Materialistische Vorsehung Mark Fisher
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Materialistische Vorsehung Mark Fisher
culture, the dissolution of the ego. A lighthearted get-together and no social standards or professional interests spoiled the performance. We all just wanted to be pure art. Afterwards we were breathless and the applause never ended. Endlessly liberated, we looked at each other. That was just crazy, AMAZING! Am woken by the urge to urinate. While on the toilet the dream tried to pull me back. I am a gift, whispered the dream. I closed my eyes and saw kaleidoscopes, which wanted to assure me: You are not mistaken, it was beautiful. I swooned with joy. We spend our days wrestling with reality. We repress our fantasy, our imagination, keeping it strictly separate from our real lives. We have the feeling it might contain anti-Enlightenment dangers, a power that could shed doubt on, derail everything. To make up for it we’ve created an imagination industry that keeps us satisfied. We leave it to the professionals, pick and choose what we like. We might not be able to determine the quality but at least we can select the size of the portions and flavor. We are bachelor students, don’t have time for daydreaming. Yet the imagination industry offers something insanely close to reality, confoundingly similar, from which — it claims — we can learn something useful in real life. Its products are so dangerous precisely because they aren’t boundless, unlike the imagination. They generate desires that fall in the realm of the possible, tell of conceivable worlds, describe feelings that cannot be experienced. My dream was a gift of my repressed imagination, which tried really hard to show me what it can do, what I am capable of: the destruction of this reality. He got completely carried away, the overused metaphor of the hamster wheel has to be carted out. We had to stand there and watch how he pedaled away like mad and didn’t move a single millimeter. We watched his body go slack. Going slack is a reflex that serves to protect oneself from boundless energy. The kind of boundless energy that flows out of the body and into the spirit in order to be tortured until it finally goes slack. It is more important to learn to sit still than to learn how to change or move something. We are sold the ideal of motionlessness. The dream of winning the lottery is the dream of the joy of eternally sitting still. He had this energy and didn’t know what to do with it. They had given him the tools to manufacture his own slackness and sent him out into the world. A producer’s mentality that has been told to find satisfaction in consumption. Shopping lists instead of to-do lists. Reviving the function of good old art might be one way to combat slackness and its accompanying malaise. Providing stimuli that don’t just modify our perceptions but change the whole system. A way of producing art that frees itself from the market and the societal elite and is finally able to mobilize human beings. We have to be dripping with idealism, with defiance and a hunger for power. We have to stop defining ourselves as freelancers, self-employed. We must cobble together visions from our discontent, visions with which to lure in humans. It’s worse than ever and we who recognize this low point must finally say it: From here on out it’s going to be different. Carsten Tabel 14 Our sports loving society wants you to stay on the ball, wants you to get that master’s degree as soon as you’ve earned your bachelor’s. A couple more years university, a