Romantiek (1798-1835): Extra gedichten Friedrich Hölderlin (1770
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Romantiek (1798-1835): Extra gedichten Friedrich Hölderlin (1770
Romantiek (1798-1835): Extra gedichten Friedrich Hölderlin (1770-1843) Novalis (Friedrich von Hardenberg) (1772-1801) Ludwig Tieck (1773-1853) Des Knaben Wunderhorn (1805-1808) Clemens Brentano (1778-1842) Karoline von Günderrode (1780-1806) Achim von Arnim (1781-1831) Adelbert von Chamisso (1781-1838) Joseph von Eichendorff (1788-1857) Friedrich Rückert (1788-1866) Wilhelm Müller (1794-1827) August von Platen (1796-1835) Friedrich Hölderlin (1770-1843) Hälfte des Lebens Mit gelben Birnen hänget Und voll mit wilden Rosen Das Land in den See, Ihr holden Schwäne, Und trunken von Küssen Tunkt ihr das Haupt Ins heilignüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm ich, wenn Es Winter ist, die Blumen, und wo Den Sonnenschein, Und Schatten der Erde ? Die Mauern stehn Sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen. An die Parzen Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen! Und einen Herbst zu reifem Gesange mir, Daß williger mein Herz, vom süßen Spiele gesättiget, dann mir sterbe. Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch ist mir einst das Heilge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen, Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinab geleitet; Einmal Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht. Hyperions Schicksalslied Ihr wandelt droben im Licht Auf weichem Boden, selige Genien! Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht, Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten. Schicksallos, wie der schlafende Säugling, atmen die Himmlischen; Keusch bewahrt In bescheidener Knospe, Blühet ewig Ihnen der Geist, Und die seligen Augen Blicken in stiller Ewiger Klarheit. Doch uns ist gegeben, Auf keiner Stätte zu ruhn, Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur andern, Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahr lang ins Ungewisse hinab. Heidelberg Lange lieb’ ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust, Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied, Du, der Vaterlandsstädte Ländlichschönste, so viel ich sah. Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt, Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt, Leicht und kräftig die Brücke, Die von Wagen und Menschen tönt. Wie von Göttern gesandt, fesselt’ ein Zauber einst Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging, Und herein in die Berge Mir die reizende Ferne schien, Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebene zog, Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön, Liebend unterzugehn, In die Fluten der Zeit sich wirft. Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn All’ ihm nach, und es bebte Aus den Wellen ihr lieblich Bild. Aber schwer in das Tal hing die gigantische, Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund Von den Wettern zerrissen; Doch die ewige Sonne goß Ihr verjüngendes Licht über das alternde Riesenbild, und umher grünte lebendiger Efeu; freundliche Wälder Rauschten über die Burg herab. Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal, an den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold, Deine fröhlichen Gassen Unter duftenden Gärten ruhn. Lebenslauf Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger, Doch es kehret umsonst nicht Unser Bogen, woher er kommt. Aufwärts oder hinab! herrschet in heilger Nacht, Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt, Herrscht im schiefesten Orkus Nicht ein Grades, ein Recht noch auch? Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich, Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden, Daß ich wüßte, mit Vorsicht Mich des ebenen Pfads geführt. Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen, Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern', Und verstehe die Freiheit, Aufzubrechen, wohin er will. Der Gang aufs Land An Landauer Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein. Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft. Trüb ists heut, es schlummern die Gäng' und die Gassen und fast will Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit. Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtglaubige zweifeln an Einer Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag. Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen, Wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zuletzt. Nur daß solcher Reden und auch der Schritt’ und der Mühe Wert der Gewinn und ganz wahr das Ergötzliche sei. Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst, Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist, Und von trunkener Stirn' höher Besinnen entspringt, Mit der unsern zugleich des Himmels Blüte beginnen, Und dem offenen Blick offen der Leuchtende sein. Denn nicht Mächtiges ists, zum Leben aber gehört es, Was wir wollen, und scheint schicklich und freudig zugleich. Aber kommen doch auch der segenbringenden Schwalben Immer einige noch, ehe der Sommer, ins Land. Nämlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden, Wo den Gästen das Haus baut der verständige Wirt; Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes Daß, wie das Herz es wünscht, offen, dem Geiste gemäß Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei, Deshalb wollen wir heut wünschend den Hügel hinauf. Mög' ein Besseres noch das menschenfreundliche Mailicht Drüber sprechen, von selbst bildsamen Gästen erklärt, Oder, wie sonst, wenns andern gefällt, denn alt ist die Sitte, Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns, Möge der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch tun, Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan. Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings Aufgegangen das Tal, wenn mit dem Neckar herab Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume Zahllos, blühend weiß, wallen in wiegender Luft, Aber mit Wölkchen bedeckt an Bergen herunter der Weinstock Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft. Novalis (Friedrich von Hardenberg) (1772-1801) Zu Sophiens Geburtstag Wer ein holdes Weib errungen Stimme seinen Jubel ein. Mir ist dieser Wurf gelungen Töne Jubel – die ist mein. So hat nie das Herz geschlagen Nie so hoch und nie so gut. Künftig neigt vor meinen Tagen Selbst der Glücklichste den Hut. Fest umschlingt den Bund der Herzen Nun der Ring der Ewigkeit, Und es bricht der Stab der Schmerzen Am Altar der Einigkeit. O –! im Himmel ist geschlossen Unsrer Herzen süßer Bund. Ist ein beßrer Spruch entflossen Je des Schicksals weisen Mund? Dir gehört nun was ich habe, Was ich denke fühle bin, Und du nimmst nun jede Gabe Meines Schicksals für dich hin. Was ich sucht, hab ich gefunden, Was ich fand, das fand auch mich, Und die Geißel meiner Stunden Zweifelsucht und Leichtsinn wich. Nimmer soll mein Mund dich loben Weil mein Herz zu warm dich ehrt. Tief im Busen aufgehoben Wohne heimlich mir dein Wert. Wenn ich wunde Herzen heile Jede Stunde besser bin Nie im Guten lässig weile Dieses Lob nimm dir dann hin. Liebes Mädchen deiner Liebe Dank ich Achtung noch und Wert, Wenn sich unsre Erdenliebe Schon in Himmelslust verklärt. Ohne dich wär ich noch lange Rastlos auf und ab geschwankt, Und auf meinem Lebensgange Oft am Überdruß erkrankt. Wenn nur unsre Mutter wieder Frisch und ledig bei uns steht Und im Kreise unsrer Brüder Stolz die Friedensfahne weht. Wenn dann noch ein Süßer Trauter Unsre Lolly fest umschlang – O –! Dann tönt noch zehnfach lauter Unsres Jubels Hochgesang. Wenig still durchhoffte Jahre Leiten unverwandt zum Ziel, Wo am glücklichen Altare Endet unsrer Wünsche Spiel, Uns, auf ewig Eins, verschwinden, Wölkchen gleich, des Lebens Mühn Und um unsre Herzen winden Kränze sich von Immergrün. Geistliche Lieder V: Wenn ich ihn nur habe Wenn ich ihn nur habe, Wenn er mein nur ist, Wenn mein Herz bis hin zum Grabe Seine Treue nie vergißt: Weiß ich nichts von Leide, Fühle nichts, als Andacht, Lieb und Freude. Wenn ich ihn nur habe, Laß ich alles gern, Folg an meinem Wanderstabe Treu gesinnt nur meinem Herrn; Lasse still die andern Breite, lichte, volle Straßen wandern. Wenn ich ihn nur habe, Schlaf ich fröhlich ein, Ewig wird zu süßer Labe Seines Herzens Flut mir sein, Die mit sanftem Zwingen Alles wird erweichen und durchdringen. Wenn ich ihn nur habe, Hab ich auch die Welt; Selig, wie ein Himmelsknabe, Der der Jungfrau Schleier hält. Hingesenkt im Schauen Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen. Wo ich ihn nur habe, Ist mein Vaterland; Und es fällt mir jede Gabe, Wie ein Erbteil in die Hand: Längst vermißte Brüder Find ich nun in seinen Jüngern wieder. Geistliche Lieder XV: Ich sehe dich in tausend Bildern Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt, Doch keins von allen kann dich schildern, Wie meine Seele dich erblickt. Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel Seitdem mir wie ein Traum verweht, Und ein unnennbar süßer Himmel Mir ewig im Gemüte steht. 2. Hymne an die Nacht Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt? unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. - Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf - beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener Dämmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fühlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben - in des Mandelbaums Wunderöl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen nicht, daß du es bist der des zarten Mädchens Busen umschwebt und zum Himmel den Schoß macht - ahnden nicht, daß aus alten Geschichten du himmelöffnend entgegentrittst und den Schlüssel trägst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote. Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren Sind Schlüssel aller Kreaturen, Wenn die, so singen oder küssen, Mehr als die Tiefgelehrten wissen, Wenn sich die Welt in's freie Leben, Und in die Welt wird zurück begeben, Wenn dann sich wieder Licht und Schatten Zu echter Klarheit werden gatten, Und man in Märchen und Gedichten Erkennt die ewgen Weltgeschichten, Dann fliegt vor Einem geheimen Wort Das ganze verkehrte Wesen sofort. Ludwig Tieck (1773-1853) Wunder der Liebe Mondbeglänzte Zaubernacht, Die den Sinn gefangen hält, Wundervolle Märchenwelt, Steig auf in der alten Pracht! Liebe läßt sich suchen, finden, Niemals lernen oder lehren, Wer will da die Flamm entzünden, Ohne selbst sich zu verzehren, Muß sich reinigen der Sünden. Alles schläft, weil er noch wacht, Wann der Stern der Liebe lacht, Goldne Augen auf ihn blicken, Schaut er trunken von Entzücken Mondbeglänzte Zaubernacht. Aber nie darf er erschrecken, Wenn sich Wolken dunkel jagen, Finsternis die Sterne decken, Kaum der Mond es noch will wagen, Einen Schimmer zu erwecken. Ewig steht der Liebe Zelt, Von dem eignen Licht erhellt, Aber Mut nur kann zerbrechen, Was die Furcht will ewig schwächen, Die den Sinn gefangen hält. Keiner Liebe hat gefunden, Dem ein trüber Ernst beschieden, Flüchtig sind die goldnen Stunden, Welche immer den vermieden, Den die bleiche Sorg umwunden: Wer die Schlange an sich hält, Dem ist Schatten vorgestellt, Alles, was die Dichter sangen, Nennt der Arme, eingefangen, Wundervolle Märchenwelt. Herz im Glauben auferblühend Fühlt alsbald die goldnen Scheine, Die es lieblich in sich ziehend Macht zu eigen sich und seine, In der schönsten Flamme glühend. Ist das Opfer angefacht, Wird´s dem Himmel dargebracht, Hat dich Liebe angenommen, Auf dem Altar hell entglommen Steig auf in der alten Pracht. Abschied Was ist das Leben? Kommen nur und Schwinden, Ein Wechsel nur von Nacht und Tageshelle, Verlust und Schmerz, Sehnsucht und Wiederfinden, So schwebt durch Traum und Wachen hin die Welle, Drum lächelt hoffend in der Trennung Wehen, Durch Abschiedstränen schon das Wiedersehen. Des Knaben Wunderhorn (1805-1808) Abzählreim Ahne, Krahne, wickele, wahne, Wollen wir nit nach England fahren, England ist verschlossen, Schlösser sind verrostet, Schlüssel ist verloren, Müssen wir ein Loch nein bohren, Sind wir nein gekrochen, Haben die Töpf verbrochen, Wenn der Kessel tief ist, Wenn die Milch süß ist, Wenn die Puppen tanzen, Wollen wir Lanzen pflanzen. Es sah eine Linde Es sah eine Linde ins tiefe Thal, War unten breit und oben schmal, Worunter zwey Verliebte saßen, Vor Lieb' ihr Leid vergaßen. Feins Liebchen wir müssen von einander, Ich muß noch sieben Jahre wandern; Mußt du noch sieben Jahr wandern, So heurath ich mir keinen andern. Und als nun die sieben Jahr um waren, Sie meinte ihr Liebchen käme bald, Sie ging wohl in den Garten, Ihr feines Liebchen zu erwarten. Sie ging wohl in das grüne Holz, Da kam ein Reuter geritten stolz; Gott grüße dich Mägdlein feine, Was machst du hier alleine. Ist dir dein Vater oder Mutter gram, Oder hast du heimlich einen Mann? Mein Vater und Mutter sind mir nicht gram, Ich hab' auch heimlich keinen Mann. Gestern wars drey Wochen über sieben Jahr, Da mein feines Liebchen ausgewandert war. Gestern bin ich geritten durch eine Stadt, Da dein feins Liebchen hat Hochzeit gehabt. Was thust du Ihm denn wünschen, Daß er nicht gehalten seine Treu? Ich wünsch ihm so viel gute Zeit, So viel wie Sand am Meere breit. Was zog er von seinem Finger? Ein'n Ring von reinem Gold gar fein. Er warf den Ring in ihren Schooß, Sie weinte, daß der Ring gar floß. Was zog er aus seiner Taschen? Ein Tuch sehr weiß gewaschen. Trockne ab, trockne ab dein Äugelein, Du sollst hinfort mein eigen seyn. Ich thu dich nur versuchen, Ob du würd'st schwören oder fluchen; Hätt'st du einen Fluch oder Schwur gethan, So wär ich gleich geritten davon. Wenn ich ein Vöglein wär Wenn ich ein Vöglein wär und auch zwei Flügel hätt, flög ich zu dir, weil´s aber nicht kann sein bleib ich allhier Bin ich gleich weit von dir, bin doch im Traum bei dir und red´ mit dir. Wenn ich erwachen tu bin ich allein. Es vergeht kein Stund in der Nacht, da nicht mein Herz erwacht und an dich denkt, daß du mir tausendmal dein Herz geschenkt. In meinem Gärtelein blüht ein schön´s Blümelein: Vergiß nicht mein! Dies Blümlein leg an´s Herz und denke mein! Clemens Brentano (1778-1842) Der Spinnerin Nachtlied Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall; Das war wohl süßer Schall, Da wir zusammen waren. Ich sing und kann nicht weinen Und spinne so allein Den Faden klar und rein, Solang der Mond wird scheinen. Da wir zusammen waren, Da sang die Nachtigall; Nun mahnet mich ihr Schall, Daß du von mir gefahren. So oft der Mond mag scheinen, Gedenk ich dein allein; Mein Herz ist klar und rein, Gott wolle uns vereinen! Seit du von mir gefahren, Singt stets die Nachtigall; Ich denk bei ihrem Schall, Wie wir zusammen waren. Gott wolle uns vereinen, Hier spinn ich so allein; Der Mond scheint klar und rein, Ich sing und möchte weinen! Lureley Zu Bacharach am Rheine, Wohnt eine Zauberin, Die war so schön und feine Und riß viel Herzen hin, Und machte viel zuschanden Der Männer rings umher, Aus ihren Liebesbanden War keine Rettung mehr. Der Bischof ließ sie laden Vor geistliche Gewalt, Und mußte sie begnaden, So schön war ihr' Gestalt. Er sprach zu ihr gerühret, »Du arme Lore Lay. Wer hat dich dann verführet Zu böser Zauberei.