Teil 1: Die Immobilienkrise in den USA (21.10.09) (PDF 933 KB)
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Teil 1: Die Immobilienkrise in den USA (21.10.09) (PDF 933 KB)
Geldpolitik in Zeiten der Finanzkrise Prof. Dr. Gerhard Illing Seminar für Makroökonomie, LMU http://www.sfm.vwl.uni-muenchen.de/index.html Vorlesung "Topics in Economics“ Gratwanderung zwischen Deflation und Inflation? Geldpolitik in der Finanzkrise Literatur: Blanchard/Illing, Makroökonomie 2009, Kapitel 22 Teil 1: Die Immobilienkrise in den USA 21.10.09 Teil 2: Die Rolle der Geldpolitik 28.10.09 © Prof. Dr. Gerhard Illing Seite 1 Kernfragen Was lief schief? Wo liegen die Herausforderungen? Welche Reformen sind nötig? Welche Rolle kann Geldpolitik dabei spielen? Vorlesung heute: Fokus auf US Immobilienmarkt Ursachen für den Preisanstieg vor der Krise Auswirkungen des Preisrückgangs: „Teufelskreis“ Lösungsansätze zur Stützung der Banken Anreizprobleme auf Finanzmärkten Seite 2 Rolle der Geldpolitik beim Entstehen der Krise Verbriefung als innovatives Finanzierungsmodell: “With these advances in technology, lenders have taken advantage of credit-scoring models and other techniques for efficiently extending credit to a broader spectrum of consumers. … Where once more-marginal applicants would simply have been denied credit, lenders are now able to quite efficiently judge the risk posed by individual applicants and to price that risk appropriately. These improvements have led to rapid growth in subprime mortgage lending. Indeed, today subprime mortgages account for roughly 10 percent of the number of all mortgages outstanding, up from just 1 or 2 percent in the early 1990s.” Alan Greenspan, Chairman US FedFourth Annual Community Affairs Research Conference Washington, D.C. April 8, 2005. Seite 3 Jan 09 Jan 08 Jan 07 Jan 06 Jan 05 Jan 04 Jan 03 Jan 02 Jan 01 Jan 00 Jan 99 Jan 98 Jan 97 Jan 96 Jan 95 Jan 94 Jan 93 Jan 92 Jan 91 250 Jan 90 Jan 89 Jan 88 Jan 87 Case-Shiller Home Price Index (Jan 2000 = 100) Starker Anstieg der Immobilienpreise Case-Shiller Home Price Index (Composite-10) Jan 1987 - Juni 2009 Case-Shiller Home Price Index (Composite-10) 200 150 100 50 0 Seite 4 Anstieg des Anteils von Hausbesitzern in den USA 1/ 2005 69,1% Seite 5 Starker Anstieg der Verschuldung aus Immobilienbesitz Seite 6 Vor der Krise Verbriefung als innovatives Finanzierungsmodell: Breite, weltweite Streuung von Risiken? Geldpolitik: niedrige Zinsen (Furcht vor Deflation; Keine Reaktion auf steigende Vermögenspreise) Globale „Sparflut“ (z. B. China: Aufbau hoher Devisenreserven bei fixen Wechselkursen) → niedrige langfristige Realzinsen „Engelskreis“: Selbstverstärkende Rückkoppelung zwischen Kreditvergabe und Immobilienpreisen Kernpunkt: Investmentbanken streben konstante Leverage-Quote an Hohe Hebelwirkung durch Fremdfinanzierung (starker Anstieg kurzfristiger Refinanzierung) → Fehlanreize im Finanzsystem verstärken Boom/Bust Aber: Rückkoppelung kann sich schnell in einen „Teufelskreis“ verkehren! Leverage: Quote von Fremd- zu Eigenkapital Seite 7 Vor der Krise Hohe Hebelwirkung durch Fremdfinanzierung → Fehlanreize im Finanzsystem verstärken Boom/Bust „Engelskreis“: Selbstverstärkende Rückkoppelung zwischen Kreditvergabe und Immobilienpreisen bei einer Bewertung zu Marktpreisen Leverage: Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital Banken streben konstanten Leverage (damit auch konstanten Anteil von Bankaktiva zu Eigenkapital) an Steigender Marktwert der verbrieften Hypotheken → Anreiz, Hypothekenkredite auszuweiten → Anstieg der Immobilienpreise → Marktwert steigt weiter Beschríeben in: Illing, Financial Stability and Monetary Policy, 2006 Seite 8 Positiver Feedback-Mechanismus („Engelskreis“) Banken bewerten verbriefte Hypothekenkredite zu Marktpreisen Mit steigendem Marktwert: Nettovermögen steigt → Anreiz zu verstärkter Kreditvergabe Bankmanager nehmen neue Einlagen auf, um die Fremdkapitalquote (FK/EK) anzupassen (Leverage) Bankbilanz Aktiva Marktwert der Hypotheken Passiva Sichteinlagen; Commercial Papers Eigenkapital (Nettovermögen) Marktwert steigt Nettovermögen steigt Zuwachs an neuen Anstieg der Zuwachs an Krediten → Anstieg der Einlagen Kreditvergabe Immobilienpreise → Anstieg des Marktwerts → Feedback Mechanismus Mechanismus kann sich schnell in einen „Teufelskreis“ verkehren! Seite 9 Negativer Feedback-Mechanismus („Teufelskreis“) Teufelskreis bei fallenden Immobilienpreisen: Deleveraging verschärft Bust: Fire Sales! Mit sinkendem Marktwert: Nettovermögen sinkt → Anreiz, die Kreditvergabe einzuschränken Kurzfristige Einlagen werden abgezogen: Prozess des Deleveraging Rückgang der vergebenen Kredite → Verfall der Immobilienpreise → Verfall des Marktwerts → Feedback Mechanismus Bankbilanz Aktiva Passiva Marktwert der Hypotheken Sichteinlagen; Commercial Papers; Zertifikate Rückgang der Kreditvergabe Rückgang der Einlagen Marktwert sinkt weiter Eigenkapital (Nettovermögen) Marktwert sinkt Nettovermögen schrumpft → Erosion des Eigenkapitals → Zwangsverkäufe Seite 10 Starker Verfall der Immobilienpreise Stand: Oktober 2009 Seite 11 Starker Verfall der Immobilienpreise Stand: Oktober 2009 Seite 12 Starker Verfall der Immobilienpreise Seite 13 Starke Änderungen der Immobilienpreise Verhältnis von Hauspreisen zu Einkommen; Quelle: OECD Seite 14 US Immobilienmarkt: Subprime Loans Preisanstieg in manchen Ländern Europas war noch viel stärker Aber spezifische Charakteristika des US Marktes: Subprime Loans: „Ninja“ - No Income, No Job, (and) no Assets. Teaser Rates: Keine Rückzahlungen in den ersten 2 Jahren; dann aber variable Verzinsung Non-Recourse Loans: Haus als einziges Pfand für die Bank Æ „Jingle Mail“, falls Hauspreis unter Wert der Hypotheken fällt (negatives Eigenkapital) Verbriefung erschwert Modifikation der Hypothekenkontrakte (Umschuldung statt Zwangsvollstreckung) Seite 15 Ausfallrate von Hypothekenkrediten Seite 16 Schätzung des Anteils der Hausbesitzer mit negativem Eigenkapital Seite 17 Potenzial für Rückgang der Hauspreise Preisentwicklung abhängig vom Wachstum der US Wirtschaft Seite 18 Rückgang der Hauspreise in verschiedenen Städten Seite 19 Anteil leerstehenden Wohnraums Seite 20 Einbruch der Börsenkurse Stand: Oktober 2009 Seite 21 Multiple Gleichgewichte Panikverkäufe können den Marktwert der verbrieften Kredite unter