Informationen zur Bekämpfung der Herkulesstaude (April 2012)

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Informationen zur Bekämpfung der Herkulesstaude (April 2012)
Informationen zur Bekämpfung der Herkulesstaude
Landwirtschaftskammer NRW, Pflanzenschutzdienst, Siebengebirgsstrasse 200, 53229 Bonn
Quelle: www.pflanzenschutzdienst.de ; Stand April 2012
Erstellt in Zusammenarbeit von:
Martin Plückebaum, Stadt Attendorn
Kerstin Wittjen und Thomas Zimmermann, Naturschutzzentrum im Kreis Coesfeld e.V.
Eva Lüning (UWB) und Christian Klauke (ULB), Hochsauerlandkreis
Gerhard Schmidt, Landesbetrieb Straßenbau NRW
Frank Reichel, Pflanzenschutzdienst LWK NRW
Die Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum), auch
als Riesen-Bärenklau bekannt, stammt aus dem Kaukasus und wurde schon im 19. Jahrhundert nach Europa
eingeführt. Seit einigen Jahrzehnten breitet sich die 2 bis
4 Meter hoch werdende Staude immer stärker aus. Sie
wird durch die Zunahme an Brachflächen, Uferrandstreifen, Industriebrachen und ähnlichen nicht unmittelbar
genutzten Flächen indirekt gefördert.
Die Vermehrung der Herkulesstaude geschieht nicht über
die Wurzeln, sondern über die große Anzahl von Samen.
Ausgewachsene Pflanzen können 10.000 bis 50.000
schwimmfähige Samen bilden, die unter optimalen Bedingungen 8 bis 10 Jahre keimfähig sind.
Vor allem Gewässer mit ihren Überschwemmungsgebieten sowie Verkehrsanlagen (Verwirbelung entlang
der Straßen und Gleise) bilden die Hauptverbreitungswege. Darüber hinaus werden die Samen über Erdbewegungen, Baumaßnahmen, Schälen von Straßenbanketten sowie über den Menschen (Zierpflanze im Garten,
wilde Komposthalden, Aussaat als Bienenweide) verbreitet. Die Pflanze besiedelt fast alle Standorte.
Hinweis: Eine gute bebilderte Informationsbroschüre findet sich
auf der Seite: www.naturschutzzentrum-coesfeld.de
Umfassende Information über die Herkulesstaude -auch zu
Verwechselungsmöglichkeiten- wurden im Rahmen eines EUProjektes veröffentlicht: www.giant-alien.dk/manual.html.
Das Bundesamt für Naturschutz hat viele Informationen auf der
Seite www.floraweb.de/neoflora zusammen gestellt.
Foto: Kerstin Wittjen
Die Verfasser stellen mit den folgenden Informationen ihre Erfahrungen mit der Bekämpfung der
Herkulesstaude in den Jahren 2001 bis 2011 in Nordrhein-Westfalen dar.
Gesundheitliche Gefahren und Schutzmaßnahmen
Neben der Verdrängung der heimischen Flora und Fauna sowie den Erosionsschäden an Gewässern rückt insbesondere die gesundheitliche Gefahr für den Menschen in den Vordergrund.
Der Saft aller Pflanzenteile enthält photosensibilisierende Substanzen (Furanocoumarine), die in
Verbindung mit Sonnenlicht (UV-Strahlung) teilweise zu schweren, verbrennungsähnlichen Schäden der Haut führen, die nur schwer abheilen. Die größte Gefährdung durch Sonnenlicht besteht 0,5
bis 2 Stunden nach Hautkontakt. Symptome / Hautrötungen entstehen nach etwa 24 Stunden.
-2Folgende Schutzmaßnahmen sind daher bei der Bekämpfung unbedingt zu beachten:
• vollständige Bekleidung, Handschuhe und eine Schutzbrille mit seitlichem Schutz
• Durchführung der Arbeiten bei bedecktem Himmel oder in den Abendstunden (geringere
UV-Strahlung)
• kein Einsatz von Freischneidern (hohe Spritzgefahr)
Gelangt Pflanzensaft dennoch auf die Haut, sofort mit Wasser und Seife abwaschen und ggf. einen
Arzt aufsuchen. Die betroffenen Stellen sollten mindestens für 48 Stunden nicht dem Sonnenlicht
ausgesetzt und in den Folgemonaten mit Sonnencreme geschützt werden.
Bekämpfungsmöglichkeiten
•
Abtrennen des Vegetationskegels
Die Herkulesstaude hat eine rübenförmige
Speicherwurzel. Nur aus dem oberen Teil
(Vegetationskegel) kann die Pflanze wieder
austreiben.
