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VER.DI PUBLIK 08 · 09 AUGUST · SEPTEMBER 2008 REGIONAL 7 AUS DEN BEZIRKEN F R E I Z E I T PA R K HANDEL Porta: 158 Entlassungen Arbeiten unter Palmen Im brandenburgischen Freizeitpark Tropical Islands hat ein Arbeit aufgenommen die Vertreter der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Ingolf Fechner, und ver.di-Gewerkschaftssekretärin Ines Barow mit der Leitung des Freizeit-Konzerns und kündigten eine Betriebsratswahl an. Gleichzeitig versuchte die Arbeitgeberseite einen so genannten Belegschaftsausschuss durchzusetzen – ein Gremium von Konzern-Gnaden ohne rechtliche Grundlage und Handhabe. Aber gut fürs Image. VON DANIELA FRITSCHE | Blau schimmerndes warmes Wasser umspült die Füße, die Sonne wärmt den Körper, eine Fontäne explodiert wenige Meter entfernt und schießt Millionen Wassertröpfchen in 18 Meter Höhe. Am Horizont sprießen üppige tropische Pflanzen im Regenwald, dahinter verbirgt sich ein Langhaus mit kunstvollen Schnitzereien. Der Südsee-Traum endet am Zeltdach des Tropical Islands. Denn „Europas größte tropische Urlaubswelt“ – so die Eigenwerbung – liegt in einer Halle. Es ist die größte freitragende Halle der Welt. In ihr sollten eigentlich Zeppeline, so genannte Cargolifter, gebaut werden. Bis die Halle nach der Insolvenz der Cargolifter AG an die Investoren von Tropical Islands verkauft wurde. Derzeit arbeiten in dem künstlich angelegten Tropenparadies im brandenburgischen Brand (Dahme-Spreewald) knapp 500 Mitarbeiter. Die Arbeitsbedingungen sind genauso exotisch wie das Klima in der Halle: Im Durchschnitt verdienen die Mitarbeiter 1000 bis 1250 Euro brutto für eine Vollzeitstelle im Monat. Sie arbeiten als Kellner, Koch, Animateur, Sicherheits-, Putz- und Hilfspersonal. Zum Vergleich: Eine vierköp- Betriebsrat mit Hilfe von ver.di seine BRAND Ein Berg von Arbeit Tropenparadies mit Dach F.: JU fige Familie zahlt für einen Tag 89 Euro Eintritt, ohne Essen und Extras; ein Mitarbeiter bekommt für einen Arbeitstag 50 Euro brutto, Schichtdienst inklusive. Die Personaldecke ist dünn, der Krankenstand hoch, Arbeitsverträge sind auf höchstens zwei Jahre befristet. Die Fluktuation im Personalbereich ist groß. Zwischen der Bali-Lagune mit Wasserfall, Strömungskanal und Wasserrutsche und dem Regenwald-Camp hat sich der Unmut über die Arbeitsbedingungen breitgemacht. Am 26. November vergangenen Jahres trafen sich Die Mitarbeiter des Tropical Islands wollten aber einen Betriebsrat. Am 17. Dezember 2007 bestimmten sie einen Wahlvorstand. 80 Prozent der Mitarbeiter beteiligten sich am 27. Februar 2008 an den ersten Betriebsratswahlen. Von den elf Betriebsratsmitgliedern ist der Vorsitzende Michael Wisocki freigestellt. Der ehemalige Leiter des kulinarischen Angebots im Kinderbereich steht – gemeinsam mit seinen Kolleg/innen – vor einem Berg Arbeit. Sie haben schon eine Menge bewegt. Michael Wisocki nennt Beispiele: „Wir haben eine Betriebsvereinbarung mit der Geschäftsführung zum Thema Einstellungen abgeschlossen.“ Zudem seien Mitarbeiter vor der Kündigung bewahrt worden, in dem ihnen durch den Betriebsrat andere Arbeitsplätze im Unternehmen vermittelt wurden. „Im Moment arbeiten wir an der Betriebsvereinbarung zum Thema Dienstpläne, haben bereits zwei Seminare besucht und einen Betriebsausschuss und einen Wirtschaftsausschuss gegründet.