Die Sex Pistols am Open Air St. Gallen

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Die Sex Pistols am Open Air St. Gallen
KULTUR / UNTERHALTUNG
«Stabat Mater» – bewegend und überzeugend dargeboten
Symphonisches Orchester Liechtenstein, Chor des Musikseminars Gamprin und Solisten boten eine äusserst reife Leistung in der Pfarrkirche Schaan
Personenkult hin, Personenkult her: Es
ist der Erfolg des Albert Frommelt – die
Bestätigung seiner Bemühungen und die
Erfüllung eines Wunsches, mit seinem
Symphonischen Orchester Liechtenstein
und dem Chor des Musikseminars Gamprin einmal im Jahr ein grosses Chorwerk aufzuführen. Am Ostermontag war
es das «Stabat Mater» von Antonin
Dvorak, das in der Schaaner Pfarrkirche
dargeboten wurde – in der Tat ein kultureller Hochgenuss für die grosse Zuhörerschaft zur österlichen Zeit.
Es ist wie im Märchen «Das Rebhuhn
im Kornfeld» von Chr. Andersen: Darin
wird sinnfällig, dass ohne geduldiges
Wachsen kein Reifen möglich ist. Reifen
musste das Orchester, das inzwischen
zum Symphonischen Orchester Liechtenstein gewachsen ist, wie auch der
Chor. Die Aufführung am Ostermontag
in der Laurentius-Kirche in Schaan war
eine reife Leistung.
«Stabat Mater» von Dvorak
Zur Aufführung gelangte das «Stabat
Mater» von Antonin Dvorak. Dieses
Werk, nach schweren Schicksalschlägen
entstanden, ist nicht das Werk eines
Neuerers. Manches erinnert an Brahms,
an Verdi und auch an Bruckner. Aber die
Zeit Dvoraks hatte schon eine internationale Tonsprache, in der Dvorak durchaus Eigenes zu sagen hatte.
Es war nicht ohne Problematik, ob der
innige Text des Franziskanermönches
Jacapone de Todi nicht ein wenig zu bömisch-melodienseelig komponiert sein
würde, zumal das ja auch ein steter Vorwurf diesem Werk gegenüber ist. Das
aber sind hochmütige Vorbehalte. Denn
es zeigt sich, dass dieses Werk umso eindringlicher ist, je bömischer es sich ausspricht. Es ist eine Musik, die, ohne sich
populär zu geben, zu Herzen geht. Der
Gegensatz von symphonischer Steigerung und ruhig böhmischer Musiksprache wird zum Wesenszeichen des
Werkes.
Hohe Ansprüche an den Chor
Albert Frommelt ist ein Dirigent, der
handwerkliches Schlagen und emotionelle Aussagen vereinen kann – nicht nur
eine klare Schlagtechnik, auch eine Prä-
«Stabat Mater» von Antonin Dvorak zur Osterzeit in der Schaaner Pfarrkirche: Unter der Leitung von Albert Frommelt boten
Orchester und Chor eine beeindruckende Leistung.
(Bild: vito)
senz sowohl zum Chor als auch zum Orchester. Es gelang ihm, das dem Werk
Innewohnende deutlich zu machen; auch
diese spezielle Kraft der bömischen
Melodik, die vermittelt, dass auch im
Leid Trost und Hoffnung enthalten sind.
Der Chor hat in diesem Werk hohe Ansprüche zu erfüllen. Dass er gut und auch
musikalisch verlässlich vorbereitet wirkt,
ist den Chorleitern Werner Marxer,
Marco Schädler und Dr. Oskar Ospelt zu
danken, die die Einstudierungsarbeiten
übernommen hatten. (Es ist ein trauriges
Zeichen mangelnder Wertschätzung,
dass diese vorzügliche Vorarbeit im Programm keine Erwähnung fand.) Diese
Herren gaben dem Chor tonale Sicherheit, emotionalen Wohlklang und rhythmische Sicherheit. Wenn es kleinere
«Wackler» oder geringe Unsicherheit
gab, so ist das unwesentlich gemessen am
Gesamteindruck. Wenn überhaupt ein
kleiner Einwand zu machen ist, dann der,
dass Piano- und Pianissimostellen noch
genauer befolgt werden sollten. So paradox es klingt: die grösste Kraft eines Chores liegt im Piano, weil auch die Wirksamkeit einer Steigerung davon abhängt.
