Klicken, kaufen - Global Marshall Plan

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Klicken, kaufen - Global Marshall Plan
P R O J E K T
Z U K U N F T
Klicken, kaufen,
Welt verändern
Das Prinzip Utopia lautet: Strategischer
Konsum soll die Welt verbessern.
Nicht Verzicht predigen die Gründer auf ihrer
Website, sondern den bewussten Umgang mit den
Gütern unserer Erde. Eine rasant wachsende
Gemeinschaft soll diese Idee in die weite Welt tragen.
er wie ich der Meinung ist, gen und Unternehmen. Der Maßstab
Kinderkriegen ist auf- heißt „Nachhhaltigkeit“. Unterstützt
regend, dem sei gesagt: wird das Ganze von Experten und
Kinderkriegen ist NICHTS gegen Prominenten, die ebenfalls zur Comdas hier!“ Es war am 6. November munity gehören. So können Besuletzten Jahres, als Claudia Langer cher auf der website dabei sein, wie
diesen Satz in ihren Blog, also ihr Fernsehmoderatorin
Sandra
öffentliches
Internet-Tagebuch, Maischberger, Utopistin der ersten
schrieb (s. Glossar, S. 16). Die Mut- Stunde und Jugendfreundin von
ter dreier kleiner Kinder war ge- Claudia Langer, nach den ökologisch
schlaucht von zwei Monaten, in de- besten Windeln sucht, Schauspieler
nen sie mit ihrem 14-köpfigen Axel Milberg und seine Frau ökokorTeam rund um die Uhr geschuftet rekte Weihnachten feiern oder Georg
hatte. Gleichzeitig spürte sie dieses Schweisfurth, Gründer der Basicnervöse Kribbeln im Bauch – Span- Kette, durch einen seiner Bio-Supernung pur. Zwei Tage später würde märkte schlendert. Der Utopia-Chedie Frucht ihrer Arbeit an den Start fin ist es gelungen von allen Seiten
gehen – Utopia. Ein Internetportal, Befürworter zu finden: Von Politiker
das die Welt verändern soll.
Klaus Töpfer über Umweltpionier
www.utopia.de ist ein virtueller Hubert Weinzierl, den Vorsitzenden
Treffpunkt für Menschen, die kor- des Deutschen Naturschutzrings, bis
rekt leben und trotzdem genießen zu den so genannten Stromrebellen
wollen. Das Herzstück ist die „Com- Ursula und Michael Sladek.
munity“, die Gemeinschaft der
„Utopia will einen nachhaltigen
„Utopisten“, der jeder
Lebensstil fördern, Oribeitreten kann. Kostenentierungshilfe geben
los. Auf dem Portal befür Produkte, die das Lewerten die Mitglieder
ben wirklich besser maProdukte, Dienstleistunchen“, sagt Claudia Lan씮
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natur+kosmos 02/2008
Fotos: Weleda AG/Valentin Jeck (2)
W
Das Projekt
UNSER ALLER LEBENSSTIL KANN DIE WELT VERBESSERN –
„Wir
Claudia Langer, die
frühere Chefin einer erfolgreichen Werbeagentur,
setzt heute auf nachhaltigen Konsum.
fangen dann schonmal an!“ lautet ein Grundsatz des
neuen Internetportals Utopia. Es will Menschen zusammenbringen, die ihre Marktmacht als Verbraucher erkannt
haben und nun durch strategischen Konsum ausüben
wollen. Utopia besteht aus zwei Teilen: Die kommerzielle
Utopia AG soll mit einer guten Sache Gewinne machen.
Sie informiert auf der Internetseite über nachhaltigen
Lebensstil und nimmt Geld ein durch Werbebanner,
Kooperationen, Sponsorings und einen geplanten OnlineShop. Ein Teil dieser Gewinne fließt dann in den zweiten
Teil, die Utopia-Stiftung. Diese soll im Verbund mit anderen Stiftungen Non-Profit-Projekte finanzieren, die ebenfalls unseren nachhaltigen Umgang mit der Erde fördern.
