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Vorabdruck aus Die Weltwirtschaft 2004, Heft 3 Vierteljahresschrift des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt Von Joachim Benner, Klaus-Jürgen Gern, Annette Kamps, Frank Oskamp, Birgit Sander und Joachim Scheide Der Aufschwung der Weltwirtschaft hat sich im bisherigen Verlauf des Jahres 2004 fortgesetzt, und der Welthandel stieg weiter mit hohen Raten. Nachdem die Konjunktur mit viel Schwung in das Jahr 2004 gestartet war, hat sich die Dynamik im Frühjahr allerdings merklich abgeschwächt. Vor allem in den Vereinigten Staaten und in Japan wurden im zweiten Quartal geringere Zuwachsraten des realen Bruttoinlandsprodukts verzeichnet, während die Produktion in der Europäischen Union in wenig verändertem Tempo ausgeweitet wurde (Abbildung 1). In den Entwicklungs- und Schwellenländern blieb die wirtschaftliche Expansion bis zur Jahresmitte sehr rege, aber auch hier deutet sich inzwischen eine Abkühlung an. Insbesondere im asiatischen Raum mehren sich die Anzeichen, dass der Höhepunkt des Booms zur Jahresmitte überschritten wurde. Vor dem Hintergrund der raschen Produktionszunahme und kräftig gestiegener Rohstoffpreise beschleunigte sich der Verbraucherpreisauftrieb weltweit spürbar. Allmähliche Straffung der Geldpolitik Der weltwirtschaftliche Aufschwung wurde durch kräftige wirtschaftspolitische Impulse getrieben. Die Geldpolitik war zumeist ungewöhnlich expansiv ausgerichtet. So waren in den Vereinigten Staaten die Leitzinsen im Sommer 2003 auf das historisch ungewöhnlich niedrige Niveau von 1 Prozent gesenkt worden. Auch die Kapitalmarktzinsen waren real wie nominal im Allgemeinen äußerst niedrig. Als Folge der weltweit sehr günstigen monetären Rahmenbedingungen kam es in vielen Ländern im Zuge einer kräftigen Ausweitung der Liquidität zu einem starken Anstieg der Immobilienpreise, der über Vermögenseffekte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anregte. Inzwischen wurde der Kurs der Geldpolitik aber wieder etwas gestrafft. Vorreiter war die Bank von England, die bereits seit Ende vergangenen Jahres ihre Joachim Benner et al. 2 Zinsen schrittweise erhöht. Die US-Notenbank hat Ende Juni auf den kräftigen Konjunkturaufschwung und die anziehende Inflation reagiert und begonnen, ihre Zinsen anzuheben. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank von Japan ließen ihren Kurs hingegen unverändert. Abbildung 1: Konjunkturelle Entwicklung in den großen Industrieländern 2001–2004 Vereinigte Staaten G7-Länder b Prozent 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 Inländische Verwendung Bruttoinlandsprodukt 2001 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 2002 2003 2004 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 2001 Japan Prozent a 2001 Prozent a a 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 2002 2003 2004 Prozent a 2001 2002 2003 2004 Euroland 2002 2003 2004 a Veränderung gegenüber dem Vorquartal (Jahresrate). — bVereinigte Staaten, Japan, Kanada, Deutschland, Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich. Quelle: OECD (2004); eigene Berechnungen. Es ist zu erwarten, dass die Fed in den kommenden Monaten fortfährt, die monetären Impulse allmählich zu verringern. Angesichts des nach wie vor großen Abstandes zu einem neutralen Zinsniveau und bei dem zu erwartenden graduellen Vorgehen dürfte die Geldpolitik in den Vereinigten Staaten aber über den gesamten Prognosezeitraum hinweg expansiv bleiben. Im Euroraum werden angesichts eines nur moderaten Produktionsanstiegs die Leitzinsen wohl nur leicht angehoben und die japanische Notenbank wird ihre expansive Ausrichtung bei nach wie vor in der Tendenz rückläufigen Preisen vorerst wohl unverändert beibehalten. Alles in allem dürfte sich das monetäre Umfeld für die Weltwirtschaft zwar etwas verschlechtern, aber weiterhin günstig bleiben. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 3 Fortfall finanzpolitischer Impulse Nennenswerte Impulse gingen bis in dieses Jahr hinein auch von der Finanzpolitik aus, die insbesondere in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich deutlich expansiv ausgerichtet war. Inzwischen ist in diesen Ländern angesichts kräftig gestiegener Haushaltsdefizite allerdings erheblicher Konsolidierungsbedarf entstanden, ein Problem, das im Euroraum und in Japan bereits seit längerem besteht. Viele Regierungen werden vor diesem Hintergrund und angesichts der verbesserten konjunkturellen Lage wohl beginnen, die strukturellen Budgetdefizite zu senken. Dies wird in erster Linie über einen verminderten Ausgabenanstieg erfolgen; deutliche Abgabenerhöhungen sind in kaum einem Land geplant. Von der Finanzpolitik werden im Prognosezeitraum eher restriktive Wirkungen ausgehen. Nachhaltig höherer Ölpreis Die Rohölpreise sind nach einem kurzzeitigen Rückgang zu Beginn des Sommers in den vergangenen Wochen erneut kräftig gestiegen. Mit in der Spitze fast 45 US-Dollar je Barrel für die Sorte Nordsee-Brent und nahezu 50 US-Dollar für die in den Vereinigten Staaten dominierende Qualität West Texas Intermediate erreichten die Notierungen historische Höchststände. Ein wesentlicher Faktor für den Preisanstieg seit Mitte 2002 war die rasch steigende Nachfrage vor allem aus den Vereinigten Staaten und China.1 Der im August verzeichnete neuerliche Preissprung lässt sich allerdings nur teilweise durch die Konjunktur erklären, zumal die Förderung zum Sommer hin kräftig ausgeweitet worden war. Offenbar sind auch andere Faktoren wichtig; darauf deutet hin, dass die Preise für nichtenergetische Rohstoffe, die bis ins Frühjahr ebenfalls stark gestiegen waren, im Sommer wieder leicht rückläufig waren (Abbildung 2). Auch haben die Produktenpreise und der Preis für Erdgas in den Vereinigten Staaten in der letzten Zeit eher abwärts tendiert. So spricht einiges dafür, dass der Ölpreisanstieg auf eine erhöhte Prämie zurückgeht, die zu zahlen ist, um das Risiko zukünftiger Angebotsengpässe abzugelten. __________ 1 Nahezu zwei Drittel der zusätzlichen Nachfrage im vergangenen Jahr gehen auf diese beiden Länder zurück; in diesem Jahr dürften sie für ungefähr die Hälfte des geschätzten Nachfrageanstiegs verantwortlich sein (International Energy Agency 2004). Joachim Benner et al. 4 Abbildung 2: Ölpreis und Rohstoffpreise (ohne Energie) 1995–2004 180 2000=100 US-$ 160 140 Ölpreisa (rechte Skala) 50 40 30 120 20 100 80 Rohstoffpreiseb (ohne Energie) 60 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 a 10 0 Spotpreis Sorte Brent, London. — bHWWA-Index. Quelle: Thomson Financial Datastream. Hintergrund ist die inzwischen historisch niedrige Reservekapazität bei der Produktion. Die Förderkapazitäten überstiegen die tatsächliche Produktion im Sommer im geringsten Ausmaß seit 30 Jahren (Energy Information Agency 2004a). Damit hat sich die Gefahr erhöht, dass ein weiterer Nachfrageanstieg zu Engpässen bei der Versorgung führt. Auch Produktionsausfälle infolge geopolitischer Spannungen oder terroristischer Aktivitäten könnten unter diesen Bedingungen rasch die Versorgung beeinträchtigen, zumal die Läger nach wie vor historisch niedrig sind. Da die Produktionskapazitäten kurzfristig nicht stark ausgeweitet werden können und sich so an der hohen Auslastung der Förderkapazitäten – ebenso wie an der geopolitischen Lage – auf Sicht nur wenig ändern dürfte, erwarten wir, dass die Ölpreise nur langsam sinken werden. Wir haben die Annahmen für den Ölpreis deutlich nach oben revidiert: Am Ende des kommenden Jahres wird er – so ist für die Prognose unterstellt – rund 35 US-Dollar je Barrel Brent betragen, nach einem Niveau von rund 40 US-Dollar in der zweiten Hälfte dieses Jahres. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 5 Dämpfung der Weltkonjunktur Grundsätzlich bedeutet ein Anstieg der Rohölpreise einen Einkommenstransfer von den Ölverbrauchern zu den Ölproduzenten; dementsprechend profitieren Volkswirtschaften, die netto Öl exportieren, während per saldo Öl importierende Länder – also insbesondere die meisten Industrieländer, aber auch viele Schwellenländer – negativ betroffen sind. Die Produktionskosten steigen, und dies verringert entweder die Gewinne der Unternehmen oder, wenn der Kostenanstieg überwälzt wird, die Realeinkommen der Konsumenten. Insgesamt wird die weltwirtschaftliche Expansion gedämpft. Terms-of-Trade-Gewinne der Öl exportierenden Länder werden erfahrungsgemäß nur teilweise und mit zeitlicher Verzögerung verausgabt. Außerdem kann die Nachfrage auch hier gedämpft werden, wenn der Ölpreisanstieg auf die Verbraucherebene durchschlägt (IMF 2000: 13). Konjunkturdämpfend wirken überdies häufig eine Beeinträchtigung von Verbrauchervertrauen und Geschäftsklima sowie Vermögensverluste infolge von Kursrückgängen an den Aktien- und Anleihemärkten. Hingegen wird die gesamtwirtschaftliche Aktivität dadurch gestützt, dass weltweit das Kapitalangebot tendenziell steigt, was auf einen geringeren Realzins hinwirkt. Über das quantitative Ausmaß der Effekte auf die Konjunktur und die Inflation herrscht indes erhebliche Unsicherheit. Analysen mithilfe makroönometrischer Weltmodelle können hier einen Anhaltspunkt liefern. Nach Berechnungen der OECD dämpft ein anhaltender Anstieg der Preise um 10 US-Dollar – dies ist etwas mehr als die Größenordnung, von der wir in unserer Prognose ausgehen – die Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts in den großen Industrieländern im ersten Jahr um 0,2 Prozentpunkte (Tabelle 1). Die Inflation erhöht sich um etwa einen halben Prozentpunkt. Allerdings ist hier nicht berücksichtigt, dass sich in der Regel mit dem Ölpreis auch die Preise für andere Energieträger erhöhen. Eine weitere wichtige Annahme ist, dass die Notenbanken auf den Inflationsanstieg mit Zinsanhebungen so reagieren, dass der Realzins unverändert bleibt. Simulationen mithilfe des Modells des Internationalen Währungsfonds (IMF 2000) liefern etwas höhere Werte sowohl für den Effekt auf die Produktion als auch für den auf die Inflation.2 Die IWF-Simulation unterstellt, dass die Notenbanken die Kernrate der Inflation als Zielgröße betrachten und die Zinsen entsprechend des bei einem permanenten Anstieg der Ölpreise zu erwartenden Anziehens der Kerninflation anheben.3 Zu beachten ist überdies, dass beide Simulationen von unveränderten Wechsel__________ 2 Dieses Resultat ergibt sich bei linearer Interpolation der Ergebnisse, die durch Simulation eines Anstiegs der Ölpreise um 5 US-Dollar, ausgehend von einem Niveau von 25 US-Dollar, ermittelt wurden. 3 Die Kernrate der Inflation, die den direkten Effekt des Ölpreises auf das Preisniveau nicht erfasst, weil die Energiepreise in dem zugrunde liegenden Index nicht enthalten sind, steigt in den Modellsimulationen etwa halb so stark wie die Inflationsrate insgesamt. Joachim Benner et al. 6 kursen ausgehen. Tatsächlich jedoch ging der Anstieg der Ölpreise seit Frühjahr 2003 bzw. seit Anfang 2002 mit einer deutlichen Veränderung der Austauschrelationen zwischen den großen Währungsräumen einher. So stieg der Ölpreis in Euro gerechnet nur etwa halb so stark wie in US-Dollar. Entsprechend geringer dürften die Auswirkungen im Euroraum sein. Tabelle 1: Wirkung eines nachhaltigen Ölpreisanstiegs um 10 Dollar auf Produktion und Preise in ausgewählten Ländern – Simulationsrechnungena Reales Bruttoinlandsprodukt OECD Industrieländer Vereinigte Staaten Japan Euroland Ausgewählte Schwellenländer China Indien Philippinen Thailand Argentinien Brasilien –0,2 –0,2 –0,4 –0,3 . . . . . . IMF Inflationsrate Nachrichtlich: Ölintensität der Produktionb OECD IMF 1980 2002 –0,4 –0,6 –0,2 –0,4 0,5 0,5 0,3 0,5 . 0,8 0,7 0,3 . 2,31 1,50 2,00 . 2,14 0,94 1,28 –0,8 –1,0 –1,6 –1,8 –0,4 –0,4 . . . . . . 0,8 2,6 1,6 0,8 0,2 2,0 10,76 3,97 3,99 4,29 2,26 1,63 4,28 4,09 3,62 4,58 1,70 2,66 aAbweichungen von der Basislösung in Prozent im ersten Jahr. — bÖlverbrauch in Barrel je Tag pro Mill. US-Dollar Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1995). Quelle: OECD (2001); IMF (2000); Energy Information Agency (2004b); eigene Berechnungen. Wichtig für die Stärke des Effekts eines Ölpreisanstiegs auf Konjunktur und Inflation ist die Intensität, mit der Öl in der Produktion genutzt wird. So sind die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die in der Regel eine sehr hohe Ölintensität der Produktion aufweisen, häufig erheblich ausgeprägter als in den Industrieländern. Bemerkenswert ist überdies, dass sich die Ölintensität seit 1980 in den großen Industrieländern meist stark verringert hat, während sie in den Schwellenländern im Zuge der Industrialisierung und Motorisierung nicht selten sogar noch gestiegen ist. Folgt man den Ergebnissen der Simulationsrechnungen, so ist eine spürbare Dämpfung der Weltkonjunktur als Resultat des Ölpreisanstiegs zu erwarten. Sie dürfte aber für sich genommen nicht ausreichen, den weltwirtschaftlichen Aufschwung zu beenden. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 7 Geldpolitik im Dilemma? Fraglich ist, wie die Geldpolitik auf den Ölpreisanstieg reagieren wird. Zum einen wirkt er auf eine Verlangsamung der Konjunktur hin, was für sich genommen für eine Senkung der Zinsen sprechen könnte. Zum anderen steigt die Inflation, was gemäß den üblicherweise geschätzten Reaktionsfunktionen auf Zinsanhebungen hinwirkt. Wichtig für das Verhalten der Zentralbank ist, inwieweit der unerwartete Kaufkraftentzug im Gefolge des Ölpreisanstiegs zu einem verstärkten Lohnauftrieb und damit zu einer Verfestigung der Inflation führt. Vieles spricht dafür, dass sich die Fehler der Vergangenheit, als nach den Ölschocks der Jahre 1974 und 1979 die Geldpolitik stark restriktiv wurde, um die gestiegenen Inflationserwartungen zu brechen, nicht wiederholen. So hat der im Jahr 2000 verzeichnete Ölpreisanstieg keine nachhaltige Beschleunigung des Lohnauftriebs zur Folge gehabt. Auch sind die langfristigen Zinsen in Reaktion auf die Preisentwicklung beim Rohöl in diesem Jahr kaum gestiegen; anscheinend sind die Inflationserwartungen nach wie vor gedämpft. In der derzeitigen Situation ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass das Zinsniveau ungewöhnlich niedrig ist und dass die Kapazitätsauslastung im Zuge des Aufschwungs in einer Reihe von Ländern so weit gestiegen ist, dass ein Zurückfahren der monetären Impulse trotz des bremsenden Effekts des Ölpreisanstiegs auf die Konjunktur notwendig erscheint. Wegen des insgesamt etwas schwächeren Konjunkturverlaufs erwarten wir indes, dass der Anstieg der Leitzinsen in den Vereinigten Staaten im Prognosezeitraum geringer ausfällt, als es sonst der Fall gewesen wäre. So haben wir unsere Erwartung für das Niveau der Federal Funds Target Rate am Ende des kommenden Jahres gegenüber unserer Prognose im Juni (Benner et al. 2004) von 3,25 Prozent auf 2,75 Prozent gesenkt. Verlangsamte Expansion in den Vereinigten Staaten In den Vereinigten Staaten hat der Aufschwung an Kraft verloren. Mit einer laufenden Jahresrate von 2,8 Prozent stieg das reale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal deutlich schwächer als im ersten Quartal (Abbildung 3). Die Zunahme der Industrieproduktion verringerte sich ebenfalls merklich. Die konjunkturelle Abflachung spiegelte sich auch am Arbeitsmarkt wider. So büßte der Beschäftigungsaufbau, der im März und April noch sehr kräftig gewesen war, danach erheblich an Dynamik ein.4 Die Arbeitslosenquote ging gleichwohl __________ 4 Dies trifft insbesondere für die Zahl der abhängig Beschäftigen auf der Basis der Unternehmensbefragungen zu, auch wenn sie im August wieder verstärkt gestiegen ist. Merklich günstiger stellt sich die Beschäftigungsentwicklung nach den Haushaltsbefragungen dar, die aber als weniger zuverlässiger Maßstab gelten. 8 Joachim Benner et al. weiter leicht auf 5,4 Prozent im August zurück. Das Preisniveau ist in den vergangenen Monaten beschleunigt gestiegen, auch wenn man von den Energiepreisen absieht. Im Juli betrug die Inflationsrate 3,0 Prozent, die Kernrate lag bei 1,8 Prozent. Zur Verlangsamung des Produktionsanstiegs hat der private Konsum wesentlich beigetragen, der mit einer laufenden Jahresrate von 1,6 Prozent den geringsten Zuwachs der vergangenen drei Jahre verzeichnete. Zum einen ist die schwache Zunahme auf einen Anstieg der Sparquote zurückzuführen, die – wohl auch bedingt durch die zuletzt stockende Erholung am Arbeitsmarkt – im zweiten Quartal um 0,2 Prozentpunkte auf 1,2 Prozent stieg. Zum anderen erhöhten sich die real verfügbaren Einkommen in nur mäßigem Tempo. Der Anstieg der Anlageinvestitionen verstärkte sich hingegen im zweiten Quartal deutlich. Sowohl die Investitionen in Ausrüstungen und Software als auch der Wohnungsbau nahmen beschleunigt zu, der Wirtschaftsbau wurde nach einem Rückgang zuvor wieder ausgeweitet. Die Expansion der Exporte verlangsamte sich im zweiten Quartal. Gleichzeitig zogen die Importe weiter kräftig an, so dass der Außenbeitrag verstärkt abnahm. Nachdem die US-Notenbank ihr Ziel für die Federal Funds Rate gut ein Jahr bei 1 Prozent belassen hatte, läutete sie Ende Juni eine Phase sukzessiver Zinserhöhungen ein. Bislang wurde die Federal Funds Target Rate auf 1,5 Prozent erhöht. Da seit Jahresbeginn auch die Preise deutlich