BdM Fleischli_01 - Bäckerei

Transcription

BdM Fleischli_01 - Bäckerei
MACHER
Bäckerei des Monats
Ideen muss
man haben
René und Elsbeth Fleischli begannen
als Existenzgründer im Jahr 1986 mit
einem kleinen Bäckereibetrieb. Heute
kommen sie mit neun Fachgeschäften und Cafés auf einen Jahresumsatz von rund 27 Millionen Franken.
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Foto: Back Journal
Was kann man neben den klassischen Strategien
noch tun, um neue Kunden zu gewinnen?
Beim Marktkieker-Preisträger Fleischli aus Niederglatt
hat man sich hier einige Gedanken gemacht.
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00 – nein hier geht es nicht um den Hollywood-Film, der die Verteidigung des Thermopylen-Passes durch 300 Spartaner gegen 300.000 Perser nachstellt. Bei den 300 in diesem
Beitrag geht es vielmehr um Vertrauen, bekanntlich ein Kapital, das für Handwerksbäcker
sehr wichtig ist, das sich aber nur selten wirklich in Heller und Pfennig berechnen lässt. Bei der
Bäckerei Konditorei Fleischli aus Niederglatt in der Schweiz, Marktkiekerpreisträger 2004, hat
man seit einem Jahr immerhin eine Ahnung, wie sehr die Kunden ihrem Bäcker und Confiseur
vertrauen. 300 Franken (umgerechnet 250 Euro) luden die ersten 1.400 Kunden nämlich im
Schnitt auf ihre neuen Kundenkarten, als René und Elsbeth Fleischli das neue Bezahlsystem einführten. Okay, mit 20 Prozent Einführungsrabatt hat man der Begeisterung etwas nachgeholfen
– trotzdem zeigt die Summe, wie eng die Beziehung des Unternehmens zu seinen Stammkunden ist. Hier lassen sich gut 25 Jahre Vertrauensarbeit – die beiden starteten im Jahr 1986 als
Existenzgründer – also tatsächlich messen. Das Thema Vertrauen durch Transparenz, Regionalität und Engagement vor Ort spielt natürlich weiterhin eine große Rolle für den Betrieb.
Veränderungen des Marktes machen aber auch vor der Schweiz und Marktkiekerpreisträgern
nicht halt. Aktuell merken zum Beispiel auch die Fleischlis, dass durch den hohen Wechselkurs
des Franken im Verhältnis zum Euro einige Kunden der Versuchung nicht widerstehen können
und immer wieder mal auf einen Einkaufstrip in der Bundesrepublik vorbeischauen. So hat
man in den letzten Jahren begonnen, neue Umsatzquellen zu erschließen und durch neue Produkte insbesondere das Geschäft mit dem Lebensmittelhandel im Premiumbereich verstärkt.
Dazu kommt der neue Geschäftsbereich Catering. Zurzeit generiert das Unternehmen hier das
Wachstum, das im Filialbereich kaum noch möglich ist.
Vertrauen durch Echtheit. Zunächst aber noch einmal zum Thema Vertrauen, denn wir
kennen kaum eine Bäckerei, die hier so aktiv ist wie Fleischli. Schon Tradition hat die FleischliStiftung. Sie fördert mit einer Summe von jährlich rund 25.000 Franken regionale Projekte.
Aktuell beispielsweise den Unterländer Jugendmusikwettbewerb. Fleischli hat örtliche Honoratioren in den Stiftungsbeirat geholt, die ehrenamtlich die zu fördernden Projekte festlegen.