« »Herr Bischof laßt mich sterben, Ich bin des Lebens müd, Weil jeder muß verderben Der meine Augen sieht. Die Augen sind zwei Flammen, Mein Arm ein Zauberstab, O schickt mich in die Flammen, O brechet mir den Stab.« »Den Stab kann ich nicht brechen, Du schöne Lore Lay, Ich müßte dann zerbrechen, Mein eigen Herz entzwei. Ich kann dich nicht verdammen, Bis du mir erst bekennt Warum in deinen Flammen Mein eignes Herz schon brennt.« »Herr Bischof mit mir Armen Treibt nicht so bösen Spott, Und bittet um Erbarmen Für mich den lieben Gott, Ich darf nicht länger leben, Ich lieb' kein Leben mehr Den Tod sollt ihr mir geben, Drum kam ich zu euch her. Ein Mann hat mich betrogen, Hat sich von mir gewandt, Ist fort von mir gezogen Fort in ein andres Land. Die Blicke sanft und wilde, Die Wangen rot und weiß, Die Worte still und milde, Die sind mein Zauberkreis. Ich selbst muß drin verderben, Das Herz tut mir so weh, Vor Jammer möcht' ich sterben, Wenn ich zum Spiegel seh'. Drum laßt mein Recht mich finden, Mich sterben, wie ein Christ, Denn alles muß verschwinden Weil er mir treulos ist.« Drei Ritter ließ er holen: »Bringt sie ins Kloster hin, Geh Lore! Gott befohlen, Sei dein berückter Sinn. Du sollst ein Nönnchen werden, Ein Nönnchen schwarz und weiß. Bereite dich auf Erden Zum Tod mit Gottes Preis.« Zum Kloster sie nun ritten Die Ritter alle drei, Und traurig in der Mitten Die schöne Lore Lay. »O Ritter laßt mich gehen, Auf diesen Felsen groß, Ich will noch einmal sehen, Nach meines Buhlen Schloß, Ich will noch einmal sehen Wohl in den tiefen Rhein, Und dann ins Kloster gehen, Und Gottes Jungfrau sein.« Der Felsen ist so jähe, So steil ist seine Wand, Sie klimmen in die Höhe, Da tritt sie an den Rand, Und sprach: »Willkomm, da wehet Ein Segel auf dem Rhein, Der in dem Schifflein stehet, Der soll mein Liebster sein. Mein Herz wird mir so munter, Er muß der Liebste sein.« Da lehnt sie sich hinunter Und stürzet in den Rhein. Es fuhr mit Kreuz und Fahne Das Schifflein an das Land, Der Bischof saß im Kahne, Sie hat ihn wohl erkannt. Daß er das Schwert gelassen, Dem Zauber zu entgehn, Daß er zum Kreuz tät fassen, Das konnt' sie nicht verstehn. Wer hat dies Lied gesungen Ein Priester auf dem Rhein Und immer hat's geklungen, Vom hohen Felsenstein Lureley Lureley Lureley. Als wären es meiner drei! Lureley Singet leise, leise, leise, singt ein flüsternd Wiegenlied, von dem Mond lernt die Weise, Der so still am Himmel zieht. Denn es schlummern in dem Rheine Jetzt die lieben Kindlein klein, Ameleya wacht alleine Weinend in den Mondenschein. Singt ein Lied so süß gelinde Wie die Quellen auf den Kieseln, Wie die Bienen um die Linde Summen. Murmeln, flüstern, rieseln. Einsam will ich untergehn Einsam will ich untergehn, Keiner soll mein Leiden wissen! Wird der Stern, den ich gesehn, Von dem Himmel mir gerissen, Will ich einsam untergehn Wie ein Pilger in der Wüste. Einsam will ich untergehn Wie ein Pilger in der Wüste! Wenn der Stern, den ich gesehn, Mich zum letzten Male grüßte, Will ich einsam untergehn Wie ein Bettler auf der Heide. Einsam will ich untergehn Wie ein Bettler auf der Heide! Gibt der Stern, den ich gesehn, Mir nicht weiter das Geleite, Will ich einsam untergehn Wie der Tag im Abendgrauen. Einsam will ich untergehn Wie der Tag im Abendgrauen! Will der Stern, den ich gesehn, Nicht mehr auf mich niederschauen, Will ich einsam untergehn Wie ein Sklave an der Kette. Einsam will ich untergehn Wie der Sklave an der Kette! Scheint der Stern, den ich gesehn, Nicht mehr auf mein Dornenbette, Will ich einsam untergehn Wie ein Schwanenlied im Tode. Einsam will ich untergehn Wie ein Schwanenlied im Tode! Ist der Stern, den ich gesehn, Mir nicht mehr ein Friedensbote, Will ich einsam untergehn Wie ein Schiff in wüsten Meeren. Einsam will ich untergehn Wie ein Schiff in wüsten Meeren! Wird der Stern, den ich gesehn, Jemals weg von mir sich kehren, Will ich einsam untergehn Wie der Trost in stummen Schmerzen. Einsam will ich untergehn Wie der Trost in stummen Schmerzen! Soll den Stern, den ich gesehn, Jemals meine Schuld verscherzen, Will ich einsam untergehn Wie mein Herz in deinem Herzen. Hörst du wie die Brunnen rauschen Hörst du wie die Brunnen rauschen, Hörst du wie die Grille zirpt? Stille, stille, laß uns lauschen, Selig, wer in Träumen stirbt. Selig, wen die Wolken wiegen, Wem der Mond ein Schlaflied singt, O wie selig kann der fliegen, Dem der Traum den Flügel schwingt, Daß an blauer Himmelsdecke Sterne er wie Blumen pflückt: Schlafe, träume, flieg', ich wecke Bald Dich auf und bin beglückt. Wenn der lahme Weber träumt, er webe Wenn der lahme Weber träumt, er webe, Träumt die kranke Lerche auch, sie schwebe, Träumt die stumme Nachtigall, sie singe, Daß das Herz des Widerhalls zerspringe, Träumt das blinde Huhn, es zähl' die