angezogen haben, hat sich der kurzfristige Realzins, berechnet auf Basis der Kerninflationsrate, jedoch kaum verändert; er ist nach wie vor leicht negativ. Die Rendite für 10jährige Staatsanleihen fiel seit Ende Juni um knapp 0,5 Prozentpunkte. Die Realzinsen sind, gemessen anhand der Rendite der 10-jährigen inflationsindexierten Staatsanleihen, etwa im selben Umfang gesunken,5 wohl nicht zuletzt, weil die Marktteilnehmer mit einem moderateren Konjunkturverlauf rechnen. Darauf deutet auch die Entwicklung an den Aktienmärkten hin: Der zum Jahresbeginn zu beobachtende Anstieg der Kurse hat sich nicht fortgesetzt, vielmehr sind die Aktienkurse in den vergangenen Monaten in der Tendenz leicht gesunken. Der reale effektive Außenwert hat sich zuletzt kaum geändert, nachdem er bis zum Jahresbeginn kräftig gesunken war. Insgesamt wirken die monetären Rahmenbedingungen deutlich anregend auf die Konjunktur. Angesichts des im Vergleich zum neutralen Zins nach wie vor niedrigen Zinsniveaus erwarten wir, dass die Notenbank die Federal Funds Rate weiter anhebt, in Anbetracht der mäßigen Konjunktur allerdings in kleinen Schritten. Damit werden sich die Anregungen vonseiten der Geldpolitik im Prognosezeitraum etwas verringern. Wir rechnen für das Ende dieses Jahres mit einer Federal Funds Target Rate von 2 Prozent; im Laufe des kommenden Jahres dürfte sie auf 2,75 Prozent steigen. __________ 5 Die Inflationserwartungen – gemessen als Differenz zwischen Renditen von 10-jährigen Staatsanleihen und 10jährigen inflationsindexierten Staatsanleihen – liegt unverändert bei 2,5 Prozent. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 9 Abbildung 3: Indikatorena zur Konjunktur in den Vereinigten Staaten 2001–2004 Gesamtwirtschaftliche Entwicklung b,c 10 Industrie Prozent 380 Mrd. US-Dollar 1995=100 120 8 360 Inländische Verwendung 6 Produktion (rechte Skala) 340 4 110 2 320 0 Auftragseingangd Bruttoinlandsprodukt 300 2001 -2 2001 2002 2003 2004 100 2002 Außenhandel 7 Prozent Mill. 135 Arbeitslosenquote 133 6 131 5 Beschäftigtee (rechte Skala) 4 3 2001 129 127 125 2002 2003 2004 Preise f Privater Verbrauch Mrd. US-Dollar 2004 Arbeitsmarkt 1995=100 Mrd. US-Dollar 200 150 Einfuhrvolumen Einfuhrvolumen 180 100 160 Ausfuhrvolumen Ausfuhrvolumen 50 140 120 0 100 -50 80 60 -100 40 -150 Handelsbilanzsaldo 20 Handelsbilanzsaldo (rechte Skala) (rechte Skala) 0 -200 2001 2002 2003 2004 320 2003 1985=100 Einzelhandelsumsatzc 300 120 110 6 Prozent 4 Verbraucherpreise 100 280 90 2 260 80 240 220 200 2001 a e 70 Konsumentenvertrauen (rechte Skala) -2 2003 Erzeugerpreise 60 50 2002 0 2004 -4 2001 2002 2003 2004 Saisonbereinigt. — bVeränderung gegenüber dem Vorquartal, laufende Jahresrate. – cReal. — dNominal. — Abhängig Beschäftigte ohne Landwirtschaft. — fVeränderung gegenüber dem Vorjahr. Quelle: OECD (2004); Federal Reserve Bank of St. Louis (2004); Conference Board (2004). Joachim Benner et al. 10 Die Fiskalpolitik ist im Haushaltsjahr 2004 (Oktober 2003 bis September 2004) expansiv ausgerichtet. Insbesondere in der ersten Hälfte des Jahres wurden nochmals kräftige Impulse, u.a. durch Steuersenkungen, gegeben. Das Defizit des Bundes betrug bis einschließlich Juli 394 Mrd. Dollar. Dies ist ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des vergangenen Haushaltsjahres. Aufgrund unerwartet hoher Steuereinnahmen wird das Defizit für das gesamte Fiskaljahr jedoch niedriger ausfallen als bisher erwartet. Wir rechnen mit einem Defizit von etwa 470 Mrd. Dollar (4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), das strukturelle Defizit dürfte bei 3,7 Prozent liegen. Im kommenden Jahr schwenkt die Fiskalpolitik gemäß der Finanzplanung der gegenwärtigen Administration auf einen restriktiven Kurs ein. Hierzu soll insbesondere ein deutlich schwächerer Anstieg der Ausgaben beitragen. Für das Fiskaljahr 2005 erwarten wir ein strukturelles Defizit von 3,0 Prozent. Das gesamte Budgetdefizit dürfte infolge konjunkturbedingt höherer Steuereinnahmen stärker – auf 3,2 Prozent – sinken. Dabei bewirkt die vorgesehene Verlängerung von ansonsten auslaufenden Steuervergünstigungen über das Jahr 2004 hinaus einen Anstieg des Defizits um rund 0,1 Prozentpunkt.6 Tabelle 2: Eckdaten zur Konjunktur in den Vereinigten Staaten 2003, 2004 und 2005 2003 2004 1.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. 1.Q. 2005 Jahresdurchschnitt 2.Q. 3.Q.a 4.Q.a 1.Q.a 2.Q.a 3.Q.a 4.Q.a 2003 2004a 2005a Bruttoinlandsproduktb 1,9 4,1 7,4 4,2 4,5 2,8 3,4 3,4 3,4 3,0 2,8 2,7 3,0 4,2 3,2 Inlandsnachfrageb Privater Verbrauchb 1,7 4,4 6,4 4,7 5,1 4,1 4,0 3,7 3,5 3,1 2,9 2,9 3,3 4,7 3,5 2,7 3,9 5,0 3,6 4,1 1,6 2,5 3,0 2,7 2,6 2,4 2,3 3,3 3,4 2,6 0,2 7,2 0,1 1,6 2,5 2,4 2,3 3,0 2,1 1,7 1,4 1,3 2,8 2,3 2,1 4,5 13,0 8,3 9,2 7,0 6,0 5,3 4,6 5,1 10,0 7,5 1,2 0,1 –0,4 0,4 0,2 0,2 0,4 –0,1 0,5 0,2 0,6 –0,7 –0,8 –1,4 –0,9 –0,5 –0,3 –0,3 –0,2 –0,3 –0,5 –0,7 –0,5 Staatsnachfrageb Anlageinvestitionenb,c 2,4 10,9 18,0 10,5 Vorratsveränderungenc,d –0,6 –1,1 0,5 0,5 Außenbeitragd Exporteb Importeb 0,1 –0,5 –1,5 –1,6 11,3 17,4 –1,9 2,5 7,3 0,7 7,0 7,5 7,5 7,3 7,0 6,5 1,9 8,8 7,4 2,9 17,1 10,6 14,1 10,0 6,2 8,0 7,0 6,5 6,0 6,0 4,4 10,7 7,9 Verbraucherpreisee . . . . . . . . . . . . 2,3 2,7 2,5 Arbeitslosenquotef . . . . . . . . . . . . 6,0 5,5 5,2 Leistungsbilanzsaldog . . . . . . . . . . . . –4,9 –5,4 –5,4 Bugdetsaldog . . . . . . . . . . . . –3,5 –4,1 –3,2 aPrognose. — bReal; saisonbereinigte Quartalswerte: Veränderung gegenüber Vorquartal auf Jahresrate hochgerechnet (Prozent); Jahreswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — cPrivater Sektor. — dBeitrag zur Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten, saisonbereinigt. — eVeränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — fIn Prozent der Erwerbspersonen. — gIn Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts; Fiskaljahr. Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis (2004); Congressional Budget Office (2004); US Department of Commerce (2004); eigene Prognosen. __________ 6 Ein etwaiger Regierungswechsel würde wohl nur geringe Änderungen der Fiskalpolitik im kommenden Jahr zur Folge haben, zumal das Fiskaljahr bei Amtsantritt im Januar bereits fortgeschritten ist. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 11 Bei diesen Rahmenbedingungen wird die gesamtwirtschaftliche Produktion im Prognosezeitraum in mäßigem Tempo zunehmen. Insbesondere wird der private Konsum nur noch moderat ausgeweitet (Tabelle 2), weil sich bei steigenden Zinsen allmählich die Konsumentenkredite verteuern und die Zinsbelastung der bestehenden Kredite erhöht. Auch werden die Einkommen etwas verlangsamt expandieren. Auf eine nur noch moderate Konsumdynamik deuten auch die Indikatoren für das Verbrauchervertrauen hin; vor allem die Erwartungen haben sich zuletzt merklich verschlechtert. Hingegen dürften die Unternehmensinvestitionen zunächst weiter kräftig zunehmen. Darauf deuten die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe hin, die im zweiten Quartal beschleunigt gestiegen sind. Im kommenden Jahr wird sich allerdings die Investitionskonjunktur etwas abschwächen. Der Zinsanstieg sowie zurückhaltendere Absatz- und Ertragserwartungen dürften die Unternehmensinvestitionen bremsen. Die Wohnungsbauinvestitionen werden zunächst weiter kräftig zulegen – darauf deutet die hohe Zahl der Baugenehmigungen hin –, bevor sich auch in diesem Sektor die steigenden Zinsen dämpfend auswirken werden. Die Exporte werden bei weitgehend unveränderter preislicher Wettbewerbsfähigkeit der US-Produzenten zunächst ähnlich rasch steigen wie zuletzt. Aufgrund einer schwächeren Dynamik der Auslandsnachfrage wird sich die Expansion der Exporte im nächsten Jahr dann allmählich verlangsamen. Obwohl der Importanstieg durch die sich abschwächende Binnenkonjunktur gedämpft wird, dürfte der Außenbeitrag weiter abnehmen. Alles in allem rechnen wir mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts um 4,2 Prozent im Jahr 2004 und um 3,2 Prozent im Jahr 2005. Die Beschäftigung wird weiter in mäßigem Tempo zunehmen. Dabei wird die Arbeitslosenquote nur langsam zurückgehen, da auch das Arbeitsangebot steigt. Für 2004 erwarten wir eine Arbeitslosenquote von jahresdurchschnittlich 5,5 Prozent, im kommenden Jahr dürfte sie auf 5,2 Prozent sinken. Der Preisauftrieb, der sich in diesem Jahr beschleunigt hat, wird sich im kommenden Jahr wieder etwas abschwächen. Aufschwung in Japan flacht sich ab Die Konjunktur in Japan ist weiter aufwärts gerichtet. Nachdem die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr außergewöhnlich stark expandiert hatte, nahm sie im zweiten