Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen
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Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen
KOMMUNIKATION Crash Kommunikation Peter Klaus Brandl: Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen Die Schlüsselfrage lautet also: Welches sind die „menschlichen“ Faktoren, die solche katastrophalen Konsequenzen nach sich ziehen? Und was hat das mit Management zu tun? Eine Menge ... Wie Luftfahrt und Geschäftsleben zusammenhängen „Menschliches Versagen“ – diese Formel kennen wir alle aus den Abendnachrichten. Meist schwingt bei Unglücken mit vielen Toten, vom schweren Verkehrsunfall bis zum Störfall im Atomkraftwerk, immer eine Schuldzuweisung mit: Jemand trägt die Verantwortung für das Geschehen, weil er Peter Klaus Brandl ZUR PERSON sich falsch verhalten hat. Die Frage nach den Gründen für einen „Crash“ lassen sich beinahe Peter Klaus Brandl, Dipl.-Sozialpädagoge ist eins zu eins auf das Geschäftsleben übertragen. Managementcoach und Berufspilot. Seit 1993 Als Führungskraft konnte ich oft genug erleben, berät und trainiert er Unternehmen in den Berei- wie kleine Kommunikationspannen sich im Unter- chen Kommunikation, Kundengewinnung, Ver- nehmen zu großen Problemen hochschaukelten. handlungstechniken und Konfliktmanagement. Zu Als Berufspilot habe ich zahlreiche Crash-Bei- seinen Kunden zählen Commerzbank AG, Credit spiele analysiert und das Crew Resource Manage- Suisse AG, Logica Deutschland, Fresenius Medical ment selbst durchlaufen. Und als Trainer und Care u. a. Managementcoach bekomme ich nahezu täglich Systematische Crash-Prävention ist im Unternehmen ebenso möglich wie in der Luftfahrt. bestätigt, dass auch Unternehmen nur selten aufgrund dramatischer Einflüsse von außen in 1977, Teneriffa, zwei vollbesetzte Flugzeuge Schieflage geraten: Verantwortlich für den Crash rasen auf der Startbahn ineinander: 583 Tote. sind fast immer Kommunikationspannen im Un- 1996, Puerto Plata, eine Maschine der Birginair ter nehmenscockpit. Dabei ist systematische stürzt knapp fünf Minuten nach dem Start in Crash-Prävention im Unternehmen ebenso mög- den Atlantischen Ozean: 189 Menschen sterben. lich wie in der Luftfahrt. In „normalen“ Wirtschaftsunternehmen spielt der menschliche Faktor bis- n der Geschichte der Luftfahrt gibt es zahlrei- lang erstaunlicherweise keine Rolle. Dabei kön- che grausame Flugzeugkatastrophen. Über nen Tunnelblick, Fehlentscheidungen und Hand- drei Viertel aller Unfälle sind dabei auf „mensch- lungsunfähigkeit im Manage ment ebenfalls liches Versagen“ zurückzuführen, also nicht auf „lebensbedrohliche“ Folgen für ein Unternehmen schlechtes Wetter, Materialprobleme oder andere haben – und schlicht in die Insolvenz führen. I äußere Einflüsse. Als eine Konsequenz des Unfalls auf Teneriffa entstand eine neue Wissenschaft: Maschine im Sinkflug und keiner merkt’s – „CRM“, Crew Resource Management. CRM geht oder: Wenn man das Wesentliche aus den Au- der Frage nach, warum Flugzeuge abstürzen, ob- gen verliert wohl es keine technischen Fehlfunktionen gibt. „Hey, was ist denn hier los?