Novomatic Admiral Automaten

Transcription

Novomatic Admiral Automaten
14. Ein weitreichendes Spiel
Als Elfriede noch ein kleines Mädchen ist, fällt ihr Vater im Krieg. In der Folge verbringt sie eine bescheidene
Kindheit im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten. Gemeinsam
mit ihren fünf Geschwistern teilt sie sich ein Zimmer. Wenn
Elfriede aber ausgeht, studiert sie die Kleidung der höheren Gesellschaft, ihre Umgangsformen, ihr Selbstvertrauen.
Denn sie hat sich früh geschworen: Sie muss hinaus aus ihrem Milieu, hoch hinaus. In der ersten großen Liebe glaubt
sie, einen Weg hinaus zu erkennen: die Ehe. Das Glück währt
nicht lange. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter lässt
sich ihr Mann scheiden. Seither bestimmen Elfriedes weiteren Weg ihr absoluter Willen zu Wohlstand sowie ein bekennender Hass auf Männer.
Die Berufswahl als Krankenpflegerin ist traditionell, der
Lebensstil hingegen anspruchsvoll. Um diesen Anspruch
auf Luxus zu stillen, sucht Elfriede Nähe und Vertrauen von
Männern – genaugenommen deren Vermögen. Mit ihrem
medizinischen Fachwissen hält sie diese Verhältnisse zeitlich begrenzt. Als die Frau ihrer „Wahleltern“ stirbt, nimmt
Elfriede den nun verwitweten Otto Reinl in ihre häusliche
Pflege. Er ist kinderlos, als pensionierter Bankangestellter
recht vermögend – und zuckerkrank. Elfriede nennt Otto
Reinl liebevoll „Vatili“, während sie ihm über Jahre hinweg
das Blutzucker senkende Mittel Euglucon verabreicht. Sie erhöht schließlich die Dosis, bis „Vatili“ stirbt. Elfriede meint,
sie habe ihn von seinem Leiden befreit.
– 129 –
Für ihren Wohlstand tut Elfriede wirklich alles, ohne
Skrupel. Es scheint der Mentalität vieler im Österreich der
1980er Jahre zu entsprechen. In ihrer zweiten Ehe sucht Elfriede das neue Glück. Es dürfte aber bei der Suche nach
dem Glück des Geldes bleiben. Ihrem Mann, Rudolf Blauensteiner, verabreicht sie ebenfalls jahrelang Euglucon. Bis
er im Alter von nur 52 Jahren stirbt. Den Tod habe er sich
verdient, so die Witwe. Er hinterlässt ihr ein hübsches Vermögen und seinen Namen. Unter dem Namen Blauensteiner
wird Elfriede als reulose Massenmörderin in die Kriminalgeschichte eingehen.
„Die schwarze Witwe“, wie „Die Presse“ sie bald nennen
wird, treibt nicht nur der Hass auf Männer zu ihren Taten.
Was viele nicht wissen: Elfriede Blauensteiner ist spielsüchtig, Geldspielautomaten sind ein wesentlicher Teil ihrer
Sucht. Seit den 1960er Jahren braucht sie ständig frisches
Geld für das Glücksspiel. Und bestätigt übrigens hierin eine
Statistik: Frauen beginnen deutlich später zu spielen. Sie
neigen erst im gehobenen Alter dazu, während Männer oft
schon vor dem 19. Lebensjahr anfangen.1
Geld scheint auch im nächsten Fall eine Hauptrolle zu
spielen: Blauensteiners betagte Nachbarin Franziska Köberl
stirbt an den Folgewirkungen eines Kaffees. Dies nachdem
sie ein Testament zugunsten Blauensteiners ausstellt.
Die Skrupellosigkeit, mit der die Protagonisten des
Glücksspiels immer wieder vorgehen, zeigt sich an einem
weiteren Mordfall der Elfriede Blauensteiner: Per Kontaktinserat lernt sie den pensionierten Postamtsleiter Alois Pichler
kennen und zieht in sein Haus ein.
1
L✬ut österreichischer Spielsuchthilfe
– 130 –
Nach wenigen Wochen liegt der bis dahin gesunde Mann
wegen Unterzucker im Koma. Als er sich erholt, rührt ihm
Blauensteiner das Antidepressivum Anafranil in die Getränke. Zuletzt 20 Tabletten. Dann sperrt sie ihn in seinem
Zimmer ein. Der hilflose Mann taumelt umher, stürzt gegen
Möbel, ruft um Hilfe. Aber der „Burli“, wie Elfriede ihn liebevoll nennt, will nicht sterben. Also dreht sie die Heizung ab,
öffnet an diesem kalten Wintertag die Fenster und wartet.
