Die Krishna-Gemeinschaft - Religionen in der Schweiz / Religions

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Die Krishna-Gemeinschaft - Religionen in der Schweiz / Religions
Die Krishna-Gemeinschaft
Von Christian Schiller
Die in der Umgangssprache «Hare Krishna» genannte Gemeinschaft (International Society for
Krishna Consciousness, ISKCON) wird von Religionswissenschaftlern und Soziologen zu den so
genannten neuen Religionen gezählt. Die «International Society for Krishna Consciousness»
wurde 1966 vom bengalischen Mönch A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada in New York
gegründet und verbreitete sich daraufhin in weiteren Städten der vereinigten Staaten. 1968
sandte Prabhupada erste Jünger, so bezeichnete «Gottgeweihte», nach Europa, wo sich wiederum Krishna-Gruppen bildeten.
Traditionsbezug
Die Anhänger der Krishna-Bewegung verehren Krishna. Dieser sei die achte Reinkarnation von
Vishnu, einem der grossen hinduistischen Götter, und wird von vielen seiner Anhänger als Verkörperung des höchsten Gottes angesehen.
Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896–1977) selbst verstand sich
als letzter Vertreter in der Abfolge von so genannten göttlichen
Meistern, deren erster der Mönch Caitanya war. Die Berufung der
Krishna-Bewegung auf die Lehren von Caitanya (Sri Caitanya Mahaprabhu) ist denn auch zentral im Krishna-Verständnis. Der indische
Mönch Caitanya lebte von 1486–1533 in Bengalen und entwickelte
eine mystische Form der Vishnu-Verehrung. In einem Trancezustand
erkannte er, dass die in hinduistischen Texten beschriebene Liebe des
Hirtenmädchens Radha zum Gott Krishna aufzeigt, wie die Liebe der
menschlichen Seele zum Göttlichen, den Weg zu Gott bedeutet. Unter den verschiedenen über
die Jahrhunderte entstandenen Vorstellungen von Krishna ist hier seine Figur als Hirte und
Liebling der Hirtinnen wichtig. Caitanya zog durch Nordindien und verbreitete dort seine
Lehre. Dabei brach Caitanya mit bestehenden Restriktionen und Vorschriften seiner Tradition:
Er sagte dem Kastenwesen ab und akzeptierte auch andersgläubige und niedrigkastige Menschen – so war einer seiner bekanntesten Anhänger ein Muslim. Die «einfache» Lehre von
Caitanya, die sich durch emotionale und ekstatische Gottesliebe (bhakti) auszeichnet, fand bei
vielen Menschen Anklang, so heisst es.
«Verehrung» und «Liebe zu Gott» (Sanskrit: bhakti) wird in der Bhagavadgita, einer der heiligen Text der Hindu-Traditionen und zentral für die Krishna-Gemeinschaft, als Hingabe zu
einer der Hindu-Gottheiten wie Krishna erwähnt. Gemäss der Bhagavadgita ist «Bhakti» neben
dem Weg des Handelns und dem Weg der Erkenntnis der dritte Weg zu Erlösung aus dem Geburtenkreislauf. Die Krishna-Gemeinschaft kann demzufolge zu den «modernen Bhakti-Bewegungen» gezählt werden und wird als einzige hinduistische Bewegung als reine Bhaktifrömmigkeit angesehen.
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Lehre und Praxis
Die Glaubensgrundsätze der International Society for Krishna Consciousness können in aller
Kürze wie folgt beschrieben werden: Das Leben wird von den Anhängern als ein ständiges Ausrichten auf den einzigen Gott betrachtet, welcher von Krishna verkörpert wird. Im Vorwort des
Buches Krishna – die Höchste Persönlichkeit Gottes beschreibt der Gründer Swami Prabhupada den Gott Krishna wie folgt: Er wird als der höchste persönliche Gott angesehen, weil er
bis in alle Einzelheiten mit den Beschreibungen übereinstimmt, die wir vom höchsten Wesen,
von Gott, haben. «Krishna ist Gott, weil Er alles anzieht. Ohne das Prinzip der auf alles wirkenden Anziehungskraft hat das Wort Gott keine Bedeutung. Und wie kann jemand auf alles anziehend wirken?» Die Antwort lautet: Durch Reichtum, Macht, Ruhm, Schönheit, Weisheit und
Entsagung. Nur Krishna, der vor 5000 Jahren für 125 Jahre auf diesem Planeten war, habe
über diese Eigenschaften in unbegrenztem Ausmass verfügt. Obwohl er einem menschlichen
Wesen glich, seien seine Handlungen in der Weltgeschichte unvergleichlich – Krishna wird von
den Krishna Gläubigen demzufolge «als höchster persönlicher Gott anerkannt».
Grundsätzlich sollen die Menschen in ihrem Leben die Beziehung und die Liebe zu diesem Gott
wiederherstellen. Mithilfe von Meditation als spirituelle Verwirklichung versuchen die Gläubigen dieses Ziel zu erreichen. Die Wirkung der meditativen Riten wird verstärkt, wenn Regeln
wie der Verzicht auf Alkohol, Fleisch, Glücksspiel und Sexualität (mit Ausnahme der Zeugung
von Nachkommen) eingehalten werden.
