Konzept zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen
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Konzept zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen
Konzept der Medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker salus klinik Hürth überarbeitete Fassung Juli 2010 Verantwortlich: J. Domma-Reichart & M. Abu Khatir salus klinik Hürth Willy-Brandt-Platz 1 50354 Hürth Tel.: 02233 8081-0 Fax: 02233 8081-888 E-Mail: [email protected] www.salus-kliniken.de/kliniken/huerth/ Vorwort Die salus klinik Hürth wurde am 02.11.2009 eröffnet. Die salus klinik Arnsberg (frühere Fachklinik auf der Egge), die 2002 von der salus klinik GmbH übernommen wurde, wurde am alten Standort geschlossen und die Betten in Hürth integriert. Zur Indikation Sucht wird nun auch eine psychosomatische Abteilung eröffnet. Die Konzeption basiert auf den mit den Kostenträgern vereinbarten Elementen, den Erfahrungen mit den Arnsberger Patienten sowie den seit Jahren auf dem Markt erfolgreichen salus kliniken Friedrichsdorf und Lindow. Mit unserer Arbeit wollen wir einen Beitrag leisten zu einer bedarfsgerechten Versorgung Suchtkranker, die dem allgemein anerkannten Stand der humanwissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, die ausreichend und zweckmäßig ist, ohne das Maß des Notwendigen zu überschreiten, und die individuell auf die Bedürfnisse der Einzelnen eingeht. Mit unserer Konzeption möchten wir sowohl einem wissenschaftlichen Anspruch als auch der therapeutischen Praxis gerecht werden und für unsere unterschiedlichen Lesergruppen nachvollziehbar und verständlich sein. Eine Konzeption ist aus unserer Sicht aus diesem Grund ein Kompromiss zwischen Theorie und Praxis, der es ermöglicht, die speziellen Anforderungen der Rehabilitation im Bereich der Sucht zu verstehen und die dafür gefundenen Lösungen in der Klinik nachzuvollziehen. An der Konkretisierung der Therapieprozesse haben im Rahmen des Qualitätsmanagements Mitarbeiter aus allen Abteilungen der salus klinik mitgewirkt, so dass es sich bei diesem Rehabilitationskonzept mit seinen mannigfaltigen Einzelelementen um ein wirkliches Gemeinschaftswerk handelt. Das Wort „Mitarbeiter“ beinhaltet weibliche und männliche Personen. Wegen der besseren Lesbarkeit haben wir auf Zwitterbegriffe wie „PatientINNen“ oder die immer wiederkehrende doppelte Nennung „Patientinnen und Patienten“ verzichtet. Unter anderem im Wort „Rehabilitanden“ wäre das auch ungebräuchlich. Wenn Personen eines Geschlechtes gemeint sind, wie beispielsweise in Frauengruppen, wird von Patientinnen gesprochen, bei Männern von männlichen Patienten. Unsere Klinik ist ein dynamisches lernendes System das auf interne aber auch externe Ereignisse flexibel reagiert. Deshalb ist ein Konzept in Papierversion nur noch für spezielle Zwecke sinnvoll. Daher gibt es das Konzept in Zukunft als online-Version, die permanent auf den aktuellen Stand gebracht werden kann. Dr. J. Domma-Reichart und M. Abu Khatir Inhalt 1. Störungen durch psychotrope Substanzen, Prävalenz und Folgen 1.1 Alkoholabhängigkeit 1.2 Mehrfachabhängigkeit 1 1 5 2. Medizinische Rehabilitation Suchtkranker 2.1 Grundlagen der Rehabilitation 2.2 Erwerbstätigkeit und Sucht 8 8 9 3. 11 11 12 Leistungsangebote der salus klinik Hürth 3.1 Übersicht der Leistungsangebote 3.2 Raumkonzept und Ausstattung 4. Indikation 15 5. Rehabilitationsziele 22 6. Behandlungsdauer 29 7. Medizinische Behandlung 7.1 Medizinische Abteilung 7.2 Medizinische Diagnostik 7.3 Medizinische Therapie 7.4 Sozialmedizin 7.5 Physiotherapie, Sport- und Bewegungstherapie 7.6 Ernährungsberatung 30 30 31 35 36 37 41 8. Psychotherapie 8.1 Psychologische Diagnostik 8.1.1 Kontextfaktoren, Aktivitäten und Teilhabe 8.1.2 Testpsychologie 8.2 Psychologische Therapie 8.2.1 Case-Management und Einzeltherapie 8.2.2 Bezugsgruppe 8.2.3 Rückfallprävention 8.2.4 Arbeits- und berufsbezogene Therapie 43 43 43 44 46 46 48 49 50 9. Sozialdienst 9.1 Diagnostik 9.2 Sozialdienstbetreuung und Klinische Sozialarbeit 51 51 51 10. Ergo- und Sporttherapie 10.1 Diagnostik 10.2 Leistungsangebote 10.2.1 Beruf und Arbeit 10.2.2 Freizeit, Kunst & Genuss 10.2.3 Gesundheit & Wellness 56 57 57 58 60 65 11. Indikative Behandlungsschwerpunkte 11.1 Suchtspezifische indikative Leistungsangebote 11.1.1 Mehrfachabhängigkeit 11.1.2 Spielabhängigkeit 11.1.3 Tabakabhängigkeit 11.2 indikative Leistungsangebote für weitere komorbide Störungen 11.3 Wiederholungsbehandlung 11.4 Aufbaubehandlung 11.5 ISAR 66 66 66 69 70 70 82 83 83 12. Stabilisierende Vernetzung 12.1 Medizin 12.2 Psychotherapie 12.3 Sozialdienst 85 85 85 87 13. Klinik-Management, Organisation und Struktur 13.1 Klinik-Management 13.2 Strukturelle Bedingungen 13.3 Personalstruktur 89 89 90 90 14. Evaluation und