Quartal zwar merklich schwächer, mit einer laufenden Jahresrate von 1,7 Prozent aber immer noch spürbar zu (Abbildung 4). Gestützt wurde die Konjunktur bis zuletzt von der kräftigen Nachfrage aus dem übrigen asiatischen Raum; insbesondere die Ausfuhren nach China legten weiter deutlich zu. Darüber hinaus erwies sich der private Verbrauch als robust, auch wenn er vor dem Hintergrund einer ungünstigen Arbeitsmarktentwicklung an Dynamik verlor. Mit einer Joachim Benner et al. 12 Abbildung 4: Indikatorena zur Konjunktur in Japan 2001–2004 Gesamtwirtschaftliche Entwicklung b,c Industrie 1995=100 Bill. Yen Prozent 10 2,9 Bruttoinlandsprodukt 100 2,7 2,5 5 95 2,3 2,1 0 90 1,9 Inländische Verwendung 2001 2002 2003 85 1,7 Auftragseingangd 1,5 2001 -5 2004 80 2002 Außenhandel 180 Bill. Yen Ausfuhrvolumen 140 120 8,0 Einfuhr- 6,0 volumen 4,0 Handelsbilanzsaldoe (rechte Skala) 6,0 2,0 80 0,0 2002 2003 2004 Mill. Arbeitslosenquote 5,5 1995=100 100 68 67 66 4,5 Beschäftigte (rechte Skala) 3,5 65 64 63 3,0 2001 62 2002 2003 2004 Preise f Index 50 2 Prozent 1 Konsumentenvertrauen (rechte Skala) 98 45 0 Verbraucherpreise -1 96 94 40 92 -2 -3 c Einzelhandelsumsatz 90 2001 70 69 5,0 Privater Verbrauch 102 2004 Prozent 4,0 100 60 2001 2003 Arbeitsmarkt 1995=100 160 105 Produktion (rechte Skala) 35 2002 2003 2004 a -4 2001 Erzeugerpreise 2002 2003 2004 Saisonbereinigt. — bVeränderung gegenüber dem Vorquartal, laufende Jahresrate. — cReal. — dMaschinenbau. — eTeilweise geschätzt. — fVeränderung gegenüber dem Vorjahr. Quelle: OECD (2004); Cabinet Office (2004). Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 13 Rate von 2,5 stieg er immer noch erheblich schneller als im Schnitt der vergangenen zehn Jahre. Ausschlaggebend für die schwächere Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktion waren die Investitionen: Zwar expandierten die Bauinvestitionen weiterhin moderat, doch stagnierten die Ausrüstungsinvestitionen nach einem Anstieg um 17,5 Prozent im Winterhalbjahr, und die öffentlichen Investitionen wurden erneut stark – mit einer laufenden Jahresrate von knapp 20 Prozent – eingeschränkt. Inzwischen sind letztere sogar unter das Niveau gesunken, das im Jahr 1989 herrschte, bevor sie im Rahmen zahlreicher Konjunkturprogramme aufgebläht wurden (Abbildung 5). Abbildung 5: Öffentliche Investitionen in Japan 1989–2004 50 Bill. Yen Prozent In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (rechte Skala) 10 45 8 40 6 35 4 Real 30 25 1989 2 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 Quelle: Cabinet Office (2004); eigene Berechnungen. Die Entwicklung der öffentlichen Investitionen spiegelt das Bemühen der Regierung wider, das Haushaltsdefizit, das sich im vergangenen Jahr auf 7,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belief, einzuschränken. Angesichts der ungebrochenen Schuldendynamik und eines Schuldenbergs in Höhe von rund 150 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ist mittelfristig eine Konsolidierung dringend erforderlich. Allerdings verzichtet die Regierung darauf, andere Ausgaben zu reduzieren; beispielsweise ist im Haushaltsentwurf für das Fiskaljahr 2005 vorgesehen, die Sozialausgaben (insbesondere Ausgaben für Renten und das Gesundheitswesen) zu erhöhen. Auch ist nicht beabsichtigt, die Steuern anzuheben. So wird die Verringerung des Budgetdefizits nur allmählich erfolgen, zumal das Tempo der Rückführung der öffentlichen 14 Joachim Benner et al. Investitionsausgaben angesichts des inzwischen erreichten relativ niedrigen Niveaus nachlassen dürfte. Für das Jahr 2004 rechnen wir mit einem Haushaltsdefizit von 6,8 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, 2005 dürfte es etwas niedriger ausfallen. Das strukturelle Defizit wird in beiden Jahren geringfügig zurückgehen, so dass vonseiten der Fiskalpolitik leicht dämpfende Effekte zu erwarten sind. Die Geldpolitik ist unverändert expansiv ausgerichtet. Ungeachtet der starken Konjunkturerholung blieb die Bank von Japan bei ihrer Nullzinspolitik. Die Zielspanne für die von den Banken gehaltenen Überschussreserven liegt seit März 2004 bei 30–35 Bill. Yen; damit stellt die Zentralbank weiterhin in hohem Umfang Liquidität zur Verfügung. Die Zuwachrate der Zentralbankgeldmenge (Vorjahresvergleich) hat sich zwar seit Beginn des Jahres auf zuletzt knapp 5 Prozent verringert, doch beschleunigte sich die Zunahme der breit abgegrenzten Liquidität gleichzeitig von 1,2 auf 3,7 Prozent, was dafür spricht, dass sich die Kreditverfügbarkeit vor dem Hintergrund eines langsam gesundenden Finanzsystems wieder verbessert. Obwohl die Geldpolitik bis zuletzt expansiv blieb, ist ein deutliches Ansteigen der Verbraucherpreise immer noch nicht in Sicht. Zuletzt lagen sie trotz der höheren Ölpreise wieder unter ihrem Vorjahresniveau. Auch lassen die Preiserwartungen der Haushalte, die seit April 2004 im Rahmen der Umfragen zum Konsumentenvertrauen erhoben werden, auf eine anhaltende Stagnation der Preise schließen. So ist damit zu rechnen, dass die geldpolitische Ausrichtung im Prognosezeitraum unverändert expansiv bleibt, da die Notenbank angekündigt hat, die Zügel erst wieder anzuziehen, wenn das Preisniveau deutlich steigt. Die Aussichten für die japanische Wirtschaft haben sich dennoch leicht eingetrübt. Die Anzeichen mehren sich, dass die Expansion der Auslandsnachfrage an Schwung verliert. Zudem dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion durch den Ölpreisanstieg gedämpft werden. Gleichwohl ist nicht zu erwarten, dass die japanische Wirtschaft in eine Rezession rutscht. Geschäftserwartungen und Auftragseingänge sind in der Tendenz nach wie vor klar aufwärts gerichtet. Das finanzielle Umfeld hat sich bei steigenden Gewinnen, einer zurückgehenden Zahl von Unternehmenspleiten und einem rückläufigen Volumen notleidender Kredite verbessert. Die Unternehmensinvestitionen dürften vor diesem Hintergrund im Prognosezeitraum weiter deutlich zulegen (Tabelle 3). Auch der private Verbrauch wird auf stabilem Expansionspfad bleiben; nicht zuletzt aufgrund der verbesserten Einkommensperspektiven erreichte das Konsumentenvertrauen im Sommer einen Höchststand seit Ende 2000. Die Realeinkommen werden im Prognosezeitraum wieder steigen, da die Unternehmen angesichts der deutlich gestiegenen Gewinne weniger Anlass zu Nominallohnkürzungen sehen werden. Obwohl sich die Dynamik der Exporte merklich abflachen wird, dürfte die Kapazitätsauslastung bis Ende nächsten Jahres weiter zunehmen, wenn auch nur noch leicht. Wir rechnen damit, dass das Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr um 2,0 Prozent steigt, Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 15 nach 4,2 Prozent in diesem Jahr. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter leicht verbessern. Der Rückgang der Verbraucherpreise dürfte angesichts der weiterhin deutlichen Nachfrageexpansion im Prognosezeitraum auslaufen. Tabelle 3: Eckdaten zur Konjunktur in Japan 2003, 2004 und 2005 2003 2004 1.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. 1.Q. 2005 Jahresdurchschnitt 2.Q. 3.Q.a 4.Q.a 1.Q.a 2.Q.a 3.Q.a 4.Q.a 2003 2004a 2005a Bruttoinlandsproduktb 0,0 4,2 2,5 7,4 6,6 1,7 1,6 2,2 2,1 2,1 2,0 1,9 2,5 4,2 2,0 Inlandsnachfrageb Privater Verbrauchb –0,3 3,3 1,8 5,9 5,6 0,6 1,4 2,1 2,0 1,9 1,9 1,9 1,8 3,3 1,8 –0,4 0,7 2,6 4,4 4,2 2,5 1,8 1,8 1,8 1,6 1,5 1,5 0,8 3,1 1,7 –1,8 –3,7 –4,2 –0,5 –1,5 –3,3 –0,2 –0,2 –0,1 –0,1 –0,1 –0,1 –2,1 –1,9 –0,3 Staatsnachfrageb Anlageinvestitionenb,c 5,1 20,2 Vorratsveränderungenc,d –0,5 0,0 Außenbeitragd 1,0 22,9 6,3 0,2 2,0 5,4 4,9 4,9 4,8 4,8 7,7 7,5 4,3 1,0 –0,9 2,1 –0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,3 0,5 0,0 0,8 1,2 0,2 1,0 1,1 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 0,7 1,0 0,3 Exporteb 3,6 5,4 15,4 22,6 19,2 14,7 1,6 6,5 5,5 5,5 5,0 5,0 4,5 10,1 15,0 5,9 Importeb 2,2 –4,1 10,9 11,4 12,8 6,0 6,0 6,0 5,0 5,0 5,0 5,0 9,0 5,7 8,1 Verbraucherpreisee . . . . . . . . . . . . –0,3 –0,2 0,0 Arbeitslosenquotef . . . . . . . . . . . . 5,3 4,7 4,5 Leistungsbilanzsaldog . . . . . . . . . . . . 