PRESSESPIEGEL 1. Juli 2009

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1. Juli 2009
Falter, KW 27
PRESSESPIEGEL
1. Juli 2009
Ressort: Kultur
URL: /kultur/469/476976/text/
Datum und Zeit: 02.07.2009 - 09:34
01.07.2009
09:58 Uhr
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John Malkovich in Wien
Verführerische Distanz
Hollywoodstar John Malkovich steht mit "The Infernal Comedy" als Frauenmörder Jack
Unterweger auf der Bühne. Ein Gespräch über Bosheit und Rosenkohl.
Von Susan Vahabzadeh
Grossbild
Being Jack Unterweger: Hollywood-Star John Malkovich spielt in Wien den schreibenden
Frauenmörder in "The Infernal "Comedy". (Screenshot: http://www.theinfernalcomedy.org/)
Wenn man hört, dass John Malkovich in Wien als Frauenmörder Jack Unterweger auf der Bühne
stehen wird, klingt das nach einer naheliegenden Besetzung. In der Rolle des gefährlichen
Verführers war er immer schon grandios. Und ein wenig schimmert sein Valmont aus den
"Gefährlichen Liebschaften" durch, die Rolle, die ihn berühmt machte, wenn er bei der Probe im
Ronacher in Schlabberjeans und einem zeltartigen Hemd der Sopranistin Aleksandra Zamojska am
Hals herumfingert.
Michael Sturminger führt Regie und hat den Text geschrieben zum Stück "The Infernal Comedy",
in dem Jack Unterweger, der sich 1994 umbrachte, nachdem er wegen neunfachen Mordes
verurteilt worden war, aus seinem Leben berichtet. Zwei Sopranistinnen leiden stellvertretend für
die Frauen in Unterwegers Leben.
Das Ronacher ist zwar eine Musicalbühne, aber dieses Label würde hier nicht passen. Die
Sopranistinnen (Laura Aikin ist die zweite) singen zum Stück passende Arien von Gluck, Mozart
und Vivaldi. Und auch Beethovens "Ah, perfido", worin es heißt: "Per lui vivea, voglio morir per
lui!" - Ihm hab ich gelebt, für ihn will ich sterben.
Von der Schüchternheit zur kalten Arroganz
Malkovich ist, außerhalb der Rolle, ein ruhiger, fast ein bisschen schüchterner Typ, der von einer
Sekunde auf die andere umschalten kann auf die kalte Arroganz, die Unterweger gehabt haben
muss. Das Stück wird auf Englisch gespielt, natürlich, aber man kann sich schlecht vorstellen, dass
jemand anderes als Malkovich aus Unterwegers gruseligem Dasein erzählt, wie er, als Literat und
Journalist zu Prominenz und Wohlstand gekommen, die Wiener Schickeria narrte: "And there is a
murdered hooker lying naked, face in the mud, somewhere in the Vienna woods, strangled with her
own bra. "
Er trägt das mit einem leichten deutschem Akzent vor - und das ist eben die absolute Besonderheit
von John Malkovich: dass er es fast beiläufig tut, ohne merklichen Aufwand. Obwohl man nicht
mal sagen kann, dass er wirklich spielt, rieselt es einem doch eiskalt den Rücken herunter.
Improvisation sagt er, sei für ihn enorm wichtig.
"Ich kann mich sowieso höchstens erinnern, was ich gestern Abend gegessen habe", scherzt er.
Aber im Ernst: "Ich würde mich nicht für ein Stück engagieren, in dem kein Raum für
Improvisation ist. Ein gutes Stück ist, obwohl der Text immer derselbe ist, jeden Abend anders.
Wenn ein Text nicht lebt, erinnert er auch das Publikum nicht ans Leben."
Am Mittwochabend ist Premiere, bis Sonntag wird Malkovich im Ronacher spielen. Danach gibt es
Gastspiele in Spanien, Frankreich und definitiv auch in Deutschland, obgleich Malkovich seine
Bühnenauftritte immer auf seine Termine in Hollywood abstimmen muss. Was ihn lockte, obwohl
er für fünf Drehtage in Los Angeles natürlich viel, viel mehr Geld bekommen würde?