couple more years waiting tables. And don’t start feeling too much at home in that bar, don’t get too used to the city’s best cappuccino or that shot of liquor after a hard day’s work. Make sure you don’t start ordering large beers at two o’clock in the afternoon on your days off. Don’t waste your life. Once you’ve got your master’s degree you’ll slide right into a job (like a hot dog sliding down your throat). You’ll slip right into your own apartment, your own car. You’ll have a wonderful three-week vacation every year. That’s what mommy and daddy say and they’re the masters of life. They are joy, unaffected by hormone levels, unreachable, joy incarnate. And you’ll always be their child. Their happy, joyful child. Carsten Tabel Materialistische Vorsehung *1978 in Friedberg lebt in Leipzig *1978 in Friedberg lives in Leipzig studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. 2008 machte er dort seinen Meisterschülerabschluss bei Prof. Timm Rautert. Im selben Jahr erhielt er ein sechsmonatiges Projektstipendium des DAAD für Australien. Seit 2006 ist er, neben seiner künstlerischen Arbeit, auch als freier Autor tätig und veröffentlicht literarische Texte in Künstlermonografien und Katalogen. 2010 erschien die Textsammlung I‘m not on fire im Lubok Verlag, Leipzig. 2012 war er mit einem Atelierstipendium der Hessischen Kulturstiftung für zwölf Monate in London. Zum Abschluss dieses Stipendiums erschien 2013 die Publikation Beautiful Eyes Terrible View. studied photography at the Academy of Visual Arts Leipzig. In 2008 he completed the Meisterschule program under Prof. Timm Rautert. In the same year he was awarded a six-month project grant in Australia from the German Academic Exchange Service. Since 2006 he has also worked as a freelance author, publishing literary texts in art books and catalogues. In 2010 Lubok Verlag (Leipzig) released the book I‘m not on fire. In 2012 he resided in London for 12 months on a studio grant from the Hessische Kulturstiftung. At the conclusion of the grant in 2013 appeared the publication Beautiful Eyes Terrible View. Mark Fisher Könnte es sein, dass wir die erste Generation sind, die um einen Glauben an Vorsehung beraubt ist? Und könnte es sein, dass das Verschwinden dieses Glaubens eine der Ursachen für jene eigenartige Melancholie ist, die still, aber beharrlich dem gegenwärtigen Moment seinen Anstrich verleiht? Mit „wir“ meine ich jene Generation, die nicht mehr an den dialektischen Zusammenhang zwischen der (kommunistischen) Partei und der Geschichte glauben kann, demzufolge die Partei das Mittel darstellt, durch welches die Geschichte ihrem notwendigen Weg zum Kommunismus folgt. Vorsehung bedeutet dabei nicht göttliche Fürsorge und Voraussicht, sondern deren Ersetzen durch menschliche Formgebung. Wer braucht ein gottgegebenes Gefühl von Sinn, Bestimmung und Führung, wenn es die Partei gibt? Jodi Dean, die kürzlich über Kommunismus in den Vereinigten Staaten schrieb, hat bewegend geschildert, wie die Partei „einigen Amerikanern das Gefühl gab, dass die Welt eins sei, dass ihre Arbeit so bedeutungsvoll sei wie die Arbeit einer Klasse, dass ihre Mühen bedeutsam seien als Teil des globalen Kampfes für die Befreiung kollektiver Arbeit aus den Fängen derer, die sie für ihren privaten Profit vereinnahmen. Für notleidende und kaum des Lesens und Schreibens mächtige Einwanderer ist der Kommunismus eine Quelle des Wissens und der Kraft – das Wissen darüber, wie die Welt funktioniert, und die Kraft, sie zu verändern. Bergarbeiter, Landarbeiter und jene, die nur mit Mühe genug für die tägliche Mahlzeit verdienen, tauschen ihre isolierende Unwissenheit gegen eine zivilisierende Verbundenheit.