Daher ist es wichtig, etwa 10 bis 15 cm unter der Erdoberfläche die Wurzel vom Vegetationskegel abzutrennen (siehe Abb.).
Dieser wird am besten vom Laub abgetrennt
und mit der Schnittfläche nach oben gelegt,
damit er nicht wieder anwächst. Alternativ
wird er über den Restmüll entfernt. Der untere Teil der Wurzel verrottet im Boden.
Das Abstechen ist bei Einzelpflanzen und
kleineren Beständen die sicherste Methode
und kann auch während der gesamten Vegetationsperiode von jedermann durchgeführt werden. Je kleiner die Pflanzen sind,
desto einfacher lassen sie sich abtrennen
und desto geringer ist die Gefahr des Hautkontaktes.
Geeignete Werkzeuge: Spaten (schmal,
geschärft), Plaghacke, Spitzhacke
Vorsicht: Besonders beim Hacken kann
Pflanzensaft wegspritzen!
•
verändert nach der Abb. aus einer Untersuchung der Uni Hohenheim
Entfernung der Blütenstände / Samenstände
Sinnvoll und notwendig ist diese Maßnahme bei den Pflanzen und Beständen, die im Frühjahr übersehen oder aus Zeitgründen nicht bekämpft worden sind. Die Entfernung der Blüten- bzw. Samenstände ist mit hohem Arbeitsaufwand und gesundheitlichem Risiko verbunden und nur in einem kurzen Zeitraum möglich.
Wenn der Blütenstand schon entwickelt ist, dann kann dieser abgeschnitten / abgemäht werden.
Jedoch muss danach entweder auch die Wurzel abgetrennt werden oder es müssen alle 2-3 Wochen Nachkontrollen erfolgen, da die Pflanze erneut kleinere Not-Blütenstände treibt.
Wenn die Hauptdolde ausgeblüht hat und schon Samen ansetzt, dann verfärben sich die Blätter der
Herkulesstaude gelb und die Pflanze beginnt abzusterben. In diesem Stadium müssen die Samenstände vorsichtig entfernt und über Verbrennung oder den Restmüll vernichtet werden. Auf keinen
Fall auf den Flächen liegen lassen oder kompostieren, da es selbst an den abgeschnittenen Dolden
zur Notreife der Samen kommt!
Da die Samen sehr schnell ausfallen, müssen diese Flächen gut markiert bzw. kartiert und in den
Folgejahren besonders sorgfältig beobachtet werden.
Eine selten genutzte Möglichkeit für Einzelpflanzen ist das Einpacken der Blütenstände in dichte
Folientüten, die dann nach Samenreife vorsichtig entfernt und entsorgt werden.
-3-
•
Fräsen / Pflügen
In Attendorn hatten sich die Herkulesstauden vom Gewässerufer her fast flächendeckend auf größeren, nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebreitet. Diese Großvorkommen sind
mit Hilfe von Traktoren 10 – 15 cm tief gefräst worden. Bei dieser Methode werden die vorhandenen
Pflanzen sofort vernichtet, jedoch beginnen dann die an der Bodenoberfläche liegenden Samen zu
keimen. Daher sollte das Fräsen wiederholt werden. Anschließend empfiehlt sich eine Einsaat von
schnell und dicht wachsenden Gräsern, da die Samen der Herkulesstaude Licht für die Keimung
brauchen.
Gute Erfahrungen liegen auch in Münster auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen vor, die
für einige Jahre wieder in Kultur (z.B. Mais, Futtergräser) genommen wurden.
Sowohl bei Gräsern als auch im Mais ist eine chemische Bekämpfung der HerkulesstaudenSämlinge mit selektiv wirkenden Herbiziden möglich.
•
Thermische Behandlung
Die thermische Bekämpfung mit Heißwasser oder Heißschaum, bei der entweder die Wurzeln praktisch gekocht oder die gesamte Bodenoberfläche mit den aufliegenden Samen behandelt wird, verursacht hohe Kosten bzw. vernichtet die komplette Grasnarbe und scheint daher nicht zielführend.
•
Einsatz von Herbiziden
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist durch rechtliche Regelungen eingeschränkt. Grundsätzlich dürfen Pflanzenschutzmittel ohne Genehmigung nur auf landwirtschaftlich, gärtnerisch oder
forstwirtschaftlich genutzten Flächen, nicht jedoch unmittelbar an Gewässern ausgebracht werden.
