Vorwort Schwangerschaft und Geburt bargen früher sehr viele
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Vorwort Schwangerschaft und Geburt bargen früher sehr viele
Wahlpflichtfach Pharmaziegeschichte Sommersemester 2006 Ramona Spillner Kristina Huber Kräuterküche Vorwort Schwangerschaft und Geburt bargen früher sehr viele Risiken in sich, die in unserer modernen Gesellschaft durch die bessere medizinische Versorgung längst kein Thema mehr sind. Die Gefahr, daß das Kind, die Mutter oder sogar beide während der Geburt sterben könnten, war allgegenwärtig. Um die Gebärende zu beruhigen und ihr die Ängste zu nehmen, waren Rituale und Talismane von großer Bedeutung. Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe Entbunden wurde fast nie alleine. Mit den ersten Wehen wurden sämtliche weibliche Vertraute der Schwangeren – einschließlich der Hebamme – zusammengerufen, um ihr beizustehen und die nötigen Handgriffe auszuführen. Die versammelten Frauen taten alles, um der Gebärenden den Geburtsvorgang zu erleichtern. Vor allem spendeten sie seelischen Beistand, was wohl mindestens so wichtig war wie die körperliche Unterstützung.[1] Zur Reinigung von Gewand und Bett der Gebärenden wurden Rauchkerzen benutzt, und jede ankommende Frau beräucherte man zu diesem Zweck mit Waldrauch [4] (vermutl. Fichtenharz [5][6]). Eine sehr große Rolle in der Frauenheilkunde im Allgemeinen und der Geburtshilfe im Speziellen spielte der Beifuß (Artemisia vulgaris, Familie der Asteraceae). Er wurde als ein "sonderlich frawenkraut" [7] bezeichnet und ihm wurden magische Kräfte zugesprochen. Er war der griechischen Göttin Artemis sowie der germanischen Göttin Holda ("Frau Holle") geweiht, die beide als Schutzgöttinnen der Geburt galten.[9] Daher glaubte man, daß ein aus Artemisia geflochtener Kranz die Geburt erleichtern konnte, wenn man ihn auf den Nabel auflegte und dann wieder abnahm. Auch an das linke Bein gebunden oder unter die Beine gelegt konnte Beifuß helfen.[2][10] Nach einem germanischen Brauch sollte die werdende Mutter einen Strauß von Artemisia in der Hand halten. Hierdurch sollte dem Neugeborenen der Weg vom Jenseits ins Diesseits gewiesen werden.[9] Ein offenbar als sehr stark wirksam angesehenes Mittel stellte das schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger, Familie der Solanaceae) dar, welches ans rechte Bein gebunden wehenfördernd wirken sollte, jedoch rechtzeitig wieder abgenommen werden mußte, da sonst, wie man glaubte, die Eingeweide mit heraus kämen.[2] Der Gebärvorgang selbst fand nicht, wie wir es heute kennen, im Liegen statt, sondern stehend, hockend oder kniend.[1] Im Spätmittelalter hatte sich in vielen Gebieten der "Gebärstuhl" durchgesetzt. Wenn die Wehen nicht stark genug waren oder die Nachgeburt ausblieb, wußten die Hebammen einen interessanten Trick: Sie gaben der Frau ein Niesmittel. Der durch das Niesen ausgeübte Druck konnte eine wirkungsvolle Hilfe sein.[2] Rund um die Geburt haben wir viele Kräuterrezepte für unterschiedlichste Anwendungen gefunden, von denen wir einige hier vorstellen wollen. Gebärstuhl Schmerztherapie Durch verschiedenartigste Methoden versuchte man, die Geburtsschmerzen so gering wie möglich zu halten. Hebammen kannten viele betäubend oder lindernd wirkende Pflanzen, deren schmerzstillende Wirkung heute teilweise bewiesen ist. Große Mengen Alkohol, während der ersten Geburtsphase getrunken, taten ein Übriges.[1] Außerdem wendete man Massagen an oder versuchte durch Wärme den Unterleib zu entspannen, zum Beispiel mithilfe von in möglichst heißem Öl getränkter weißer Wolle.[1][2] Trotz der Versuche, die Schmerzen möglichst einzudämmen, hielt man sie doch für richtig und natürlich. Wenn einmal ein Kind schmerzfrei geboren wurde, so mußte dies etwas Unnatürliches sein. Man sagte, daß dieses Kind dann später zu einem Werwolf oder Ähnlichem werden müßte.[1] Artemisia vulgaris L. Für Räucherungen gab es unterschiedliche Indikationen. Der Rauch des Beifußes gewährte der Gebärenden Schutz und Hilfe.[11] Zur Förderung der Wehen verwendete man Coriander, Safran, Myrrhe und Zimt sowie auch Hennenfedern oder Schwefel.[2][4][12] Um die Nachgeburt auszutreiben, bediente man sich Knoblauch und auch Pferdemist.[2][12] Als warme Anwendungen setzte man Umschläge, Dampf und Sitzbäder ein. Man kochte zum Beispiel Beifuß in Wasser und legte das warme Kraut über den Nabel.[10] Nach Hildegard von Bingen ist auch ein warmer Umschlag aus Fenchel überliefert.[13] Ein beliebtes Mittel war der heiße Dampf von Kräuterbädern. Der Kräutersud wurde unter der Gebärenden platziert, so daß der Dampf in die Geburtswege emporsteigen konnte. Ein im 17. Jahrhundert publiziertes Rezept lautet wie folgt: Alle diese Zutaten sollte man in Wasser sieden lassen. Den aufsteigenden Dampf leitete man durch einen Trichter in die Geburtswege, um die Nachgeburt auszutreiben.