Qualitätssicherung 94 Anhang I. II. III. IV. V. VI. 96 Wochenpläne Therapievertrag Hausordnung Selbstverständliche Hausordnungspunkte Prinzipien der Behandlung aus wissenschaftlicher Sicht Testpsychologie I V VIII X XI XVIII Die salus klinik Hürth Die salus klinik gehört zur Klinikgruppe der salus klinik GmbH und wurde im November 2009 eröffnet. Die Hürther Klinik wurde neu geplant auf der Basis mit den Erfahrungen der Arnsberger Klinik. Die besonderen Erfordernisse der medizinischen Rehabilitation für Suchtkranke und für Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen konnten in der baulichen Gestaltung bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden. Der Standort bietet sehr gute Möglichkeiten u.a. mit Betrieben im Großraum Köln/Bonn/Düsseldorf zusammenzuarbeiten, die großstädtische Infrastruktur zu nutzen sowie eine engmaschige Angehörigenarbeit in die Therapie zu integrieren. Der aus dem Lateinischen stammende Name kann als Programm und Ziel der Klinik verstanden werden: Zum „umfassenden leiblich-seelischen Wohlergehen“ gehören Selbsterkenntnis und Kompetenz zur Selbstregulation als zentrale Faktoren der Genesung und Stabilisierung. Im § 4 SGB IX kommt ein ähnliches Verständnis von Rehabilitation zum Ausdruck: die Rehabilitation bzw. die Leistung zur Teilhabe soll nicht nur einer Behinderung vorbeugen, Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit überwinden oder mindern und die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten der Person dauerhaft sichern, sondern die persönliche Entwicklung ganzheitlich fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine selbständige und selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen und erleichtern. Diese Zielorientierung ist im lateinischen Begriff „salus“ enthalten. Die Klinik liegt sehr zentral im Stadtbild von Hürth. Hürth ist eine mittelständische Stadt mit 60.000 Einwohnern, aufgeteilt auf 13 Stadtteile. Sie grenzt nahtlos an den Kölner Westen (Köln-Sülz, KölnKlettenberg). Die Klinik ist sowohl durch den PKW (Anbindung an die A1 sowie die A4) als auch öffentliche Verkehrsmittel (Straßenbahn Nr. 18, Hürther Stadtbus) sehr gut erreichbar. Den Kölner Hauptbahnhof erreicht man problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln in 30 Minuten. Die Infrastruktur rund um die Klinik ist sehr gut. Direkt neben dem Gebäude befindet sich das Hürther Familienbad „De Bütt", ein großes Schwimmbad mit Saunalandschaft. Des Weiteren findet man in unmittelbarer Nähe ein Tennis- und Bowlingzentrum mit 4 Tennishallen sowie 15 Bowlingbahnen. Zu Fuß erreicht man in 15 Minuten den „Hürth Park", ein Einkaufszentrum mit 150 Fachgeschäften, Gastronomie und der „UCI Kinowelt". In der gleichen Zeit kann man zum OttoMaigler-See spazieren. Dieser ist im Sommer ein beliebter Badesee mit Sandstrand und eignet sich außerdem zur Ausübung jeglicher Sportarten an der frischen Luft (Nordic Walking, Joggen, Fahrradfahren). Therapeutisch bietet die Lage der Klinik günstige Möglichkeiten, bereits im Rahmen der stationären medizinischen Rehabilitation die notwendigen Änderungs-, Adaptions- und Reintegrationsprozesse unter realen Bedingungen einleiten und durchführen zu können. In der salus klinik Hürth werden volljährige Patienten mit Störungen durch psychotrope Substanzen (Alkoholabhängigkeit, Medikamentenabhängigkeit incl. Analgetika vom Opioidtyp oder polyvalenten Substanzmissbrauch ohne Heroinabhängigkeit, insbesondere wenn es sich um intravenösen Konsum/ Applikation handelt) behandelt und außerdem Patienten mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, insbesondere Angststörungen, Anpassungsstörungen mit dem Schwerpunkt posttraumatische Belastungsstörungen, depressive Störungen, Essstörungen, somatoforme Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Schmerzstörungen und Zwangsstörungen und pathologischem Glücksspiel. Die Suchtabteilung stellt ein umfassendes und qualifiziertes Rehabilitationsangebot für Suchtkranke bereit. Es gibt etliche spezifische Behandlungsangebote, unter anderem für Senioren, für jüngere Patienten mit einer Abhängigkeit von mehreren Substanzen und für Patienten mit gravierenden psychischen Grund- oder Nebenerkrankungen. Auch Paare können in der salus klinik behandelt werden. Da das Haus barrierefrei gebaut wurde, ist eine Behandlung von Rollstuhlfahrern und gebehinderten Patienten sehr gut möglich. Die Suchtklinik bietet auf zwei Etagen 120 Behandlungsplätze. Sie ist räumlich und personell in 2 Teams á 6 Bezugsgruppen untergliedert, die zwar weitgehend autonom arbeiten, die aber ihre Spezialangebote auch den Patienten der anderen Teams zur Verfügung stellen. Eine Fachambulanz sowie ein tagesklinisches Angebot für die Rehabilitation Alkohol- und Medikamentenabhängiger sind in der