“ Eine Betriebsversammlung hat stattgefunden, eine weitere ist geplant. Es ist viel geschehen, aber für den Betriebsratsvorsitzenden ist das noch nicht genug: „Wir waren nicht untätig, nur leider mahlen die Mühlen sehr langsam. Man muss sich alles hart erkämpfen.“ Er nennt Zahlen, die zeigen, wie die Arbeitsplatzsituation ist: „Wenn sich fünf Kellner um 800 Gäste kümmern müssen, dann liegt ganz klar eine Überlastung vor.“ Es liege nicht an den Mitarbeitern, wenn sich die Gäste darüber beschweren, dass der Service nicht den Erwartungen entspricht, den der Eintrittspreis suggeriert. Dem Konzern sind 1900 Tagesgäste im Jahresschnitt zu wenig: 3500 Gäste pro Tag bräuchte der Freizeitpark, um rentabel zu sein. „Uns schenkt hier keiner etwas“, sagt Wisocki, „aber gut, dass es uns gibt.“ HANDEL Was weiß denn OBI? Bundesweit kämpfen Beschäftigte bei OBI für mehr Gehalt – unter anderem in Thüringen ERFURT | Die Beschäftigten in den OBI- Märkten haben in den letzten Jahren einiges hingenommen: Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, bei den Regelungen zur Arbeitszeit und bei den Zusatzzahlungen. 2001 war OBI aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten, seitdem gibt es keine gültigen Tarifverträge mehr. Der Marktführer unter den Baumärkten gilt in der Branche als schlecht zahlender Arbeitgeber. Auch mit den Mitbestimmungsrechten ist es nicht weit her. Seit Monaten häufen sich in den verschiedensten Regionen die Aktionen gegen die Unternehmensführung und Geschäftsleitungen. Es gab Demonstrationen vor der Zentrale in Wermelskirchen und Streiks in Filialen. Die OBIAngestellten und ver.di wollen einen Tarifvertrag. Die Thüringer Gewerkschaftssekretärin Undine Zachlot berichtet von den nun schon jahrelangen Bemühun- gen. In den Märkten in Erfurt, Weimar und Sömmerda wurden schon im Herbst 2006 Tarifkommissionen gewählt. Deren Schreiben zur Aufnahme von Gesprächen für Tarifverhandlungen beantworten die Arbeitgeber jedoch mit: Nein, das wollen wir nicht. So hängt eine bessere Bezahlung von ihrem Gutdünken ab. Und das auch nur, wenn sich die Angestellten wehren. Doch grade hier liegt es im Argen. Undine Zachlot: „Die Mitarbeiter/innen wissen alle, dass die Bezahlung schlecht ist, doch viele wollen sich nicht wehren. Und es gibt so manchen Trittbrettfahrer.“ Bei der unterschiedlichen Bezahlung sehen ver.di und die Betriebsräte dringenden Handlungsbedarf. Wer neu eingestellt wird, verdient auch bei gleichem Berufsabschluss und gleicher Tätigkeit bis zu 500 Euro weniger als die schon länger beschäftigten Kolleg/innen. Die Arbeit der Betriebsräte ist schwer: Sie wurden von der Geschäftsführung angegriffen und diffamiert, berichten die Kollegen aus Erfurt. In ihrer Region haben sich nun die Betriebsräte vernetzt und treffen sich regelmäßig, auch mit den Tarifkommissionen. Sie sind gestärkt aus den Aktionen der letzten Monate hervorgegangen. Das registrieren natürlich auch die Arbeitgeber. Wahl im Freien Im ostthüringischen Altenburg war vor einiger Zeit eine Betriebsratswahl unerwünscht, die Kolleginnen und Kollegen wählten ihren Wahlvorstand vor den Markttüren im Freien. In Sachsen-Anhalt