Weitere Einschränkungen gibt es nach dem Landschaftsgesetz NRW (§64), sowie in Natur-, Landschafts- oder Wasserschutzgebieten und ggf. bei bestimmten Fördermaßnahmen. Daher sind vor
der chemischen Behandlung Absprachen mit den Kreisen und dem zuständigen Pflanzenschutzdienst für Ausnahmegenehmigungen nach § 12 (2) Satz 3 neues Pflanzenschutzgesetz notwendig.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist außerhalb des Haus- und Kleingartens nur Personen mit
Pflanzenschutz-Sachkunde (z.B. Berufsabschlüsse Landwirt, Gärtner, Forstwirt oder entsprechende
Sachkundeprüfung) erlaubt.
Zur Bekämpfung der Herkulesstaude werden Herbizide (Unkrautvernichter) eingesetzt, die über
eine systemische Wirkung verfügen. Das heißt, der Wirkstoff wird über die Blätter aufgenommen
und bis in die Wurzel geleitet, so dass die gesamte Pflanze abstirbt.
Wirkstoff Triclopyr: (z.B. Pflanzenschutzmittel Garlon 4)
Dieser Wirkstoff hat den Vorteil, dass er selektiv auf zweikeimblättrige Unkräuter und nicht auf Gräser wirkt. Daher ist er besonders gut zur Bekämpfung in Wiesen und Böschungen geeignet, wo die
Grasnarbe erhalten bleiben soll. Eine intakte Grasnarbe ist sehr wichtig zur Unterdrückung der am
Boden liegenden Samen, da diese zur Keimung Licht benötigen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen eine
sehr gute Wirksamkeit, wenn das Mittel bei Sämlingen und einjährigen Pflanzen mit einer Konzentration von 0,5 % und bei mehrjährigen Pflanzen mit 1 % gespritzt wird. Wichtig ist immer die
gute Benetzung bei ausreichender Blattmasse
(Pflanzenhöhe etwa 0,5 bis 1 Meter).
Die Wirkstoffaufnahme kann bei warmer und trockener Witterung und damit dickerer Wachsschicht auf den Blättern durch Zugabe eines
Netzmittels (z.B. Break Thru S240 mit 0,03%
bzw. 150 ml/ha) verbessert werden.
Sind die Stauden für eine Behandlung schon zu
hoch, kann vorher gemäht und dann der NeuausTypische Symptome 1-2 Wochen nach Triclopyrtrieb behandelt werden. Wird erst kurz vor der
Behandlung, Foto: Holger Scherhag
Blüte gemäht, dann wachsen nur Notblüten nach
und es fehlt die Blattmasse für eine chemische
Behandlung.
-4Da es sich bei Triclopyr um einen Wuchsstoff handelt, dauert es etwas länger, bis man eine deutliche Wirkung sieht. Die Pflanze wächst noch einige Zeit weiter und bleibt dabei grün. Die älteren
Blätter biegen sich etwas zum Boden und der Neuaustrieb wächst verdreht aus dem Herz heraus.
Es können 4 – 6 Wochen vergehen, bis ältere Pflanzen absterben. Danach kann man die Flächen
mulchen und ggf. Gräser nachsäen.
Wirkstoff Glyphosat: (z.B. Pflanzenschutzmittel Roundup Ultra)
Dieser Wirkstoff gehört zu den Totalherbiziden,
d.h. er wirkt gleichermaßen auf ein- und zweikeimblättrige Pflanzen.
Gezielt können damit ältere Pflanzen mit genügender Blattmasse im späten Frühjahr bis etwa
2 Wochen vor der Blüte bekämpft werden. Sind
die Pflanzen schon zu hoch, kann auch eine
Mahd eingeschoben und dann der Neuaustrieb
behandelt werden. So verlängert sich auch das
Zeitfenster für eine chemische Behandlung.
Bei vorhandener Grasnarbe muss dieser Wirkstoff besonders gezielt eingesetzt werden, da
schon wenige Tropfen die umliegenden Gräser
schädigen und damit Platz und Licht für am BoSchäden in der Grasnarbe durch Spritzen
den liegende Samen schaffen.
von Glyphosat, Foto: Frank Reichel
Beim Einsatz der Rückenspritze kann ein Spritzschirm verwendet werden. Mit einer Konzentration
von 3 % bis 5 % muss mindestens die Hälfte der Blattfläche einer Pflanze behandelt werden.
Noch gezielter und daher vor allem in Gewässernähe einzusetzen ist das Dochtstreichgerät. Dabei
werden mit 33 %-iger Lösung mehrere Blattflächen entlang der Mittelrippe bestrichen. Zu achten ist
auf die optimale Einstellung der Schlauchschellen, damit es nicht zum Abtropfen des Mittels kommt.
Nach der Behandlung mit Glyphosat werden die Blätter schon nach einer Woche gelb und die ganze Pflanze beginnt abzusterben. Bei älteren Pflanzen dauert dies meist 2 – 3 Wochen.