“ Das waren die letz- 12 CRASH-KOMMUNIKATION Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen GABAL-Verlag ISBN: 978-3-86936-055-3, 232 Seiten 24,90 EURO ten Worte des Kapitäns. Drei Sekunden später es für Verantwortungsträger immer schwieriger, schlug die Maschine auf der Wasseroberfläche das Wesentliche im Blick zu behalten. Im Arbeits- der Everglades auf, der Pilot und mit ihm über alltag vieler Menschen gibt es von allem zu viel: 100 der 163 Bordinsassen starben. Wie es dazu zu viele Mails, zu viele Anrufe, zu viele Meetings, kam? Ein Flugzeug fährt im Landeanflug das zu viel Arbeit sowieso. Nur von einem gibt es defi- Fahrwerk aus. Eigentlich sollten dann drei grüne nitiv zu wenig: Zeit, um die richtigen Prioritäten Lichter aufleuchten, eines für jedes der drei Fahr- zu setzen. Man wird förmlich von Kleinigkeiten werksbeine. Es leuchten aber nur zwei. Die Ma- aufgefressen und schiebt die eigentlich wichtigen schine startet durch und geht in eine Warteschlei- Aufgaben vor sich her. Wer es hier nicht schafft, fe. Ab jetzt beschäftigt sich die gesamte Besat- „das Flugzeug auf Kurs zu bekommen“, läuft zung nur noch mit dem nicht brennenden Lämp- Gefahr, irgendwann hochzuschrecken wie der chen. Kapitän, Kopilot und Bordingenieur sind so Lockheed-Pilot und erst kurz vor dem Crash mit auf ihr Problem fokussiert, dass sie nicht mitbe- einem „Hey, was ist denn hier los?!“ den Ernst kommen, wie ihr Flieger in einen gemächlichen der Lage zu erkennen – nur ist es dann meist Sinkflug übergeht. Erst kurz vor dem Crash fällt schon zu spät. Daher hier Ihre: der Besatzung auf, dass etwas nicht stimmt. Eine defekte Kontrollleuchte hat sie von allen anderen Anti-Crash-Formeln gegen operative Hektik Funktionen und Systemen des Flugzeugs abgelenkt – auch davon, dass der Autopilot versehentlich abgeschaltet war. Zielloses Reagieren statt planvollem Handeln: Eini Unternehmensbeispiel Ein mittelständisches Wäscherei un ter nehmen kriselt vor sich hin, es steht kurz vor der Pleite. Halten Sie inne und überlegen Sie: Was genau ist das wirkliche Problem? Löst die momentane Aktion dieses Problem bzw. trägt sie zumindest zur Lösung bei? Was würde passieren, wenn Sie diese Aktion jetzt nicht starten? Wissen Sie zu jeder Zeit, wo Ihr Unternehmen (Ihre Abteilung) sich gerade befindet? Haben Sie alle relevanten Fakten und Umfeld-Daten im Blick? Hier zeigt sich, dass „Nebenkriegsschauplätze“ gerade in unruhigen Zeiten oft verführerisch sind, denn der neue Vorstand verpasst dem angeschlagenen Unternehmen erst einmal ein neues Logo, einen neuen Werbeauftritt und eine teure Produktbroschüre. Über Monate ist er so mit der neuen Unternehmensoptik beschäftigt, dass für das akute Problem – zu wenig Absatz – kaum noch Zeit bleibt. Am Ende hat man zwar eine schicke neue „Corporate Identity“, doch das Un- Sind Sie in der aktuellen Situation immer mindestens einen Schritt voraus? Oder wird Ihre Aufmerksamkeit völlig von momentanen Ereignissen und Details absorbiert? Beugen Sie bösen Überraschungen gezielt vor? Oder wiegen Sie sich in der trügerischen Sicherheit, dass schon alles so weiterlaufen wird wie bisher? Haben Sie das Heft des Handelns in der Hand? Agieren Sie souverän am Markt? Oder reagieren Sie nur auf äußere Einflüsse? ternehmen ist pleite. Der schwierige Blick auf das Wesentliche Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zerrt. Ein Impuls braucht Zeit, um seine Wirkung zu entfalten. Erkennen Sie die Parallelen zum Flugzeugabsturz in Florida? In allen Fällen flüchtet man sich in die Details. Menschen unter Druck stürzen sich gerne Gar keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung. Entscheidungsscheu wirkt ähnlich verheerend wie Aktionismus. auf vertraute „Lieblingsaufgaben“, sie übersehen Gefahren, sie halten starr am einmal eingeschlagenen Weg fest und blenden Alternativen aus. Ergebnis sind hektische Reaktionen statt planvoller Aktionen. In den meisten Unternehmen wird Betreiben Sie systematische „Müllabfuhr“ – stellen Sie immer mal wieder auf den Prüfstand, was Sie tun, und eliminieren Sie Nebenkriegsschauplätze. n