Vom Erdboden verschluckt Die Basis ist erwacht

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Vom Erdboden verschluckt Die Basis ist erwacht
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Tages-Anzeiger – Montag, 10. März 2014
Seite Zwei
Kommentar
Michael Meier, Redaktor Religion,
über die Demonstrationen gegen
Bischof Huonder.
Die Basis
ist erwacht
Die Diözese Chur bleibt das Schweizer
Problembistum. Auch wenn die Zahl der
Demonstrierenden längst nicht mehr so
gross ist wie zu Bischof Haas’ Zeiten: Die
gestrige Kundgebung in St. Gallen war ein
starkes Zeichen wider die Resignation.
Der Widerstand innerhalb der Kirche ist
erneut erwacht.
Zehn grosse kirchliche Verbände sind
gegen Bischof Huonders Seelsorge der
Ausgrenzung aufgestanden. Der Churer
Bischof stösst nicht nur wiederverheiratete, homosexuelle, im Konkubinat
lebende und empfängnisverhütende
Katholiken vor den Kopf. Mit seinen
unbarmherzigen Stellungnahmen
­irritiert er auch seine Kollegen in der
Bischofskonferenz. Noch bevor diese
über Fragen der Kirchendisziplin und
Moral befunden haben, gibt Huonder
seine eigene Meinung als die einzig
­verpflichtende aus.
Zwar hat gestern Markus Büchel, der
Präsident der Bischofskonferenz, die
­Forderung nach Huonders Absetzung
ohne grossen Enthusiasmus entgegen­
genommen. Dennoch sind laut einem der
Organisatoren mehrere Bischöfe froh
über den Druck, den die Kundgebung in
St. Gallen gegen Huonder aufgebaut hat.
Zumindest legitimiert das die Bischofskonferenz, den Apostolischen Nuntius in
Bern und die Behörden in Rom, auf die
Missstände im Bistum Chur hinzuweisen.
Die Bischofskonferenz hat allerdings
bereits signalisiert, dass sie selber kein
Aufsichtsrecht über die Bistümer hat.
Zudem ist fraglich, ob die Kundgebung in
Rom etwas bewirken kann. Huonder wird
nur noch drei Jahre Bischof von Chur
sein. In dieser kurzen Zeitspanne wird
sich der Heilige Stuhl kaum für eine
Veränderung im helvetischen Problembistum einsetzen. Es sei denn, der innerkirchliche Druck wird durch politische
Demarchen verstärkt. Erst als Bundesrat
Flavio Cotti in den 90er-Jahren in Rom
vorstellig wurde, reagierte der Vatikan
und trennte das Erzbistum Vaduz von
Chur ab. Es ist also an der Zeit, dass die
Politik sich des Churer Bistums annimmt.
Zumal der religiöse Friede in Gefahr ist:
Churs Kampf gegen Kantonalkirchen und
Kirchgemeinden tangiert auch die reformierte Kirche und letztlich selbst den
Staat, der die christlichen ­Kirchen öffentlich-rechtlich anerkennt.
Im Fokus
Umfrage
Eine strikte Umsetzung der
­SVP-Einwanderungsinitiative
­gefährdet die bilateralen Verträge
zwischen der Schweiz und der EU.
Die Gegner der Initiative erwägen
gemäss der «Schweiz am Sonntag»,
die Beibehaltung der Verträge in die
Verfassung zu schreiben.
Die Bilateralen mit der EU
in die Verfassung schreiben:
Finden Sie diesen Plan gut?
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Nein
71%
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Heute auf
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Foto: Laurent Gillieron (Keystone)
Frühling, ein bisschen japanisch
In Japan wäre von einer Kirschblütenfront die Rede: Auch für die kommende Woche versprechen die Meteorologen bestes
­Frühlingswetter. Ein Mann im Walliser Dorf Vernayaz nahe Martigny begutachtete gestern die Blüten der Kirschbäume.
Die kleine Geschichte Nach den wochenlangen Regenfällen sind in Grossbritannien die Böden instabil.
Vom Erdboden verschluckt
Fast ein Jahrhundert lang lag Private Ryan ungestört in seinem
Grab an der walisischen Küste.
Pembroke Dock, ein alter Marinehafen und Luftwaffenstützpunkt, verfügt über den einzigen
Soldatenfriedhof im Fürstentum
Wales. Dort war der Gefreite
Francis Ryan 1915 beigesetzt worden. Seiner und der anderen
Kriegstoten aus der Gegend sollte
im August gedacht werden: zum
hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs.
