Ergebnisse der Zählung an den Schlafplätzen der
Transcription
Ergebnisse der Zählung an den Schlafplätzen der
Ergebnisse der Zählung an den Schlafplätzen der Gelbkopfamazone Amazona oratrix am 16.1.2011 in Stuttgart-Bad Cannstatt von Michael Schmolz 1. Einleitung Seit 1986 existiert in Stuttgart ein Brutvorkommen der Gelbkopfamazone Amazona oratrix, das auf ein entflogenes und ein ausgewildertes Exemplar zurückgeht. Es kam aber auch nachfolgend wohl zu einzelnen Auswilderungen oder „Nachschub“. Einzelheiten hierzu beispielsweise bei Hölzinger & Mahler (2001) und Hoppe (1997). Nachdem in den 1990er Jahren ein langsamer, aber stetiger Zuwachs zu verzeichnen war, konnten in den letzten 5-10 Jahren keine wesentlichen Zunahmen mehr beobachtet werden. So wurde beispielsweise bereits im Dezember 1998 in der Wilhelma ein zusammenhängender Trupp von 46 Ex. beobachtet (G. Stephan in Schmolz & Riedel 2000). Alle nachfolgenden belegten Zählungen erreichten dieses Niveau nicht mehr. Der Bestand schien sogar zunächst etwas rückläufig zu sein: Eine Zählung am Schlafplatz in der Eisenbahnstraße in Cannstatt am 13.3.2006 ergab 39 Ex (D. Hoppe schriftl. Mitt.) und bei der letzten gemeinsamen Zählung am 20.1.2008 ebenfalls in der Eisenbahnstraße 44 Gelbkopf- und 1 Blaustirnamazone (M. Braun, C. Weidner). Auch Bestandsaufnahmen am Schlafplatz im Winter 2010 (Dieter Hoppe und Johanne Martens, schriftl. Mitt., Verf.) konnten nur diese Zahl (44 Ex.) im Bereich der Waiblinger Str. / Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt bestätigen. Diese Beobachtungen fügen sich nicht ins Bild der „gefühlten Zunahme“, die in den letzten Jahren stattgefunden zu haben scheint. Objektiv wahrnehmbar ist auf jeden Fall die Tatsache, dass die Vögel ihren Aktionsradius deutlich ausgeweitet haben und mittlerweile auch regelmäßig in Münster, Hofen und am Max-Eyth-See beobachtet werden können, ja sogar bis nach Stammheim und Ludwigsburg vordringen. So könnte es sein, dass der Zusammenhalt des Trupps nicht mehr so gegeben ist und sich Unterpopulationen gründen, die evtl. auch an anderen Plätzen zum Nächtigen zusammenkommen. Die am 16.1.2011 durchgeführte Zählung sollte zum einen eine verlässliche aktuelle Zahl der in Cannstatt nächtigenden Amazonen erbringen, um somit auch eine Abschätzung des Gesamtbestands zu ermöglichen. Zum anderen war es Ziel, neben den bekannten Schlafplätzen weitere Übernachtungsplätze zu entdecken. 2. Methode Am späten Nachmittag und frühen Abend des Sonntag, den 16.1.2011 fand mit einer kleinen Gruppe Beobachter eine konzertierte Amazonenzählung in Stuttgart-Bad-Cannstatt statt. Sonnenuntergang war an diesem Tag um 16:56 Uhr. Es herrschte sonniges, warmes und trockenes Hochdruckwetter mit nur schwachen Winden. Insgesamt nahmen 8 Personen teil, die sich entweder an bekannten bzw. vermeintlichen Schlaf- oder auch Sammelplätzen sowie an Stellen mit guter Übersicht positionierten. Abb. 1 informiert über die Standorte der Beobachter. Die Beobachter sollten dabei auch an ihren Beobachtungspunkten kleinere Ortsveränderungen vollziehen, um zum einen die Bäume aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und zum anderen auch Bereiche zu erkunden, die von einem alleinigen Standort aus nicht einsehbar gewesen wären. Nach Einweisung der Zähler und Uhrenabgleich um 16:15 Uhr wurden die jeweiligen Standorte aufgesucht, die gegen 16:30/16:45 Uhr erreicht wurden. Hier wurde dann bis zur fast vollständigen Dunkelheit beobachtet und alle Beobachtungen in ausgeteilte Protokolle und Kartenausdrucke eingetragen. Dabei wurden auch die jeweiligen Flugrichtungen eingezeichnet. Vor allem wurden aber die Standorte von Sammelplätzen und Schlafstätten genau in den Karten protokolliert. 