Planungsphase. Die Räumlichkeiten hierfür sind bereits in der salus klinik vorgesehen. In den Wohnbereichen der Suchtabteilung gibt es vorwiegend Einbettzimmer mit Dusche und WC, die wohnlich und zweckmäßig eingerichtet sind. Für Patienten, die mit Einbettzimmern überfordert sind, gibt es acht Zweibettzimmer, die ebenso wohnlich ausgestattet sind. Ärztlicher Leiter der salus klinik ist ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. In der medizinischen Station erfolgt die Aufnahmeuntersuchung, in einzelnen Fällen ein Aufenthalt zur Entzugskontrolle und die Behandlung interkurrenter Erkrankungen, die eine vorübergehende Isolierung oder engere Betreuung durch das Pflegepersonal erfordern. Die Klinik ist pflegerisch rund um die Uhr mit examinierten Pflegekräften besetzt. Die ärztliche Versorgung wird außerhalb der regulären Dienstzeiten über einen fachärztlichen Hintergrunddienst gewährleistet. Die Klinik verfügt über alle diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen, die für die Rehabilitation erforderlich sind. Insgesamt sind in der salus klinik ca. 85 Mitarbeiter beschäftigt. Das interdisziplinäre Behandlungsteam besteht aus Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Arbeitsund Beschäftigungstherapeuten sowie Sport- und Physiotherapeuten. Alle Mitarbeiterbüros (inkl. aller Funktionsbereiche) sind über das Intranet miteinander verbunden. Dies ist eine Voraussetzung für die schnelle und sichere Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und für die gemeinsame Pflege der elektronischen Patientenakte, die so stets auf dem aktuellen Stand ist. Die salus klinik ist in privater Trägerschaft und verfügt über eine Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung. Die Belegung der Klinik erfolgt durch Rentenversicherungsträger gemäß den Paragraphen 13, Absatz 1 in Verbindung mit den Paragraphen 15, Absatz 2 SGB VI, und durch Krankenversicherungsträger gemäß SGB V. Der federführende Leistungsträger ist die Deutsche Rentenversicherung Rheinland. Für Beamte ist die Behandlung beihilfefähig nach den Vorschriften (BhV) des Bundes und der Länder. Auch Selbstzahler werden aufgenommen. Die Zertifizierung nach DIN ISO 9001:2008 und den Qualitätsgrundsätzen von DEGEMED und des FVS ist für Ende 2010 angestrebt. Alle Prozesse von der Aufnahme bis zur Entlassung und Katamnese werden derzeit im Klinikhandbuch in Form von Flussdiagrammen mit Schnittstellen, Verantwortlichkeiten und verwendeten Dokumenten detailliert aufgenommen und beschrieben. Auf eine Darstellung im Konzept wird aus diesem Grund verzichtet. Zur Sicherung und Verbesserung der Qualität findet zwischen den salus kliniken regelmäßig ein Erfahrungsaustausch statt, so dass im Sinne eines Benchmarkings den Patienten keine erfolgreiche Maßnahme einer einzigen salus klinik vorenthalten wird. Weiterbildungsermächtigungen im Fach Psychiatrie und Psychotherapie als auch im Gebiet der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie sind beantragt. 1 Störungen durch psychotrope Substanzen, Prävalenz und Folgen 1.1 Alkoholabhängigkeit Bei der Alkoholabhängigkeit handelt es sich um eine chronische oder chronisch rezidivierende Erkrankung, die nicht nur durch eine übersteigerte Trinkmenge, sondern gerade auch durch die körperlichen, somatischen und sozialen Folgeschäden charakterisiert ist (Soyka, 1999a; Soyka 1999b; Soyka, 2000). ICD-10 der WHO (Diagnose: Abhängigkeitssyndrom F10.2) sowie das DSM-IV der American Psychiatric Association führen unter den diagnostischen Leitlinien psychische und soziale Folgeschäden als ein diagnostisches Kriterium auf. Im ICD-10 heißt es unter anderem „fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums... anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen...“; das DSM-IV nennt: „Wichtige soziale berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Substanzmissbrauchs aufgegeben oder eingeschränkt...“ Die bei Alkoholkonsum auftretenden Folgeschäden sind zahlreich, insbesondere die sozialen, psychischen und körperlichen Folgen bestimmen die Behandlungsschwerpunkte der stationären Entwöhnungsbehandlung. Zur Komorbidität von Alkoholabhängigkeit mit psychischen Störungen liegen anerkannte Untersuchungen vor. In der breit angelegten US-amerikanischen „epidemiologic catchment area (ECA) study“ wiesen 37 % der Personen mit Alkoholabhängigkeit oder -missbrauch eine komorbide psychische Störung auf (Regier, Farmer, Rae, Locke, Keith, Judd & Goodwin, 1990). Untersuchungen in klinischen Kollektiven ergaben sogar höhere Prävalenzraten für psychische Störungen (Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, 2000). Klinisch bedeutsam ist es, ob die psychische Störung dem Beginn der Alkoholabhängigkeit voranging, oder sich erst im Anschluss entwickelte. Die