- Hochschule für Musik Würzburg

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ERASMUS-Bericht WS 2009/10
Conservatorio statale di musica L. Cherubini, Firenze
Olivia Steimel
Vorbereitung / Allgemeines
Bewerbung
Da zum Zeitpunkt meiner Bewerbung (Jahresbeginn 2009) zwischen Florenz und Würzburg noch
keine Hochschulpartnerschaft bestand, war neben der Kooperation mit dem Auslandsamt der HfM
Würzburg auch Eigeninitiative in Form von Telefon- und E-Mail-Kontakt nach Florenz gefragt.
Mit der Unterstützung des dortigen Akkordeonprofessors sowie des ERASMUS-Koordinators
Leonardo de Lisi wurde mein Auslandsaufenthalt schließlich genehmigt.
Eine Demo-CD genügte, Eignungsprüfung war nicht erforderlich.
Wohnungssuche
Weil es in Florenz keine Studentenwohnheime gibt und die angebotenen Wohngemeinschaften sich
sehr unterschiedlich gestalten, ist es ratsam, etwa zwei Monate vor Studienbeginn vor Ort nach
Wohnungen zu suchen.
Anzeigen findet man überall auf der Straße, am schwarzen Brett der Mensa oder im Internet
(firenze.kijiji.it).
Ich wohnte in einer Dreier-WG am Rande der Innenstadt, was ich sehr empfehlen kann, da man zu
Fuß alles in 30 Min. erreichen kann und das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Altstadt nicht sehr
gut ist (z.B. sind die Räume sehr dunkel). Probleme entstanden oft durch die Aufenthaltsdauer
(Vermieter wünschen häufig ein Mietverhältnis von mind. einem Jahr.).
Öffentliche Verkehrsmittel / Transport
Florenz hat einen Flughafen, außerdem auch das benachbarte Pisa (Florenz-Pisa Aeroporto Galileo
Galilei: 1,5h / 5,70€), von wo es sehr günstige Flugverbindungen von Ryanair gibt.
Man kann auch bei der Bahn (bahn.de / trenitalia.it) günstige Spartarife finden und von München
direkt einen der beiden Bahnhöfe in Florenz-Stadt anfahren.
Firenze verfügt zudem über ein großes Busnetz, an das beide Konservatoriumsgebäude angebunden
sind (Ticket gilt 90 Min. / 1,20€). Jedoch muss man in Italien wegen Verspätungen immer viel Zeit
einplanen und sollte ungefähr die Wege der Busse kennen, um den Ausstieg nicht zu verpassen.
Bei Ausflügen in andere Städte ist man oft besser mit den langsamen Regionalzügen bedient, da
man bei schnellen Zugverbindungen mit großen Verspätungen und hohen Preisen rechnen sollte.
Finanzierung
Die Lebenshaltungskosten sind in Italien, besonders in einer kulturell und touristisch so
bedeutenden Stadt wie Florenz, um einiges höher als in Würzburg.
Dies spiegelt sich vor allem in den Wohnungspreisen wider (kleines WG-Zimmer ca. 300-500€).
Auch Essen- und Trinkengehen sowie der Lebensmitteleinkauf im Stadtzentrum sind nicht ganz
billig. Daher ist der „Aperitivo“ eine weit verbreitete Alternative unter Studenten: Man bezahlt
5-10€ für ein Getränk incl. Essen „all you can eat“ (abends in vielen Kneipen).
Es gibt auch eine Mensa, die vergleichsweise sehr viel Essen für wenig Geld bietet (Mensakarten
muss man an der Universität ausstellen lassen, Studentenausweis erforderlich).
Empfehlenswert ist außerdem, wenn nicht schon vorhanden, ein Girokonto bei der Deutschen Bank
zu eröffnen, da es in der Altstadt zwei Automaten gibt, an denen kostenloses Abheben möglich ist.
Überweisungen sind i.d.R. eher nicht nötig - die Miete z.B. wird meistens bar bezahlt.
Freizeitgestaltung
Kunstliebhabern wird es in Florenz ganz bestimmt nicht langweilig: Die Stadt bietet ausreichend
Sehenswürdigkeiten für viele Monate, im Mittelpunkt stehen Malerei, Skulptur und Architektur der
Renaissancezeit.
Für Musikstudenten besonders attraktiv sind die Konzertreihen im „Teatro della Pergola“ mit
international renommierten Interpreten (mit Studentenausweis, den man bei der Einschreibung im
Sekretariat erhält, 7€ pro Konzert).
Möchte man andere ERASMUS-Studenten aller Fachbereiche und Länder kennenlernen, sollte man
sich den regelmäßigen Treffen der Organisationen Aegee Firenze (aegeefirenze.it) und F.A.C.E.
(florentineassociation.it) anschließen: Dort gibt es organisiertes Tandem, Abendessen, Partys und
Ausflüge ans Meer, aufs Land oder in andere Städte.
Sprache
Will man in Florenz studieren, sollte man mindestens Grundkenntnisse in Italienisch mitbringen.
