Für und aus Hamburg

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Für und aus Hamburg
Food service / Konzepte
Reportage
Für und aus Hamburg
Seit zwei Jahren erfindet sich Dat Backhus sichtbar neu. Die
Filiale im Herold-Center in Norderstedt – mit Freund Ladenbau realisiert – zeigt, wohin die Designreise geht.
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I
n der Backbranche schüttelte man mitunter den Kopf, als die
neue Geschäftsführung vom Backhus vor drei Jahren anfing,
ihren vielfach preisgekrönten Außenauftritt umzugestalten.
Waren die beeindruckenden Filialen doch immer eine Pilgerreise
wert gewesen. Nicht nur der Auftritt, sondern auch das Sortiment
wurde grundlegend umstrukturiert. Die beiden Neuen an der
Spitze, Thorsten Knoop und Dirk Brinkhege, halbierten die Anzahl der angebotenen Artikel von 400 auf 200. Das Back Journal
traf nun Knoop in der im Februar völlig umgestalteten Filiale im
Herold-Center. Hier zeigt er, welchen Plan die beiden verfolgen.
Wettbewerbsvielerlei. Der Standort im Herold-Center in
Norderstedt hat es in sich: Das Einkaufszentrum gehört zu den
größten im südlichen Schleswig-Holstein. Die Konkurrenz ist
daher groß. Neben dem Backhus streiten sich Junge, Allaf und
Kamps um das Brot- und Kaffeegeschäft. Das Backhus hat vor
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Ort zwei Standorte gemietet. Im Obergeschoss findet sich ein größeres Sitzcafé. Im unteren Teil eine traditionell von den Kunden
zum Brotkaufen genutzte, kleinere Filiale. „Bei großen Sitzcafés
in Einkaufszentren sind die Mietkosten einfach zu hoch“, sagt
Knoop. Nächstes Jahr werde daher der obere Standort geschlossen, das sei beschlossene Sache. Bei dem Umbau fokussierte man
sich daher auf den unteren Bereich, versuchte die über zwei Jahrzehnte hinweg etablierten Einkaufsgewohnheiten zu durchbrechen. Ein Großteil der Kunden im Herold-Center ist laut Knoop
über 50 Jahre alt. „Seit 20 Jahren sind unsere Kunden mit uns
älter geworden. Eine neue Zielgruppe ist für uns sehr wichtig“,
betont der Geschäftsführer und gibt damit eine erste Erklärung
für den Wandel der letzten Jahre.
Licht und Sitzplätze. Anfang des Jahres wurde die Filiale im
Erdgeschoss des Centers von Freund Ladenbau innerhalb von drei
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Fotos: BJ / Dirk Waclawek 2014
Nordisch-charmante Bodenständigkeit und Gemütlichkeit vermittelt das
neue Designkonzept vom Backhus.
Reportage food service / Konzepte
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[2] Der Sitzbereich der neuen Filiale ist ein ganzes Stück heimeliger geworden. Urige Gemütlichkeit lädt zum Verweilen ein. Die wieder in Mode gekommenen Ohrensesselbänke [3] mit Echtleder-Sitzfläche und karierter Textil-Rückenlehne meistern dabei den Sprung zwischen junger und älterer Zielgruppe.
Wochen umgebaut und neu gestaltet. Die Personalräume wurden in den Keller gelegt und die hintere Wand durch eine Glasfront ersetzt. Die neue Inneneinrichtung wandelt auf den Pfaden
nordisch-hamburgischer Bodenständigkeit gepaart mit einem
Retro-Flair – das neue Erscheinungsbild des Backhus? „Ganz
so ist es nicht. Man kann eine Filiale in Hamburg Schanze und
Blankenese nicht gleich einrichten. Wir versuchen individuelle
Konzepte für jeden Standort zu entwickeln – das setzt uns von
den großen Ketten ab“, betont Knoop. Um die Individualität der
Standorte hervorzuheben, ließ er beispielsweise im angesagten
Szeneviertel Schanze die Theke mit Rockplakaten verzieren. Für
das Herold-Center wurde mit Freund nach einem Modell gesucht,
in dem sich sowohl die ältere als auch die jüngere Kundschaft
wohl fühlt. Um nordischen Charme in die Filiale zu bringen,
montierte Freund Ladenbau Klinkerwände aus einer alten, polnischen Scheune ab und importierte sie nach Norderstedt. Den
hinteren Sitzbereich verwandelten sie in eine lässige Lounge.
