamilie aus, wird nach
einem anderen dauerhaften Zuhause für die Kinder gesucht und das Kind wird in vielen
Fällen zur Adoption freigegeben (vgl. Beta Proud Parenting 2007).
Die Bezeichnung Long-Term Foster Care umfasst Kinder, die weder die Möglichkeit der
Rückführung in die Herkunftsfamilie noch die der Adoption haben. Diese Kinder befinden
sich bis zum 18. Lebensjahr in Vollzeitpflege. Von diversen Child Welfare
(Jungendfürsorge) Einrichtungen wird diese Form der Pflege als eine nicht ideale Lösung
für Kinder angesehen und abgelehnt (vgl. ebd.).
Die Hauptaufgabenbereiche von Foster Care sind unter anderem Notfallfürsorge,
Krisenintervention, Hilfeplanung und -beurteilung, Reunification (Rückführung in die
Herkunftsfamilie), Vorbereitung der Adoption und des Independent Living (selbstständig
leben und wohnen) Program.
1.2
Statistische Erhebung zur Foster Care Population
Die Foster Care Population (Anzahl der Kinder im Pflegekinderwesen) setzt sich aus
verschiedenen Altersgruppen und Ethnien zusammen. Die Veränderung der Foster Care
Population innerhalb der letzten 15 Jahre wird in Abbildung 13 , die im Anhang A I zu
finden ist, dargestellt.
In den neunziger Jahren stieg die Anzahl der unter 17-jährigen Kinder im
us-amerikanischen Pflegekinderwesen kontinuierlich an und erreichte im Jahr 1999 den
Höchststand von 567.000 Kindern. In den letzten 6 Jahren ist ein Abfall der Anzahl der
fremduntergebrachten Kinder zu verzeichnen und 2005 befanden sich 513.000 Kinder in
Foster Care (vgl. Child Trends Data Bank, Foster Care 2005).
3
Child Trends Data Bank, Foster Care 2005
10
1. Das Pflegekinderwesen der USA
Im Jahr 2005 verzeichnet die USA eine Kinderpopulation von 73.5 Millionen4 Kindern
unter 18 Jahren. Somit sind 7 von 1000 Kindern fremduntergebracht (vgl. ebd.).
Die
Foster
Care
Population
besteht
aus
verschiedenen
Altersgruppen.
Das
Durchschnittsalter der Kinder im us-amerikanischen Pflegekinderwesen beträgt 10,6
Jahre. Die folgenden Daten werden in Abbildung 3 graphisch dargestellt.
Im Jahr 2005 befanden sich 135.534 Kinder im Alter von 1-5 Jahren in Pflege. Damit
machten sie einen Prozentsatz von 26% aus. Die 6 bis 10-jährigen Kinder waren zu 20%,
was 100.788 Kindern entspricht, vertreten. 142.935 Kinder waren im Alter von
11-15 Jahren und nahmen den höchsten Gesamtanteil von 28% ein. Zu 19% waren die
Kinder im Pflegekinderwesen junge Erwachsene; dies entspricht einer Anzahl von 94. 72
Kindern. 29.034 Kinder waren unter einem Jahr und 9.990 der Pflegekinder waren bereits
volljährig (vgl. U.S. Department of Health and Human Services et. al. 2005).
Alter der Kinder in Foster Care
1%
1%
6%
Less than 1 Year
19%
26%
1- 5 Jahre
6- 10 Jahre
11- 15 Jahre
16- 18 Jahre
19 Jahre
28%
20%
20 Jahre
Abbildung 3 vgl. Originaltext: Adoption and Foster Care Analysis and
Reporting System (AFCARS) data submitted for the FY 2005, 10/1/04 through
9/30/05.5
4
Child Trends Data Bank , Numbers of Children 2006/Anhang A II
U.S. Department of Health and Human Services, Administration for Children and Families, Administration
on Children, Youth and Families, Children's Bureau , Preliminary Estimates for FY 2005
5
11
1. Das Pflegekinderwesen der USA
In den USA sind eine Reihe von ethnischen Minderheiten vertreten, die sich auch in der
Foster Care Population widerspiegeln. Die Bevölkerungsgruppe der Non-Hispanic White
(Amerikaner nicht lateinamerikanischer Herkunft) machen zu 58% die us-amerikanische
Kinderpopulation aus und sind zu 41%, was etwa 208.537 Kindern entspricht, im
Pflegekinderwesen vertreten. Kinder aus der ethnischen Gruppe Non-Hispanic Black
(Afroamerikaner nicht lateinamerikanischer Herkunft) machen nur 15 % der
Gesamtbevölkerung der Kinder in den USA aus; sie sind aber zu 32% fremduntergebracht.
Betrachtet man deren gesamten Bevölkerungsanteil, befindet sich eine sehr hohe Anzahl
der afroamerikanischen Kinder (ca. 166.482 Kinder) im Pflegekinderwesen. Hispanic
(Lateinamerikaner) machen einen Gesamtteil von 20% der us-amerikanischen
Kinderbevölkerung aus und sind zu 18% (93.996 Kinder) im Pflegekinderwesen. Kinder
us-amerikanischer Ureinwohner (Indian and Alaskan Native) machen 1% der
Kinderpopulation aus und sind zu 2% fremduntergebracht. Kinder mit einer asiatischen
Herkunft erreichen 4% der Gesamtkinderbevölkerung und sind zu einem 1% (2.937
Kinder) im Pflegekinderwesen. Kinder, die mehr als eine ethnische Herkunft haben, sind
zu 3% (17.191 Kinder) fremduntergebracht und machen einen Gesamtanteil von 2% der
us-amerikanischen Kinderpopulation aus. Von 11.771 Kindern (2%), konnte die ethnische
Herkunft nicht bestimmt werden. Sie sind in Abbildung 4 unter der Gruppe „Unknown“
zusammengefasst (vgl. U.S. Department of Health and Human Services et. al. 2005).
70%
60%
50%
40%
U.S. Child Population
Foster Care Population
30%
20%
10%
er
ic
an
H
d
i
s
Al
p
as
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M
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hi
te
0%
Abbildung 4 Quelle U.S. Child Population: Kids Count State
Level Data Online, 2005
Quelle Foster Care Population: Adoption and Foster Care
Analysis and Reporting System (AFCARS) data submitted for
the FY 2005, 10/1/04 through 9/30/056
6
U.S. Department of Health and Human Services, Administration for Children and Families, Administration
on Children, Youth and Families, Children's Bureau , Preliminary Estimates for FY 2005
1. Das Pflegekinderwesen der USA
12
Diese statistischen Erhebungen geben eine Vorstellung über die Anzahl und Dimension
der Kinder im Pflegekinderwesen. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Foster Care
Population, die in den letzten sechs Jahren kontinuierlich abfällt. Des Weiteren vermitteln
Abbildung 3 und Abbildung 4 ein Bild über die Struktur der Foster Care Population. Das
Durchschnittsalter der Kinder beträgt 10,6 Jahre und die ethnische Herkunft der Kinder ist
sehr unterschiedlich. Besonders deutlich wurde die hohe Anzahl von afroamerikanischen
Kindern in Bezug auf den Gesamtanteil der us-amerikanischen Kinderpopulation.
Das us-amerikanische Pflegekinderwesen wird mit einer Vielfalt von ethnischen
Abstammungen konfrontiert. Dies erfordert die Bewahrung und Wertschätzung der
kulturellen Identität des Kindes.
Die Anzahl der jüngeren Kinder im Pflegekinderwesen nimmt zu. Dennoch befindet sich
ein nicht geringer Anteil im Alter von 16-18 Jahren.
Diese Altersgruppe besteht aus Jugendlichen, die bereits als Kinder schon im
Pflegekinderwesen waren und aus Jugendlichen, die im Jugendalter fremduntergebracht
werden. Für Jugendliche ist es schwerer als für jüngere Kinder, eine dauerhafte Lösung zu
finden, z. B. können sie eine Adoption ablehnen. Für sie wird nach anderen Möglichkeiten
gesucht, z. B. den Übergang in das Programm Independent Living.
Beide Themen, die Wertschätzung der kulturellen Herkunft und die hohe Anzahl von
Jugendlichen im Pflegekinderwesen werden in der us-amerikanischen Literatur intensiv
behandelt. Eine ausführliche Darstellung dieser großen Themengebiete ist für diese Arbeit
zu umfassend und speziell. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass viele Studien und
Forscher ihren Fokus auf das Alter und die kulturelle Herkunft der Pflegekinder richten.
Sie erforschen die Gründe und die damit entstehenden Probleme und Anforderungen an
das Pflegekinderwesen.
Um einen tieferen Einblick in das us-amerikanische Pflegekinderwesen zu gewinnen,
schildere ich im folgenden Abschnitt die geschichtliche Entwicklung des
us-amerikanischen Pflegekinderwesens.
13
1. Das Pflegekinderwesen der USA
1.3
Die
geschichtliche
Pflegekinderwesen
Entwicklung
1.3.1
Frühe Entwicklungen im Pflegekinderwesen
im
us-amerikanischen
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen kommt es vor, dass Eltern außer Stande sind ihre
Kinder zu versorgen. Im Alten Testament und im Talmud sind bereits Berichte enthalten,
die über die Pflicht der Versorgung von bedürftigen Kindern handeln. Frühe
Aufzeichnungen von christlichen Kirchen dokumentieren die Unterbringung von
bedürftigen Kindern bei Witwen, die durch Spenden der Kirchengemeinde bezahlt wurden
(vgl. National Foster Parent Association 2007). Die älteste Form der Pflege ist die
Verwandtenpflege, die bereits in alten jüdischen Gesetzen und Bräuchen vorkommt.
In den USA trug das English Poor Law (englisches Armenrecht), welches im 17.
Jahrhundert von England übernommen wurde, zu den ersten Entwicklungen im
Pflegekinderwesen bei. Unter dem English Poor Law wurden elternlose, in Armut lebende
Kinder in einen Haushalt aufgenommen, versorgt und erlernten ein Handwerk. Im
Gegenzug schuldeten sie ihrem Herrn Gehorsam und arbeiteten bis zur Volljährigkeit bei
ihm. Die Bedingungen unter denen die Kinder lebten, waren mit den Bedingungen der
Knechtschaft zu vergleichen. Obwohl dieses System eine Form der Ausbeutung war und
die Kinder nicht unter idealen Bedingungen aufwuchsen, stellte dieses System den Anfang
der Unterbringung von elternlosen, bedürftigen Kindern in ein familiäres Umfeld dar. Eine
Herausnahme der Kinder aus den Armenhäuser wurde bewirkt und sie erhielten die
Möglichkeit ein Handwerk zu erlernen (vgl. ebd.).
Eine wichtige Entwicklung im us-amerikanischen Pflegekinderwesen begann mit dem
Orphan Train Movement7. Der Direktor der New York Children’s Aid Society, Charles
Loring Brace, entwickelte 1853 ein Programm, welches Straßenkinder aus der Stadt in
Familien auf dem Land unterbrachte. Das Programm, welches von 1853-1929 lief,
vermittelte 20.000 Kinder auf Farmen im Mittleren Westen und Süden der USA. Leider
waren die Bedingungen für die Kinder noch mit denen der Knechtschaft zu vergleichen.
Jedoch zeigte Brace‘s gewagte und kreative Aktion, dass Pflegefamilien und Adoption
eine realistische Option für elternlose, bedürftige Kinder waren.
7
Waisenkinder, wurden mit dem Zug aus der Stadt in ländliche Regionen gebracht
14
1. Das Pflegekinderwesen der USA
The Orphan Train Movement trug zu der Involvierung von staatlichen Einrichtungen in
der Fremdunterbringung bei. Beispielsweise begann der Staat Massachusetts 1865
Familien, die ein Kind aufnahmen, ein Pflegegeld zu zahlen und Pennsylvania
verabschiedete 1885 das erste Gesetz, das sich mit einer Pflegeerlaubnis befasste (vgl.
ebd.).
Während
des
19.
Jahrhunderts
wurden
immer
mehr
Sozialeinrichtungen
am
Pflegekinderwesen beteiligt. Die staatliche Beteiligung und die Reformen, die im 20.
Jahrhundert die Entwicklung des Pflegekinderwesens beeinflussten, werden im
nachfolgenden Absatz erläutert.
1.3.2
Die Child Welfare Reformen des 20. Jahrhunderts
Die Neuzeit des us-amerikanischen Pflegekinderwesens ist von den in Tabelle 1
aufgeführten, einschneidenden Entwicklungsphasen, bundesstaatlichen Gesetzen und
Reformen in der Kinder- und Jugendfürsorge geprägt. Die Phasen gehen fließend
ineinander über.
Phase/ Reform
Zeitrahmen
1909-1970
Erste Phase
Family Foster
Care a Response to
Institutional Care
Gesetze
Schwerpunkt
Social secruity
act of 1935
Pflegefamilie
Betrachtung
des
Pflegekinderwesen
Kinder gehören eher
in eine Familie als in
eine Institution
Adoptionsfamilien
Kinder gehören zu
einer festen Familie
Zweite Phase
The Permanency
Planning
Movement and
Adoptive Families
Siebziger Jahre
Dritte Phase
Family
Preservation and
Biological Parents
Achtziger Jahre
Vierte Phase
Family Continuity
and Kinship Care
Neunziger Jahre Multiethnic
Erweiterte Familie/
Placement Act of Angehörige
1994
The Adoption
Assistance and
Child Welfare
Act of 1980
Adoption and
Safe Families
Act 1997
Herkunftsfamilie
Kinder gehören zu
den Herkunftseltern;
zur Erhaltung der
Familie müssen
angemessene
Bemühungen
gemacht
Kinder gehören in
ein FamilienNetzwerk, in dem
Beziehungen zeitlich
unbegrenzt bestehen
bleiben
Tabelle 1: Überblick der Child Welfare Reformen im 20. Jahrhundert
vgl. Originaltext: E. J. McFadden & S.W. Downs, (1995, April). Family Continuity: The paradigm in
permanency planning. Community Alternatives in Whitelaw Downs et. al. 2004
15
1. Das Pflegekinderwesen der USA
Die Philosophie des Pflegekinderwesens war zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Wandel
und zum ersten Mal wurde die Frage nach den Bedürfnissen der Kinder gestellt (vgl.
Whitelaw Downs et. al. 2004, S. 314).
Im Jahre 1909 erklärte die erste White House Conference on Children ein sicheres und
liebevolles Zuhause als den besten Aufwuchsort für Kinder. „Home life... is the highest
and finest product of civilization. It is the great molding force of mind and character
[...]“ (Bremner 1971 zit. n. Pecora et. al. 2006, S. 300).
Der
Social
Security
Act
(Sozialversicherungsgesetz)
von
1935
schuf
die
Rahmenbedingungen für das entstehende Child Welfare System (System der
Jugendfürsorge). Die Inpflegegabe von Kindern erfolgte auf Grund des Schutzes vor
Missbrauch und Vernachlässigung und nicht ausschließlich, um sie von Armut zu
befreien. „Moreover, the Social Security Act of 1935, with its support to families with
dependent children, weakened the economic grounds for taking children from their
parents.“ (Fein & Maluccio 1992, S. 336)
Das Hauptziel des Pflegekinderwesens war in dieser ersten Phase die Versorgung und der
Schutz von Kindern. Das Hauptaugenmerk wurde auf das Kindeswohl gerichtet, somit
schloss dies die Herkunftseltern völlig aus dem Pflegeverhältnis aus. Es wurde als sicherer
empfunden, dass Kind im Pflegeverhältnis zu belassen (vgl. Whitelaw Downs et. al. 2004,
S. 314).
Die nächste Entwicklungsphase des Pflegekinderwesens wurde durch verschiedene
Entdeckungen, Forschungen und sozialen Bewegungen eingeleitet.
Eine wichtige Entdeckung für die Jugendfürsorge wurden neue Methoden in der
Feststellung von Kindesmisshandlung. In den sechziger Jahren wurde erstmals mit Hilfe
von Röntgenaufnahmen das battered child syndrome (Kindesmisshandlung) von den
Medizinern Dr. Helfer and Dr. Kempe diagnostiziert. Das battered child syndrome bezieht
sich auf Verletzungen, die Folge einer körperlichen Misshandlung sind und die von
Erwachsenen, meist den eigenen Eltern, zugefügt wurden. Durch die Röntgenaufnahmen
konnten auch alte Verletzungen, die äußerlich bereits verheilt waren, aufgedeckt werden
(vgl. Hartman 1990, S. xvi).
16
1. Das Pflegekinderwesen der USA
Der Staat führte Child Welfare Einrichtungen ein, die in Fällen von Kindesmisshandlung
ermitteln und die verantwortlich für den Schutz von Kindern sind. Der Schutz wird in den
meisten Fällen durch die Herausnahme des Kindes aus der Familie gewährleistet. Diese
Vorgehensweise führte zu einem enormen Anstieg der Anzahl der Kinder im
Pflegekinderwesen (vgl. ebd., S.xvi).
Nicht
nur
der
medizinische
Fortschritt
beeinflusste
das
us-amerikanische
Pflegekinderwesen, sondern auch die Entdeckung der Eltern-Kind-Bindung von Bowlby
führte zu einer veränderten Denkweise. Bowlby (1969) und andere Forscher, wie z.B.
Littner (1975), erkannten in zahlreichen Untersuchungen, dass eine starke, natürliche
Bindung zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson, oft der Mutter, besteht. Eine
Trennung dieser Verbindung hat negative Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes
(vgl. nach Whitelaw Downs et. al. 2004, S. 314).
Inwieweit die Bindungstheorie die Entwicklung von Konzepten im Pflegekinderwesen
beeinflusste, wird in Kapitel 2.3 näher erörtert.
Zudem wurde festgestellt, dass das Ziel eines sicheren, liebevollen Zuhauses aus der
ersten White House Conference on Children, für die meisten Kinder nicht realisiert wurde.
In der Realität verweilten viele Kinder im Pflegekinderwesen und erlebten häufig einen
Wechsel der Pflegefamilie. Dies verdeutlicht einen weiteren Kritikpunkt des
Pflegekinderwesens in den sechziger und siebziger Jahren. Er wird von Pecora et. al.
(2006) aufgegriffen: „Children were inappropriatley moved out of their homes, with little
effort to help parents to care for them. If anything, the system encouraged parents to
abandon their children.“ (S. 301)
Eine wichtige soziale Bewegung für die Entwicklung im Pflegekinderwesen war die
Deinstitutionalisierung, die in den siebziger Jahren zu einem Leitfaden in der Sozialpolitik
und in der Festlegung von Richtlinien auf staatlicher und bundesstaatlicher Ebene wurde.
Die Bedeutung der Deinstitutionalisierung für die Vorgehensweise in der Jugendfürsorge
beschreibt die Autorin Hartman (1990) mit den Worten: „It stressed caring for people in
the ‚least restrictive environment‘, which, when translated into child welfare, meant ‚the
most familylike‘.“ (S. xvii)
17
1. Das Pflegekinderwesen der USA
Die wissenschaftlich begründeten Bedenken, Erkenntnisse und die hohe Anzahl der
Kinder im Pflegekinderwesen führten zu einem Umdenken. Viele neue Methoden und
Prinzipien wurden entwickelt und angewendet, jedoch stellten die Autoren Fein &
Maluccio (1992) fest, dass es kein einheitliches System gab und dadurch die Effektivität
der Methoden deutlich einschränkt war. „The Lack of federal leadership in promotioning
professional standards of practice and effective policy initiatives has permitted 50 seperate
state ‚systems‘to operate.“ (S. 343)
Die
Politik
und
Vorgehensweise
der
Kinderfürsorge
wurde
zunehmend
familienorientierter und 1980 wurde mit dem Adoption Assistance and Child Welfare Act
(AACWA) das bereits praktizierte Prinzip Permanency Planning, das geplante Finden
eines dauerhaften Aufwuchsortes für Pflegekinder, in die bundesstaatliche Gesetzgebung
aufgenommen. Das bundesstaatliche Gesetz AACWA reformierte die Arbeitsweise der
Jugendfürsorge, indem es Permanency Planning förderte (vgl. Maluccio, Fein & Olmstead
1986, S. 30). Der AACWA, auch Public Law 96-272 genannt, wurde 1980 vom Kongress
verabschiedet. Dieses Gesetz soll die Probleme des Pflegekinderwesens mindern und unter
anderem die Unterbringung in vielen häufig wechselnden verschieden Pflegefamilien
unterbinden.
Außerdem
sind
seit
der
Verabschiedung
des
P.L.
96-272
die
Sozialeinrichtungen dazu verpflichtet, die Herausnahme des Kindes aus seiner Familie zu
rechtfertigen. Sie müssen demonstrieren, dass alle möglichen Alternativen, die eine
Herausnahme verhindern, ausgeschöpft wurden. „The act of removal became the last
resort.“ (Woolf 1990, S. 77)
In dieser Entwicklungsphase des Pflegekinderwesens wird die Herausnahme des Kindes
als die letztmögliche Lösung betrachtet. Bei bereits fremduntergebrachten Kindern erfolgt
in einem angemessenen Zeitraum die Unterbringung in einem dauerhaften Zuhause, in
dem die Kinder lebenslange, feste Bindungen eingehen können. In den meisten Fällen
wird zunächst einmal die Adoption zu einem erstrebenswerten Ziel und es wird nach dem
Glauben gehandelt, dass jedes Kind adoptierbar ist (vgl. Whitelaw Downs et. al. 2004, S.
314 f).
1. Das Pflegekinderwesen der USA
18
Als Resultat von Permanency Planning und Family Preservation (Erhaltung von Familien)
sank die Zahl von 500.000 Kindern (1977) auf 243.000 Kinder (1982) ab. Die
durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Kinder im Pflegekinderwesen fiel von 47 Monaten
1977 auf 35 Monate 1982 ab (vgl. US Department of Health and Human Services 1984,
zit. n. Maluccio, Fein & Olmstead 1986, S. 22 f).
Der Zustand der niedrigen Anzahl von Kindern im Pflegekinderwesen und der Erfolg von
Permanency Planning und Family Preservation waren nur von kurzer Dauer. Dies wurde
aber nicht auf Fehler in den Konzepten zurückgeführt, sondern auf eine zu ungenaue und
ungezielte Gesetzgebung mit einem zu breiten Auslegungsspektrum.
Der kontinuierliche Anstieg der Anzahl der Kinder im Pflegekinderwesen, 1997 waren
516.000 Kinder8 fremuntergebracht und der Druck der Öffentlichkeit durch einige
publizierte Todesfälle in Herkunftsfamilien, die kurz vorher bereits in Programmen der
Jugendfürsorge involviert waren, veranlasste die Regierung letztendlich die Richtlinien
aus dem AACWA durch die Verabschiedung des Adoption and Safe Families Act of 1997
(ASFA) zu verdeutlichen und die Auslegungen von vagen Begriffen zu spezifizieren.
Programme und Vorgehensweisen aus Permanency Planning und Family Preservation
sollten neu entwickelt, zielgerichteter und effizienter eingesetzt werden. Des Weiteren
wurde mit ASFA, auch P.L. 105-89 genannt, die Gewährleistung der Sicherheit von
Kindern in Entscheidungen über den Verbleib von Kindern zur obersten Priorität.
Mit dem ASFA wird eine stärkere Betonung auf die zeitliche Begrenzung der
Aufenthaltsdauer im Pflegekinderwesen gelegt. Wenn eine Rückführung des Kindes nicht
möglich ist, soll der Entzug des elterlichen Sorgerechts schneller als bisher geschehen.
„The ASFA requires states to consider terminating parental rights more quickly than
former child welfare laws did. Under the ASFA, states must file for TPR when child has
been in foster care for 15 months of the most recent 22 months [...]“ (Humphrey et. al.
2006, S. 114).
In den neunziger Jahren kam eine weitere Entwicklung hinzu und ein weiterer
Schwerpunkt richtete sich auf Kinship Care. Der Multiethnic Placement Act of 1994, der
zur Verhinderung von Diskriminierung bei der Entscheidung über die Fremdplatzierung
geschaffen wurde, trägt erheblich zu einer erhöhten Anzahl in Kinship Care bei.
8
siehe Abbildung 1/ Anhang A I
1. Das Pflegekinderwesen der USA
19
Denn dieses Gesetz übt den Druck auf die Sozialeinrichtungen aus, Entscheidungen nicht
auf der Basis der ethnischen Zugehörigkeit und der Kultur des Kindes zu treffen.
Außerdem sollen mehr Bemühungen in das Finden von Pflege- und Adoptivseltern, die
der gleichen ethnischen Gruppe des Kindes angehören, gesteckt werden. Somit werden
nahe Verwandte, meist Großeltern, Tanten und Onkel, bevorzugte Pflegeeltern für Kinder.
Kinship Care nimmt die Wichtigkeit von Familienanschluss und Kulturzugehörigkeit für
die Entwicklung des Kindes ernst. Das neue Wissen über Familiensysteme und die
Entwicklung der Identität und Berichte früherer Pflegekinder, betonen die Wichtigkeit von
der emotional bestehenden Verbindung nicht nur zu den Herkunftseltern, sondern auch zu
den Verwandten und der eigenen Kultur (vgl. Whitelaw Downs et. al. 2004, S. 315).
Das Prinzip Family Continuity (Familien-Kontinuität) integriert das Prinzip von Family
Preservation in alle Aspekten der Jugendfürsorge und betont die Wichtigkeit von der
kontinuierlichen, lebenslangen Einbindung des Kindes in seine Familie und in ein soziales
Netzwerk (vgl. ebd., S. 316).
Aus dieser geschichtlichen Entwicklung des Pflegekinderwesens ergeben sich die
Vorgehensweisen und Richtlinien des heutigen Pflegekinderwesens. Foster Care begann
als Bestrebung, obdachlosen, vernachlässigten Kindern eine ausreichende Versorgung zu
bieten und sie von ihren erziehungsunfähigen Eltern zu befreien. Heute ist Foster Care als
ein umfassendes Familienunterstützungsprogramm konzipiert. Das Pflegekinderwesen ist
nicht wie in der Vergangenheit nur Ersatzerziehung, sondern es soll Kindern bei ihrer
individuellen Entwicklung und Familien bei der Problembewältigung helfen. „The decade
of the 1980s has produced a benchmark shift from child protection orientation to a family
treatment orientation.“ (Woolf 1990, S. 76)
Jede Entwicklungsphase hat einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung und Ausübung
des Pflegekinderwesens und baut auf der vorherigen Entwicklung auf (vgl. Whitelaw
Downs et. al. 2004, S. 316). Der Schwerpunkt des Pflegekinderwesens hat sich von
Heimerziehung über Familienpflege bis hin zur Adoption verlagert und jede einzelne
Entwicklungsphase trägt dazu bei, dass die Familie heute von allen Blickwinkeln aus
betrachtet wird.
1. Das Pflegekinderwesen der USA
20
Foster Care wird als ein zeitlich begrenzter Zustand gesehen, dessen Zweck Reunification,
also die Rückführung in die Herkunftsfamilie ist oder das Finden einer Adoptionsfamilie,
in der das Kind aufwachsen und langfristige Bindungen eingehen kann.
Um einen besseren Einblick in die Praxis des us-amerikanischen Pflegekinderwesens zu
erhalten, wird im folgenden Abschnitt auf die Organisation des Pflegekinderwesens
eingegangen.
1.4
Die Organisation des Pflegekinderwesens
1.4.1
Die Organisationsstruktur der staatlichen Sozialeinrichtungen
Im Abschnitt 1.3 wurde bereits ersichtlich, dass die staatliche Regierung die
Verantwortung für das Festlegen von Richtlinien, die Aufstellung von Vorschriften und
die finanzielle Unterstützung von Child Welfare trägt. Im Gegenzug haben die einzelnen
Bundesstaaten die Aufgabe, der Entwicklung, Verwaltung und Durchführung von Child
Welfare Programmen. „In regard to foster family care, all of this occurs within the context
of numerous and diverse laws and policies, [...] that often vary from state to state as well
from county to county [...]“ (Stein 1998, zit. n. Pecora et. al. 2006, S. 302).
In den USA besteht somit ein komplexes System der Jugendfürsorge, das sich aus
staatlichen und freien sozialen Diensten zusammensetzt. Jeder einzelne Bundesstaat und
sogar die einzelnen Landkreise in einem Bundesstaat führen die Gesetze des Staates
unterschiedlich aus. Alle handeln nach den gleichen Gesetzen und theoretischen
Grundkonzepten, aber die praktische Ausführung kann stark von einander abweichen.
Da ich während meiner Recherche lediglich Informationen über die Strukturierung von
staatlichen Einrichtungen gefunden habe, werde ich nur diese präsentieren.
Zunächst einmal gibt es in jedem Bundesstaat ein Department of Health and Human
Services. Das oberste Department of Health and Human Services befindet sich in der
Hauptstadt der USA, Washington D.C., und hat sich in langer Tradition aus der
amerikanischen Geschichte heraus entwickelt. Die Wurzeln wurden bereits im Jahre 1798,
mit einem Erlass zur Erleichterung der Pflege von kranken und arbeitsunfähigen Matrosen
gelegt.
1. Das Pflegekinderwesen der USA
21
Dies trug zur Gründung eines bundesweiten Netzwerkes von Krankenhäusern zur
Versorgung von Matrosen bei und wurde damit zum Vorreiter des heutigen usamerikanischen Gesundheitswesens. Es ist eines der größten staatlichen Einrichtungen, die
den Schutz der Gesundheit aller Amerikaner zur Aufgabe hat und es stellt die Versorgung,
besonders von sozial schwach gestellten Menschen, mit den nötigsten Ressourcen und
Dienstleistungen sicher. Das Department of Health and Human Services besteht aus 12
verschiedenen Abteilungen und umfasst unter anderem die Gesundheitsfürsorge,
biomedizinische Forschung, Sozialfürsorge und Familien- und Jugendfürsorge. Es betreut
über 300 verschiedene Programme. Einige davon dienen der finanziellen Unterstützung,
zur Gesundheitsaufklärung und zur Prävention von Krankheiten, oder sie werden zum
Schutz des Kindes eingesetzt, z. B. zur Verhinderung von Kindesmisshandlung (vgl. U.S.
Department of Health and Human Services 2007, The Department FAQs).
Das Department of Health and Human Services arbeitet eng mit den bundesstaatlichen
und lokalen Regierungen zusammen (vgl. Leavitt 2007). Es ist weitestgehend für soziale
Einrichtungen und Programme verantwortlich. Ihm eingegliedert ist eine Behörde für
Kinder und Familien, die sogenannte Administration for Children & Families (ACF). ACF
ist verantwortlich für Bundesprogramme, die das wirtschaftliche und soziale
Wohlbefinden von Familien, Kindern, Personen und Gemeinschaften fördern. Auch das
Leitbild von ACF orientiert sich daran: „The Administration for Children and Families
(ACF), within the U. S. Department of Health and Human Services (HHS), provides
national leadership and creates opportunities for families to lead economically and socially
productive lives.“ (ACF 2006, Office of Public Affairs)
Die für diese Arbeit wichtigen Programme von ACF sind Child Abuse and Neglect
Prevention (die Verhinderung von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung),
Child Welfare Services and Promoting Safe and Stable Families (das Fördern von
sicheren, stabilen Familien), Foster Care, Adoption Assistance9 und Foster Care
Independent Living Program (vgl. ebd.).
9
Adoption Assistance fördert besonders die Adoption von Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Durch die
Zahlung einer Unterstützungsleistung an die Adoptiveltern, soll eine Anregung zur Adoption geschaffen
werden und die Adoption, als Lösung für Kinder im Pflegekinderwesen, wird durch diese Gelder wesentlich
unterstützt und gefördert.
22
1. Das Pflegekinderwesen der USA
Das Child Abuse Neglect Programm wird auch oft in den Bundesstaaten mit dem Begriff
Child Protective Services (Soziale Einrichtung zum Schutz von Kindern) umschrieben.
Child Protective Service ist eine wesentliche Abteilung in der Jugendfürsorge und sie hat
von Gesetzes wegen den Auftrag eine Gefährdung des Kindeswohls zu erkennen und zu
intervenieren, indem sie die Fähigkeit der Eltern ihre Kinder zu schützen und zu stärken,
oder die Unterbringung in einer anderen Familie veranlasst. Die Philosophie des Child
Protective Services gesteht jedem Kind das Recht zu, in einer sicheren Umgebung
aufzuwachsen, in der es vor Missbrauch und Vernachlässigung beschützt wird (vgl.
Pecora et. al. 2006, S. 142).
Am Beispiel der Organisationsstruktur im Bundesstaat Wisconsin werde ich die
Integration des Child Protective Service in den Gesamtkomplex des Department of Health
and Human Services aufzeigen und die daraus resultierende Arbeitsweise erläutern.
Das Wisconsin’s Child Protective Services Program wird vom Bundesstaat überwacht und
in den 71 Landkreisen von den regionalen Human Service Departments verwaltet. Die
gesamte bundesstaatliche Verwaltung wird von dem Landkreis Milwaukee ausgeführt. Er
hat die Aufgabe, die Programme der einzelnen Landkreise zu überwachen und
sicherzustellen,
dass
die
bundesstaatlich
vorgeschriebenen
Richtlinien
und
Verfahrensabläufe eingehalten werden (vgl. Wisconsin Department of Health & Family
Services 2006).
