Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

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Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
019
9 UF 27/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht
31 F 282/99 Amtsgericht Oranienburg
Anlage zum Protokoll
vom 21.11.2002
Verkündet am 21.11.2002
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Familiensache
der Minderjährigen M..., geboren am 1. Juni 1999,
gesetzlich vertreten durch das Jugendamt
Klägerin und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
gegen
Herrn G...,
Beklagten und Berufungsbeklagten,
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf Grundlage
der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2002 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
den Richter am Landgericht
und
den Richter am Oberlandesgericht
,
-2-
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin vom 28. Januar 2002 wird das am 15. Januar 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Oranienburg teilweise abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
1.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Vater der Klägerin ist.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen ihres jeweiligen gesetzlichen
Vertreters einen monatlichen Unterhalt
von 96,63 (314 DM - 125 DM) für Juni 1999,
von 101,75 (324 DM - 125 DM) für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis zum
31. Dezember 1999,
von 96,63 (324 DM - 135 DM) für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis ei nschließlich 31. Dezember 2000,
von 154,92 (324 DM - 21 DM) für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni
2001,
von 165,66 (340 DM - 16 DM) vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001,
von 158 (174 - 16 ) vom 1. Januar 2002 bis zum 30. November 2002
sowie
von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gem. § 2
der Regelbetrag-Verordnung abzüglich des nach § 1612b Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab 1. Dezember 2002
zu zahlen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt, mit Ausnahme der Gerichtskosten in zweiter Instanz, die niedergeschlagen werden.
4.
Das Urteil ist mit Wirkung vom 19. Februar 2002 hinsichtlich der Ziffer 2. des Tenors
vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache selbst Erfolg. Sie führt zur Abänderung des im
angefochtenen Urteil zum Unterhalt getroffenen Ausspruchs dergestalt, dass die Anrechnung
des Kindergeldes unter Berücksichtigung des § 1612 b Abs. 5 BGB n. F., d. h. in der ab dem
1. Januar 2001 gültigen Fassung, zu erfolgen hat.
-3-
1.
Obgleich der ordnungsgemäß geladene Beklagte zur mündlichen Verhandlung vom 7. November 2002 vor dem Senat nicht erschienen ist, war durch streitiges Urteil zu entscheiden;
insbesondere konnte ein Versäumnisurteil nicht ergehen.
In Kindschaftssachen ist der Erlass eines Versäumnisurteils analog § 612 Abs. 4 ZPO unzulässig, soweit dieses gegen den Beklagten zu ergehen hätte, vgl. § 640 Abs. 1 ZPO. Zu diesen
Kindschaftssachen zählt auch der Unterhalt bei Vaterschaftsfeststellungen, soweit dieser gemäß § 653 ZPO geltend gemacht und mit der Vaterschaftsfeststellung verbunden ist. Für die
Einordnung dieses Annexverfahrens als Kindschaftssache spricht die enge verfahrensrechtliche Verknüpfung mit dem den Kindschaftssachen zuzuordnenden Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 640 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Der Regelunterhalt im Verfahren des § 653 ZPO
kann hiernach nur in den Verfahren nach § 640 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses geltend gemacht werden. § 653
Abs. 1 ZPO stellt insoweit eine Ausnahme zu dem allgemeinen Grundsatz dar, dass Kindschaftssachen nicht mit anderen Verfahren verbunden werden können, § 640 c Abs. 1 ZPO.
Insoweit ging auch der Gesetzgeber davon aus, dass die Verurteilung zu Regelbeträgen nach
§ 653 ZPO sich als unselbstständige Ergänzung der Vaterschaftsfeststellung darstellt. All dies
lässt erkennen, dass auch das Verfahren nach § 653 ZPO als Kindschaftssache einzuordnen ist
(Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 653 Rn. 5; Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 653 Rn.
4; MünchKomm-Coester/Waltjen, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 653 Rn. 1; Luthin-Seidel, Handbuch
des Unterhaltsrechts, 9. Aufl. 2002 Rn. 4145; FamVerf/Schael, 2001 § 1 Rn. 445; Wendl/
Staudigl-Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. 2002, § 8
Rn. 348; Lipp/Wagenitz, Das neue Kindschaftsrecht, 1999, § 653 ZPO Rn. 4; a. A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Auf. 2002, § 653 Rn. 4) und entspricht auch der
ständigen Rechtsprechung des BGH zum alten Recht des § 643 ZPO (zuletzt BGH FamRZ
1998, 1023, 1024). Aus diesem Grund ist ein Anerkenntnisurteil oder ein Versäumnisurteil
zum Unterhalt in Höhe der Regelbeträge im Verfahren des § 653 ZPO nicht möglich (OLG
Hamm FamRZ 1988, 854; Zöller/Philippi, a.a.O. sowie § 641 c Rn. 3; Luthin-Seidel a. a. O.;
FamVerf/Schael a. a. O.; ferner Lipp/Wagenitz a.a.O.).