Der vordere Abschnitt ist als gediegenerer Sitzbereich gedacht.
Highlight hier sind die trendigen Ohrensesselbänke, in die sich
auch gerne das ältere Publikum zurücklehnt. Echtledersitzbänke
mit karierter, textiler Rückenlehne und Holztische sorgen für ein
ästhetisch hochwertiges Sitzgefühl. Die Pendelleuchten über den
Tischen sind in ländlichen Ausdrucksformen gehalten. Die Technik hingegen ist ganz und gar nicht urig: Es wurden durchweg
moderne LED-Leuchtmittel verwandt. Erst auf den zweiten Blick
entpuppen sich die Regale an den Wänden als zweckentfremdete
abgesägte Euro-Paletten. Im Lounge-Bereich simulierten Knoop
und Freund eine Wand mit abbröckelnden Fliesen. Die original
80-er-Jahre-Fliesen hierzu ersteigerte der Chef höchstpersönlich
bei Ebay. Für die Tischdekoration wurde Knoops Frau Evelyn mit
ins Boot geholt.
Gegen alte Gewohnheiten. Die ehemals angeschrägte Ladentheke wurde durch eine L-förmige, mit Retro-Bäckerbildern
verzierte ersetzt, um einen to go-Bereich zur Einkaufszone hin zu
installieren. Allerdings wurde hier die Rechnung ohne die Kundschaft gemacht: „Wir haben es hier mit einem in 20 Jahren festzementiertem Schlangenverhalten zu tun“, sagt Knoop mit einem
Lächeln. Die Kunden stellten sich immer wieder in zwei Schlangen an, wie sie es gewohnt waren. Die Brotschlange war vorne im
Laden und die Café-Schlange im hinteren Bereich. Die Snacks
blieben ungesehen und ungekauft im neuen to go-Bereich liegen.
Knoop reagierte schnell und positionierte die Snacks wieder im
hinteren Bereich, was den Absatz wieder nach vorne brachte.
Snacker. Dat Backhus steht seit Jahrzehnten für herausragende
Brotqualität. 75 Prozent des Umsatzes generiert das Unternehmen heute immer noch mit Backwaren. Nun soll das Unternehmen aber auch durch ein starkes Snackangebot weiter wachsen,
insbesondere um die jüngere Zielgruppe besser anzusprechen.
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[4] Die alte schräge Theke wurde durch eine L-förmige ersetzt, die mit Retro-Bäckerbildern an der Front zur Einkaufspassage hin verziert wurde. [5] Anika Freund
von Freund Ladenbau und Dat Backhus-Geschäftsführer Thorsten Knoop planten zusammen die Filiale im Herold-Center in Norderstedt bei Hamburg.
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Reportage
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[1] Auch für das Snackgeschäft ist Knoop zuständig: Ein Teil der Snacks wird mit dem Kontaktgrill zu einem leckeren Mittagsangebot erwärmt. Morgens finden sich
auch die belegten Klassiker wie das Salami-Brötchen in der Theke. [2] Hamburgs Speckgürtel erwartet jedoch mehr: Das „Southern Pork“ mit Schweine-Zupffleisch
im knusprigem Croque und eigens kreierter Würzsauce sorgt für frischen Wind in der Theke und treibt von 11-14 Uhr den Umsatz nach oben.
Reduktion auf Kernkompetenzen. „Snacks mit Brot und
Teigwaren kauft man uns als Bäcker ab und sie unterstreichen
unsere Backkompetenz. Etwas anderes wird es bei uns nicht
mehr geben“, sagt Knoop deutlich. Man hatte es zuvor mit nur
mäßigem Erfolg bereits mit Pasta und Pasteten versucht. So festigte sich Knoops klares Credo, dass ein Bäcker sich auf seine
Kernkompetenzen reduzieren sollte. Damit scheint das Backhus
auch nicht falsch zu fahren, denn laut Aussage von Knoop wächst
das Unternehmen im Snackbereich zweistellig.