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Die Musik, das Stück, diese seltsame Geschichte vom schreibenden Mörder, dem die Intellektuellen
in den Achtzigern eine zweite Chance erstritten - Unterweger bedankte sich mit einer Serie von
Prostituiertenmorden. "Ich habe ihn im Fernsehen gesehen", erinnert sich Malkovich
kopfschüttelnd, "und was Unterweger da sagte, war offensichtlich eine Lüge, dabei hat er nicht mal
eine Sprache gesprochen, die ich verstehe. Das fand ich spannend, dass Leute tatsächlich auf ihn
hereingefallen sind. "
Keine falsche Sympathie für seine Figur also. Es gehe halt um eine Art von Story, die das Publikum
liebt: "Wir interessieren uns für Geschichten von Erlösung und Rehabilitierung. Unsere Psyche
braucht diese Hoffnung, dass man eine Schuld tilgen kann", sagt Malkovich. "Wir wollen das
glauben, aus demselben Grund, aus dem manche Leute glauben wollen, O. J. Simpson sei
unschuldig."
Frauen standen auf Unterweger, aber warum? Faszination des Grauens? "Helfersyndrom", bietet
Malkovich an. "Er sah gut aus, und manche Menschen lieben die Gefahr. Es gibt ja auch Leute, die
sagen, dass sie sich im Krieg ungeheuer lebendig gefühlt haben."
Being John Malkovich
John Malkovich, 1953 geboren, seit 1976 Mitglied des Steppenwolf Theatre in Chicago, ist kein
Method Actor, der sich in seine Rollen hineinsteigert bis zur Verwechslung. Die Distanz, die er zu
Unterweger hat, ist charakteristisch für ihn. Er verschwindet nicht hinter seinen Rollen, und er
gehört nicht zu den Leuten, die keine Persönlichkeit mehr haben, wenn sie einem gegenüber sitzen.
Bei Malkovich hat man den Eindruck, dass er ganz genau weiß, wer er ist - und es sich deshalb
leisten kann, uneitel mit den Achseln zu zucken, wenn er erzählen soll, wie das war, als er Charlie
Kaufmans Script zu "Being John Malkovich" auf den Tisch bekam.
Ein kluger Typ sei dieser Kaufman, und wenn er bereit gewesen wäre, Malkovich durch jemand
anderen zu ersetzen, hätte er den Film gern produziert. Aber Kaufman bestand darauf, dass Teile
des Films im Kopf von John Malkovich spielen. Einem John Malkovich, mit dem, der gerade vor
einem sitzt, sich absolut nicht als identisch empfindet. Ob er sich beim Theater wohler fühlt als in
Hollywood?
Bühnenschauspieler und Filmstar, sagt Malkovich, sind zwei unterschiedliche Berufe. "Das eine ist
eine lebende Kunst und das andere ist eine tote . . . Die Bühne lebt, und das Kino spiegelt vor, es
lebte. Was nicht heißt, dass ich das eine dem anderen vorziehe, es hat nur wenig miteinander zu
tun."
Es ist schon klar, warum Malkovich der Versuchung nicht widerstehen kann, mit Musikstücken auf
der Bühne herumzuexperimentieren: Er ist für alles Neue zu haben. Und er findet, er sei in einem
Stadium seines Lebens angekommen, in dem es Zeit sei für klassische Musik - mit der er sich nicht
obwohl, sondern weil es sie zu Hause gab, nie befasst hat. "Das war sozusagen die musikalische
Entsprechung von Rosenkohl".
Der Fall Unterweger hat ihn von Anfang an interessiert, er wollte sogar selbst einen Film über ihn
machen - aus dem nichts wurde: "Aber eine europäische Geschichte, die man auf Deutsch drehen
müsste, zu finanzieren, kann eben sehr schwer sein. Und dann gab es auch noch einen ähnlichen
Fall in den USA, Jack Abbott. Der war übrigens, im Gegensatz zu Jack Unterweger, ein richtig
guter Autor."
Da ist sie wieder, diese charmante ironische Distanz zu Jack Unterweger. Schauspielkunst ist, wenn
sie sich auf der Bühne verliert, als hätte es sie nie gegeben.