Nach wenigen Stunden ist Alois Pichler tot. Elfriede Blauensteiner erbt sein Vermögen und das Haus. Das Testament ist
gefälscht.
Wenige Monate zuvor ermordet Elfriede Blauensteiner
den 65-jährigen Friedrich Döcker. Noch bevor er an ihrem
Gift stirbt, verkauft sie sein Haus. Angelockt wurde der Pensionist, wie gewohnt, per Kontaktanzeige: In einen „ruhigen
Lebensherbst“. Die versprochene „treusorgende Kameradin
und Krankenschwester“, wie es in ihrem Inserat heißt, war
Blauensteiner nicht einmal ein Jahr lang.
Ein weiteres Opfer, Erwin Niedermayer, stirbt nach einem Giftgetränk und hinterlässt seiner Mörderin ebenfalls
ein beachtliches Vermögen.
Die Verachtung für Männer mag ein Antrieb gewesen
sein, doch hätte dieser allein für die Morde gereicht? Augenscheinlich an der Vorgehensweise der Spielerin Blauensteiner ist die Auswahl der Opfer nach deren Vermögen. Die
Suche nach Geld. Und die berechnende, genau durchdachte
Vorgehensweise. Neben der Ungeheuerlichkeit der Taten
erstaunt das vorsätzliche Spiel mit den Behörden, die ständige skrupellose Täuschung. Der Leichnam des zweiten Ehemanns, Rudolf Blauensteiner, wird eingeäschert; Friedrich
Döckers Leichnam dem Anatomischen Institut vermacht.
– 131 –
Mit gefälschter Unterschrift. Beim Verfassen der Testamente steht Blauensteiner ein Anwalt zur Seite. Auch gegen ihn wird ermittelt, eine Untersuchungshaft verhängt.
Ständiger professioneller Rechtsbeistand, zwecks Biegen
und Beugen der Gesetze, ist ein bekanntes Merkmal in der
Glücksspielbranche, ebenso wie im organisierten Verbrechen. Und wie so oft, bringt letztlich die Gier das durchdachte Verbrechen zu Fall. Die spielende Mörderin will mehr und
mehr, bis schließlich ein leer ausgehender Erbe Anzeige erstattet.
Und nun, als die Öffentlichkeit über ihre Schuld verhandelt, spielt Blauensteiner eine Rolle wie die ganz großen der
Gesellschaftsfeinde: Keine Einsicht, keine Reue. Bis zuletzt
stellt sie sich in der Öffentlichkeit als groß, beinahe unentbehrlich dar. Als Star. Ja, sogar als Retterin, denn sie habe
ihre Opfer vom Leiden erlöst. Schließlich wiederruft sie ihre
Geständnisse. Keine Rede mehr vom Vermögen der Getöteten, das zumindest eine Triebfeder war. Keine Einsicht, dass
sie ohne die Verbrechen nicht zu ihrem eigenen, beträchtlichen Vermögen gekommen wäre. Offenbar vereint Spieler
mangelnde Schuldeinsicht, illegales Glücksspiel und organisiertes Verbrechen.
Ist der Fall Elfriede Blauensteiner ein Einzelfall? In der
Vorgehensweise vielleicht eine Seltenheit, ist er es darüber
hinaus keineswegs. Mord, der zu den größten aller Verbrechen zählt, ist in der Welt des Glücksspiels und der Spielsucht weit verbreitet.