Dvorak hat in diesem Werk mit genauen
Angaben nicht gespart.
Grossartiger Gesamteindruck
Die Solisten Judith Bechter (Sopran),
Renate Härtner (Alt), Paul Steiner (Tenor) und Michael Jäger (Bass) erfüllten
den hohen musikalischen Anspruch dieses Werkes. Schon in den Solostellen, besonders aber im solistischen Zusammenklang, wurde eine musikalische Aussage
erreicht, weil Melos und Animato richtig
erfasst wurden. Aber auch hier wäre bittend anzumerken, dass die Anlaut-Konsonanten (Christe) mehr beachtet werden sollten, zumal sie aus rhythmischen
Gründen sehr wichtig sind. Beim Orchester sollte man nicht unerwähnt lassen,
dass es sich hier nicht um beamtete Symphoniker handelt, die jahrein und jahraus
dem Musizieren verpflichtet sind, sondern um Berufsmusiker aus der Region,
die vorzüglich als Musiklehrer tätig sind
und die Orchesterarbeit zusätzlich bewältigen müssen. Umso höher sind die
Orchesterleistung und die Erziehungsarbeit des Dirigenten Albert Frommelt zu
bewerten. Auch hier gilt, dass gelegentliche Verdickungen und Unsicherheiten
den grossartigen Ge-samteindruck nicht
behindern konnten.
Nach Jahren des Wachsens schenkten
uns die Musikerinnen und Musiker eine
reife Leistung, bewegend und überzeugend. Mit dem Glückwunsch verbindet
sich herzlicher Dank. Das empfand auch
das tief beeindruckte Publikum.
Friedrich Nestler
Die Sex Pistols am Open Air St. Gallen
Open Air auch nach 20 Jahren voll im Trend der Zeit – Mehrere Schweizer Erst- und Exklusivauftritte
Neue Bilder von
Arno Oehri
Ausstellung in der Tangente
«Bischt wedr im Land?» ist eine der
Standardfragen, die der Ruggeller
Kunstschaffende Arno Oehri (Bild)
immer wieder zu hören bekommt. Er
ist wieder im Land, vorläufig zumindest, und in einer Ausstellung unter
dem Titel «Bischt wedr im Land?»
werden am 12. April Arbeiten der
letzten Schaffensperioden dem heimischen Publikum vorgestellt. Das
Reisen, das Arbeiten und Ausstellen
im Ausland, zuletzt in Russland, der
Slowakei und auf einem Frachtschiff
nach Südamerika und zurück, ist Teil
der Arbeitsmethode des Malers und
Performers Arno Oehri. Im Untertitel der Ausstellung heisst es: «20 Bilder zur Überwindung der Schwellenangst». Eine Einladung, die Scheu vor
der Begegnung mit zeitgenössischer
Kunst zu überwinden. Deshalb wird
Arno Oehri das Publikum selbst
in die Ausstellung einführen und
möchte ganz besonders auch Schulen
und/oder andere Gruppierungen
dazu einladen, einen Termin mit ihm
nen letzten Platten ging er als erster arrivierter deutscher Musiker ganz neue
Wege und landete in allen deutschsprachigen Ländern auf Spitzenpositionen.