Süddeutsche Zeitung, 2.07.2009
PRESSESPIEGEL
1. Juli 2009
John Malkovich brings serial killer Jack Unterweger back to life on Vienna stage
Actor to star in The Infernal Comedy, an operatic depiction of the Austrian celebrity writer and
murderer
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Kate Connolly in Vienna
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guardian.co.uk, Tuesday 30 June 2009 18.54 BST
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Article history
The very first time John Malkovich set eyes on Jack Unterweger, it was in the early 1990s and the
celebrity model of rehabilitation was being interviewed on a television chat show.
"I have a memory of his creamy-ish white suit, a black and white polka-dot polyester stretch shirt,
loafers and gold chains – convict paraphernalia," the actor recalled.
Unterweger was talking about his prison past – he had been convicted of murdering a woman in
1976 – and his subsequent rehabilitation into Austrian society by the Viennese cafe intellectuals
who campaigned for his early release, leading to a pardon from the president at the time, Kurt
Waldheim.
"At the time I didn't get it, I wondered why people believed in someone who was so obviously fake,
so obviously lying," said Malkovich in an exclusive interview with the Guardian. "Only years later
did the real story come out."
The real story, which Malkovich will bring to a Vienna stage in an opera-chamber theatre
production which premieres tonight, was that Unterweger, the reformed prisoner turned celebrated
poet and journalist, had begun a brutal killing spree within six months of his release.
"When I saw him he was well into the planning stages. He committed three murders in the first year
he was out," said Malkovich.
Between 1990 and 1993 Unterweger murdered 11 prostitutes in Vienna, Prague and Los Angeles,
strangling them with a self-styled ligature constructed from his victims' bra straps.
At the same time his books – including his celebrated autobiography Purgatory – were being taught
in schools, his children's stories were performed on the radio and as a journalist for the state
broadcaster, he was reporting on the very crime wave for which he was responsible. He was even
sent by an Austrian magazine to Los Angeles to write a comparable reportage piece on the situation
there.
"He came to write about the terrible conditions American prostitutes have because they don't have a
union at all," said Malkovich, who plays Unterweger in The Infernal Comedy: Confessions of a
Serial Killer. "But of course, he didn't necessarily improve their conditions because, you know, he
killed them all after he'd interviewed them.
"But he got what he wanted – a free trip to California to kill some hookers and make himself a little
more famous and known and thoughtful."
Malkovich, who 10 years ago began a project to make a film about Unterweger, was drawn to the
subject after being struck by the similarities between the Austrian and Jack Henry Abbott, who
turned into a prison literary sensation after the 1981 publication of In the Belly of the Beast, his
account of life in a US penitentiary where he was serving a sentence for murder.
Just as Unterweger was championed by myriad writers such as the Nobel prizewinners Elfriede
Jelinek and Günter Grass, Abbott was lauded by his country's literati, including Norman Mailer and
Kurt Vonnegut, whose support of him also led to his early release. Six weeks later he bludgeoned a
man to death.
Martin Haselböck, musical director of The Infernal Comedy, who met Unterweger during one of his
prison readings, explained the murderer's acceptance into the establishment as a sign of the times.
"It epitomised the thinking at the time that art is stronger than crime and the far too liberal idea that
everybody can be changed."
He said he expected the audience to be made up of a "strange mix" of Unterweger admirers, fans of
Malkovich and opera lovers: "There are the Unterweger fans who are still out there, mainly women,
many of whom still claim his innocence." The Infernal Comedy, which is due to transfer to Spain,
France and next year to London, concludes with Unterweger's declaration: "I'm longing for the truth
as much as you are," followed by his suicide.
He took his life the night after he was convicted of nine murders by a Graz court.
Malkovich, who is used to playing film characters that are menacing and alluring, said he found
Unterweger "haunting and tragic. I can find him so touching that I can't even talk when I get on
stage," he said.
Describing The Infernal Comedy as a "lesson in being careful about what you wish for", Malkovich
added: "It is a cautionary tale about where our projected fantasies of redemption hurl themselves,
out into the night, not knowing if the ground is 10 inches below or 200 storeys. I'd be shocked if
those who supported him haven't shown some remorse."