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ger. Die Pfarrerstochter, die als
Werbe-Managerin viel Geld verdient hat, ist überzeugt, dass die
Kunden es selbst in der Hand haben, wie verantwortungsvoll Unternehmen handeln – indem sie
nämlich nur Waren und Leistungen
kaufen, für die weder die Natur zerstört noch Arbeiter ausgebeutet
werden. Ökologisch und sozial korrekt sozusagen. Claudia Langer
glaubt dabei an die Kraft der Mundpropaganda: „Wenn ein Utopist
über seine vier Jahre Erfahrung mit
einem Toyota Prius schreibt, ist das
hilfreicher für eine Kaufentscheidung als jede Anzeige.“
Ihre Initiative könnte auf keinen
fruchtbareren Boden fallen. Die so
genannten Lohas – manchmal auch
mit dem Etikett Neo-Grüne, Kulturell Kreative oder Neue Konsumenten bezeichnet – sind gewaltig auf
dem Vormarsch (s. natur+kosmos
7/06). Lohas steht für „Lifestyle of
Health and Sustainability“ und bezeichnet eine Art neuer Umweltbewegung, die sich in den letzten Jahren zunächst in den USA entwickelt
hat. Zu ihr gehören meist gut verdienende Menschen, die mit gutem Gewissen konsumieren wollen – ohne
zu verzichten.
„Lohas sind die Lifestyle-Avantgarde des 21. Jahrhunderts, weil sie
bislang widersprüchliche Bedürfnisse wie Nachhaltigkeit und Genuss, Umweltorientierung und Design in ihrem Lebensentwurf zusammenbringen“, sagt Trendfor-
Kennzahlen
Roland Emmerich, Filmregisser
„Ich bin zwar kein Aktivist, aber mittlerweile fahre ich ein Hybridauto und habe
eine Solaranlage auf dem Dach“
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natur+kosmos 02/2008
www.utopia.de ist am 8. November 2007 als unabhängige Konsumentenplattform gestartet. Binnen 14 Tagen wurden bereits
eine halbe Million PageImpressions gezählt und 3500
Utopisten registriert, nach 4
Wochen waren es über 1 Million
Klicks bzw. 5500 Utopisten.
Utopia hat 15 Mitarbeiter. Die
Utopia-Stiftung befindet sich in
der Gründungsphase, 10 Kuratoriumsmitglieder entscheiden.
Erste Sitzung: Februar 2008.
scher Eike Wenzel vom Zukunftsinstitut in Kelkheim. „Sie bevorzugen also einen hybriden Lebensstil, der sich weniger von den Diktaten des Marketings beeinflussen
lässt und stärker eigene Konsumerfahrungen berücksichtigt. Und
sie verlassen die passive Zuschauerrolle im Markt. Sie wollen sich austauschen und mitbestimmen. Darum ist das Internet die wichtigste
Informations-Plattform der Lohas.
Insbesondere das Web 2.0, weil es
interaktiv ist.“ (s. Kasten S. 18)
In Amerika wird die Zahl der Lohas auf 50 bis 60 Millionen Verbraucher geschätzt, die zig Milliarden Dollar für nachhaltige Produkte ausgeben. In Deutschland
nimmt die Marktmacht ebenfalls
zu: Die Biobranche wächst seit dem
Jahr 2000 im Schnitt um 15 Prozent
per anno und macht inzwischen
rund fünf Milliarden Euro Umsatz.
Kein Wunder, dass „Unternehmen bei diesen Zahlen nervös werden“, sagt Claudia Langer. „Sie hören, dass da eine Welle auf sie zurauscht, aber sie können sie nicht
sehen. Es ist, wie wenn sie auf eine
Nebelbank blicken.“ Langers Devise heißt deshalb „ich kaufe mir eine
bessere Welt“ oder „strategischer
Konsum“. Schauspieler Axel Milberg, bekannt als Tatortkomissar
erklärt, was damit gemeint ist: „Bei
meiner Frau und mir war es nach
der Geburt des ersten Kindes: Wir
haben uns damals für mehr Verant-
politik + wirtschaft
Karte: Sonja Heller. Fotos: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xxxx
Der Utopia-Produktguide: Dort werden
über 400 Produkte
von Fragen zu Recycling bis zu fairem
Handel bewertet.
