Rituale
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Rituale
Wahlpflichtfach Pharmaziegeschichte Sommersemester 2006 Dina Schulze und Kristina Pramme Diese Liebesmittel leiten ihren Namen von Aphrodite ab, der griechischen Göttin der Liebe. Dies weist schon darauf hin, dass natürliche und magische Mittel, die in der Lage sind, den Geschlechtstrieb zu steigern, eine lange Tradition haben. In unserem Kulturkreis übernahmen Druiden und Priester die Erfahrungen der Ägypter, Griechen und Römer, die Hexen gaben dann diese Traditionen weiter, sie setzten vor allem eine Unzahl von Pflanzen ein, um vornehmlich „eyn teutsches Mannsbild bey Kräfften zu halten“. Diese Pflanzen konnten einerseits tatsächlich pharmakologisch wirksam sein, andererseits wurde aber auch Pflanzenteilen, die optisch menschlichen Geschlechtsteilen ähneln, eine aphrodisierende Wirkung zugesprochen. Auch magische Rituale waren gebräuchlich. Festgestellt wurde bei einigen Pflanzen, dass deren Inhaltsstoffe die Blutzufuhr zur Lendengegend fördern und damit auch eine bessere Durchblutung der Genitalien bewirken; andere steigern die Harnabsonderung und können somit ein Stimulanz für Erektionen sein. [2] Alraune (Mandragora officinarum): „Ich werde Liebe machen mit dir, die Alraunen verströmen ihren Duft.“ (Hohelied) Die auch als Liebesapfel bekannte Pflanze gehört zur Familie der Nachtschatten-gewächse (Solanaceae). Ihren Ruf als Aphrodisiakum verdankt sie auch ihrer großen, rübenartigen Wurzel, die oftmals menschenähnliche Gestalt hat. Der Saft der Alraunenwurzel wurde schon im Mittelalter als Zaubermittel und Liebestrank verwendet. In gewissen Dosierungen schafft er Halluzinationen, in größeren Dosen ist er ein stark wirksames Betäubungsmittel; als Liebeszauber wurde er vor allem von Hexen verwendet. Pfeffer (Piper nigrum): Pfeffer ist alles, was scharf macht – ob in der Küche oder im Schlafzimmer. Die wichtigsten Inhaltsstoffe des ätherischen Öls sind Monoterpene wie beispielsweise Mycren, Sabinen, Linalool, sowie die oxidierten Monoterpene. Für die typische Schärfe ist Piperidin verantwortlich. Schon im Altertum war seine aphrodisierende und durchblutungsfördende Wirkung bekannt. Pfeffer erhöht die Sinnlichkeit, regt die Durchblutung an und fördert die sexuelle Lust. Senf (Sinapsis alba und nigra): Wie andere scharfschmeckende Gewürze soll auch der Senf den Geschlechtstrieb beflügeln. Als Liebesmittel gelten die schwarzen und weissen Samen der Senfarten, ihr enthaltendes Sinigrin wirkt durchblutungsfördernd. Schon Johannes Hartlieb meinte 1470, weisser Senf „erweckt die unkeusche Begierde, denn es stärkt den Penis und das bewirkt vor allem der Samen des Krautes.“ Auch L. Fuchs beschreibt die Wirkung des Senfs folgendermassen: „Des zahmen senffs blätter roh in guter menig gegessen, reyzen zur unkeuschheit, ...“ Granatapfel (Punica granatum): Der Granatapfel ist ein Symbol der Liebesgöttin Aphrodite und gilt aufgrund seiner zahlreichen Samen als Fruchtbarkeitsmittel. Als Aphrodisiakum ist er nicht besonders wirksam, er wurde wegen seiner Form als solches angesehen. Der sich öffnende Granatapfel sieht aus wie eine Vulva, seine Blüte galt als Symbol der Scham der Göttin. Der berühmteste biblische Apfel vom Baum der Erkenntnis, die verbotene Frucht, war nach einigen Deutungen nicht der bei uns bekannte Apfel, sondern der Granatapfel. [5] Im Buch „Der mitleidende Samariter“ von Marie de Maupeon von 1682 ist über den Granatapfel folgendes zu lesen: Recept für den Saamenfluß/ er mag böser Art seyn oder nicht. Man nehme eine Untze getruckneter/ gepulverter/gesichteter Balaustien (Granatapfelblüten, Anmerkung d. Verf.)/ oder wilder Granaten-Bluth/ eine Untze Armenischen Bolus: laß es zusammen in einem dritten Theil eines Masses weissen Weins eine Nacht über hangen: seyhe dieses/ und gib es dem Krancken deß Morgends nüchtern/ sechs Tage nacheinander zutrincken. Merck vors erste/ daß man umb den dritten Tag dem Krancken die Median- Ader schlagen soll/ es mögen gleich die Aertzte sagen wollen/ einmahl am rechten/ und einmahl am lincken Arm/ insonderheit so einige Entzündung an heimlichen Orten ist. Vors ander/ wenn der Krancke in sechs Tagen nicht befreyet wird/ muß man mit dem Mittel noch drey Tage und länger anhalten. Er muß dieser Artzney nicht überdrüssig werden/ denn sie ist sehr sicher/ und kan keinen