3,1 3,7 4,0 Bugdetsaldog,h . . . . . . . . . . . . –8,0 –6,8 –6,5 aPrognose. bReal; — saisonbereinigte Quartalswerte: Veränderung gegenüber Vorquartal auf Jahresrate hochgerechnet (Prozent); Jahreswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — cPrivater Sektor. — dBeitrag zur Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten, saisonbereinigt. — eVeränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — fIn Prozent der Erwerbspersonen. — gIn Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts. — hGesamtstaatlich. Quelle: Cabinet Office (2004); OECD (2004a); eigene Prognosen. Europäische Union: Konjunktur verliert etwas an Fahrt Der Aufschwung in der Europäischen Union hat sich in der ersten Jahreshälfte 2004 fortgesetzt. Im Euroraum blieb der Produktionsanstieg freilich moderat, während das reale Bruttoinlandsprodukt im Vereinigten Königreich weiter kräftig ausgeweitet wurde. In den neuen EU-Ländern beschleunigte sich das konjunkturelle Fahrtempo sogar. Mäßiger Produktionsanstieg in Euroland Die konjunkturelle Expansion in Euroland hat sich im ersten Halbjahr 2004 fortgesetzt, wenn auch zuletzt etwas verlangsamt. Trotz einer mäßigen Zuwachsrate von nur etwas mehr als 2 Prozent (laufende Jahresrate) nahm die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung zu, weil 16 Joachim Benner et al. sich die Wachstumsrate des Produktionspotentials auf rund 1 ¾ Prozent verlangsamt hat.7 Maßgeblich für den Aufschwung war zum einen der Anstieg der Exporte, die von der lebhaften Weltkonjunktur profitierten. Zum anderen wurden die privaten Konsumausgaben in den meisten Ländern beschleunigt ausgeweitet. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich nicht weiter verschlechtert. Zwar stieg die Arbeitslosenquote im Sommer leicht auf 9,0 Prozent, doch erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten wieder, wenn auch nur geringfügig. Die Inflationsrate lag im Juli mit 2,3 Prozent deutlich über dem von der Europäischen Zentralbank angestrebten Ziel. Dies ist aber im Wesentlichen auf den Anstieg der Erdölpreise zurückzuführen. Die monetären Rahmenbedingungen sind nahezu unverändert. Die Europäische Zentralbank beließ den Leitzins bei 2 Prozent. In realer Rechnung liegt der kurzfristige Zinssatz nahe null. Die Geldpolitik ist damit expansiv ausgerichtet. Wir rechnen damit, dass die Notenbank zur Jahreswende ihren expansiven Kurs etwas zurücknimmt und den Leitzins um 25 Basispunkte erhöht. Da die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung im Verlauf des kommenden Jahres kaum noch zunehmen wird, ist eine weitere Anhebung der Zinsen bis zum Ende des Prognosehorizonts nicht zu erwarten. Die Finanzpolitik wird im Jahr 2005 im Euroraum als Ganzem in etwa neutral ausgerichtet sein. Sparanstrengungen dienen vor allem dazu, einen weiteren Anstieg der Defizite zu vermeiden, zumal in einigen Ländern Steuersenkungen vorgesehen sind. Im weiteren Verlauf dieses Jahres dürfte der hohe Ölpreis die konjunkturelle Dynamik dämpfen. Zwar laufen die negativen Effekte des Ölpreisanstiegs im kommenden Jahr allmählich aus, doch wird dann die weltwirtschaftliche Expansion spürbar nachlassen. Insgesamt wird sich das konjunkturelle Fahrtempo im Prognosezeitraum verringern. Insgesamt rechnen wir für dieses und für das kommende Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um jeweils 1,9 Prozent. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich dabei nur unwesentlich verbessern. Der Preisauftrieb wird bei dem von uns unterstellten allmählichen Rückgang der Ölpreise und angesichts geringer Preiserhöhungsspielräume der Unternehmen im kommenden Jahr etwas abnehmen (Tabelle 4). __________ 7 Für eine ausführliche Analyse der Konjunktur und der Bestimmungsgründe des Produktionspotentials im Euroraum siehe Benner et. al (2004). Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 17 Tabelle 4: Eckdaten zur Konjunktur in Euroland 2003, 2004 und 2005 2003 2004 2005 Jahresdurchschnitt 1.Q. 2.Q. 3.Q. 4.Q. 1.Q. 2.Q. 3.Q.a 4.Q.a 1.Q.a 2.Q.a 3.Q.a 4.Q.a 2003 Bruttoinlandsproduktb 0,0 –0,5 Inlandsnachfrageb Privater Verbrauchb 1,9 Staatsverbrauchb Anlageinvestitionenb Vorratsveränderungenc Außenbeitragc 2004a 2005a 1,7 1,5 2,5 2,1 2,1 2,4 1,9 1,8 1,7 1,6 0,5 1,9 1,9 0,2 –0,3 3,2 1,4 1,7 1,8 2,4 1,9 1,6 1,9 1,8 1,2 1,6 1,9 1,4 –0,2 0,8 0,7 2,4 2,0 1,7 2,2 1,6 1,7 1,5 1,5 1,0 1,5 1,7 1,8 2,2 2,9 1,7 –0,7 1,9 1,5 1,0 1,1 1,3 1,3 1,5 2,0 1,3 1,2 –3,2 –0,4 0,4 3,2 1,0 0,4 3,3 3,6 2,7 2,5 2,6 2,5 –0,6 1,6 2,7 –0,1 –1,4 1,7 0,0 0,1 –0,1 0,2 0,1 –0,1 0,2 0,1 0,3 0,2 0,1 1,4 –1,8 –0,5 1,6 –1,4 1,5 0,1 0,3 0,0 0,1 0,2 –0,2 –0,1 –0,7 0,3 0,1 Exporteb –5,7 –3,0 9,4 1,2 6,3 10,1 3,1 3,3 4,5 4,1 3,9 3,9 0,1 5,2 4,2 Importeb –1,4 –1,3 4,0 5,7 3,5 9,8 2,5 3,5 4,6 4,0 4,7 4,5 1,9 4,7 4,3 Konsumentenpreised . . . . . . . . . . . . 2,1 2,1 1,9 Arbeitslosenquotee . . . . . . . . . . . . 8,9 9,0 8,8 Leistungsbilanzsaldof . . . . . . . . . . . . 0,4 0,5 0,5 Bugdetsaldof,g . . . . . . . . . . . . –2,7 –2,8 –2,8 aPrognose. — bReal; saisonbereinigte Quartalswerte: Veränderung gegenüber Vorquartal auf Jahresrate hochgerechnet (Prozent); Jahreswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — cBeitrag zur Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten, saisonbereinigt. — dVeränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — eIn Prozent der Erwerbspersonen. — fIn Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts. — gGesamtstaatlich. Quelle: EZB (2004); OECD (2004b); eigene Berechnungen und Prognosen. Vereinigtes Königreich: Aufschwung verlangsamt sich Im Vereinigten Königreich hat sich die konjunkturelle Dynamik im Frühjahr wieder gesteigert. Das reale Bruttoinlandsprodukt expandiert bereits seit einem Jahr mit zum Teil deutlich über dem Trend liegenden Raten; es erhöhte sich im zweiten Quartal mit einer laufenden Jahresrate von 3,8 Prozent (Abbildung 6). Maßgeblich war die rasche Expansion der Binnennachfrage; der reale Außenbeitrag blieb unverändert. Der private Verbrauch, dessen Expansion sich im Winterhalbjahr abgeflacht hatte, legte im zweiten Quartal spürbar beschleunigt zu. Die Staatsausgaben wurden in nur leicht verlangsamten Tempo ausgeweitet. Auch die Investitionsausgaben stiegen erneut kräftig, wenn auch die hohen Zuwächse, die im Winterhalbjahr verzeichnet worden waren, nicht mehr erreicht wurden. Industrie- und Dienstleistungsproduktion wurden in etwa gleich stark ausgeweitet. Joachim Benner et al. 18 Abbildung 6: Indikatorena zur Konjunktur im Vereinigten Königreich 2001–2004 Gesamtwirtschaftliche Entwicklung b,c Industrie Prozent 8 104 Inländische Verwendung 6 1995=100 102 2000=100 120 110 Produktion 100 100 4 98 90 2 96 80 70 94 0 92 Bruttoinlandsprodukt -2 2001 140 2002 1995=100 2003 8 Ausfuhrvolumen 4 80 Handelsbilanzsaldo (rechte Skala) 0 60 -4 40 -8 20 -12 0 -16 2001 2002 2003 2004 100 50 2002 2003 Real Prozent Mill. Beschäftigung (rechte Skala) 28 6 Arbeitslosenquote 4 2001 27 26 2002 Saldo 2003 2004 Prozent 16 3 12 2 Verbraucherpreise c g 8 110 100 29 Preisef Einzelhandelsumsatz 120 2004 8 Privater Verbrauch 130 60 Arbeitsmarkt Mrd. Pfund 16 10 Einfuhrvolumen 12 120 Auftragseingang (rechte Skala) 90 2001 2004 Außenhandele d Konsumentenvertrauen (rechte Skala) 90 1 0 0 -4 80 -8 70 60 2001 4 2002 2003 2004 -1 -12 -2 2001 Erzeugerpreise 2002 a 2003 2004 Saisonbereinigt. — bVeränderung gegenüber dem Vorquartal, laufende Jahresrate. — cReal. — dVerarbeitendes Gewerbe. — eTeilweise geschätzt. — fVeränderung gegenüber dem Vorjahr. — gHVPI. Quelle: Eurostat (2004); CIPS (2004); IMF (2004); OECD (2004). Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 19 Angesichts der robusten Konjunktur zeigt sich der Arbeitsmarkt nach wie vor in sehr fester Verfassung. Die Arbeitslosenquote (ILO-Definition) liegt seit geraumer Zeit bei 4,8 Prozent, die Rate der Empfänger von Arbeitslosenunterstützung knapp unter der 3-Prozentmarke. Das Arbeitsvolumen ging trotz des starken Produktionsanstiegs zurück; die Produktivität nahm dabei sehr kräftig zu. Der Verbraucherpreisauftrieb unterschreitet weiterhin den Zielwert von 2 Prozent; im Juli betrug die Inflationsrate 1,4 Prozent. Gleichwohl sieht die Bank of England angesichts der hohen und weiter steigenden gesamtwirtschaftlichen Kapazitätsauslastung mittelfristige Stabilitätsrisiken. Sie hat den Leitzins im August erneut um 25 Basispunkte angehoben. Dies war der fünfte Zinsschritt seit November vergangenen Jahres; die Repo Rate liegt nunmehr bei 4,75 Prozent. Am Immobilienmarkt scheint die geldpolitische Straffung erste Wirkungen zu zeigen; es verdichten sich die Anzeichen, dass die lang erwartete nachhaltige Verlangsamung des Preisanstiegs nun eingesetzt hat. Ein nennenswert dämpfender Effekt auf Verschuldung und Konsumausgaben der privaten Haushalte war bis zur Jahresmitte allerdings nicht zu erkennen: Die Nettoverschuldung der privaten Haushalte ist weiter gestiegen. Ein Grund hierfür liegt wohl darin, dass die geldpolitische Straffung noch nicht das für Konsumausgaben verfügbare Einkommen geschmälert, sondern allenfalls auf die Erwartungen der Haushalte Einfluss genommen hat (Bank of England 2004: 14). Die Nettozinszahlungen sind