Die Börse

Transcription

Die Börse
Wirtschaft 2 Ÿ HgW Ÿ Börse Ÿ 1
______________________________
Yolanda Cavalli-Flepp
Die Börse
Grundsätzlich unterscheidet man 3 Börsentypen:
l Die Warenbörse/die Produktenbörse (la bourse des marchandises, la bourse de commerce)
Hier werden hauptsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Zucker, Kaffee, Baumwolle,
Getreide, usw., aber auch Metalle (außer Gold) gehandelt (handeln = négocier). Die
bekanntesten Warenbörsen sind Chicago, New York und London.
l Die Devisenbörse (la bourse des devises)
Hier werden ausländische Münzen und Banknoten gehandelt (Devisen = ausländische
Währungen). Die Devisenbörse ist meistens der Effektenbörse angeschlossen.
l Die Effektenbörse/die Wertpapierbörse (la bourse des valeurs)
Hier werden Aktien und Effekten, d.h. Wertpapiere wie Obligationen (festverzinsliche
Wertpapiere mit einer festen Laufzeit = des valeurs à taux fixe avec une durée fixe), Anleihen
(des emprunts), Pfandbriefe (titres de valeur hypothécaire), usw. gehandelt. Die bekanntesten
deutschen Börsenplätze sind Hamburg, Bremen, Frankfurt und Düsseldorf.
Alle wichtigen Unternehmen (und neuestens auch im Internet tätige kleinere Firmen) sind an der
Börse notiert (coté en bourse).
Bemerkung:
In Frankreich gibt es seit 1962 nur noch einen Markt, das so genannte Parkett. In Deutschland
unterscheidet man 3 Märkte.
l Der offizielle oder amtliche Markt:
Hier werden nur börsenfähige, offiziell anerkannte Wertpapiere (Staatsanleihen sowie die Aktien
großer Kapitalgesellschaften) gehandelt. Hier arbeiten vereidigte Börsenmakler (courtiers
assermentés / agents de change agrées), die für ihre Arbeit eine Maklergebühr (le courtage)
bekommen. Jeden Tag wird ein amtlicher Kurszettel (cote officielle) veröffentlicht.
l Der geregelte Freiverkehr oder die Kulisse:
Hier werden – ebenfalls in den Börsenräumen – Wertpapiere gehandelt, die nicht zum amtlichen
Verkehr zugelassen sind, für die die Banken aber eine spezielle Zulassung (admission à la cote)
bekommen haben. Hier arbeiten Banken und freie Makler (courtiers libres, non inscrits). Die
Kurse werden im Anhang zum amtlichen Kurszettel veröffentlicht.
l Der ungeregelte Freiverkehr oder der Telefonhandel:
Hier werden nicht börsenfähige Wertpapier außerhalb der Börse und der Börsenzeiten
gehandelt. Es handelt sich um Geschäfte zwischen Banken, die meist per Telefon vermittelt
werden. Die Kurse werden durch die Banken bekannt gemacht.
Der Börsenindex (l‘indice boursier, l‘indicateur de tendances) verzeichnet die Kursveränderungen
der Aktien.
Der Aktienindex (la cote, l‘indice des cours des actions) wird aus dem Durchschnittswert der
Aktienkurse aller amtlich notierten Aktien eines Landes berechnet. Er lässt den allgemeinen
Aktientrend erkennen.
Dieser Aktienindex heißt:
in Deutschland
DAX (Deutscher Aktienindex)
in Frankreich
Cac 40
in den USA
Dow Jones
Nasdaq (US-Technologiebörse)
in Japan
Nikkei-Index
in der Schweiz
Swiss-Index
Weltbörsenindex
MSCI-World-Index
Yolanda Cavalli-Flepp
Wirtschaft 2 Ÿ HgW Ÿ Börse Ÿ 2
______________________________
Und so funktioniert das:
Börsenmakler (agents de change, courtiers) beobachten rund um die Uhr das Geschehen / die
Entwicklung an den internationalen Börsen. Sie erhalten ständig neue Kauf- und Verkaufaufträge
(ordres d‘achat/de vente) von den Anlegern1. Makler vermitteln also Börsengeschäfte.