„Erst lesen, dann
kaufen“: Diese
Empfehlung gibt
Utopia nicht nur
angehenden
Hausbesitzern mit
auf den Weg.
wortung entschieden und für mehr
Genuss – wie Millionen andere
auch. Dadurch wurde die ganze Lebensmittelbranche zum Umdenken gezwungen.“
Daran, dass dieses Umdenken auf
alle Branchen übergreift, arbeiten die
Mitarbeiter von Utopia in einem modernen, würfelförmigen Holzhaus,
das Claudia Langer vor drei Jahren
mit ihrem Mann in München-Solln
gebaut hat. Die Utopia-Gründerin
sitzt in einem Büroraum, den das
Team nur „Aquarium“ nennt. Er liegt
zentral im zweiten Stock. Die beiden
Längswände des Aquariums sind jeweils eine einzige Fensterfront, der
Raum ist lichtdurchflutet – transparent wie das ganze Projekt.
„Sitzen“ kann man das allerdings
eigentlich nicht nennen, was Claudia Langer da tut. Sie selbst beschreibt sich als hyperaktiv. Und das
scheint zutreffend. Die 43-jährige
steht unter Strom, ist ständig in Bewegung, wechselt die Position auf
dem Stuhl, gestikuliert ausschweifend und wird kurz aus der Besprechung gerufen, um ein Filmteam
von RTL zu verabschieden. Zurück
im Aquarium stürzt sie sich mit vollem Elan in das Gespräch. „Es ist der
absolute Wahnsinn“, sprudelt es aus
ihr heraus. „Es scheint, als hätten al-
Felix Finkbeiner, jüngster Utopist
„Während andere diskutieren, pflanzen
wir Bäume. Ein Baum kostet nur einen
Euro, aber er bringt ganz viel fürs Klima.“
씮
INTERVIEW
„Mit guten Sachen darf man Geld verdienen“
Claudia Langer zur Gründung ihres Utopia-Portals.
Frau Langer,
was unterscheidet
www.utopia.
Claudia Langer,
de von anGeschäftsführerin
deren Interder Utopia AG.
netportalen
für nachhaltigen Konsum?
Im Wesentlichen unsere ausgeprägte Community. Wir wollen nicht nur
informieren, sondern die Menschen
mitreißen. Und das hoffen wir durch
ein hohes Maß an Interaktivität zu
erreichen. Die Utopisten können die
Seite aktiv mitgestalten.
Sind Sie bei ihrem Konzept von
der erfolgreichen Internetgemeinschaft „Xing“ inspiriert worden?
Nein, davon habe ich erst später
gehört. Der Gedanke kam uns eher
wegen unseres Ärgers beim Hausbau. Mein Mann und ich wollten
das nachhaltigste und baubiolo-
politik + wirtschaft
gischste Holzhaus der Welt errichten und sind kläglich gescheitert.
Als wir zum Beispiel einen Zimmerer nach mondgeschlagenem
Holz fragten, schaute der uns an, als
wären wir selbst vom Mond. Weit
draußen auf dem Land kennt man
noch die Jahrtausende alte Regel
„Jeder Bauer schlägt den tragenden Balken bei Vollmond“. Oder
die Wandheizung: Eine tolle Sache.
Sehr angenehm und spart Energie.
Aber finden Sie mal jemanden, der
dazu etwas empfehlen kann. In
Utopia kann man solche Probleme
jetzt ohne weiteres klären.
Kritiker bemängeln, dass Utopia
nicht nur eine Stiftung für die
gute Sache, sondern auch ein
Profit orientiertes Unternehmen
sei. Was entgegnen Sie denen?