Kerne, Und der drei je zählte kaum, die Sterne, Träumt das starre Erz, gar linde tau' es, Und das Eisenherz, ein Kind vertrau' es, Träumt die taube Nüchternheit, sie lausche, Wie der Traube Schüchternheit berausche; Kömmt dann Wahrheit mutternackt gelaufen, Führt der hellen Töne Glanzgefunkel Und der grellen Lichter Tanz durchs Dunkel, Rennt den Traum sie schmerzlich übern Haufen, Horch! die Fackel lacht, horch! Schmerz-Schalmeien Der erwachten Nacht ins Herz all schreien; Weh, ohn' Opfer gehn die süßen Wunder, Gehn die armen Herzen einsam unter! Was reif in diesen Zeilen steht Was reif in diesen Zeilen steht, Was lächelnd winkt und sinnend fleht, Das soll kein Kind betrüben, Die Einfalt hat es ausgesäet, Die Schwermut hat hindurchgeweht, Die Sehnsucht hat's getrieben; Und ist das Feld einst abgemäht, Die Armut durch die Stoppeln geht, Sucht Ähren, die geblieben, Sucht Lieb', die für sie untergeht, Sucht Lieb', die mit ihr aufersteht, Sucht Lieb', die sie kann lieben, Und hat sie einsam und verschmäht Die Nacht durch dankend in Gebet Die Körner ausgerieben, Liest sie, als früh der Hahn gekräht, Was Lieb' erhielt, was Leid verweht, Ans Feldkreuz angeschrieben, O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb', Leid und Zeit und Ewigkeit! Karoline von Günderrode (1780-1806) Der Kuss im Traum Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht, Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten. Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten, Daß neue Wonnen meine Lippe saugt. In Träume war solch Leben eingetaucht, Drum leb' ich, ewig Träume zu betrachten, Kann aller andern Freuden Glanz verachten, Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht. Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen, Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen Und mich verzehren seiner Sonne Gluten. Drum birg dich Aug' dem Glanze ird'scher Sonnen! Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten. Die eine Klage Wer die tiefste aller Wunden Hat in Geist und Sinn empfunden Bittrer Trennung Schmerz; Wer geliebt was er verlohren, Lassen muß was er erkohren, Das geliebte Herz, Der versteht in Lust die Thränen Und der Liebe ewig Sehnen Eins in Zwei zu sein, Eins im Andern sich zu finden, Daß der Zweiheit Gränzen schwinden Und des Daseins Pein. Wer so ganz in Herz und Sinnen Konnt' ein Wesen liebgewinnen O! den tröstet's nicht Daß für Freuden, die verlohren, Neue werden neu gebohren: Jene sind's doch nicht. Das geliebte, süße Leben, Dieses Nehmen und dies Geben, Wort und Sinn und Blick, Dieses Suchen und dies Finden, Dieses Denken und Empfinden Gibt kein Gott zurück. Hochrot Du innig Rot, Bis an den Tod Soll meine Lieb Dir gleichen, Soll nimmer bleichen, Bis an den Tod, Du glühend Rot, Soll sie Dir gleichen. Achim von Arnim (1781-1831) Mir ist zu licht zum Schlafen Mir ist zu licht zum Schlafen, Der Tag bricht in die Nacht, Die Seele ruht im Hafen, Ich bin so froh erwacht. Ich hauchte meine Seele Im ersten Kusse aus, Was ist's, daß ich mich quäle Ob sie auch fand ein Haus. Sie hat es wohl gefunden Auf ihren Lippen schön, O welche sel'ge Stunden, Wie ist mir so geschehn! Was soll ich nun noch sehen? Ach, alles ist in ihr. Was fühlen, was erflehen? Es ward ja alles mir. Ich habe was zu sinnen, Ich hab', was mich beglückt: In allen meinen Sinnen Bin ich von ihr entzückt. Adelbert von Chamisso (1781-1838) Ich kann's nicht fassen, nicht glauben Ich kann's nicht fassen, nicht glauben, Es hat ein Traum mich berückt; Wie hätt er doch unter allen Mich Arme erhöht und beglückt? Mir war's, er habe gesprochen: "Ich bin auf ewig dein," Mir war's - ich träume noch immer, Es kann ja nimmer so sein. O laß im Traume mich sterben, Gewieget an seiner Brust, Den seligsten Tod mich schlürfen In Tränen unendlicher Lust. Was soll ich sagen? Mein Aug' ist trüb, Mein Mund ist stumm, Du heißest mich reden, Es sei darum! Dein Aug' ist klar, Dein Mund ist rot, Und was du nur wünschest, Das ist ein Gebot. Mein Haar ist grau, Mein Herz ist wund, Du bist so jung Und bist so gesund. Du heißest mich reden, Und machst mir's so schwer. Ich seh' dich so an Und zittre so sehr. Joseph von Eichendorff (1788-1857) Mondnacht Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Der stille Grund Der Mondenschein verwirret die Täler weit und breit, die Bächlein, wie verirret, gehn durch die Einsamkeit. Da drüben sah ich stehen den Wald auf steiler Höh', die finstern Tannen sehen in einen tiefen See. Ein Kahn wohl sah ich ragen, doch niemand, der es lenkt, das Ruder war zerschlagen, das Schifflein halb versenkt. Eine Nixe auf dem Steine flocht dort ihr goldnes Haar, sie meint', sie wär' alleine, und sang so wunderbar. Sie sang und sang, in den Bäumen und Quellen rauscht' es sacht und flüsterte wie in Träumen die mondbeglänzte Nacht. Ich aber stand erschrocken, denn über Wald und Kluft erklangen Morgenglocken schon ferne durch die Luft. Und hätt' ich nicht vernommen den Klang zu guter Stund', wär' nimmermehr gekommen aus diesem stillen Grund. Wünschelrute Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort. Der frohe Wandersmann Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenrot, Sie wissen nur vom Kinderwiegen Von Sorgen, Last und Not um Brot. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt‘ ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl‘ und frischer Brust? Den lieben Gott laß ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd‘ und Himmel will erhalten, Hat auch mein‘ Sach‘ auf‘s Best‘ bestellt! Wem Gott will rechte Gunst erweisen Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenrot, Sie wissen nur vom Kinderwiegen, Von Sorgen, Last und Not um Brot. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt' ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl' und frischer Brust. Den lieben Gott laß' ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd' und Himmel will erhalten, Hat auch mein' Sach' auf's best' bestellt. Abschied O Täler weit, o Höhen, O schöner, grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächt'ger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saust die geschäft'ge Welt, Schlag noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Tun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte, schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Wards unaussprechlich klar. Bald werd ich dich verlassen, Fremd in der Fremde gehn, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird deines Ernsts Gewalt Mich Einsamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Der Abend Schweigt der Menschen laute Lust: Rauscht die Erde wie in Träumen Wunderbar mit allen Bäumen, Was dem Herzen kaum bewusst, Alte Zeiten, linde Trauer, Und es schweifen leise Schauer Wetterleuchtend durch die Brust. Sehnsucht Es schienen so golden die Sterne, am Fenster ich einsam stand und hörte aus weiter Ferne ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leibe entbrennte, da hab' ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte in der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen vorüber am Bergeshang, ich hörte im Wandern sie singen die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, wo die Wälder rauschen so sacht, von Quellen, die von den Klüften sich stürzen in Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, von Gärten, die überm Gestein in dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondschein, wo die Mädchen am Fenster lauschen, wann der Lauten Klang erwacht, und die Brunnen verschlafen rauschen in der prächtigen Sommernacht. Die zwei Gesellen Es zogen zwei rüstge Gesellen Zum erstenmal von Haus, So jubelnd recht in die hellen, Klingenden, singenden Wellen Des vollen Frühlings hinaus. Die strebten nach hohen Dingen, Die wollten, trotz Lust und Schmerz, Was Rechts in der Welt vollbringen, Und wem sie vorübergingen, Dem lachten Sinn und Herz. Der erste, der fand ein Liebchen, Die Schwieger kauft´ Hof und Haus; Der wiegte gar bald ein Bübchen, Und sah aus heimlichem Stübchen Behaglich ins Feld hinaus. Dem zweiten sangen und logen Die tausend Stimmen im Grund, Verlockend´ Sirenen, un zogen Ihn in der buhlenden Wogen Farbig klingenden Schlund. Und wie er auftaucht vom Schlunde, Da war er müde und alt, Sein Schifflein das lag im Grunde, So still wars rings in der Runde, Und über die Wasser wehts kalt. Es singen und klingen die Wellen Des Frühlings wohl über mir; Und seh ich so kecke Gesellen, Die Tränen im Auge mir schwellen Ach Gott, führ mich liebreich zu Dir! Oh wunderbares, tiefes Schweigen Oh wunderbares, tiefes Schweigen, wie einsam ist`s doch auf der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, als ging der Herr durchs stille Feld. Ich fühl mich recht wie neu erschaffen. Wo ist die Sorge, wo die Not? Was mich noch gestern wollt erschlaffenich schäm mich des im Morgenrot. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke will ich,ein Pilger, frohbereit betreten nur wie eine Brücke zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit. Weihnachten Markt und Straßen stehn verlassen, Still erleuchtet jedes Haus, Sinnend geh ich durch die Gassen, Alles sieht so festlich aus. An den Fenstern haben Frauen Buntes Spielzeug fromm geschmückt, Tausend Kindlein stehn und schauen, Sind so wunderstill beglückt. Und ich wandre aus den Mauern Bis hinaus ins freie Feld, Hehres Glänzen, heilges Schauern! Wie so weit und still die Welt! Sterne hoch die Kreise schlingen, Aus des Schnees Einsamkeit Steigts wie wunderbares Singen O du gnadenreiche Zeit! Schöne Fremde Es rauschen die Wipfel und schauern, Als machten zu dieser Stund Um die halbversunkenen Mauern Die alten Göttec die Rund. Hier hinter den Myrtenbäumen In heimlich dämmernder Pracht, Was sprichst du wirr wie in Träumen Zu mit, phantastische Nacht? Es funkeln auf mich alle Sterne Mit glühendem Liebesblick, Es redet trunken die Ferne Wie von künftigem, großem Glück! Das zerbrochene Ringlein In einem kühlen Grunde, Da geht ein Mühlenrad, Mein' Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei, Sie hat die Treu gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei. Ich möcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen Und gehn von Haus zu Haus. Ich möcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht. Hör' ich das Mühlrad gehen, Ich weiß nicht, was ich will, Ich möcht' am liebsten sterben, Da wär's auf einmal still. Der Einsiedler Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, die Lüfte alle schlafen, ein Schiffer nur noch, wandermüd, singt übers Meer sein Abendlied zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn und lassen mich hier einsam stehn, die Welt hat mich vergessen, da tratst du wunderbar zu mir, wenn ich beim Waldesrauschen hier gedankenvoll gesessen. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tage hat mich so müd gemacht, das weite Meer schon dunkelt; laß ausruhn mich von Lust und Not, bis daß das ewge Morgenrot den stillen Wald durchfunkelt. In Danzig 1842 Dunkle Giebel, hohe Fenster, Türme tief aus Nebeln sehn, Bleiche Statuen wie Gespenster Lautlos an den Türen stehn. Träumerisch der Mond drauf scheinet, Dem die Stadt gar wohl gefällt, Als läg' zauberhaft versteinet Drunten eine Märchenwelt. Ringsher durch das tiefe Lauschen, Über alle Häuser weit, Nur des Meeres fernes Rauschen Wunderbare Einsamkeit! Und der Türmer wie vor Jahren Singet ein uraltes Lied: Wolle Gott den Schiffer wahren, Der bei Nacht vorüberzieht. Schläft ein Lied in allen Dingen Schläft ein Lied in allen Dingen die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort. Friedrich Rückert (1788-1866) Ich bin der Welt abhanden gekommen Ich bin der Welt abhanden gekommen, Mit der ich sonst viele Zeit verdorben, Sie hat so lange nichts von mir vernommen, Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben! Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, Ob sie mich für gestorben hält, Ich kann auch gar nichts sagen dagegen, Denn wirklich bin ich gestorben der Welt. Ich bin gestorben dem Weltgetümmel, Und ruh’ in einem stillen Gebiet! Ich leb’ allein in meinem Himmel, In meinem Lieben, in meinem Lied! Du bist die Ruh, der Friede mild Du bist die Ruh, Der Friede mild, Die Sehnsucht du Und was sie stillt. Ich weihe dir Voll Lust und Schmerz Zur Wohnung hier Mein Aug und Herz. Kehr ein bei mir, Und schließe du Still hinter dir Die Pforten zu. Treib andern Schmerz Aus dieser Brust! Voll sei dies Herz Von deiner Lust. Dies Augenzelt Von deinem Glanz Allein erhellt, O füll es ganz! Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen, Bald werden sie wieder nach Haus gelangen, Der Tag ist schön, o sei nicht bang, Sie machen nur einen weitern Gang. Ja wohl, sie sind nur ausgegangen, Und werden jetzt nach Haus gelangen, O sei nicht bang, der Tag ist schön, Sie machen den Gang zu jenen Höhn Sie sind uns nur voraus gegangen, Und werden nicht hier nach Haus verlangen; Wir holen sie ein auf jenen Höhn Im Sonnenschein, der Tag ist schön. Wilhelm Müller (1794-1827) Das Wandern Das Wandern ist des Müllers Lust, Das Wandern! Das muß ein schlechter Müller sein, Dem niemals fiel das Wandern ein, Das Wandern. Vom Wasser haben wir's gelernt, Vom Wasser! Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht, Ist stets auf Wanderschaft bedacht, Das Wasser. Das sehn wir auch den Rädern ab, Den Rädern! Die gar nicht gerne stille stehn, Die sich mein Tag nicht müde drehn, Die Räder. Die Steine selbst, so schwer sie sind, Die Steine! Sie tanzen mit den muntern Reihn Und wollen gar noch schneller sein, Die Steine. O Wandern, Wandern, meine Lust, O Wandern! Herr Meister und Frau Meisterin, Laßt mich in Frieden weiterziehn Und wandern. Der Lindenbaum Am Brunnen vor dem Tore Da steht ein Lindenbaum: Ich träumt in seinem Schatten So manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort; Es zog in Freud und Leide Zu ihm mich immer fort. Ich mußt auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier findst du deine Ruh! Die kalten Winde bliesen Mir grad ins Angesicht, Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hör ich´s rauschen: Du fändest Ruhe dort! Einsamkeit Wie eine trübe Wolke Durch heit're Lüfte geht, Wenn in der Tanne Wipfel Ein mattes Lüftchen weht: So zieh ich meine Straße Dahin mit trägem Fuß, Durch helles, frohes Leben, Einsam und ohne Gruß. Ach, daß die Luft so ruhig! Ach, daß die Welt so licht! Als noch die Stürme tobten, War ich so elend nicht. Frühlingstraum Ich träumte von bunten Blumen, So wie sie wohl blühen im Mai, Ich träumte von grünen Wiesen, Von lustigem Vogelgeschrei. Und als die Hähne krähten, Da ward mein Auge wach; Da war es kalt und finster, Es schrieen die Raben vom Dach. Doch an den Fensterscheiben Wer malte die Blätter da? Ihr lacht wohl über den Träumer, Der Blumen im Winter sah? Ich träumte von Lieb' um Liebe, Von einer schönen Maid, Von Herzen und von Küssen, Von Wonn' und Seligkeit. Und als die Hähne krähten, Da ward mein Herze wach; Nun sitz' ich hier alleine Und denke dem Traume nach. Die Augen schließ' ich wieder, Noch schlägt das