[10] Aberglaube und Rituale Zur magischen Erleichterung der Geburt bediente man sich Unheil abwehrender Zauberrituale. Man löste zum Beispiel sämtliche Knoten an Schürzen, Schuhbändern etc. und schloß alle Türen auf. Dieser Brauch geht vermutlich auf die griechische Göttin der Geburt - Eileithyia – zurück, die durch "Verknoten" ihrer Arme, Beine und Finger eine Geburt verhindern konnte. In anderen Fällen wurde die Geburtsstube aber auch hermetisch abgeriegelt, damit keine bösen Geister hineinkommen konnten. Bei besonders schweren Geburten sollte eine Mischung aus Beifuß und Betonienkraut Erleichterung bringen – entweder in Olivenöl geröstet und auf den Unterbauch gelegt, oder als Lendenbad.[10] Um Schmerzen nach der Geburt zu lindern, wurde unter anderem folgendes Rezept vorgeschlagen: In altnordischen Kulturen bediente man sich zauberkräftiger Gebärrunen und magischer Lieder.[7] Als wehenfördernde Mittel fanden oft solche Pflanzen Verwendung, von denen man heute weiß, daß sie abführend wirken (wie zum Beispiel Sennesrinde oder Datteln). Sie wurden pulverisiert und mit viel Flüssigkeit, vor allem Wein und Schnaps, eingenommen.[15] Zum gleichen Zweck diente auch ein warmer Sud aus Beifuß, Raute und Poleyenkraut in Weißwein.[10] Die Rune Pertho steht für Geburt Die Rose von Jericho: Die sogenannte Rose von Jericho (Anastatica hierochuntica, Familie der Brassicaceae) ist eine Trockenpflanze aus dem arabischen Raum. Legt man sie ins Wasser, so öffnet sie sich langsam und wird frisch und grün. Im Mittelalter gab es den Brauch, die Rose von Jericho beim ersten Einsetzen der Wehen ins Wasser zu legen. Was dann mit der Pflanze geschah, konnte auf zweierlei Art interpretiert werden: Entweder sagte man, wenn die Rose sich öffnet, steht eine glückliche Geburt bevor, oder aber es hieß, die Wehen würden nicht länger andauern als bis die Rose vollständig "erblüht" ist.[2][8] Steine und Amulette Rose von Jericho: oben trocken, unten entfaltet Quellenverzeichnis: [1] Labouvie, Eva (1998): Andere Umstände. Eine Kulturgeschichte der Geburt. Köln u.a. [2] Kruse, Britta-Juliane (1999): "Die Arznei ist Goldes wert". Mittelalterliche Frauenrezepte. Berlin u.a. [3] Loux, Françoise (1998): Frauen, Männer und Tod in den Ritualen um die Geburt. In: Jürgen Schlumbohm, Barbara Duden, Jacques Gélis, Patrice Veit (Hrsg.): Rituale der Geburt. Eine Kulturgeschichte. München. [4] Troppau, Eleonora Maria Rosalia zu (1699): Freywillig-auffgesprungener Granat-Apffel. Deß Christlichen Samaritans... Wien. [5] Schneider, Wolfgang (1974): Lexikon zur Arzneimittelgeschichte. Band V/3: Pflanzliche Drogen, P-Z. Frankfurt a.M. [6] Schneider, Wolfgang (1975): Lexikon zur Arzneimittelgeschichte. Band VII: Gesamtregister. Frankfurt a.M. [7] Bächtold-Stäubli, Hanns (1987): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin u.a. [8] Gélis, Jacques (1989): Die Geburt. Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500 – 1900. München. [9] Steinecke, Hilke (2004): Druidenfuss und Hexensessel. Magische Pflanzen. Beiheft zur Ausstellung im Palmengarten. Frankfurt a.M. [10] Tabernaemontanus, Jacobus Theodorus (1625): Neuw vollkommentlich Kreuterbuch... Frankfurt a.M. [11] Scherf, Gertrud (2003): Zauberpflanzen Hexenkräuter. Mythos und Magie heimischer Wild- und Kulturpflanzen. München. [12] Cuba, Johann (1536): Kreuterbuch... Frankfurt a.M. [13] Müller, Irmgard (1982): Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen. Salzburg. [14] Hartlieb, Johannes (2004): Anholter-Moyländer Kräuterbuch. Faksimile Ausgabe. Bedburg-Hau. [15] Maupeon, Marie de (1682): Der mitleidende Samariter. Frankfurt, Kopenhagen. Verschiedenste Mineralien und Halbedelsteine erfreuten sich großer Beliebtheit als magische Unterstützung. In der Antike war der Adlerstein besonders populär. Es handelte sich hierbei um einen Stein, in dessen Innern man ein kleineres Steinchen klappern hören konnte, weshalb er auch "Klapperstein" bzw. "lapis pregnans" (= der schwangere Stein) genannt wurde. Als beruhigenden Talisman trug man ihn direkt auf der Haut. Am Bein befestigt konnte er die Geburt beschleunigen.[2][8] Der Agathes - ein Stein von "grosse[r] Tugend" mit der Farbe "gleich eines Löwen Haut" – wurde drei Tage lang in Wasser gelegt und das Wasser dann von der Schwangeren getrunken.[12] Steine tierischen Ursprungs waren die Bezoare, das sind Mineralien aus den Mägen verschiedener Tiere (z.B. Gazellen oder Ziegen). Auch sie sollten helfen, den Geburtsschmerz zu lindern.[2][8] Hilfe bei schwerer Geburt versprachen auf den Bauch gelegte Amulette aus Sonnentau.[11] Auch Münzen waren beliebt als Amulette, beispielsweise ungarische Dukaten mit Madonnenbildnissen oder andere Taler, die Mariendarstellungen zeigten.[2]