“1 Dieses Zugehörigkeitsgefühl lässt sich nicht auf jene chauvinistischen Freuden reduzieren, die davon herrühren, in irgendeine Gruppe eingeweiht zu sein. Es ist ein spezielles Gefühl der Einbeziehung, das verspricht, sämtliche Aspekte des Alltagslebens auf eine Weise umzugestalten, wie es zuvor nur Religion vermochte, so dass sogar die tristesten Arbeiten mit großer Bedeutsamkeit erfüllt werden können. „Selbst jene, die so langweilige, repetitive Arbeiten ausführen wie das Verteilen von Flugblättern oder das Rekrutieren neuer Mitglieder nach einem Wechsel der offiziellen Linie oder das Aufbegehren gegen die Selbstgefälligkeit der hohen Tiere, erfahren ihr Leben in der Partei als äußerst bedeutsam.“ Der globale Kampf war zudem ein Kampf um die Zeit, um die Bedeutung von Geschichte – oder genauer gesagt: Es war ein Kampf um die Frage, ob Geschichte überhaupt etwas „bedeutet“ oder ob sie letztlich nichts anderes ist als eine Abfolge von zufälligen Fehltritten. Es ist genau diese Wahrnehmung von globalem Schicksal, die Francis Spufford in seinem außergewöhnlichen Buch Red Plenty evoziert. Eine von Spuffords sowjetischen Figuren reflektiert über das „Glück, in dem einzigen Land der Welt zu leben, in dem die Menschen die Macht erobert hatten, das Geschehen auf Basis von Vernunft zu gestalten, anstatt die Dinge geschehen zu lassen, wie sie eben geschahen. Nur hier waren die Menschen diesem völligen Unsinn entflohen und zu bewussten Gestaltern der Realität geworden, anstatt ihre Spielzeuge zu sein.“2 Wenn solche Überzeugungen heute ähnlich bizarr klingen wie der mittelalterliche Katechismus, dann ist das ein Symptom für das, was ich kapitalistischen Realismus genannt habe. Der Sieg des Kapitalismus über den Sowjetkommunismus versprach, uns von Illusionen zu erlösen. Befreit von den gefährlichen ideologischen Sehnsüchten, die der Kommunismus heraufbeschworen hatte, würden wir uns fortan darauf einstellen, wie die Dinge wirklich sind. Es würde keine großen Umgestaltungsprojekte mehr geben – bestenfalls, so versicherte man uns, waren solche Projekte gescheitert; schlimmstenfalls waren sie humanitäre Katastrophen gewaltigen Ausmaßes gewesen. Anstelle solcher großartiger Veränderungsvisionen würde man uns schlicht unbegrenzte technologische Weiterentwicklungen bieten. Dennoch waren neue Konsumgüter und -freuden nicht imstande, den Verlust des Zugehörigkeitsgefühls, das der Kommunismus geboten hatte, auszugleichen. Das soll nicht bedeuten, dass nur der Kapitalismus neue reizvolle Konsumprodukte zu offerieren hätte. In Red Plenty erinnert uns Spufford an den Moment, als die Sowjets dachten, sie könnten den Kapitalismus in jeder Hinsicht übertreffen. „Wenn der Kommunismus den Menschen nicht ein besseres Leben böte als der Mark Fisher 15 Beni Bischof Sausage Power!, 2011, Lambda-Print lambda print, 93 × 70 cm Halle 12 Beni Bischof 24 Meta Finger, 2013, Lambda-Print lambda print, 120 × 90 cm 25 Thilo Scheffler/Christin Krause 25 David Horvitz Sad, Depressed, People, 2012, 8 von 29 Risografien 8 of 29 riso prints, 24 × 17 cm Halle 12 David Horvitz 26 Halle 12 David Horvitz 27 Stephanie Kiwitt o. T. (Choco Choco), 2014, Inkjet-Print und Cliché-Print inkjet print and cliché print, Diptychon diptych, je each 23,8 × 18,9 cm Halle 12 Stephanie Kiwitt 38 Halle 12 Stephanie Kiwitt 39 f/stop Solo: Erik Kessels Ort Location: Spinnerei archiv massiv „ Constructive Shooting“: Soziale und künstlerische Perspektiven auf das Fotografische im Internetzeitalter Stefanie Loh, Madoka Yuki 1. My Feet Im November 2013 wurde das Wort „selfie“ fast einstimmig vom Oxford English Dictionary zum Word of the Year 2013 erklärt.1 Nach der Online-Version des Wörterbuchs wird „selfie“ wie folgt definiert: „A photograph that one has taken of oneself, typically one taken with a smartphone or webcam and uploaded to a social media website.