Zur Hälfte mit Sieb. Auch das eigene Kaffeekonzept von Dat
Backhus ist im Wandel begriffen: Das Unternehmen sattelt derzeit auf Siebträgermaschinen um. 32 der insgesamt 120 Filialen
haben bereits eine. Bis zu 70 Filialen sollen auf Siebträger umgestellt werden. Filterkaffee gibt es weiterhin. „Im Norden braucht
man den einfach im Angebot“, sagt Knoop. Der eigene Barista ist
nach der Umstellung der Filialen zwei Wochen vor Ort, um das
Personal zu schulen. Den Kaffee bezieht das Unternehmen von
einer kleinen Hamburger Kaffeerösterei.
Fotos: BJ / Dirk Waclawek 2014
Knoop setzte diese Strategie konsequent um, denn er ist nicht
nur für die kaufmännische Seite und den Außenauftritt des Unternehmens zuständig, sondern auch für die Entwicklung des
Snackkonzepts. Als Betriebswirt hat er ein Auge dafür, was der
Endkunde sich wünscht, und seine Suche nach Neuem ruht auch
zu Hause nicht: Seine Frau tischte ihm eines Nachmittags eine
Laugenstange mit Frischkäse und Radieschen-Scheiben auf. Die
Idee kam sofort zur Snackexpertin und liegt nun marktfähig in
der Theke. „Wir müssen einfach mehr vegetarische Snacks anbieten. Wir sind auch gerade verstärkt am veganen Thema dran“, sagt
er. Die daheim entdecke Idee blieb nicht die einzige Neuheit in der
Snacktheke: Das „Southern Pork“ mit Schweine-Zupffleisch und
eigens kreierter Relish in einem Croquebrötchen wird mit dem
Kontaktgrill erwärmt zu einem schmackhaften, optisch ansprechenden Mittagsangebot. „Als junge Frau isst man heute halt
kein dickes Schweinestück im Brötchen mehr. Darauf haben wir
reagiert“, erklärt er. Außerdem neu im Angebot ist der TomateMozzarella-Snack mit mediterranem Brötchen, der mit Oliven
und ganzen Pinienkernen im Teig zu etwas Besonderem wird.
Das griechische Bifteki-Sandwich mit Krautsalat gibt es im Brötchen mit Olive und schwarzem Pfeffer. Gewollt ist, dass man die
Extrazutaten der Teige deutlich hervorschmeckt. Damit bei der
Snackherstellung in den Filialen dann auch nichts schief geht, liegen ausführliche, bebilderte Anleitungen für das Personal bereit.
Schnittstelle Brot. Brotkultur wird bei dat Backhus traditionell großgeschrieben. Zurzeit setzen die beiden auf saisonale,
große und handwerklich-aussehende Brote, um sich von Discounterwaren abzusetzen. Das meistverkaufte Brot in der Filiale
In Kürze
Heinz Bräuer GmbH & Co. KG
Billstraße 188
20539 Hamburg
Tel.: + 4940 789770
Internet: www.datbackhus.de
E-Mail: [email protected]
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Geschäftsführung: Thorsten Knoop,
Dirk Brinkhege
Gegründet: 1936
Anzahl der Filialen:
120
Größe: Mitarbeiter: Umsatzanteil
Essen/Getränke: Besuchter Standort:
Herold-Center, Berliner Allee 40,
22850 Norderstedt
Preise ausgesuchter Produkte
Schnittbrötchen: 0,35 Euro
Dinkel-Kürbisbrot: 3,00 Euro
Erdbeerkuchen:
2,10 Euro
Franzbrötchen:
1,00 Euro
Pott Kaffee: 1,80 Euro
Cappuccino:
2,40 Euro
Snack „Southern Pork“: 3,80 Euro
Frühstück:
ab 2,95 Euro
Öffnungszeiten: Mo.-Sa.: 8 bis 20 Uhr
Anzahl der Plätze
a) innen:
b) außen:
52
30
12
135 m²
7
85/15
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Das Team der Filiale mit dem hauseigenen Barista (links). Dieser sorgt für die
nötigen Fertigkeiten des Verkaufspersonals an den neuen Siebträgern.