Das Renomé der Institution ist so gut, dass inzwischen auch Fleischli-Kunden direkt an die
Stiftung spenden – Stichwort „Da weiß ich, was mit dem Geld gemacht wird.“ Auf die Idee kam
René Fleischli übrigens, als ihm das Angebot für ein Fertigmehl zu teuer erschien. Also tüftelte
er, ob er das entsprechende Produkt in gleicher Qualität nicht ohne die Helferlein der Industrie
herstellen konnte. Vom Verkaufspreis des Brotes kamen dann 50 Rappen direkt der Stiftung
zugute. Entsprechende Aktionen laufen immer wieder, aktuell mit dem „Brot zum Teilen.“
Dazu spielt die Bäckerei im Wettbewerb mit der Brotindustrie diesseits und jenseits der Grenze
die regionale Karte. Auf Regionalität setzen heute bekanntlich viele. Für Fleischli war sie schon
Grundsatz, als das Thema noch nicht Mode war, was sicher viel zur Glaubwürdigkeit heute beiträgt. Grundsätzlich wird bei jedem Produkt geprüft, ob es sich nicht regional beschaffen lässt:
Sind die Erdbeeren in der Region reif, wird selbstverständlich auf das lokale Angebot zurück
gegriffen. Ebenso stammen die Kartoffeln, die zu den Pommes Frites in Fleischlis Gastrofilialen
verarbeitet werden, aus dem Züricher Land (Züri Frites). Und wenn Sie bei Fleischli ein Bierchen zum Feierabend trinken möchten, stammt das natürlich aus einer kleinen Hausbrauerei
in Niederglatt.
Kundenbindung... Getreu dem Grundsatz „Tue Gutes und rede darüber“ findet die Einkaufsphilosophie des Hauses natürlich auch im Marketing des Hauses Niederschlag, beispielsweise in
der Kundenzeitung, die zwei Mal im Jahr erscheint. Seine Überzeugung lässt sich Fleischli dabei
auch durchaus etwas kosten. Drei Tonnen Poulardenfleisch verarbeitet der Betrieb im Jahr. Bei
der Pistor gibt es das Kilogramm brasilianischer Herkunft für elf Franken. Die Schweizer Qualität
kostet rund das doppelte und trotzdem kauft Fleischli das heimische Fleisch ein. Bei manchem
Kollegen wird hier das Verständnis aufhören. Auch Fleischli sagt, „dass niemand weiß, ob der
Kunde so etwas noch honoriert.“ Sehen wir den langfristigen Erfolg des Betriebes (27 Millionen
Franken Umsatz bei neun Filialen) müssen die Grundsätze freilich ihre Berechtigung haben.
Entsprechend gut angekommen ist bei den Stammkunden dann auch die Kundenkarte. Der
„normale“ Treuebonus nach der Einführungsaktion liegt bei fünf Prozent. Laden die Kunden
mehr als 100 Franken auf die Karte, erhöht er sich auf zehn Prozent. Fleischli misst den Erfolg
freilich nicht nur an der Zahl der ausgegebenen Karte und der Summe, die die Kunden aufladen.
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Foto: Back Journal
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Bäckerei des Monats
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Expansion mit Bedacht: Fleischli vertreibt seine Produkte über neun Filialen. Auf
den Fotos ist die jüngste zu sehen, die vor zwei Jahren eröffnet wurde und auf einen Jahresumsatz von rund 3,5 Millionen Franken kommt. Der Durchschnittsbon
liegt hier bei neun Franken – was auch dem hohen Gastroanteil zu verdanken ist.
...und Neukundengewinnung. Als Stammkunde kann man
sich bei Fleischli also gut versorgt fühlen. Ebenso wichtig ist freilich das Thema Neukundengewinnung – speziell aus der jungen
Zielgruppe. Fleischli hat immer Sorge getragen, dass eine hohe
Fachkompetenz im Hause vorhanden ist und die ist wichtig,
möchte man Produkte einführen, die die Konkurrenz in dieser
Qualität eben noch nicht anbieten kann. Bestes Beispiel ist hier das
Chnoblibrot, das es auch in den Varianten Chili und
Basilikum gibt. Das vorgebackene Baguette ist mit
IN KÜRZE
Knoblauchbutter bestrichen und lässt sich einfach
Bäckerei-Conditorei Fleischli AG
René und Elsbeth Fleischli
im heimischen Backofen aufbacken. Zweifellos der
Bahnhofstraße 1
Renner auf jeder Grillparty und das hat inzwischen
CH – 8172 Niederglatt
auch der LEH erkannt. Als Premiumprodukt wird
Telefon: 0041 448501453
das Brot schweizweit vertrieben – wie übrigens auch
Internet www.baeckerei-fleischli.ch
Confiserieartikel als Aktionsprodukte. Fleischli hat
Gegründet:
1986 durch René und
bei der Zusammenarbeit mit dem LEH keine BerühElsbeth Fleischli
Filialen:
9
rungsängste, solange seine Produkte im hochwertiRadius des Filialnetzes:
20 Kilometer
Umsatz:
27 Millionen Franken
gen Segment verkauft werden. Ein anderes Beispiel
für den Vertrieb über den Handel sind die CanapéMitarbeiter : 250 (auf Vollzeit gerechnet 180)
Schalen (Foto auf Seite 24), die der qualitätsbewusste
davon Azubis:
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Schweizer zum Preis von 28 Franken kaufen kann.