Guardian.com, 30.06.2009
PRESSESPIEGEL
1. Juli 2009
URL: http://www.welt.de/kultur/theater/article4033559/Malkovich-spielt-FrauenmoerderUnterweger.html
Theater in Wien
Malkovich spielt Frauenmörder Unterweger
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Von Elisalex Henckel 1. Juli 2009, 10:30 Uhr
Im Wiener Ronacher-Theater wird von heute an die Geschichte eines österreichischen
Jahrhundertverbrechers als Musical erzählt. Jack Unterweger beging mit 24 seinen ersten Mord,
wurde im Knast zum Dichter. Nach seiner Freilassung mordete er weiter. Nun spielt ihn ein echter
Hollywood-Star.
Foto: picture-alliance/ dpa/APA
John Malkovich vor einem Plakat zur Wiener Aufführung
Er wirkt bedrohlich, auch wenn er nichts tut. Wenn er seine Augen geschlossen hat und seine Knie
im Takt einer Opernarie hin und her schaukelt. Wenn er eine Frau umtänzelt, ihren Nacken küsst,
ihre Brust tätschelt. Wenn er langsam, fast vorsichtig ihren BH öffnet. Ihn vom Körper streift.
Vielleicht, weil irgendetwas an ihm immer zittert oder weil seine Stimme klingt, als würde er
hypnotisieren. Aber man erschrickt dann doch, wenn er der Frau den BH um den Hals legt, zu einer
Schlinge zieht und sie würgt, bis sie sich nicht mehr bewegt.
Unberechenbarkeit ist John Malkovichs größtes Kapital. Das hat er in all den Filmen bewiesen, in
denen er zynischen Verführern, irren Bösewichten und gespaltenen Persönlichkeiten sein Stieren
und Raunen lieh. Und das tut er jetzt wieder - auf der Bühne eines Wiener Theaters, das sich sonst
vor allem auf Musicals konzentriert. Bevor er sie betrat, sah er aus wie ein abgeschminkter Clown:
Die Haare standen ihm zu Berge, die Füße zeigten nach innen. Jetzt ist er Jack Unterweger, der
berühmteste Verbrecher Österreichs - zumindest, bis die Herren Fritzl und Priklopil mit ihren
Kellerkerkern aufflogen.
Die Kulisse, die ihm das Ronacher für die fünf Vorstellungen von "The Infernal Comedy Confessions Of A Serial Killer" (1. bis 5. Juli) gebaut hat, ist karg: ein Tisch mit einer Lampe,
einem Krug Wasser und ein paar Büchern darauf, der Stuhl, auf dem er sitzt, dahinter das Orchester.
Es liefert den Soundtrack für die "posthume Lesung", in der Malkovich den österreichischen
Frauenmörder auf sein Leben zurückblicken lässt: Konzertarien von Mozart, Beethoven oder
Haydn, alle erzählen von Gewalt gegen Frauen. Die beiden Sopranistinnen, die sie singen,
verkörpern Unterwegers Mutter, seine Freundinnen, seine Opfer.
Die Geschichte von Jack Unterweger hört sich an, als wäre sie für John Malkovich erfunden
worden. Mit 24 wird der Sohn einer Steirerin und eines US-Soldaten zu lebenslanger Haft verurteilt,
weil er eine junge Frau mit ihrem BH stranguliert hat. Im Gefängnis entdeckt er die Bibliothek,
liest, schreibt, erregt mit Gutenachtgeschichten für Kinder und einem Roman über seine Läuterung
als "Häfnpoet" (Knastliterat) die Aufmerksamkeit der Wiener Kulturszene. Intellektuelle wie Ernst
Jandl, Günther Nenning und Elfriede Jelinek fordern in Petitionen die Freilassung des
"österreichischen Jean Genet", der Bundespräsident begnadigt ihn 1990, der Mörder kommt nach
nur 16 Jahren frei. Neun Monate später wird die erste tote Prostituierte gefunden - stranguliert mit
ihrem BH.
John Malkovich sitzt auf der Bühne und beugt sich über sein Skript. "Als die Zeitungen über den
Mord berichten, verbindet niemand die Sache mit mir", sagt er mit dieser seltsam monotonen, ein
wenig zu hohen Malkovich-Stimme. "Warum sollten sie auch? Zum ersten Mal in meinem Leben
habe ich ein Zuhause, ein Sozialleben, Erfolg." Kurz darauf setzt das Orchester ein. "Ah perfido!"
heißt die Beethoven-Arie.