“2 Wir erleben nicht weniger als einen Paradigmenwechsel: Innerhalb weniger Jahre hat sich in den Industriestaaten der Besitz und Gebrauch von Mobiltelefonen mit eingebauter Kamera und Internetzugang im Wortsinn popularisiert. Die Verbreitung in der Bevölkerung ist immens. Im Zuge dessen haben sich in einer für gesellschaftliche Prozesse enormen Geschwindigkeit Verhaltensweisen herauskristallisiert, die sich auf bildgestützte Kommunikation beziehen. Man kann mit den Geräten und Technologien überall etwas um sich herum „knipsen“ und die Bilder unmittelbar nach der Aufnahme ins Netz stellen, insbesondere auf eine eigene Seite von SNS (Social Network Service)Anbietern wie Facebook, Twitter oder Flickr.3 Die Entwicklung der mobilen digitalen Fototechnik und der Online-Plattformen machen den Akt des Fotografierens und Foto-Sharings zu einem wesentlichen Teil des alltäglichen Lebens, für diejenigen, die teilhaben. Zweifellos ist „Handyfotografie“ oder „Netzfotografie“ eine neue Kommunikationsform geworden, die als ein gesellschaftliches Phänomen sowohl im soziologischen Diskurs als auch in der Fotogeschichte sowie in der Kultur- und Kunstwissenschaft zunehmend betrachtet wird. Der niederländische Künstler Erik Kessels beschäftigt sich mit diesem neuen fotografischen Akt und montiert in seiner Arbeit My Feet zum f / stop 6. Festival für Fotografie Leipzig eine Flut anonym bereitgestellter Aufnahmen von Füßen aus dem Internet. Die Wandinstallation aus hunderten von Fußaufnahmen wirkt allein aufgrund der Masse erschlagend, einzelne Bilder sind jedoch naheliegender bzw. näher am täglichen Leben, als es zunächst erscheint. Wahrscheinlich haben viele Betrachter sogar selbst ähnliche Erfahrungen gemacht: im Urlaub seine eigenen Füße am Strand festzuhalten oder quasi als Gruppenporträt die Füße von Freunden zu fotografieren. Kessels zeigt offen seine Befremdung und Bewunderung für die Masse an Bildern, die unter Verschlagwortungen zum Thema „Füße“ zu finden sind. Im Gegenteil zu Aktivisten wie Thierry Geoffroy / Colonel verweigert er sich dabei jedoch eines künstlerischen Kommentars und überlässt den Betrachtern seiner Auswahl die Frage danach, was solche banalen Bilder der unmittelbaren eigenen Umgebung darstellen. Spinnerei archiv massiv Erik Kessels 53 f/stop Print: Personal Issues – Magazinfotografie als Statement Ort Location: Halle 14, 2. OG /2 kuratiert von curated by Mario Lombardo Wie die Leidenschaft mein Leben beherrscht Mario Lombardo im Gespräch mit Marie-Sophie Müller Harte Arbeit, eiserne Disziplin, Mut und das kleine Fünkchen Glück – was führt uns zur Perfektion? Das Leben ist ein unaufhörliches Streben nach dem persönlichen Glückszustand, der Weg dorthin oftmals Tyrannei. Kurator Mario Lombardo bringt sie erstmals zusammen, eine einmalige Fotografenkonstellation aus den vier Talenten Daniel Josefsohn, Hanna Putz, Daniel Sannwald und Jonas Unger. Ein Ensemble, das von Kontrasten und dem Zusammenspiel lebt. Mit seiner Vertrauten und langjährigen Kollegin, Redakteurin Marie-Sophie Müller, unterhält sich der renommierte Gestalter über seine Liebe zu Magazinen und die gezielte Auswahl der vier Fotografen … Halle 14, 2. OG / 2 Mario Lombardo 69 „Bei keinem Fotografen wirst du als Chefredakteur so sehr belohnt für lange Leinen und großes Vertrauen.