Eigentlich wollte ich nie mehr Unternehmerin sein und Utopia unbe-
dingt als non-profit-Initiative aufstellen. Ich habe viele mögliche
Sponsoren besucht, von denen
auch einige Geld gegeben hätten.
Aber dann wollte der eine, dass
Utopia nach ihm benannt wird, der
nächste in die Projekte reinreden.
Letztlich musste ich erkennen,
dass ich so in eine Abhängigkeit
komme, die meine Initiative aus der
Balance bringen. Entscheidend
war ein Treffen mit Basic-Gründer
Georg Schweisfurth. Der war
erschüttert, als ich ihn um Geld anpumpte, und sagte, die Menschen
müssten endlich kapieren, dass
man mit guten Sachen auch Geld
verdienen darf. Ich solle wieder anrufen, wenn ich ein richtiges Geschäft daraus gemacht hätte. Also
habe ich eine Aktiengesellschaft
gegründet – und Georg Schweisfurth sitzt im Aufsichtsrat.
www.natur.de 02/2008
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„Ich freue mich, Utopia.de unterstützen
zu können, da mir das Thema sehr am
Herzen liegt“
le nur auf so etwas wie Utopia gewartet.“ Binnen vier Wochen nach
Start der website wurde diese mehr
als eine Million Mal angeklickt.
Über 5500 Menschen haben sich als
Utopisten angemeldet. Und das ohne jede Werbung – allein durch die
Kraft der Community. „Unsere
UNSERE PARTNER
natur+kosmos präsentiert jeden Monat ein herausragendes Projekt, das
ökologische, ökonomische und soziale Kriterien gleichermaßen erfüllt.
Die Auswahl der Projekte erfolgt weltweit und in Zusammenarbeit mit:
Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management
(B.A.U.M.), BUND, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Deutsche Investitions- und
Entwicklungsgesellschaft (DEG), Deutscher Naturschutzring (DNR), dokeo
GmbH, econsense – Forum Nachhaltige Entwicklungder Deutschen
Wirtschaft, fechnerMEDIA, Global Nature Fund (GNF), Institut für MarktUmwelt-Gesellschaft (IMUG), KfW Entwicklungsbank, Öko-Institut, Right
Livelihood Award Foundation (Alternativer Nobelpreis), Schweisfurth-Stiftung,
Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur), World Wildlife Fund (WWF),
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
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natur+kosmos 02/2008
Internetglossar
Blog: Abkürzung von „weblog“,
zusammengesetzt aus Web und
Logbuch. Bezeichnet das Internettagebuch eines Nutzers. Mittlerweile gehen Blogs weit über persönliche Erfahrungsberichte hinaus
und kommentieren oft kompetent
das Weltgeschehen. Für viele sind
Blogs daher neben Fernsehen und
Presse zu wichtigen Informationsquellen geworden.
Community: Die Gemeinschaft
der angemeldeten Nutzer einer
Internetseite, die sich untereinander austauscht – mit Erfahrungsberichten, Bewertungen, Tipps
und Anregungen.
Page impressions: Gibt an, wie
häufig Nutzer eine Einzelseite einer website angeklickt haben. Je
mehr Internetnutzer auf eine Seite
gehen, um so attraktiver wird sie
– etwa für Anzeigenkunden.
Web 2.0: Bezeichnet interaktive
Formen von Internetangeboten.
Die Nutzer stellen eigene Inhalte
ins Netz. Video- und Fotoplattformen wie You Tube und Flickr, das
Online-Lexikon Wikipedia, Blogs
und Tauschbörsen sind Beispiele.
Auch unter www.natur.de gibt es
verschiedene Möglichkeiten, sich
aktiv einzubringen..
stinksauer auf meine Eltern: ‚Wie
konntet ihr mich nur in so eine
Welt setzen?’ Es war das reinste No
Future-Gefühl.“
Was folgte, war purer Trotz nach
dem Motto: „Wenn die Welt schon
untergeht, will ich bis dahin wenigstens Party machen.“ Und Spaß bedeutete für Claudia Langer, sich
politik + wirtschaft
Foto: Weleda AG/Bildarchiv
Anita Bachelin, Modemacherin
kühnsten Erwartungen sind übertroffen worden“, strahlt Langer. Von
allen Seiten gibt es Lob, von der konservativen Frankfurter Allgemeinen
Zeitung bis zur linksgerichteten Tageszeitung taz.