Produktion:
55
Verkauf:
180
Die Öffnung zum Lebensmittelhandel hat auch daVerwaltung:
5
mit zu tun, dass sich in der Schweiz ebenfalls die
Fahrer:
12
Einkaufsgewohnheiten ändern. Die Märkte haben
Preise ausgesuchter Produkte
(1 Euro = 1,20 Franken)
oft bis 21 Uhr geöffnet, was Auswirkungen auf das
Semmeli (Schnittbrötchen):
0,90 CHF
Brotgeschäft in Fleischlis Fachgeschäften am späten
Buttergipfel:
1,40 CHF
Ruchbrot (500 g):
2,70 CHF
Nachmittag hat. Eine wachsende Produktgruppe sind
Holzofenbrot dunkel (450 g):
5,80 CHF
die Mitnehm-Salate, die vom Fleischli-Küchenteam
Kartoffel-Nussbrot (450 g):
6,40 CHF
Vorgebackenes Baguette mit
hergestellt werden. Ehrensache, dass die Dressings
Knoblauchbutter (Chnoblibrot):
4,80 CHF
aus eigener Produktion stammen. Passend arbeitet
Laugenzöpfli mit Ei
5,90 CHF
Kartoffel-Nussbrot mit Schinken
6,40 CHF
Fleischli an seinem Image als Fitnessbäcker. Am 1.
Canapé (Thunfisch):
4,70 CHF
Erdbeertörtchen:
4,30 CHF
Juni startet die erste Tour de Fleischli, eine Radtour
Kaffee Cremé:
4,40 CHF
rund um Niederglatt, bei der alle Fleischli-Filialen
angefahren werden. Für je vier Filialstempel gibt es
In der Fleischli-Produktion. Wie bei vielen Schweizer-Kollegen hat die Konditorei einen hohen
am Ende der Tour eine kostenlose Wurst vom Grill
Stellenwert – ebenso wie die Snacks. In den Verkaufs-Top 10 finden sich keine Brote, wohl aber
verschiedene Sandwiches. Für das wachsende Catering-Geschäft gibt es schon eine kleine Abteioder ein Getränk. Die smartphone-affine Kundschaft
Foto: Back Journal
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Vor allem ist festzustellen, dass Kartenbesitzer nicht nur häufiger bei
ihm einkaufen, sondern auch auf deutlich höhere Durchschnittsumsätze kommen. Weil auf den Kassen der Name des Kunden angezeigt
wird, kann ihn die Verkäuferin auch direkt persönlich ansprechen.
Gehen Karten verloren, ist das Risiko für den Kunden überschaubar.
Die Karten können gesperrt werden und gegen eine Bearbeitungsgebühr von 20 Franken gibt es eine neue mit dem korrekten Guthaben.
lung im Haus.