“ ”No photographer rewards an editor-in-chief like he does for their complete trust and confidence.“ „Seine Arbeit wurde im Laufe der Jahre immer konsequenter – vom Punk-Rock zur durchdachten Erzählweise. Unvergleichbar und einzigartig. Daniel Josefsohn ist einer der wenigen, der die inszenierte PorträtTimm Klotzek, Chefredakteur Editor-in-chief Süddeutsche Zeitung Magazin fotografie beherrscht.“ ”Over the years his work became more and more con„Mach einfach, was du magst, lieber Daniel.“ sistent — from punk rock to carefully ”Daniel, my friend, just do whatever you planned narration. Unrivaled, one-of-a-kind. want.“ Timm Klotzek, Chefredakteur Editor-in-chief Süddeutsche Zeitung Magazin Daniel Josefsohn, Lieber Helmut, lieber Daniel, ich wollte auch mal mit der Eisenbahn spielen, Der Kunstverein Hamburg, 2010 Daniel Josefsohn, Hello Kitty, ZEITmagazin, 2014 „Das schöne alte Wort ,Herzblut’, es wurde für Josefsohn erfunden und er erfüllt es stets aufs Neue mit wunderbarem Leben.“ Daniel Josefsohn is one of very few to have “The beautiful old word ’passion‘ – it was mastered the art of staged photography.“ coined for Josefsohn and he is ever embody- Mirko Borsche, Creative Director DIE ZEIT und and ZEITmagazin ing it in new ways with wonderful life.“ Daniel Josefsohn, Guns and Moses, Jerusalem, DUMMY, 2005 Timm Klotzek, Chefredakteur Editor-in-chief Süddeutsche Zeitung Magazin Halle 14, 2. OG / 2 Daniel Josefsohn 78 Halle 14, 2. OG / 2 Daniel Josefsohn 79 f/stop Insert: HGB 250 Roe Ethridge Ort Location: Halle 14, 2. OG /1 Sacrifice Your Body Regine Ehleiter Roe Ethridge (*1969), der in einem Vorort von Miami im sonnigen US-Bundesstaat Florida aufgewachsen ist, war noch ein Teenager, als Street Heat gerade ihren neuen Electronica-Song Sacrifice Your Body (1988) auf LP veröffentlichten. Auf dem Cover der 12-Inch-Platte sind zwei Frauen in verführerischer Pose einander zugewandt. Über ihren Köpfen prangt rot der einprägsame Songtitel. Leicht variiert hat dieser Schriftzug nun seinen Weg auf das Cover von Roe Ethridges gleichnamigem neuen Künstlerbuch gefunden.1 Auf einem Einband in weißer Lederhaptik leuchten die drei Wörter in einem schillernden Neongrün. Ethridge fühlt sich durch den retrofuturistischen Look an Surfposter der 1980 er-Jahre erinnert, die damals in seinem Zimmer hingen.2 Der Spruch ist ihm als Zuruf der Mütter im Gedächtnis geblieben, die während seiner Zeit in der High School vom Spielfeldrand immer wieder „Sacrifice Your Body!“ riefen.3 Die Rückkehr zu den Orten seiner Kindheit und Jugend bildet den Ausgangspunkt für einen Großteil der im Buch veröffentlichten Fotografien. Dafür ist Ethridge im Sommer 2011 von New York nach Belle Glade gereist, einer Kleinstadt in Palm Beach, nordwestlich von Miami. Es ist die Stadt, in der seine Mutter aufgewachsen ist. Hier haben sich seine Eltern kennengelernt, als sie 12 und 13 Jahre alt waren.4 In der ersten Hälfte des Buches, die seine Reise nach Belle Glade dokumentiert, taucht auf den Bildern immer wieder ein blendend weißer Durango SUV auf, der sich entlang grüner Zuckerrohrplantagen auf einer unbefestigten Straße seinen Weg in die Kleinstadt bahnt und sich dort auf einem von Palmen umsäumten Parkplatz in den dunklen Fassadenfenstern der Bank of Belle Glade spiegelt. Im Inneren des Gebäudes wartet niemand an den labyrinthisch aufgebauten Schranken auf den nächsten frei werdenden Schalter. Die Bank ist leer. Er fotografiert eine junge hispanische Mitarbeiterin, die auf ihrem Schreibtisch ein kleines Schild aufgestellt hat. Darauf steht: „I Took A Pain Pill – Why Are You Still Here?