retrospektive Einschätzung ist schwierig, allerdings gibt es Hinweise darauf hin, dass Depressionen bei Alkoholabhängigkeit häufig eher sekundär auftreten, Angststörungen dagegen öfter primär (Driessen, 1999). Klinische Kollektive als auch epidemiologischen Untersuchungen (z.B. ECA-Studie) deuten darauf hin, dass Patienten mit paranoider Schizophrenie ein gesteigertes Risiko für schädlichen Substanzgebrauch haben. Dabei betrug die Prävalenzrate für schädlichen Gebrauch von Alkohol und Alkoholabhängigkeit bei Schizophrenen über 30 % und war gegenüber der Bevölkerung etwa vierfach erhöht (Soyka, 2000). Neben affektiven Störungen können kognitive Defizite nach chronischem Alkoholkonsum auftreten und zu ausgeprägten strukturellen und funktionellen Veränderungen im Nervensystem führen, insbesondere zur Schädigung im Bereich des Großhirns, einer Volumenverminderung im Marklager und kortikalen Schädigungen, die sich auch neuroradiologisch (CCT, NMR) darstellen. Als Folge kann sich eine leicht- bis mäßig ausgeprägte Verschlechterung der Hirnfunktion zeigen („mild generalized dysfunction hypothesis“) (Parsons, Butters & Nathan, 1997). Kognitive und visomotorische Defizite sind unter Abstinenzbedingungen, teilweise aber nicht immer, reversibel. Dazu gehören zum Beispiel Gedächtnisdefizite, Beeinträchtigungen von Aufmerksamkeit und kognitiver Leistungsgeschwindigkeit sowie Abstraktionsvermögen und visuell-räumliche Wahrnehmung (Parsons et al. 1997; Mann, 2000). 1 Andere bei Alkoholabhängigkeit vorliegende psychosoziale Folgeschäden lassen sich quantitativ nur schwer erfassen, spielen aber für die Prognoseeinschätzung und Therapie Alkoholabhängiger eine große Rolle. Dazu gehören vor allem eine zunehmende Deprivation sowie Änderungen der Persönlichkeit im Sinne einer zunehmenden Entdifferenzierung und Nivellierung („entkernte Persönlichkeit“). Langjährig Alkoholabhängige fallen häufig durch eine Vielzahl von psychischen Verhaltensänderungen auf, ohne dass testpsychologische Untersuchungen klare Beeinträchtigungen etwa im Bereich der Kognition ergeben. Zu diesen typischen Verhaltensmerkmalen gehören eine Einengung der persönlichen Interessen auf Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung, die Vernachlässigung anderer Interessen und Vergnügen, Defizite im Bereich Körperpflege und Hygiene, eine affektive, sogar sexuelle Enthemmung, auch unabhängig von dem jeweiligen Grad der Intoxikation. Zu den psychischen Störungen kann im Verlauf der Alkoholabhängigkeit eine gesteigerte Aggressionsbereitschaft durch das Fehlen hemmender psychischer Mechanismen oder sogar eine Delinquenz entstehen (Soyka, 2002). Soziale Störungen in Folge einer Alkoholabhängigkeit zeigen sich insbesondere in den Bereichen Partnerschaft und Familienleben sowie Arbeit und Beruf. Die Folgen der Alkoholabhängigkeit auf die Partnerschaft und die Familie sind komplex und weitreichend. Befunde von Simon & Palazetti (1999) zeigen, dass 75 % der weiblichen und 45 % der männlichen Alkoholabhängigen ein oder mehrere Kinder haben, und dass in 45 % beziehungsweise 30 % der Fälle diese Kinder im Haushalt der Betroffenen leben. 43 % der Alkoholikerinnen und 37 % der Alkoholiker sind verheiratet, 23 % beziehungsweise 19 % geschieden. Verlässliche Zahlen zum Ausmaß psychischer Störungen bei Kindern von alkoholabhängigen Eltern liegen nicht vor. Legt man skandinavische Schätzungen zu Grunde, würden in Deutschland etwa 900 000 bis 1,6 Millionen Kinder alkoholabhängiger Eltern leben (Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, 2000). Partner und vor allem Partnerinnen Alkoholabhängiger, aber auch andere Familienangehörige (Kinder, Eltern), übernehmen dann oft die Führung und Verantwortung für die Familie. Parallel zum Abhängigkeitsprozess des Betroffenen entwickeln die Partner häufig ein co-abhängiges Verhalten, indem sie das süchtige Verhalten des Betroffenen stützen, versuchen den Konsum zu kontrollieren, eventuell auch mithelfen, das tatsächliche Verhalten zu verschleiern und gegebenenfalls auch für den Partner lügen. Dies alles führt zu erheblichen Belastungen für die betroffenen Familienmitglieder und kann sogar in psychische und physische Erkrankungen der Angehörigen münden. Über die negativen Auswirkungen auf das Familien- und partnerschaftliche Leben hinaus, gehen zudem Freundschaften und soziale Kontakte verloren, nachdem die sozialen Interaktionen durch Enttäuschung und Misstrauen geprägt waren (Soyka, 2002). Die Bedeutung einer Alkoholabhängigkeit für Störungen am Arbeitsplatz ist überaus zentral, und Arbeitslosigkeit ein häufiges Problem für die Betroffenen und später ein Hauptfaktor für die Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung durch fehlende Tagesstruktur und sinkendes Selbstwertgefühl (siehe 