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erreicht Fleischli durch Aktionen wie seinen Osterwettbewerb:
Einfach den QR-Code scannen, den einer der Fleischli-Schokoosterhasen im Arm hält und an einem Gewinnspiel teilnehmen.
dass es in der Produktion eine sehr leistungsfähige Abteilung zur
Snackherstellung gibt. Durch die Nähe der Filialen lohnt sich die
zentrale Herstellung, die Geschäfte werden am Mittag noch einmal
mit frischen Snacks angefahren. Entsprechend sind auch Großveranstaltungen mit 200 Gästen kein Problem. Entsprechend ausgefeilte Systeme gibt es auch für Spezial- oder Hochzeitstorten und
auch wer eine individuelle Geschenkidee sucht, ist bei Fleischli
richtig. Treue Kunden begleitet das Unternehmen also auf Wunsch
ein Leben lang.
Förderung der Mitarbeiter. Basis jedes unternehmerischen
Erfolges ist der Aufbau guter Führungskräfte. Auch das gehört
bei Fleischli schon seit vielen Jahren zum Unternehmensprinzip. Für zukünftige Führungskräfte entwickelte Elsbeth Fleischli
eine eigene Seminarreihe, an der auch externe Nachwuchskräfte
teilnehmen können. Achtmal im Jahr geht es dann nicht nur
um das Fachwissen, sondern um alles weitere Rüstzeug, das eine
Fleischli
rei-Conditorei
Flyer: Bäcke
Catering by Fleischli. Die Gastrokompetenz des Betriebes hat
den Einstieg in einen weiteren Geschäftsbereich erleichtert: Catering, wobei man sich auf die Kernkompetenzen Apéro- und Dessertbuffet konzentriert. Für den Bereich ist ein eigenes Profitcenter eingerichtet worden, bei Fleischli ist jedes Produkt und jedes
Angebot kalkuliert. Beim Catering kommt es nach der Erfahrung
von René und Elsbeth Fleischli vor allem darauf an, Problemlöser
für den Kunden zu sein: Wie viel wird zu welcher Tageszeit und
zu welchem Anlass benötigt? Soll Fleischli das Servicepersonal
oder sogar einen Koch stellen? Wird Dekomaterial benötigt? Eine
eigene Mappe informiert den Kunden über die fast unbegrenzten
Möglichkeiten. Vorteil von Fleischli gegenüber vielen Wettbewerbern ist (neben der Qualität der Back- und Konditoreiwaren),
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Ausrisse aus
der Fleischli-Kundenzeitschrift, die
zweimal im Jahr erscheint. Das Thema Regionalität spielt in den Berichten immer eine große Rolle.
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Ideen braucht der Bäcker: Der Mais-Gipfel (oben) hat den Mehrkorngipfel abgelöst. Links ein aktuell sehr erfolgreiches Produkt. Fleischli bietet vorgebackene Baguettes mit diversen Toppings zum Selberaufbacken an. Diese Brote werden im Premiumsegment auch über den Lebensmittelhandel vertrieben, ebenso wie die Canapé-Schalen ganz links.
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Führungskraft braucht. das
Verfahren mag aufwändig
erscheinen, hat sich aber
bewährt, Elsbeth Fleischli:
„Nach dem Kurs wissen wir
sicher, ob ein Mitarbeiter
als Führungskraft geeignet
ist.“ Fleischli bezahlt auch
weit über die gesetzlichen
Verpflichtungen
hinaus
Weiterbildungen für die
Mitarbeiter – bis hin zu den
Meisterkursen. Die Mitarbeiter verpflichten sich im
Gegenzug, die Förderung
ganz oder teilweise zurückzuzahlen, wenn sie vorzeitig
das Unternehmen verlassen.
Außerdem gibt Fleischli jedem Lehrling, der mit einer
5 oder 6 (entspricht nach
dem deutschen System den
Noten 2 und 1) die Übernahme. Man tut also einiges, um die guten Kräfte an
das Unternehmen zu binden.
Um noch einmal auf den Anfangsgedanken zurück zu
kommen: Auch bei der Förderung der Mitarbeiter weiß
man nicht genau, ob sie sich
immer in Franken und Rappen bezahlt macht. Sicher
wird der ein oder andere die
Großzügigkeit ausnutzen.
Nur: Irgendwoher muss die
Sache mit den 300 kommen.
Dirk Waclawek
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