“ (Ich habe eine Schmerztablette geschluckt − Warum bist du noch hier?) Im weiteren Verlauf des Buches setzt Ethridge seine Erkundung von Belle Glade in der Dämmerung am Pier fort. Ein im Kamerablitz grell aufscheinendes Warnschild sabotiert die Idylle der Sonnenuntergangsszenerie. Angesprochen auf die kleinen Störelemente, die in seinen Arbeiten immer wieder auftauchen, betont Ethridge die Bedeutung, die er Fehlern und Zufällen bei der Entstehung seiner Fotografien beimisst: „Ich liebe die Fehler. So was reißt dich zurück in die Wirklichkeit – es hat irgendwie mit dem Kampf zwischen Künstlichkeit und Authentizität zu tun.“ 5 Halle 14, 2. OG /1 Roe Ethridge 95 Flounder (Big), 2013, C-Print, 115, 9 × 87, 9 cm Halle 14, 2. OG /1 Roe Ethridge 106 Flounder, 2013, C-Print, 115,9 × 87,9 cm Halle 14, 2. OG /1 Roe Ethridge 107 f/stop Plattform Ort Location: Halle 14, 3. OG kuratiert von curated by Prof. Beate Gütschow und and Wiebke Elzel, Kunsthochschule für Medien Köln Academy of Media Arts Cologne, Prof. Christopher Williams, Kunstakademie Düsseldorf Academy of Arts Düsseldorf, Prof. Peter Piller und and Susanne Huth, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Academy of Visual Arts Leipzig sowie ihren Studierenden und Meisterschülern as well as their students and Meisterschule students Kunsthochschule für Medien Köln Kunst und Leistung Beate Gütschow Als die Ausstellung based in Berlin 2011 stattfand, gab es in der Berliner Kunstszene lang anhaltende Proteste: Die von den Veranstaltern selbst als Leistungsschau bezeichnete Ausstellung stellte einige wenige „emerging artists“ – so die Wortwahl der offiziellen Webseite zur Ausstellung – Berlins vor. Dabei verschlang die Schau einen gewaltigen Etat, während die kontinuierlich arbeitenden Ausstellungsinstitutionen der Stadt seit Jahren prekär ausgestattet sind. In einem offenen Brief schreiben die Initiatoren des Protestes „Haben und Brauchen“: „Mit dem Wort ‚Leistungsschau’ wird die neoliberale Rhetorik von Effizienz und Leistungsfähigkeit auch auf die Kunst angewendet und suggeriert eine Objektivier- und Messbarkeit der Qualität künstlerischer Produktion.“1 Auch die Ausstellung Made in Germany, die wie based in Berlin ohne thematische Klammer junge künstlerische Positionen unter dem Gesichtspunkt des Produktionsstandortes versammelte, rief schon in ihrer ersten Ausgabe 2007 kritische Reaktionen hervor. Die Bezeichnung „Made in Germany“ und das dazugehörige Barcode-Emblem schien direkt einer normierten Warenwelt entnommen. Beschäftigt man sich näher mit den oben genannten Ausstellungen, ändert sich die Perspektive: Für die Ausstellung based in Berlin gab es ein offenes, durchaus ungewöhnliches Auswahlverfahren: alle KünstlerInnen der Stadt waren eingeladen, Mappen einzureichen. So sollte das sonst so wirkungsvolle Netzwerk einiger weniger GaleristInnen und VermittlerInnen umgangen werden. Im Katalog zur ersten Made in Germany-Ausstellung ist in einem reflektiertem Vorwort zu lesen: „Auch wissen wir um die Gefahr, die Rankings strukturell innewohnt. Es kann deshalb nicht oft genug betont werden, dass die Auswahl, die wir für Made in Germany getroffen haben, selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Endgültigkeit erhebt.