Sie wissen:
l wann neue Unternehmen an der Börse eingeführt werden (introduire en bourse)
l ob die Kurse sinken / stürzen / ins Bodenlose fallen (der Kurssturz = la chute du cours)
l ob die Kurse steigen (les cours grimpent)
l wie hoch der Kurswert/der Börsenkurs eines Unternehmens ist (le cours en bourse, une
entreprise est cotée en bourse), bzw. wie hoch es notiert ist (coté)
l wie hoch z.B. Aktien gehandelt werden (négocier en bourse)
Aufgrund der Kauf- und Verkaufaufträge legen die Kursmakler dann den amtlichen Börsenkurs fest.
Jeden Tag nach Börsenschluss (fermeture de la bourse) wird eine Kurstabelle veröffentlicht, auf der
die Tageskurse (cours du jour) verzeichnet sind. Am nächsten Tag öffnet die Börse wieder. Der 1.
Aktienkurs, der nach der Börseneröffnung (ouverture de la bourse) festgestellt wird, ist der
Eröffnungskurs (cous d‘ouverture).
Die Kurse steigen und fallen nach dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage.
Der eigentliche Wert einer Aktie bemisst sich nicht an dem aufgedruckten Nennwert, sondern an
dem Preis, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt: Wenn die Nachfrage nach Aktien größer ist
als das Angebot, steigen die Kurse. Wenn sie stetig steigen, spricht man von einer Hausse und
schließlich von einem Börsenboom. Wenn hingegen das Angebot von Aktien größer ist als die
Nachfrage, sinken die Kurse. Bei einer langfristigen Abschwungsphase spricht man von einer
Baisse; brechen die Kurse vieler Aktien gleichzeitig ein, spricht man von einem Börsenkrach (le
crac boursier).
Die Aktienmärkte unterliegen einem ständigen Auf und Ab.
Sind die Zeiten ruhig, bewegen sich die Aktienkurse zwischen gewissen Bandbreiten, ohne großes
Aufsehen zu erregen. Kommt es aber zu lokalen oder geopolitischen Veränderungen – Börsen sind
ein sehr empfindlich reagierendes Barometer in der globalisierten Welt – so schlagen die Kurse:
l bei positiven Ereignissen (gute Konjunkturdaten, hohe Gewinnaussichten der Unternehmen)
nach oben aus
l bei
negativen
Ereignissen
(Terroranschläge,
hohe
Staatsverschuldung,
niedrigere
Gewinnaussichten der Unternehmen) nach unten aus.
1
Heutzutage – mit dem Shareholder-value – legen immer mehr Privatpersonen ihr Geld in Aktien an (placer).
Im Jahr 2000 sind rund 50% der US-Haushalte an der Börse engagiert (Rentner, Arbeiter, „Sparer“); 2001
hatte fast jeder fünfte Deutsche Aktien; Chile hat sein ganzes Rentensystem an die Börse gekoppelt.
Yolanda Cavalli-Flepp
Wirtschaft 2 Ÿ HgW Ÿ Börse Ÿ 3
______________________________
Stürzt die Börse an einem einzigen Tag über 20% ab, sprechen die Finanzprofis von einem Crash.
Im 20. Jahrhundert gab es 3 große Börsencrashs:
1. 24. Oktober 1929, der schwarze Donnerstag. An diesem Tag endete jäh eine jahrelange Hausse
der New Yorker Börse. Dabei stürzten die Börsenkurse bis zu 90% (Panikverkäufe). Die
Folgewirkungen des schwarzen Donnerstags war die Weltwirtschaftskrise;
2. 19. Oktober 1987, der schwarze Montag, dessen Verluste jedoch 2 Jahre später wieder
wettgemacht waren;
3. 28. Oktober 1997, der durch die Asienkrise ausgelöste schwarze Montag;
4. Die Ende Sommer 2007 begonnene US-Immobilien- und Finanzkrise infiziert nach und nach alle
Industriestaaten und schwappt auf die reale Wirtschaft über. Weltweit sacken die Börsen ab.