In dem folgenden Interview-Ausschnitt von Frau Plummer wird die Eingliederung der
Child Protective Services in das Department of Human Services beschrieben. „So the kind
of over all of us is the Dane County Department of Human Services and then underneath
you have child protection, you’ll have foster care is under that same unit, reunification is
under that unit [...] child delinquency is under that unit, so there is lots of little programs
kind of underneath Dane County Department of Human Services.“
Die Aufteilung in verschiedene Abteilungen erfordert eine enge Zusammenarbeit
untereinander und einen ständigen Kommunikationsaustausch. Denn in den Fall einer
Familie sind je nach Situation mehrere Sozialarbeiter aus den verschiedenen Abteilungen
involviert.
1. Das Pflegekinderwesen der USA
23
Nach Frau Plummer sind dies die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit mit
Familien und Kindern. „All of these programs are usually involved with families, I mean
often times you‘ll have a family that, I am maybe the ongoing worker, but the child’s
placed in foster care, so there is a foster care worker as well and [...] this child has also
had a delinquency case, there has been some criminal activity, so there is a delinquency
worker. And so we try to keep in pretty good contact and communication with each other
about what is going on with this family.“
Die Organisationsstruktur der Sozialeinrichtungen ist in den einzelnen Bundesstaaten
verschieden. Department of Health and Human Services gibt es in jedem Staat und je nach
dessen Größe übernimmt eine zentrale Dienststelle die gesamte Verwaltung und
Organisation der Sozialhilfeprogramme, oder die Verwaltung und Organisation wird von
regionalen Einheiten übernommen. In jedem Department of Health and Human Services
gibt es eine Abteilung, die für die Arbeit mit Kindern und Familien verantwortlich ist.
Diese Abteilung ist wiederum in viele einzelne Programme, bzw. Unterabteilungen
aufgeteilt, die z.B. dem Schutz von Kindern gelten, das Pflegekinderwesen organisieren
oder den Erhalt von Familien fördern. Somit können je nach Familiensituation auf eine
Familie mehrere Sozialarbeiter kommen. Dieses geht auch aus dem zweiten InterviewAusschnitt von Frau Plummer hervor.
Um die Organisation des us-amerikanischen Pflegekinderwesens abzurunden, gehe ich im
nächsten Abschnitt auf dessen Finanzierung ein.
1.4.2
Die Finanzierung des us-amerikanischen Pflegekinderwesens
Im Allgemeinen werden die staatlichen Einrichtungen und deren soziale Hilfsprogramme
von bundesstaatlichen Fördermitteln finanziert, die letztendlich aus steuerlichen
Einnahmen des Bundesstaates oder des Staates stammen.
Im Jahr 2007 steht dem Department of Health and Human Services ein Budget von
696.063 Millionen Dollar zur Verfügung. Das zur Verfügung stehende Budget wird auf
übergeordnete soziale Hilfsprogramme aufgeteilt (vgl. Department of Health and Human
Services 2007, Budget In Brief).
1. Das Pflegekinderwesen der USA
24
Die für diese Arbeit relevanten Programme sind Medicaid, für das 28,6 % des Budgets
ausgegeben wird und TANF10, das 2,5% des Geldes erhält (vgl. ebd.). Medicaid, TANF
und das Food Stamp Programm gehören zu den national anerkannten, steuerfinanzierten,
zielgruppenorientierten Sozialhilfeprogrammen der USA (vgl. Backhaus-Maul 1999).
Medicaid gewährt Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, eine minimale,
medizinische Grundversorgung (vgl. ebd.)
Ein Programm, welches ausschließlich für Familien konzipiert wurde, ist das Aid for
Families with Dependent Children (AFDC). Diese Programm wurde 1996 durch das
Temporary Assistance for Needy Families (TANF) ersetzt. Es handelt sich um
Hilfsprogramme der Einzelstaaten, die aus Zuschüssen des Bundes finanziert werden.
„Temporary Assistance for Needy Families (TANF) provides assistance and work
opportunities to needy families by granting states the federal funds and wide flexibility to
develop and implement their own welfare programs.“ (Office of Family Assistance 2007)
TANF ist eine block grant11, dass jedem Bundesstaat und Volksstamm jährlich Kapital zur
Verfügung stellt, um damit Sozialhilfe an Familien, Ausgaben der Verwaltung und soziale
Hilfsprogramme mit der Zielgruppe ‚bedürftige Familien‘ finanzieren zu können. TANF
hat im Gegensatz zum vorherigen Programm AFDC das Ziel, die Leistungsempfänger
wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Sozialhilfe in eine zeitlich begrenzte
Maßnahme zu verwandeln. Die Sozialhilfe, die Familien unter TANF erhalten, ist auf
einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt und nach zwei Jahren sollte ein gesunder
Erwachsener wieder arbeiten (vgl. Office of Public Affairs 2006). Für das Jahr 2007
stehen dem TANF Programm 17.401.575 Dollar zur Verfügung (vgl. Department of
Health and Human Services 2007, Budget In Brief).
Ein weiteres wichtiges soziales Hilfsprogramm für Familien ist das Food-Stamps
Program; es stellt Lebensmittel für bedürftige Menschen bereit. (vgl. Bachhaus-Maul
1999).
10
Temporary Assistance for Needy Families
Eine block grant ist eine große Summe an Geldern, die die us-amerikanische Regierung den
Bundesstaaten für bestimmte Zwecke zur Verfügung stellt. Die Ausgabe der Gelder kann nicht wahllos
erfolgen, sondern sie muss dem staatlich definierten Zweck dienen.
11
1. Das Pflegekinderwesen der USA
25
Die Existenzsicherung durch den Erhalt dieser sozialen Unterstützungsleistungen, ist
jedoch nicht garantiert und die Mehrzahl der Familien lebt unterhalb der offiziellen
Armutsgrenze (vgl. ebd.)
Die eben erwähnten Programme sind Hilfen, die Familien direkt erhalten können; nun
werde ich auf die Verteilung der Gelder für die einzelne Programmen der Jugendfürsorge
eingehen. Das TANF Programm bietet zum einen direkte Sozialhilfe für Familien und
zum anderen werden Gelder aus TANF für die Finanzierung von Programmen, die zur
Unterstützung der Familien dienen, verwendet.
In Punkt 1.4.1 wird bereits die Verantwortung der Abteilung für Familien und Kinder,
ACF für die verschiedensten familiären Hilfsprogramme, erwähnt. ACF beinhaltet auch
das Foster Care Programm, welches den Bundesstaaten ein gewisses Kapital für die
Aufgaben, Verwaltungskosten, Personalkosten, Weiterbildungs- und Ausbildungskosten
des Pflegekinderwesens bereitstellt. Im Jahr 2007 erhält Foster Care, 4.475.000.000 und
Adoption Assistance wird mit 2.027.000.000 gefördert (vgl. ACF Budget Information
2007, ACF 2005- 2007 All- Purpose Table).
Speziell für die Reunification Arbeit stehen seit dem Family Preservation and Family
Support Program von 1993 finanzielle Mittel generell für Family Preservation Service und
damit auch für Reunification Service zur Verfügung. Im Jahr 1997 autorisiert der
Kongress, den Title VI-B, Subpart 2, Promoting Safe and Stable Families, des Social
Security Acts und fügt unter anderem die gezielte Förderung von Reunification Services
hinzu. „Congress clarified that two additional categories of services may be provided with
Title VI-B, Part 2 founds: (1) time-limited reunification service, and (2) adoption
promotion and support services [...]“ (U.S. House of Representatives 2000 zit n.
Freundlich & Wright 2003, S. 62). Das primäre Ziel von Promoting Safe and Stable
Families, ist die Qualitätsverbesserung der sozialen Programme, die der Erhaltung von
Familien dienen. Im Jahr 2007 werden dafür 365 Millionen Dollar über ACF zur
Verfügung gestellt (vgl. ACF Budget Information 2007, ACF 2005- 2007 All- Purpose
Table).
26
1. Das Pflegekinderwesen der USA
Die
Finanzierungsmöglichkeiten
von
Child
Welfare
stetzen
sich
aus
den
unterschiedlichsten Quellen zusammen. Am Beispiel der Jugendfürsorge in Jefferson
County schildere ich die verschiedenen Finanzierungsquellen. Die Informationen über die
Finanzierung erhielt ich während eines Gespräches mit Herrn Ruhelow, der im
Department of Human Services in Jefferson County arbeitet.
Herr Ruhelow beschrieb die steuerlichen Abgaben der Bürger von Jefferson County als
eine Finanzierungsquelle. Zum Beispiel bezahlen die Bürger jährlich eine Grundsteuer an
die Bezirksregion, ein kleiner Teil davon geht an das Department of Human Services.
Human Services in Jefferson County hat ein großes Budget zur Verfügung, ca.13
Millionen Dollar. Einen weiteren Teil erhält Child Welfare in Jefferson County durch
staatliche Unterstützungsleistungen „state aids“, dessen Höhe je nach Population der
jeweiligen Bezirksregion festgelegt wird. Zusätzlich erhalten sie einen geringen Anteil
durch die direkte Abrechnung von Klienten oder Versicherungsgesellschaften.
Die Finanzierung der einzelnen Programme ist sehr komplex und es gibt verschiedene
staatliche Fördermittel oder Subventionen, aus denen sie finanziert werden. Die Gelder
sind jedoch knapp und es sind nicht annähernd genügend finanzielle Mittel vorhanden, um
eine ausreichende Grundversorgung aller US-Amerikaner und eine optimale Qualität der
Sozialarbeit und deren Leistungsangebot zu gewährleisten. Es fehlen z.B. Gelder in der
Aus- und Weiterbildung von Sozialarbeitern und in der Entwicklung von neuen
Programmen. Außerdem werden Sozialarbeiter durch eine zu hohe Anzahl an zu
betreuenden Familien überfordert und können keine intensive, optimale Betreuung
garantieren.
Dieses erste Kapitel verschafft einen Einblick in das Pflegekinderwesen der USA. Es
bildet den Grundstein für meine weiteren Ausführungen. Das nachfolgende Kapitel führt
in die Theorie des Pflegekinderwesens und die darin enthaltenen essentiellen Konzepte,
die für die gesamte USA gelten, ein.
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
2.
Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
2.1
Permanency Planning
27
2.1.1 Definition von Permanency Planning
Permanency Planning ist ein Konzept der Jugendfürsorge, das Kindern das Leben in einer
sicheren, stabilen Umgebung ohne das Eingreifen einer staatlichen, außerfamiliären
Autorität ermöglichen soll. Permanency Planning beinhaltet das Recht eines jeden Kindes
auf ein dauerhaftes zu Hause. Es geht jedoch nicht nur um die Suche nach einem
geeigneten, langfristigen Aufenthaltsort, denn es handelt sich um einen Prozess, der eine
Reihe von Aspekten des Kindes- und Familienwohls miteinschließt (vgl. Freundlich &
Wright 2003, S. V).
Die Autoren Maluccio und Fein (1983) beschreiben ihre Vorstellung von Permanency
Planning. „Permanency Planning is the systematic process of carrying out, within a brief
time-limited period, a set of goal- directed activities designed to help children live in
families that offer continuity of relationships with nurturing parents or caretakers and the
opportunity to establish life- time relationships.“ (zit. n. Maluccio, Fein & Olmstead 1986,
S. 5) Diese Definition betont Aspekte wie den Vorrang von Familien in der kindlichen
Entwicklung, das Verlagen eines jeden
Menschen nach der Zugehörigkeit zu einer
Familie und das Ergreifen von systematischen, zielorientierten und zeitlich begrenzten
Maßnahmen.
Die Autoren Freundlich und Wright (2003) behaupten, dass Permanency Planning sowohl
eine physische, psychische als auch eine gesetzliche Dimension beinhaltet.
Die physische Dimension bezieht sich in erster Linie auf den Aufenthaltsort des Kindes
und auf das gemeinsame Zusammenleben mit einer bleibenden Bezugsperson.
Die psychologische Dimension beinhaltet das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Familie und
die gesetzliche Dimension verweist auf die offiziell anerkannte Gesetzgebung von
Permanency Planning, mit der die physischen und psychologischen Dimension unterstützt
werden (vgl. S. 67 f).
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
28
Permanency Planning wird also von verschiedenen Perspektiven aus betrachtet. Es kann
als eine Philosophie angesehen werden, die die Wichtigkeit eines familiären Umfeldes,
vorzugsweise das der Herkunftsfamilie, für Kinder betont. Die Sichtweise der
theoretischen Perspektive hebt die Stabilität und Kontinuität von Beziehungen für die
Entwicklung von Kindern hervor. Des Weiteren ist Permanency Planning ein Programm,
das sowohl präventiv als rehabilitierend eingesetzt wird und auf einer systematischen
Planung mit spezifischen Zeitgrenzen beruht. Außerdem wird Permanency Planning als
Case-Management Methode verstanden, die bestimmte praktische Strategien in der Arbeit
mit Klienten anwendet. Hierzu gehören unter anderem die Hilfeplanung, die
Netzwerkarbeit und die aktive Beteiligung der Klienten am Entscheidungsprozess.
Ungeachtet der Betrachtungsweise erfordert Permanency Planning in jedem Fall, die
aktive Zusammenarbeit von verschiedenen sozialen Einrichtungen. Die Mitarbeiter von
Child Welfare müssen untereinander eng zusammenarbeiten. Zusätzlich erfolgt eine
Zusammenarbeit mit Anwälten, Richtern und anderen Personen, die in die Arbeit mit
Kindern und Eltern involviert sind, z.B. Therapeuten (vgl. Maluccio, Fein & Olmstead
1986, S. 15 f).
Den Autoren Emlen et.al. (1977) zufolge beinhaltet Permanency Planning die Intention
der Dauerhaftigkeit. Da sich die tatsächliche Entwicklung der kindlichen Lebenssituation
nicht vorhersagen läßt, kann ich die intendierte Dauerhaftigkeit auch nicht garantiert
werden. Das Kind erhält in der Familie einen legalen und im Gegensatz zum
Pflegekinderwesen einen höheren sozialen Status. Der legale Status wahrt und schützt
seine Rechte, fördert seine Interessen und ermöglicht ein Gefühl der Zugehörigkeit (vgl.
nach Maluccio, Fein & Olmstead 1986, S. 4).
In nächsten Abschnitt werden die für Permanency Planning und damit auch für
Reunification bedeutsamen Richtlinien, die durch den AACWA eingeführt und mit den
ASFA verstärkt wurden, näher erläutern.
2.1.2 Die Richtlinien von Permanency Planning und die sich daraus ergebende
Hierarchie
Da jeder Staat seine eigene, individuelle Gesetzgebung und seine eigenen Richtlinien
vorgibt, um die Forderungen aus AACWA und ASFA vollziehen zu können (vgl. Pecora
et. al. 2006, S. 74), werde ich die folgenden Ausführungen sehr allgemein halten.
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
29
Die Richtlinien von Permanency Planning sind unter anderem Reasonable Efforts
(angemessene Bemühungen), festgelegte Zeitgrenzen für die Entwicklung und Umsetzung
eines Permanency Plan (Plan für eine dauerhafte Lösung), Concurrent Planning
(konkurrierende Planung) und die Erhöhung der Adoptionszahlen.
Reasonable Efforts
Reasonable Efforts dienen der Verhinderung der Inpflegegabe und der Wiedervereinigung
von Familien „The ASFA clarified the meaning of reasonable efforts and emphasized
safety by explaining when reasonable efforts should not be made because of risks to the
child’s health and safety12.“ (Humphrey et. al. 2006, S. 114)
Unter bestimmten Umständen ist die Gewährleistung einer angemessenen Bemühung
nicht erforderlich. Generell fällt darunter, das Kind erschwerten Verhältnissen
auszusetzen, z.B. chronischer, gravierender psychischer, physischer und sexueller
Missbrauch oder Aussetzung des Kindes. Des Weiteren können Reasonable Efforts
ausgeschlossen werden, wenn der betroffene Elternteil ein anderes Kind oder den anderen
Elternteil ermordet hat, zu ermorden versucht oder erhebliche körperliche Verletzungen
zugefügt hat. Hierunter fällt auch ein bereits erfolgter Sorgerechtsentzug für ein anderes
Kind der Eltern. Der dritte Aspekt betrifft die Einschätzung des Elternteils in Bezug auf
die Fähigkeit, ein angemessener Versorger für das Kind zu sein, wenn z.B. der betroffene
Elternteil unter einer geistigen Behinderung leidet (vgl. Reich 2005, S. 118 f).
Im Bundesstaat Wisconsin gelten im weitesten Sinne die oben genannten Situationen, in
denen die Hilfestellung bei der Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie abgelehnt
werden kann (vgl. NCSL 2001, Clarification of Reasonable Efforts, Wisconsin).
Der Staat Kalifornien fügte zu diesen allgemeinen Ausnahmen noch einige weitere hinzu
und spezifizierte sie. Von allen Staaten führt Kalifornien die meisten Gründe für eine
Verweigerung der Dienstleistung an. Zum Beispiel kann einem Elternteil eine
Rückführung des Kindes von vornherein untersagt werden, wenn er unter einer geistigen
Behinderung leidet, und somit eine angemessene Versorgung des Kindes nicht
sichergestellt ist. Außerdem kann einem chronisch suchtkranken Elternteil, der trotz
vorangegangener Suchtbehandlung nicht geheilt worden ist, die Dienstleistung für die
Rückführung des Kindes verweigert werden (vgl. NCSL 2001, Clarification of Reasonable
Efforts, California).
12
42 U.S.C. Sect. 671(a)(15)(B)(D), 2000
30
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
Diese gesetzlich festgehaltenen Ausnahmen für Resonable Efforts sind nicht bindend. Ein
Richter kann im Einzelfall die Dienstleistung für Reunification anordnen, wenn er der
Meinung ist, dass die Rückkehr des Kindes die beste Option sei (vgl. Reich 2005, S. 119).
Festgelegte Zeitgrenzen
Permanency
Planning
unterliegt
festen
Zeitgrenzen.
Die
Intention
ist
es,
Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Finden eines dauerhaften Aufenthaltsortes für
Pflegekinder erleichtert und beschleunigt. Die Erstellung eines Permanency Plan und die
Vorstellung dieses Planes in einem Permanency Hearing wird zu einer wesentlichen
Aufgabe der Mitarbeiter in der Jugendfürsorge. Das Permanency Hearing ist eine
Anhörung vor Gericht und findet dem P.L. 105-89 zufolge, 12 Monate nach der
Inpflegegabe statt. Dort wird entschieden, ob eine Rückführung in die Herkunftsfamilie
stattfinden soll oder ob ein anderer dauerhafter Aufenthaltsort für das Kind gefunden
werden soll.
Concurrent Planning
Concurrent Planning ist eine Methode, bei der zwei Strategien gleichzeitig verfolgt
werden. Zu Beginn der Inpflegegabe des Kindes werden zwei Pläne entwickelt. Der eine
unter dem Aspekt der Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie; der andere
beinhaltet die gezielte Suche nach einem anderen langfristigen Lebensraum für das Kind.
Die meisten Sozialarbeiter, die heute mit dieser Methode arbeiten, favorisieren die
Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie. Der andere Plan dient als Alternative und
ermöglicht schnelles Handeln, sollte die Rückführung nicht möglich sein. Damit wird
verhindert, dass das Kind unnötige Zeit in der Pflegefamilie verbringt. Den Bundesstaaten
wird das Einführen dieser Methode freigestellt, sie wird jedoch in vielen Bundesstaaten in
die Gesetzgebung mit aufgenommen, z.B. Wisconsin und Connecticut (vgl. Westat et. al.
2001, Chapter 3, Appendix A, State WI bzw. CT).
Erhöhung der Adoptionszahlen
Ist eine Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie nicht möglich und die Adoption
eine mögliche Alternative, dann soll der Entzug der elterlichen Sorge zügiger als bisher
geschehen.
31
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
„Under the ASFA, states must file for TPR13 when child has been in foster care for 15
months of the most recent 22 months [...]“ (Humphrey et. al. 2006, S. 114).
Mit dieser Regelung soll ein schnellerer und unkomplizierterer Adoptionsverlauf
ermöglicht werden. Und sie beinhaltet die Hoffnung, wesentlich mehr Kinder in ein
dauerhaftes zu Hause vermitteln zu können.
Aus den verschiedenen Optionen von Permanency Planning hat sich eine Hierarchie
entwickelt, die auch durch die Bundesgesetze P.L. 96-272 und P.L. 105-98 unterstützt
wird. Zunächst einmal soll versucht werden, die Herausnahme des Kindes aus seiner
Familie durch ein vielfältiges Angebot an Unterstützungsprogrammen zu verhindern. Ist
eine Fremdplatzierung nicht zu verhindern, sollte diese möglichst bei Verwandten
erfolgen, oder in einer Pflegefamilie, die sich so nah wie möglich am Wohnort der
Herkunftsfamilie befindet, um unter anderem den Besuchskontakt zwischen leiblichen
Eltern und Kind zu erleichtern. Eine Rückführung in die Herkunftsfamilie soll zu dem
führest möglichen Zeitpunkt geschehen und in einem Nachbetreuungsprogramm soll die
Familie Unterstützung erhalten, um eine erneute Herausnahme des Kindes zu verhindern.
Ist eine Rückführung in die Herkunftsfamilie nicht möglich, wird Kinship Care als eine
dauerhafte Option für das Kind angesehen und die Verwandten sollen die gesetzliche
Vormundschaft erhalten. Wenn dieses keine mögliche Alternative für das Kind ist, wird
eine Adoption von Nichtverwandten, vorzugsweise von der Pflegefamilie, oder einer
Familie mit gleichem ethnischen und kulturellen Hintergrund angestrebt. Ist die Adoption
für das Kind auszuschließen, wird Long-Term Foster Care, oder je nach Alter des Kindes,
die Aufnahme in das Independent Living Program angestrebt. Als letzte Möglichkeit
bleibt die langfristige Unterbringung in einer Heimeinrichtung (vgl. Maluccio, Fein &
Olmstead 1986, S. 47 f).
Die ursprüngliche Intention der Permanency Planning Bewegung war es, die Anzahl der
Pflegekinder zu minimieren und Stabilität und Kontinuität im Leben der Pflegekinder,
besonders durch die Adoption, einzuführen. Mit der Weiterentwicklung von Permanencey
Planning
werden
nun
nicht
nur
Rehabilitationsmaßnahmen,
sondern
auch
Präventionsmaßnahmen miteinbezogen. „[...] indeed, prevention is being regarded more
and more as the primary goal of permanency planning.“ (ebd., S. 21)
13
terminating parental rights (Entzug der elterlichen Sorge)
32
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
In der modernen Jugendfürsorge drückt sich Permanency Planning in verschiedenen
Optionen aus. Die verschiedenen Optionen sind unter anderem Family Preservation,
Family Reunification, Kinship Care, Adoption und Legal Guardianship.
Legal Guardianship ist ein gesetzliches Mittel, mit dem eine erwachsene Person die
elterliche Verantwortung für ein Kind übernehmen kann ohne den Eltern ihre Rechte
vollständig zu entziehen. In den Bundesstaaten findet Kinship Care als eine Form von
Permanency Planning immer mehr Anwendung (vgl. Fein & Maluccio 1992, S. 340).
Im Jahre 1997 wurde mit dem ASFA ein zeitlich begrenzter Family Reunification Service
als eine Kategorie von Family Preservation hinzugefügt (vgl. Humphrey, Turnbull A. &
Turnbull H. 2006, S. 114).
Die genaue Bedeutung und das Konzept von Family Reunification wird im folgenden
Absatz beschrieben.
2.2
Reunification
2.2.1 Definition Reunification
Die Rückführung in die Herkunftsfamilie wird in den USA als wünschenswerter Austritt
aus dem Pflegeverhältnis angesehen und sie stellt eine wesentliche Komponente der
Philosophie und der Ausübung von Permanency Planning dar.
Vereinfacht ausgedrückt bezieht sich Reunification im Pflegekinderwesen der USA auf
die Rückführung der Pflegekinder in ihre Herkunftsfamilien. Dabei ist zu bedenken, dass
Reunification kein einmaliger Vorgang ist, sondern ein Prozess ist. Dieser Prozess
beinhaltet die Reintegration des Kindes in die Familie und in ein familiäres Umfeld, das
sich nach der Herausnahme des Kindes erheblich geändert haben kann (vgl. Wulczyn
2004, S. 99). Family Reunification umfasst nicht nur den Prozess der Rückführung des
Kindes in die Herkunftsfamilie, sondern es ist ein ganzes System von Richtlinien,
Strategien,
Programmen
und
Dienstleistungen,
das
allesamt
dem
Zweck
der
Zusammenführung von Familien dient.
Ursprünglich basiert die Ausübung von Reunification auf einer entweder/oder
Orientierung, die auch durch gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere Concurrent
Planning befürwortet wird. Diese Betrachtungsweise von Reunification ist zu sehr
vereinfacht und spiegelt nicht die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Familien
wider (vgl. Pecora et.al. 2006, S. 331)
33
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
Die Autoren Pine, Warsh und Maluccio (1993) finden es erforderlich, Reunification neu
und weitgefasster zu definieren. Der Ansatz von Reunification wird von den Autoren in
seiner Dynamik und Flexibilität erfasst, indem die individuellen Bedürfnisse von Kindern
und Familien wahrgenommen werden. Reunification ist somit der geplante Prozess, der
die Verbindung von Pflegekindern mit ihren Familien neu herstellt. Erreicht werden soll
dies durch verschiedene Dienstleistungen und Unterstützungsprogramme, die dem Kind,
der Herkunftsfamilie und den Pflegefamilie angeboten werden. Diese zielen darauf ab, zu
jedem Zeitpunkt die optimale Ebene der Verbindung zwischen Herkunftseltern und Kind
zu ermöglichen. Die optimale Ebene der Verbindung erstreckt sich über die
Wiedereingliederung des Kindes in das ursprüngliche Familiensystem bis zu anderen
Formen des Kontakts, wie z.B. Besuchskontakte, die dazu beitragen, dass das Kind ein
Mitglied seiner Familie bleibt (vgl. Maluccio, Warsh & Pine 1991, S. 6).
Diese erweiterte Betrachtungsweise von Reunification betont die Wichtigkeit der
Erhaltung und Förderung der Verbundenheit zwischen Pflegekind und leiblichen Eltern.
Zur gleichen Zeit wird realisiert, dass nicht alle Herkunftseltern eine gute Versorgung
ihrer Kinder gewährleisten können und obwohl Familien nicht zusammen leben, können
ihre verwandtschaftliche Verbindung aufrechterhalten werden. „In short, reunification can
take place in a variety of ways besides physical reconnection.“ (vgl. ebd., S. 6)
Auch die Autoren Petr and Entriken (1995) greifen auf, dass Reunification neben der
physischen Wiedereingliederung in die Familie, eine emotionale Verbindung mit der
Familie und die Wiedereingliederung in das ursprüngliche soziale Umfeld miteinbezieht.
Die Integration in das soziale Umfeld ist besonders wichtig für Kinder, die außerhalb ihres
Wohnortes untergebracht sind, denn stabile Beziehungen zu Freunden, Nachbarn und
Lehren
können
ebenso
bedeutsam,
wie
die
Beziehung
zu
den
einzelnen
Familienmitgliedern, sein. Die Wiederherstellung oder Erhaltung der emotionalen
Verbindung mit der Herkunftsfamilie schließt unter anderem Familienberatung,
Familientherapie und die Kontakterhaltung durch Anrufe, Briefe und Besuche mit ein. Der
Erhalt der emotionalen Verbindung zu den Herkunftseltern ist auch wichtig, wenn eine
physische Rückkehr in die Familie nicht möglich ist (zit. n. Petr 1998, S. 146).
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
34
In meinen Aussagen über Reunification beziehe ich mich hauptsächlich auf die Form von
Reunification, die eine physische Rückkehr des Kindes in die Familie miteinschließt.
Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Hauptbetonung immer auf dem Wohl und der
Sicherheit des Kindes liegt. Besteht eine Gefährdung des Kindes, dann wird eine
Rückführung in die Herkunftsfamilie nicht stattfinden.
2.2.2 Richtlinien von Reunification
Aus der erweiterten Definition von Family Reunification ergeben sich einige wichtige
Prinzipien, die das Fundament für die Entwicklung von Richtlinien, Strategien und
Programmen bilden (vgl. Warsh, Pine & Maluccio 1996, S. 8).
Family Reunification unterliegt der Annahme, dass die meisten Herkunftseltern durch
entsprechende Anleitung und Unterstützung eine angemessene Versorgung und Erziehung
ihrer Kinder sicherstellen können. Reunification respektiert die Verschiedenartigkeit der
Menschen, ihre kulturellen, ethnischen und religiösen Unterschiede (vgl. ebd., S.8).
Das Ziel der Rückführung soll bei jedem Pflegekind systematisch in Betracht gezogen
werden, um einen möglichst frühzeitigen Beginn der Planung und Umsetzung zu
ermöglichen. Wichtig ist die Dynamik des Prozesses, in dem die sich ändernden
Bedürfnisse und Potenziale von Familien und Kindern berücksichtigt werden müssen. Das
bedeutet zum Beispiel, dass während dieses Prozesses jederzeit die angemessenste Ebene
der Verbindung zwischen Kindern und Herkunftseltern ermittelt und umgesetzt werden
soll, dabei spielen Besuchskontakte eine wesentlich Rolle. Des Weiteren wird eine
Zusammenarbeit von allen Beteiligten im Reunification Prozess vorausgesetzt, z.B. von
Richtern, Anwälten, Sozialarbeitern, Therapeuten, Pflegeeltern und Herkunftseltern. Nach
der Rückführung haben viele Familien noch einen erheblichen Bedarf an Unterstützung.
Die Unterstützungsleistungen der Sozialeinrichtungen sollten der Familie solange zur
Verfügung stehen, bis der Verbleib in der Herkunftsfamilie sichergestellt ist (vgl. ebd.,
S.8).
Die Konzepte Permanency Planning und Reunification basieren auf verschiedenen Werten
und theoretischen Ansätzen. Im nächsten Abschnitt wird erläutert inwieweit sich die
Ausübung von Permanency Planning und Reunification auf die Bindungstheorie stützt.
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
2.3
35
Die Argumente der Bindungstheorie in den Konzepten Permanency
Planning und Reunification
Das Aufwachsen des Kindes in einer stabilen, sicheren Familie nimmt einen großen
Stellenwert in der us-amerikanischen Gesellschaft ein und dessen Bedeutsamkeit für die
kindliche Entwicklung wird unter anderem mit der Bindungstheorie begründet.
Die zentrale These der Bindungstheorie besagt, dass die unangefochtene Beständigkeit
einer Bindung, die Quelle der psychischen Sicherheit ist. Die Bindungstheorie geht davon
aus, dass mit der Entstehung einer Bindung zu einer bleibenden Bezugsperson die
Grundlage für die Fähigkeit im Erwachsenenalter gelegt wird, stabile und intime
Beziehungen aufrechterhalten zu können. Die Bindung, die ein Kind zu seiner primären
Bindungsperson entwickelt, beeinflusst somit erheblich die emotionale und soziale
Entwicklung des Kindes. Für eine gesunde Entwicklung des Kindes ist die Beständigkeit
der Bindung, mit möglichst wenig erlebten Beziehungsbrüchen, bedeutsam. Da sich
bereits im Laufe des ersten Lebensjahres eine Bindung zu einer primären Bezugsperson
bildet, soll diese auch möglichst bewahrt werden. Die primären Bindungspersonen sind für
die meisten Kinder die biologischen Eltern. Diese Bindung entwickelt sich aus der
Interaktion zwischen den Eltern und dem Kind und aus dem Eingehen der
Bindungspersonen auf die Bedürfnisse des Kindes. Hat sich diese Verbindung erstmal
entwickelt, kann sie nicht mehr so leicht aufgelöst werden (vgl. Grossmann & Grossmann
2004). Hieraus wird die Bedeutsamkeit der biologischen Eltern für das Kind abgeleitet.
Eine weitere zentrale Erkenntnis der Bindungstheorie ist, dass Bindung sich bei einer
Trennung von der Bindungsperson in seelischem und körperlichem Leid ausdrückt. „The
seperation of children from their primary attachment figure arouses feelings of anxiety and
loss. If the seperation is prolonged, these feelings may create psychological
disorganisation and depression.“ (Palmer 1995, S. 19)
Das Wissen über den Schmerz, den zwei aneinander gebundene Personen bei einer
Trennung verspüren, hilft den Sozialarbeitern das Verhalten von Pflegekindern und
Herkunftseltern nach einer Herausnahme besser zu verstehen. Aus diesem Verständnis
und Wissen heraus entwickeln sich Bewältigungsstrategien, die den Kindern und Eltern
nahe gebracht werden, um das seelische und körperliche Leiden zu mindern.
Beispielsweise sollen Eltern die Kinder über die Gründe der Fremdplatzierung aufklären
und Zukunftspläne mit ihnen teilen (vgl. ebd., S. 43 ff).