Jack Unterweger galt seit den Siebzigern als Paradebeispiel für die resozialisierende Kraft der
Kunst. Nach seiner Entlassung wird der "Häfnpoet" zum Liebling der Schickeria. Im weißen
Seidenanzug tingelt er durch Talkshows und Cafés, Magazine und Radiosender reißen sich um
seine Texte, Frauen um seine Aufmerksamkeit. Als immer mehr Prostituierte verschwinden,
gestaltet er für den ORF eine Hörfunkreportage über die Prostituierten vom Gürtel. Ob sie Angst
vor dem Killer haben, fragt Unterweger die Kolleginnen seiner Opfer. Erst als elf Prostituierte in
Österreich, Tschechien und den USA gestorben sind, wird er auf der Flucht in Miami verhaftet. Am
29. Juni 1994 verurteilt ein Geschworenengericht Jack Unterweger wegen neunfachen Mordes. In
der Nacht darauf erhängt er sich mit der Kordel seiner Jogginghose, er hat sie zum gleichen Knoten
gebunden wie zuvor die BHs.
John Malkovich spielt Unterweger als Gefangenen seines eigenen Lügengespinsts. Wie er wirklich
war, darüber gehen die Meinungen auseinander. "In den Schilderungen über Unterweger gibt es
zwei Extreme", sagt sein Biograf John Leake. "Er sei abstoßend, überheblich und unerträglich
gewesen, sagen die einen. Die andere Seite fand ihn faszinierend." In einem sind sich die meisten
Zeitzeugen aber einig: Unterweger habe eine ungeheure manipulative Kraft besessen. Der
Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat sie einmal den "Charme des Psychopathen" genannt.
Man könnte meinen, John Malkovich sei genau diesem Charme schon vor langer Zeit erlegen, so
groß sind die Abgründe der meisten Figuren, die er spielt. Der intrigante Vicomte aus "Gefährliche
Liebschaften", der gespaltene Dr. Jekyll/Mr. Hyde aus "Mary Reilly", der Hochstapler Tom Ripley
aus "Ripley's Game", die Bösewichte in Blockbustern wie "In the Line of Fire" - sie alle sind
Meister der Manipulation, genau wie Jack Unterweger.
Bei den Proben behandelt John Malkovich seine Kollegen mit größtmöglichster Höflichkeit. Er
herzt die Sängerinnen, assistiert den Beleuchtern, folgt den Anweisungen von Michael Sturminger,
dem Regisseur und Autors des Librettos. Er ist freundlich und betont bescheiden. Wenn er jedoch
gefragt wird, warum er so viele Gestörte in seinem Repertoire hat, kann er ziemlich ungeduldig
werden. Das zeigte sich, als er "The Infernal Comedy" in Wien Journalisten vorstellte. "Was ist
normal oder unnormal? Sind Sie normal? Wer ist das schon?", fragte er. So sehr er allerdings
vehement bestreitet, dem Charme des Bösen erlegen zu sein, es scheint ihm großen Spaß zu
machen, es zu erforschen. Dafür spricht zumindest die Entstehungsgeschichte von "The Infernal
Comedy". Der Wiener Dirigent Martin Haselböck, der unter anderem in Los Angeles das
Barockorchester Musica Angelica leitet, wollte das Melodram, eine im 18. Jahrhundert populäre
Mischung aus Schauspiel und klassischer Musik, wieder aufleben lassen und dafür John Malkovich
gewinnen. Gemeinsam suchten sie nach Themen. Als eine befreundete Kostümbildnerin die
Geschichte von Jack Unterweger vorschlug, war Malkovich überzeugt. Er sagte dem Dirigenten:
"Diesen bösen Kerl muss ich spielen."
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Die Probe für die Selbstmordszene ganz am Schluss dauert am längsten. Wieder und wieder lässt
Malkovich die Schlinge fallen, die er nach historischem Vorbild aus der Kordel einer Jogginghose
geknüpft hat. Er ist erst zufrieden, als es aussieht, als könnte der Selbstmord auch ein Versehen
gewesen sein. Unterweger müsse ein Narziss sein, sagt er, und ein Narziss bringt doch nicht das
Schönste um, das er kennt, sich selbst. Er sieht zufrieden aus, als er das geklärt hat. Mag sein, dass
er nicht nur Psychopathen kann, ein Besessener ist er auf jeden Fall.
Die Welt online, 1.07.2009