den “Fundamentalwert” treiben → Sich selbst erfüllende Panik Makroökonomische Feedback Effekte: Banken schränken Kreditvergabe ein → Rezession → Verfall der Hauspreise → Teufelskreislauf Überlegung: Falls es gelingt, den Marktwert der verbrieften Kredite zu stabilisieren (eine Untertreibung nach unten zu verhindern), kann Teufelskreislauf durchbrochen werden Politikmaßnahmen – Interventionen zur Stabilisierung? → Geldpolitik (Vorlesung nächste Woche) → Paulsen Plan: Aufkauf von Wertpapieren über Auktionen → Rekapitalisierung der Banken (Rettungspakete) → Konjunkturprogramme → Modifikation der Hypothekenkredite Seite 22 Multiple Gleichgewichte bei verbrieften Wertpapieren PMBS S Vor der Krise A PA DPaulson B “Panikverkäufe” durch Deleveraging C Marktgleichgewicht nach Einbruch der Immobilienpreise Nach Panikverkäufen D Dcrisis D XMBS Seite 23 Lösungswege Beispiel einer Bankbilanz: Aktiva Verbriefte Wertpapiere Gesamtwert Passiva 100 100 Einlagen 70 Kurzfristige Verschuldung 10 Langfristige Verschuldung 10 Eigenkapital 10 Gesamtwert 100 Seite 24 Bankrott: Gläubigerverluste Lösungswege Einbruch der Vermögenspreise führt zur Erosion des Eigenkapitals der Banken: Aktiva Verbriefte Wertpapiere Gesamtwert Beispiel 80 90 Passiva 90 80 100 100 90 80 Einlagen 70 Kurzfristige Verschuldung 107 Langfristige Lehman Verschuldung Zertifikate 103 Eigenkapital Aktionäre 100 Gesamtwert 100 80 90 Erosion des Eigenkapitals der Banken →Zusammenbruch der Kreditvergabe →Stillstand der gesamten Wirtschaft →Einbruch der Vermögenspreise Rekapitalisierung der Banken nötig, um Zusammenbruch zu verhindern! Seite 25 Lösungswege Alternativen: A) Aufkauf von Assets (ursprüngl. Paulson Plan) Aufkauf zum aktuellen Marktwert verringert Eigenkapitalbasis Aufkauf zum Buchwert stärkt Eigenkapital (aber: belohnt Fehler!) Sozialisierung der Verluste! B) Stärkung des Eigenkapitals durch Rekapitalisierung (Herausforderung: Identifiziere “gute” Banken, Teilverstaatlichung der “maroden” Banken Schlüssel zum Erfolg: Sanierung rentabler Banken Initiiere Kreditvergabe an profitable Zukunftsprojekte (Abschreiben vergangener Verluste) Problem: Intransparenz des Marktes; Vertrauensverlust Seite 26 Lösungswege: Aufkauf der Papiere Paulson Plan: Versteigerung der verbrieften Wertpapiere Wie hoch ist ihr Fundamentalwert? 100, 90 oder 80? Aktiva Passiva Verbriefte Wertpapiere 100/90/80 100 Einlagen Gesamtwert 100 100/90/80 70 Kurzfristige Verschuldung 10/10/10 10 Langfristige Verschuldung 10 10/10/0 Eigenkapital 10 10/0/0 Gesamtwert 100 100/90/80 Falls Auktionspreis unter dem Buchwert liegt: Erosion des Eigenkapitals der Banken Aufkauf zum Nennwert bedeutet verdeckte Rekapitalisierung der Bank; dabei übernimmt der Staat gesamte Risiko Seite 27 Lösungswege: Zufuhr von Eigenkapital Rekapitalisierung der Banken: Zufuhr von 5 Mrd. Eigenkapital Aktiva Passiva Verbriefte Wertpapiere 100/90/80 100 Einlagen Cash Gesamtwert 5/5/5 100 105/95/85 Kurzfristige Verschuldung 10 10/10/10 Langfristige Verschuldung 10 10/10/5 Eigenkapital 10 15/5/0 Gesamtwert 100 105/95/85 Staatliche Zufuhr von Eigenkapital →Beteiligung an zukünftigen Erträgen bzw. Verlusten ´ 70 (entwertet Ansprüche