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
36
Die Autoren Thomas und Rutter (1978) beobachten die Reaktionen von Pflegekindern auf
die Trennung von ihren Eltern. In einer ersten Phase ist keine Reaktion auf die Trennung
zu beobachten, die Kinder passen sich an ihre neue Umgebung an. Die nachfolgende
Protestphase ist geprägt von Gefühlen der Angst, Wut, Trauer und der Sehnsucht nach
dem verlorenen Elternteil. Führen diese Verhaltensweisen nicht zur erwünschten
Wiedervereinigung, setzt eine Phase der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ein. In
dieser Phase wird nicht mehr das Suchen nach der Bezugsperson fokussiert. Es geht viel
mehr darum, die Gefühle des Schmerzes und des Verlustes auszudrücken. In einer letzten
Phase findet die Gewöhnung an die Situation statt und das Kind lässt eine Bindung zu den
Pflegeeltern zu. „The primary indicator of this phase is the child’s seeking of new
relationships and the emotional investment in them.“ (Thomas & Rutter 1978 zit. n. Hess
1982, S. 49 f)
Nach der Autorin Palmer (1995) durchleben viele Pflegekinder diese Phasen nicht bewusst
und es erfolgt eine schnelle Loslösung von den Eltern (vgl. S. 44).
Die Reunification Arbeit versucht diesen Loslösungsprozess zu verhindern und die
Bindung von Eltern und Kind während der Fremdplatzierung aufrecht zu erhalten. Ist eine
Bindung bereits geschädigt, besteht die Aufgabe von Reunification in dem Wiederaufbau
der Bindung zwischen Eltern und Kind. Wichtig ist hierbei das Wissen über die Gründe,
die eine Loslösung der Pflegekinder von ihren Eltern bewirken.
Das bewusste Erleben von Schmerz und Trauer nach einer Trennung zeugt von
emotionaler Gesundheit, denn es reflektiert eine starke Bindung an die Eltern und die
Fähigkeit, den Schmerz zuzulassen und nicht zu unterdrücken (vgl. Palmer 1995, S. 21).
Aus verschiedenen Gründen sind diese Voraussetzungen bei Pflegekindern oft nicht
gegeben und sie erleben das seelische und körperliche Leid nicht bewusst oder sie sind
nicht in der Lage, ihre Gefühle auszudrücken. Ein Grund ist, z.B. die gleichzeitige
Konfrontation eines Pflegekindes mit der Trennung von den Eltern und einer neuen
Umgebung mit fremden Personen. Dies kann zu einer Überwältigung führen, in der die
Kinder nicht in der Lage sind, den Trennungsschmerz zuzulassen und zu erleben. Des
Weiteren wachsen Kinder in den Herkunftsfamilien nicht unter idealen Bedingungen auf
und haben oft auch unsichere Bindungsmuster zu ihren Eltern entwickelt. Die Kinder
lernen durch angstvolle, traumatische Erlebnisse, z.B. durch Misshandlung, dass sie wenig
Einfluss auf äußere Ereignisse haben und sehen deshalb keinen Sinn darin, ihre Gefühle
auszudrücken. Diese Gründe scheinen bei den Pflegekindern eine frühzeitige Ablösung
2. Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
37
von den Herkunftseltern zu bewirken und erklären das ambivalente Verhalten von Wut
und Sehnsucht gegenüber ihren Eltern (vgl. ebd. S. 46 f).
Mit der Bindungstheorie wird einerseits die Wichtigkeit von beständigen Beziehungen
und die Rolle der biologischen Eltern, zu denen bereits eine Bindung besteht, für die
kindliche Entwicklung begründet. Andererseits erklärt die Bindungstheorie den
körperlichen und seelischen Schmerz, der bei der Trennung von aneinander gebundenen
Personen erlebt wird. Insbesondere bei Pflegekindern können die Trennung von den Eltern
und die zusätzlich neue Lebenssituation in einer fremden Umgebung traumatische
Auswirkungen haben und eine gesunde kindliche Entwicklung gefährden. Mit dem
Wissen aus der Bindungstheorie über Bindungsdynamiken, Bindungsverhalten und
Trennung können die Sozialarbeiter die Bedürfnisse der Kinder besser erfassen und den
Auswirkungen einer Trennung von den Eltern und einer Fremdplatzierung auf das
kindliche Wohlbefinden und die kindliche Entwicklung eindämmen.
Diese Erkenntnisse flossen in das Konzept Permanency Planning ein und bildeten die
Grundlage für die in Punkt 2.1.2 beschriebene Hierarchie von Permanency Planning. Die
Gefährdung des Kindeswohls wird mit der Gefahr eines traumatischen Erlebnisses
abgewogen, das durch eine Trennung von den Eltern ausgelöst werden kann. Besteht
keine unmittelbare Gefahr für das Kind, wird mit Hilfe von präventiven Family
Preservation Programmen versucht, die Familiensituation ohne eine Herausnahme des
Kindes zu verbessern. Ist eine Fremdplatzierung nicht zu verhindern, wird die
Rückführung in die Herkunftsfamilie bevorzugt, um eine bereits bestehende Eltern-KindBindung zu bewahren. Ein Großteil der Reunification Arbeit besteht in der Anwendung
von Strategien, die das traumatische Erlebnis einer Trennung von den leiblichen Eltern
mindern, indem die Bindung und der Kontakt von Eltern und Kind aufrechterhalten
werden. Kann eine Herkunftsfamilie die Sicherheit des Kindes nicht gewährleisten, wird
die Adoption bevorzugt, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, neue, beständige,
lebenslange Bindungen aufzubauen und sich in einer sicheren Umgebung entwickeln zu
können.
Den Prozess, den Pflegekinder im Child Welfare System und während einer Rückführung
durchleben, wird im nächsten Kapitel beschrieben.
38
3. Der Prozess der Rückführung
3.
Der Prozess der Rückführung
3.1
Der Ablauf bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls
Die Abbildung 5 gibt einen groben Überblick über den Ablauf der Prozesse im Child
Welfare System bei der Gefährdung des Wohl des Kindes, beginnend bei der Äußerung
eines Verdachtes.
Ein Verdacht über die Gefährdung des Wohl des Kindes geht in der Intake Unit
(Aufnahmeabteilung) des Child Protection Services ein. Diesem Verdacht wird entweder
nachgegangen (Screen In) und näher untersucht (Investigation), oder der Verdacht reicht
nicht aus um eine Untersuchung zu veranlassen (Screen Out). Kann der Verdacht der
Kindeswohl-Gefährdung auf konkrete Beweise gestützt werden, reicht der Child
Protective Service, nach Aussagen der Sozialarbeiterin Frau Plummer, bei Gericht eine so
genannte CHIPS Petition (Klageschrift) ein. CHIPS Petition bedeutet, Child in need of
Protective Services. Dem Gericht wird dargelegt, warum die Familie in die Programme
des Child Protective Services involviert werden muss. Die Eltern können der Klageschrift
zustimmen oder sie können Widerspruch einlegen. Bei einem Widerspruch wird dann in
einem Prozess durch einen Richter oder Geschworene entschieden, ob eine tatsächliche
Gefährdung des Kindeswohls besteht und die Involvierung des Child Protective Services
notwendig ist. Somit wird aus der CHIPS Petition eine Anordnung vom Jugendgericht,
CHIPS Order. Im Idealfall erfolgt die Involvierung des Child Protective Services ohne die
Herausnahme des Kindes. Ist die Sicherheit des Kindes in der Familie nicht gewährleistet,
wird eine Fremdplatzierung des Kindes veranlasst. Frau Plummer berichtete mir, dass die
Entscheidung über den Verbleib des Kindes in der Intake Unit getroffen wird. Das
Jugendgericht segnet die Herausnahme des Kindes ab und bestimmt die Art der
Fremdplatzierung. Eine Anhörung über den Verlauf des Falles und die Fortschritte findet
alle sechs Monate statt. Nach zwölf Monaten wird in der so genannten Permanency
Hearing (Anhörung) festgestellt, ob die Herkunftseltern die Bedingungen für die Rückkehr
des Kindes erfüllt haben bzw. dabei sind diese zu erfüllen oder ob der Entzug des
elterlichen Sorgerechts in Betracht kommt. Die gerichtlichen Auflagen, die die Eltern
erfüllen müssen, sind in der CHIPS Order festgehalten.
Diese
beinhalten
z.B.
die
Teilnahme
an
einer
Suchttherapie,
Aggressionstraining und/oder einem Elterntraining (vgl. Reich 2005, S. 118)
einem
Anti-
39
3. Der Prozess der Rückführung
Gemeldeter Verdacht der Kindesmisshandlung
Aufnahme in der Intake Unit
Screen Out
(Ausschluss des
Verdachtes)
Screen In
(Vedacht
nachgehen)
Investigation
(Untersuchung)
Verdacht kann nicht auf
konkrete Beweise gestützt
werden
Verdacht wird auf
Beweise gestützt
CHIPS Petition/
Eltern stimmen
Klageschrift zu
CHIPS ORDER/
Anordnung durch das
Jugendgericht
In-home Family
Service
Herausnahme und
Fremdplatzierung
Bewertung des
In-home Service
Anhörung vor Gericht über den Verlauf
des Falles nach 6 Monaten
Permanency Hearing nach 12 Monaten
Erfüllung des Reunification
Plan
Nichterfüllung des
Reunification Plan
Rückkehr des Kindes
Entzug der elterlichen Sorge
Abbildung 5: Der Ablauf bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls
40
3. Der Prozess der Rückführung
Eine genaue Beschreibung der einzelnen Abläufe erfolgt im nächsten Abschnitt anhand
der Vorgehensweise im Bundesstaat Wisconsin.
3.2
Detaillierte Beschreibung der Arbeitsschritte des Child Protective
Services am Beispiel des Wisconsin Model Workflow
Die nachfolgende Darstellung läuft in ähnlicher Weise auch so in den restlichen
Bundesstaaten der USA ab. Da ich genauere Informationen über den Ablauf in Wisconsin
habe, beziehe ich mich auf diesen Bundesstaat.
In Wisconsin wird ein spezielles Modell angewendet: The Wisconsin Model Workflow.
Es legt eine spezifische Struktur für das Sammeln, Organisieren und Beurteilen relevanter
Informationen in Fällen des Child Protective Services fest. Der detaillierte Arbeitsablauf
des Child Protective Services in Wisconsin kann im Anhang B I und B II nachgelesen
werden.
Vereinfachte
Darstellung
des
Interventionsverlaufs
bei
einer
Gefährdung
des
Kindeswohls:
Intake Initial Assessment Family Engagement and Assessment Case Planning Case Progress Evaluation Final Family Assessment and Case Closure
Intake (Aufnahme):
Die Äußerung eines Verdachtes auf Gefährdung des Kindeswohls wird in der Intake Unit
von
Sozialarbeitern
aufgenommen
und
überprüft.
Die
Berichte
über
die
Verdachtsmomente der Kindesmisshandlung bzw. Vernachlässigung stammen zumeist
von Krankenhäusern, Schulen, der Polizei oder von anderen Personen, z.B. Nachbarn oder
Verwandten der Familie.
Die Aussagen von Frau Plummer verdeutlicht den Ablauf, der sich in der Intake Unit
vollzieht: „[...] in intake they receive calls, which are basically reports from outside
people, to report child abuse or neglect so that call is either screened in or screened out,
so that is kind the next step. If it is screened in than there is an investigation [...].“
Die Intake Unit entscheidet somit darüber, welchem Verdacht nachgegangen wird.
Entspricht der Verdacht, der gesetzlichen Definition von Kindesmisshandlung bzw.
Vernachlässigung, dann muss eine Untersuchung 24 Stunden nach Eingang des Verdachts
beginnen und innerhalb von 60 Tagen zum Abschluss kommen (vgl. Wisconsin
Department of Health & Family Services 2006).
3. Der Prozess der Rückführung
41
Initial Assessment (erste Einschätzung) / Investigation (Untersuchung):
Die Hauptaufgabe der Intake Unit besteht in der Untersuchung und dem Finden von
Beweisen für die Gefährdung des Kindeswohls. Für die Autoren Pecora et. al. (2006) sind
die Informationen, die von den Mitarbeitern der Intake Unit gesammelt werden,
wesentlich für den Entscheidungsprozess und die weitere Vorgehensweise des Child
Protective Services. Intake ist: „[...] one of the most important decision-making points in
the child welfare delivery system.“ (Pecora et. al. 2006, S. 145)
Der Sozialarbeiter bildet sich ein Urteil über die Lebensumstände des Kindes, das
emotionale Befinden der Eltern und des Kindes, den Schweregrad der Verletzung, die
Sicherheit des Kindes und das zukünftige Risiko einer erneuten Misshandlung oder
Vernachlässigung. Die Bewertung und Beurteilung muss in Übereinstimmung mit den
Untersuchungstandards des Wisconsin Department of Health and Family Services
erfolgen (vgl. Wisconsin Model Implementation, S. 2).
Ist eine Involvierung des Child Protective Services notwendig, wird der Fall an so
genannte Ongoing Social Worker (Hauptbezugs-Sozialarbeiter) weitergeleitet, die Family
Engagement and Assessment durchführen.
Family Engagement (Einbeziehung der Familie) and Assessment (Einschätzung):
In der Phase Family Engagement besteht die Hauptaufgabe des Ongoing Social Worker
darin, eine Beziehung zu der Familie aufzubauen. Diese ist wichtig, um eine Veränderung
der Familiensituation zu unterstützen, die Familie in die weitere Planung zu integrieren
und Familien mit der Angliederung an Ressourcen zu helfen (vgl. ebd., S. 4). Der Ongoing
Social Worker arbeitet mit der Familie und dem Kind und ist bis zur Schließung des Falles
involviert.
Frau Plummer ist ein Ongoing Social Worker und hat die Verantwortung für 15 Familien,
mit denen sie sich bis zu zweimal im Monat trifft. Wenn das Kind fremdplatziert ist, muss
sie sich regelmäßig mit den Pflegeeltern, dem Kind und den Herkunftseltern treffen. Ihre
Haupttätigkeit richtet sich jedoch auf die Sicherstellung des Wohls und den Schutz des
Kindes sowie die Verbesserung der Verhältnisse in der Herkunftsfamilie. Sie bezeichnet
Ongoing Social Worker als ‚the family‘s social worker‘. Sie sind sehr in das Leben ihrer
Familie involviert sind und wissen über Vorgänge in der Familie Bescheid.
3. Der Prozess der Rückführung
42
In dieser Phase ist ein Angebot von allen möglichen Lösungen für das Kind unabdingbar.
Der Möglichkeiten des Verbleibs des Kindes müssen individuell festgelegt werden.
Hierbei stehen mehrere Alternativen zur Auswahl, z.B. Verbleib des Kindes in der
Herkunftsfamilie, Reunification, Adoption. Das weitere Vorgehen und die Ziele werden in
einem Hilfeplan mit den benötigten Hilfsmitteln und Ressourcen festgehalten (vgl. ebd., S.
6).
Case Planning (Hilfeplanung) und Case Progress Evaluation (Evaluation der Fortschritt):
In diesem Vorgang werden jeweils individuelle Pläne für die einzelne Familie entworfen
und der Verlauf und Fortschritt der Entwicklung der Familie evaluiert, gemessen und
dokumentiert (vgl. ebd., S. 6).
Final Family Assessment and Case Closure:
Final Family Assessment and Case Closure ist der letzte Schritt. Diese Phase beinhaltet
eine letzte Beurteilung der Familiensituation und die Abschließung des Falles
(vgl. ebd., S. 6).
Inwieweit der genaue Ablauf des Reunification Prozesses in den allgemeinen Ablauf des
Child Welfare Systems hineinspielt wird im folgenden Abschnitt beschrieben. Des
Weiteren erfolgt eine detailliert Darstellung der Vorgänge im Reunification Prozess.
3.3
Der Reunification Prozess
Reunification wird in der Phase von Family Engagement and Assessment als eine
mögliche Option festgestellt. In einer Befragung von Mitarbeitern der Jugendfürsorge
erfährt Westat14 et. al. (2001), dass Reunification häufig als die erste Option für Kinder
angestrebt wird (Chapter 3, 3). Im Jahr 2005 ist für 262.706 Pflegekinder die Rückführung
vorgesehen, dieses entspricht einem prozentualen Anteil von 51% (vgl. U.S. Department
of Health and Human Services et. al. 2005).
14
Westat ist ein eigenständiges Forschungsinstitut, die im Auftrag der us-amerikanischen Regierung, sowie
im Auftrag von Firmen und Stiftungen handelt (vgl. Westat, 2007).
3. Der Prozess der Rückführung
43
Der genaue Ablauf, die Vorgehensweisen und die Voraussetzungen für Reunification
werden in der Phase der Hilfeplanung bestimmt. Dort sind unter anderem auch die
gerichtlich festgelegten Bedingungen und Auflagen enthalten.
Die Erfüllung und Einhaltung der Auflagen des Gerichtes sind die Voraussetzung für die
Bewilligung der Rückführung des Kindes. Das Gericht sieht in den meisten Fällen eine
Nichterfüllung der Bedingungen als die Unfähigkeit zur Elternschaft oder als die fehlende
Bereitschaft zur Elternschaft an (vgl. Reich 2005, S. 225).
Der erste Schritt in die Richtung der Rückführung des Kindes ist die Erhaltung von einem
zeitlich befristeten Reunification Service (vgl. ebd., S. 122). „Reunification services are
limited to 15 months, beginning on the date the child enters out-of-home placement.
Services may include (a) individual, group, and family counseling; (b) substance abuse
treatment [...] 15“(Humphrey et. al. 2006, S. 114). Basierend auf der Empfehlung und dem
Bericht des Sozialarbeiters über den Fortschritt der Herkunftseltern trifft der Richter die
Entscheidung über die gelungene Rehabilitation der Eltern und die eigentliche
Rückführung kann durch langsame Steigerung der Besuchszeiten beginnen (vgl. Reich
2005, S. 222). Die konkrete Reunification Arbeit wird je nach Bundesstaat und
Vorgehensweisen in den verschiedenen Bezirken von unterschiedlichen, speziellen
Einheiten oder privaten Sozialeinrichtungen oder von den Ongoing Social Worker selbst
übernommen. Grundsätzlich wird in traditionelle Reunification Arbeit und intensive,
spezifische Reunification Programme unterschieden. „Some agencies have implemented
intensive reunification programs within their foster care units. [...] smaller caseloads and
flexible funding to provide additional services to the birth family to return children home
more quickly.“ (Westat et. al. 2001, Chapter 2, 2.3) Die unterschiedlichen Arbeitsweisen
und Reunification Programme werden in Kapitel 5 näher erläutert.
Im Folgenden gehe ich auf die Phasen ein, die während eines Reunification Prozess
durchlaufen werden. In dem Artikel „Believing in Families“ von Zamosky et. al. (1993)
werden die Phasen ausführlich beschrieben. Die Autoren beschreiben Reunification als
einen komplizierten Prozess, der eine gewisse Strukturierung braucht, um die Ziele nicht
aus den Augen zu verlieren. Für sie besteht der Reunification Prozess aus drei Phasen, die
fließend ineinander übergehen. Jede Phase spielt bis zum Abschluss von Reunification
15
42 U.S.C. Sect. 629a(a)(7)(B), (2000)
44
3. Der Prozess der Rückführung
eine wichtige Rolle. Die Phasen enthalten jeweils wichtige Elemente, auf die der
Schwerpunkt gelegt werden sollte (vgl. S. 166).
Erste Phase: Bridging
Die erste Phase bezeichnen sie als Bridging, in der eine Brücke zwischen der
Pflegefamilie und der Herkunftsfamilie geschlagen werden soll. Der verantwortliche
Sozialarbeiter trifft sich zunächst einmal mit beiden Familien unabhängig voneinander.
Dann arrangiert er einige Treffen mit beiden Familien zusammen und schafft die
Grundlage für die Entstehung einer Beziehung zwischen ihnen. Es soll ein
Informationsaustausch
zwischen
den
Familien
stattfinden.
Anfangs
kann
der
Sozialarbeiter als Vermittler fungieren, aber zur gegebenen Zeit sollte er in den
Hintergrund treten, damit die Familien selbstständig miteinander kommunizieren
(vgl. Zamosky et. al. 1993, S. 167 f).
Frau Plummer beschreibt die Wichtigkeit einer positiven Verbindung von Herkunftseltern
und Pflegeeltern: „And hopefully if you are doing good social work, you’re [...] working
with all of these parties together and trying to really build a support system around this
child and get the biological parents and the foster parents working together to support the
child [...]I think that some social workers are better than others at facilitating that
relationship between foster parents and biological parents. But I think it is pretty critical
and it leads to better outcomes for children, when you have foster parents and bio-parents
working together and not against each other.“
Die Beziehung und der Kommunikationsaustausch zwischen den Familien dienen auch
der weiteren Beteiligung der Herkunftseltern am alltäglichen Leben und der Entwicklung
des Kindes. Die Entwicklung des Kindes schreitet auch in der Fremdplatzierung voran; ein
Kleinkind erlernt das Laufen, ein Schulkinder das Schreiben. Diese Entwicklungsschritte
des Kindes sollen aufgrund fehlender Anwesenheit der Herkunftseltern nicht verloren
gehen, sondern von den Pflegeeltern festgehalten und mit den Herkunftseltern geteilt
werden. Das Kind sollte auch über die Vorgänge in seiner Herkunftsfamilie informiert
sein und trotz der räumlichen Trennung das Gefühl haben, ein Teil des Lebens und Alltags
der leiblichen Eltern zu sein. Ein regelmäßiger Kommunikationsaustausch soll außerdem
zur Weitergabe von Erziehungsstrategien genutzt werden. Die Pflegeeltern entdecken z.B.
eine Strategie, mit der sie erfolgreich mit dem Verhalten des Kindes umgehen können.
Diese wichtige Information sollte der Herkunftsfamilie mitgeteilt werden, damit sie diese
3. Der Prozess der Rückführung
45
Vorgehensweise erlernen kann und später selbst im Umgang mit dem Kind anwenden
können (vgl. Zamosky et. al. 1993, S. 167 f).
In einem Pflegeverhältnis, indem eine Beziehung zu den Herkunftseltern aufgebaut wird,
kann das Kind seine Gefühle frei ausdrücken, ohne die Befürchtung haben zu müssen, sich
seinen beiden Familien gegenüber nicht loyal zu verhalten. Im Idealfall wird eine
Pflegefamilie auch nach der Rückführung eine bleibende Ressource für die
Herkunftsfamilie (vgl. ebd., S. 167 f).
Zweite Phase: Opening
Die zweite Phase des Reunification Prozesses beschäftigt sich mit der Bereitschaft der
Aufnahme des Kindes in die Herkunftsfamilie und wird Opening (Öffnung) genannt. Nach
der Herausnahme des Kindes verändert sich der Alltag der Herkunftsfamilie erheblich und
die Rolle, die das Kind in der Familie übernommen hat, fällt weg oder wird
möglicherweise durch ein Geschwisterkind ersetzt. Die Systemtheorie besagt, dass die
Familie immer ein Gleichgewicht, eine ‚Homöostase‘ anstrebt und die Familie sich nach
der Herausnahme des Kindes neu anordnet. Kommt das Kind nun wieder in die Familie
zurück, muss zunächst eine Öffnung der Familie für die Rückkehr stattfinden. Gemeinsam
wird festgestellt, was verändert werden muss, um Platz für das Kind in der Familie zu
schaffen. Auf der physischen Ebene kann dies durch die Bereitstellung eines Bettes oder
Zimmers für das Kind geschehen. Das Kind muss auch auf der psychologischen Ebene
wieder in die Familie integriert werden und das Familienbild, die Alltagsroutine ändern
sich erneut. Dabei können Familientreffen helfen, auf denen die Sorgen, Ängste,
Hoffnungen und Erwartungen bzgl. der Rückkehr des Kindes angesprochen werden
können (vgl. ebd., S. 169 f).
Dritte Phase: Building
Die dritte Phase setzt nach der Rückkehr des Kindes ein. Sie wird von den Autoren als
Building (Aufbau) bezeichnet. Zu Beginn der Rückkehr des Kindes wird meistens eine
erste Zeit erlebt, die von Harmonie und wenigen Auseinandersetzungen geprägt ist. Eltern
und Kind freuen sich über die Wiedervereinigung. Sie strengen sich besonders an und
zeigen sich von ihrer besten Seite (vgl. ebd., S. 170 f).
46
3. Der Prozess der Rückführung
Das Building gilt dem Aufbau und der Stärkung der Beziehung und Bindung der
Familienmitglieder untereinander. Sie erlernen, dass schwierige wie auch schöne Zeiten
zum Familienleben dazugehören. Streit und Versöhnung tragen zum Wachstum und der
Weiterentwicklung
von
Beziehungen
bei,
ebenso
wie
die
gemeinsame
Problembewältigung. Wichtig sind auch hier regelmäßige Familienbesprechungen, in
denen unter anderem die Verhaltensregeln geklärt werden können. Außerdem bieten sie
Raum für das Teilen von außerfamiliären Erfahrungen, z.B. ein erfolgreiches Erlebnis in
der Schule oder am Arbeitsplatz. Nicht nur die Besprechung von Gefühlen und Problemen
ist wichtig, sondern die Familie soll ein Angebot an Möglichkeiten haben, eine entspannte
Zeit mit Spaß und Freude zu erleben. „Having a relaxed, fun time together strengthens the
family bond.“ (Zamosky et. al. 1993, S. 174)
Die von Zamosky et. al. beschriebenen Phasen beziehen sich auf die unmittelbar
bevorstehende Rückführung des Kindes. Die Autoren gehen bereits davon aus, dass im
Vorfeld die Voraussetzungen für die Rückführung des Kindes geschaffen wurden, z.B.
durch die Arbeit mit den Herkunftseltern an ihren Problemen. Außerdem werden
Teilaspekte dieser Phasen bereits zu Beginn der Fremdplatzierung angestrebt, unabhängig
von einer geplanten Rückführung, denn der Aufbau einer Beziehung zwischen
Herkunftseltern und Pflegeeltern ist generell wichtig und findet auch statt, wenn eine
Rückführung des Kindes nicht in Aussicht gestellt wird. Der Prozess zu einer möglichen
Rückführung, die Gerichtsverhandlungen und die eigentliche Rückkehr in die
Herkunftsfamilie bedingen sich gegenseitig und laufen auch parallel zueinander ab.
Der Reunification Prozess ist kein klarer, linear ablaufender Prozess, sondern es können
z.B. Rückentwicklungen stattfinden (vgl. ebd., S. 166) und er wird von einer Reihe von
interner und externer Bedingungen beeinflusst, auf die im folgenden Absatz eingegangen
wird.
3.4
Faktoren, die Reunification beeinflussen
Von großer Bedeutung für den Reunification Prozess ist das Wissen über die Zeit und die
Geduld, die erforderlich ist, damit die Beteiligten sich auf die bevorstehenden
Umstellungen einlassen können.
47
3. Der Prozess der Rückführung
Allgemein werden für Pecora et. al. (2006) die im Pflegekinderwesen zu treffenden
Entscheidungen nicht nur durch Gesetze und Richtlinien beeinflusst, sondern es gibt eine
Reihe an spezifischer Faktoren, wie z.B. die Verfügbarkeit von Pflegestellen oder
Ressourcen, die zu einer Erhaltung der Familie beitragen, die Einstellung des Richters
gegenüber Fremdplatzierung und die Werte der Jugendfürsorge. Diese wichtige
Erkenntnis fordert nicht nur eine Zusammenarbeit des Pflegekinderwesens und der
leiblichen Eltern, sondern es muss auch eine aktive Zusammenarbeit von sozialen
Einrichtungen, Sozialarbeitern, Richtern, Anwälten und Familien geben, um besser im
Sinne des Kindes und seiner Familie handeln zu können (vgl. S. 303).
Die
Autoren
Chenot
und
Reifel
(2005)
entwickeln
durch
eine
umfassende
Zusammentragung von mehreren Studien ein Modell, welches verschiedene Risiko- und
Schutzfaktoren für Reunification beschreibt. Die Autoren teilen die Faktoren, die einen
Einfluss auf Reunification haben, in drei Kategorien auf:
-
Individuelle Faktoren
-
Familiäre Faktoren
-
Umgebungsbedingte Faktoren
Individuelle Faktoren
Zu den individuellen Risikofaktoren gehört unter anderem das Alter des Kindes. In vielen
Studien wird ein Zusammenhang zwischen dem Alter des Kindes und dem Erfolg von
Reunification gesehen. Beispielsweise belegen die Studien von Festinger (1996) und Well
& Guo (1999), dass ältere Kinder häufiger als jüngere Kinder in das Pflegekinderwesen
zurückkehren. Kinder mit Verhaltensproblemen, Lernschwierigkeiten oder physischer wie
geistiger Behinderung haben in den Studien von Cortney (1995) und Wells & Guo (1999)
einen
längeren Aufenthalt im Pflegekinderwesen und kehren auch häufiger in das
Pflegekinderwesen zurück (vgl. Chenot & Reifel 2005, S. 237).
Schutzfaktoren der individuellen Ebene sind z. B. das Gefühl der Kontrolle, die Fähigkeit
mit negativen Erlebnissen umzugehen und Charaktereigenschaften wie Intelligenz, z.B.
Studie von Fraser & Richman (1999) und Optimismus z.B. Henry (1999) (vgl. Chenot &
Reifel 2005, S. 238).
3. Der Prozess der Rückführung
48
Familiäre Faktoren
Im familiären Bereich ist die Art der Fremdplatzierung, z.B. Kinship Care oder Foster
Care, der Grund für die Herausnahme und die Art der Probleme der Herkunftsfamilie, z.B.
Drogenprobleme von Bedeutung. Festinger belegt z.B. in seiner Studie von 1996, dass bei
Kindern, deren Eltern eine geistige Krankheit, wenig soziale Kontakte oder ein großes
Bedürfnis an Hilfsangeboten haben, die Rückführung langsamer und häufig erfolglos ist
(vgl. ebd., S. 239). Die Wahrscheinlichkeit von Reunification wird auch von der
Familienstruktur beeinflusst. Die Studien von Fein (1993) und Harris (1999) weisen eine
geringere Wahrscheinlichkeit der Rückführung von Kindern mit einem Elternteil, im
Gegensatz zu Kindern mit beiden Elternteilen, auf (vgl. Brook & McDonald 2007, S.
665).
Familiäre Schutzfaktoren sind eine sichere Eltern-Kind-Bindung, Flexibilität in der
Familie und effektive Kommunikation innerhalb der Familie. Patterson stellt in einer
Studie von 2002 einige familiäre Bedingungen fest, die zum Schutz in Notsituationen
dienen. Darunter fallen z.B. die Kommunikation innerhalb der Familie und die Fähigkeit
der Familie, gezielt Konflikte zu bewältigen (vgl. Chenot & Reifel 2005, S. 239).
Umgebungsbedingte Faktoren
Zu den umgebungsbedingten Risikofaktoren zählen unter anderem die Dauer der
Fremdplatzierung, häufiger Wechsel der Fremdunterbringung und eine unangemessene
Wohnumgebung. Die Studien von Courtney (1995) und Wells & Guo (1999) zeigen einen
Zusammenhang zwischen dem häufigen Wechsel der Pflegefamilie und dem Erfolg von
Reunification auf. Der häufige Wechsel der Pflegefamilie erhöht das Risiko einer erneuten
Herausnahme des Kindes aus der Herkunftsfamilie (vgl. Chenot & Reifel 2005, S. 239).
Der Zugang zum Gesundheitswesen, zu sozialen Unterstützungsprogrammen, zur Bildung
und zu unterstützenden Personen außerhalb der Familie sind Kriterien, die das Risiko
einer erneuten Fremdplatzierung mindern. „Clearly these environmental conditions can act
as protective factors, which in turn can increase the chances of successful reunification.“
(ebd., S. 240)
49
3. Der Prozess der Rückführung
Zusammengefasst sind die wichtigsten Faktoren, die Reunification und damit auch den
Erfolg von Reunification beeinflussen, die Arbeit mit den Herkunftseltern, die
Aufrechterhaltung der Beziehung von Eltern und Kind, der Aufbau einer Beziehung
zwischen
Pflegefamilie
und
Herkunftsfamilie,
die
enge
Zusammenarbeit
und
Kommunikation aller am Reunification Prozess Beteiligten und die ausreichende
Verfügbarkeit an finanziellen Mitteln zur Unterstützung der Familien. Ebenso wichtig ist
die Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter und die Weiterentwicklung von Reunification
Programmen und Arbeitsweisen.
In diesem Kapitel wird deutlich, dass die Abläufe im Pflegekinderwesen sehr komplex
sind und von vielen Faktoren bedingt werden, der gesetzlichen Lage z.B., den
Gerichtsanhörungen und den Arbeitsabläufen der sozialen Einrichtung. Von wesentlicher
Bedeutung ist im us-amerikanischen Pflegekinderwesen die Aufspaltung von Sozialarbeit
in ‚Intake‘ und ‚Ongoing‘ -Abteilungen. Dabei ist eine Gruppe von Sozialarbeitern
(Intake) für die Untersuchung und das Sammeln von Beweisen zuständig und trifft in den
meisten Fällen die Entscheidung über eine Herausnahme des Kindes, während eine andere
Gruppe von Sozialarbeitern (Ongoing) mit den Eltern eine Beziehung aufbauen und ihnen
dabei hilft, die gerichtlichen Bedingungen für eine Rückführung des Kindes zu erfüllen.