2.2). Etwa 8 % der Erwerbstätigen trinken täglich während der Arbeitzeit Alkohol, 4 – 7 % aller Berufstätigen sind alkoholabhängig (Heipertz & Triebig, 2000). Es lassen sich aufgrund empirischer Studien einige Berufsfelder mit besonders hohem Risiko für die Entwicklung eines Alkoholismus definieren. Dabei handelt es sich zum einen um Berufe, die mit der Produktion und dem Vertrieb alkoholischer Getränke zu tun haben, um ungelernte Arbeiter, um so genannte „Durstberufe“ (Gießer, Köche, Heizer, Drucker), aber auch Freiberufler (Soyka & Küfner, 2008). Aus betriebsärztlicher Sicht ist die frühe Diagnose einer Alkoholabhängigkeit besonders wichtig für eine richtige Einschätzung von Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten sowie bei Arbeiten mit Absturzgefahr (Heipertz & Triebig, 2000). Bei vorliegender Alkoholabhängigkeit mit einem Anstieg 2 von Krankheitstagen und nachlassender Arbeitsleistung kommt es oft zu Kündigungen und Arbeitslosigkeit. Alkoholkonsum vermindert die psychische und kognitive Leistungsfähigkeit, insbesondere die motorische Geschicklichkeit, Koordination und Reaktionsvermögen. Unfälle sowie Verletzungen sind häufige Folgen und schließlich verschlechtert sich die berufliche Situation des Alkoholabhängigen zunehmend. Die durch Alkohol verursachte Hirnschädigung und die damit verbundene Wesensänderung führen zu einer Verlangsamung der Psychomotorik und des Denkvermögens, zu Konzentrationsschwächen und zu einer Verschlechterung der sensorischen und motorischen Funktionen. Darüber hinaus kommt es zu nachlassender Initiative und Aktivität und zu weiteren konsumbedingten Veränderungen wie Unzuverlässigkeit, mangelnde Sorgfalt, Gleichgültigkeit, Gereiztheit und depressive Verstimmung. Andererseits wirken sie häufig in ihrem Bemühen nicht aufzufallen oft überangepasst. Vorgesetzte und Arbeitskollegen bemerken dann eine Verminderung der Produktion in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Hinzu kommen zwischenmenschliche Spannungen bis hin zu Mobbing am Arbeitsplatz, die infolge des geschilderten Fehlverhaltens im Betrieb entstehen (Feuerlein, 2000). Die enorme Bedeutung der Alkoholabhängigkeit zeigt sich neben den negativen Auswirkungen auf die Familien- und Arbeitswelt auch in lebensbedrohenden alkoholassoziierten körperlichen Folgeschäden. Akuter und chronischer Alkoholkonsum wirken sich krankheitsauslösend auf innere Organe sowie auf das zentrale und periphere Nervensystems aus (Singer & Teyssen, 2001). Selbst der sozial akzeptierte (moderate) Alkoholgenuss führt in bis zu 15 % der Fälle zur Abhängigkeit, wobei das Ausmaß der durch ihn hervorgerufenen organischen Krankheiten unterschätzt wird. Weltweit schätzt die WHO, dass 6 % des Bruttosozialproduktes einer Industrienation für die alkoholassoziierten Folgeschäden verwendet werden (Singer & Teyssen, 2000; Singer & Teyssen, 2001). Alkoholabhängigkeit, schädlicher Gebrauch und gesellschaftsüblicher Alkoholkonsum können zu einem breiten Spektrum von Organerkrankungen führen. Bis zu 75 % der Alkoholiker, die zur stationären Entwöhnungsbehandlung kommen, leiden an Alkoholfolgekrankheiten. Bei 29 % der Männer und 9 % der Frauen, die in ein Allgemeinkrankenhaus eingewiesen werden, liegt eine alkoholassoziierte Erkrankung vor. Besonders betroffen sind Erwachsene im mittleren Alter (35 bis 55 Jahre). Die häufigsten Diagnosen bei Alkoholabhängigen sind Delirium tremens (13 %), alkoholentzugsbedingte Krampfanfälle (11,4 %), Kopfverletzungen mit und ohne subdurale Hämatome (9 %) und Leberzirrhose (8 %) (Ashley, Olin, Le Riche, Kornaczewski, Schmidt & Rankin, 1977; Bode, 1993; Gerke, Hapke, Rumpf & John, 1997; Kratzer, Blum, Mason et al., 1998; Teyssen & Singer, 2001). Chronischer Alkoholkonsum ist mit einer deutlich erhöhten Inzidenz bösartiger Tumoren der Schleimhaut (Karzinome) in Mundhöhle, Pharynx, Hypopharynx und Ösophagus assoziiert (Tuyns, Pequignot & Abbatucci, 1979; IARC International Agency for Research on Cancer, 1988; Maier & Sennewald, 1994; Thun, Peto, Lopez, Monaco, Henley, Heath Jr & Doll, 1997; Hörmann, Riedel & Hirth, 1999; Müller, Tisch, Teyssen, Wiesbeck & Keil, 2000; - 28). Das Risiko, an einem Mundhöhlenoder Kehlkopfkarzinom zu erkranken, ist bei einem täglichen Alkoholkonsum von 75 bis 100 g um mehr als das 13fache und bei über 100 g um das 14fache gegenüber der Normalbevölkerung erhöht. Für den Konsum von mehr als 100 g Alkohol pro Tag wurde ein relatives Risiko von 125 errechnet (Maier & Sennewald, 1994). Wird bei Rauchern (mehr als 75 % der Alkoholiker sind Tabakkonsumenten) der Krebs erzeugende Effekt des Tabakrauchs berücksichtigt, steigt das relative Risiko, an einer der genannten Krebsarten zu erkranken auf das 16-, 19- beziehungsweise 21-fache 3 an. Das Ergebnis einer Metaanalyse