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Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 3 Monika Voss Kennste noch dat alde Leed Heine-Texte in Original und Mundart Droste ● Mundart Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 5 Zum Geleit Selbstverständlich war ihm das Rheinische vertraut, auch wenn sich der Dichter Heinrich Heine in seinem »Memoiren«-Fragment stolz darauf beruft, wie ihn von früh an die hannoversche und damit beste Aussprache des Hochdeutschen vonseiten seines Vaters geprägt habe und wie sehr ihn das Rheinische, zumal aus Köln und wenn es in Richtung Holland gehe, doch eher, um es gelinde auszudrücken, wenig anspräche! Verstehen konnte er das Idiom seiner Heimat zweifellos dennoch und die damit einhergehende Liebenswürdigkeit wie Schnoddrigkeit mochte ihm durchaus viel besser gefallen, als er dann öffentlich zugab. Er war eben doch des freien Rheins noch weit freierer Sohn, was er 1844 im Vorwort zu seinem Versepos »Deutschland. Ein Wintermärchen« eigens bekennt. Und wenn es um den Niederrhein und Düsseldorf ging, war fast ein Jahrzehnt zuvor im Skandalroman seiner Zeit mit dem Titel »Wally, die Zweiflerin« von Karl Gutzkow aus dem Jahre 1835 Heines Geburtsstadt nach Goethes Tod gleich, wenn auch vorsichtig, zum neuen Weimar ausgerufen worden. Denn hier hielten, wenigstens ansatzweise, Literatur, Kunst und Musik in einem kurzen Intermezzo, das als Gesamtkunstwerk begriffen werden konnte, wundersam zusammen. Er lebte nach manchen deutschen Ortswechseln bereits in Paris und sollte dort auch bis zu seinem Tod im Jahre 1856 bleiben. Heine im Düsseldorfer Originalton! Das ist ein Wagnis, aber es kann gelingen, vor allem, wenn die 5 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 6 Auswahl derart souverän Gedichte und Prosa zu einem ebenso eigenständigen wie farbigen Lebensbericht zusammenfügt und auf diese Weise ein neues Ganzes schafft. Das Gemütliche oder Harmlose behält seine hintersinnige Abgründigkeit, die auf Schritt und Tritt im Dialekt zu findende Verkleinerungsform erreicht auf elegante Weise eine humoristische Glaubwürdigkeit. Gerade in der Lyrik ist manches Mal eher von Übertragungen, ja Neuschöpfungen und Erfindungen zu sprechen und nicht von getreuen Übersetzungen. Dafür liegen einfach zu große Welten zwischen dem Hochdeutschen und der in Düsseldorf gesprochenen Sprache. Aber den aus der Altstadt stammenden weltberühmten Schriftsteller kann man dennoch zwischen den Zeilen und unter allen so bequem, ja vertraut klingenden Worten wieder finden – und er wird einem gefallen. Monika Voss sei Dank! Sie hat den komplizierten Seelenfalten nachgespürt und nicht nur den richtigen, sondern passenden Ausdruck sagen lassen, was gemeint war. Selbst wenn der Dichter einem vorher schon, im Unterschied zu vielen anderen, so wenig entrückt erschien, so spontan und nachbarschaftlich nah, in der Düsseldorfer Verwandlung ist er erst recht derart zu vernehmen, als ginge er auch lange nach seinem Tode noch neben uns her und erschlösse uns die Stadt, die Umgebung, das Rheinland und schenke uns dadurch am Ende sogar einen großen Teil der uns zugehörigen Welt. Joseph Anton Kruse 6 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 7 Vorwort Es ist anzunehmen, dass Heinrich Heine, der seine Jugendjahre in Düsseldorf verbrachte, der Dialekt seiner Heimatstadt nicht fremd war. Es gibt keine zuverlässigen Quellen, die belegen können, wie er selbst gesprochen hat. Auffallend sind seine Schwierigkeiten im Gebrauch des Akkusativs und Dativs. Könnten sie ein Beweis dafür sein, dass seine Sprache regional beeinflusst war? Auf jeden Fall lassen es einige mundartliche Ausdrücke vermuten, die in seinen Schriften auffallen, wenn er z.B. im Schelm von Bergen den »Drickes und die Marizebill« tanzen lässt und nicht die rote Sophia, sondern das rote »Sefchen« küssen will. So scheint er mit einer Mehrsprachigkeit von Dialekt und Hochsprache aufgewachsen zu sein. Heines Werke wurden in zahlreiche Sprachen und Dialekte übersetzt. So liegt es nahe, sie auch in die Muttersprache seiner Geburtsstadt zu übertragen. Ich wähle mit Absicht den Ausdruck übertragen und nicht übersetzen. Eine Übersetzung klebt am Wort. Viele hochdeutsche Wörter lassen sich nicht einfach Wort für Wort in Mundart »übersetzen«. Man muss sie umschreiben, manchmal in einem ganzen Nebensatz, um der Aussage gerecht zu werden. So wird z.B. aus der hochdeutschen Zeile »Mit deinen schönen Augen hast