8 1 5 2 6 7 4 3 Abb. 1: Standorte der Beobachter der gemeinsamen Gelbkopfamazonenzählung am 16.1.11. 1 = Wilhelma (Dr. H. Wagner), 2 = Neckaranleger bei Wilhelma (J. Martens), 3 = Brücke bei den Mineralbädern „Leuzesteg“ (Dr. F. Woog), 4 = Eisenbahnstr. (R. Donn), 5 = Marktstr. / Waiblinger Str. (T. Mika), 6 = Daimlerstr. (Dr. M. Grimminger), 7 = Rundfahrt im Bereich Uff-Kirchhof, Taubenheimstr., Wiesbadener Str. – Kreuznacher Str. und Deckerstr. etc. (M. Schmolz), 8 = Mühlsteg (C. Häußermann). 3. Ergebnisse An fünf der sieben mehr oder weniger festen Beobachtungspunkte konnten Gelbkopfamazonen festgestellt werden, an zwei Stellen (Mühlsteg [8] und Eisenbahnstraße [4]) gelangen hingegen keine Beobachtungen. Auch die Rundfahrt durch Cannstatt mit dem Fahrrad (Deckerstr., Taubenheimstr., Uffkirchhof, Wildunger Str., Martin-Luther-Str., Waiblinger Str., nochmals Taubenheimstr. (jenseits Waiblinger Str.), Nauheimer Str., KönigKarl-Str., Wildbader Str., Daimlerstr.) verlief weitgehend amazonenlos, außer den bekannten (und von M. Grimminger beobachteten) Amazonen in der Daimlerstr. (davon 1 mit Merkmalen der Blaustirnamazone). Auch der kleine Platz vor dem Johannes-KeplerGymnasium (Schmidener Str./ Daimlerstr.; früher gelegentlich Schlafplatz) beherbergte keine Amazonen. 3.1 Beobachtungen am Schlafplatz Im Wesentlichen bestätigten die Beobachtungen die seitherigen Erkenntnisse. Der Hauptschlafplatz befand sich wie in den letzten Wochen in der Waiblinger Str. in der Nähe des Wilhelmsplatzes (3 in Abb. 2), wo auf 7 Bäumen (ausschließlich Platanen) 20 Vögel saßen. Außerdem bezogen 15 Vögel ihren Schlafplatz in 3 Platanen am Beginn der Markstraße (1 in Abb. 2), zwei GKA direkt in einer Platane im Bereich der Haltestelle auf dem Wilhelmsplatz (1 in Abb. 2) und 4 in der Daimlerstr. Bei letzterem war neu, dass sich 2 Vögel einen Platz zwischen Dürrheimer und Wildunger Str. herausgesucht haben. Hier hatte der Verf. bisher noch keine schlafenden Gelbkopfamazonen festgestellt. Insgesamt konnten also 41 Exemplare gezählt werden. 4 3 1 2 5 Abb. 2: Am 16.1.2011 bei vollständiger Dunkelheit in Schlafbäumen angetroffene Amazonen:1: 15 Ex. in 3 Platanen; 2: 1,1 in Platane; 3: 20 Ex. in 7 Platanen; 4: 1,1 (1 mit Merkmalen von Blaustirnamazone) in Linde: 5: 1,1 in Baum. Der Einflug an den Schlafbäumen begann um 16:42 Uhr, also ca. eine Viertelstunde vor Sonnenuntergang, als das erste Amazonen-Paar auf einem Baum an der Waiblinger Str. einfiel. Um 17:02 (6 min. nach Sonnenuntergang) flogen dann innerhalb von einer Minute 2025 Amazonen aus dem Bereich Marktstr./König-Karl-Str. im Bereich Wilhelmsplatz ein. Zuvor waren von 16:49 bis 16:59 Uhr insgesamt 8 Ex. immer paarweise zugeflogen. Um 16:46 wurde auch Abflug vom Schlafplatz (Richtung Daimlerstr.) festgestellt. Die letzte Ankunft wurde hier (Waiblinger Str.) bei fortgeschrittener Dämmerung um 17:20 Uhr registriert. Die einzelnen Ortswechsel zwischen den einzelnen Schlafplätzen konnten nicht dokumentiert werden. Die meisten Amazonen steuerten den Schlafplatz aus Richtung Neckar (WSW bis NW) an, während nur ein Paar beim Anflug aus Nordosten und eines beim Anflug aus südlichen Richtungen