“2 Weshalb entstehen solch heftige Reaktionen, bisweilen Rechtfertigungen, sobald Kunst und Leistung in Zusammenhang gebracht werden? Vielleicht lohnt es sich, auf die Arbeit an den Kunsthochschulen zu schauen. In der Abschlussprüfung, dem Diplom, wird die „künstlerische Leistung“ benotet und dies in einer Ausdifferenzierung, die bis hinter das Komma reicht. Dieser sonderbare Vorgang steht in deutlichem Gegensatz zum Kunststudium selbst, in dem nur einige wenige Leistungsnachweise erbracht werden müssen. Künstlerische Ausbildung ist ein nicht fass- oder definierbarer Vorgang. Sie besteht nicht in der Vermittlung von Wissen oder Können, sondern eher in einer in dieser Zeit produzierten Intensität, einer künstlerischen Reflexionsfähigkeit, der sich ästhetisches Handeln anschließt. Halle 14, 3. OG Kunsthochschule für Medien, Köln 111 Philipp Rühr No Water, No Snacks, No Naps *1986 in Brühl lebt in Düsseldorf *1986 in Brühl lives in Düsseldorf Seit 2007 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Christopher Williams Since 2007: Student at the Academy of Arts Düsseldorf in the class of Prof. Christopher Williams Morgaine Schäfer Auszug aus dem E-Mail-Verteiler der Klasse von Prof. Christopher Williams (S.127–131) excerpts from an email exchange between students of the class of Prof. Christopher Williams (p. 127–131) *1989 in Wolfsburg lebt in Düsseldorf *1989 in Wolfsburg lives in Düsseldorf Seit 2010 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Christopher Williams Since 2010: Student at the Academy of Arts Düsseldorf in the class of Prof. Christopher Williams Georgi Stanchev *1987 in Shumen, BG lebt in Köln *1987 in Shumen, BG lives in Cologne Seit 2006 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Christopher Williams Since 2006: Student at Academy of Arts Düsseldorf in the class of Prof. Christopher Williams Stanton Taylor *1990 in Port of Spain, TT lebt in Köln *1990 in Port of Spain, TT lives in Cologne Seit 2010 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Christopher Williams Since 2010: Student at Academy of Arts Düsseldorf in the class of Prof. Christopher Williams Isaiah Yehros Digitale Fotocollage digital photo collage, Beitrag von submitted by Tobias Hohn *1991 in Los Angeles, US lebt in Düsseldorf *1991 in Los Angeles, US lives in Düsseldorf Von 2009–2014 Studium an der Sam Fox School of the Arts der Washington University in St. Louis, US Seit 2014 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Christopher Williams Klasse Prof. Christopher Williams 2009–2014: Student at Sam Fox School of the Arts at Washington University in St. Louis, US Since 2014: Student at Academy of Arts Düsseldorf in the class of Prof. Christopher Williams Halle 14, 3. OG Kunstakademie Düsseldorf 126 Halle 14, 3. OG Kunstakademie Düsseldorf 127 Latenz Charlotte Urbanek, Flause ORG, 2014, Laserdrucke, Acrylfarbe, Linoldruck, Tintenstrahldrucke, Filzstift, Tinte und Klebebänder auf Polyester-Jute-Unterlage laser prints, acrylic paint, linoleum print, inkjet prints, marker, ink and adhesive tapes on polyester and jute fabric background, 198 × 89 cm Halle 14, 3. OG Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 138 Edgar Leciejewski, Matthias, 2013, Farbfotografie mit Sandpapier gekratzt, Alu-Dibond, Baumwolle, Polyester, Ölfarbe, Holz, Museumsglas colour photography scratched with sanding paper, alu dibond, polyester, oil paint, wood, museum glas, 139 × 109 × 5 cm Halle 14, 3. OG Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 139 Hayahisa Tomiyasu, aus der Serie from the series Genitalien, 2011, Piezzo-Print, 16 × 12 cm Halle 14, 3. OG Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 140 Halle 14, 3. OG Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 141