Er empfahl sich damit nach 7 Jahren
nochmals nachhaltig als Headliner der
20. Auflage. Grönemeyer führt ein deutsches Aufgebot an, das stark und vielseitig ist wie noch nie, was einfach der gegenwärtig besonders innovativen Szene
im Nachbarland gebührend Rechnung
trägt: Jazzkantine gilt derzeit als
Deutschlands heissester Live-Act; was
als Studioprojekt eines guten Dutzend
HipHop-Jazzern begann, ist längst zum
Dauerbrenner geworden. Gar als HipHop-Package in Reinkultur werden Fettes Brot & Der Tobi und das Bo & MC
René auf die Bühne kommen. Äusserliche Gemeinsamkeiten, aber grösstmögliche musikalische Kontraste sind
Deutsches Programm wie noch nie
schliesslich die Klammer des kitschigen
Für St. Gallen eine Legende ist natür- Schlagerstars Dieter Thomas Kuhn, von
lich auch Herbert Grönemeyer. Mit sei- Paddy goes to Holyhead und The Inchtabokatables. Neben all den grossen Namen wird das auserlesene Jubiläumsprogramm auch zahlreiche Neuentdeckungen und Überraschungen bieten. Und
Red Hot Chili Peppers
schliesslich wird das Animationsprogramm im Felde für weitere KontraWas die Sex Pistols für den Punk, sind
punkte und Farbtupfer sorgen.
die Red Hot Chili Peppers für den Crossover: die vier Amerikaner sind die
Es gibt nur noch 10 000 Tickets
eigentlichen Begründer und inzwischen
Mit einer Jubiläumsaktion bis Ende
der absolute Headliner dieses prägenden
März ist es dem Verein Open Air St. GalGenres der Neunziger – einem Mix aus
len gelungen, 15 000 Stammbesucher als
Funk, Rock und Hardcore. In Amerika
Supporter zu gewinnen, denen als Dank
bereits auf dem Weg zu ähnlicher Popufür die finanzielle Unterstützung Freilarität sind die The Presidents of the Unipass plus Erinnerungsbuch angeboten
ted States of America. Mit ihrem genialwurde. Damit gelangen nur noch 10 000
minimalen «5-Saiten Sound» zählen sie
Karten in den freien Vorverkauf – razu den erfolgreichsten Newcomern der
sches Zugreifen ist also empfehlenswert.
letzten Jahre. Das gilt auch für die erstEs sind weiterhin nur die gewohnten
mals in der Schweiz auftretenden engliMit mehreren Schweizer Erst- und
Exklusivauftritten kann das Open Air
St. Gallen vom 28. bis 30. Juni 1996 ein
würdiges Jubiläumsprogramm anbieten.
Und mit mehr internationalen Namen
denn je (über 20), aber auch einem
immer noch repräsentativen Schweizer
Querschnitt präsentiert St. Gallen ein
Angebot, das nicht nur seiner Reputation als ältestem und grösstem Festival
der Deutschschweiz gerecht wird: Alternative, HipHop-, Rap-, aber auch Schlagerstars beweisen, dass St. Gallen nach
20 Jahren voll im Trend der Zeit liegt.
Sie gehören zu den aussergewöhnlichsten Bands der Siebziger Jahre, ja sie gelten gar als «grösster Skandal der Rockgeschichte» und sind zweifellos das Ereignis des Festivalsommers 96: die Urpunker Sex Pistols haben sich nach 20
Jahren soeben wieder zusammengerauft.
Für das 20. Open Air St. Gallen natürlich
der Aufhänger, ein Muss schlechthin. Die
Sex Pistols werden im Sittertobel eines
der wenigen Konzerte in Europa geben
(das einzige im Umkreis von mehreren
Hundert Kilometern).
Gruppen ohne weiteres mit den ausländischen Trendsettern mithalten können,
werden Crank, Diancandor und vor
allem The Young Gods beweisen: diese
«Electronic Hardcore» Band gilt im Ausland schon seit Jahren als eines der aktuellen Schweizer Aushängeschilder und
wird nun erstmals in St. Gallen zu erleben sein. Beim breiten heimischen Publikum noch populärer sind natürlich Züri
West; zwei Jahre nach ihrem gefeierten
Auftritt kommen sie mit neuer Platte und
neuem Programm zum dritten Mal ans
St. Galler Open Air.
1994 fuhr der «King of Soul» vor – jetzt
gibt sich nach langem Bemühen endlich
der «König des Blues» die Ehre: B.B.
King gehört als lebende Legende zu den
eigentlichen «Special Guests» des Jubiläumsfestivals.