beobachtet werden konnte, was aber auch etwas daran gelegen haben könnte, dass die meisten Beobachter in den westlichen und nördlichen Einflugschneisen stationiert waren 3.2 Beobachtungen an den Haupteinfallsrichtungen Dies steht in guter Übereinstimmung mit den an den anderen Standorten gemachten Beobachtungen überfliegender Amazonen. So sind von der Wilhelma um 17:03 8 Ex. in Richtung Cannstatter City abgeflogen, von denen 7 (1 Paar und 5 Einzelvögel) auch um 17:03 Uhr vom Standort 2 aus mit gleicher Flugrichtung gesehen wurden. Zusätzlich konnten von hier (Standort 2) weitere 4 Ex. (2 Paare) gesehen werden, die ebenfalls um 17:03 Uhr nach Cannstatt flogen. Weitere 4 Ex. konnten um 17:04 Uhr (1 Paar aus Richtung Schloss Rosenstein) und um 17:10 Uhr (1 Paar aus Wilhelma) jeweils mit Flugrichtung auf das Zentrum von Cannstatt beobachtet werden. Auch von Standort 3 konnten der Cannstatter City zustrebende Gelbkopfamazonen gesichtet werden. Hier flogen innerhalb von 4 Minuten (17:00 bis 17:04 Uhr) 12 Ex. in rel. großer Höhe durch, die alle verpaart waren. Danach wurden von hier keine weiteren Amazonen mehr gesehen. Aufgrund der obigen Beobachtungen (Standort 5) kann man davon ausgehen, dass diese direkt am Schlafplatz an der Waiblinger Straße eingefallen sind, da hierfür der Einflugszeitpunkt recht gut übereinstimmt. Allerdings wurde von diesem Standort die Einfallsrichtung der Vögel mit „hauptsächlich aus Richtung König-Karl-Str. u. Marktstr.“ angegeben, was von der direkten Linie Leuzesteg/Rosenstein etwas abweicht, was aber evtl. auf ein Einschwenken der Papageien kurz vor der Landung zurückzuführen ist. Außerdem ist es immer schwer, bei hoch fliegenden Exemplaren die genauen Flugrichtungen anzugeben. 3.3 Wilhelma als Sammelplatz Offensichtlich fungierte die Wilhelma als Sammelplatz, denn zum einen sammelten sich bis zu 5 Ex. in Bäumen beim Mähnenwolf-Gehege (Nähe Bärenanlage), von wo aus 4 Ex. von 16:51 bis 16:53 Uhr abflogen. Zum anderen kamen bis zu 4 Ex. in der großen Platane im Känguru-Gehege (beim Wilhelma-Theater) zusammen, die bis mind. 17:09 Uhr dort zu beobachten (und hören) waren. Die 2 Ex., die um 17:10 Uhr (s.o.) aus der Wilhelma abflogen, stammen evtl. von diesem Sammelplatz. Interessant ist, dass auch hier entgegen der sonstigen Hauptflugrichtung um 16:35 Uhr 2 Gelbkopfamazonen von SE in der Wilhelma einfielen (wahrscheinlich in der Platane im Känguru-Gehege). Demnach hielten sich dort über eine halbe Stunde die Amazonen am Sammelplatz auf. Nach den Beobachtungen von Dr. Wagner (Standort 1) haben aber alle Amazonen, die dort gesehen werden konnten, die Wilhelma verlassen, so dass hier keine Schlafplätze zu vermuten sind. 4. Diskussion und Ausblick Trotz konzertierter Zählung konnten insgesamt nur 41 Amazonen an den Schlafbäumen in der Cannstatter Innenstadt beobachtet werden. Das sind weniger als bei einer Vorzählung am 29.12.2010 (44 Ex., Daten vom Verf.) und nochmals weniger als die o.e. 48 Ex. im Dezember 2010 (D. Hoppe und J. Martens, mündl. Mitt.). Obwohl es nicht völlig auszuschließen ist, so ist es jedoch eher unwahrscheinlich, dass innerhalb eines Monats 7 Papageien verschwunden bzw. gestorben sind. Vielmehr ist es offensichtlich auch so, dass einige Amazonen zwischen den einzelnen Standorten (Bäumen) innerhalb eines „Schlafplatz-Komplexes“ wechseln, und nicht so fest an einen Platz gebunden sind wie manch andere Amazone, die sich jeden Abend an genau der