– 132 –
Der rege öffentliche Anteilnahme hervorrufende Blauensteiner-Prozess ist noch in aller Munde, da wird eine Wiener
Taxifahrerin wegen Mordes verurteilt. Motiv der 49-Jährigen: Spielschulden. Bevor sie einen 65-jährigen Architekten
erschlägt, erdrosselt und im Garten vergräbt, baut sich zwischen den beiden über mehrere Monate ein Vertrauensverhältnis auf – vermeintlich. Denn die Frau plündert schon zu
Lebzeiten des Architekten dessen Sparbuch, am Ende verkauft die krankhaft Spielsüchtige auch noch sein Auto. Das
Geld wirft sie in Glücksspielautomaten im Wiener Prater.2
Tödlich endet ein Ehestreit an einem Samstagmorgen
in Mödling, Niederösterreich. Die Novomatic-Heimat Gumpoldskirchen liegt in diesem Bezirk. In der Wohnung des
gemeinsamen Wirtshauses versetzt ein 35-jähriger Österreicher seiner um ein Jahr älteren Ehefrau mehrere Stiche in
den Brust- und Bauchbereich. Anschließend stellt er sich der
Polizei. Für das Opfer kommt jede Hilfe zu spät. Motiv des
blutigen Streits war offenbar die Spielsucht des Mannes, die
dem Ehepaar drückende Schulden verursacht hatte.3
2
Quelle: Meyer, Bachmann. Spielsucht: Ursachen, Therapie und Prävention von
glücksspielbezogenem Suchtverhalten. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2011
3
Quelle: Kronen Zeitung, 5. Nov. 2006
– 133 –
15. Ohne Ausweg
Der Schritt in die Politik ist für Novomatic mehr als lohnend und so greift man auch in Deutschland nach großen
Namen:
Theo Waigel, CSU
Der ehemalige Finanzminister Deutschlands ist seit 2005
Aufsichtsratsvorsitzender der Novomatic Tochter NSM-Löwen Entertainment. Löwen Entertainment ist ein deutscher
Hersteller von Automaten, das Unternehmen wird 2003 von
Novomatic übernommen, die dem Aufsichtsrat 2005 den seriösen Namen Waigel an die Spitze setzt. Das hat Novomatic
auch notwendig. Immerhin hat sie ungefähr 40.000 illegale Geräte nach Deutschland importiert und verkauft. Dabei
handelt es sich um sogenannte Fun Games, in diesem Fall
die Modelle „Magic Games“ und „Magic Games 2“.
Wie eng aneinander können doch Tätigkeiten liegen, deren Interessen so weit auseinanderklaffen: Im Auftrag der
US-Justizbehörden ist Theo Waigel ab 2009 für vier Jahre
Anti-Korruptions-Beauftragter bei Siemens. In dieser Tätigkeit berichtet er dem US-Justizministerium sowie der
US-Börsenaufsicht SEC über Siemens1.
Waigel folgte in seiner Funktion bei Löwen Entertainment auf
1
Quelle: wikipedia.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Waigel#cite_note-4, 6. Juni 2012, 00:36 Uhr
– 135 –
Otto Graf Lambsdorff, FDP,
ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft.
Im Jänner 2005 wird der prominente Modemacher Rudolph Mooshammer in seinem Haus im Münchener Nobel-Vorort Grünwald ermordet aufgefunden. Erdrosselt. Mit
einem Elektrokabel, bis es riss. Rasch findet die Polizei den
Täter, einen 25-jährigen Aushilfskoch. Noch rascher schieben Presse und Öffentlichkeit die Tat in ein düster dargestelltes Milieu der Homosexuellen und Stricher. Dagegen
protestieren viele Kritiker, auch Journalisten. Wie so oft
war der 64-jährige Mooshammer in seinem Rolls Royce auf
nächtlicher Tour gewesen. Im Münchener Bahnhofsviertel,
auf der Suche nach gut bezahltem Sexkontakt. Für gebotene
2000 Euro2 steigt sein junger Mörder zu. Der wird im Prozess stets betonen, dass er weder homosexuell noch ein Stricher sei. Viel eher litt er unter Geldnot – auf Grund seiner
Automaten-Spielsucht.
Der 36-jährige X ist spielsüchtig, seine finanzielle Lage
ist hoffnungslos geworden. Mittels Rum, Schmerzmedikamenten und Autoabgasen will er sich das Leben nehmen.
Nachdem dies scheitert, will der gelernte Bäcker einmal
noch sein Glück versuchen. Noch am selben Tag. Die zum
Besuch des Casinos nötige Kleidung sowie Bargeld will
er aus der Bad Kissinger Boutique „Klamotte“ rauben. Geschäftsinhaber Siegfried Göbel, 65, und der Räuber geraten
aneinander. Göbel wird niedergeschlagen, flüchtet sich ins
Hinterzimmer seiner Boutique. Währenddessen durchsucht
X die Kasse. Geld findet er keines. Vor Wut tobend, ergreift
er eine Kleiderstange und verfolgt sein Opfer. Die Bereicherungsabsicht schlägt in Wut und Rachegelüste um.