gab es in den vergangenen Monaten ebenfalls zahlreiche Streiks und Beteiligungen an Demonstrationen, die eine monatliche Erhöhung der Gehälter zum 1. Mai be- wirkten. Im Bezirk Sachsen-Anhalt Nord ist das große Sorgenkind der OBI-Markt in Genthin. Seit Monaten ist bekannt, dass die OBI-Zentrale den Mietvertrag gekündigt hat. Über ihre Zukunft wurde die Belegschaft nicht informiert. Daraufhin forderten sie mit Streiks, Unterschriftensammlungen und wiederholten schriftlichen Anfragen eine Erklärung. Die bekam man dann im Juli kurz und knapp: Die Filiale wird zum 31. Dezember 2008 geschlossen. Die genaue Strategie der Konzernführung ist noch nicht bekannt, mit den Betriebsräten will sie immerhin Gespräche führen. Tarifverhandlungen mit ver.di allerdings nicht. Es ist zu befürchten, dass eine andere, den Arbeitgebern wohl gesonnene Gewerkschaft ins Boot geholt werden soll. Das kann nur verhindert werden, wenn sich zukünftig noch viel mehr Kolleg/innen an Aktionen beteiligen.BIRGIT TRAGSDORF HANDEL Kundenberatung aus Istanbul Neckermann will 450 Arbeitsplätze abbauen FRANKFURT/MAIN | Mehrere hundert Beschäftigte aus allen Bereichen von Neckermann sind Ende August in Frankfurt zu einem Staffellauf für ihre Arbeitsplätze angetreten. Neckermann ist schon seit längerem ein Sanierungsfall. Erst versuchte sich Karstadt/Quelle an einer Sanierung. Aus dieser Zeit stehen den Beschäftigten noch jeweils 1473 Euro aus dem Sanierungstarifvertrag zu, der ihnen bereits Verzicht abverlangt hatte. Nun richtet sich der Investor SunCapitol aus Florida mit 51 Prozent der Aktien, einem neuen Management und alten Rezepten häuslich ein. Noch in diesem Jahr sollen bundesweit 50 Millionen Euro eingespart wer- den – auf Kosten der Beschäftigten. In Frankfurt sind vier Unternehmen von Neckermann angesiedelt: Die Neckermann.de GmbH, die Neckermann Contact Customer Services GmbH, die Neckermann Management GmbH und die Neckermann Logistik GmbH. 450 Arbeitsplätze in Deutschland stehen zur Disposition. In einzelnen Bereichen sollen die Wochenarbeitszeit erhöht und Kernbereiche aus dem Unternehmen ausgelagert werden, Tarifverträge werden ausgehebelt. Hans Kroha, der als ver.di-Sekretär für Neckermann zuständig ist, sieht hier einen typischen Finanzinvestor am Werke, der kurzfristig Erlöse erzielen, Managementfehler auf die Beschäftigten abwälzen und das Unternehmen verkaufsgünstig zuschneiden will. Arbeitsplätze verlagert Im Einzelnen soll das so vonstatten gehen: Arbeitsplätze in der Kundenberatung und im Service werden von Frankfurt nach Heideloh bei Bitterfeld verlagert. Den Beschäftigten in Heideloh hat man eine besondere Form von Angebot unterbreitet. Vorgefertigte Schreiben sehen ihre Weiterbeschäftigung vor, aber unter verschlechterten Bedingungen, unter anderem mit verlängerten Wochenarbeitszeiten ohne Lohnausgleich. Was bisher in Hei- deloh bearbeitet wurde, wird dafür nun nach Istanbul ausgelagert. Besonders dreist: Das Unternehmen bietet in Heideloh an, was den Beschäftigten ohnehin zusteht, nämlich die 1473 Euro aus dem früheren Sanierungstarifvertrag. Die Beschäftigten der anderen Service-Gesellschaften gehen bislang leer aus. Sie hätten ihr Geld bereits im Juni bekommen müssen und haben zu Hunderten eine