der Altaktionäre) Rekapitalisierung der Banken soll Wirtschaft stimulieren Vertrauen nötig! Seite 28 Durchbrechen des Teufelskreises Kernproblem: Zusammenbruch des Vertrauens zwischen Banken verhindert Kreditvergabe. Kollaps des Bankensystems kann Kollaps der gesamten Wirtschaft auslösen Übergreifen auf die Realwirtschaft Weltweite Ansteckungseffekte (Rückzug des Kapitals aus Schwellenländern) Rettungspakete: Kurzfristige Maßnahmen, um einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern Staatliche Interventionen zur Stabilisierung des Vertrauens Im Erfolgsfall: Kreditzusagen führen nicht zu Anstieg der Verschuldung Mittel- und langfristig notwendig: Maßnahmen zum Verhindern der nächsten Krise Ansatzpunkt: Anreizmechanismen auf den Finanzmärkten! Seite 29 Anreizprobleme auf Finanzmärkten Anreize für Subprime Kredite? - Hohe Provisionen - Verlagerung der Risiken durch Verbriefung (CDO) - Bonität durch Rating-Agenturen zertifiziert - Glaube an stetig steigende Immobilienpreise American financial-services industry's share of total corporate profits: 10% in the early 1980s 40% at its peak last year (2007) Financial services account for only 5% of private-sector jobs. Quelle: Economist März 2008 The financial system What went wrong Seite 30 Anreizprobleme auf Finanzmärkten Verbriefung als innovatives Finanzierungsmodell: Breite, weltweite Streuung von Risiken? Starke Anreize für Bankmanager, kurzfristige Rendite über Hebelwirkung (Leverage) zu steigern → Versuch, den Verschuldungsgrad konstant zu halten → selbstverstärkende Effekte (begrenzte Haftung; Risiken durch Verbriefung und Swaps ausgelagert) Regulierungsarbitrage: Auslagerung riskanter Aktivitäten ins deregulierte Schattenbankensystem Intransparenz der Risiken → Verpackung von Giftmüll, von Rating Agenturen als AAA zertifiziert → Zusammenbruch des Vertrauens zwischen Banken → Zusammenbruch des Marktes für Wertpapiere See YouTube video: John Bird and John Fortune, Subprime Crisis Seite 31 Anreizprobleme auf Finanzmärkten Zusammenbruch von Märkten bei asymmetrischer Information George Akerlof: „Markets for Lemons“ Beispiel Gebrauchtwagenmarkt: Verkäufer kennt Qualität seines Autos; Käufer kann Qualität nicht beurteilen; fordert Abschlag; Markt bricht zusammen: Gute Autos werden gar nicht erst angeboten Wirksame Institutionen: Garantien, Haftung; staatlicher TÜV Kreditmärkte basieren auf Vertrauen – Vertrauen ist zerstört Nötig: International verlässliche Regeln und Sanktionen Wettbewerb der Systeme funktioniert nicht → Reform der internationalen Finanzarchitektur Transparenz und wirksame Kontrolle (BSE Fleisch) Seite 32 Zusammenfassung US Immobilienmarkt Ursachen für den Preisanstieg vor der Krise: Fehlanreize im Finanzsystem; Wettbewerb der Deregulierung des Schattenbanken-Sektors auf niedrigstes Niveau „Teufelskreislauf:“ Rückgang der Immobilienpreise → Deleveraging → Erosion des Eigenkapitals der Banken → Einschränkung der Kreditvergabe → Rezession → Rückgang der Immobilienpreise Lösungsansätze (Rettungspakete): Zentrale Herausforderung: Rekapitalisierung der Banken Anreizprobleme auf Finanzmärkten: Reform der internationalen Finanzarchitektur Seite 33