Mit dieser Arbeitsaufteilung wird die Herausnahme des Kindes zwar noch mit der
Institution identifiziert, aber nicht unbedingt mit der Person. Die Sozialarbeiter, die mit
den leiblichen Eltern eine Beziehung aufbauen und mit ihnen zusammen arbeiten, sind
nicht die gleichen, die Beweise gesammelt und unangenehme Fragen gestellt haben. Diese
Tatsache gestaltet den Aufbau einer Beziehung zu den Herkunftseltern einfacher und da
die Beziehung zwischen Sozialarbeiter und Herkunftseltern die Grundvoraussetzung für
eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist, wird somit auch die Reunification Arbeit etwas
erleichtert. Auf die genauen Voraussetzungen und die wichtigsten Kompetenzen, die
Sozialarbeiter in der Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern benötigen, werde ich im
nachfolgenden Kapitel schildern.
50
4. Die Herkunftseltern
4.
Die Herkunftseltern
4.1
Der Blick auf die Herkunftseltern
4.1.1
Die Probleme der Herkunftseltern
Die Probleme der leiblichen Eltern beeinträchtigen sowohl das Verhalten gegenüber ihren
Kindern als auch ihre Fähigkeit, eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Nehmen
die Probleme überhand und gefährden die Sicherheit und das Wohl des Kindes, tritt das
Kind hauptsächlich aus Gründen der Vernachlässigung und Misshandlung in das
Pflegekinderwesen ein (vgl. Berrick 1998 nach Pecora 2006, S. 306).
Aktuellen Angaben über die Anzahl der Kinder, die sich aufgrund von Vernachlässigung
und Misshandlung im Pflegekinderwesen befinden, liegen der Verfasserin nicht vor, so
dass lediglich allgemeine Angaben über Fälle, in denen der Child Protective Services
involviert ist, gemacht werden können.
Die Abteilung für Familien und Kinder (ACF) bestätigte eine Zahl
von 2.176.425
Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung im Jahr 2005 bei den
Child Protective Services der USA (vgl. ACF 2005, Child Maltreatment Table 2-1). In
61,2 % der Fälle wurde dem Verdacht nachgegangen. In 483.695 der Fällen konnte der
Verdacht auf konkrete Beweise gestützt werden und die Weiterleitung des Falles an die
Ongoing Unit wurde veranlasst (vgl. ACF 2005, Child Maltreatment Table 2-3).
Im Child Protective Services befanden sich 2005 insgesamt 551.631 Kinder aufgrund von
Vernachlässigung, 144.195 Kinder wegen körperlicher Misshandlung, 81.940 Kinder
wurden sexuell missbraucht und 17.324 Kindern wurde keine ausreichende medizinische
Versorgung gewährleistet. Den größten Anteil machte die Involvierung des Child
Protective Services aufgrund von Vernachlässigung (63,4 %) aus. Hierbei ist zu beachten,
dass häufig eine Einbindung des Child Protective Services aus mehreren Gründen, z.B.
Vernachlässigung und körperlichem Missbrauch, besteht (vgl. ACF 2005, Child
Maltreatment Table 3-10).
51
4. Die Herkunftseltern
Wichtig für die Arbeit mit den Herkunftseltern ist nicht nur die verbindliche Teilnahme an
Elterntrainingsprogrammen und Anti-Aggressionstraining anzuordnen, sondern die
Ursachen, die eine Vernachlässigung oder Misshandlung ausgelöst haben zu erforschen
und ihnen entgegenzuwirken. Die Eltern stehen z.B. unter einem ständigen Druck, ihre
Existenz sichern zu müssen und ihre finanzielle Lage erlaubt es nicht, eine angemessene
Grundversorgung ihrer Kinder sicherstellen zu können. Die Autoren Chipungu und BentGoodley (2004) beschreiben Armut als einen der größten Risikofaktoren für den Eintritt in
das Pflegekinderwesen (vgl. S. 80). Die zunehmende Armut in den USA bedingt andere
Faktoren,
z.B.
schlechter
Zugang
zur
Bildung,
schlechte
Wohnumgebung,
Obdachlosigkeit und schlechter Gesundheitszustand. Dadurch entstehen in den Familien
komplexe Problemlagen, die sie oft nicht ohne Hilfe von außen bewältigen können. Bleibt
diese Hilfe aus, entstehen Stresssituationen, denen z.B. mit einer Flucht in eine Sucht
begegnet wird und die Bedürfnisse der Kinder, geraten immer mehr in den Hintergrund.
Für die Autorin Hartman (1990) werden viele Familien durch Armut, schlechten Zugang
zur Bildung, Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnumgebung, Suchtkrankheiten und häusliche
Gewalt zerstört (vgl. S. xxi).
Die Autoren Pecora et. al. (2006) beschreiben ausführlich, was unter Kindesmisshandlung
und Vernachlässigung zu verstehen ist und gehen auf die Ursachen, die eine Misshandlung
hervorrufen können, ein. Sie verstehen unter körperlicher Misshandlung die absichtliche
Verletzung des Kindes durch die Eltern oder andere Personen, die im Haushalt leben.
Welchen Schweregrad die Verletzung aufweisen muss, um als Misshandlung zu gelten,
hängt vom gesellschaftlichen Kontext ab, und jeder Bundesstaat hat eine eigene Definition
(vgl. S. 152). Um das Verständnis von Vernachlässigung zu erörtern, greifen Pecora et. al.
(2006) auf eine Definition der Autoren Polansky, Hall & Polansky (1975) zurück. Für sie
besteht Vernachlässigung aus der Unfähigkeit der Eltern, dem Kind die wesentlichen
Dinge für eine gesunde, körperliche, geistige und emotionale Entwicklung zu bieten. Die
Eltern sind entweder nicht in der Lage, die Grundbedürfnisse des Kindes zu erfüllen oder
sie weigern sich (vgl. zit. n. Pecora et. al. 2006, S. 196).
Die Gründe für die Vernachlässigung sind vielfältig und der Autor Wolfe (1993) kann drei
Stufen, die zu einer Vernachlässigung oder Misshandlung führen, erkennen. Zunächst
einmal haben Eltern eine niedrigere Toleranzschwelle und sind anfälliger für Stress,
52
4. Die Herkunftseltern
Frustrationen und Aggressionen. Diese Stufe ist davon beeinflusst, inwieweit die Eltern
sich auf ihre Elternrolle und die damit verbundenen Pflichten und Einschränkungen
einstellen konnten bzw. sich darauf vorbereitet fühlten. In der zweiten Stufe erleben sich
die Eltern als schlecht im Umgang mit akuten Stresssituationen, Krisen und Provokation.
Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen, beginnen die Meidung der Kinder als
Bewältigungsstrategie
für
Krisen
anzusehen.
Die
Meidung
der
Kinder
als
Lösungsstrategie wird zu einer Gewohnheit und macht die dritte Stufe aus. Eltern, die ihre
Kinder vernachlässigen, fühlen sich meistens in ihrer Elternrolle gefangen, eingeengt und
fühlen sich den Anforderungen nicht gewachsen (vgl. nach Pecora et. al. 2006, 199).
Eltern, die ihre Kinder körperlich misshandeln, haben oft eine falsche Erwartungshaltung
gegenüber den Aufgaben, die Kinder erfüllen können. Dies beruht auf einem mangelnden
Wissen über die Entwicklung des Kindes und die Versorgung, die ein Kind braucht. In
vielen Fällen waren die Eltern in ihrer Kindheit selbst Opfer von Gewalt oder
Misshandlungen (vgl. Pecora et. al. 2006, S. 156). Des Weiteren stellte die Studie von
Nelson und seinen Kollegen (1993) ein Suchtproblem bei etwa einem Drittel der Eltern,
die ihre Kinder vernachlässigt haben, fest (vgl. nach Pecora et. al. 2006, S. 199).
Insgesamt bleibt festzustellen dass viele Eltern, deren Kinder sich im Pflegekinderwesen
befinden, aufgrund ihrer finanziellen Lage einer andauernden, präsenten Stresssituation
ausgesetzt sind. Selbstverständlich ist ein hoher Anteil der Kinder von Alleinerziehenden
im Pflegekinderwesen (vgl. Plamer 1995, S. 70). Die Familien sind von Arbeitslosigkeit
und Armut betroffen und können eine ausreichende Versorgung ihrer Kinder nicht
sicherstellen. Zusätzlich haben sie einen schlechten Bildungsstand und wissen oft gar
nicht, was Kinder brauchen und wie sie sich kindgerecht verhalten können.
Das Wissen über die Gründe ist wichtig, damit die Herkunftseltern aus einer anderen
Sichtweise betrachtet werden können. Um das Bild der Herkunftsfamilie zu
vervollständigen, werde ich im folgenden Abschnitt auf die Gefühle der Herkunftseltern
eingehen, die bei der Herausnahme des Kindes und in der Zusammenarbeit mit der
Jugendfürsorge entstehen können.
4. Die Herkunftseltern
4.1.2
53
Die Gefühle der Herkunftseltern
Die Autoren Zamosky et. al. berichten in ihrem Artikel „Beliving in Families“ (1993) über
die Gefühle der leiblichen Eltern, die bei der Reunification Arbeit auftreten können.
Die Eltern empfinden sich als Versager. „ [...] their child’s removal from their care was a
clear message that they were not getting the job done.“ (Zamosky et. al. 1993, S. 164)
Dieses Gefühl kann die Eltern entmutigen und sie davon abhalten ihre Kinder zu
besuchen, was wiederum den Reunification Prozess verzögern würde.
Mit dem Gefühl des Versagens geht ein niedriges Selbstbewusstsein einher. Eltern, die das
Gefühl haben, ihre Kinder im Stich gelassen zu haben, werden Schwierigkeiten haben,
ihren Instinkten und Fähigkeiten in der Versorgung ihrer Kinder zu vertrauen. Sie haben
den Eindruck, dass ihre Kinder eine bessere Versorgung unter der Obhut der Pflegeeltern
erhalten. In den meisten Fällen sind die Pflegeeltern auch finanziell wesentlich besser
gestellt als die Herkunftseltern. Diese fühlen sich einem großen Druck ausgesetzt und
haben große Angst einen Fehler zu machen. Während des Besuchskontaktes kann es
vorkommen, dass die Eltern so unsicher im Umgang mit ihren Kindern sind, dass sie den
Sozialarbeiter ständig nach seiner Meinung fragen und jede kleine Entscheidung mit ihm
abklären (vgl. ebd., S. 164).
Diese Unsicherheit und ständige Rückversicherung bei dem Sozialarbeiter konnte ich auch
bei der Mutter aus meinem Fallbeispiel (vgl. Kapitel 6) während ihres zweistündigen
Besuchskontaktes mit ihren Kindern beobachten. Diese Unsicherheit muss aber nichts
Schlechtes bedeuten. Sie wird von den Sozialarbeitern genutzt, die Eltern anzuregen,
ihnen ihr Vorhaben zu schildern. Nach der Bestätigung der Richtigkeit der
Vorgehensweise wurde die Mutter bei der Umsetzung angeleitet. Diese Bestätigung von
außen hilft den Eltern beim Aufbau eines neuen Selbstbewusstseins, gibt ihnen Rückhalt
und nimmt ihnen die Angst, gravierende Fehler zu machen. Mit fortschreitendem
Reunification Prozess sollte sich die Unsicherheit der Eltern verringern, so dass sie mehr
und mehr ihren eigenen Entscheidungen vertrauen lernen, auch ohne die Bestätigung von
außen.
Ein anderes Gefühl, welches oft während der Arbeit mit den Herkunftseltern auftaucht, ist
Wut. Die Wut kann sich gegen das Kind, sich selbst, den Sozialarbeiter oder gegen die
Jugendfürsorge richten (vgl. Zamosky et. al. 1993, S. 165).
4. Die Herkunftseltern
54
Manche Eltern verweigern die Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern in einem bestimmten
Bezirk oder von einer Einrichtung. Unter bestimmten Umständen kann ein Bezirkswechsel
den Willen und die Motivation zur Zusammenarbeit positiv beeinflussen. So stellte sich
z.B. in einem Interview mit Mutter M. heraus, dass sie die Sozialarbeiter in einem
bestimmten Bezirk in Wisconsin für die, ihrer Meinung nach, ungerechtfertigte
Herausnahme ihrer Kinder verantwortlich machte. Eine Zusammenarbeit war aus diesem
Grund unmöglich. Die Kinder sollten zur Adoption freigegeben werden. Durch einen
Umzug änderte sich der für sie zuständige Bezirk und Jefferson County wurde nach
Übergabe des Falls für Mutter M. verantwortlich. Da die Mutter bereits einen Sündenbock
für die Wegnahme ihrer Kinder hatte, konnte sie die Sozialarbeiter aus Jefferson County
akzeptieren und die Mitarbeit der Mutter verlief, nach Aussagen von Frau Bowers, der
zuständigen Sozialarbeiterin in Jefferson County, problemlos. Die Zusammenarbeit war
erfolgreich und die Kinder konnten nach einiger Zeit zu ihrer Mutter zurückkehren.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie sehr Wut den Vorgang von Reunification selbst
und die Möglichkeit der Rückführung beeinflussen kann. Die Verweigerung der Mitarbeit
von Mutter M. hatte, meiner Meinung nach, nichts mit ihrer Unfähigkeit als Mutter zu tun
oder dem Unwillen, ihre Kinder wiederzubekommen. Sie konnte einfach nicht ihre Wut
unter Kontrolle bekommen und über diese hinwegsehen.
Ein Sozialarbeiter, der die Gefühle der Herkunftseltern kennt, wird ihre Reaktion immer
hinterfragen und nicht nur das Ereignis an sich betrachten. Er wird es zum Beispiel nicht
als fehlendes Interesse interpretieren, wenn die Eltern nicht mehr auf seinen Anruf
reagieren, sondern sich fragen, ob er die Eltern vielleicht persönlich verärgert hat oder sie
allgemein auf die Jugendfürsorge wütend sind.
Die Wut auf die Jugendfürsorge kann sich auch in einem Misstrauen gegenüber dem
System ausweiten. Es tritt besonders auf, wenn eine Fremdplatzierung des Kindes schon
lange besteht und die Eltern denken, dass sie schon genug ertragen, verändert und an sich
gearbeitet haben. Bei ihnen besteht nach der Rückführung des Kindes, die Gefahr der
Verschließung gegenüber der Jugendfürsorge, weil sie eine erneute Herausnahme des
Kindes befürchten (vgl. ebd., S. 165).
55
4. Die Herkunftseltern
In einem anderen Interview wird mir von Mutter P. ihr schlimmstes Erlebnis während der
Fremdplatzierung ihrer Kinder erzählt. Sie hat zwei Kinder, die zum Zeitpunkt der
Fremdplatzierung 15 Monate und 4 Jahre alt. Das schlimmste Gefühl, das sie erlebte,
wurde von ihrer kleinen Tochter (15 Monate) ausgelöst, als diese anfing ihre Pflegemutter
als „Mum“ zu bezeichnen. Das Gefühlschaos, das damals in ihr ausgelöst wurde, ist für sie
heute noch sehr präsent und man konnte an ihrer Stimmlage erkennen, dass ihr dieses
Erlebnis noch sehr nahe ging.
Das Verstehen und die Rücksichtnahme auf die Gefühle der Herkunftsfamilie sind
wesentlich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Werden die Herkunftseltern als
schlechte Menschen angesehen, die ihre Kinder nicht lieben, ist eine Zusammenarbeit mit
ihnen unmöglich und das Ziel der Rückführung wäre absurd. Insgesamt ist eine
vorurteilsfreie Betrachtungsweise der Herkunftseltern erforderlich, in der sie nicht als
schlechte, unwürdige Menschen gesehen werden, sondern als Familie, die mit einem
schlechten
Gesundheitszustand,
Suchtproblemen,
Kriminalität,
schlechten
Wohnverhältnissen und fehlendem Wissen über eine angemessene Versorgung und
Erziehung von Kindern zu kämpfen hat.
Im Dance County Human Services wird folgendes Bild an die Pflegeeltern vermittelt:
„Parents who maltreat their children may in fact, love their children dearly but cannot
cope with circumstances or do not know how to parent successfully.“ (Preservice, Institute
for Human Services 2000, S. 6)
4.2
Die Arbeit mit den Herkunftseltern im Reunification Prozess
4.2.1
Die Hauptaufgaben der Sozialarbeit
Die Hauptaufgaben der Sozialarbeiter setzen sich aus drei Komponenten zusammen, deren
Ausführung den Reunification Prozess erheblich beeinflusst. Es handelt sich dabei um
Family Engagement, Assessment and Case Planning, und Service Delivery (Vermittlung
von Hilfen) (vgl. Child Welfare Information Gateway 2006).
Alle Aufgabenbereiche nehmen zu allen Phasen des Reunification Prozesses eine wichtige
Funktion ein.
4. Die Herkunftseltern
56
Family Engagement
Family Engagement besteht aus der Beziehung des zuständigen Sozialarbeiters zur
Herkunftsfamilie, dem Kontakt zwischen Kind und Herkunftseltern und der Beteiligung
der Pflegeeltern am Reunification Prozess (vgl. ebd.).
Viele Autoren, z.B. Hollis & Woods 1981, Shulman 1984, beschreiben die Wichtigkeit,
auf den Klienten einzugehen, ihn als Person mit eigenen Gefühlen anzuerkennen und mit
ihm eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Spezielle Methoden können dabei
behilflich sein, wie z.B. aktives Zuhören, Empathie und ein respektvoller Umgang (vgl.
nach Maluccio, Fein & Olmstead 1986, S. 111).
Assessment and Case Planning
Die Planung und Festlegung der Ziele ist ein Produkt und ein Prozess zugleich, der unter
der Einbeziehung der leiblichen Eltern vollzogen wird.
Denn die Beteiligung der Herkunftseltern gibt ihnen ein besseres Verständnis von den
Vorgängen und Änderungen, die für die Option der Rückkehr des Kindes erfolgen müssen
(vgl. Maluccio, Fein & Olmstead 1986, S. 11). Außerdem wird ihnen dadurch das Gefühl
des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit genommen und eine aktive Mitarbeit in der
Problembewältigung wird gefördert. „Unless they believe that they have some power in
the decision-making process, it is unlikely that they will mobilize themselves to make
changes.“ (Maluccio, Fein & Olmstead 1986, S. 145)
Service Delivery
Die Jugendfürsorge bietet in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern professionelle Hilfe
an, die Reunification unterstützen. Der Einsatz der Hilfen muss nach dem individuellen
Bedarf der Familie gestaltet werden (vgl. Child Welfare Information Gateway 2006).
Der Bereich der Sozialarbeit übernimmt Krisenintervention, Beratung, die Durchführung
des Besuchskontakts zwischen Eltern und Kind, die professionelle Planung und
Zielsetzung mit den Eltern zusammen und die Vorbereitung der Herkunftseltern auf die
eigentliche Rückkehr des Kindes. Im klinischen Bereich werden Therapiemaßnahmen für
Eltern und Kind angeboten; Familientherapie, Suchtbehandlung, Therapie bei häuslicher
Gewalt. Es ist erforderlich, die Herkunftsfamilie im finanziellen Bereich zu unterstützen
und den Zugang zu Sozialleistungen, zum Gesundheitswesen, zu einer angemessenen
4. Die Herkunftseltern
57
Wohnung, zu ermöglichen. Die Eltern erhalten gegebenenfalls eine Schuldnerberatung
und Hilfe in der Haushaltsführung (vgl. Freundlich & Wright 2003, S. 61).
Die konkrete Hilfe wird im us-amerikanischen Pflegekinderwesen häufig von den so
genannten Family Support Worker geleistet. Sie machen mit den Eltern das Haus sauber
und lehren sie die wesentlichen Regeln der Haushaltsführung. Außerdem begleiten sie die
Eltern gegenfals bei Einkauf und übernehmen Fahrdienste. Die Family Support Worker
stellen eine erhebliche Entlastung der Ongoing Social Worker dar, denn diese haben
aufgrund der hohen Anzahl von zu betreuenden Familien, keine Zeit diese Art von Hilfe
zu leisten.
Elterntrainingsprogramme, in denen die Eltern die grundlegenden Dinge der
Kindererziehung, der Bedürfnisse von Kindern und der Entwicklung von Kindern lernen
und sich gleichzeitig mit anderen Eltern austauschen können, sind wichtige Hilfen.
Besonders wichtig ist für die meisten Eltern, dass sie lernen, ihre Kinder in einem
angemessenen Rahmen zu bestrafen, und konsequenter in der Erziehung zu werden, so
dass ein bestimmtes Fehlverhalten der Kinder eine bestimmte Konsequenz nach sich zieht
(vgl. ebd., S. 61).
Wichtig ist, ein unterstützendes Netzwerk aufzubauen und der Herkunftsfamilie beim
sozialen Anschluss in der unmittelbaren Umgebung behilflich zu sein. Viele Eltern haben
wenig soziale Kompetenzen und sind isoliert. Sie erhalten somit keine Hilfe von außen
(z.B. Freunde, Eltern) und fühlen sich einsam und überfordert. Der Anschluss an
Gemeindezentren, mit Tageseinrichtungen für Kinder oder Selbsthilfegruppen kann der
Anfang eines sozialen Netzwerkes sein (vgl. ebd., S. 61).
Die Kompetenzen der Sozialarbeiter, die im nächsten Absatz geschildert werden richten
sich nach den hier dargestellten Aufgabenbereichen.
4.2.2
Die Kompetenzen der Sozialarbeiter im Hinblick auf ihren Aufgabenbereich
Sozialarbeiter müssen im Reunification Prozess einige spezielle Kompetenzen vorweisen.
Vorweg ist zu sagen, dass neben den speziellen Kompetenzen auch eine Reihe von
allgemeinen Kompetenzen wichtig sind, die generell in der Jugendfürsorge Anwendung
finden.
4. Die Herkunftseltern
58
Die Autoren Pine, Warsh & Maluccio (1993) beschreiben einen Sozialarbeiter, der in der
Reunification Arbeit tätig ist, mit den Worten: „In short, the competent family
reunification practitioner is a specialist equipped with the full range of generic child
welfare competencies as well as reunification-specific competencies.“ (S. 41)
Bei den generellen Fähigkeiten handelt es sich unter anderem um kommunikative
Kompetenzen, Hilfeplanung, Profiling, Evaluation, Intervention und die Beherrschung der
verschiedenen Methoden der Beratung, z.B. Mediation (vgl. Pine, Warsh & Maluccio
1993, S. 40).
Die besonderen Kenntnisse der Sozialarbeiter auf dem Gebiet der Reunification sind
Kenntnisse in der Familientherapie, den Auswirkungen von Kindesmisshandlung und in
der Gesetzeslage über Elternrechte und Kindeswohl. Ihre speziellen Kompetenzen richten
sich nach den jeweils zu bewältigenden Aufgaben (vgl. ebd., S. 41).
Beim Eintritt in das Pflegekinderwesen werden routinemäßig einige Aufgaben erfüllt,
deren Abfolge sich in der nachfolgenden Aufzählung von Aufgabenbereichen
widerspiegelt.
a) Den Wert der Familie bewahren
b) Die Feststellung des richtigen Zeitpunktes für die Rückkehr des Kindes
c) Planung und Zielsetzung
d) Die Umsetzung der Planung zur Rückkehr des Kindes
e) Die Aufrechterhaltung der Familienzusammenführung und Fallabschluss
(vgl. ebd., S. 41)
a) Den Wert der Familie bewahren
Die Sozialarbeiter werden von einigen Werten und Einstellungen geleitet. Zum Beispiel
wird die Herkunftsfamilie als der bevorzugte Lebensraum des Kindes anerkannt. Und
durch eine professionelle Anleitung erlebt die Herkunftsfamilie eine positive
Veränderung. Wichtig ist, ein Gleichgewicht zu finden, welches auf der einen Seite die
Einheit und Integrität der Familie bewahrt und auf der anderen Seite die Bedürfnisse des
Kindes, insbesondere nach Sicherheit und Schutz, gewährt. Hierfür ist nicht nur eine
Auseinandersetzung des Sozialarbeiters mit seinen eigenen Erinnerungen an Trennung
und Schmerz unabdingbar, sondern auch die Öffnung gegenüber unterschiedlichen
Lebens- und Familienformen sowie Erziehungsmethoden.
4. Die Herkunftseltern
59
Des Weiteren soll die Wichtigkeit von Familiensymbolen beachtet werden und die
Sozialarbeiter sollen sich nicht nur an den Problemen der Herkunftsfamilie orientieren,
sondern auch deren Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen
(vgl. ebd., S. 41).
b) Die Feststellung des richtigen Zeitpunktes für die Rückkehr des Kindes
In die Feststellung des richtigen Zeitpunktes für die Rückkehr des Kindes fließt der Wille
der Eltern, der Wille des Kindes, die Eltern-Kind-Interaktion, die Einbindung der Familie
in das soziale Netzwerk, die Ressourcen-Anbindung und die vorangeschrittene
Problembewältigung mit ein. Die Eltern müssen in der Lage sein die körperlichen,
sozialen, emotionalen, medizinischen und bildungsbezogenen Bedürfnisse ihrer Kinder zu
erfüllen (vgl. ebd., S. 42). Zusätzlich müssen die Gefühle der Familie beachtet werden, die
während einer Trennung und einer erneuten Zusammenführung durchlebt werden. „It is
also the worker’s task to help parents deal with their own feelings about placement, so that
they can then help their children.“ (Palmer 1995, S. 53)
Insgesamt spielt hier die Abwägung der mit einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie
verbundenen Risiken gegen die Risiken des Verbleibens im Pflegekinderwesen eine große
Rolle. „The caseworker should face the family situation as realistically as possible and
recognize the limitations as well as potentialities of child and parents.“ (Maluccio 1966, S.
24)
c) Planung und Zielsetzung
Die Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie ist das Ziel, welches nur durch die
Festlegung und Erreichung vieler kleiner Ziele möglich ist. Die Problemlage bestimmt
hierbei die Ziele. Die Ziele können den Umgang mit den Kindern betreffen, z.B. deren
Erziehung und Versorgung. Sie betreffen die individuellen Probleme der Eltern, z.B.
unkontrollierbare Wut, Sucht, oder sie beziehen sich auf die Situation der Familie, z.B.
soziale Isolation, Arbeitslosigkeit und Armut (vgl. Pine, Warsh & Maluccio 1993, S. 42).
Konkrete Ziele sind z.B. folgende: die Herkunftseltern sorgen für eine angemessene
Haushaltsführung, einen sicheren, sauberen Wohnraum, der Konsum von Suchtmitteln ist
untersagt (vgl. Fein & Staff 1993, S. 89).
60
4. Die Herkunftseltern
Als Hilfsmittel für die Festlegung von Zielen werden Strategien aus dem CaseManagement verwendet. Die Sozialarbeiter treffen z.B. mit den Herkunftseltern eine
schriftliche Vereinbarung über die gemeinsam ausgewählten Ziele, den Zustand, der
erreicht werden soll und die dafür notwendigen Voraussetzungen. Zusätzlich enthält die
Vereinbarung über die jeweilige Verantwortung und Erwartung des Sozialarbeiters und
des
Klienten,
die
Einbettung
in
einen
zeitlichen
Rahmen
und
alternative
Unterbringungsmöglichkeiten für das Kind, sollte die Herkunftseltern ihre Ziele nicht
erreichen (vgl. Gambrill & Stein 1985, S. 176). Die Beteiligung des Klienten an der
Festlegung der Ziele ist von großer Wichtigkeit, denn die aktive Einbeziehung des
Klienten, steigert das Gefühl der Verantwortlichkeit und senkt gleichzeitig das Gefühl der
Machtlosigkeit. Die Menschen erfahren eine neue Art der Motivation und es wird
voreiligen Beurteilung über ihre Fähigkeiten entgegengewirkt (vgl. Gambrill & Stein
1985, S. 176).
In regelmäßigen, offiziellen und inoffiziellen Fallbesprechungen werden der Hilfeplan und
der Fortschritt der Herkunftseltern besprochen. Je nach Bedarf werden Ziele umformuliert
oder neue eingebracht (vgl. Pine, Warsh & Maluccio 1993, S. 42).
Eine wichtige Kompetenz liegt im Bereich der Vermittlung. Der Sozialarbeiter muss in
der Lage sein, eine Gemeinschaft aus Herkunftseltern, Kind und Pflegefamilie zu bilden
um die auferlegten Ziele gemeinsam erreichen zu können (vgl. ebd., S. 42).
d) Die Umsetzung der Planung zur Rückkehr des Kindes
Eine Herausforderung ist die Suche nach der optimalen Ebene des Kontaktes zwischen
Eltern und Kind. Hierfür muss der zuständige Sozialarbeiter die Interaktion zwischen
Eltern und Kind genau beobachten und ihre Bindungsdynamik erfassen. Die Art des
Kontaktes und die Häufigkeit sollen den individuellen Bedürfnissen von Nähe und Distanz
entsprechen und daraus bildet sich die optimale Ebene des Kontaktes.
In diesem Bereich ist der Umgang mit den Gefühlen der Trennung sehr wichtig, auch die
Akzeptanz der Veränderungen, die sich während der Trennung bei dem Kind und den
Herkunftseltern vollzogen haben. Eine kontinuierliche Steigerung der Länge und der
Häufigkeit der Besuchskontakte dient hier als Hilfsmittel für den sanften Übergang von
der Pflegefamilie in die Herkunftsfamilie. Die Mitarbeit und Unterstützung der
Pflegeeltern
ist
Besuchskontakten.
dabei
ebenso
wichtig,
wie
die
kontinuierlich
stattfindenden
4. Die Herkunftseltern
61
Hierbei gilt eine besondere Aufmerksamkeit den Gefühlen des Kindes. Denn es erlebt eine
erneute Trennung und die damit verbundenen Schmerzen und Ängste erinnern das Kind
an die vorherige Trennung von den Herkunftseltern. Die Pflegeeltern können das Kind bei
der bevorstehenden Trennung unterstützen und es darauf vorbereiten. Wünschenswert ist
die Aufrechterhaltung des Kontaktes nach der Rückführung des Kindes in die
Herkunftsfamilie (vgl. ebd., S. 43).
e) Die Aufrechterhaltung der Familienzusammenführung und Fallabschluss
Die Kontaktpflege von Pflegefamilie und Kind wird noch einmal fokussiert, indem die
Sozialarbeiter auch den Pflegeeltern bei der Bewältigung ihres Trennungsschmerzes
helfen sollen. Im Idealfall werden die Pflegeeltern zu einer zusätzlichen Unterstützung der
Familie und fungieren als eine Art Babysitter, die eine kostenlose Versorgung des Kindes
für einen kurzen Zeitraum zur Entlastung der Eltern gewährleisten. Dabei soll kein
Verpflichtungsgefühl aufkommen; der Vorteil aller Beteiligten steht im Vordergrund. Die
leiblichen Eltern haben einige Stunden der Ruhe und Zeit für sich, das Kind wird
ausreichend versorgt und verbringt Zeit mit wichtigen Bezugspersonen. Die Pflegeeltern,
denen das Kind ans Herz gewachsen ist, können sich während der gemeinsamen Stunden
persönlich von seinem Wohlbefinden überzeugen. Die Jugendfürsorge profitiert auch von
dieser nachhaltigen Verbindung zwischen Herkunftseltern und Pflegeeltern. Zum einen
läuft die Rückführung des Kindes problemloser ab, die Kinder leiden nicht so unter der
Trennung von den Pflegeeltern und die Herkunftseltern werden ab und zu entlastet und
fühlen sich nicht mehr so leicht überfordert. Zusätzlich nehmen die Pflegeeltern
automatisch eine Kontrollfunktion ein und bei einer erneuten Gefährdung des
Kindeswohls wird das Jugendamt verständigt.
Zur Fallabschließung wird ein letztes Treffen mit allen Beteiligten arrangiert, um
die Fähigkeiten und Stärken der Familie hervorzuheben. Außerdem wird erörtert, wie viel
von dem, was ursprünglich zum Ziel gesetzt worden war, erreicht wurde. Des Weiteren
wird festgehalten, woran noch gearbeitet werden muss, und das Netzwerk, indem die
Familie Hilfe und Unterstützung findet, wird der Herkunftsfamilie noch einmal
verdeutlicht (vgl. ebd., S. 44).
4. Die Herkunftseltern
62
Die Interviews, die ich mit Sozialarbeitern geführt habe, verdeutlichen die für die
Reunification Arbeit wichtigen Kompetenzen.
Frau Bowers, eine Sozialarbeiterin (Ongoing Social Worker) in Jefferson County, Human
Services, berichtet über die wichtigsten Fähigkeiten eines Sozialarbeiters in der
Zusammenarbeit mit Herkunftseltern: „[...] a social worker needs to have good people
skills, [...] meet the people at their level, not go in there, act I’m one step above you,
because your kids are in foster care, you not gonna [...] get anywhere with families like
that, so you have to be able to understand, have empathy [...] and understand yeah I know
I get it you’re going to hard time right now, I get that, but what can I do to help you?, you
know and offering things, being very flexible, not getting frustrated too easily.“
Die Frustrationen, die aufkommen können, wenn z.B. die Herkunftsfamilie wiederholt bei
geplanten Treffen nicht anwesend sind, dürfen nicht bestehen bleiben und nach der
Meinung von Frau Bowers muss man in der Lage sein, den Ärger und die Frustration
gegenüber der Familie vergessen zu können und verstehen, dass sie im Moment noch
nicht in der Lage ist, die Dinge anzugehen, die ihr helfen würde, die
Kinder
wiederzubekommen. Eine bestehende Frustration steht einer weiteren Zusammenarbeit im
Weg und Frau Bowers versucht in einer solchen Situation immer wieder, mit der Familie
in Kontakt zu treten. Sie akzeptiert aber auch ihre Grenzen und weiß, dass die
Auflagen, die der Familie gemacht wurden, deren Angelegenheiten sind und nicht ihre
eigenen. Demnach soll der Sozialarbeiter für die Familie immer präsent und ansprechbar
sein. Aber die Bereitschaft zur Zusammenarbeit muss auch von der Familie ausgehen und
sei es zunächst nur durch die Anwesenheit bei geplanten Treffen. Die Familie trägt immer
eine gewisse Eigenverantwortung und muss bereit sein mitzuarbeiten.