Die Gründerin ist darüber sehr
erleichtert. Los ging das Ganze
nämlich mit einer fixen Idee in einem Wohnmobil in Kanada. Und
auch das nicht ohne Vorgeschichte.
Claudia Langer wuchs in einem
ökologisch sehr korrekten Elternhaus auf. Der Vater ist Pfarrer, die
Mutter Sozialpädagogin. „Ich war
bei jeder Menschenkette dabei und
hatte die größten Anti-AtomkraftAufkleber.“ Der erste Bericht des
Club of Rome von den Grenzen des
Wachstums prägte ihre Kindheit.
Was sie im Sozialkunde Leistungskurs über die Defizite unserer Gesellschaft lernte, tat das Übrige, um
Claudia Langer in die Verzweifelung zu treiben: „Ich war damals
„Billig heißt leider oft
giftig“ – warnt Utopia,
wenn es um Kinderkleidung geht.
kreativ auszutoben. Im Alter von 16 dann in dir zu rumoren an; du erin- ihres Öko-Holzhauses verzweifelte,
baute sie ein Kleinkunstfestival und nerst Dich deiner Wurzeln, machst weil es so schwierig war, die richtigen
eine Konzertagentur auf, mit 19 die dir Gedanken, worum es dir im Le- Materialien und Handwerker zu fin„Avantgarde Modemesse“ als Ge- ben wirklich geht. Dann bekommst den (s. Interview, S. 15).
Im Sommer 2006 gab dann eine
genentwurf zur Münchner Mode- du Kinder, denen du eigentlich
woche – um es den Satten und Etab- ganz andere Werte vermitteln Tour mit dem Wohnmobil durch Kalierten mal ordentlich zu zeigen. Acht willst, als sie in der Werbewelt gel- nada den Anstoß für Utopia: „Ich haJahre später gründete sie mit ihrem ten. Und dann wirst du auch noch be noch nie eine so hemmungslose
Mann Gregor Wöltje die Werbeagen- 40. Spätestens da war mir klar: So Zerstörung von Natur gesehen“, eringeht das nicht weiter.“
nert sich Claudia Langer. „Wir wolltur „start“. Und die schlug voll ein.
2005 stieg sie mit ihrem Mann von ten unberührte Landschaften genieDie beiden entwarfen Aufsehen
erregende Kampagnen, erhielten jetzt auf gleich aus, verkaufte die ßen und bekamen stattdessen zerGroßaufträge von Konzernen wie Agentur und stürzte sich erst einmal störte Berge und Wälder zu sehen.
MTV, eon, Burger King und Deut- ins Privatleben. Zu der Zeit wurden Verstört saßen wir da und diskutiersche Bank, sahnten nationale und die Filme „We feed the World“, „Un- ten.“ Die Managerin in ihr erkannte,
internationale Preise ab und be- ser täglich Brot“ und Al Gores „Eine dass grüne Politik und Öko-Organischäftigten zeitweise 80 Angestellte. unbequeme Wahrheit gedreht, die sationen mehr Unterstützung brauClaudia Langer wurde zu einer Be- den Status Quo unseres Umgangs chen könnten und kam mit ihrem
rühmtheit in der Werbewelt. „Es mit der Natur anprangern und die Mann zu dem Schluss: „Da muss sowar ein Riesenspaß“, erinnert sie auch Langers Familie bewegten. Es zialer Unternehmergeist rein. Die
sich. „Aber irgendwann fängt es war die Zeit, in der das Paar am Bau Idee zu Utopia wurde geboren.“
씮
INTERVIEW
„Utopia macht dort weiter, wo wir aufhören!“
Rainer Grießhammer zum Engagement des Öko-Instituts bei Utopia.