Doch nun haben sich Pembroke Dock und Private Ryan
schon vor der Zeit in Erinnerung
gebracht – und die geplanten Feierlichkeiten infrage gestellt. Ein
sieben Meter tiefes Erdloch hat
Ryans Grab verschluckt und
droht auch seinen Grabstein in
die Tiefe zu ziehen. Andere Gräber sind ebenfalls in Gefahr. Die
schweren Regenfälle der letzten
Wochen haben im Friedhof den
Untergrund ausgehöhlt und Einsturzgefahr ausgelöst.
«There’s no saving Private
Ryan» ist nun in britischen Zeitungen zu lesen (in Anspielung
an «Saving Private Ryan», Steven
Spielbergs berühmten Hollywoodfilm). Wer kann schon Francis Ryan aus Wales davor bewahren, nach 99 Jahren von Mutter
Erde vollends verschlungen zu
werden? Längst haben die Lebenden selbst Angst, in terrestrische Schlünde zu stürzen. Mehrmals pro Woche öffnet sich derzeit irgendwo auf den Britischen
Inseln rumpelnd die Erde: In
Yorkshire ist schon ein halbes
Haus in einen Krater gerutscht.
Glücklicherweise kam niemand zu Schaden, als das hundert Jahre alte Gebäude in Ripon
in Yorkshire ins Knie brach. Auch
anderswo ging es bislang einigermassen glimpflich ab. In High
Wycombe in Buckinghamshire
schluckte ein zehn Meter tiefer
Erdfall einen vor dem Haus geparkten Wagen. Da es nachts war,
sass wenigstens niemand drin.
Als sich in Hemel Hempstead
in Hertfordshire in Gärten hinter
einer Hausreihe die Erde öffnete,
mussten gleich zwanzig Familien
evakuiert werden. Auch auf der
Isle of Wight, nahe den Klippen,
wurde ein Wohngebiet weitflächig abgesperrt. In Kent musste
die Autobahn M 2 zeitweise gesperrt werden, weil der Mittelstreifen plötzlich versank.
Mehrmals pro
Woche öffnet
sich derzeit
rumpelnd die
britische Erde.
Ganz so schlimm wie beim
denkwürdigen Vorfall des Jahres
1988 ist es bisher noch nicht gekommen. Damals brach in Norwich unter dem Heck eines Doppeldeckerbusses die Strasse ein.
Die Passagiere konnten sich retten, bevor der Bus mit der Nummer 26 sich in die Grube senkte.
Für unmöglich halten es britische
Geologen freilich nicht, dass so
etwas erneut geschehen könnte.
Die starken Regenfälle und
vielerorts noch immer anhaltenden Überschwemmungen nämlich haben ideale Voraussetzungen für Erdfälle, für das Auftauchen der beängstigenden Erdlöcher, geschaffen. Vor allem Kalkstein-, Gips- und Kreidegebiete
im Süden Englands und in Yorkshire sind betroffen. In alten Grubengebieten drohen zusätzliche
Gefahren.
«In den letzten paar Wochen»,
berichtet Vanessa Banks von der
britischen geologischen Gesellschaft, «hat die Zahl der Sink­
holes, der Erdlöcher, beträchtlich zugenommen.» Sechsmal so
viele wie sonst verzeichnen die
Geologen zurzeit. Nicht nur haben Rekordregen und Stürme
Küsten und Tiefebenen verwüstet, Flüsse zu Kloaken gemacht
und Minen und Weltkriegsbomben angeschwemmt. Sie bedrohen nun auch Gebäude, in denen
sich die Leute vor kurzem noch
vor den Fluten sicher fühlten –
weil sie nicht wussten, was unter
ihnen vor sich ging.
«Noch auf mehrere Wochen,
wenn nicht sogar Monate hin»
werde sich die Erde in England
und Wales öffnen, warnt Vanessa
Banks. In Pembroke Dock kratzen
sie sich die Köpfe. Sollen sie Private Ryans Grab einfach zuschütten? Oder eine Exhumierung einleiten? Erst einmal hat man ein
Gitter über das Erdloch gelegt.
Damit niemand hineinstolpert –
oder zusammen mit dem Grabstein ins Grab plumpst.
Peter Nonnenmacher, London
In Bern steht
die zweite Woche
der Frühlings­
session an. Heute
geht im Ständerat
das Seilziehen um
das Bürgerrechts­
gesetz weiter.
Zudem: In München
beginnt der Prozess
gegen Uli Hoeness.
Dem Präsidenten des
FC Bayern München
wird Steuerhinter­
ziehung in
­Millionenhöhe
­vorgeworfen.
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