An dieser Einordnung des Annexverfahrens als Kindschaftssache ändert sich auch dann
nichts, wenn die Verbindung mit der Vaterschaftsfeststellung im Verfahrensfortgang de facto
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aufgelöst wird, wenn z. B. die Vaterschaft gemäß § 641 c ZPO anerkannt und nur noch über
die geltend gemachten Regelbeträge zu entscheiden ist (BGH NJW 1974, 751; Zöller/Philippi,
a.a.O.; Luthin-Seidel a. a. O.; FamVerf/Schael a. a. O.). Das Annexverfahren des § 653 ZPO
unterfällt dann weiterhin den verfahrensrechtlichen Regelungen einer Kindschaftssache, weshalb nichtöffentlich zu verhandeln ist (BGH NJW 1974, 751) und der Untersuchungsgrundsatz gilt (OLG Hamm DAV 2000, 65; Wendl/Staudigl-Thalmann a. a. O.; einschränkend OLG
Stuttgart FamRZ 1995, 1161).
Nichts anderes kann dann gelten, wenn lediglich gegen den Ausspruch der Verurteilung zum
Regelunterhalt/-betrag Berufung eingelegt wird. Auch in der Berufungsinstanz behält das Annexverfahren des § 653 ZPO seinen Charakter als Kindschaftssache bei. Wird lediglich gegen
den Ausspruch zum Regelunterhalt Berufung eingelegt wird, ist das Verfahren gleichwohl als
Kindschaftssache fortzuführen (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 13/7338, S. 43; MünchKomm-Coester/Waltjen, a. a. O., Rn. 14; Hoppenz, Familiensachen, 7. Aufl. 2001, § 653, Rn.
4; wohl auch Lipp/Wagenitz, a.a.O.; ferner für das alte Recht BGH FamRZ 1998, 1023,
1024). Das insoweit allein zur Entscheidung verbliebene Annexverfahren des § 653 ZPO stellt
sich trotz der isolierten Anfechtung nicht als den allgemeinen Grundsätzen des Zivilverfahrens unterliegendes Unterhaltsverfahren dar, vielmehr bleibt es bei der Einordnung als Kindschaftsverfahren (ausdrücklich MünchKomm-Coester/Waltjen, a. a. O.).
2.
In der Sache selbst war der Ausspruch zum Regelbetrag den Anforderungen des § 1612 b Abs.
5 BGB n. F. für die Zeit ab dem 1. Januar 2001 anzupassen. Dies entsprach dem in erster Instanz gestellten Antrag der Klägerin. Insoweit hat das Amtsgericht seine erstinstanzliche Entscheidung fälschlicherweise und entgegen der Antragstellung der Klägerin auch für die Zeit
nach dem 1. Januar 2001 die aus § 1612 b BGB a. F. folgende hälftige Anrechnung des Kindergeldes zu Grunde gelegt.
Im Übrigen folgt der Anspruch der Klägerin auf die Zahlung des Regelunterhaltes aus den §§
1601 ff., 1612 a Abs. 1 BGB. An der Bedürftigkeit der Klägerin und an der Leistungsfähigkeit
des Beklagten, der im hiesigen Verfahren keine Einwendungen gegen den geltend gemachten
Unterhaltsanspruch erhoben hat, bestehen keine Bedenken. Ebenfalls steht auf Grund des in-
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soweit nicht angefochtenen erstinstanzlichen Urteils die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin rechtskräftig fest.
3.
Aus Klarstellungsgründen hat der Senat den Tenor insgesamt neu gefasst, zumal die amtsgerichtliche Entscheidung mit weiteren Fehlern belastet ist.
Innerhalb des Hauptausspruchs zur Zahlung des Regelunterhalts im angefochtenen Urteil ist
die Angabe, dass ab der Geburt der Klägerin der Unterhalt zu zahlen ist, zu unbestimmt; insoweit war das Geburtsdatum der Klägerin einzufügen.