in Relation zu den Haushaltseinkommen seit etwa anderthalb Jahren weitgehend stabil. Wir erwarten, dass die Notenbank den Leitzins noch etwas anheben wird, so dass die Geldpolitik im Jahr 2005 leicht restriktiv wirken wird. Die Finanzpolitik ist 2004 wie in den Vorjahren deutlich expansiv ausgerichtet. Inzwischen beträgt die Neuverschuldung rund 3 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Sie wird trotz der guten Konjunktur im laufenden Jahr kaum zurückgehen. So erscheint die Einhaltung der nationalen Haushaltsregel gefährdet, der zufolge die Neuverschuldung über einen Konjunkturzyklus hinweg die öffentlichen Investitionen nicht übersteigen soll. In der neuen mittelfristigen Finanzplanung ist daher vorgesehen, den Anstieg der Staatsausgaben zukünftig merklich zu drosseln. Zum einen sollen die Zuwächse bei den Investitionsausgaben merklich zurückgeführt werden. Zum anderen ist beabsichtigt, in der Verwaltung durch einen massiven Stellenabbau zu sparen, während sowohl im Gesundheits- als auch im Bildungswesen die Ausgaben weiter überdurchschnittlich steigen sollen. Steueranhebungen sind wohl mit Blick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen bislang nicht vorgesehen. Insgesamt wird die Finanzpolitik im Prognosezeitraum deutlich weniger expansiv ausgerichtet sein als in den Vorjahren. Die Frühindikatoren, insbesondere die Unternehmensumfragen und die Einzelhandelsumsätze, deuten darauf hin, dass die konjunkturelle Dynamik im Sommer kräftig geblieben ist. Im weiteren Verlauf des Prognosezeitraums werden die Zuwächse des Bruttoinlandsprodukts all- Joachim Benner et al. 20 mählich zurückgehen, so dass die Kapazitätsauslastung nicht mehr steigt (Tabelle 5). Insbesondere wird der private Konsum merklich schwächer expandieren. Infolge der strafferen Geldpolitik wird sich die Immobilienpreisinflation weiter abschwächen, und die Zinsen für Konsumentenkredite werden steigen. Die Investitionen werden angesichts der hohen Kapazitätsauslastung und immer noch deutlicher Nachfrageexpansion weiter kräftig, wenn auch mit leicht zurückgehenden Raten, zunehmen. Die Dynamik der Exporte wird sich mit nachlassendem Tempo der Weltkonjunktur im kommenden Jahr ebenfalls leicht verringern. Alles in allem erwarten wir, dass der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr bei 3,6 Prozent und im kommenden Jahr bei 2,8 Prozent liegen wird. Die Verbraucherpreisinflation dürfte sich leicht beschleunigen und gegen Ende des Prognosezeitraumes etwa den Zielwert der Zentralbank von 2 Prozent erreichen. Tabelle 5: Eckdaten zur Konjunktur im Vereinigten Königreich 2003, 2004 und 2005 2003 1.Q. 2004 2.Q. 3.Q. 4.Q. 1.Q. 2.Q. 2005 Jahresdurchschnitt 3.Q.a 4.Q.a 1.Q.a 2.Q.a 3.Q.a 4.Q.a 2003 2004a 2005a Bruttoinlandsproduktb 0,8 2,7 3,8 4,2 2,9 3,8 3,7 2,8 2,5 2,4 2,6 2,4 2,2 3,6 2,8 Inlandsnachfrageb Privater Verbrauchb –1,2 0,9 5,1 6,1 2,7 3,6 4,5 3,6 3,2 3,0 2,9 2,8 2,7 3,9 3,3 –0,6 3,7 3,2 2,6 2,5 4,5 3,0 3,0 2,8 2,6 2,4 2,2 2,3 3,2 2,9 4,4 2,9 6,4 8,6 4,9 3,8 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,5 3,5 5,2 3,0 –8,4 Vorratsveränderungenc,d –0,4 3,6 4,5 7,9 6,8 6,0 5,5 5,5 5,5 5,0 5,0 5,0 2,2 6,2 5,4 –2,7 1,4 1,6 –1,1 –0,7 0,2 0,1 –0,1 0,0 0,0 0,0 –1,8 –0,1 0,0 0,0 –0,2 –0,9 –0,8 –0,8 –0,5 –0,5 –0,4 –0,5 –0,6 Staatskonsumb Anlageinvestitionenb Außenbeitragd Exporteb Importeb 2,0 1,8 –1,5 –2,1 0,1 20,2 –8,6 0,9 6,7 –3,4 4,5 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 3,0 0,1 2,3 3,7 9,7 –12,6 5,8 13,1 –3,3 3,0 4,0 6,0 5,5 5,0 4,0 4,0 1,3 3,7 5,3 Verbraucherpreisee . . . . . . . . . . . . 1,4 1,6 1,9 Arbeitslosenquotef . . . . . . . . . . . . 5,0 4,8 4,8 Leistungsbilanzsaldog . . . . . . . . . . . . –1,7 –2,3 –2,7 Bugdetsaldog . . . . . . . . . . . . –3,2 –2,9 –2,9 aPrognose. — bReal; saisonbereinigte Quartalswerte: Veränderung gegenüber Vorquartal auf Jahresrate hochgerechnet (Prozent); Jahreswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — cPrivater Sektor. — dBeitrag zur Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten, saisonbereinigt. — eVeränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — fIn Prozent der Erwerbspersonen. — gIn Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts. Quelle: Office for National Statistics (2004); eigene Berechnungen und Prognosen. Leichte Abkühlung der Konjunktur in den neuen Mitgliedsländern Die gesamtwirtschaftliche Produktion in den neuen Mitgliedsländern ist im bisherigen Verlauf des Jahres ausgesprochen rasch gestiegen. Nachdem sich die Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts vor allem infolge einer Konjunkturerholung in Polen bereits im Verlauf des vergangenen Jahres verstärkt hatte, beschleunigte sich die Expansion nach der Jahreswende Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 21 auf breiter Front. Im ersten Quartal lag das reale Bruttoinlandsprodukt in den Beitrittsländern um 5 ½ Prozent höher als ein Jahr zuvor, und die Indikatoren deuten auf einen ähnlich hohen Anstieg bis zur Jahresmitte hin. Maßgeblich für das Anziehen der Konjunktur war eine ausgeprägte Beschleunigung bei den Warenexporten; sie wurden mit hohen zweistelligen Raten ausgeweitet. Angesprungen sind im laufenden Jahr die Investitionen, die im vergangenen Jahr zur Schwäche geneigt hatten. Hingegen verringerte sich die Zunahme des privaten Verbrauchs, dem bisherigen Hauptmotor der konjunkturellen Expansion, etwas. Dämpfend wirkte vor allem, dass sich die Zunahme der real verfügbaren Einkommen angesichts einer spürbaren Inflationsbeschleunigung leicht verlangsamte. Bei zunehmender Kapazitätsauslastung, Anhebungen administrierter Preise und indirekter Steuern in einigen Ländern sowie nicht zuletzt infolge der anziehenden Ölpreise lag die Anstiegsrate des HVPI (Harmonisierter Verbraucherpreisindex) im Vorjahresvergleich zur Jahresmitte bei 4 Prozent, nach 3 Prozent im ersten Quartal und 2 Prozent im Durchschnitt des vergangenen Jahres. Trotz des hohen Produktionsanstiegs nahm die Arbeitslosigkeit kaum ab. Bereits im Juni 2004 traten mit Estland, Litauen und Slowenien die ersten neuen Mitgliedsländer dem Europäischen Wechselkursmechanismus (WKM II) bei, so dass für diese Länder die Einführung des Euro zur Jahresmitte 2006 möglich ist, sollten die fiskalischen und die monetären Stabilitätskriterien zum Zeitpunkt der Prüfung erfüllt sein.8 Dies ist gegenwärtig bereits weitgehend der Fall; lediglich die Inflationsrate in Slowenien entspricht noch nicht den im Vertrag von Maastricht formulierten Anforderungen. In den noch nicht dem WKM II beigetretenen Ländern werden die Kriterien demgegenüber noch in vielen Fällen verletzt. In einer Reihe von Ländern sind erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Situation der öffentlichen Haushalte erforderlich. Während die Slowakei im Zuge eines radikalen Reformprogramms im vergangenen Jahr das Haushaltsdefizit drastisch gesenkt hat und in diesem Jahr möglicherweise bereits die 3-Prozentmarke unterschreitet, haben sich Polen, Tschechien und Ungarn für einen gradualistischen Ansatz entschieden; in Polen wirkt die Fiskalpolitik gegenwärtig sogar expansiv. Gleichwohl dürften in den kommenden Jahren in den drei großen der neuen Mitgliedsländer Bemühungen zur Defizitbegrenzung im Vordergrund stehen, so dass für den Prognosezeitraum mit einer insgesamt tendenziell restriktiven Fiskalpolitik zu rechnen ist. Zudem stehen vor allem Ungarn und inzwischen auch Polen vor der Herausforderung, die Inflation zu dämpfen.9 Während die polnische Zentralbank auf die drohende Verfehlung ihres Inflationsziels mit Zinsanhebungen reagiert hat, verzichtete die Bank von Un__________ 8 Eine der Vorbedingungen für den Beitritt zur Währungsunion ist die Mitgliedschaft im WKM II über zwei Jahre ohne Abwertung oder erhebliche Spannungen. Zur Problematik der monetären Integration der neuen Mitgliedsländer vgl. ausführlich Gern et al. (2004). 