du mich gequält so sehr« die mundartliche »Wat wore din Stähneoore för 7 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 8 mech en Ping wie nie« oder es wird »Liebestrunkenheit« übertragen in »mi Hezz mäkt doll mech hütt«. Der Imperfekt ist die Zeitform der erzählenden Prosa. In der Mundart ist eher die umgangssprachliche Form des Perfekts üblich. Aus diesem Grunde habe ich in den Texten aus dem Buch Le Grand und den Memoiren oft zugunsten des lebendigeren, vertrauten Perfekts oder Plusquamperfekts auf die steifere Form des Imperfekts verzichtet. Bei der Übertragung von Prosatexten in die Mundart ist man freier in Wort- und Satzgestaltung als bei Gedichten. Hier ist man durch Reim und Metrum gebunden, kann jedoch durch Umstellung der Zeilen den Sinn der Strophe erhalten. Dieses Umformen ist oft ein Muss, da viele hochdeutschen Wörter denselben Endreim haben, die entsprechenden mundartlichen aber keineswegs. Erleichtert wird das Umgestalten dabei durch die Umschreibung mit »donn« – ähnlich dem Englischen »to do« – : »Dat ech üch do owe widder treffe donn« oder der Verlaufsform mit »am«: »Mer wore nit am bratsche«. Mundart zeichnet sich aus durch Treffsicherheit, bildhaften Ausdruck und einem heiteren Augenzwinkern. Sie unterstreicht Heines Sprachkraft und macht sie manchmal facettenreicher. Seinem Spott und seiner Ironie werden Schärfe und Spitze genommen, seine Lieben und Leiden gemildert. Warum überträgt man Heinrich Heine in Mundart? 8 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 9 Es hat mir einfach Vergnügen bereitet, seine Texte in einen Mundart-Mantel zu kleiden, um damit die Plastizität und Farbigkeit seiner Sprache zu unterstreichen. So öffnet sich ein neuer Zugang, entsteht »ein neues Lied«, das Heines scharfe Zunge, seinen Ideenwitz, seine Kritik an Spießertum und Intoleranz ebenso wie seine zart-ironische Liebeslyrik erklingen lässt. Die Sprache einer Region spiegelt etwas von ihrer Eigenart und Ursprünglichkeit wider. Mit ihr verbinden die Menschen Heimatgefühl und Vetrautheit. Auch Goethe hat dies in »Dichtung und Wahrheit« auf den Punkt gebracht: »Jede Provinz liebt ihren Dialekt: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Athem schöpft.« Hans Müller-Schlösser, der als Vater des »Schneider Wibbel« berühmt wurde, meinte: »In seiner Sprache lernt man das Volk recht kennen und erfährt, dass es nicht nur lachen, sondern auch weinen kann und starker Empfindungen fähig ist und eine Sprache besitzt und meistert, mit der es seinen Empfindungen plastischen Ausdruck geben kann, eine Sprache, die sehr oft turmhoch über dem hochdeutschen Gestammel manches sogenannten Gebildeten steht.« Der letzte Teil seiner Aussage dürfte wohl »turmhoch« übertrieben sein, aber der erste keineswegs. Mit dem vorliegenden Buch verbinde ich den Wunsch, vielen Düsseldorfern, den alten wie den jun- 9 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 10 gen, den einheimischen wie den zugereisten, einen neuen, amüsanten Zugang zu unserem Heinrich Heine zu eröffnen. Mögen auf die Frage: »Kennste noch dat alde Leed?« viele Leser antworten: »Däm Heine si Leed kenne mer, von däm dommer sojah ene janze Hoope Leeder kenne.« Monika Voss 10 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 13 Amor zwesche ons jesesse hatt Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 14 Teurer Freund, du bist verliebt Teurer Freund, du bist verliebt Und dich quälen neue Schmerzen; Dunkler wird es dir im Kopf, Heller wird es dir im Herzen. Teurer Freund, du bist verliebt, Und du willst es nicht bekennen, Und ich seh des Herzens Glut Schon durch deine Weste brennen. Wir fuhren allein im Dunkeln Wir fuhren allein im Dunkeln Postwagen die ganze Nacht; Wir ruhten einander am Herzen, Wir haben gescherzt und gelacht. Doch als es morgens tagte, Mein Kind, wie staunten wir! Denn zwischen uns saß Amor, Der blinde Passagier. 14 Voss_Heine_Umbruch 27.01.2006 12:21 Uhr Seite 15 Leewe Jong, di Hezz es fott, Leewe Jong, di Hezz es fott, doröm häste och neue Ping! Dinne Kopp es wie kapott, doch di Hezz hät Sonnesching! Leewe Jong, di Hezz es fott! Doch offe sare wellste’t nit donn. Dobei süht mr dörch di Hemp hell et Hezz en Flamme stonn. Mer fuhre alleen, et wor düster Mer fuhre alleen, et wor düster em Postware de janze Nacht; Mer zwei hadde ons em Ärmche, hannt Mäuzkes jemaht on jelacht. Doch wie dann jekomme dr Morje, Mi Liebche, wat wor denn dat? Dä blende Passajeer Amor zwesche ons jesesse hatt. 15