2
Heute 2380,- Euro, infl. VPI
– 136 –
Mit ungeheurer Wucht schlägt der Räuber mindestens 19
Mal auf Siegfried Göbel ein und tötet ihn. Der Gerichtspsychiater spricht von Blutrausch, die Verteidigung von spontaner Verzweiflungstat.3
Von einem spontanen Angriff spricht auch der geständige Angeklagte in einem Prozess wegen versuchten Mordes
in Leipzig. Der 30-Jährige hat die 27 Jahre alte Mitarbeiterin
einer Spielhalle bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und geschlagen, um an Geld zu kommen. Er war spielsüchtig.
Vor Gericht stellt der Mann dar, wie er über mehrere Jahre hinweg schrittweise zum Spieler wurde. Nach dem Tod
eines Freundes habe er den inneren Rückzug gewählt. Bei
ziellosen Autofahrten sei er auf Spielhallen aufmerksam geworden. Lagen die anfänglichen Spieleinsätze zwischen 20
und 50 Euro, habe er zuletzt bis zu 1300 Euro4 pro Nacht
verloren. Um die Spielsucht zu finanzieren, habe er teilweise
in die Firmenkasse des Unternehmens gegriffen, für das er
Möbel montierte. Zunächst konnte er dies durch sein Kontoguthaben ausgleichen, bald seien ihm aber die Beträge über
den Kopf gewachsen. Fluchtartig habe er Bayern verlassen
und sei in seine Heimat nach Sachsen zurückgekehrt. Dort
sei es in einer Spielhalle zur Tat gekommen. Die Beute, Bargeld aus Handkasse und Tresor, habe er benötigt, um seine
Spielsucht befriedigen zu können. Er sei danach direkt zu
einer Spielhalle im nahegelegenen Brandis gefahren, um
weiterzuspielen. Die Polizei nimmt ihn dort direkt am Automaten fest.5
3
Quelle: Mainpost, 23. Jänner 2007
4
Heute 1422,- Euro, infl. VPI
5
Quelle: www.leipzig-fernsehen.de, 21. 10. 2010, 16:30 Uhr
http://www.leipzig-fernsehen.de/default.aspx?ID=5887&showNews=860889
– 137 –
Der gelernte KFZ-Mechaniker Michael W., 44, sucht
ohne Job und Wohnung eine Bleibe. Er findet sie bei
der betagten Antonia K. in Duisburg. Über Monate bewohnt er ein möbliertes Zimmer im Haus der 85-jährigen. Die vereinbarte Miete bleibt er von Anfang an schuldig. Das Geld von der Arbeitsagentur verspielt er an
einem Abend in der Spielhalle. Michael W. ist spielsüchtig.
Seine Sucht treibt W. immer tiefer in eine Spirale aus Schulden und Lügen. „Ich habe mir immer neue Ausreden einfallen lassen“, wird er später angeben. Trotzdem sei ihm nie
mit einer Kündigung des Zimmers gedroht worden. Antonia K. hat Mitleid. Sie versorgt den Arbeitslosen mit Essen,
mehrfach leiht sie ihm kleine Beträge. „Der arme Jung, der
hat doch nix“, sagt sie zu ihren Söhnen.
An einem Abend im Februar bittet Michael W. seine
Vermieterin um Kaffee und Brot. Laut seiner Darstellung
stolpert sie und fällt ihm in die Arme. Im weiteren Verlauf
soll er aus unerklärlichen Gründen zugeschlagen haben, sie
ruft um Hilfe. „Irgendwann hatte ich meine Hände um ihren
Hals. Ich wollte nur, dass sie still ist.“ Schließlich erdrosselt
Michael W. die gutgläubige Antonia K. Mit einem Tuch, das
er als Glücksbringer trägt. Beute: 3000 Euro6 Bargeld, eine
Taschenuhr und ein Laptop. Die ersten Stunden nach der Tat
verbringt der Mann in einer nahen Spielhalle. Dann fährt
er mit dem Zug Richtung Ostseeküste, wo er festgenommen
wird – in einer Spielhalle.7
6
Heute 3363,- Euro, infl. VPI
7
Quelle: www.derwesten.de, 23.10.2008, 23:59
http://www.derwesten.de/nrz/staedte/emmerich/es-tut-mir-so-unendlich-leid-id1001205.html
– 138 –