Gleiches gilt für die rückständigen Unterhaltsbeträge und das anzurechnende Kindergeld. Der
auf § 653 ZPO beruhende Titel über den Unterhalt muss - wie jeder Vollstreckungstitel - hinreichend bestimmt sein. Stehen die Unterhaltsbeträge fest, so sind die konkreten Beträge anzugeben; nur hinsichtlich der zukünftigen Beträge kann wegen der in § 1612a Abs. 1 BGB
getroffenen Regelung ein Prozentsatz verlangt werden (Schael, Formulierung von Klageanträgen und Urteilstenorierungen in Unterhaltsklagen mit Kindergeldverrechnung, FPR 2002,
40 f.). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren nach § 653 ZPO, weshalb die Verurteilung
zum einen von der Urteilsverkündung an auf Zahlung eines Prozentsatzes des Regelbetrags
nach der Regelbetrag-Verordnung und zum anderen auf Zahlung der bezifferten Rückstände
seit der Geburt lautet (ausdrücklich Luthin-Seidel a. a. O. Rn. 4146; siehe auch FamVerf/
Schael § 10 Rn. 77). Soweit vor dem 1. Januar 2001 eine hälftige Anrechnung des Kindergeldes gem. § 1612 b BGB (a. F.) erfolgt, war dies ebenfalls im Tenor durch ausdrückliche Bezifferung zu berücksichtigen. Wegen der Neuregelung des § 1612 b BGB ist seit dem 1. Januar 2001 lediglich noch ein geringer Anteil des hälftigen Kindergeldes anzurechnen, da im Übrigen die Grenze von 135 % (§ 1612 b Abs. 5 BGB) nicht erreicht wird.
4.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10 ZPO, 8 GKG, wobei die Niederschlagung der Gerichtskosten der Berufungsinstanz auf der in mehrfacher Hinsicht unrichtigen Sachbehandlung des Annexverfahrens des § 653 ZPO durch das Amtsgericht
beruht.
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In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht zu Unrecht keine Entscheidung zur Vollstreckbarkeit getroffen hat. Zwar sind Kindschaftssachen im Sinne
von § 640 Abs. 2 ZPO nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 704 Abs. 2 ZPO. Anderes gilt aber für den Ausspruch zum Unterhalt im Annexverfahren des § 653 ZPO, § 708 Nr. 8
ZPO.
§ 704 Abs. 2 ZPO in der vor dem Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform geltende Fassung
enthielt einen ausdrücklichen Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit für den Ausspruch
zum Regelunterhaltsverfahren des § 643 ZPO a. F.. Die seit dem 1. Juli 1998 geltende Neufassung des § 704 Abs. 2 ZPO enthält eine solche Einschränkung nicht mehr. Schon diese
Änderung lässt darauf schließen, dass sich der Gesetzgeber einer vorläufigen Vollstreckbarkeit betreffend des im Verfahren des § 653 ZPO ergangenen Unterhaltsausspruch nicht von
vornherein entgegenstellen wollte. Bei vergleichbarer Problematik im Scheidungsverbund
gem. § 629 d ZPO ist zudem die Möglichkeit, Folgesachen zivilprozessualer Natur und damit
insbesondere Verbundunterhaltsverfahren für vorläufig vollstreckbar erklären zu lassen, nahezu einhellig anerkannt (FamVerf/Schael § 1 Rn. 446 m. N.). Demnach ist der Tenor hinsichtlich des Regelbetrags, § 653 ZPO, für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Zöller-Philippi a. a.
O. § 653 Rn. 6; MünchKomm-Coester/Waltjen a. a. O. § 653 Rn. 11; FamVerf/Schael a. a.
O.; Wendl/Staudigl-Thalmann a. a. O. § 8 Rn. 348; a. A. Baumbach/Lauterbach/Albers/
Hartmann a. a. O. § 653 Rn. 5; Musielak a. a. O. § 653 Rn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl.
2002 § 653 Rn. 7), wobei die Vollstreckbarkeit erst ab der Rechtskraft des Ausspruchs über
die Vaterschaftsfeststellung angeordnet werden darf, da zuvor die Verurteilung zur Leistung
des Unterhalts nicht wirksam ist, § 653 Abs. 2 ZPO (s. auch FamVerf/Schael a. a. O. sowie
Wendl/Staudigl-Thalmann a. a. O.).
Die letzte Zustellung des angefochtenen Urteils erfolgte an den Beklagten unter dem 18. Januar 2002, Bl. 86, sodass ab dem 19. Februar 2002 die Rechtskraft eingetreten ist.