Für Frau Bowers ist die Betrachtung und Einstellung gegenüber der Kindesmisshandlung
eine weitere wichtige Eigenschaft. „You have to have a very positive attitude, where ok
they did abuse their kids, but what can we do to change that, how can I help them make it
better, because if you have [...] a negative attitude about it you‘re never going to be able
to help these families [...] you’re not going to stay in this field very long and doing what
we‘re doing [...] you have to be able to engage them, you have to be able to get them talk
and open up and work with you, you have to have these people skills [...].“
4. Die Herkunftseltern
63
Die Sozialarbeiterinnen Frau Kedzie und Frau Veloon von der Reunification Unit in Dane
County Human Service halten die folgende Kompetenzen für wichtig. „[...] one of the
competencies is just that the relationship building [...] is really joining with families and
being none judgmental, believing in change [...] and then [...] I may have an idea, but I
really have no idea, which way it is gonna go and to just keep reminding myself of that,
because there are families that I have a lot of hope for and it just all falls apart before we
get even moving and there are other families that I kind inside have doubt and they pull it
together [...] It’s both being willing to take chances with families, but being able to step
back and see whether not it’s working or not [...] another competencies is teaming,
because I think one of the reasons your unit is affective, is because we have a really strong
team between the social worker and the social service specialist [...] and we have
confidence in that worker‘s opinion [...] the teaming within our unit and the teaming with
the ongoing workers and the lawyers, and all the different people, the foster parents [...].“
Frau Reichelt arbeitet als In-home Therapist und sie findet die folgenden Eigenschaften
wichtig: „Patience, the ability to separate themselves from what‘s happening around
them, because it is not about them, and to be able to be mature enough [...] you have to
have a sense of humor, [...] you have to have the ability to give feedback, the ability to be
supportive all at the same time [...].“
Ähnlich wie Frau Bowers hält sie es für wichtig, die eigenen Schattenseiten gut zu
kennen. Sollte es zu Verletzungen und Ärger im Zusammenhang mit den betreffenden
Personen kommen, darf dies nicht als persönlicher Angriff gewertet werden. Man muss in
der Lage sein, sich davon distanzieren zu können. Außerdem hat sie aus den Gesprächen
mit den Herkunftseltern gelernt, sich wichtige Aussagen zu merken, um sie zum
passenden Zeitpunkt wiederholen zu können. Haben die Eltern zum Beispiel irgendwann
einmal den Wunsch geäußert, dass ihr Kind sich ihnen gegenüber respektvoll verhalten
möge, hat Frau Reichelt in einer Situation, in der die Herkunftseltern sich ihr gegenüber
respektlos verhalten, die Möglichkeit, das Verhalten der leiblichen Eltern zu spiegeln. Sie
kann die Herkunftseltern dann fragen wie sie ihrem Kind Respekt lehren wollen, wenn sie
selbst nicht in der Lage sind, mit anderen Menschen respektvoll umzugehen.
4. Die Herkunftseltern
64
Zusammenfassend müssen die Sozialarbeiter eine besondere Fähigkeit, in der
Beobachtung von Familien haben und das Ergebnis dieser Beobachtungen in einen
familientheoretischen Hintergrund stellen, der etwas über die Dynamik von Beziehungen,
Bindungsqualitäten und Interaktionsverhalten aussagt. Zum einen sollten sie in der Lage
sein, zielstrebig handeln zu können. Zum anderen sollten sie auch eine gewisse Begabung
dafür mitbringen, Menschen, die die Gesellschaft hat fallen lassen und die sich auch oft
selbst aufgegeben haben auf besondere Art und Weise motivieren und anleiten zu können.
Denn die Herkunftseltern, die durch den Verlust ihrer Kinder oft in eine Phase der
Mutlosigkeit und Depressivität geraten brauchen die Motivation von außen in einem ganz
besonderen Maße. Darüber hinaus brauchen Sozialarbeiter diplomatische Fähigkeiten. Sie
müssen eine Verbindung und eine angemessene Kommunikationsebene zwischen
Menschen, mit ganz unterschiedlichen sozialen, kulturellen und erzieherischen Ansichten
und Hintergründen schaffen und vermitteln können. Nicht nur in der sozialen Lage oder
Kultur besteht oft eine Kluft zwischen Herkunftseltern und Pflegeeltern, auch unter
solchen Aspekten wie Bildungsstand, finanzielle Möglichkeiten und den sozialen
Netzwerken, in denen sie leben, unterscheiden sie sich sehr.
Wesentlich in der Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern ist, wie bereits in Abschnitt
4.1.2 erwähnt, die Perspektive, aus der die leiblichen Eltern gesehen werden.
Sie sollte auf der tiefen Überzeugung basieren, dass die Herkunftseltern generell und nicht
nur um ihrer Kinder Willen einen Anspruch und ein Recht auf Hilfestellung haben (vgl.
Maluccio 1966, S. 23).
4.2.3
Die Aufgaben und Erwartungen an die Pflegeeltern
Die Vorstellungen über die Aufgaben einer Pflegefamilie haben sich geändert. Die
Pflegefamilie wird nicht mehr nur als Ersatzfamilie angesehen, deren einzige Aufgabe die
Versorgung des Kindes ist, sondern sie wird als Teil eines professionellen Teams
betrachtet (vgl. Chipungu & Bent-Goodley 2004, S. 86).
Zunächst einmal werde ich auf die Aufgaben und Erwartungen, die an die Pflegeeltern
gerichtet werden, eingehen und danach auf die Verantwortung der Sozialarbeiter, den
Aufbau einer Beziehung zwischen Pflege- und Herkunftseltern anzuregen.
65
4. Die Herkunftseltern
Die Hauptaufgaben der Pflegeeltern bestehen für den Autor Littner (1975) aus mehreren
Bereichen. Der erste Bereich betrifft die Gewährleistung einer optimalen Versorgung des
Kindes. Sie müssen die komplexen Bedürfnisse eines Kindes erfüllen und zusätzlich mit
Verhaltensauffälligkeiten
der
Kinder
umgehen
können,
die
aufgrund
von
Vernachlässigung, Misshandlung oder Trennungsschmerzen entstanden sind. Außerdem
wird von den Pflegeeltern eine enge Zusammenarbeit mit der Sozialeinrichtung und dem
zuständigen Sozialarbeiter gefordert. Der letzte Bereich betrifft den Aufbau und Erhalt
einer Beziehung zu den Herkunftseltern (vgl. S. 269). Die Intensität dieser Beziehung und
die Art des Kontaktes hängen von den individuellen Bedürfnissen der Familien und von
der jeweiligen Stufe in der sich entwickelnden Beziehung ab.
Die Beziehung kann mit der Verfassung eines Tagebuches, indem die Tätigkeiten und
Erlebnisse des Kindes für die leiblichen Eltern festgehalten werden, beginnen. Danach
folgt eine Ausweitung der Beziehung auf Telefonate. Später finden dann persönliche
Treffen statt (vgl. Preservice, Institute for Human Services 2000, S. 7).
Wichtig ist dabei, dass die Pflegeeltern die Grenzen der emotionalen Verbindung zu dem
Kind erkennen und das Ziel der Rückführung in die Herkunftsfamilie akzeptieren
(Palmer, 1995, S. 53). Denn die Pflegeeltern spielen aus verschiedenen Gründen eine
wichtige Rolle in der Erhaltung der Verbindung von Herkunftseltern und Kind. Diese für
den Reunification Prozess entscheidende Sache wird durch eine regelmäßige
Kommunikation mit und über das Kind und regelmäßigen Besuchskontakten
gewährleistet. Die Unterstützung des Kontaktes zwischen Herkunftseltern und Kind von
Seiten der Pflegeeltern wirkt zum einen der Entstehung von Schuldgefühlen und
Loyalitäts-Konflikten entgegen, die bei Kindern, die in zwei Familien aufwachsen, oft
entstehen. Zum anderen erfüllen die Pflegeeltern eine Vorbildfunktion für die
Herkunftseltern. Sie können
den leiblichen Eltern im direkten Kontakt neue
Erziehungsmethoden und Umgangsformen zeigen. „[...] foster parents will actively
support biological parents in their reunification efforts by acting as role models, serving as
parent advocates, and involving parents in decision-making.“ (Sanchirico & Jablonka
2000, S. 187). Den Autoren Warsh, Pine & Maluccio (1996) ist es dabei wichtig, an die
Stärken der Herkunftsfamilie zu appellieren (vgl. S. 103).
66
4. Die Herkunftseltern
Die Schwierigkeit dieser Aufgabe lässt sich gut an den Auswirkungen des
Zusammentreffens von Herkunftseltern und Kind verdeutlichen. Denn die Pflegeeltern
sind diejenigen, die mit dem Gefühlschaos und den Verhaltensauffälligkeiten, welche
beim Kind, besonders zu Anfang der Inpflegegabe entstehen können, umgehen müssen.
Woche für Woche müssen sie sich diesen Strapazen von neuem stellen (vgl. Steinhauer
1991 zit n. Sanchirico & Jablonka 2000, S. 188). „Keeping foster children connected to
their biological parents is one of the most important and most difficult responsibilities that
foster parents must perform.“ (Sanchirico & Jablonka 2000, S. 200).
Die Besuche können somit zu einer Belastung der Pflegeeltern werden, aber die Autorin
Palmer (1995) betont, dass die Pflegeeltern ihre Machtposition bei der Sozialeinrichtung
nicht ausnutzen sollen. Ein Sozialarbeiter könnte gegen sein Urteilsvermögen handeln und
der Bitte der Pflegeeltern um die Einschränkung des Besuchskontaktes nachgeben, weil er
einen Wechsel der Pflegefamilie befürchtet und einen erneuten Beziehungsabbruch für das
Kind um jeden Preis vermeiden will (vgl. S. 53).
Bei dieser Bandbreite an Erwartungen und Aufgaben der Pflegeeltern ist eine intensive
Vorbereitung unabdingbar. Die Sozialeinrichtung trägt die Verantwortung, die
Pflegeeltern angemessen auf ihre Rolle vorzubereiten, sie mit allen zugänglichen
Informationen über das Kind und die Herkunftsfamilie zu versorgen und sie in
Entscheidungsprozesse zu involvieren (vgl. Warsh, Pine & Maluccio 1996, S. 8).
Wichtig in der Vorbereitung der Pflegeeltern ist die Vermittlung von Wissen und
Erkenntnissen. Diese beziehen die Entwicklung und Bedürfnisse von Kindern, die
Philosophie und Praxis von Permanency Planning und die Auswirkungen von Trennungen
auf das Kind und die Herkunftsfamilie mit ein (vgl. Pecora et. al. 2006, S. 318).
Nicht nur die Vorbereitung ist eine Aufgabe der Sozialeinrichtung, sondern die
zuständigen Sozialarbeiter tragen die Verantwortung für die Entstehung einer
kommunikativen und produktiven Beziehung zwischen den leiblichen Eltern und
Pflegeeltern.
Bedeutsam für die Funktion und die Rolle der Pflegeeltern ist die Tatsache, dass von ihnen
nicht erwartet wird, sich um die Herkunftsfamilie zu kümmern. Denn dies würde der
Entwicklung
der
Selbständigkeit
der
Herkunftsfamilien
entgegenwirken,
die
4. Die Herkunftseltern
67
Herkunftsfamilie soll später allein zurechtkommen und nur durch ihr Umfeld mehr
Unterstützung erfahren soll (vgl. Preservice, Institute for Human Services 2000, S. 8)
Um die Entstehung einer Beziehung von Pflege- und Herkunftseltern zu fördern wird mir
in den Interviews von Shared Parenting (geteilte Elternschaft) berichtet. Shared Parenting
wird eingesetzt, um gezielt eine selbstständige Zusammenarbeit von Pflege- und
Herkunftseltern zu fördern. Bei der Herausnahme des Kindes teilen sich die Bereiche der
Elternschaft auf drei unterschiedliche Personen bzw. Institutionen auf. Die biologischen
Eltern bilden die Herkunft und Identität der Kinder, die Pflegeeltern übernehmen die
tägliche Versorgung des Kindes und den erzieherischen Teil der Elternschaft. Das Gericht
und die Sozialeinrichtungen werden zum gesetzlichen Vormund und tragen die rechtliche
Verantwortung für das Kind. Shared Parenting resultiert aus der Zusammenarbeit dieser
drei Parteien und der Bildung einer elterlichen Partnerschaft.
Vereinfacht ausgedrückt findet Shared Parenting dann statt, wenn sich mehrere
Erwachsene die Verantwortung für die Versorgung und Pflege des Kindes und die
Entscheidungskompetenz teilen (vgl. New York State Citizens' Coalition For Children,
Inc. 2002).
Frau Bowers berichtet über den Einsatz von Shared Parenting in Jefferson County, wo es
seit ungefähr 1 ½ Jahren eingesetzt wird: „[...] that‘s actually in our county a big piece
that we‘re really working on [...] and we love shared parenting, but not all our foster
parents love shared parenting [...] foster parents, that have been foster parents for a long
time, that never did shared parenting, for some of them it is really difficult to switch their
mentality of we promote foster parents and parents talking on the phone, [...] letting the
parents come into the foster home, working together as a team [...] But we‘ve seen a lot of
success with the foster parents that are doing shared parenting, huge successes in
reunification and those are the cases, where the parents still keep communications open
with the foster parents even though that they‘ve gotten their kids back [...] in the really
good situations [...] the parents don’t feel threatened by the foster parents and so they
wanting that contact to continue, which I think it’s great, because it is another good
support system for the parents and for the kids, so we try really hard to promote shared
parenting [...].“
68
4. Die Herkunftseltern
Auch in der Reunification Unit von Dane County, wird Shared Parenting von Frau Frau
Kedzie und Frau Veloon eingesetzt: „[...] the Shared parenting [...] that is a big piece of
what we do, because we [...] have a better understanding that parents have right and need
to know who is taking care of their children and it helps with reunification, if the foster
parents can see and get to know the parent as somebody other than somebody who has
just hurt their child and building that relationship so you see each other as two human
beings in this world that love the child and care about the child, is really a big piece of
what we do [...] that’s sensitive work, because their is different dynamics in every case
[...].“
Um die Entwicklung einer Beziehung zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern konkret
anzuregen, ist es nach Meinung von Frau Plummer wichtig, dass beide Familien im Laufe
der Zeit beginnen, direkt miteinander zu kommunizieren und der Sozialarbeiter als
Mittelsmann in den Hintergrund treten kann. Frau Plummer berichtet von einem Fall, in
dem sie immer wieder von der Pflegemutter angerufen wurde, um z.B. die Abholzeit für
einen Besuch mit der Herkunftsfamilie zu ändern. Frau Plummer machte dieser
Pflegemutter deutlich, dass diese Dinge direkt mit den Herkunftseltern abgesprochen
werden sollten.
Die Arbeit mit den Herkunftseltern ist sehr vielfältig und Familien mit komplexen
Problemlagen benötigen eine umfassende Analyse ihrer Probleme und Hilfe bei der
Bewältigung.
Die
Herkunftseltern
brauchen
nicht
nur
Strategien,
die
der
Problembewältigung dienen, sondern sie benötigen besonders zu Beginn eine konkrete
Hilfestellung, z.B. bei der Haushaltsführung.
Zusammen mit der Aufrechterhaltung der Bindung zwischen Herkunftseltern und Kind
stellt die Arbeit mit den Herkunftseltern, die wesentliche Komponente dar, nach der sich
die Reunification Arbeit und die Reunification Programme ausrichten. Es gibt eine
Vielzahl von Reunification Programmen, die im Grunde eine Festlegung der
Vorgehensweise der Reunification Arbeit in einem bestimmten Bezirk sind. Der genaue
Inhalt und Aufbau der Reunification Programmen wird im nachfolgenden Kapitel
beschrieben und mit Beispielen aus der Praxis unterlegt. Zunächst einmal wird dabei auf
die Family Preservation Bewegung eingegangen, denn die Reunification Programme
entwickeln sich aus den Family Preservation Programmen.
69
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
5.
Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
5.1
Reunification
Programme
in
Family Preservation
Programme
5.1.1
Family Preservation Programme
Abgrenzung
zu
Die Etablierung von Family Preservation Services begann Ende der siebziger Jahre und
nahm einen festen Platz in den sozialen Institutionen der USA ein. Family Preservation
Services umfasste eine Reihe an Programmen, die zum Erhalt von Familien dienten. Die
Initiatoren dieser Programme gingen davon aus, dass eine Herausnahme des Kindes durch
ein ausreichendes Angebot an Hilfe- und Unterstützungsmaßnahmen verhindert werden
könnte. Daher wurden sie meist präventiv eingesetzt. Doch um den Erhalt von Familien zu
sichern, wurden sie auch in der Reunification Arbeit angewendet oder dienten als Vorlage
für Reunification Programme (vgl. Whitelaw Downs 2004). Die ersten Reunification
Programme waren beispielsweise ein Bestandteil der bereits vorhandenen präventiven
Programme des Family Preservation Services. Die Umsetzung und Durchführung der
Reunification Arbeit geschah durch die gleichen Mitarbeiter und das gleiche Angebot an
Unterstützungsleistungen aus dem Family Preservation Services (vgl. Westat et. al. 1995,
Chapter III). Im Laufe der Zeit wurden mehr und mehr eigenständige Reunification
Programme entwickelt, die sich nach den gleichen Grundprinzipien der Family
Preservation Programme richteten, jedoch eine andere Klientel und andere Ziele
fokussierten und eben nicht den Präventionsgedanken der Family Preservation Programme
aufgriffen.
Eine vermeintliche Ähnlichkeit dieser Programme besteht weiterhin, denn ihre Entstehung
beruht auf gemeinsamen Wurzeln (vgl. Fein & Staff 1993, S. 69).
Für den Entstehungshintergrund der Family Reunification Programme ist es bedeutsam,
die unterschiedlichen Arten von Family Preservation Programmen zu kennen. Denn viele
Family Reunification Programme basieren auf den unterschiedlichsten Pilotprojekten, die
zur Entstehung von Family Preservation Programmen geführt haben.
Die verschiedenen Arten der Family Preservation Programme basieren alle auf einer
Philosophie, in der die Familie im Zentrum steht. Jedoch unterscheiden sie sich in der
Behandlungsweise, der Intensität und Länge der Intervention (vgl. Westat et. al. 2002,
Volume 1, 1.1).
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
70
Die Herausbildung von drei Modellen der Family Preservation Programme wird von den
Autoren Nelson et. al. (1990) beschrieben. Es handelt sich dabei um ein Crisis
Intervention model (Modell der Krisenintervention), Family Treatment model (Modell der
Familien-Behandlung) und das Home-based model, welches die Erbringung der
Hilfestellung hauptsächlich im Haus der Familien erbringt (vgl. nach Westat et. al. 2002,
Volume 1, 1.1).
Crisis Intervention model
Das Crisis Intervention model ist krisenorientiert und die Intervention richtet sich an
Menschen, die sich in einer instabilen, unsicheren Lebenslage befinden. Es gilt, die
Eskalation dieser Krise zu verhindern (vgl. Barth 1990 nach Westat et. al. 2002, Volume
1, 1.1). Das Crisis Intervention model entstand im Jahr 1974 mit dem „Homebuilders“
Projekt. Dieses Projekt wurde von David Haapala und Jill Kinney in Tacoma,
Washington, entwickelt und angewendet. Das Programm bietet der ganzen Familie eine
kurze, zeitlich begrenzte, aber sehr intensive Intervention. Die Intervention dauert nicht
mehr als sechs Wochen. Der für die Familie verantwortliche Mitarbeiter von
„Homebuilders“ ist 24 Stunden für die Familie erreichbar und verbringt wöchentlich 20
Stunden in der Familie. Sein Fokus liegt auf der Krisenbewältigung und einer intensiven
Familienarbeit. Aufgrund der intensiven Arbeit mit der Familie kann nur zwei, höchstens
drei Familien gleichzeitig betreuen (vgl. Westat et. al. 2002, Volume 1, Punkt 1.1).
Nach Ablauf der sechs Wochen werden den Familien andere, weniger intensive Hilfs- und
Unterstützungsprogramme angeboten. Homebuilders hilft zunächst der Familie bei der
Erfüllung der Grundbedürfnisse. „We help families with basic needs [...]. They will not be
able to concentrate on more abstract skills such as parenting unless basic need have been
met.“ (Kinney 1991, S. 117)
Family Treatment model
Das Family Treatment model fokussiert die Familientherapie und nicht so sehr das
Angebot von konkreten Unterstützungsleistungen. Die Intervention ist weniger intensiv
als im Crisis Intervention model. Nach diesem Modell betreut ein Sozialarbeiter circa elf
Familien. Das Family Treatment model liegt dem Intensive Family Service (IFS)
zugrunde und bezieht zusätzlich die Systemtheorie mit ein. IFS wurde 1980 im
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
71
Bundesstaat Oregon gegründet (vgl. Nelson 1990 nach Westat et. al. 2002, Volume 1,
Punkt 1.1).
Home-based model
Das Home-based model basiert auf der Systemtheorie und bezieht sich auf das Verhalten
und die Interaktionen der Familie. Die Intervention richtet sich auf die Verbesserung der
gestörten Familiendynamik eine schlechte Interaktion und Kommunikation zwischen den
Familienmitgliedern. Insgesamt soll die Familie wieder als Einheit funktionieren und in
ihr soziales Umfeld integriert werden. Diese Entwicklung begann im Jahr 1974 im
Bundesstaat Iowa. Home-based model ist eine Langzeit Intervention. Ein Sozialarbeiter ist
für 10-12 Familien verantwortlich (vgl. Nelson 1990 nach Westat et. al. 2002, Volume 1,
Punkt 1.1).
Auf diesen Projekten und Modellen beruht die Entwicklung der Family Reunification
Programme. In der Praxis werden z.B. häufig Strategien und Prinzipien aus Intensive
Family Preservation Services in Reunification Programme übertragen. Wichtig ist jedoch
auch eine Abgrenzung von Family Preservation Services um die Unterschiede zu
verdeutlichen.
5.1.2
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Family Preservation und
Reunification Programme
Die Gemeinsamkeiten in zentralen Ansichten und Aufgaben von Reunification und
Preservation sind nicht zu leugnen. Eine dieser Gemeinsamkeiten ist die Art und Weise, in
der die Familie betrachtet wird. Sie wird als ein System gesehen, dessen familiäre
Bindung gestärkt werden muss. Der Familie soll der Zugang zu formalen und informellen
Ressourcen ermöglicht werden, auch die Erziehung und Versorgung der Kinder soll
verbessert werden (vgl. Maluccio, Warsh & Pine 1991, S. 4). Es soll eine Einheit der
Familie entstehen, in der Probleme offen angesprochen und gemeinsam bewältigt werden.
Jedoch gibt es im Reunification und Preservation Konzept einige erhebliche Unterschiede.
Der gravierendste liegt
nach Ansicht der Verfasserin in der Motivation der
Herkunftseltern. Wenn die Kinder erstmals von der Herkunftsfamilie getrennt sind, haben
die leiblichen Eltern eine niedrigere Ausgangsmotivation, als wenn ihnen die Option
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
72
bleibt, eine Herausnahme des Kindes zu verhindern. Die Trennung löst auch die in Kapitel
4.1.2 beschriebenen Emotionen und Trennungsschmerzen aus, mit denen zusätzlich
umgegangen werden muss. Außerdem muss zuerst ein regelmäßiger Kontakt zwischen
Eltern und Kind aufgebaut werden, um die Familienbindungen stärken zu können.
Zusätzlich erschwert die räumliche Trennung von Eltern und Kind das Lehren von
Erziehungsmethoden, denn es gibt wenige Möglichkeiten, die Eltern-Kind Interaktionen
zu beobachten und eingreifen zu können. Der letzte Unterschied betrifft die Bindung, die
das Kind zu den Pflegeeltern entwickelt. Mit dieser Verbindung müssen die
Herkunftseltern und das Kind lernen, umzugehen (vgl. ebd., S. 4 f).
5.2
Allgemeine Aspekte der Reunification Programmen
5.2.1
Instrumente der Reunification Arbeit
In der Reunification Arbeit gibt es zahlreiche wichtige Instrumente, die auch einen
Einfluss auf die Gestaltung von Reunification Programmen haben. Die Instrumente
können sich nach der Arbeit mit den Herkunftseltern ausrichten und bei der
Problembewältigung behilflich sein. Des Weiteren fanden die Organisationen Westat und
Chapin Hall Center for Children (2001) in einer Untersuchung von verschiedenen
Reunification Programmen einige Instrumente, die in vielen Sozialeinrichtungen der USA
angewendet werden. Zum Beispiel dient ein intensives Besuchsprogramm unter anderem
der Aufrechterhaltung der Eltern-Kind-Bindung (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 2, 3.1).
„Keeping foster children connected to their biological parents, through visiting and other
forms of contact, is essential for reunification because it helps to reestablish and maintain
family ties during out- of home placement.“ (Sanchirico & Jablonka 2000, S. 185)
Die wöchentlichen Treffen von Herkunftseltern und Kind werden auch von anderen
Autoren als eine Schlüsselfunktion im Reunification Prozess betrachtet, z.B. Ahart et. al.
1992, III 2. Die Verantwortung in der Vorbereitung und Gestaltung der Besuchskontakte
von Herkunftseltern und Kind liegt in den Händen der Sozialarbeiter. Die Pflegeeltern
leisten, wie bereits in Punkt 4.2.3 geschildert wurde, einen Beitrag dazu.
Besuche erfüllen verschiedene Funktionen. Zum einen stellen sie ein therapeutisches
Mittel dar, das eingesetzt wird, um auf die Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie
vorzubereiten. Dieses wird durch die Bewahrung der Eltern-Kind-Bindung bewerkstelligt
und die leiblichen Eltern erhalten die Möglichkeit neue Erziehungsmethoden und
73
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
Verhaltensweisen in der direkten Interaktion mit ihren Kindern zu lernen Andererseits
dienen Besuchskontakte als Indikator dafür, ob eine Familie bereit für die Rückkehr des
Kindes ist oder noch etwas Zeit braucht (vgl. McCartt Hess & Proch 1988, S.119).
Ein Besuchsplan, in der die Verantwortung der Herkunftseltern für die tägliche
Versorgung und Erziehung ihrer Kinder kontinuierlich gesteigert wird, ist die Basis für
eine erfolgreiche Rückführung des Kindes (vgl. ebd., S.119). „As families progress toward
reunification, the primary responsibility for the child’s care and protection during visits
should gradually shift from the agency to the parents.“ (ebd. S. 125)
Zusätzlich findet eine Steigerung in der Länge und Häufigkeit der Besuche statt. Aus
wöchentlichen,
unbeaufsichtigte
einstündigen
zweistündige
Wochenendaufenthalten
und
beaufsichtigten
Besuche,
ausdehnen.
So
die
wird
sich
ein
Besuchen
zu
sanfter
werden
langsam
ÜbernachtungsÜbergang
von
und
der
Fremdunterbringung in die Herkunftsfamilie geschaffen.
Zusammengefasst sind die wichtigsten Funktionen der wöchentlichen Treffen von
Herkunftseltern und Kind: die Steigerung des Kindeswohls, indem es auch die Sicherheit
gewinnt, dass es nicht von seinen leiblichen Eltern verstoßen wird. Die Besuche bieten die
Möglichkeit der Interaktion und die Herkunftseltern lernen im praktischen Umgang mit
ihren Kindern neue Erziehungsmaßnahmen. Zusätzlich können sich die Sozialarbeiter ein
Urteil über die benötigten Hilfen von Eltern und Kind machen und den Eltern ein direktes
Feedback über ihr Interaktionsverhalten mit dem Kind geben. Auch die Fortschritte der
Herkunftseltern in der Problembewältigung werden thematisiert. Diese Dinge werden
dann auch von den Sozialarbeitern schriftlich festgehalten.
Ein weiteres wichtiges Instrument der Reunification Programme sind Team Meetings, die
von Westat et. al. (2001) mit dem Begriff „Familienkonferenz“ bezeichnet werden.
Familienkonferenzen sind speziell auf die Familie mit deren Angehörigen, Freunden und
anderen unterstützenden Personen aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld der Familie
ausgerichtet. Diese Methode stellt die Stärken der Familie in den Mittelpunkt und regt sie
an, sich am Finden einer Lösungsstrategie für ihre Probleme zu beteiligen. Hierbei werden
auch zusätzliche soziale Ressourcen entdeckt, die einer sozialen Isolation der Familie
entgegenwirken können (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 2, 3.1).
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
74
Im Bundesstaat Wisconsin wurde mir von der Sozialarbeiterin Frau Bowers von der
Methode des Team Meetings erzählt, deren Einsatz für sie eine große Bedeutung in Bezug
auf den Erfolg von Reunification hat. Sie berichtet: „[...] it is kind of a team effort, and
that‘s kind a big thing right now, that we‘re trying to really promote is teaming [...] and
what we like to do a lot is do team meetings, so we like to try and get all the people that
are working with this family, together, so that we can all talk in the same room and be on
the same page about everything [...] if we‘re all working at different angels, it‘s never
gonna really help this family[...].“
Im Team Meeting treffen alle am Reunification Prozess beteiligten Personen zusammen.
Zu den beteiligten Personen gehören Menschen aus dem persönlichen, inoffiziellen
Unterstützungssystem der Eltern, zu dem Freunde und Angehörige gehören und aus den
professionellen Helfern wie Sozialarbeitern, Therapeuten, Beratern, Anwälten und
anderen in den Prozess involvierten Personen. In den Team Meetings wird über die Ziele
und Fortschritte, die bereits erzielt wurden, gesprochen, um allen den aktuellen Stand der
Dinge mitzuteilen. Frau Bowers erlebt eine Erleichterung in der Reunification Arbeit,
wenn alle miteinander arbeiten und nicht jeder für sich. Ziel ist es, ein Netzwerk
aufzubauen, welches die Familie auch in Zukunft unterstützt. Die Organisation und
Vorbereitung dieser Team Meetings ist ein großer Arbeitsbereich des Sozialarbeiters, der
sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Offizielle und inoffizielle Fallbesprechungen innerhalb
der Foster Care Unit und mit den Herkunftseltern sind, ebenso wie die größeren Team
Meetings oder Familienkonferenzen, ein wichtiges Instrument der Reunification Arbeit.
Neben diesen Instrumenten, die in vielen sozialen Institutionen in der Reunification Arbeit
angewendet werden, haben manche Einrichtungen ganze Reunification Programme
entwickelt (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 2, 3.2), die ich nun beschreiben werde.
5.2.2
Die Unterschiede der verschiedenen Reunification Programme
Die Studie von Westat et. al. (1995) stellt, einige Unterschiede der Reunification
Programme fest. In einer erneuten Untersuchung aus dem Jahre 2001 werden die
Ergebnisse vertieft. In 15 Staaten der USA werden insgesamt 26 verschiedene Programme
untersucht. „Both statewide and county reunification program models were identified with
some states and counties identifying more than one program model.“ (Westat et. al. 1995,
Chapter III, A)
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
75
Sie unterscheiden dabei in Reunification Programme, die in Family Preservation Services
integriert sind und solche, die unabhängig davon sind. Die Kriterien für unabhängige
Reunification Programme sind ein eigenes Modell und Vorgehensweisen, die von einer
eigenen Abteilung oder von eigenen Mitarbeitern umgesetzt werden. Fraglich bleibt
jedoch, ob es sich bei den integrierten Reunification Programmen wirklich um richtige
Reunification Programme handelt, denn in den meisten Fällen bieten sie eine Art
Nachbetreuungsdienst für Kinder an, die bereits in die Herkunftsfamilie zurückgekehrt
sind (vgl. ebd.). Diese Tatsache stellt, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, nur die
Unterschiede in der Betrachtungsweise von Reunification Arbeit und den Einsatz von
Nach- bzw. Vorbereitungsangeboten fest. Einige Programme bereiten die eigentliche
Rückführung des Kindes intensiv vor und sobald das Kind in der Herkunftsfamilie ist,
endet das Programm. Wobei andere Programme erst an diesem Punkt einsetzen und
wieder andere schließen eine Vorbereitungs- und eine Nachbetreuungsphase mit ein. Es
gibt keine einheitliche Regelung über den Aufbau und den genauen Inhalt eines
Reunification Programms. Für die Autoren Pecora et. al. (2006) besteht jedoch das ideale
Reunification Programm aus einem Angebot an Unterstützungsleistungen, die über die
Rückkehr des Kindes hinausgehen (Pecora et.al. 2006, S. 345).