Mittwoch, 10. April 1996 – Seite 5
Es war zweimal . . . in
der Spoerry-Fabrik
Es war einmal . . ., hiess es bei der Fabriklerausstellung in der Spoerry-Fabrik in Vaduz. «Es war zweimal . . .»,
behaupten drei Künstler unserer Region und wollen dies, gemeinsam mit
den Jugendlichen des Treffs Camäleon, in genau den gleichen Räumen
unter Beweis stellen. Sie laden alle
Interessierten am Samstag, den
13. April um 19.30 Uhr zur Begegnung mit einer ungewöhnlichen
Kunst- Installation und Performance
in die Spoerry-Fabrik Vaduz ein.
Zwei Räume der alten Fabrik haben sich die drei Künstler Stephan
Mayenknecht, Adam Schlegel und
Martin Wohlwend genauer betrachtet, spürten ihnen nach, achteten auf
ihre Schwingungen und versuchen
mit ihren Kunstwerken den spirituellen Charakter der Räume aufzuzeigen. Das Ballenlager gleicht in seiner
Stille und seiner Dachkonstruktion
einem Sakralbau, in ihm wird das
Publikum empfangen. Der zweite
Raum ist der Aktion, dem «schneller,
höher, weiter, tiefer» gewidmet. Jetzt
von Kids ab 8 Jahren als Skatinghalle mit turbulentem Treiben belebt, soll dieser Raum auch bei der
Performance seine lauten Töne behalten. Musik, Malerei, Videoinstallationen und Bildhauerei werden
sich gemeinsam in einer Lichtshow
präsentieren, Bilder und Objekte
werden zu Schauspielern einer Inszenierung, in der auch das Publikum
seinen Part spielen wird.
Die drei Künstler Stephan Mayenknecht, Adam Schlegel und Martin
Wohlwend erarbeiteten das Konzept
dafür gemeinsam und besprachen es
mit Peter Illitsch, dem Leiter des Jugendtreffs Camäleon. Er war sofort
begeistert, animierte seine junge
Crew zur Mitarbeit und zeigt ihnen
damit, dass «Nicht das Produkt wichtig ist, sondern der Prozess, bis es entsteht». Dadurch werden Jugendliche
in einer aktiven, ungezwungenen
Weise mit Kunst konfrontiert und erleben sie als Selbstverständlichkeit.
Adam Schlegel und Stephan Mayenknecht sind den Treffbesuchern
schon von der gemeinsamen Arbeit
an der Gestaltung des Treffs bekannt, Martin Wohlwend kam eben
von San Franzisco zurück, wo er fünf
Jahre an der School of Arts studierte.
Die
Kunst-Installations-Performance in der Spoerry-Fabrik Vaduz
ist am Samstag, den 13. April um
19.30 zu erleben. Die Installation
kann noch am Sonntag, den 14. April
von 12 bis 19 Uhr besichtigt werden.
Strassentheater
Strassentheater will Aufmerksamkeit
erregen, Geschichten erzählen, Lösungen aufzeigen und unterhalten.
Dafür braucht es geeignete Spielformen. Mit kleinem Aufwand werden
theatralische Umsetzungen von
Ideen und kurzen Geschichten gelernt und geübt. In diesem Kurs
lernen Sie die Grundbegriffe des
Statuentheaters, des unsichtbaren
Theaters und des Aktionstheaters.
Sie üben sich im Körper- und Bewegungstraining, in Wahrnehmungsübungen und erhalten eine Einführung in Atem-, Stimm- und Rhythmustraining sowie in Improvisation
und Gruppenarbeit. Dieser Kurs
dauert zwei Wochenenden: Samstag/
Sonntag, 11./12. Mai, und 1./2. Juni
1996, jeweils von 14 bis 22 Uhr (Samstag) und 9 bis 16 Uhr (Sonntag) und
findet in der Alten Fabrik in Triesen
(Tagesschule Formatio) statt. Anmeldeschluss: 20. April 1996.Anmeldung
und Auskunft: Theaterkurse Karussell, Reinhard Walser, Hinterdorf 5,
9492 Eschen, Tel./Fax 373 68 73.
Defago