Ich habe mir die Sprache im Eigenstudium angeeignet. Es gibt wohl auch Kurse für ERASMUSStudenten, die jedoch auf Grund von mangelnder Information schwer zu organisieren sein sollten.
Des Weiteren gibt es kostenpflichtige Angebote von Sprachschulen.
Auch wenn die meisten Studenten englisch sprechen, geht es ohne Kenntnisse kaum; ältere Leute,
auch viele Dozenten und Verwaltungsmitarbeiter am Konservatorium verstehen und sprechen
ausschließlich italienisch. Kommt man in ländlichere Regionen Italiens, sollte man nicht damit
rechnen, mit Englisch durchzukommen. Meiner Erfahrung nach sind die meisten Italiener jedoch
sehr hilfsbereit und geben sich sehr viel Mühe, zu verstehen.
Studium
Konservatoriumsgebäude
Das Hauptgebäude des Konservatoriums („Sede Centrale“) befindet sich direkt in der Innenstadt
beim Piazza San Marco. Es verfügt über einen Konzertsaal und die Verwaltung ist dort
untergebracht. Leider gibt es keine zugängliche Bibliothek. Wie auch in der außerhalb gelegenen
„Villa Favard“ (ca. 15 Min. mit dem Bus), wo z.B. der Akkordeonunterricht stattfindet, sind die
Räume nicht gut isoliert und sehr hallig. Im Hauptgebäude in der Stadt übt man in den
Unterrichtsräumen, in der Villa Favard gibt es vier Überäume, für die man sich die Schlüssel an der
Pforte holen kann. Sie sind selten über längere Zeiträume belegt, da die meisten Studenten zu Hause
üben. Im Vergleich zu Deutschland schien mir dies in Italien kein Problem zu sein. Sowohl ich als
auch mein Mitbewohner haben täglich mehrere Stunden in der Wohnung geübt, es gab nie
Beschwerden diesbezüglich.
Nennenswert ist das wunderschöne Ambiente, in dem sich die Villa Favard befindet: inmitten eines
schönen Parkes, innen sehr hell und mit Fresken bemalt.
Beide Gebäude sind mit Internetzugang ausgestattet (jeweils ein PC).
Studiensystem
Am Konservatorium kann man auf zwei verschiedene Arten ein Instrument (er-)lernen: Entweder
als zwei- oder dreijährige Berufsausbildung („Biennio“/“Triennio“), oder parallel zur Schullaufbahn
im zehnjährigen „Vecchio Ordinamento“ (ungefähr vergleichbar mit Musikschule), womit das
Niveau und die Anforderungen einer Instrumental- / Gesangsklasse dort nicht unbedingt mit denen
einer Hochschulklasse hier zu vergleichen sind.
Umsetzung der Studienplanung
Das akademische Jahr wird nicht wie in Deutschland in zwei Semester aufgeteilt. Es beginnt im
November, viele Kurse starten erst im Januar, was es für Studenten wie mich, die kein ganzes Jahr
Auslandsaufenthalt planen, schwierig oder sinnlos macht, an anderen Kursen teilzunehmen. Zudem
war es zu jenem Zeitpunkt noch nicht möglich, mir in Italien erworbene Credits in Würzburg
anrechnen zu lassen. Nicht vergessen sollte man, dass für die Teilnahme an Theoriekursen wirklich
gute Sprachkenntnisse erforderlich sind.
Aus all diesen Gründen entschied ich mich, nur am Hauptfachunterricht Akkordeon teilzunehmen.
Mein Lehrer begann den Unterricht mit mir schon im September, ging auf meine Wünsche bzgl. der
Repertoireplanung gerne ein und bemühte sich auch, sehr verständliches Italienisch mit mir zu
sprechen und auch zu verstehen.
Zunächst fand ich es schade, dass es nicht, wie ich es kannte, üblich war, regelmäßig interne
Klassenvorspiele zu veranstalten. Auf meinen Wunsch hin, eines zu organisieren, reagierte er sehr
zuvorkommend und lud spontan sehr viele Leute ein. Dies zeigte mir, dass mit ein bisschen
Initiative sehr viel möglich ist. Des Weiteren gab es nach einigen Monaten ein öffentliches
Klassenkonzert.
Fazit
Auch wenn man die italienische Organisation und Zeitplanung (sei es im Verkehr, im alltäglichen
Leben oder in der Unterrichtsplanung) nicht mit derjenigen in Deutschland vergleichen kann, fühlte
ich mich stets sehr wohl und wirklich gut aufgehoben. Es traten keine nenneswerte große Probleme
auf und ich schätze die Zeit sehr, in der es mir ermöglicht wurde, Einblicke in eine andere Kultur,
eine andere Mentalität, eine andere Sprache und vor allem in eine andere Art des
Instrumentalunterrichts zu gewinnen.
Ich erhielt viele neue Ideen und neue Inspiration für die Interpretation von Musik.
Es war sowohl in persönlicher als auch in musikalischer Hinsicht ein wertvolles Semester.
Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.