Die genauen Unterschiede bestehen in der Intensität der Arbeitsweise. Dieses beeinflusst
die Anzahl der Familien, die auf einen Sozialarbeiter kommen. Westat et. al. (1995)
stellen in ihrer Studie fest, dass die Anzahl von zwei bis vier zu betreuenden Familien z.B.
in Minnesota und sechs bis zwölf zu betreuenden Familien z.B. in Los Angeles, variiert
(vgl. Appendix B, 2a & 3a). Die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle hängt auch immer von
den verfügbaren finanziellen Mitteln ab und der Größe des Einzugsgebietes des jeweiligen
Bezirkes.
Die Reunification Programme gehen jeweils unterschiedlich mit der Handhabung der
elterlichen Probleme um. Ein großer Unterschied wird beispielsweise in Bezug auf die
Intensität der Hilfestellung deutlich. In Jefferson County, Wisconsin, erhalten die
Herkunftseltern beispielsweise zu Beginn sehr viel Unterstützung, diese nimmt mit der
Zeit ab und die Eltern werden wieder zur Selbständigkeit geführt.
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
76
Frau Bowers berichtet: „It‘s our believe in Jefferson County, that we try to do anything
imaginable possible to help your families. So that might mean that, if a parent has a car,
that doesn’t work [...] we may pick them up and take them to their therapy appointments
[...]. Some other counties have a totally different philosophy on that and believe, that that
is not ok, that the parents need to figure it out and they need to do it themselves [...]“
„[...] initial we give them everything we can and then we start backing up, ok now we
need to start working on a plan of how you’re gonna get to these appointment without us
helping you [...].“
Weitere Unterschiede betreffen die zeitliche Begrenzung in der Anwendung der
Programme und die angesprochene Zielgruppe. Programme, die auf Family Preservation
Modellen basieren sind meist kürzer in der Familie involviert, z.B. Missouri’s Family
Reunion dauert in der Regel acht bis zwölf Wochen (vgl. Westat et. al. 2001, Appendix
C). Viele andere Programme arbeiten mit den Familien ein bis zwei Jahre zusammen, z.B.
Florida’s Homeward Bound dauert 18 Monate (vgl. ebd.).
Bei der Auswahl der Klienten ist die Länge der Fremdplatzierung oft von Bedeutung und
einige Programme richten sich an Kinder, die erst kürzlich in das Pflegekinderwesen
aufgenommen wurden. Manche Programme nehmen nur Fälle auf, in denen eine
Rückführung des Kindes oder die Bemühungen einer Rückführung bereits gescheitert
sind. Es gibt auch Programme, die nur für ganz spezielle Zielgruppen ausgerichtet sind,
z.B. drogen- und alkoholabhängige Eltern (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 2, 3.2).
Die Einbeziehung, bzw. Nichteinbeziehung von Pflegeeltern und das Ausmaß der
Einbeziehung und Verknüpfung mit anderen Einrichtungen des Gemeinwesens variieren
von Programmen zu Programmen (vgl. ebd., Appendix C).
Reunification Programme werden von staatlichen und privaten Agenturen angeboten.
Die Studie von Westat et. al. (1995) erwähnt fünf Reunification Programme, die von
staatlichen Einrichtungen ausgeführt werden und 14 Programme, die von privaten
Einrichtungen ausgeführt werden. Bei zwei Programmen waren sowohl private als auch
staatliche Agenturen involviert (vgl. Chapter III, B 7).
77
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
5.2.3
Die Reunification Programme mit spezifischen Fokus
Einige Reunification Programme fokussieren eine bestimmte Zielgruppe oder eine
bestimmte Vorgehensweise, diese werden von Westat et. al. (2001) in verschiedene
Kategorien aufgeteilt. Es handelt sich dabei um Programme, die als Zielgruppe Eltern mit
Suchtproblemen einbeziehen oder Kinder mit schwerwiegenden Problemen fokussieren.
Außerdem gibt es Programme, die auf der Verknüpfung und Zusammenarbeit mit dem
Gemeinwesen basieren, die so genannten Community-Based Programs. Eine weitere
Kategorie besteht aus Family Preservation Intensive In-home Services, diese basieren auf
dem Family Preservation Model, insbesondere dem In-home based model (vgl. Chapter 2,
3.2).
Community-Based Programs
Das Ziel für Community-Based Programs ist die Eingliederung von Familien in ihr
soziales Umfeld und die darin enthaltenen Gemeindezentren. Die Gemeindezentren bilden
eine Ressource für problembelastete Familien. Das meistverbreitete Community-Based
Program ist das von der Annie E. Casey Foundation entwickelte Family to Family model.
Dieses darf nicht als reines Reunification Programm verstanden werden, sondern es ist ein
Modell, welches die Gemeinwesenarbeit unterstützt, besonders in Gemeinden, aus denen
Pflegekinder stammen. Durch eine Stärkung der Gemeinde und die Verknüpfung von
staatlichen Sozialeinrichtungen mit örtlichen Gemeindezentren und mit anderen Diensten
wird die Eingliederung von problembelasteten Familien in ihr soziales Umfeld möglich In
Zusammenarbeit mit den Gemeindezentren wird unter anderem auch wesentlich die
Reunification Arbeit unterstützt, es werden z.B. stellen sie Räume für Besuchskontakte
zwischen Kind und Herkunftseltern zur Verfügung gestellt. Auf Grund der räumlichen
Nähe der Gemeindezentren zum Wohnbezirk der Herkunftseltern gelangen diese nicht nur
unproblematisch zu den Treffen mit ihren Kindern, sondern sie lernen dabei noch ihr
unmittelbares soziales Umfeld und das Gemeindezentrum mit seiner Vielfalt an
Möglichkeiten kennen. Es können sich Begegnungen mit Menschen in ähnlichen
Lebenslagen
ergeben
oder
sie
erfahren,
dass
es
noch
andere
Hilfs-
und
Unterstützungsangebote gibt. Die Angliederung der Familie z.B. an das örtliche
Gemeindezentrum unterstützt die Reunification Arbeit und ist der Familie auch nach der
Rückführung des Kindes zugänglich. Das Gemeindezentrum kann langfristig als
Ressource genutzt werden (vgl. Westat et. al. 2001 Chapter 2, 3.2).
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
78
Family Preservation Intensive In-home Services
Die Family Preservation Intensive In-home Services haben die Richtlinien und
Vorgehensweisen aus dem Homebuilders model übernommen. Es kommen nicht mehr als
fünf Familien gleichzeitig einen Sozialarbeiter und dieser ist rund um die Uhr für die
Familien erreichbar. Ein Beispiel ist das Natural Support Program in New Jersey, auf das
ich im folgenden Abschnitt genauer eingehen werde (vgl. ebd.).
5.3
Konkrete Beispiele für Reunification Programme
5.3.1
Das Reunification Programm aus New Jersey
Das Natural Parent oder auch Birth Parent Support Program ist ein staatlich gegründetes
Reunification Programm, welches im gesamten Bundesstaat New Jersey eingesetzt wird.
In New Jersey unterliegt das Child Welfare System der staatlichen Verwaltung. Die
Abteilung für Jugend- und Familienfürsorge (DYFS)16 des Department of Human Services
ist verantwortlich für die Verwaltung der sozialen Dienste, die sich an Familien richten.
Die Abteilung für Jugend- und Familienfürsorge betreibt 32 regionale Zentren in den 21
Bezirken von New Jersey. Der Staat hat auch einige private, soziale Institutionen unter
Vertrag, die spezielle und erweiterte Arbeit im Bereich des Pflegekinderwesens und der
Reunification Arbeit erbringen (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 3, Appendix D, NPSP,
1.1).
Die Informationen über das Natural Parent Support Program (NPSP) stammen unter
anderem aus Interviews, die Westat et. al. (2001) im Rahmen der Untersuchung
„Permanency and Reunification Trends in 25 States“ im November 2000 mit den
Mitarbeitern des Departement of Human Services, der Abteilung für Jugend- und
Familienfürsorge und den Mitarbeitern von NPSP, geführt hat. Die Aussagen von Westat
über die Durchführung und Organisation von NPSP beziehen sich hauptsächlich auf eine
zentrale Region in New Jersey, die sich aus fünf Bezirken zusammensetzt. Zum Zeitpunkt
des Berichtes befinden sich in der zentralen Region 573 Kinder im Pflegekinderwesen
(vgl. ebd., 1.1).
Die Zielgruppe von NPSP sind Familien, die einer intensiveren Unterstützung bedürfen,
als traditionelle Reunification Arbeit leisten kann. Das Programm arbeitet mit der ganzen
Familie zusammen, wobei der Fokus auf die Arbeit mit den leiblichen Eltern gelegt wird,
16
Division of Youth and Family Services
79
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
denn sie müssen die Voraussetzungen für eine Rückführung des Kindes erfüllen. Die
Familien werden entweder zum Zeitpunkt der Fremdplatzierung drei Monate vor oder drei
Monate nach der Rückführung des Kindes in das NPSP Programm aufgenommen. Das
Programm bietet eine intensive häusliche Betreuung und dauert vier bis sechs Monate. Die
relativ kurze Dauer des Programms erfordert die Realisierbarkeit der Rückführung des
Kindes innerhalb dieses Zeitraumes. Bei der Aufnahme in das Programm müssen
beispielsweise Eltern mit einer Suchtkrankheit bereits fortgeschritten in ihrer
Suchtbehandlung sein, um die Voraussetzung für eine schnelle Rückkehr des Kindes
erfüllen zu können (vgl. ebd., 2.1).
Fünf bis sieben Familien werden gleichzeitig von einem Sozialarbeiter betreut, der mit
ihnen bis zu acht Stunden in der Woche zusammenarbeitet. Der Sozialarbeiter hilft der
Familie
bei
der
Bewältigung
ihrer
Probleme
und
stellt
eine
Vielzahl
an
Unterstützungsangeboten bereit. Die Herkunftseltern werden z.B. bei konkreten Dingen,
wie der Haushaltführung, der Arbeitssuche, dem Finden einer Kindertagesstätte und dem
Erlernen von neuen Erziehungsmethoden angeleitet. Die Sozialarbeiter nehmen dabei eine
beratende sowie eine Vorbildfunktion ein. Sie können sich ihre Arbeitszeit frei einteilen,
sind damit flexibel einsetzbar und können sich nach den individuellen Bedürfnissen der
Familie richten. Die Flexibilität und die hohe Stundenanzahl, die in der Familie verbracht
wird, erlaubt dem Sozialarbeiter auch das Durchführen der Besuche zwischen Eltern und
Kind, das Übernehmen von Fahrdiensten und die Begleitung zu Selbsthilfegruppen,
Therapiesitzungen
oder
Einstellungsgesprächen.
Die
Zusammenarbeit
mit
dem
Sozialarbeiter ist auch am Wochenende oder am Abend möglich (vgl. ebd., 2.2).
Das Programm betont Methoden, die den Eltern helfen ihre Stärken zu erkennen und die
Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dabei spielt die Beziehung zwischen dem
Sozialarbeiter und den leiblichen Eltern eine bedeutende Rolle. Um eine Vertrauensbasis
aufzubauen, ist ein langsamer Einstieg in die Zusammenarbeit mit der Familie
erforderlich. Die so langsam entstehende Beziehung ist die Voraussetzung für eine
erfolgreiche Zusammenarbeit und haben die Herkunftseltern ihre Ziele erreicht, wird die
Betreuung und Unterstützung schrittweise weniger, um die Unabhängigkeit der Familie zu
gewährleisten. Im Idealfall ist die Familie gegen Ende des Programms in ein soziales
Netzwerk integriert und sie erhält weitere Unterstützungsleistungen z.B. vom
Gemeindezentrum ihres Wohnortes. Die Abteilung der Jugend- und Familienfürsorge
überwacht die Familie, meist noch 3-6 Monate nach Abschluss des Falles (vgl. ebd., 2.2).
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
80
Finanziert wird das NPSP jährlich mit 94.000 Dollar aus der „Governor's Foster Care and
Permanency Initiative“, die ganzheitlich durch staatliche Gelder finanziert wird (vgl. ebd.,
2.6).
Das Programm erkennt die Wichtigkeit der Arbeit mit den Herkunftseltern für den
Reunification Prozess an und der Erfolg wird durch das Angebot einer intensiven
Einzelbetreuung im Haus der Herkunftsfamilie ermöglicht. „The NPSP offers flexibility,
accessibility, intensive and supportive services, and small manageable caseloads.
According to one member of the staff, these are the ingredients to make things happen.“
(vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 3, Appendix D, NPSP, 3)
5.3.2
Einblick in die Struktur und Arbeitsweise der Reunification Unit
in Dane County Human Service Department, Madison Wisconsin
Während meines Aufenthaltes in den USA habe ich die Reunification Arbeit im
Bundesstaat Wisconsin näher kennen gelernt. Wisconsin liegt im Norden der USA und
verzeichnete im Jahr 2006 eine Einwohnerzahl von über 5 Millionen, von denen 23,4 %
unter 18 Jahren waren (vgl. US Census Bureau 2006, Wisconsin). Child Welfare wird
regional verwaltet und die Ausführung der Reunification Arbeit wird hauptsächlich von
staatlichen Institutionen übernommen (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 3, Appendix A,
Wisconsin).
Im Jahr 2004 betrug die Anzahl der Pflegekinder 7.812, damit sind 6 von 1000 Kindern in
Wisconsin fremduntergebracht (vgl. NDAS 2004, Bericht Rate of Children in Out-ofHome Care). Es verließen 5.682 Kinder das Pflegekinderwesen und 5.643 Kinder wurden
neu aufgenommen (vgl. NDAS 2004, Berichte Number of Children Entering/ Exiting Out
of Home Care). Die meisten Kinder, die das Pflegekinderwesen verließen, kehrten wieder
zu ihren Herkunftseltern zurück. Es wurden 3.170 Kinder in ihre Herkunftsfamilie
zurückgeführt, dies entspricht etwa 56% (vgl. Kids are Waiting 2007).
Dass die Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie einer der häufigsten Gründe für
die Beendigung des Pflegeverhältnisses in Wisconsin ist, wurde bereits in einer
umfassenden Studie von Westat et. al. im Jahr 2001 bestätigt. Westat et. al. analysierte in
neun Staaten die Wahrscheinlichkeit der Rückführung für ein Pflegekind. Das so genannte
Reunification Level fällt für den Bundesstaat Wisconsin mit am höchsten aus. In den
Jahren 1990-1994 wurden in Wisconsin 26.049 Kinder in das Pflegekinderwesen
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
81
aufgenommen und bis 1997 verließen 15.792 Kinder das Pflegekinderwesen durch eine
Rückführung in die Herkunftsfamilie. Daraus ergibt sich ein Reunification Level von
66,7 %. Im Gegensatz zum Bundesstaat Alabama werden die Kinder in Wisconsin, zum
Zeitpunkt der Studie, viermal häufiger in ihre Herkunftsfamilie zurückgeführt (vgl. Westat
et. al. 2001 Chapter 5, Punkt 3.1, Table II A.1).
Die hohe Rückführungsquote lässt sich unter anderem mit der Gesetzeslage in Wisconsin
erklären. Die Sozialarbeiterinnen Frau Kedzie und Frau Veloon berichteten mir von dem
besonderen Schutz unter dem die Elternrechte, besonders im Bundesstaat Wisconsin,
stehen. „[...] our values in Wisconsin and in this country are that parents have a right to
raise their children, if they can savely do so, [...] there is a lot of effort and laws
protecting that [...].“ Die Besonderheit der Gesetzgebung in Wisconsin besteht darin, dass
der Sorgerechtsentzug in einer Gerichtsverhandlung mit Geschworenen ausgetragen
werden kann. „[...] Wisconsin is different than many of the other states and that to
determine parental rights in Wisconsin a parents has a right to take it to trial and that‘s
unusual compared to other states [...].“ Dies bedeutet in einem normalen Fall, in dem das
Elternrecht entzogen werden soll muss das Department of Human Services den
Geschworenen beweisen, dass die Eltern, trotz einer ausreichenden Unterstützung, nicht
die Bedingungen für die Rückführung erfüllen können und eine Erfüllung der
Bedingungen in den nächsten neun Monaten nicht zu erwarten ist. „[...] you have to have
tried and not just tried it on paper, you have to have really tried, it‘s expected in
Wisconsin law.“
Eine spezielle Abteilung für die Reunification Arbeit in den Departments of Human
Services wird in Wisconsin nicht als erforderlich angesehen und somit ist sie auch nicht
gesetzlich vorgeschrieben. Jedoch hat sich in Dane County, einem Bezirk mit 463.826
Bewohnern17, ein Reunification Programm etabliert. Dieses Programm wird von einer
eigenständigen Abteilung der Child Protection Unit in Dane County Department of
Human Service durchgeführt. Die Abteilung besteht aus 6 Mitarbeitern, drei
Sozialarbeitern und drei Social Service Specialists. Die Social Service Specialists
konzentrieren sich auf den Kontakt zwischen den Familien und die Besuche zwischen
leiblichen Eltern und Kind. Die Mitarbeiter der Reunification Unit, die so genannten
Reunification Worker, ergänzen die Arbeit des Ongoing Social Workers und arbeiten
17
vgl. US Census Bureau, Wisconsin, Dane County 2006
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
82
intensiv mit den Familien am Ziel der Rückführung des Kindes. Dabei gibt es zwei
verschiedene Vorgehensweisen. Die Reunification Unit bietet ein intensives Reunification
Programm an und Early Intervention (Frühe Intervention).
Early Intervention wird seit zwei Jahren praktiziert und setzt unmittelbar nach der
Fremdplatzierung des Kindes ein. Die Familien werden zwei Monate lang betreut. In
dieser Zeit werden Pläne zur Kontakterhaltung erstellt, Besuchskontakte durchgeführt und
die Eltern werden bei der Problembewältigung unterstützt und an entsprechende
Hilfsprogramme weitergeleitet. Die Idee hinter Early Intervention ist, bereits zu Beginn
der Fremdplatzierung, eine eventuelle Rückführung vorzubereiten und den Schaden den
die Eltern-Kind-Bindung durch den Bruch in der Beziehung erleidet, so gering wie
möglich zu halten. Frau Kedzie und Frau Veloon beschreiben die Intention von Early
Intervention: „[...] right from the very beginning see what we can do to help that parent
and that family come back together [...] we can’t get to far in two months, but we do find
out a lot of information and we do help develop some good family contact schedules, so
that down the road, when the parent is doing better at least the attachment between the
parent and the child hasn’t been as disrupted as much as it would been otherwise, because
there are family contacts, they’re seeing each other more [...]“
Early Intervention ist in dem Sinne Reunification Arbeit, weil zu Beginn eine kurze,
intensive Intervention, die Grundsteine für eine spätere, mögliche Rückführung legt. Ist
die Eltern-Kind-Bindung beispielsweise erhalten geblieben, muss sie später, wenn die
Rückkehr des Kindes möglich ist, nicht erneut hergestellt werden und dieses erleichtert
und beschleunigt die spätere Reunification Arbeit. Jede Familie, deren Kind vor kurzem
fremdplatziert wurde, qualifiziert sich für Early Intervention.
Die intensive Reunification Arbeit richtet sich an die Familie, die eine Wohnung zu
Verfügung hat, in die das Kind zurückkehren kann. Die Herkunftseltern müssen jedoch
bereits einige Bedingungen für die Rückführung erfüllt haben bzw. daran arbeiten. Zum
Beispiel muss ein drogensüchtiger Elternteil bei Aufnahme in das Programm einen
Drogenentzug hinter sich haben und in Behandlung sein. Im Allgemeinen richtet sich die
Arbeit der Reunification Unit an Familien, bei denen eine Rückführung des Kindes ohne
eine intensive Betreuung unwahrscheinlich ist. Die Kinder, mit denen die Reunification
Unit arbeitet, befinden sich hauptsächlich in einem Alter von zwei bis zwölf Jahren. Im
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
83
Durchschnitt arbeiten die Sozialarbeiter ein Jahr mit den Familien zusammen. In diesem
Zeitraum ist die Vorbereitung auf die Rückführung des Kindes und eine mindestens drei
Monate andauernde Betreuung nach der Rückkehr des Kindes miteinbezogen.
Die geringe Anzahl an zu betreuenden Familien die auf einen Sozialarbeiter kommen,
sechs bis acht Familien, erlaubt es ihnen, die Familien richtig kennen zu lernen und mit
ihnen eine Beziehung aufzubauen. Während der Ongoing Social Worker gesetzlich dazu
verpflichtet ist, sich einmal im Monat mit der Familie zu treffen, treffen die Reunification
Worker sich mindestens einmal wöchentlich mit den Familien. Die intensive Arbeit mit
den Familien hat den Nachteil, dass der gesamte Bedarf an Reunification Arbeit nicht
gedeckt werden kann. Die Gesamtanzahl der Familien, die diese intensive Reunification
Arbeit erhält, ist begrenzt und nicht alle Familien können aufgenommen werden.
Die Reunification Arbeit besteht für Frau Kedzie und Frau Veloon aus zwei verschiedenen
Teilen, die parallel zueinander bearbeitet werden. Zum einen arbeiten die Herkunftseltern
an ihren Problemen um später eine erneute Gefährdung des Kindeswohls ausschließen zu
können und zum anderen müssen der Kontakt und die Verbindung von Eltern und Kind
erhalten oder erneut hergestellt werden.
Die Reunification Unit fokussiert die Eltern-Kind-Bindung und die dafür wichtige
Kontakterhaltung. „[...] so a lot of your focus is on really developing, enhancing the
attachment between the parent and the child , [...].“
Die Besuchskontakte dienen dabei als Hilfsmittel und nehmen in der Häufigkeit und
Länge immer mehr zu, die dabei entstehenden Probleme werden sofort bearbeitet und
Bedenken der Sozialarbeiter in Bezug auf die Sicherheit des Kindes werden angeführt.
Die Idee besteht darin, dass die zunehmenden Besuchskontakte den Übergang in das
erneute Zusammenleben erleichtern oder den Sozialarbeitern wird deutlich, dass trotz
einer ausreichenden Unterstützung der Eltern, eine Rückführung nicht möglich ist. Die
Entscheidung der Sozialarbeiter kann von den Beteiligten leichter akzeptiert werden.
Frau Kedzie und Frau Veloon beschreiben es mit den Worten: „[...] either way weather
the child goes home it helps to have gone through that process of having a lot of family
contact or if it doesn’t work out it helps provide closure, it makes it a little bit easier,
people realize why we making the decisions we are making.“
5. Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
84
Die Arbeit der Reunification Unit in Dane County ist eine Ergänzung zu der Arbeit des
Ongoing Social Workers, der den Eltern verstärkt durch Netzwerkarbeit und Hilfeplanung
bei der Problembewältigung hilft. Dabei kümmert er sich zusätzlich um gerichtliche
Dokumente, die für Anhörungen und die Evaluation des Falles erstellt werden müssen.
Gleichzeitig sind die Eltern in ein System von Unterstützungsleistungen eingebunden, z.B.
Suchtberatung, Elterntraining. Die Reunification Worker ermöglichen besonders im Early
Intervention Programm die Anbindung an Ressourcen und helfen den Eltern bei der Suche
nach möglichen Therapieangeboten und anderen Dienstleistungen. Diese Arbeit steht in
der intensiven Reunification Arbeit nicht mehr im Vordergrund, da die Eltern bereits in
ein System von Unterstützungsleistungen eingebunden sind und der Ongoing Social
Worker auch als eine zusätzliche Hilfe dient. Die intensive Zusammenarbeit mit den
Eltern durch die wöchentlichen Hausbesuche lässt eine andere Hilfe bei der
Problembewältigung zu. Die Reunification Worker haben eine intensivere Beziehung zu
den Familien, als die Ongoing Social Worker, und die Eltern erzählen ihnen mehr und
berichten von ihren Befürchtungen und Ängsten. Somit leisten die Reunification Worker
in einer direkten Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern eine Hilfestellung bei der
Problembewältigung. Gleichzeitig fokussieren die Reunification Worker die Erhaltung der
Eltern-Kind-Bindung und sind verantwortlich für die Organisation, die Durchführung und
die Beurteilung von Besuchen zwischen Eltern und Kind.
Frau Kedzie und Frau Veloon stellten während ihrer langjährigen Arbeit in der
Reunification Unit fest, dass die Teilnahme am Reunification Programm den
Herkunftsfamilien wieder Hoffnung gibt. „We help built hope, hope that [...] they are
good parents and that they can develop the skills or make the changes they need [...]
starting that piece of hope sooner rather than later, before parents disconnect form the
system and their kids, is really the strengths of what we do.“
Die Intensität, die aus speziellen Reunification Programmen und Reunification Units
hervorgeht, ist bedeutsam für den Erfolg des Reunification Prozesses. Wie erfolgreich die
speziellen Reunification Programme und die Reunification Arbeit insgesamt in den USA
ist, wird in einem späteren Kapitel erörtert. Zunächst einmal wird im nächsten Kapitel die
Reunification Arbeit durch die Darstellung eines Fallbeispieles veranschaulicht.
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
6.
85
Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
Um den Fall der Herkunftsfamilie, die sich zum Zeitpunkt meiner Nachforschungen
gerade im Reunification Prozess befand, besser erläutern zu können, gehe ich zuerst auf
die spezifische Problematik einer vorhandenen Suchterkrankung der Herkunftseltern im
Reunification Prozess ein.
6.1
Kindesmisshandlung und Vernachlässigung in Verbindung mit der
Suchtabhängigkeit der Eltern
In den USA lebt eins von 10 Kindern in einem Haushalt mit mindestens einem
Erwachsenen zusammen, der illegale Drogen konsumiert. Das entspricht einer Gesamtzahl
von 9,2 Millionen Kindern und einem prozentualen Anteil von 12,7 % (vgl. The National
Center on Addiction and Substance Abuse at Columbia University 2005, S. 2).
Im Jahr 1997 wurden 903.000 Kinder nachweislich Opfer von Kindesmisshandlung oder
Vernachlässigung im Child Welfare System registriert. In 50% der Fälle, bei 451.500
Kindern ist zusätzlich ein Suchtproblem der Eltern vorhanden. Von den insgesamt
177. 000 vernachlässigten und misshandelten Kindern im Pflegekinderwesen, wurde in
115.050 bis 132.750 Fällen (65-75%) die Vernachlässigung und Kindesmisshandlung in
Verbindung mit einem Suchtproblem der Eltern festgestellt (vgl. Young & Gardner 2000
zit. n. Alvarez-Rodriguez 2006, S. 11).
Die Autoren Kelleher et. al. stellen in einer Studie von 1994 fest, dass Eltern mit einem
Suchtproblem etwa dreimal häufiger beschuldigt werden, ihre Kinder zu misshandeln, als
Eltern ohne ein Suchtproblem. In Bezug auf das Problem der Vernachlässigung, besteht
der Verdacht viermal häufiger (vgl. S. 1588 f).
Der Bericht „No Safe Haven: Children of Substance Abusing Parents“ vom nationalen
Zentrum für Drogenmissbrauch (CASA) berichtet, dass im Jahr 1999, ein Drogenproblem
in etwa 70% der Fälle von Kindesmisshandlung Drogenprobleme eine Rolle spielen (vgl.
The National Center on Addiction and Substance Abuse at Columbia University 2005, S.
20).
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
86
Die hohe Beteiligung einer Suchtkrankheit in Fällen von Kindesmisshandlung lässt sich
unter anderem mit dem erhöhten Risiko der Entstehung von Angstzuständen und
Wahnvorstellungen bei erhöhtem Alkohol- und Drogenkonsum, begründen. Die dadurch
bedingten Stresssituationen können sich in einem aggressiven Verhalten den Kindern
gegenüber ausdrücken. Ein erhöhter Konsum von Alkohol und Drogen in der
Schwangerschaft kann Verhaltensauffälligkeiten beim Kind hervorrufen und es somit
einem erhöhten Risiko aussetzen, später das Opfer aggressiven Verhaltes der Eltern zu
werden. Der Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern ist schwierig, die Eltern können
den zusätzlich entstehenden Stress nicht bewältigen und haben keine Geduld mit ihren
Kindern (vgl. Young 1997, zit. n. The National Center on Addiction and Substance Abuse
at Columbia University 2005, S. 20).
Der Drogenmissbrauch der Eltern schränkt die Eltern außerdem erheblich in der Fähigkeit
ein, eine angemessene Versorgung und Erziehung ihrer Kinder zu gewährleisten. Sie sind
nicht in der Lage eine stabile, für die Kinder vorhersehbare Lebensumgebung zu schaffen.
„Parents as a consequence of their drug use may be physically or psychologically
unavailable to provide nutrition, nurturance or comforts that are vital for a developing
child.” (Maluccio & Ainsworth 2003, S. 517 f)
Zusätzlich sind die Kinder einer Reihe von weiteren Risiken ausgesetzt. Der Autor Tracy
(1994) führt Armut, das Aufwachsen in einer Nachbarschaft mit hoher Kriminalitätsrate,
soziale Isolation der Familie und häusliche Gewalt des Lebenspartners der Mutter auf.
Weitere Risikofaktoren sind das Unwissen der Eltern über die wesentlichen
Erziehungsmethoden und die potenzielle Gefahr, die aus dem höheren Stellenwert der
Besorgung und Konsumierung des Suchtmittels gegenüber der Erfüllung der
Grundbedürfnisse des Kindes, hervorgeht (vgl. nach ebd., S. 514).
Eltern mit einer Suchtkrankheit weisen eine Reihe an zusätzlichen bzw. durch die Sucht
bedingten Probleme auf, die eine Herausforderung für die Politik und Praxis der Kinderund Jugendfürsorge darstellen. Die Anzahl der Pflegekinder, deren Eltern eine
Suchtabhängigkeit aufweisen, nimmt zu und gerade in der Reunification Arbeit treten
einige erschwerende Probleme auf. Die Autoren Maluccio und Ainsworth (2003) fordern
eine Umgestaltung in der Vorgehensweise von Reunification, um sie den besonderen
Gegebenheiten der Suchtproblematik anzupassen zu können (vgl. S. 511). Eine
Beschreibung der speziellen Umstände von suchtabhängigen Eltern in der Reunification
Arbeit folgt im nächsten Abschnitt.
87
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
6.2
Die besonderen Gegebenheiten
Reunification Arbeit
der
Suchtproblematik
in
der
Für Eltern mit einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit ist die Reunification Arbeit
besonders schwer, denn sie müssen nicht nur ihre Sucht bewältigen und sich auf ein Leben
ohne Drogen und Alkohol einstellen, sondern zusätzlich Elterntrainingsprogramme
erfolgreich abschließen, ein angemessenes Verhalten bei Besuchskontakten zeigen und die
anderen auferlegten Bedingungen für Reunification erfüllen (vgl. Maluccio & Ainsworth
2003, S. 518). „The literature suggests that parents, predominantly women, face systemic
problems, social attitudes, relapse, and their own individual histories as multiple
challenges to their recovery and reunification.“ (Karoll & Poertner 2002, S. 252)
Die Reunification Arbeit ist nicht nur aufgrund der vielfältigen Problemlage der Eltern
erschwert, sondern auch erfolgloser. Pflegekinder, die wieder zu ihren suchtabhängigen
Eltern zurückgeführt werden, kehren häufig in das Pflegekinderwesen zurück.
In einer von Terling (1999) durchgeführten Studie haben 50% der Kinder, die nach einer
Zusammenführung mit der Herkunftsfamilie in das Pflegekinderwesen zurückkehrten,
suchtabhängige Eltern. In nur 20% der Fälle ließ sich die Rückkehr Kinder suchtkranker
Eltern ins Pflegekinderwesen vermeiden. Die hohe Rückkehrquote erklärt Terling zum
einen damit, dass die Präsenz des Suchtmittels im unmittelbaren Lebensraum des
abhängigen Elternteils auch nach Abschluss einer Therapie noch gegeben ist. Das
Suchtmittel befindet sich aufgrund des ebenfalls süchtigen Lebenspartners, der keine
Suchttherapie machen muss, im unmittelbaren Lebensumfeld des Elternteils. Zum anderen
ist die lange Dauer einer Suchtbehandlung ein Problem. Kinder, deren Rückführung
schnell erfolgte, z.B. innerhalb von vier Monaten, kehrten häufiger in das
Pflegekinderwesen zurück. Terling sieht die Problematik nicht nur in der hohen
Rückfallquote, sondern auch in der Nichtvorhersehbarkeit des Erfolgs der Reunification
Arbeit (vgl. Terling, 1999, S. 1359 ff).
Diese Erkenntnis drückt eine besondere Bedeutsamkeit des Zeitfaktors im Reunification
Planungsprozess für Kinder von suchtkranken Eltern aus. Die Gesetzeslage, die eine
möglichst schnelle Rückführung des Kindes fordert, und das Wissen um die lange Dauer
einer Suchtbehandlung erzeugen für den zuständigen Sozialarbeiter einen Konflikt.