Die hektischen Kursausschläge, das zum Teil abrupte Auf und Ab, wird oft mit Attraktionen auf
einem Jahrmarkt verglichen: Mal dreht sich das Karussell immer schneller, mal sind die Kurse auf
Berg- und Talfahrt. Und wenn die Börsen auf Achterbahn sind, ist schon manch einem Anleger, der
sein Erspartes in der Hoffnung auf schnelles Geld in Aktien angelegt hat, das Herz in die Hose
gerutscht.
In diesen turbulenten Zeiten sind die Bullen (Optimisten) der Meinung, dass sich der Sturm schon
bald legen wird, und die Kurse nach einer kurzen Kurskorrektur ihren Höhenflug fortsetzen werden.
Die Bären (Pessimisten) hingegen befürchten, dass die Talfahrt noch nicht zu Ende ist, und noch
viel Vermögen wie Schnee in der Sonne schmelzen wird.
Börsenkrisen wirken sich negativ auf die Konjunktur aus, da die Anleger dabei (viel) Geld
verlieren (Kapital löst sich in Luft auf, die Aktien sind nur noch die Hälfte wert, usw.). Wenn die
Anleger aber weniger Geld haben, investieren sie als Unternehmen weniger, und drosseln den
Konsum als Privatanleger. Æ Verlangsamung der Konjunktur.
Bemerkung: Börsenboom und Börsenkrach werden meist durch Spekulationen ausgelöst: Hohe
Gewinnaussichten lassen Spekulanten z.B. in den nicht unbedingt sicheren Emerging markets
investieren (so genanntes Risikogeld). Andere Anleger folgen ihnen und treiben so – durch die
zusätzliche Nachfrage - die Kurse in die Höhe (faire monter les cours). Man spricht von einer
Hausse (= langfristiger Kursanstieg). Kommen nun Gerüchte auf über schlechte Wirtschaftsdaten
oder gar eine bevorstehende Abwertung (Bath 1997 in Thailand, Real 1999 in Brasilien, Peso 2002
in Argentinien), spekulieren die Börsenhaie auf eine Baisse und stoßen die Aktien/Devisen
massenhaft ab (vendre), um sich gegen Kursverluste abzusichern (couvrir le risques). Kleinere
Anleger folgen ihnen. Es kommt zu Panikverkäufen. Da nun das Angebot viel größer ist als die
Nachfrage, fallen die Kurse ins Bodenlose.
Futures
Futures sind an Terminbörsen durchgeführte Termingeschäfte. Die bekannteste (und weltweit erste)
Warenterminbörse ist die 1848 gegründete Chicago Board of Trade (CBOT). Wie ihr Name besagt,
werden die Termingeschäfte - im Gegensatz zu den Kassageschäften – nicht sofort bei
Geschäftsabschluss erfüllt, sondern erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt.
Futures haben ihren Ursprung im Agrarsektor, wo die Produktpreise infolge von äußeren Faktoren
(Unwetter, Missernten) oft starken Schwankungen unterlegen waren. Um sich dagegen abzusichern,
haben die Bauern schon früh begonnen, ihre Ernte oder einen Teil davon im Voraus zu einem
bestimmten Preis zu verkaufen. Auf dem heutigen Warenterminmarkt verpflichtet sich der Verkäufer
genau wie anno dazumal, eine festgelegte Menge eines bestimmten Produkts mit vereinbarter Qualität
zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dem bei Vertragsabschluss festgelegten Preis zu verkaufen. Der
Käufer muss die Ware zu den vereinbarten Bedingungen abnehmen oder einen Ersatzkäufer suchen.
Die Terminbörse ist ein idealer Tummelplatz für Spekulanten. Diese kaufen nämlich Kaffee oder
Kartoffeln nicht für sich, sondern weil sie hoffen, den Kontrakt mit Kursgewinn weiterzuverkaufen. Ist
der Kurs inzwischen jedoch gesunken, müssen sie Verluste einstecken.