aller bisher vorliegenden epidemiologischen Daten über die Wirkung des chronischen Konsums alkoholischer Getränke und die Entstehung von bösartigen Tumoren des Menschen belegt eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem täglichen Alkoholkonsum und dem Auftreten bösartiger Tumoren. Jeder Alkoholkonsum – ob gering, moderat oder stark – steigert die Krebshäufigkeit (Thomas, 1995; Longnecker & Enger, 1996). Lebererkrankungen (Fettleber, Alkoholhepatitis, Zirrhose), die chronische Pankreatitis und Malignome sind die häufigsten Alkoholfolgeerkrankungen. Eine Fettleber wird bei Patienten mit chronischem Alkoholkonsum in bis zu 90 %, eine Alkoholhepatitis in bis zu 50 % und eine Leberzirrhose bei 20 bis 30 % gesehen (Hall, 1995). Mit einer deutlichen Risikosteigerung für die Lebererkrankung ist bei Männern ab einem Alkoholkonsum von 40 bis 60 g/die und bei Frauen ab einem Alkoholkonsum von 20 bis 30 g/die zu rechnen. Bei 60 g/die ist bei Männern das Risiko 6fach, bei 80 g/die 14fach erhöht (Rimm, Giovannucci, Willet, Colditz, Ascherio, Rosner & Stampfer, 1991; Bode C, Bode JC, Hahn, Rossol, Schäfer & Schuppan, 1999). Das Risiko der Frauen ist nahezu doppelt so hoch wie das bei Männern. Die chronische Pankreatitis ist die wesentliche alkoholbedingte Erkrankung der Bauchspeicheldrüse (Sarles, 1991, Singer & Müller, 1995). Im Mittel nach 17 Jahren chronischen Alkoholkonsums bei Männern und zehn Jahren bei Frauen von mehr als 80 g Alkohol (entspricht circa 1 Liter Wein) pro Tag kommt es zur klinischen Manifestation der chronischen Pankreatitis (Sarles, 1991, Skinazi, Lévy & Bernades, 1995). Auch das kardiovaskuläre System wird durch chronischen Alkoholkonsum in Mitleidenschaft gezogen. So weisen Alkoholabhängige eine Vielzahl an Herzrhythmusstörungen auf. Diese beinhalten supraventrikuläre Ereignisse wie Tachyarrhythmien (Tachyarrhythmia absoluta), Vorhofflattern, Extrasystolen, ventrikuläre Rhythmusstörungen mit Extrasystolie und Tachykardien sowie verschiedene Formen der Erregungsleitungsverzögerungen mit AV-Blockierungen und Schenkelblockbildern (Kupari & Koskinen, 1998). 1 -2 % chronischer Alkoholkonsumenten entwickeln Symptome einer Herzinsuffizienz. Schätzungen gehen davon aus, dass dilatative Kardiomyopathien „unklarer Genese“ zwischen 40 und 60 % auf chronischen Alkoholkonsum zurückzuführen sind (Regan, 1984; McKenna, Codd, McCann & Sugrue, 1998). Alkohol wirkt blutdruckerhöhend. Die Beziehung von Alkoholkonsum und Blutdruck ist positiv linear. Ab einem Alkoholkonsum von 30 g/die bei Männern beziehungsweise 20 g/die bei Frauen muss mit einem signifikanten Anstieg des Blutdrucks gerechnet werden (Keil, Liese, Filipiak, Swales & Grobbee, 1998; Strotmann & Ertl, 1999). Besonders fatal auf ein langfristiges autonomes Leben und die Selbstständigkeit des Alkoholabhängigen wirken sich alkoholassoziierte neurologische Folgeerkrankungen aus. Übermäßiger Alkoholgenuss, chronischer Alkoholkonsum und Alkoholexzess führen zu charakteristischen neurologischen Krankheitsbildern. Die Wernicke-Enzephalopathie (Polioencephalitis hämorrhagica superior), die sich in einer komplexen Störung der Okulomotorik, einer Gangataxie und Desorientiertheit manifestiert oder das Korsakow-Syndrom mit Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktion. Die periphere Polyneuropathie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung in Verbindung mit abhängigem Alkoholkonsum. Neben einem unmittelbar toxischen Effekt des Alkohols wird auch Mangelernährung als ätiologischer Faktor diskutiert (Claus, Eggers, Engelhardt, Neundörfer & Warecka, 1985). Entzugsbedingte cerebrale Krampfanfälle sind mit einer Prävalenz von 20 bis 35 % 4 die häufigsten neurologischen Folgen des chronischen Alkoholkonsums (Viktor, 1991, Bode, 1993) und zuletzt ist das Risiko für einen Apoplex ab einem täglichen Alkoholkonsum von etwa 30 bis 40 g/die im Vergleich zur Bevölkerung deutlich erhöht. Als Mechanismen, die für eine Erhöhung des Schlaganfallrisikos bei starkem Alkoholkonsum verantwortlich sein können, kommen die akute oder chronische arterielle Hypertonie, die alkoholassoziierte Kardiomyopathie, Arrhythmien und die erhöhte Inzidenz des Tabakkonsums infrage. In der Zusammenschau ergeben sich aus o. g. psychischen, sozialen und körperlichen Folgeschäden die Schwerpunkte für eine adäquate und individuell zu gestaltende stationäre Entwöhnungsbehandlung mit der Zielsetzung einer sozialen und beruflichen Reintegration sowie dauerhafter gesundheitlicher Stabilisierung. Das Ziel der sozialen Reintegration und konzeptionelle Basis der Entwöhnungsbehandlung in diesem Bereich ist die größtmögliche Eigenständigkeit durch Motivation zu Veränderungsschritten, Aktivierung von Selbsthilfepotentialen, die Heranführung an das