Geltendmachung eingereicht. Mit weiteren Aktionen setzt ver.di sich für die Beschäftigten ein. RENATE BASTIAN http://handel-hessen.verdi.de/ betriebsraete/neckermann_und_ service-gesellschaften ALTWARMBÜCHEN | Das Möbelhaus Porta hat in Hannover Beschäftigte abgestraft, die schlechtere Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren wollten. Ende Mai erfuhren die Mitarbeiter, dass ihre Filiale in Altwarmbüchen am Rande Hannovers bereits Ende Juni geschlossen wird. Als „Handstreich“ kritisiert der zuständige ver.di-Sekretär Uwe Busch das Vorgehen des Managements. Dem Konzern mit Sitz in Porta Westfalica geht es gut: Mit 20 Einrichtungshäusern, rund 5000 Mitarbeitern und etwa einer Milliarde Euro Umsatz ist Porta die Nummer Vier unter den Möbelhäusern in Deutschland. Doch Tarife und Arbeitnehmerrechte versucht der Konzern grundsätzlich zu umgehen. So war Porta 2005 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und hatte von den Mitarbeitern längere Arbeitszeiten bei geringerer Bezahlung gefordert. Doch in Altwarmbüchen akzeptierten nur wenige die neuen Verträge. Jetzt stehen 158 Mitarbeiter auf der Straße. Mit nur drei Millionen Euro wurden sie abgefunden. Der Betriebsrat spricht von Erpressung. „Wir mussten allen Kündigungen und dem Sozialplan zustimmen, sonst hätte das Möbelhaus sofort Insolvenz angemeldet“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Kornelia Jung. KITAS Arbeitsplätze gefährdet | Hunderte von Arbeitsplätzen sind in Nordrhein-Westfalen durch das neue Kinderbildungsgesetz (Kibiz) gefährdet. Grund sei die unsichere, gedeckelte Landesfinanzierung der Kindertagesstätten, die zu Lasten von unbefristeten Arbeitsplätzen gehe, sagte der nordrhein-westfälische Landesfachbereichsleiter Gemeinden, Michael Wiese. Bei vielen Beschäftigten herrsche Unsicherheit. Den Betroffenen werde es schwer gemacht, ihre eigentlichen Aufgaben zu erledigen. In einer Resolution forderten rund 80 Kita-Beschäftigte bei einer Fachtagung in Bochum eine „Refinanzierung der echten Personalkosten auf Basis der tarifvertraglichen Regelungen“. https://gesundheit-soziales-nrw. verdi.de/kindertagesstaetten BOCHUM ÖFFENTLICHER DIENST Almosen angeboten BERLIN | Mit zwei Einmalzahlungen von je 300 Euro für die Jahre 2008 und 2009 hat der rot-rote Senat in Berlin vor der Sommerpause einseitig versucht, die Tarifauseinandersetzung zu beenden. „Wir sind fest entschlossen, den Arbeitskampf für gerechte, tabellenwirksame Einkommenserhöhungen wieder aufzunehmen“, heißt es in einer Resolution von 100 Vertreter/innen aus den verschiedenen Streikleitungen. Deswegen soll Mitte September wieder gestreikt werden. Die stellvetretende ver.di-Landesbezirksvorsitzende Astrid Westhoff rechnete vor, dass die von den Gewerkschaften geforderten 2,9 Prozent im Jahr bei einem Bruttomonatseinkommen von 2500 Euro pro Monat im Jahr 930 Euro mehr bedeuten. Deswegen bezeichnete sie die vom Senat angebotenen 300 Euro als „Almosen nach Gutsherrenart“. VOLKSBEGEHREN Eine Schule für alle HAMBURG | ver.di Hamburg unterstützt das Volksbegehren „Eine Schule für alle“ in der Hansestadt. Ziel ist eine Gemeinschaftsschule, in der die Kinder bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen. Mehr Informationen unter www.eineschule.de