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[5] Nur auf den zweiten Blick sichtbar: abgesägte Euro-Paletten wurden in Regale verwandelt. [6] Das Brotgeschäft bleibt
auch weiterhin Kerngeschäft, doch mit Snacks wird derzeit Umsatzwachstum gemacht. [7] Der erweiterte Brotschneideservice peilt Singles der Metropolregion an: Der Kunde kann sich Scheiben verschiedener Brote selber zusammenstellen.
ist das Dinkel-Kürbisbrot. Das Schnittbrot-Angebot ist Teil des Services betont Knoop: „Bei uns
kann man sich eine variable Menge Scheiben von allen Brotsorten zusammenstellen. Bei den
vielen Singles in der Großstadt ergibt das auch Sinn.“ Die Verkäufer fragen nach der gewünschten
Scheibendicke und schneiden das Brot frisch vor den Augen der Kunden. Jedoch ist in der nächsten Zeit, was das Brot angeht, noch viel von den beiden zu erwarten, denn – soviel verrät Knoop
– das Brotgeschäft ist gerade Brinkheges aktueller Agenda-Punkt. Die im Dezember notwendige
Allergenkennzeichnung ist allerdings bereits erfolgreich durchgeführt worden: „Lamentieren hilft
da nichts. Was gemacht werden muss, muss gemacht werden und wir haben es bereits gemacht“,
sagt er mit norddeutscher Pragmatik. Auf der Homepage sind bereits die Zutaten und Allergene
von Brot und Brötchen einzusehen.
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Das echte Regionale. Seit dem Geschäftsführerwechsel vor drei Jahren ist viel passiert bei
Dat Backhus: Die vorher viel zu große Anzahl der Artikel im Sortiment wurde auf immer noch
beachtliche 200 reduziert, das Snackangebot hat ein neues Konzept und eine neue Corporate
Identity ist entstanden. Sowohl der frische Außenauftritt als auch die neuen Snacks nehmen
die junge Zielgruppe mit ins
Visier. So soll das Backhus
dem Älter-Werden seiner
Kundschaft begegnen und
sich neue Marktanteile im
Snackgeschäft sichern. Im
Laden in Norderstedt spiegelt
sich die Philosophie von Individualität, Bodenständigkeit
und Regionalität wider. Das
neue Branding der Lieferwagen in Stempel-Optik fasst
den eingeschlagenen Weg
zusammen: Dat Backhus.
Aus Hamburg. Für Hamburg
– das ist eine klare Ansage für
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die Zukunft.
32 der insgesamt 120 Filialen haben schon Siebträgermaschinen. 70 sollen es
werden. Auf Filterkaffee kann im Norden trotzdem nicht verzichtet werden.
Saskia Klimpel
Wir beraten Sie gerne
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MANZ Backtechnik GmbH
Münster 192-193
D - 97993 Creglingen
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Backen und Gebäck. Ladenbacken oder nicht? Zur Gretchen-Frage sagt Knoop, dass fast
alles in der Produktion gebacken werde und das solle auch so bleiben. Zweimal am Tag werden
die Filialen beliefert. Das sei für ihn als regionaler Anbieter die ideale Lösung. Nur Knackfrische,
Croissants, Franzbrötchen und Laugenprodukte werden im Laden gebacken. An Gebäckteilen
bietet die Theke des Backhus zum Beispiel eine erfolgreiche Variante des Franzbrötchens mit
Macadamia-Nüssen. Der Absatz dieser Spielart des Klassikers konnte sich binnen eines Jahres
um 100 Prozent steigern. Farbliche Akzente beim Gebäck setzen HSV- und St. Pauli-Donuts mit
Vereinsfarben-Streuseln.
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