9 Die hohe Inflation in der Slowakei von rund 8 Prozent in diesem Jahr ist wesentlich durch Einmaleffekte von Verbrauchsteueranhebungen und Preisliberalisierung bedingt; die laufende Inflation ist deutlich niedriger. Joachim Benner et al. 22 Tabelle 6: Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in den EU-Ländern 2003, 2004 und 2005 Gewichta Bruttoinlandsproduktb Verbraucherpreiseb,c Arbeitslosenquoted 2003 2004e 2005e 2003 2004e 2005e 2003 2004e 2005e Deutschland Frankreich Italien Spanien Niederlande Belgien Österreich Finnland Griechenland Portugal Irland Luxemburg 21,9 15,9 13,4 7,6 4,7 2,8 2,3 1,5 1,6 1,4 1,4 0,2 –0,1 0,5 0,4 2,4 –0,9 1,1 0,7 2,1 4,3 –1,2 3,7 2,1 1,9 2,4 1,0 2,7 1,1 2,4 1,2 2,5 4,5 0,9 3,8 2,5 1,2 1,9 1,6 2,9 2,0 2,4 2,2 3,0 3,0 1,9 3,9 3,5 1,1 2,2 2,8 3,2 2,2 1,5 1,4 1,3 3,4 3,3 4,0 2,6 1,7 2,3 2,3 3,1 1,4 1,8 1,8 0,1 3,2 2,6 2,3 3,1 1,3 1,8 2,1 3,3 1,4 2,0 1,8 1,8 3,8 2,6 3,0 2,6 9,6 9,4 8,6 11,3 3,8 8,1 4,1 9,0 9,3 6,2 4,6 3,7 9,8 9,5 8,7 10,9 4,7 8,5 4,3 8,9 9,0 6,6 4,5 4,1 9,7 9,3 8,5 10,3 4,4 8,1 4,3 8,5 8,8 6,9 4,4 3,7 Euroland 74,6 0,5 1,9 1,9 2,1 2,1 1,9 8,9 9,0 8,8 Vereinigtes Königreich Schweden Dänemark 16,4 2,8 1,9 2,2 1,6 0,5 3,6 3,1 2,2 2,8 2,5 2,0 1,4 2,1 2,1 1,6 1,0 1,3 1,9 1,9 1,7 5,0 5,6 5,6 4,8 6,0 6,0 4,8 5,7 5,8 Europäische Union 15 95,6 0,8 2,2 2,1 2,0 2,0 1,9 8,1 8,1 8,0 1,9 0,8 0,8 0,3 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 0,0 3,8 2,9 2,9 4,2 2,3 8,9 2,0 7,5 4,7 0,4 5,8 3,4 4,0 5,2 3,5 7,3 3,0 8,0 6,0 2,0 5,0 3,5 3,2 4,8 3,2 6,0 3,5 6,5 5,5 3,0 0,8 0,1 4,7 8,6 5,6 –1,2 4,0 2,9 1,4 1,3 3,2 3,0 7,0 8,0 4,0 1,0 2,5 5,0 2,5 2,5 3,5 2,7 5,5 4,5 3,5 2,0 2,0 3,5 2,5 2,5 19,2 7,8 5,8 17,1 6,5 12,7 4,4 10,5 10,1 8,2 18,6 8,2 5,6 16,5 6,3 11,3 4,5 10,0 9,5 8,5 18,2 8,0 5,5 15,5 6,0 10,5 4,0 9,5 9,0 8,0 4,4 3,6 4,9 4,3 2,2 4,1 3,7 14,3 13,9 13,5 100,00 0,9 2,4 2,2 2,0 2,1 1,9 9,1 9,1 8,9 Polen Tschechien Ungarn Slowakei Slowenien Litauen Zypern Lettland Estland Malta Neue Mitgliedsländer Europäische Union 25 aAuf der Grundlage des Bruttoinlandsprodukts zu Preisen und Wechselkursen von 2003 (Prozent). — bVeränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — cHarmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI). — dStandardi- sierte Arbeitslosenquote (Prozent) nach dem ILO-Konzept. Ländergruppen gewichtet auf der Grundlage der Erwerbspersonenzahl von 2002. — ePrognose. Quelle: Europäische Kommission (2004); EZB (2004); OECD (2003); OECD (2004b); eigene Berechnungen und Prognosen. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 23 garn angesichts eines festen Wechselkurses des Forints gegenüber dem Euro bislang auf einen solchen Schritt. In den kommenden Monaten dürfte die Geldpolitik aber auch hier gestrafft werden. Bei diesen Rahmenbedingungen und angesichts einer Abflachung der Nachfrageexpansion im Ausland wird sich das konjunkturelle Fahrttempo in den neuen Mitgliedsländern im weiteren Verlauf dieses Jahres und im nächsten Jahr allmählich verringern. Vor allem die Ausweitung der Exporte dürfte sich spürbar verlangsamen. Der private Verbrauch wird in wenig verändertem Tempo expandieren. Er wird zwar durch eine leicht beschleunigte Zunahme der Beschäftigung gestützt werden, doch bleibt der Anstieg der real verfügbaren Einkommen moderat. Günstig sind nach wie vor die Aussichten für die Investitionen; sie dürften sogar in nochmals leicht beschleunigtem Tempo ausgeweitet werden, zumal der Zufluss an Mitteln der EU größer werden wird. So erwarten wir, dass das reale Bruttoinlandsprodukt in den neuen Mitgliedsländern 2005 nochmals kräftig zulegt, wenngleich die Rate mit 4,3 Prozent nicht mehr ganz so hoch ausfallen dürfte wie im laufenden Jahr (Tabelle 6). Der Preisanstieg dürfte sich mit dem Auslaufen von Einmaleffekten und dem Abklingen des ölpreisbedingten Schubs im kommenden Jahr etwas verlangsamen. Der Abbau der Arbeitslosigkeit kommt weiter nur langsam voran. Boom in den Schwellenländern klingt ab Der Aufschwung der Weltkonjunktur in der ersten Hälfte des laufenden Jahres war auch von einem sehr kräftigen Produktionsanstieg in den Schwellenländern geprägt. Insbesondere im asiatischen Raum nahm das reale Bruttoinlandsprodukt, getrieben von einer boomhaften Nachfrageexpansion in China, rasch zu. In Russland wurde die Produktion wie schon im gesamten Jahr 2003 ebenfalls in hohem Tempo ausgeweitet. Deutlich belebt hat sich die Konjunktur in Lateinamerika, wenngleich die Zuwachsrate der Produktion insgesamt immer noch vergleichsweise moderat ausfiel. Allerdings deutete zuletzt einiges darauf hin, dass das Tempo der Ausweitung von Produktion und Nachfrage in den Schwellenländern seinen Höhepunkt überschritten hat. So hat die Zunahme der Industrieproduktion zur Jahresmitte hin zumeist an Dynamik verloren, und die Exporte stiegen nicht mehr ganz so rasch wie noch im Frühjahr. In China hat die ausgesprochen rasche Expansion der Nachfrage zu einer spürbaren Beschleunigung des Preisauftriebs geführt. Die Inflationsrate ist binnen Jahresfrist um knapp 5 Prozentpunkte gestiegen; im Juli wurde mit 5,3 Prozent der höchste Wert seit 1996 verzeichnet. Vor diesem Hintergrund hat die chinesische Regierung die geldpolitischen Zügel weiter ge- Joachim Benner et al. 24 strafft. Sie versucht damit nicht nur, der Beschleunigung des Preisauftriebs zu begegnen. Vielmehr ist sie auch bemüht, dem Boom bei den Investitionen – sie stiegen im ersten Halbjahr 2004 mit Raten von um die 40 Prozent – Einhalt zu gebieten, denn sie befürchtet, dass sich andernfalls gravierende Überkapazitäten herausbilden werden, die die wirtschaftliche Entwicklung auf Jahre hinaus belasten könnten. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass der Restriktionskurs Wirkung zeigt; so hat sich das Kreditwachstum seit dem Frühjahr abgeschwächt. Auch die Exporte nahmen zuletzt verlangsamt zu. Bei abgeschwächter Dynamik der Endnachfrage in den Industrieländern, insbesondere in den Vereinigten Staaten, dürfte sich auch von dieser Seite her das Expansionstempo in China im Prognosezeitraum allmählich verringern. Wir erwarten, dass das reale Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um reichlich 9 Prozent und im kommenden Jahr um rund 8 Prozent zunimmt (Tabelle 7). Dieses Tempo ist etwas geringer als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Tabelle 7: Reales Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise in ausgewählten Schwellenländern und jungen Industrieländern 2002–2005 (Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent) Bruttoinlandsprodukt Gewichta Verbraucherpreise 2002 2003 2004b 2005b 2002 2003 2004b 2005b Südkorea Indonesien Taiwan Thailand Philippinen Malaysia Hongkong Singapur 6,0 5,5 3,7 3,4 2,4 1,6 1,4 0,9 7,0 3,7 3,6 5,4 4,4 4,0 1,9 2,2 3,1 4,1 3,2 7,2 4,5 5,2 3,2 1,1 5,0 4,5 6,0 6,5 5,0 7,0 5,0 6,0 4,5 4,5 4,5 6,0 4,0 5,5 3,5 4,0 2,7 11,9 –0,2 0,6 3,1 1,9 –3,0 –0,4 3,5 6,6 –0,2 1,8 3,1 1,1 –2,6 0,5 4,5 6,5 1,5 2,5 5,0 1,5 0,0 1,5 3,5 6,0 2,5 2,5 5,0 1,5 0,5 1,0 Insgesamt 24,9 4,6 4,1 5,4 4,5 3,5 2,7 3,7 3,5 China 41,0 8,0 9,1 9,3 8,0 –0,8 1,2 4,0 3,5 Asien insgesamt 65,8 6,7 7,2 7,8 6,7 0,8 1,8 3,9 3,5 9,5 7,0 3,2 2,3 1,7 1,6 1,9 0,7 –10,9 1,8 2,2 –9,0 –0,2 1,3 8,7 3,5 3,3 –9,1 4,0 3,5 7,0 4,5 4,5 15,0 3,5 4,0 3,5 4,0 4,5 8,0 8,5 5,0 25,9 6,3 2,5 22,4 14,8 4,6 13,4 7,1 2,8 31,0 5,5 4,0 3,5 6,0 1,0 23,0 5,0 4,0 4,5 5,5 2,0 18,0 25,4 –0,5 1,7 5,0 4,0 10,0 11,3 5,7 5,3 8,8 4,7 7,3 7,0 6,5 15,8 13,7 10,5 10,0 100,0 4,7 5,8 7,0 6,0 4,5 5,2 4,9 4,5 Brasilien Mexiko Argentinien Kolumbien Chile Venezuela Lateinamerika insgesamt Russland Insgesamt aGemäß Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2003 nach Kaufkraftparitäten (Prozent). — bPrognose. Quelle: IMF (2004); OECD (2004b); nationale Statistiken; eigene Berechnungen und Prognosen. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 25 In den übrigen asiatischen Schwellenländern dürfte sich der Produktionsanstieg ebenfalls verlangsamen. Anders als in China gehen zwar von der Wirtschaftspolitik im Allgemeinen keine bremsenden Wirkungen aus. Im Gegenteil: Die nach wie vor zögerliche Belebung der Binnennachfrage in Südkorea hat die dortige Notenbank Anfang August sogar veranlasst, ihre Zinsen ungeachtet des auch hier zu verzeichnenden verstärkten Preisauftriebs von einem bereits sehr niedrigen Niveau aus nochmals zu senken. Auch sollen deutliche fiskalische Impulse gesetzt werden. Doch schwächen sich die Anregungen von der Auslandsnachfrage ab; neben der konjunkturellen Abflachung in China und den Vereinigten Staaten wirkt sich hier insbesondere aus, dass der Nachfragezyklus im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, auf dessen Produkte die asiatischen Schwellenländer spezialisiert sind, seinen Höhepunkt überschritten zu haben scheint. Spürbar gedämpft wird die Konjunktur angesichts der hohen Energieintensität der Produktion und der gemessen am Bruttoinlandsprodukt zumeist hohen Öleinfuhren10 darüber hinaus durch den Anstieg der Rohölpreise. In Russland setzte sich die kräftige wirtschaftliche Expansion ungebrochen fort. Nach einem Anstieg um 7,3 Prozent im Jahr 2003 dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2004 in ähnlichem Tempo zugenommen haben. Ein spürbar verlangsamter Anstieg der Industrieproduktion nach der Jahresmitte deutet allerdings darauf hin, dass die konjunkturelle Dynamik nachzulassen