Typisch für die Krishna Gemeinschaft ist das gemeinsame repetitive Singen von Hare-KrishnaMantras während der Andachten, in denen auch Krishnas Jünger und Gurus (unter anderen
auch ISKCON-Gründer Prabhupada als letzter Vertreter auf Erden) gepriesen werden. Aussenstehenden Personen sind im Speziellen das Mantra
«Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna Krishna, Hare Hare,
Hare Rama, Hare Rama,
Rama Rama, Hare Hare»
bekannt. Zum Zählen der vorgegebenen Wiederholungen besitzen die Gläubigen eine Kette, die
Mala. Das Mantra soll täglich
möglichst 16 Runden mit je 108
Wiederholungen rezitiert werden.
Die gemeinsamen Gebete werden
häufig von indischen Instrumenten begleitet. Die Hymnen singt
jemandem vor, worauf die weiteren Anwesenden die Liedzeile
wiederholen. Nach dem gemein-
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samen Singen werden Textinterpretationen aus der Bhagavadgita gelesen. Zum Schluss des
Gottesdienstes bzw. der Andacht (puja) wird nochmals gesungen und zusammen gespeist.
Die Krishna Tempel sind bunt geschmückt, zentral mit Bildern bzw. figürlichen Statuen von
Krishna und Radha sowie von Heiligen. Ihnen bringen die Anhänger Opfer in Form von Licht,
Klängen, Speisen und anderem dar. Die Speisen werden nach der Darreichung an die Götter als
heilig betrachtet und Gläubigen erhalten etwas davon als prasadam (geweihte Speise). Dieses
soll sie näher zu Krishna bringen.
Mitglieder, Krishna-Verehrer
Die erwähnten Mantras werden in den Andachten (puja), privat aber auch während Strassenprozessionen gesungen. Im Gegensatz zu den Gemeindemitgliedern, die mit der Krishna-Bewegung sympathisieren und den Grossteil der Mitglieder stellen, sind die Ordensmitglieder
eigentliche Mönche bzw. Nonnen und tragen lange gelb-orange Kleider. Die Männer haben
vielfach kahl geschorene Köpfe. Eine der Aufgaben der Ordensmitglieder, welche die KrishnaRegeln strikt befolgen und zölibatär leben, besteht in der Missionierung. Insgesamt werden die
Anhänger der International Society for Krishna Consciousness weltweit auf 15'000 geschätzt
(Ordensmitglieder und Gemeindemitglieder), wobei die Zahl von Anhängern in Indien selbst
schwer zu beziffern ist.
Seit die Krishna-Bewegung im Westen in den 80er Jahren in die Negativschlagzeilen geriet
(Vorwurf der Freiheitsberaubung von Minderjährigen, Waffenbesitz und andere Vergehen u. a.)
und sich mit dem Sektenvorwurf konfrontiert sah, haben sich liberalere Strömungen innerhalb
der Hare-Krishna-Bewegung gebildet, die sich unter anderem für eine Besserstellung der
Frauen einsetzen und seither offener gegenüber weniger fundamentalistischen Auslegungen
der Schriften eingestellt sind. Dazu gehören wie angesprochen der grösste Teil der HareKrishna-Anhänger, welche die Grundsätze und die Auslegungen des Gründers Prabhupada
individuell und weniger streng befolgen als die Ordensmitglieder.
Krishna-Gemeinschaft in der Schweiz
Neben diversen privaten Treffpunkten, Zusammenkünften und
kleinen Tempeln gibt es in der
Schweiz einen grossen KrishnaTempel, der als Verein organisiert
ist. 1980 zog die noch junge
Krishna-Gemeinschaft in eine Villa
an der Bergstrasse in Zürich. Der
Tempel dient heute aber nicht
mehr nur dem Mönchsleben. Auch
in der Schweiz und in Zürich sind
Die Krishna-Gemeinschaft
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fundamentalistische Krishna-Strömungen vielfach einem Krishna-Glauben mit mehr Eigenverantwortung gewichen. Dem Verein, der Krishna-Gemeinschaft Schweiz, könne jede Person
beitreten, die dessen Ideen unterstützt. Der Mitgliederbeitrag koste 51 Franken monatlich
oder könne auch durch 8-stündige aktive Mithilfe geleistet werden.
Weiter werden im Tempel Vorträge, Veranstaltungen, Festivals und Gottesdienste in grösserem
Rahmen durchgeführt. Jeden Sonntag findet zum Beispiel ein kulturelles und spirituelles Fest
statt, zu dem alle Interessierten willkommen seien. Zudem stellt die Krishna-Gemeinschaft den
Tempel beispielsweise für Hochzeitsfeiern von Tamilen zur Verfügung.
Internet (Primärquellen)
http://www.krishna.ch
http://www.krishnaconsciousnessmovement.com
Literatur
Primärliteratur
Das, Rahul Peter (2006): «Die Hare-Krishna-‹Sekte› (ISKCON)», in: Bergunder, Michael (Hrsg.),
Westliche Formen des Hinduismus. Eine Übersicht, Franckesche Stiftungen.
Sekundärliteratur
Bryant, Edwin (2004): The Hare Krishna movement: The postcharismatic fate of a religious
transplant, New York, Columbia University Press.
Knott, Kim (2000): Der Hinduismus. Eine kurze Einführung, Stuttgart, Reclam.
Schulze-Berndt, Hermann (2003): Sekten, Kulte, Weltanschauungen, Gütersloher Verlagshaus.