Herr Grießhammer, warum macht
das ÖkoRainer GrießInstitut bei
hammer, stellv.
Utopia mit?
Geschäftsführer
Mit dem Ökodes Öko-Instituts.
Institut erreichen wir vor allem Politiker und Unternehmer. Nur wenige Projekte richten sich direkt an Verbraucher. Traditionell arbeiten wir mit Studien, Pressemitteilungen und Politikberatung.
Utopia macht als kreative Plattform
mit Videoclips, Chats usw. da weiter,
wo wir aufhören!
Andere sind skeptisch, ob eine
PR-Managerin wie Claudia Langer wirklich die Sache in den
Mittelpunkt stellt, und nicht den
politik + wirtschaft
Profit – und sie wundern sich,
dass das Öko-Institut mitmacht.
Ist die Skepsis berechtigt?
Es gibt viele erfolgreiche Unternehmen in der Bio- und Nachhaltigkeitsbranche, die aus dem konventionellen Bereich heraus gegründet
wurden – etwa die Freiburger Solarfabrik, Alnatura und die Hermannsdorfer Landwerkstätten. Der
schwierigen Balance zwischen hehrem Ziel und Behauptung am Markt
müssen sich alle stellen – unabhängig von der Herkunft. Das gilt für
Utopia genauso wie für die taz,das
Öko-Institut oder natur+kosmos.
Wie bringt sich das ÖkoInstitut bei Utopia ein?
Das Öko-Institut ist an Utopia nicht
institutionell beteiligt. Wir kooperie-
ren bei einzelnen Projekten, etwa
mit der EcoTopTen-Initiative, bei
der wir zukunftsfähige Produkte
empfehlen. Und ich bin persönlich
im Stiftungsrat von Utopia. Die Zusammenarbeit ist bisher sehr erfeulich, Anregungen von uns wurden schnell umgesetzt.
Welche Hoffnungen verbinden
Sie mit dem Projekt?
Viele der bereits bestehenden Plattformen widmen sich eingeschränkten Fragestellungen oder sprechen
nur die Ökoszene oder nur jüngere
Nutzer an. Utopia ist auf dem guten
Weg, das übergeordnete Forum für
nachhaltigen Konsum zu werden,
mit dem sich Verbraucher und Unternehmen, jüngere und arrivierte
Zielgruppen verbunden fühlen.
www.natur.de 02/2008
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Ludolf von Maltzan, Bio-Bauer
„Es ist schön, in einer wachsenden Utopisten-Familie die Erkenntnis zu haben,
an etwas Gutem beteiligt zu sein“
Während der Vorbereitung, die
insgesamt ein Jahr dauerte, hatte
Claudia Langer ziemlichen Bammel. Bammel davor, dass die Hardcore-Ökos sie anfeinden würden.
Doch auch in diesen Kreisen fand
die Idee Anhänger. Das Freiburger
Öko-Institut, vertreten durch Rainer Grießhammer (s. Interview S.
17), ist Gründungspartner von
Utopia und steht mit 30 Jahren Erfahrung zur Seite. Und dann war da
ein User namens „Konsum-Guerilla“, der Claudia Langer fast zum
Weinen gebracht hätte vor Glück.
Es war einen Tag nach der Freischaltung der website. „Da schrieb
dieser Mensch im Forum: ‚Ich bin
Utopist, ich bin Utopist. Meldet
Euch jetzt an!’ Ich hätte ihn küssen
können! Jetzt war mir klar: Ich
kann beruhigt den Start feiern.“
Was nicht heißt, dass es keine
Skeptiker gibt. Peter Parwan, ein
Öko alter Schule, der auf seiner
website www.lohas.de schon seit
eineinhalb Jahren über nachhaltigen Lebensstil informiert, traut
Utopia nicht recht über den Weg.