gleichen Stelle einfindet, was auch die Kotspritzer auf dem Weg verraten. So waren am 29.12. beispielsweise alle Amazonen auf den Bereich Wilhelmsplatz, Beginn Marktstraße und Waiblinger Str. beschränkt, während am 16.1. auch „SatellitenVorkommen“ in der Daimlerstr. festgestellt wurden. Diese waren nur mit jeweils einem Paar besetzt. Es liegt dementsprechend nahe, dass die Gelbkopfamazonen noch an weiteren Stellen gelegentlich derartige Ableger-Schlafbäume zum Nächtigen aufsuchen. Um dies zu klären, wurden bei einer Radrundfahrt des Verfassers weitere für Schlafplätze potenzielle Bereiche in Cannstatt aufgesucht und kontrolliert – aber erfolglos. Die Bäume an der Eisenbahnstraße – einem früher beliebten Schlafplatz – blieben erneut unbesetzt, da sie im Winter 2008/2009 gestutzt wurden und dadurch für die Amazonen nicht mehr zu nutzen waren. Warum die kleine Grünfläche vor dem Johannes-Kepler-Gymnasium (Schmidener Str / Daimlerstr.) derzeit verwaist ist, kann nicht gesagt werden. Aufgrund der Größe und Unübersichtlichkeit der Stadt (viele Hinterhöfe mit nutzbaren Bäumen) schien es beinahe unmöglich, alle Bereiche aufzusuchen und zu kontrollieren, wo sich ggf. ein Schlafplatz befindet. So wurde Ende Januar mittels Presseartikel die Bevölkerung um die Mithilfe bei der Suche nach Schlafbäumen gebeten. Um einer Flut von Meldungen entgegenzuwirken, wurde speziell nur nach solchen Beobachtungen gefragt, die Schlafplätze vermuten ließen. Besonders glaubwürdigen und wahrscheinlichen Meldungen würde man dann nachgehen. Leider sind bisher nur Meldungen aus bekannten Gebieten eingegangen oder es waren Beobachtungen von tagsüber umherstreifenden Amazonen. Eine etwas interessantere Meldung betraf das regelmäßige Erscheinen einiger Amazonen im Bereich des Bubenbads / Gerokstraße (Stuttgart-Ost), doch leider auch hier keine Hinweise auf einen Schlafplatz. Die relativ geringe Anzahl an Meldungen (rund ein Dutzend) zeigt, dass die Leserinnen und Leser die Intention des Aufrufs verstanden haben. Insgesamt kann also festgehalten werden, dass auch der Aufruf bei der Bevölkerung bisher keine Früchte trug. Dennoch soll die Bevölkerung weiterhin bei der Suche nach den Schlafplätzen eingebunden werden. Außerdem sollen auch weitere Stadtteile im Umfeld von Bad Cannstatt in die intensive Suche nach Schlafplätzen einbezogen werden. Zunächst vielleicht als Einzelsuche, in begründeten Verdachtsfällen dann auch wieder als gemeinschaftliche Suche / Zählen. Dank Mein Dank geht an alle an der Zählung beteiligten Personen: Reiner Donn, Dr. Michael Grimminger, Claudia Häußermann, Johanne Martens, Tobias Mika, Dr. Helmut Wagner, Dr. Friederike Woog. Besonders danken möchte ich Dr. Woog für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Zählung, außerdem den Mitarbeitern des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart, insbesondere Frau Martens, für die Entgegennahme und Bearbeitung der Amazonenmeldungen aus der Bevölkerung. Literatur Hölzinger, J. & U. Mahler (2001): Die Vögel Baden-Württembergs, Band 2.3. Ulmer, Stuttgart. Hoppe, D. (1997): Exoten im Park. Amazonenpapageien über Stuttgart. WP-Magazin: S. 2025. Schmolz, M. & W. Riedel (2000): Ornithologische Beobachtungen im zoologischbotanischen Garten Wilhelma in Stuttgart. Jh. Ges. Naturkde. Württemberg: 249-277. Abb.: Ein Paar Gelbkopfamazonen am Schlafplatz in der Waiblinger Str. Nähe Wilhelmsplatz (Bad Cannstatt) am 29.12.2010 (Foto: M. Schmolz)