Schaden thun. [4] Spargel (Asparagus officinalis): Bilsenkraut (Hyoscyamos niger): Wie zahlreiche Nachtschattengewächse ist das Bilsenkraut reich an Atropin, Hyoscin und Hyosciamin, die sich dämpfend auf das Eingeweidenervensystem auswirken. Es kommt zu einer peripheren Dämpfung und einer zentralen Stimulierung. Durch die hochwirksamen Alkaloide wirkt das Bilsenkraut je nach Dosierung aphrodisisch, berauschend, kann aber auch tödlich giftig sein. Die aphrodisierende Wirkung des Bilsenkrauts entsteht wohl in erster Linie aus der Kombination von physischer Erregung und psychischer Entspannung. „Im Mittelalter warf man in den lasterhaften Badehäusern Bilsenkrautsamen auf die glühenden Steine, um die ohnehin erotische Athmosphäre zum sieden zu bringen.“ [5] Ferner diente Bilsenkraut zur Bierverstärkung, worauf auch heute noch z.B. der Ortsname „Pilsen“ hinweisst. Dieser Gebrauch wurde mit dem deutschen Reinheitsgebot von 1516, dem ersten deutschen Drogengesetz, verboten. Seinen Ruf als Liebesmittel verdank der Spargel in erster Linie seinem offensichtlich phallischen Aussehen. Sein Genuß wirkt anregend auf den Unterleib – vor allem durch Asparagin diuretisch (harntreibend). Fraglich ist, ob die diuretische Wirkung nicht eher jegliche Erotik zerstört. Pimpernuss (Staphylea pinnata): Der Pimpernuss, in den Niederlanden auch Hodensack genannt, wird vermutlich aufgrund seiner imposanten Blasenfrüchte aphrodisierende Wirkung zugesprochen. Die Bilder sprechen hier für sich ... Sellerie (Apium graveolens): „Freu dich, Fritzchen, morgen gibt’s Selleriesalat.“ (aus einem Volkslied) Sellerie gilt in der Volksmedizin seit jeher als sexuell stimulierendes Gewürz, er war auch Zutat in Hexensalben und Liebestränken, in aphrodisischen Räucherwerk und erotisierenden Speisen. Auch die Selleriestaude wirkt aphrodisierend, doch die Kraft der Samen ist deutlich stärker. Das ätherische Sellerieöl wirkt anregend und enthält sowohl Limonen, Selinen und Sedanonsäureanhydrid wie auch das Flavonglykosid Apiin.[6] Johannes Hartlieb berichtet 1470 davon, „dass das Kraut und sein Samen den Ammen schädlich sei, denn es rufe Wollust hervor und mit der Begierde würden bei ihnen die feinen Säfte aus den Brüstlein hinab zur unkeuschen Stelle sinken.“ [3] Knoblauch (Allium sativum): Knoblauch wird als lebensverlängerndes Immunstimulanz und Liebesmittel gepriesen. Das in der Knolle enthaltene ätherische Öl aus Alliin, Allicin und Allinase regt die Zellteilung an, ausserdem wirken die enthaltenden Hormone ähnlich wie weibliche und männliche Sexualhormone. Rituale Im Mittelalter wurden zur Steigerung von Libido und Potenz auch verschiedenste Rituale durchgeführt, über die man heute oftmals lächeln kann: Unter solche zauberische Schäden gehöret auch wenn einem die Mannheit genommen wird/ unnd dieses wird heutiges Tages sehr gemein/ und brauchen die losen Leute hierzu allerley Mittel/ als ein Schloß/ einen rohten Senckel/ einen Hufnagel oder eichenen Pfahl/ und was dergleichen Teuffelswerck ist/ dadurch sie einen Menschen bezaubern können/ daß er impotent bleiben muß/ so lang sie wollen/ [...] So es einem durch einen eichenen Pfahl oder Hufnagel widerfahren/ der soll nehmen Birckenreiß/ Pfriemen- oder Zweckenreiß und Hirschholder/ und binde es wie einen Besen zusamen/ stecke ihn in die Erden/ also/ daß das Reissig obersich stehe/ bruntze ober darauff/ so wird die Zauberey bald vergehen. [1] Quellen: [1] Agricole, Johannis (1643): Chirurgia Parva. Das ist: Wundartzney/ Darinnen alle Wunden/ ... Nürnberg, S. 655-659 [2] Haerkötter, Gerd & Marlene (1986): Hexenfurz und Teufelsdreck. Liebes-, Heil- und Giftkräuter: Hexereien, Rezepte und Geschichten. Frankfurt am Main: Eichborn-Verlag, S. 72-111 [3] Hartlieb, Johannes (1470): Anholter-Moyenländer Kräuterbuch. wissenschaftlicher Begleitband zur Faksimile-Ausgabe, Hrsg. Müller, Irmgard; Martin, Michael; Wichl, Peter; 2004, Bedburg-Han [4] Maupeon, Marie de (1682): Der mitleidende Samariter. Frankfurt, übersetzt durch G.K.M.C. [5] Rätsch, Christian; Müller-Ebeling, Claudia (2003): Lexikon der Liebesmittel. Pflanzliche, mineralische, tierische und synthetische Aphrodisiaka. Stuttgart: Deutscher Apotheker-Verlag [6] Schwarz, Aljoscha; Schweppe, Ronald; Pfau, Wolfgang (1999): Aphrodisiaka. Natürliche Geheimnisse für Lust und Liebe. Heidelberg: Karl F. Haug Verlag