Erfolgt die Rückführung des Kindes zu schnell, sind die Bewältigung und die Anpassung
an die neue Lebenssituation noch nicht abgeschlossen und es kommt eine neue belastende
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
88
Situation hinzu. Diese kann leicht zu einer Überforderung der Eltern führen und die
Gefahr des Rückfalles in die Sucht und in die damit verbundenen Verhaltensmuster ist
groß. Auf der anderen Seite stehen die gesetzlichen Vorgaben, die eine Rückführung des
Kindes innerhalb von 15 Monaten vorschreiben. Ohne den schnellen Zugang zu einer
Suchttherapie und anderen Unterstützungsangeboten, z.B. Selbsthilfegruppen, haben die
Eltern kaum eine Chance auf die Überwindung ihrer Abhängigkeit, die Stabilisierung ihrer
Lebenslage und die Rückkehr ihrer Kinder (vgl. Maluccio & Ainsworth 2003, S. 518).
Nicht nur der Konflikt zwischen einer langsamen und schnellen Rückführung, sondern
auch die Kriterien, die für eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine zukünftige
Abstinenz sprechen, sind schwer zu beurteilen. Bedeutsam ist deshalb in der Reunification
Arbeit mit suchtabhängigen Eltern ein genaues abwägen über die Möglichkeit der
Rückführung. „The decision to reunify children with their substance-affected parent is
highly complex [...] decisionmakers are confronted with the challenging task of
identifying indicators for safe reunification or termination of parental rights.“(Karoll &
Poertner 2002, S. 349)
Dieser schwierige Entscheidungsprozess und die Bestimmung des geeigneten Zeitpunktes
für die Rückkehr des Kindes setzen genaue Kenntnisse des Sozialarbeiters über den
allgemeinen Ablauf und den individuellen Verlauf der Suchtbehandlung voraus. Die
Komponenten der Suchttherapie werden idealerweise in den Reunification Plan integriert
(vgl. Hohman & Butt 2001, S. 64). Ein Beispiel hierfür ist die Integration der Dauer der
Behandlung in den Reunification Plan um eine verfrühte Rückführung zu unterbinden. Im
Idealfall machen die Eltern einen Entzug, finden einen Einstieg in die Suchttherapie,
stellen sich auf ein Leben ohne Suchtmittel ein und beginnen dann mit den anderen
Forderungen des Reunification Plans, z.B. Teilnahme an einem Elterntrainingsprogramm.
Dadurch wird eine Überforderung der Eltern verhindert und sie konzentrieren sich
zunächst auf die Suchttherapie, denn den Autoren Daley & Gorske (2000) zufolge,
schließen viele Mütter eine Entzugs- und Suchttherapie nicht ab, da sie durch die
zusätzlichen Auflagen für Reunification überfordert sind (vgl. nach Maluccio &
Ainsworth 2003, S. 518).
Unabdingbar ist auch das Wissen über eine hohe Rückfälligkeit während der
Suchtbehandlung. Ein Rückfall wird nach Ansicht der Autoren Rawson et. al. (1991) als
Teil des Heilungsprozess angesehen wird (vgl. nach Hohman & Butt 2001, S. 65).
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
89
In der Suchttherapie wird der Rückfall als ein Instrument verwendet, der dem
suchtkranken Patienten hilft die Auslöser der Sucht zu identifizieren und neue
Bewältigungsstrategien zu entwickeln (vgl. Katz & Ney, 1995 nach Karoll & Poertner
2002, S. 253 f). Zum Bedauern der Autoren Karoll und Poertner (2002) wird ein Rückfall
des Elternteils oft gleichbedeutend mit einem „hoffnungslosen Fall“ gesehen. Der
zuständige Sozialarbeiter befürchtet die erneute Gefährdung des Kindeswohls, beurteilt
die Familiensituation und die elterlichen Fähigkeiten neu und steckt unter Umständen
andere Ziele fest, z.B. Entzug der elterlichen Sorge (vgl. S. 254).
Das schlechte Urteilsvermögen mancher Sozialarbeiter resultiert aus einem lückenhaften
Wissen über die Suchterkrankung und dessen Überwindung. „Child welfare workers
historically have received little training in assessment or treatment of substance abuse, yet
they are required to evaluate client progress in recovery as part of reunification plans.“
(Brook & McDonald 2007, S. 666)
Insgesamt stellt die Suchtkrankheit von Herkunftseltern mit ihrer gesonderten Problematik
eine Herausforderung für die Reunification Arbeit dar. Um eine gerechte, reale Chance
den Herkunftseltern zu gewährleisten ist eine Schulung der Sozialarbeiter über die
Suchterkrankung und deren Überwindung äußerst wichtig. Des Weiteren ist es wichtig,
die Behandlungsdauer einer Suchtkrankheit in Relation zu der gesetzlich vorgegebenen
Zeitgrenze des ASFA, innerhalb der die Rückführung des Kindes erfolgt sein sollte, zu
sehen, um den Herkunftseltern die Zeit zu geben, die sie für eine Überwindung der
Suchtkrankheit und der Änderung ihrer Lebensumstände benötigen.
Um den Bedürfnissen und Besonderheiten von suchtabhängigen Herkunftseltern gerecht
zu werden, wurden spezielle Reunification Programme entwickelt. Beispielsweise
entstand im Bundesstaat Georgia ein Reunification Programm für suchtkranke Mütter, das
im nachfolgenden Abschnitt ausführlich geschildert wird.
6.3
Spezielle Reunification Programme für suchtkranke Eltern
Das Mothers Making A Change (MMAC) Programm wurde speziell für die Behandlung
von suchtkranken Müttern in Cobb und Douglas Counties im Bundesstaat Georgia
entwickelt. Cobb und Douglas County sind Bezirke in der Nähe von Atlanta. Im Jahr 2006
lebten 679.325 Menschen in Cobb County und 119.557 Menschen in Douglas County
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
90
(vgl. US Census Bureau 2006). Der Child Protection Service bearbeitete im Jahr 1999,
zum Zeitpunkt der Untersuchung von Westat et. al. (2001), in beiden Bezirken zusammen
2.100 Fälle, wobei Cobb County 445 Kinder fremdplatzierte und Douglas County 150
Kinder (vgl. Westat et. al. 2001, Chapter 3, Appendix D, MMAC).
Das Programm MMAC wurde 1992 aufgrund der steigenden Anzahl von Säuglingen, die
mit einer Drogenabhängigkeit geboren wurden, eingeführt. Ein weiterer Grund war die
Feststellung der Ineffektivität von traditionellen Programmen der Jugendfürsorge in Bezug
auf die Bedürfnisse suchtabhängiger Mütter. MMAC wurde über die Jahre
weiterentwickelt und die angebotenen Dienstleistungen wurden erweitert. Es handelt sich
nicht um ein reines Reunification Programm, sondern es ist ein umfangreiches Angebot an
Gemeinwesenarbeit, Early Intervention, Family Preservation und Suchtbehandlung. Die
Spezifität in der Auswahl der Klienten bleibt jedoch bestehen und die Angebote richten
sich hauptsächlich an suchtkranke Mütter und schwangere Frauen. 19 Mitarbeiter betreuen
durchschnittlich 70 bis 80 Klienten im Monat, von denen sechs Frauen schwanger sind. In
den meisten Fällen sind die Mütter von Armut betroffen, Alleinerziehende und bereits eine
lange Zeit abhängig (vgl. ebd.).
Die Angebote von MMAC beruhen auf einem Behandlungsmodell, welches am
Gemeinwesen und an der Familie orientiert ist und eine ganzheitliche Suchtbehandlung
mit einschließt. Die Suchtkrankheit der Eltern wird dabei als Teil einer gesamten
Problemlage der Familie gesehen und neben der Suchtbehandlung wird ihnen der Zugang
zu Wohnmöglichkeiten, zur Bildung und zum Gesundheitswesen ermöglicht. Bei Frauen,
die in das MMAC Programm aufgenommen werden, wird innerhalb der ersten 48 Stunden
das Ausmaß der Suchtkrankheit und die fehlenden Ressourcen der Familie erfasst, nach
denen sich der Behandlungsplan ausrichtet. (vgl. ebd.).
In der ersten Phase des MMAC Programms erhalten die Klienten eine intensive
Suchtbehandlung für 90 Tage. Danach leben sie für ca. 9 Monate zusammen in einem
Wohnkomplex und nehmen an Anti-Aggressions-Training, Elterntraining, Seminaren über
die kindliche Entwicklung und über eine kindgerechte Ernährung teil. In dieser Phase
kehren die meisten Kinder in ihre Herkunftsfamilie bzw. zu ihren Müttern zurück. In einer
letzten Phase nehmen die Klienten an einem Nachbereitungsprogramm von 6 Monaten
teil, um die sofortige Unterstützung bei einem möglichen Rückfall zu gewährleisten und
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
91
die Risiken eines Rückfalls gering halten zu können. Außerdem erhalten die Mütter
erhalten eine Unterstützung bei der Suche nach einer Arbeitsstelle (vgl. ebd.).
Finanziert wird das MMAC Programm von staatlichen Subventionen, die zu 30% aus
block grant und zu 70% aus TANF Geldern besteht. Zusätzlich erhält das MMAC
Programm über 4 Jahre hinweg bundesstaatliche Family Preservation Fördermittel und
einen staatlichen Zuschuss von 75.000 Dollar für den Family Preservation Service (vgl.
ebd.).
Zusammengefasst basiert das MMAC Programm auf einer medizinisch-psychologischen
Sichtweise, die eine methodische und sehr detaillierte Vorgehensweise in der Entwicklung
und Planung der Behandlung vorschreibt. Westat beschreibt das intensive und umfassende
Angebot des MMAC Programms als einzigartig und es ist so strukturiert, dass es nicht nur
die Suchtproblematik behandelt, sondern das Selbstbewusstsein fördert, beim Aufbau
eines sozialen Netzwerkes hilft, die Fähigkeiten in der Erziehung und Versorgung von
Kindern stärkt und die Eltern-Kind Beziehung regeneriert. Die sozialen und finanziellen
Bedürfnisse der Klienten werden beachtet. Somit entsteht eine umfassende Behandlung
von Müttern und Kindern (vgl. ebd.).
6.4
Fallbeispiel Nicole
6.4.1
Kontaktaufnahme und Verlauf des Treffens
Die alleinerziehende Mutter, Nicole, lernte ich über Frau Reichelt kennen. Frau Reichelt
arbeitet für die private Organisation „Foundations Counseling Center“ als In-home
Therapist. In-home Therapy (Therapie in der häuslichen Umgebung) bezieht die Arbeit
mit der ganzen Familie mit ein. Die Hauptaufgabe besteht in der Durchführung einer
Familien- und Einzeltherapie. Auf dem Weg zu Nicole berichtete mir Frau Reichelt von
ihrer Tätigkeit: „In-home demonstrates discipline techniques or interventions to use in a
hands on manner where social worker enforces the court order.“
Zu Beginn meines Aufenthaltes hatte ich die Möglichkeit, das Interview mit Nicole alleine
zu führen. Das Interview dauerte 40 Minuten und bevor der Besuchskontakt
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
92
zwischen Nicole und ihren Kindern stattfand, hatte Frau Reichelt noch etwas Zeit, um
Nicole zum ersten Mal den konkreten Ablauf der geplanten Rückführung vor zustellen.
In den ersten 30 Minuten des Besuchskontaktes führte Frau Reichelt eine Einzeltherapie
mit Johnny durch. An diesem Tag spielte sie mit Johnny ein Rollenspiel, um verschiedene
Arten von Gefühlen deutlich zu machen. Nicole beschäftigte sich in der Zeit mit Hunter,
der einen Mittagsschlaf machen sollte. Nachdem Frau Reichelt mit Johnny gearbeitet
hatte, wurde Nicole involviert. Nicole erfuhr somit, was in der Therapie passiert war und
Johnny konnte seine Erfahrungen direkt mir ihr austauschen. Die letzte Stunde war für das
Zusammensein von Mutter und Kindern gedacht, in der sich Frau Reichelt etwas
zurückzieht. Bei aufkommenden Fragen oder Problemen konnte Nicole sie jederzeit
ansprechen.
6.4.2
Fallbeschreibung
Nicole ist 29 Jahre alt, zurzeit nicht berufstätig und alleinerziehende Mutter von zwei
Kindern, Johnny, 6 Jahre, und Hunter, 4 Jahre. Die beiden Kinder befinden sich seit fast
einem Jahr (Dezember 2006) im Pflegekinderwesen. Johnny’s Vater lebt ein paar Stunden
entfernt und Hunter‘s Vater, Todd, lebt in der Nähe von Nicole und den Kindern. Johnny’s
Vater nimmt an seinem Leben kaum teil und es wird berichtet, dass er regelmäßig Alkohol
und Drogen konsumiert. Während der Schwangerschaft mit Johnny nahm Nicole Kokain
und Alkohol zu sich. Johnny wurde jedoch nicht mit einer Abhängigkeit geboren. In
seinem ersten Lebensjahr wurde Johnny fremdplatziert und innerhalb eines Jahres
wechselte er dreimal die Pflegefamilie. Der Grund für die damalige Fremdplatzierung war
Vernachlässigung als Folge der Kokainabhängigkeit von Nicole. Sie machte eine
Suchtbehandlung und lebte im Rahmen des Projektes „The Family Shared Care
Programm“ für einige Zeit mit Johnny zusammen in einer Pflegefamilie.
Nach etwa einem Jahr im Pflegekinderwesen kehrte Johnny zu seiner Mutter zurück, die
mit Todd zusammenlebte und mit Hunter schwanger war. Der Sozialdienst wurde erneut,
nach Aussagen von Nicole wegen der Lernschwierigkeiten von Johnny, in die Familie
involviert.
Johnny ist verhaltensauffällig und wird derzeit mit ADHS Medikamenten behandelt. Er
hat Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten und zeigt ein aggressives Verhalten
gegenüber Lehrern, Mitschülern, seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinem Bruder auf.
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
93
Die Herausnahme der Kinder wurde durch den Verstoß gegen die vereinbarten Regeln
ausgelöst. Um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten, wurde mit dem Sozialarbeiter
vereinbart, dass Nicole die beiden Kinder nicht alleine unter der Aufsicht von Todd lassen
würde. Eines Tages fuhr sie mit Johnny zu dessen Vater um Johnny’s Geburtstag zu
feiern, Hunter blieb bei seinem Vater.
Sie berichtete mir von diesem Ereignis: „[...] the social worker, she wrote up a thing
stating that I can’t leave Hunter or Johnny alone with Todd, because Todd’s a drinker,
alcoholic and this and that, [...] so basically the boys got taken because I broke that rule, I
left Hunter with his dad and then I left Johnny with his dad in Milwaukee, because I asked
if I could go out and hang out with some friends for while and then Johnny’s dad [...] he
couldn’t contact me or something, then he called my mum and said I can’t take care of
him and then my cousin came and then when the social worker found out that I left, you
know that I broke the rule [...].“
Nach eigenen Angaben war sie nie wütend auf den Sozialarbeiter, der die Herausnahme
der Kinder veranlasst hatte, sondern auf den Vater von Johnny. “[...] I was more upset at
Johnny’s dad, because Johnny’s dad wanted to see Johnny so bad and then all the sudden
he turned around and said that oh I can’t care for him and this and that , just for one
night, like he got jealous cause I went out or something and it was just kind of really
hectic, and I was just really surprised that that happened.”
Nach der Herausnahme der Kinder ging es ihr ziemlich schlecht und sie fiel in ein
schwarzes Loch. Daraufhin wurde sie auch in ein psychiatrisches Krankenhaus
eingeliefert. Sie schilderte mir ihre Gefühle, die sie nach der Herausnahme erlebte.
“[...] the worst thing was that I cried and cried and then I ended up in the hospital,
because I was so depressed, I didn’t feel like killing myself or anything, but I just felt you
know like why did I do that [...] I just felt like so empty [...] every time I looked at a
picture just, you know I would just see them playing and stuff, it was really hard [...].“
Bei der Überwindung der Trauer, die die Trennung von ihren Kindern in ihr auslöste, half
ihr der unmittelbare Beginn der Besuchskontakt. Sie wurde dazu ermutigt, ihre Kinder
jeden Abend anzurufen und auf diesem Weg mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Denn zu
Nicole’s Bedauern waren häufige Besuche aufgrund der Entfernung der Pflegefamilien
anfänglich nicht möglich.
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
94
Die Kinder waren zunächst bei Verwandten untergebracht. Eine Cousine von Nicole nahm
Johnny auf und eine Tante von Hunter kümmerte sich um ihn. Die Cousine wurde mit den
Verhaltensaufälligkeiten von Johnny nicht fertig und daraufhin wurde er bei einer
Pflegemutter untergebracht. Diese nahm später auch Hunter bei sich auf, nachdem die
Tante wegen ihrer gesundheitlichen Probleme nicht länger für Hunter sorgen konnte.
Nicole ist glücklich darüber, dass ihre beiden Kinder seit einiger Zeit zusammen
untergebracht sind. Die Pflegemutter wohnt ca. 45 Minuten von Nicole entfernt.
Zum Zeitpunkt des Interviews kommen ihre Kinder zweimal in der Woche für zwei
Stunden zu ihr nach Hause. Die Besuche sind noch beaufsichtigt. An einem Tag in der
Woche ist Frau Reichelt mit anwesend und arbeitet therapeutisch mit Johnny und Nicole
zusammen. Nicole hat das Gefühl, durch die In-home Therapy und die praktische
Anleitung in ihrer häuslichen Umgebung, viel zu lernen. „I went to parenting class, and if
you learn so much in a short period of time it‘s like, you know sometimes and I can‘t
remember and stuff like that, but then when the therapist comes to the home you know she
works with you, and can kind you remember that , she shows you what to do [...]“
Anfänglich war es etwas gewöhnungsbedürftig und überwältigend für sie, dass andere
Menschen ihr sagten, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten sollte.
Sie berichtete: „[...] at first [...] I felt like a kid, but then jip after a while I actually
thanked them, [...] now I am comfortable [...] if I have a question [...]“ Ihre Beziehung zu
den Sozialarbeitern beschrieb sie generell als unkompliziert und sie hat sich immer in den
Entscheidungsprozess und die Vorgänge involviert gefühlt.
Zum Zeitpunkt des Interviews nimmt Nicole keine Drogen mehr. Ihr letzter Rückfall war
der Konsum von Marihuana vor fünf bis sechs Monaten. Aber nicht nur die
Drogenabhängigkeit stellt ein Problem dar, denn bei Nicole wurde eine Bipolare Störung
diagnostiziert, die mit Medikamenten und einer Therapie behandelt wird. In der
Vergangenheit treten immer wieder Schwierigkeiten mit der richtigen Dosierung und
Einnahme ihrer Medikamente auf. Deshalb ist sie heute in einem Community Support
Program (CSP). Täglich werden Nicole ihre Medikamente vorbeigebracht, wobei die
richtige Dosierung und Einnahme überwacht wird. Sie empfindet das CSP Program als
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
95
besonders hilfreich, denn sie kann nicht durch die Verfügbarkeit ihrer Medikamente in
Versuchung geführt werden. „[...] the come over every day to give me my medicine, which
I do like, because like now it’s a time where I don’t feel like using or anything but I just
feel that you know if I did have all my bottles of medications, that I probably would
overtake [...]“
Durch das CSP Program fühlt sie sich gut auf die geplante Rückführung der Kinder
vorbereitet und unterstützt. „[...] yeah I definitely feel ready, and then I think I feel more
ready than before, cause I know that I’ll still have support and them I‘m in this CSP
Program [...], because like before I would abuse my medication [...] but I got you know a
lot of support, so I’m definitely ready”
Nicole hatte Schwierigkeiten mit der Strukturierung und dem Wechsel von Aktivitäten.
Frau Reichelt half ihr, den Besuch besser zu strukturieren und sich selbst und den Kindern
mit Hilfe eines Timers zu signalisieren, dass es Zeit für einen Wechsel der Aktivität ist.
Dadurch, dass die Mutter den Wechsel von Aktivitäten übt, erfolgt ein häufiger Wechsel
der Aktivitäten. Die Mutter sucht zwei Aktivitäten aus, z.B. Lernspiel und Malbuch; am
Ende dürfen die Kinder sich etwas aussuchen.
Nicole berichtete mir über ihre fehlende Geduld mit den Kinder: „[...] something I didn’t
really have before, [...] cause I was like using drugs and stuff [...] the biggest thing was
the cocaine and then cause every time I get like really just like the kids aren’t listening to
me, I need something to come down and so I would go to that drug [...] now the
medication I am on I have a lot more patience and stuff. “
Nicole freute sich sehr über den Reunification Plan, der ihr von Frau Reichelt vorgestellt
wurde. “[...] I’ve been so long without them, and then it’s like so wired, because I don’t
want go too much longer without them, because then you get kind used to not having kids
and then when you get them back you gotta kind of ok, I can’t just go out and ride my
bicycle or out fishing at the last minute [...].“
Zur Veranschaulichung ist der Reunification Plan im „Intensive In-Home/Multi-Agency
90 Day Treatment Plan Goal Review“ Anhang D I zu finden. Dort kann der Aufbau und
detaillierte Ablauf der geplanten Rückführung der Kinder von Nicole nachgelesen werden
Zum besseren Verständnis befindet sich auch der Intake/ Assessment Plan von Johnny im
Anhang D II.
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
96
Zusammengefasst sieht der Plan die Rückkehr der Kinder innerhalb der nächsten neun
Monate vor. Allerdings erst nach der Beendigung des Schuljahres, damit die Kinder nicht
während dessen die Schule bzw. die Vorschule wechseln müssen. Die Besuche werden in
der Häufigkeit und Länge expandiert und in naher Zukunft werden diese auch nicht mehr
beaufsichtigt.
Der Plan gilt unter dem Vorbehalt, dass Nicole weiterhin Fortschritte in der Bewältigung
ihrer Probleme erzielt und die Bedingungen für eine Rückführung erfüllt. Einige
Bedingungen, die Nicole erfüllen muss und die gerichtlich angeordnet wurden, sind:
-
den Umgang, z.B. die richtige Einnahme, mit ihren Medikamenten lernen
-
lernen, ihr Abhängigkeitsverhalten zu kontrollieren
-
das „Alcohol and Other Drug Abuse“ Programm abschließen und einen Plan haben,
der zur Verhinderung eines Rückfalls dient (Relapse Prevention Plan)
-
zu zeigen, dass sie versteht, dass ihre Planungsunfähigkeit eine Auswirkungen auf die
Sicherheit ihrer Kinder hat
-
den ausdrücklichen, beständigen Wunsch nach der Rückführung der Kinder
Für die Zukunft wünschte sich Nicole: „Just to get the kids back, oh I think the first thing
that I learn in rehab and stuff just to remain sober and definitely get my kids back and just
[...] and I am definitely stay with the CSP Program [...] stay consistent, keep up the
consistency, cause that’s what I had trouble doing [...]“
Ich erlebte Nicole als eine herzliche und sehr aufgeschlossene Frau. Sie war im Interview
sehr freundlich und antwortete bereitwillig auf meine Fragen. Während des Gespräches
erwähnte sie, dass es ihr hilft über die Ereignisse zu sprechen. Sie zeigte meiner Meinung
nach ein großes Engagement und machte sich viele eigene Gedanken z.B. über geeignete
Disziplinierungsmaßnahmen. Sie dachte sich u.a. ein Belohnungssystem aus um die
Kinder zum Aufräumen zu motivieren.
97
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
Mit diesem Fallbeispiel möchte ich die Reunification Arbeit veranschaulichen und zeigen,
wie vielfältig sich die Problemlage darstellen kann und dass einer Familie ein vielfältiges
Unterstützungsprogramm angeboten werden muss. Nicole ist eine alleinerziehende Mutter
ohne Arbeitsplatz. Sie hat nicht nur die finanziellen Probleme zu lösen, sondern hat auch
Schwierigkeiten in der Erziehung ihrer Kinder und muss gleichzeitig lernen, mit ihrer
Krankheit
und
Abhängigkeit
umzugehen.
Des
Weiteren
zeigt
Johnny
Verhaltensauffälligkeiten. Auch er braucht therapeutische Unterstützung.
Dieses Fallbeispiel illustriert das erhöhte Risiko, dem Kinder von suchtkranken Eltern
ausgesetzt sind, bei nicht adäquater Behandlung der Sucht der Eltern, eine erneute
Fremdplatzierung zu erleben. Außerdem zeigt sich, dass die gesetzlich festgelegte
Zeitgrenze, innerhalb der eine Rückführung erfolgen sollte, im Bundesstaat Wisconsin,
keine starre Grenze ist. Die Kinder sind bereits 11 Monate in Foster Care und es kommen
gemäß dem Reunification Plan noch 9 weitere Monate hinzu. Der besondere Schutz, dem
die elterlichen Rechte im Bundesstaat Wisconsin unterliegen, haben Auswirkungen auf
eine flexiblere Gestaltung der Zeitgrenze des ASFA.
Nach 15 Monaten findet eine Anhörung vor Gericht statt. Sind die Eltern dabei, die
Bedingungen und Auflagen zu erfüllen und ist eine Rückführung in absehbarer Zeit
(innerhalb der nächsten 9 Monate) möglich, machen die Richter in den meisten Fällen eine
Ausnahme. Die Rückführung kann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Denn in
Wisconsin können die leiblichen Eltern ihr Sorgerecht vor einem Geschworenengericht
verteidigen. Bis ein solcher Prozess stattfindet, vergeht Zeit. Bis dahin kann sich die
Lebenssituation deutlich verbessert haben und es kann gut sein, dass die Eltern bis dahin
ihre Bedingungen erfüllt haben. Wenn eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen
werden kann, stimmen die Geschworenen dem Entzug der elterlichen Sorge in der Regel
nicht zu. Somit machen bereits die Richter in der Anhörung nach 15 Monaten eine
Ausnahme. Nach den Aussagen von Frau Kedzie und Frau Veloon wäre eine starre
Zeitgrenze nicht gerechtfertigt, denn: „[...] for someone you is a chronic cocaine user it
can be a good year you know before a good year of sobriety some would say, would be
recommend before a child returns home and so where does that fit in with 15 months, if
the parent doesn’t get into treatment you know until 6-9 months [...]“
6. Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
98
Die Flexibilität der Zeitgrenze gibt Nicole die Möglichkeit, einen sanften Übergang in die
alltägliche Mutterrolle zu finden und die Kinder haben den Vorteil, dass sie nicht mitten
im Schuljahr die Schule und ihre Freunde verlassen müssen. Eine voreilige Rückführung
innerhalb der nächsten vier Monate könnte die hart erarbeiteten Fortschritte dieser Familie
zunichte machen und eine erneute Fremdplatzierung nach sich ziehen. Auf diese Weise
kann zunächst der Fokus auf die Problembewältigung gelegt werden. Ist diese im Gang,
kann gezielt die konkrete Zusammenführung der Kinder mit der ganzen Familie
vorbereitet werden.
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
7.
99
Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
Die ersten Kapitel schildern unter anderem den theoretischen Hintergrund des
Reunification Konzeptes und betten es in das Gesamtkonzept des us-amerikanischen
Pflegekinderwesens ein. Die nachfolgenden Kapitel beschreiben die Arbeitsweise des
Pflegekinderwesens, insbesondere die praktische Ausübung des Reunification Konzeptes.
In diesem letzten Kapitel werde ich erörtern, inwieweit die theoretische Umsetzung in die
Praxis erfolgreich ist und das Ergebnis meiner Überlegungen, inwieweit Ideen und
Arbeitsweisen aus dem us-amerikanischen Pflegekinderwesen auf das deutsche
Pflegekinderwesen übertragen werden könnten, darstellen.
7.1
Die Anzahl der Rückführungen im Jahr 2005
Der Erfolg von Reunification wird oftmals an der Anzahl der Kinder gemessen, die nach
einer Rückführung in die Herkunftsfamilie erneut fremdplatziert werden. Zunächst einmal
ist es wichtig zu wissen, wie viele Kinder überhaupt zurückgeführt wurden. Im Jahr 2005
verließen 287.000 Kinder das Pflegekinderwesen. Davon wurden 155.608 Kinder in die
Herkunftsfamilie zurückgeführt und 51.323 Kinder wurden adoptiert (vgl. U.S.
Department of Health and Human Services et. al. 2005).
Die Abbildung 6 zeigt den prozentualen Anteil, deren Gründe die im Jahr 2005 zu einer
Beendigung des Pflegeverhältnisses führten Die Graphik lässt erkennen, dass die
Rückführung für viele Kinder angestrebt und konkret umgesetzt wird. Die Kinder, die im
Jahr 2005 das Pflegekinderwesen verließen, kehrten zu 54 % zu ihren leiblichen Eltern
zurück. 18% der Kinder wurden adoptiert und 11% leben dauerhaft bei Verwandten. Zu
4% übernahmen andere Personen die Vormundschaft für die Kinder. Das Erreichen des
18. Lebensjahres war zu 9% der Grund für die Beendigung des Pflegeverhältnisses und in
4% der Fälle spielten andere Gründe eine Rolle, z.B. dass die Kinder von der
Pflegefamilie wegliefen.
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
100
4% 4%
Rückführung
9%
Leben bei Verwandten
Adoption
18%
54%
Volljährig
Vormundschaft
andere Gründe
11%
Abbildung 6: Anzahl der Rückführung 2005 vgl. Originaltext: Adoption
and Foster Care Analysis and Reporting System (AFCARS) data submitted for
the FY 2005, 10/1/04 through 9/30/0518
7.2
Die Rückkehr der ehemaligen Pflegekinder in das Pflegekinderwesen
7.2.1
Die Rückkehrquote
Eine Vielzahl von Studien beschäftigt sich mit dem Phänomen der Rückkehr in das
Pflegekinderwesen. Die Ergebnisse einiger Studien fassen die Autoren Freundlich &
Wright (2003) zusammen. Ihrer Meinung nach bestätigen die neuzeitlichen Studien eine
Rückkehrquote in das Pflegekinderwesen von ca. 30%. Beispielsweise untersuchten die
Autoren Fein und Staff im Jahr 1992 ein Reunification Programm und stellten fest, dass
27% der zurückgeführten Kinder bereits nach neun Monaten in das Pflegekinderwesen
zurückkehrten. In der Studie von Terling (1999) wurden 37% der Kinder nach drei Jahren
erneut fremdplatziert. Eine Studie über 88 zufällig ausgewählte Säuglinge, durchgeführt
von Frame, Berrick & Brodowski (2000), belegt die Rückkehr in das Pflegekinderwesen
von 32% der Säuglinge innerhalb von sechs Jahren (vgl. Freundlich & Wright 2003, S.
51).
Eine umfassende Darstellung der Anzahl der zurückgeführten Kinder, die zu einem
späteren Zeitpunkt erneut fremdplatziert wurden, führt der Autor Wulczyn in seinem
Artikel „Family Reunification“ von 2004 an. Die von ihm beschriebenen Daten stammen
aus dem der ‚Multistate Foster Care Data Archive’und die dazugehörige Abbildung 7 ist
18
U.S. Department of Health and Human Services, Administration for Children and Families,
Administration on Children, Youth and Families, Children's Bureau , Preliminary Estimates for FY 2005
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
101
im Anhang A III zu finden. Von den ehemaligen Pflegekindern, die im Jahre 1990 zum
ersten Mal fremdplatziert wurden, kehrten ca. 28% innerhalb eines Zeitraumes von 10
Jahren in das Pflegekinderwesen zurück. Für das Jahr der ersten Fremdplatzierung 1993
wird eine Rückkehrquote in das Pflegekinderwesen von 26% ermittelt. Nach dem Jahr
1997 fällt die Anzahl der Rückkehr in das Pflegekinderwesen immer weiter ab. Dieser
Abfall lässt sich jedoch mit einer verkürzten Beobachtungszeitspanne erklären. Die
ehemaligen Pflegekinder, die erstmalig im Jahr 2000 fremdplatziert wurden, erfuhren zu
10% innerhalb von vier Jahren eine erneute Fremdplatzierung (vgl. Wulczyn 2004, S.
105).
Eine genaue Ermittlung der Rückkehrquote in das Pflegekinderwesen ist schwierig und
langwierig. Um genaue Werte über die Anzahl der in das Pflegekinderwesen
zurückgekehrten Kinder zu erhalten, müssen die Pflegekinder über einen längeren
Zeitraum beobachtet werden. Des Weiteren erfolgt häufiger, bedingt durch einen
Wohnortwechsel der Herkunftsfamilie in andere Bezirke der Bundesstaaten, eine erneute
Aufnahme in das Pflegekinderwesen. Auch dieser Sachverhalt erschwert in erheblichem
Maße die genaue Erfassung aller Daten. Der Autor Festinger (1996) stellt fest, dass noch
keine Standards festgelegt wurden, die zur Bestimmung einer hohen bzw. einer niedrigen
Rückführungsquote dienen. „There is no standard by which to determine what is low or
high, nor has the final verdict on the actual rate been delivered. But on the sideline of the
swirl of numbers, it is utterly clear that for each child who returns to care the rate is
100%.“ (Festinger 1996, S. 399)
7.2.2
Faktoren, die eine Rückkehr in das Pflegekinderwesen begünstigen
Die Faktoren, die in wissenschaftlichen Studien mit einer Rückkehr in das
Pflegekinderwesen assoziiert werden, können in verschiedene Kategorien eingeteilt
werden. Zum einen handelt es sich um die Merkmale der Fremdplatzierung und der
sozialen Institution. Zum anderen spielen familiäre Gegebenheiten, die Probleme der
Herkunftseltern und des Kindes eine Rolle (vgl. ebd., S. 385).