Herz so warm. Wann grünt ihr Blätter am Fenster? Wann halt' ich dich, Liebchen, im Arm? Der Leiermann Drüben hinterm Dorfe Steht ein Leiermann, Und mit starren Fingern Dreht er, was er kann. Barfuß auf dem Eise Schwankt er hin und her; Und sein kleiner Teller Bleibt ihm immer leer. Keiner mag ihn hören, Keiner sieht ihn an; Und die Hunde brummen Um den alten Mann. Und er läßt es gehen Alles, wie es will, Dreht, und seine Leier Steht ihm nimmer still. Wunderlicher Alter, Soll ich mit dir gehn? Willst zu meinen Liedern Deine Leier drehn? Aus: Kindertotenlieder Du bist ein Schatten am Tage Du bist ein Schatten am Tage Und in der Nacht ein Licht; Du lebst in meiner Klage Und stirbst im Herzen nicht. Wo ich mein Zelt aufschlage, Da wohnst du bei mir dicht; Du bist mein Schatten am Tage Und in der Nacht mein Licht. Wo ich auch nach dir frage, Find' ich von dir Bericht, Du lebst in meiner Klage Und stirbst im Herzen nicht. Du bist ein Schatten am Tage, Doch in der Nacht ein Licht; Du lebst in meiner Klage Und stirbst im Herzen nicht. Ich hatte dich lieb, mein Töchterlein Ich hatte dich lieb, mein Töchterlein! Und nun ich dich habe begraben, Mach' ich mir Vorwürf', ich hätte fein Noch lieber dich können haben. Ich habe dich lieber, viel lieber gehabt, Als ich dirs mochte zeigen; Zu selten mit Liebeszeichen begabt Hat dich mein ernstes Schweigen. Ich habe dich lieb gehabt, so lieb, Auch wenn ich dich streng gescholten; Was ich von Liebe dir schuldig blieb, Sei zwiefach dir jetzt vergolten! Zu oft verbarg sich hinter der Zucht Die Vaterlieb' im Gemüte; Ich hatte schon im Auge die Frucht, Anstatt mich zu freun an der Blüte. O hätt' ich gewusst, wie bald der Wind Die Blüt' entblättern sollte! Tun hätt' ich sollen meinem Kind, Was alles sein Herzchen wollte. Da solltest du, was ich wollte, tun, Und tatst es auf meine Winke. Du trankst das Bittre, wie reut michs nun, Weil ich dir sagte: trinke! Dein Mund, geschlossen von Todeskrampf, Hat meinem Gebot sich erschlossen; Ach! nur zu verlängern den Todeskampf, Hat man dirs eingegossen. Du aber hast, vom Tod umstrickt, Noch deinem Vater geschmeichelt, Mit brechenden Augen ihn angeblickt, Mit sterbenden Händchen gestreichelt. Was hat mir gesagt die streichelnde Hand, Da schon die Rede dir fehlte? Dass du verziehest den Unverstand, Der dich gutmeinend quälte. Nun bitt' ich dir ab jedes harte Wort, Die Worte, die dich bedräuten, Du wirst sie haben vergessen dort Oder weißt sie zu deuten. August von Platen (1796-1835) Tristan Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, Ist dem Tode schon anheimgegeben, Wird für keinen Dienst auf Erden taugen, Und doch wird er vor dem Tode beben, Wer die Schönheit angeschaut mit Augen! Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe, Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen, Zu genügen einem solchen Triebe: Wen der Pfeil des Schönen je getroffen, Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe! Ach, er möchte wie ein Quell versiechen, Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen, Und den Tod aus jeder Blume riechen: Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, Ach, er möchte wie ein Quell versiechen! Mein Herz ist zerrissen Mein Herz ist zerrissen, du liebst mich nicht! Du ließest mich’s wissen, du liebst mich nicht! Wiewohl ich dir flehend und werbend erschien, Und liebebeflissen, du liebst mich nicht! Du hast es gesprochen, mit Worten gesagt, Mit allzu gewissen, du liebst mich nicht! So soll ich die Sterne, so soll ich den Mond, Die Sonne vermissen? Du liebst mich nicht! Was blüht mir die Rose? was blüht der Jasmin? Was blühn die Narzissen? Du liebst mich nicht! Ich möchte, wenn ich sterbe Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten Gestirne schnell und unbewußt erbleichen, Erliegen möcht’ ich einst des Todes Streichen, Wie Sagen uns vom Pindaros berichten. Ich will ja nicht im Leben oder Dichten Den großen Unerreichlichen erreichen, Ich möcht’, o Freund, ihm nur im Tode gleichen; Doch höre nun die schönste der Geschichten! Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget, Und hatte, der ermüdet war, die Wangen Auf seines Lieblings schönes Knie geleget: Als nun der Chöre Melodien verklangen, Will wecken ihn, der ihn so sanft geheget, Doch zu den Göttern war er heimgegangen. Hier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glänzen Hier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glänzen, Gedenk ich still vergangner Mißgeschicke, Zurück nach Deutschland wend ich kaum die Blicke, Ja, kaum noch vorwärts nach Italiens Gränzen. Vergebens hasch ich nach geträumten Kränzen, Daß ich die Stirne, die mich brennt, erquicke, Und Seufzer wehn, die selten ich ersticke, Als könnten Seufzer das Gemüt ergänzen! Wo ist ein Herz, das keine Schmerzen spalten? Und wer ans Weltenende flüchten würde, Stets folgten ihm des Lebens Truggestalten. Ein Trost nur bleibt mir, daß ich jeder Bürde Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten Durch meiner Seele ganze Kraft und Würde.