beginnt. Hierzu hat beigetragen, dass sich der Rubel angesichts einer hartnäckig bei 10 Prozent verharrenden Inflation und eines gegenüber dem US-Dollar nominal weitgehend konstanten Wechselkurses real weiter deutlich aufgewertet hat, so dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit russischer Produzenten zunehmend bedroht ist. In den vergangenen Monaten wurde zudem deutlich, dass nach wie vor gravierende strukturelle Schwächen im Ordnungsrahmen der russischen Wirtschaft bestehen. Der Konflikt um das größte private Konglomerat Yukos schwelt weiter. Die Politik der Regierung erscheint dabei willkürlich und dürfte die Neigung, in Russland zu investieren, verringern. Dämpfend wirkt wohl auch die Verunsicherung der Anleger angesichts von Solvenzproblemen bei einer Reihe von privaten Banken. Jedoch dürften die Staatsausgaben stark ausgeweitet werden, da die Staatseinnahmen bei dem zu erwartenden nur wenig verringerten Ölpreis kräftig „sprudeln“ werden. Die Fiskalpolitik wird damit spürbar expansiv sein, so dass wir für das Jahr 2005 eine nur leichte Verlangsamung des Produktionsanstiegs erwarten. In Lateinamerika hat sich der Aufschwung im laufenden Jahr durchgesetzt. Hilfreich war hier der Preisanstieg im Zuge einer starken Zunahme der Nachfrage bei Rohstoffen, von dem die lateinamerikanischen Länder als Rohstoffexporteure profitierten. Die weltwirtschaftlichen __________ 10 Einige Länder produzieren zwar in nennenswertem Umfang Öl, doch selbst das OPEC-Mitglied Indonesien ist inzwischen Nettoimporteur von Mineralöl. 26 Joachim Benner et al. Rahmenbedingungen blieben günstig, das Finanzmarktumfeld ruhig. So waren Produktion und Nachfrage auch in den beiden größten Ländern Brasilien und Mexiko, in denen die Konjunktur im vergangenen Jahr nur zögerlich an Dynamik gewonnen hatte, im ersten Halbjahr 2004 deutlich aufwärts gerichtet. In Argentinien setzte sich die Erholung von der schweren Wirtschaftskrise der Jahre 2001/2002 fort, wenngleich zuletzt in etwas verlangsamtem Tempo. Für den Prognosezeitraum erwarten wir, dass die Produktion schwächer steigt. Maßgeblich hierfür ist eine starke Verringerung der Expansionsraten in Venezuela, wo das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um nahezu ein Drittel über dem Vergleichswert des vergangenen Jahres lag, nachdem der Produktionseinbruch überwunden wurde, zu dem es Anfang 2003 gekommen war. In den übrigen Ländern wird sich der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts angesichts weiterhin günstiger Terms of Trade und unter der Annahme anhaltender Stabilität an den Finanzmärkten in wenig verändertem Tempo fortsetzen. Ausblick: Aufschwung schwächt sich ab Der Aufschwung der Weltkonjunktur scheint seinen Höhepunkt im Sommerhalbjahr 2004 überschritten zu haben. Im Prognosezeitraum dürfte sich der Produktionsanstieg weiter leicht verlangsamen. Darauf wirkt zum einen das Nachlassen wirtschaftspolitischer Impulse hin, zum anderen der kräftig gestiegene Ölpreis. Ein Abrutschen in die Rezession ist aber nicht zu erwarten. In dem von uns unterstellten Fall, dass der Ölpreis im kommenden Jahr leicht sinkt, dürfte die Weltwirtschaft in einem Tempo expandieren, das in etwa dem Trend der vergangenen Jahre entspricht. Deutlich langsamer als bis zum Frühjahr setzt sich die Expansion von Produktion und Nachfrage in den Vereinigten Staaten fort. Mit dem Fortfall fiskalischer Anregungen und dem allmählichen Anziehen der geldpolitischen Zügel verringern sich die Impulse, die die Konjunktur bislang getrieben haben, nun maßgeblich. In Japan dürfte sich der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts in etwa in dem zuletzt erreichten Tempo fortsetzen, so dass die Kapazitätsauslastung weiter zunimmt, wenn auch nur noch leicht. Dabei wird eine Verlangsamung des Exportanstiegs durch eine Festigung der Binnennachfrage ausgeglichen. Die konjunkturelle Expansion in der Europäischen Union schwächt sich im Verlauf des Prognosezeitraums leicht ab. Der Produktionszuwachs geht vor allem dort zurück, wo er im laufenden Jahr besonders kräftig ausfällt: Im Vereinigten Königreich werden Geld- und Finanzpolitik gestrafft, und in den neuen Mitgliedsländern dürfte sich der Exportboom abschwächen. Hingegen nimmt die Produktion im Euroraum im Verlauf in nur leicht verlangsamtem Tempo zu; hierzu trägt bei, dass die EZB ihre Zinsen nur geringfügig anheben wird. Alles in allem schwächt sich der An- Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 27 stieg des realen Bruttoinlandsprodukts in den Industrieländern im kommenden Jahr auf 2,6 Prozent ab (Tabelle 8), eine Rate, die in etwa dem Trend der vergangenen Jahre entspricht. Die Verbraucherpreisinflation bleibt trotz des Anstiegs der Ölpreise mäßig, die Arbeitslosigkeit geht weiter leicht zurück. Tabelle 8: Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in den Industrieländern 2003 2004 und 2005 Gewichta Bruttoinlandsproduktb 2003 2004e 2005e Verbraucherpreiseb,c 2003 2004e Arbeitslosenquoted 2005e 2003 2004e 2005e Euroland 30,9 0,5 1,9 1,9 2,1 2,1 1,9 8,9 9,0 8,8 Europäische Union 25 41,4 0,9 2,4 2,2 2,0 2,1 1,9 9,1 9,1 8,9 1,0 0,7 –0,5 –0,4 1,7 2,5 1,5 2,3 0,7 2,5 1,1 0,8 0,7 1,5 4,1 4,5 4,3 4,2 4,1 4,1 West- und Mitteleuropa 43,1 0,9 2,3 2,2 1,9 2,0 1,9 9,0 8,9 8,7 Vereinigte Staaten Japan Kanada 39,1 15,0 2,7 3,0 2,5 1,7 4,2 4,2 2,6 3,2 2,0 3,1 2,3 –0,3 2,8 2,7 –0,2 1,8 2,5 0,0 2,0 6,0 5,3 7,6 5,5 4,7 7,4 5,2 4,5 7,1 Länder insgesamt 100,0 2,0 3,4 2,6 1,8 2,0 1,9 7,4 7,1 6,9 Schweiz Norwegen aAuf der Grundlage des Bruttoinlandsprodukts zu Preisen und Wechselkursen von 2003 (Prozent). — bVeränderung gegenüber dem Vorjahr (Prozent). — cWest- und Mitteleuropa (außer Schweiz): Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI). — dStandardisierte Arbeitslosenquote (Prozent) nach dem ILO-Konzept. Ländergruppen gewichtet auf der Grundlage der Erwerbspersonenzahl von 2002. — ePrognose. Quelle: Eurostat (2004); OECD (2003); OECD (2004b); eigene Berechnungen und Prognosen. Auch außerhalb der Industrieländer verliert die wirtschaftliche Expansion an Fahrt. Vor allem im asiatischen Raum gehen die bislang sehr hohen Zuwachsraten deutlich zurück. Dies ist einmal auf den verlangsamten Anstieg der Nachfrage in den Industrieländern zurückzuführen. Außerdem wirkt die Wirtschaftspolitik in China auf eine Beendigung des Booms im Reich der Mitte hin. Schließlich wird die Nachfrage durch den Ölpreisanstieg gedämpft. Konjunkturfördernd wirken die hohen Rohstoffpreise hingegen in Russland und in einigen Ländern Lateinamerikas, wo die wirtschaftliche Aktivität in der Folge in nur wenig abgeschwächtem Tempo zunehmen dürfte. Insgesamt rechnen wir mit einer Ausweitung der Weltproduktion im kommenden Jahr um 3,9 Prozent, nachdem in diesem Jahr mit 4,8 Prozent ein ausgesprochen starker Zuwachs verzeichnet werden dürfte (Tabelle 9). Die Expansion des Welthandels verringert sich bei alledem von 10 Prozent in diesem auf 7,5 Prozent im nächsten Jahr. Joachim Benner et al. 28 Tabelle 9: Reales Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise in der Welt 2002–2005 (Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent) Bruttoinlandsprodukta Weltwirtschaft Verbraucherpreisea 2002 2003 2004b 2005b 2002 2003 2004b 2005b 3,0 3,7 4,8 3,9 3,3 3,5 3,3 3,2 darunter: Industrieländer Ostasienc 1,7 2,0 3,4 2,6 1,5 1,8 2,0 1,9 4,6 4,1 5,4 4,5 3,5 2,7 3,7 3,5 China 8,0 9,1 9,3 8,0 –0,8 1,0 4,0 3,5 –0,5 1,7 5,0 4,0 10,0 11,3 5,7 5,3 Russland 4,7 7,3 7,0 6,5 15,8 13,7 10,5 10,0 Nachrichtlich: Welthandelsvolumen 3,2 5,0 10,0 7,5 . . . . Lateinamerika aGewichtet gemäß Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2003 nach Kaufkraftparität. — bPrognose. — cOhne China und Japan. Quelle: IMF (2004); OECD (2004b); eigene Berechnungen und Prognosen. Weltkonjunktur überschreitet Höhepunkt 29 Literatur Benner, J., K. Carstensen, K.-J. Gern, F. Oskamp und J. Scheide (2004). Euroland: Konjunktur verliert wieder an Fahrt. Die Weltwirtschaft (3), in diesem Heft. Bank of England (2004). Inflation Report. August. London. Via Internet (11. August 2004) <http://www.bankofengland.co.uk/inflationreport/ir04aug.pdf>. Cabinet Office (2004). Quarterly Estimates of GDP. Via Internet (20. August 2004) <http://www.esri.cao.go.jp/en/sna/menu.html>. CIPS (The Chartered Institute of Purchasing & Supply) (2004). PMI Monthly Reports. Stanford. Thomson Financial Datastream. Conference Board (2004). Consumer Confidence. Via Internet (2. September 2004) <http://www.conference-board.org/economics/consumerConfidence.cfm>. Congressional Budget Office (2004). 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