„Wenn eine solche Initiative von
Unternehmern ausgeht, besteht
immer die Gefahr, dass da reine
Profitgier mit einem grünen Mäntelchen überdeckt wird. Die Zeit
wird es zeigen.“
Darauf baut auch Claudia Langer. „Wer immer noch skeptisch ist,
den können wir nicht mit Reden
überzeugen, der soll einfach abwarten.“ Sie weiß selbst nur zu gut, wie
aufmerksam und kritisch die Utopia-Gemeinschaft ist. „Natürlich
haben viele meiner damaligen Werbeagentur-Kunden, die ja nun mal
wissen, was wir können, angerufen
und gefragt: ‚Können wir Freunde
sein?’“ Langer lehnte dankend ab.
Schon die Beteiligung der beiden
Gründungspartner Hess Natur und
Nachhaltiger Konsum im Netz
Im Internet gibt es immer mehr Angebote für Verbraucher, die
einen nachhaltigen Lebensstil pflegen möchten.
„Umwelt und Gesundheit sind Themen, die vor allem bei zahlungskräftigen
Käufern in Zukunft immer stärker in den Vordergrund rücken dürften“, prognostiziert Werner F. Schulz, Professor für Umweltmanagement an der Universität Hohenheim. Webseiten wie www.eco-world.de oder www.ecoshop
per.de und Online-Zeitschriften wie www.der-wellnesser.de liefern dieser
Käuferschicht gezielt Produktinformationen. Portale mit Community-Gedanken bieten darüber hinaus die Möglichkeit, sich als registrierter Nutzer mit
anderen auszutauschen. Den Anfang machte hier im August 2006 die Seite
www.lohas.de, betrieben von Peter Parwan, einem Umweltaktivisten der
ersten Stunde, der sein Angebot inzwischen um den Produktführer www.
lohasguide.de und den Blog www.lohas-lifestyle.de ergänzt hat. Ende
2007 folgten www.ivy-world.de vom Zeitschriftenverlag Burda und www.
utopia.de. „Die Entwicklung ist nicht neu“, sagt Werner F. Schulz. „Neu dagegen ist, dass sich jetzt echte Verkaufsprofis ans Werk machen. Das sehe
ich nicht als negativ an, solange die Qualität stimmt. Denn Umwelt und
Gesundheit sind Vertrauensgüter. Das sollten Burda und Co. beherzigen.“
Otto, die Utopia mitfinanziert haben und nun damit werben, musste
Langer vor der Community bis ins
Detail rechtfertigen. Nur Unternehmen wie diese beiden, die ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft vorbildlich wahrnehmen, indem sie ihre gesamte Struktur auf
Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit trimmen, dürfen bei Utopia
mitmachen. Auch die bei anderen
kommerziellen Internetseiten gängige Praxis, Userdaten zu speichern
und womöglich für Geld weiterzugeben, ist absolut tabu: „Damit
würden wir unsere komplette
Glaubwürdigkeit verspielen. Und
die ist wichtiger als jede schnelle Refinanzierung“, weiß die Chefin.
Ein paar Jahre wird es wohl dauern, bis Utopia durch Bannerwerbung, Sponsoren und den Verkauf
nachhaltiger Produkte schwarze
Zahlen schreibt. Entscheidend ist
ihr, dass Sie Konsumenten wie Unternehmen zum Handeln bringt.
Und diesbezüglich ist sie sehr zuversichtlich: „Ich habe das starke
Gefühl, dass wir an einem historischen Wendepunkt stehen, insbesondere was die Unternehmen
betrifft. Früher waren das Betonköpfe. Als ich bei Eon mit damals
26 Jahren mal den kühnen Vorschlag unterbreitete, die Atomkraft
aufzugeben, fand der Vorstand das
wirklich rührend und hat sich kaputt gelacht. Aber heute sind solche
Konzerne verunsichert. Wahrscheinlich reichen schon zehn Briefe an die Unternehmensleitung, um
ein Thema auf die Agenda der
nächsten Vorstandssitzung zu bringen. Einfach weil die Vorstände
Angst haben, die Welle, die sie hören, könnte ein Tsunami sein.“
JAN BERNDORFF
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