Zur Amphibienschonung bitte Mittel ohne Tallowamine als Beistoffe verwenden, Hersteller fragen!
Dochtstreichgerät, Foto: Frank Reichel
•
8 Tage nach dem Streichen, Foto: Frank Reichel
Nicht geeignete Bekämpfung – das Mähen
An dieser Stelle wird dringend darauf hingewiesen, dass eine wiederholte Mahd nicht zum Absterben
der Pflanzen führt. Die Herkulesstaude versucht jedes Jahr erneut, zur Hauptblüte zu kommen und
stirbt erst nach der Hauptblüte von selbst ab.
Außerdem treibt die Pflanze nach der Mahd bzw. dem Abschlagen des Blütenstandes immer wieder
mit kleineren Blütenständen aus und es kommt zu einer oft unbemerkten Notblüte.
Durch die Mahd wird die Ausbreitung zwar verlangsamt, findet aber dennoch statt. Eine Bekämpfung
der vorhandenen Pflanzen und Bestände erfolgt damit nicht; dafür ist das Abtrennen des Vegetationskegels erforderlich (siehe Seite 2).
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Ausbreitung trotz zweimaliger Mahd pro Jahr im Ruhrtal
bei Witten, Foto: Frank Reichel
Kaum sichtbare Notblüte nach der dritten Mahd
der Wiese, Foto: Frank Reichel
Planung der Bekämpfung
Die Bekämpfung der Herkulesstaude muss über mehrere Jahre hintereinander konsequent durchgeführt werden. Wenige vergessene Samenstände auf einer Fläche, die schon als staudenfrei gilt,
bilden wieder ein Samenpotential für die nächsten Jahre.
Zunächst sollten die kleineren Bestände bekämpft werden, da hier die größte Ausbreitungsgefahr
besteht; die Vorkommen der Pflanze kann man am besten von außen nach innen zurückdrängen.
An vielen Beispielen lässt sich eindrucksvoll zeigen, dass selbst stark befallene Flächen nach drei
bis vier Jahren intensiver Bekämpfung mit viel geringerem Aufwand von den Herkulesstauden befreit werden können. Wichtig sind jährliche Nachkontrollen im Mai / Juni sowie dichte Grasnarben,
damit die am Boden liegenden Samen nicht zum Keimen kommen.
Die Kartierung der Herkulesstauden-Vorkommen ist eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche
Nachkontrolle über die nächsten Jahre. Denn wo einmal Stauden standen, sind Samen im Boden
und können über einige Jahre keimen.
Bekämpfungsmöglichkeiten im Jahresablauf
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Die beste Zeit zum Ausgraben der Herkulesstauden ist das Frühjahr nach dem Austrieb der
Pflanzen bis ca. Mitte Mai. Dann sind die austreibenden Pflanzen bzw. Sämlinge noch niedrig
und es besteht ein geringeres Risiko, mit dem Saft in Berührung zu kommen.
Von Ende April bis Ende Mai (optimale Wuchshöhe 0,5 bis 1 Meter) kann auch ohne vorherige
Mahd chemisch behandelt werden.
Von Ende Mai bis Ende Juni (vor der Blüte) sollte zuerst gemäht und dann der Vegetationskegel
abgetrennt bzw. der Neuaustrieb chemisch behandelt werden. Fast blühende Pflanzen bilden
kaum neue Blätter für eine chemische Behandlung.
Ab Juli, wenn schon Samen an der Hauptdolde sitzen, müssen auf jeden Fall die Dolden entfernt und vernichtet werden, damit sich nicht neue Samenbestände aufbauen.
Nach der Entfernung der Altstauden wachsen auf den Flächen schon wieder zwei Generationen
hervor: die einjährigen Pflanzen und die auskeimenden Samen, die endlich ans Licht kommen.
Daher bietet auch der Herbst bis in den Oktober hinein gute Bekämpfungsmöglichkeiten durch
Ausgraben der jungen Pflanzen (geringeres Risiko) oder durch den Einsatz des selektiven Wirkstoffes Triclopyr. So kann eine wichtige Vorarbeit für das nächste Frühjahr erledigt werden.
Fazit
Die Bekämpfung der Herkulesstaude ist möglich. Dabei ist der gezielte Einsatz effektiver Methoden
über mehrere Jahre mit Kartierung der Standorte und sorgfältigen Nachkontrollen notwendig. Diese
Aufgabe kann nicht isoliert von einzelnen Anliegern, sondern nur gemeinsam mit allen Beteiligten
und durch sachliche Information der Bevölkerung in Angriff genommen werden.