gesellschaftliche Leben und der Aufbau tragfähiger Sozialkontakte. Zur Verselbstständigung und Verbesserung der sozialen Fähigkeiten unterstützen wir unsere Patienten bei der Initiierung, Planung und Durchführung von Freizeitaktivitäten. Die Vorbereitung und Reintegration zur der Teilhabe am Arbeitsleben sind zentrale Bausteine der stationären Entwöhnungsbehandlung. Das Erkennen von Belastungsfähigkeit und Schlüsselfertigkeiten sind in diesem Bereich unsere Aufgaben. Als Grundlage dienen uns eine gut erhobene Berufsanamnese, eine spezifische Sozialberatung, Bewerbungstraining, PC-Training, eine personell und materiell gute ausgestatte Arbeitstherapie, die Möglichkeit zu externen Arbeits- und Belastungserprobungen (Praktika) in Betrieben, regelmäßige Visitationen durch den beruflichen Reha-Berater der DRV-Rheinland und eine große Sorgfalt in der sozialmedizinischen Leistungseinschätzung des Rehabilitanden. 1.2 Mehrfachabhängigkeit Alkoholabhängige haben in steigendem Maße einen Beikonsum anderer psychotroper Substanzen entwickelt. Die Deutsche Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD, 2003) berichtet, dass ein Viertel der Personen mit der Hauptdiagnose Alkoholabhängigkeit zusätzlich Sedativa konsumiert; von den Frauen nehmen 22 % zusätzlich Barbiturate, 17 % Benzodiazepine, 10 % Cannabis, 9% opiathaltige Mittel und weitere 5 % Heroin, 9% Kokain, 11 % LSD und 6 % Amphetamine; die Zahlen der Männer sind vergleichbar hoch. Im Vergleich zum Jahr 2001 sind diese Zahlen durchweg gestiegen. Auch Alkoholika werden in Form von Alkopops und Trinksitten mit hochprozentigen Getränken immer mehr wie Drogen konsumiert. Während früher mit dem Konsum von psychotropen Substanzen ein Protest gegen die Ansprüche der Leistungsgesellschaft verbunden war, findet sich heute in der Mentalität vieler Jugendlicher und junger Erwachsener eine - wenn auch gebrochene - Übernahme der gesellschaftlichen Leistungsanforderungen: Im Alltag von Schule, Ausbildung und Arbeit wird versucht, die gestellten Leistungserwartungen zu erfüllen. An die Freizeit besteht demgegenüber die Erwartung, möglichst viel Spaß zu haben. Schlagwortartig kann von einer Spaltung des Lebens in Alltag und „Party” 5 gesprochen werden. Eine solch starke Leistungsorientierung im privaten wie im schulischen und beruflichen Bereich findet ihren Ausdruck in einem gesteigerten Konsum aktivierender, stimmungsaufhellender Drogen (Amphetamine, Kokain, Ecstasy) und beruhigender Substanzen (Cannabis). Diese Entwicklungstendenz war eng mit der Ende der 80er Jahre entstandenen Techno-, House- und Rave-Szene und dem Konsum von Amphetaminderivaten wie „Ecstasy” verbunden (vgl. Herbst, et al. 1996; Künzel, Kröger, Bühringer, Tauscher & Walden, 1997), greift aber bereits über sie hinaus. Jüngste Schätzungen gehen von einem deutlich größeren Verbreitungsgrad des Konsums von Psychostimulantien aus. Die in der Techno-Szene unter dem Namen „Ecstasy” bevorzugten Amphetaminderivate (MDMA, MDE) zeichnen sich durch eine entspannende und aktivierende Wirkung zugleich aus und haben außerdem ein halluzinogenes Potential. Sie helfen auf Dauertanzpartys (Raves) Müdigkeit und Schwäche zu überwinden und steigern körperliche Ausdauer. Sie erhöhen die Kommunikationsbereitschaft, reduzieren die Schwellenangst und vermitteln somit auf Massenveranstaltungen ein Gefühl der Solidarität, Verbundenheit und Nähe zu anderen. Wegen ihrer besonderen Wirkung - dem Gefühl, mit sich selbst im Reinen zu sein und die Welt umarmen zu können - werden diese Amphetaminderivate auch als neue psychotrope Substanzklasse der ”Entaktogene” bezeichnet. Durch die Techno- und Rave-Kulturen haben „Amphetamine“ seit Beginn der 90er Jahre wieder an Interesse gewonnen. Amphetamin, Dextroamphetamin und Methamphetamin werden als „Amphetamine“ bezeichnet und meist als Pulver zur nasalen Einnahme, gelegentlich als Tabletten zur oralen Einnahme auf dem illegalen Drogenmarkt angeboten. Der Konsument erlebt eine Steigerung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und einen euphorisierenden Effekt mit dem Gefühl eins geschärften Intellektes und erhöhter Tatkraft. Nach einigen Stunden verringert sich die stimulierende Wirkung und ein Gefühlt von Erschöpfung und Müdigkeit tritt ein, wobei typischerweise Schlafen erschwert bis unmöglich ist. Unter regelmäßigem Amphetaminkonsum sind Gewichtsabnahmen von 10 - 15 kg in wenigen Monaten möglich und können eine erhebliche Gesundheitsgefährdung bedeuten. Bei häufigerem Konsum wird die Menstruation bei Frauen gestört oder kann ganz ausbleiben. Bei Überdosierungen drohen Schlaganfälle durch Bluthochdruckkrisen und zerebrale Krampfanfälle. Um die bisherige Wirkung einer Droge zu steigern oder um neue Wirkungen hinzuzufügen, werden Amphetamine, Kokain, LSD