Zur Illustration werden wenige Faktoren aus den einzelnen Kategorien genannt. Bis zu
einem gewissen Grad überschneiden sich die Faktoren, die eine Rückkehr begünstigen,
mit den in Kapitel 4 erläuterten Faktoren, die den Reunification Prozess beeinflussen.
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
102
Merkmale der Fremdplatzierung
Die Merkmale der Fremdplatzierung umfassen unter anderem deren Dauer und die Art des
Pflegeverhältnisses. Beispielsweise wird unter anderem in den Studien von Courtney
(1995), Westat & Chapin Hall Center for Children (2001) festgestellt, dass Kinder mit
einem kurzen Aufenthalt, insbesondere von 1-2 Monaten, im Pflegekinderwesen einem
erhöhten Risiko einer erneuten Fremdplatzierung ausgesetzt sind (vgl. Shaw 2006, S.
1380). Des Weiteren fanden sich u.a. in den Studien Wells & Guo (1999) und Westat &
Chapin Hall Center for Children (2001) bei Kindern, die bei Verwandten fremdplatziert
wurden, eine niedrige Rückkehrquote in das Pflegekinderwesen. “Maintaining family ties
while in the child welfare system is important and leads to lower odds of reentry.” (Shaw
2006, S. 1389)
Merkmale der sozialen Institution
Für den Autor Shaw (2006) ist die Rückkehr des Kindes in das Pflegekinderwesen ein
Zeichen dafür, dass ein Problem während des Reunification Prozesses nicht angemessen
gelöst wurde (vgl. S. 1377). Einige Faktoren, die von Seiten der sozialen Einrichtung das
Risiko einer Rückkehr des Kindes in das Pflegekinderwesen erhöhen, haben die Autoren
Freundlich und Wright (2003) zusammengefasst. Werden beispielsweise Besuchskontakte
zwischen den leiblichen Eltern und den Kindern nicht konkret geplant und gezielt
umgesetzt, besteht ein erhöhtes Risiko einer erneuten Fremdplatzierung (vgl. S. 58, Table
8).
Familiäre Gegebenheiten
Unter diese Kategorie fallen Faktoren, wie die finanzielle Situation der Familie und
schlechte Wohnverhältnissen. Die Studien von Fein und Staff (1993) und Frame, Berrick
und Brodowski (2000) belegen einen Zusammenhang von schlechten Wohnverhältnissen
und einer Rückkehr ins Pflegekinderwesen. Zusätzlich fand die Studie von Fein und Staff
(1993) eine höhere Rückkehrquote bei Kindern von alleinerziehenden Müttern (vgl.
Freundlich & Wright 2003, S. 55).
Die Probleme der Herkunftseltern
Die Studie von Terling (1999) misst der den leiblichen Eltern zukommenden sozialen
Unterstützung eine besondere Bedeutung bei. Wenn die soziale Isolation der Eltern eine
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
103
Problem darstellt, sind die Kinder einem erhöhtem Risiko ausgesetzt, erneut
fremdplatziert zu werden (vgl. S. 164). Ähnlich verhält es sich, wenn die Eltern ein
Suchtproblem haben. Wie bereits in Kapitel 6 geschildert, ist dies ein weiterer
Risikofaktor für eine erneute Herausnahme des Kindes.
Probleme des Kindes
Kinder mit gesundheitlichen, psychologischen Auffälligkeiten oder Verhaltensproblemen
kehren häufiger als unproblematische Kinder in das Pflegekinderwesen zurück. Die Studie
von Jones (1998) und Thomlison (1998) stellt unter anderem diesen Zusammenhang fest
(vgl. Freundlich & Wright 2003, S. 54).
Das Wissen über den Einfluss dieser Faktoren auf den langfristigen Verbleib des Kindes
in der Herkunftsfamilie, ist für eine verbesserte Umsetzung des Reunification Konzeptes
sehr bedeutsam. An Teilaspekten des Reunification Konzeptes wird im nächsten Absatz
dargestellt, in welchen Bereichen eine verbesserte Umsetzung des Konzeptes notwendig
ist. Die Bereiche beziehen sich unter anderem auf die hier geschilderten Faktoren.
7.3
Darstellung einiger Schwachpunkte des Reunification Konzeptes
anhand einiger Teilaspekte
Die Umsetzung des Reunification Konzeptes wird unter dem Teilaspekt der Zeitgrenze
aus dem Adoption Safe Families Act von 1997, unter dem Gesichtspunkt von Kinship
Care und den staatlichen finanziellen Fördermitteln, betrachtet.
Ein Faktor, der bei einer erneuten Fremdplatzierung des Kindes hineinspielt, ist die nach
wenigen Monaten erfolgte Rückführung in die Herkunftsfamilie. Hieran wird deutlich,
dass eine Rückführung nicht zu schnell erfolgen darf, denn die leiblichen Eltern brauchen
eine gewisse Zeit, um ihre Probleme bewältigen und eine Veränderung ihrer
Lebensumstände bewirken zu können. Unter diesem Aspekt können die Zeitgrenzen des
ASFA von 1997 kritisch in Betracht gezogen werden.
Es gibt jedoch keine wissenschaftlich belegten Daten, die einen Zusammenhang zwischen
den Zeitgrenzen des ASFA und einer erhöhten Rückkehrquote in das Pflegekinderwesen
feststellen oder widerlegen. Es wird jedoch vermutet, dass der zeitlich festgelegte
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
104
Rahmen, innerhalb dessen eine Rückführung erfolgen kann, zu einer oberflächlichen
Bearbeitung der Probleme der leiblichen Eltern führt (vgl. Freundlich & Wright 2003, S.
57).
Um eine voreilige Rückführung des Kindes zu verhindern, ist die Schulung der
Mitarbeiter von sozialen Einrichtungen und die Entwicklung von Kriterien zur
Feststellung des richtigen Zeitpunktes für die Rückkehr des Kindes von großer Bedeutung.
Hierzu ist noch ein erheblicher Bedarf an Forschungsarbeit vorhanden. „Although family
reunification is the most common exit type for children in care, relatively little is known
about reunification decision making and the process of reintegration children in their
families.” (Wulczyn 2004, S. 98)
Wichtig in Bezug auf die gesetzlich festgelegte Zeitgrenze, innerhalb der eine
Rückführung erfolgen sollte, ist, dass sie nicht als eine starre Grenze gesehen werden darf.
Die Zeitgrenze stellt lediglich eine gesetzliche Vorgabe des Staates dar, an denen sich die
einzelnen Bundesstaaten ausrichten. Wie streng die praktische Umsetzung dieser
Zeitgrenze erfolgt, hängt von der Gesetzgebung der Bundesstaaten ab.
Die Aussagen, die bereits die Autoren Freundlich und Wright (2003) in verschiedenen
Interviews mit Child Welfare Mitarbeitern erhielten, bestätigten sich auch in den
Interviews, die ich durchgeführt habe. Die Meinung dieser Mitarbeiter ist, dass die
Zeitgrenze als eine Art Druckmittel dient, damit die soziale Institution bereits zu Beginn
der Fremdplatzierung die Grundvoraussetzungen für eine Rückführung erfüllen muss, so
dass diese dann in einem angemessenen Zeitrahmen erfolgen kann (vgl. S. 57 f).
In dem von mir geschilderten Fallbeispiel (Kapitel 6) wird auch die Bedeutung einer
gewissen Flexibilität der Zeitgrenzen veranschaulicht. Meines Erachtens ist der flexible
Umgang mit dem Faktor Zeit notwendig, um auf die individuellen Bedürfnisse der
leiblichen Eltern und des Kindes eingehen zu können.
Die Fremdplatzierung bei Verwandten, um die Familienanbindung zu erhalten, und die
Rückführung des Kindes zu erleichtern und erfolgreicher zu gestalten, wird bereits
anerkannt. Das Potenzial von Kinship Care ist allerdings noch nicht ausgeschöpft und
wird noch nicht überall konkret umgesetzt. Im Jahr 2005 waren 124.153 Pflegekinder
(24%) bei Verwandten untergebracht. Der Großteil der Fremdplatzierungen erfolgte
weiterhin bei Pflegefamilien, ca. 46% (vgl. U.S. Department of Health and Human
Services et. al. 2005).
105
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
Obwohl die Rückkehroption generell als die beste Möglichkeit empfunden wird, wurde in
den letzten 20 Jahren wenig in erfolgreiche Reunification Programme investiert. In der
Förderung von Adoption und anderen dauerhaften Alternativen hat sich hingegen viel
getan (vgl. Wulzcyn 2004, S. 110).
Die finanziellen Unterstützungsleistungen des Staates sind nicht gerecht verteilt. Es gibt
kein eigenständiges Programm zur Förderung von Reunification, sondern die Gelder
werden aus dem gleichen Programm (Promoting Safe and Stable Families Act) gezahlt,
welches für Präventionsmaßnahmen zur Erhaltung von Familien eingesetzt wird. Die
Adoption wird finanziell wesentlich mehr gefördert, mit dem Programm Adoption
Assistance. Die Bundesstaaten erhalten eine zusätzliche Subvention, wenn sie innerhalb
eines Jahres eine gewisse Anzahl von Adoptionen erreichen (vgl. Kapitel 1.4.2).
„Although the 1997 reforms give financial bonuses to states that increase the number of
children adopted out of foster care, they do not reward successful reunification of children
with their natural families.“ (Reich 2005, S. 122)
Die Kosten der Reunification Programme sind hoch, denn eine Rückführung ist mit einem
hohen Arbeitsaufwand verbunden und die Personalkosten sind hoch. Auch die für die
Rückführung wichtigen Besuchskontakte zwischen leiblichen Eltern und Kind sind wegen
des Arbeitsaufwandes, der in die Planung, Koordination und Durchführung gesteckt
werden muss, mit hohen Kosten verbunden. „Caseloads must be low enough to allow the
time visiting requires. An agency committed to reunification must bear these high costs
[...].“ (McCartt Hess & Proch 1988, S. 138)
Zusätzlich sind die Herkunftsfamilien, die im Pflegekinderwesen involviert sind, oft
arbeitslos und leben an oder unterhalb der Armutsgrenze. Nach Aussagen von Frau
Bowers wäre es phantastisch, wenn ihre Abteilung die finanziellen Mittel zur Verfügung
hätte um die Eltern anfänglich etwas unterstützen zu können und z.B. die Fahrtkosten für
Besuchskontakte oder Therapiegespräche übernehmen könnte.
In der Verteilung der finanziellen Fördermittel wird die Adoption deutlich mehr gefördert,
als die Rückführung in die Herkunftsfamilie. Diese Tatsache beeinflusst sowohl die
Ausstattung, mit der die Herkunftseltern eine Veränderung ihrer Lebensumstände
bewirken
könnten
als
auch
und
das
Angebot
zur
Verfügung
stehender
Unterstützungsmaßnahmen, die der Sozialarbeiter empfehlen kann (vgl. Reich 2005,
S. 122).
7. Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen Umsetzung
des Reunification Konzeptes
106
Es bleibt festzuhalten, dass die Rückkehrquote in das Pflegekinderwesen nicht unbedingt
an einem Fehler des theoretischen Konzeptes liegt, sondern vielmehr an der mangelhaften
Umsetzung in die Praxis. Eine Senkung der Rückkehrquote ließe sich meiner Meinung
nach durch eine bessere Umsetzung des vorhandenen Konzeptes erreichen.
Der Staat könnte beispielsweise eine flächendeckendere und effizientere Umsetzung mit
der Bereitstellung von mehr finanziellen Mitteln bewirken. Die Reunification Arbeit ist
mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden und um langfristige Änderungen zu
bewirken, muss sie in einem angemessenen Zeitrahmen erfolgen. Außerdem besteht ein
umfassender Forschungsbedarf. Es gibt z.B. nur wenige Informationen über die Kriterien,
nach denen die Sozialarbeiter entscheiden können, welche Kinder zurückgeführt werden
können und zu welchem Zeitpunkt die Rückführung erfolgen sollte. Es scheint auch an
neueren Forschungsergebnissen zum Thema Reunification zu mangeln. Teilweise habe ich
nur Studien aus den neunziger Jahren und ältere gefunden.
Aus diesem Kapitel lässt sich schließen, dass die praktische Umsetzung des Reunification
Konzeptes im Pflegekinderwesen der USA absolut nicht reibungslos verläuft und jederzeit
in vielen Bereichen verbesserungswürdig ist. Jedoch wird klar, dass ohne eine eindeutige,
allgemeine Zielausrichtung kein gemeinsames Arbeiten möglich ist. Denn wenn die
Zielausrichtung frei wählbar ist, dann arbeiten alle Pflegekinderdienste in verschiedene
Richtungen und sind eher dazu verleitet, sich an einzelnen privaten, wissenschaftlich nicht
belegten Meinungen zu orientieren. Im nächsten Abschnitt werden Überlegungen
angestellt, an welchen sinnvollen Methoden der us-amerikanischen Theorie und Praxis
sich das deutsche Pflegekinderwesen orientieren könnte.
107
8. Gedanken zu Übertragbarkeit von Reunification auf das deutsche
Pflegekinderwesen
8.
Gedanken zu Übertragbarkeit von Reunification auf das
deutsche Pflegekinderwesen
Das deutsche Recht schreibt im Gegensatz zum us-amerikanischen Gesetz kein
eindeutiges Ziel vor, nach dem sich das gesamte Pflegekinderwesen ausrichten könnte.
Für den Autor Blandow (2004) sind die Vorschriften und Gebote zum Aushandeln, zum
Prüfen und Abwägen formuliert, und dieser Regelmodus überfordert die Praxis (vgl. S.
203). Dem deutschen Pflegekinderwesen mangelt es an einer einheitlichen, verbindlichen
Regelung, in der gemeinsam Ziele verfolgt werden. Die Einigung und Ausrichtung auf ein
allgemeingültiges, gesetzlich festgelegtes Ziel trägt nicht nur zu einer Sicherung der
Kontinuität
von
Pflegekindern
bei,
sondern
auch
zu
einer
gezielteren,
verantwortungsvolleren Arbeit mit den Herkunftseltern.
Wie sich in Kapitel 4 darstellt, sind viele Probleme der Herkunftseltern gesellschaftlich
bedingt, z.B. Ausgrenzung, soziale Isolation, Armut und schlechter Bildungsstand. Von
diesem Aspekt aus betrachtet, trägt die Gesellschaft auch die Verantwortung gegenüber
diesen Menschen. Die Gesellschaft muss ihnen den Zugang zu Ressourcen ermöglichen,
damit sie eine Chance haben ihr Recht auf die Erziehung ihrer Kinder geltend machen zu
können. Im deutschen Pflegekinderwesen wird nur die Verantwortung gegenüber den
Kindern übernommen. Diese ist auch von extremer Wichtigkeit, denn die Kinder bedürfen
eines besonderen Schutzes und sie sind meist unschuldig an der familiären Situation,
wobei die leiblichen Eltern immer eine Teilschuld tragen. Wichtig ist dennoch, dass auch
die Verantwortung, die der Pflegekinderdienst gegenüber den leiblichen Eltern trägt,
wahrgenommen wird. Meiner Meinung nach haben, die leiblichen Eltern in der Regel eine
zweite Chance verdient. Zumindest haben sie den Versuch verdient, eine zweite Chance
zu bekommen. Dabei wird nur ein ausreichendes, umfassendes, ressourcenorientiertes
Angebot an Unterstützungsleistungen der Lebenssituation der leiblichen Eltern gerecht.
Im deutschen Pflegekinderwesen wird vielen Herkunftsfamilien die Rückführung in
Aussicht gestellt, aber es wird nicht gezielt darauf hingearbeitet und es ist nicht genau
geregelt, wer zuständig für die Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern ist. Zum einen
wird die konkrete Hilfestellung für die leiblichen Eltern vernachlässigt und zum anderen
ist der kontinuierliche Besuchskontakt zwischen Herkunftseltern und Kind nicht
einheitlich geregelt und eine eindeutige Stellungnahme zu der Bedeutsamkeit von
Besuchskontakten ist auch nach Jahren der Diskussion nicht gefunden worden.
8. Gedanken zu Übertragbarkeit von Reunification auf das deutsche
Pflegekinderwesen
108
Die kontroversen Ansichten im deutschen Pflegekinderwesen über die Ansicht der
Pflegefamilie als Ersatz- oder Ergänzungsfamilie existieren nach wie vor, und es konnte
noch keine eindeutige, allgemeingültige Sichtweise erörtert werden. Es scheint als ob
jeder Pflegekinderdienst für sich selbst entscheidet, zu welcher Ansicht er mehr tendiert
und nach welchem Konzept er seine Arbeit und Vorgehensweise ausrichtet.
Aus diesem Grund erfolgen Rückführungen nur sporadisch und ergeben sich eher zufällig
(vgl. Faltermeier, Glinka & Schefold 2003, S. 5).
Die Rückführung ist jedoch ein Prozess der unter hohem Arbeitsaufwand ausführlichst
geplant und vorbereitet werden muss. Die gezielte, erfolgreiche Umsetzung kann nicht nur
zu einer Kontinuitätssicherung der Pflegekinder beitragen, sondern sie bewirkt auch eine
Senkung der Anzahl der Pflegekinder und unterbindet den häufigen Wechsel von
Pflegefamilien.
Wird die Rückführung zu einem allgemein erstrebenswerten Ziel für Pflegekinder erklärt,
wandelt sich auch das Bild der Pflegefamilie. Sie wird vielmehr als Teil eines
professionellen Teams gesehen, das nicht nur der Unterstützung des Kindes, sondern der
gesamten Familie dient. Diese neue Ansicht der Pflegefamilie müsste den alten und
zukünftigen Pflegeeltern durch intensive Öffentlichkeitsarbeit vermittelt werden. Zudem
ist eine ausführliche Vorbereitung auf die Pflegschaft und eine Eingliederung in das Team
des Pflegekinderdienstes eine Voraussetzung für leistungsstarke Pflegeeltern, die den
Herkunftseltern als Ressource dienen können. Beispielsweise können die Pflegeeltern eine
Vorbildfunktion einnehmen und die leiblichen Eltern können neue Erziehungsmethoden
erlernen.
Durch eine einheitliche Zuweisung der Rollenverteilung sowohl in, der Pflegefamilie als
auch in der Herkunftsfamilie, kann sich eine etwas einfacher Beziehung entwickeln. Dem
Konkurrenzverhalten wird entgegengewirkt, indem verdeutlicht wird, dass alle gemeinsam
auf ein Ziel hinarbeiten, entweder auf das Ziel der Rückführung oder auf das der
Adoption.
Der Verbleib des Kindes muss unabhängig von der Frage, ob das Kind noch Kontakt mit
den anderen jeweiligen Eltern hat, betrachtet werden. Im Interesse des Kindes sollte in
Zukunft darauf hingearbeitet werden, dass, der Kontakt zu den leiblichen Eltern, bzw. den
Pflegeeltern sowohl bei der Adoption als auch bei einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie,
weiterhin bestehen bleibt.
8. Gedanken zu Übertragbarkeit von Reunification auf das deutsche
Pflegekinderwesen
109
Das Pflegekinderwesen der USA gliedert nicht nur die Pflegeeltern in das
Unterstützungssystem der Herkunftsfamilien ein, sondern es setzt auch ganz gezielt
Mitarbeiter ein, die den leiblichen Eltern eine konkrete Hilfestellung geben können. Die
im Abschnitt 4.2.1 erwähnten Family Support Worker unterstützen die Eltern bei der
Haushaltsführung, sie reinigen z.B. mit den leiblichen Eltern zusammen das Haus und
stellen einen Haushaltsplan auf. Die Arbeit mit den Herkunftseltern ist somit auf
verschiedene Mitarbeiter verteilt. Die Family Support Worker leisten gezielte, praktische
Hilfe in der häuslichen Umgebung der Familie, die Ongoing Social Worker übernehmen
im weitesten Sinne Koordinationsarbeit und nehmen eine eher beratende Funktion
gegenüber den Eltern ein. Diese Arbeitsaufteilung erleichtert und beschleunigt den
Reunification Prozess im us-amerikanischen Pflegekinderwesen.
Der Autor Blandow (2004) spricht sich jedoch gegen eine vereinheitliche Regelung aus,
die die Rückführung zu einem allgemeinen Credo erklärt. Für ihn muss die Entscheidung
im Einzellfall gewahrt werden (vgl. S. 204). Jedoch darf sich diese nicht nach der
persönlichen Meinung der Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes orientieren, sondern muss
sich nach allgemeingültigen, wissenschaftlich begründeten Kriterien ausrichten.
Persönliche Schlussbemerkung
110
Persönliche Schlussbemerkung
Meiner Meinung nach ist es widersprüchlich, dass die elterlichen Rechte in Deutschland in
einer besonderer Weise geschützt sind und sie den Eltern nicht so einfach wie in den USA
aberkannt werden können. In der Praxis des Pflegekinderwesens wird hingegen wenig
dafür getan, um eine Zusammenführung von leiblichen Eltern und Kindern zu
ermöglichen.
Mir scheint als ob die Kinder nicht mehr so schnell hergegeben werden wenn sie erst
einmal im Pflegekinderwesen sind. Und die Herkunftseltern, die um die Rückkehr ihrer
Kinder kämpfen, werden regelrecht mit leeren Versprechungen hingehalten. In diesem
Zusammenhang ist die Überlegung angebracht, ob die Schaffung von klaren Verhältnissen
nicht wesentlich effektiver und gerechter wäre. In den USA erhalten die leiblichen Eltern
eine realistische Chance. Ist eine Rückführung dennoch nicht möglich, kann ihnen die
elterliche Sorge innerhalb eines kurzen Zeitraumes vollständig entzogen werden. Andere
Personen erhalten die Gelegenheit, dem Kind das Aufwachsen in einer Familie zu
ermöglichen. Diesem Leitgedanken unterliegt Permanency Planning, mit dem die
Kontinuität der Pflegekinder in den USA gesichert wird.
In Deutschland müsste zunächst die Grundvoraussetzung geschaffen werden, um eine
Reformierung einleiten zu können und dies wäre die Einigung auf eine gemeinsame
Ausrichtung des deutschen Pflegekinderwesens.
Durch eine verstärkte Forschung, und aus Erfahrungsberichten der Praxis von anderen
Ländern kann die Notwendigkeit der Reformierung des deutschen Pflegekinderwesens
wissenschaftlich begründet werden. Eine Veränderung der Gesetzeslage ist notwendig, um
zumindest in der Theorie eine gemeinsame Ausrichtung der Arbeitsweise des deutschen
Pflegekinderwesens zu haben. Die praktische Umsetzung und Umstellung würde sich über
Jahrzehnte hinziehen. In den USA ist die Entwicklung der Kontinuitätssicherung längst
nicht abgeschlossen. Zum einen gibt es immer noch regionale Unterschiede in der
Ausübung der allgemeinen Zielausrichtung und zum anderen fügen die laufenden
Forschungsarbeiten und Studien eine neue, detaillierter Sichtweise hinzu. Die Arbeit des
Pflegekinderwesens unterliegt einem ständigen Wandel und passt sich den neuzeitlichen
Gegebenheiten und gesellschaftlichen Bedingungen an.
Persönliche Schlussbemerkung
111
Meiner Meinung nach geht es nicht um Ersatz oder Ergänzungsfamilie, sondern es muss
endlich akzeptiert werden, dass Pflegekinder je nach Länge des Aufenthalts in der
Pflegefamilie, zwei Familien haben und zu diesen beiden Familien Bindungen entstanden
sind. Unabhängig vom dauerhaften Aufenthaltsort der Pflegekinder, müsste zum Wohl der
Kinder daraufhin gearbeitet werden, dass beide Familien in ihr Leben langfristig involviert
werden.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Frau Bowers, die über die Bedeutsamkeit der
Weiterentwicklung spricht: „I think we can always improve on how we work, [...] when
people come up with new things [...] counties need to embrace those things [...] so there is
always room for improvements and a new ways of doing things, most definitely“.
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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
118
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: The Number and Rate of Foster Children Ages 17
and Under 1990- 2005
Anhang A I
Abbildung 2: Number of Children Under Age 18
in the U.S. 1950-2030
Anhang A II
Abbildung 3: Das Alter der Kinder in Foster Care
S. 10
Abbildung 4: U:S: Child Population/ Foster Care Population
S. 11
Abbildung 5: Der Ablauf bei Verdacht
auf Gefährdung des Kindeswohl
S. 39
Abbildung 6: Die Anzahl der Rückführung im Jahr 2005
S. 100
Abbildung 7: Reentry Rate by Year of Admission
Anhang A III
Tabelle 1: Überblick der Child Welfare Reformen
im 20. Jahrhundert
S. 14
119
Wort- und Abkürzungsverzeichnis
Wort- und Abkürzungsverzeichnis
Administration for Families and Children
Abteilung für Familien und Kinder
Adoption Assistance
finanzielle Unterstützung der
Adoptivfamilien
Assessment
Einschätzung, Analyse
Battered child syndrome
Kindesmisshandlung
Building
Aufbau
Case Planning
Hilfeplanung
Case Progress Evaluation
Evaluation der Fortschritt
Child Abuse and Neglect Prevention
Verhinderung von
Kindermisshandlung und
Vernachlässigung
Child Protective Services
Soziale Einrichtung zum Schutz von
Kindern
Child Welfare
Jungendfürsorge
Child Welfare System
System der Jugendfürsorge
Conditions of Return
Bedingungen für eine Rückführung
des Kindes
Concurrent planning
konkurrierende Planung
Crisis Intervention model
Model der Krisenintervention
Division of Youth and Family Services
Abteilung für Jugend- und
Familienfürsorge
Early Intervention
Frühe Intervention
English Poor Law
englisches Armenrecht
Family Continuity
Familien-Kontinuität
Family Engagement
Einbeziehung der Familie
Family Treatment model
Modell der Familien-Behandlung
Family Perservation
Erhaltung von Familien
120
Wort- und Abkürzungsverzeichnis
Foster Care
Pflegekinderwesen
Foster Care Population
Anzahl der Kinder im
Pflegekinderwesen
Hispanic
Lateinamerikaner
Independent Living
selbstständig leben und wohnen
In-home Therapy
Therapie in der häuslichen Umgebung
Intake
Aufnahme
Intake Unit
Aufnahmeabteilung
Investigation
Untersuchung
Kinship Care
Verwandtenpflege
Legal Guardianship
Vormundschaft
Long-Term Foster Care
Langzeitpflege
Non-Hispanic Black
Afroamerikaner nicht
lateinamerikanischer Herkunft
Non-Hispanic White
Amerikaner nicht lateinamerikanischer
Herkunft
Ongoing Social Worker
Hauptbezugs-Sozialarbeiter
Opening
Öffnung
Permancy Hearing
Anhörung vor Gericht
Permanency Plan
Plan für eine dauerhafte Lösung
Petition
Klageschrift
Promoting Safe and Stable Families
Fördern von sicheren, stabilen
Familien
Reasonable Efforts
angemessene Bemühungen
Reunification
Rückführung in die Herkunftsfamilie
Reunification Unit
Abteilung für Rückführung
121
Wort- und Abkürzungsverzeichnis
Reunification Level
Wahrscheinlichkeit der Rückführung
für ein Pflegekind
Screen In
Verdacht nachgehen
Screen Out
Ausschluss des Verdachtes
Service Delivery
Vermittlung von Hilfen
Shared Parenting
geteilte Elternschaft
Social Security Act
Sozialversicherungsgesetz
Social Service
Sozialeinrichtungen
Terminating parental rights
Entzug der elterlichen Sorge
Traditional or Rehabilitation Foster Care
traditionelle oder Rehabilitationspflege
AACWA
Adoption Assistance and Child
Welfare Act
ACF
Administration for Children &
Families
AFDC
Aid for Families with Dependent
Children
ASFA
Adoption and Safe Families Act
CHIPS
Child in need of Protective Services
DYFS
Division of Youth and Family Services
HHS
Department of Health and Human
Services
MMAC
Mothers Making A Change
NCSL
National Conference of State
Legislatures
NDAS
National Data Analysis System
TANF
Temporary Assistance for Needy
Families
TPR
Terminating parental rights
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
S. 6
Kapitel:
1.
Das Pflegekinderwesen der USA
1.1
Definition Foster Care und die unterschiedlichen
Ausprägungen des Pflegeverhältnisses
Statistische Erhebung zur Foster Population
Die geschichtliche Entwicklung im us-amerikanischen
Pflegekinderwesen
1.2
1.3
1.3.1 Frühe Entwicklungen im Pflegekinderwesen
1.3.2 Die Child Welfare Reformen des 20. Jahrhunderts
1.4
Die Organisation des Pflegekinderwesens
1.4.1 Die Organisationsstruktur der staatlichen Sozialeinrichtung
1.4.2 Die Finanzierung des us-amerikanischen Pflegekinderwesens
2.
Theoretische Konzepte im Pflegekinderwesen
2.1
Permanency Planning
2.1.1 Definition von Permanency Planning
2.1.2 Die Richtlinien von Permanency Planning
und die sich daraus ergebende Hierarchie
2.2
Reunification
2.2.1 Definition Reunification
2.2.2 Richtlinien von Reunification
2.3
Die Argumente der Bindungstheorie
in den Konzepten Permanency Planning und Reunification
3.
Der Prozess der Rückführung
3.1
3.2
Der Ablauf bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls
Detaillierte Beschreibung der Arbeitsschritte
des Child Protective Services am Beispiel des Wisconsin Model
Workflow
Der Reunification Prozess
Faktoren, die Reunification beeinflussen
3.3
3.4
S. 8
S. 9
S. 13
S. 13
S. 14
S. 20
S. 20
S. 23
S. 27
S. 27
S. 28
S. 32
S. 32
S. 34
S. 35
S. 38
S. 40
S. 42
S. 46
Inhaltsverzeichnis
4.
Die Herkunftseltern
4.1
Der Blick auf die Herkunftseltern
4.1.1 Die Probleme der Herkunftseltern
4.1.2 Die Gefühle der Herkunftseltern
4.2
Die Arbeit mit den Herkunftseltern im Reunification Prozess
4.2.1 Die Hauptaufgaben der Sozialarbeiter
4.2.2 Die Kompetenzen der Sozialarbeiter im Hinblick
auf ihren Aufgabenbereich
4.2.3 Die Aufgaben und Erwartungen an die Pflegeeltern
5.
Reunification Arbeit und Programme in der Praxis
5.1
Reunification Programme in Abgrenzung zur
Family Preservation Programme
5.1.1 Family Preservation Programme
5.1.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Family Preservation
und Reunification Programme
5.2
Allgemeine Aspekte der Reunification Programme
5.2.1 Instrumente der Reunification Arbeit
5.2.2 Die Unterschiede der verschiedenen Reunification Programme
5.2.3 Reunification Programme mit spezifischen Fokus
5.3
Konkrete Beispiele für Reunification Programme
5.3.1 Das Reunification Programm aus New Jersey
5.3.2 Einblick in die Struktur und Arbeitsweise
der Reunification Unit in Dane County Human Service Department,
Madison Wisconsin
6.
Seite
S. 50
S. 50
S. 53
S. 55
S. 55
S. 57
S. 64
S. 69
S. 69
S. 71
S. 72
S. 72
S. 74
S. 77
S. 78
S. 78
S. 80
Reunification Arbeit im Kontext einer Suchterkrankung der
leiblichen Eltern
6.1
Kindesmisshandlung und Vernachlässigung in Verbindung mit der
Suchtabhängigkeit der Herkunftseltern
S. 85
6.2 Die besonderen Gegebenheiten der Suchtproblematik in der
Reunification Arbeit
S. 87
6.3 Spezielle Reunification Programme für suchtkranke Eltern
S. 89
6.4 Fallbeispiel Nicole
S. 91
6.4.1 Kontaktaufnahme und Verlauf des Treffens
S. 91
6.4.2 Fallbeschreibung
S. 92
7.
Kritische Auseinandersetzung mit der praktischen
Umsetzung des Reunification Konzeptes
7.1
Die Anzahl der Rückführungen im Jahr 2005
S. 99
Inhaltsverzeichnis
7.2
Die Rückkehr der ehemaligen Pflegekinder
in das Pflegekinderwesen
7.2.1 Die Rückkehrquote
7.2.2 Faktoren, die eine Rückkehr in das Pflegekinderwesen begünstigen
7.3
8.
Darstellung einiger Schwachpunkte
des Reunification Konzeptes anhand einiger Teilaspekte
Seite
S. 100
S. 100
S. 101
S. 103
Gedanken zu Übertragbarkeit von Reunification auf das deutsche
Pflegekinderwesen
S.107
Persönliche Schlussbemerkung
S. 110
Literaturverzeichnis
S. 112
Verzeichnis verwendeter Onlinedokumente
S. 115
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
S. 118
Wort- und Abkürzungsverzeichnis
S. 119
Erklärung
Anhang:
The Number and Rate of Foster Children Ages 17
and Under 1990- 2005
Number of Children Under Age 18 in the U.S
1950-2030
Reentry Rate by Year of Admission
Wisconsin Model Workflow
Wisconsin Model Implementation
Preservice, Institute for Human Services:
Myths and Realities
Intensive In-home/Multi-Agency
90 Day Treatment Plan Goal Review
Intake/Assessment and Intensive
In-home Multi-Agency Treatment Plan
AI
A II
A III
BI
B II
C
DI
D II