und Koffein konsumiert, und um Nebenwirkungen zu dämpfen, werden Alkohol und Cannabisprodukte eingesetzt (vgl. Flüsmeier & Rakete, 1999). So verfestigt sich ein polyvalenter Konsum verschiedener psychotroper Substanzen, die je nach gewünschter Wirkung in wechselnder Kombination eingesetzt werden, wobei später oft Alkohol, Kokain bzw. Medikamente als Leitsubstanz dominieren. Solche Konsummuster bleiben nicht ohne schädliche Auswirkungen. Das Nichtbeachten von Körpersignalen (Durst, Schmerz, Müdigkeit, Schwäche) führt zu Überforderung und zum Ausbrennen. Die Folgen sind Unkonzentriertheit, Appetitlosigkeit und Motivationsarmut; das Leben erscheint grau und freudlos. War mit dem Konsum ursprünglich eine Leistungs- und Spaßsteigerung angestrebt, stellen sich nun z. B. Nachlassen der Leistungsbereitschaft, Schulversagen oder Abbruch der Ausbildung, Interesseneinengung und allgemeine Dysphorie ein („Amotivationales Syndrom”). Die Bekämpfung dieser Zustände durch erneute Einnahme psychotroper Substanzen (inkl. Alkohol) führt nur noch weiter in die polyvalente Abhängigkeit. 6 Aber auch ein zunehmender Konsum von Cannabisprodukten wird in den letzten 10 Jahren in Schulen sowie suchtspezifischen Einrichtungen registriert. Das Jahrbuch Sucht 2004 der DHS berichtet von einem Rückgang des durchschnittlichen Einstiegsalters: Der Median des Einstiegsalters liegt bei den Befragten der Geburtsjahrgänge 1978-1982 bereits bei 15,7 Jahren. Während im Alter von 19 Jahren lediglich 4 % der 1950 Geborenen Cannabiserfahrungen hatten, sind dies bei den um 1980 Geborenen 38 % (Kraus, Orth & Kunz-Ebrecht, 2003). Auch zeigt sich eine deutliche Veränderung des Konsumverhaltens hin zu exzessivem Gebrauch bei einer gleichzeitigen Steigerung der Qualität (THC- Gehalt) der Cannabisprodukte. Als Anlass für den Besuch einer Beratungsstelle wird Cannabis von 30 % am dritthäufigsten nach Alkohol und Opiaten genannt. Psychische Nebenwirkungen des Konsums der psychoaktiven Stoffe können eine Verstärkung von depressiver oder ängstlicher Stimmung, Halluzinationen und eine Aktivierung von bisher unterschwelligen Ängsten und Konflikten sein. Als Folgeerkrankungen des Substanzmissbrauchs treten immer wieder schwere Depressionen, Schlafstörungen, Panikstörungen, generalisierte Angst vor „Flash-Backs”, Impulskontrollstörungen (aggressive Durchbrüche) und Psychosen auf (Schneider & Kramer, 2009). Derartige Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen werden bereits jetzt beobachtet. Für die nächsten Jahre ist mit einem Anwachsen dieser Probleme zu rechnen: Zum einen, weil sich der Konsum von Amphetaminderivaten etc. über die ursprüngliche Techno-Szene hinaus unter Heranwachsenden verbreitet. Zum anderen nimmt mit der Konsumdauer das Auftreten von Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen zu. So berichtet Thomasius (1997), dass bei Personen, die mehr als 40-100 Einzeldosen Ecstasy eingenommen haben, gehäuft Psychosen auftreten. Bei Mehrfachabhängigen ist der Zusammenhang zur Arbeitslosigkeit und Erwerbsminderung stärker als bei Alkoholabhängigen ohne eine weitere F1 Diagnose (F17 (Tabak) unberücksichtigt). Arbeitslose Alkoholabhängige haben dreimal häufiger eine komorbide F1 Diagnose (F17 unberücksichtigt) als erwerbstätige Alkoholabhängige. Wenn sie bereits stationäre Therapieerfahrung haben und allein leben ist die Wahrscheinlichkeit für eine komorbide F1 Diagnose fünffach erhöht (Vollmer & Kramer 2010). In der Regel sind die Mehrfachabhängigen jünger als Alkoholabhängige ohne eine komorbide F1 Diagnose und ihre Motivation auf alle psychotropen Substanzen – selbst wenn Tabak ausgeklammert wird – ist relativ schwach ausgeprägt. Entweder trauen sie sich zu, reduziert Alkohol zu trinken oder gelegentlich Cannabis oder einer andere illegale Droge zu konsumieren. Zur Erreichung einer sozialen und beruflichen Reintegration und einer gesundheitlichen Stabilisierung sind bei den Mehrfachabhängigen motivierende Interventionen von zentraler Bedeutung. Psychoedukation zu den Folgen aller in Frage kommender psychotroper Substanzen, motivierende Verfahren sowohl in der Einzeltherapie als auch in der Gruppe sind wichtige Bestandteile der Behandlung bei diesen Patienten. Daher ist für mehrfachabhängige Patienten der salus klinik Hürth, die Teilnahme an der indikativen Gruppe Mehrfachabhängigkeit verpflichtend (siehe 11.1.1). Der hohe Anteil Arbeitsloser bei den Mehrfachabhängigen, häufig gekoppelt mit einer fehlenden beruflichen Ausbildung, erfordert eine gesonderte Betreuung durch Sozialdienst und klinische Sozialarbeit (siehe 9.2) 7 2 Medizinische Rehabilitation Suchtkranker 2.1 Grundlagen der Rehabilitation Im Jahr 1968 wurde die Sucht von psychotropen Substanzen in Deutschland als eigenständige Krankheit anerkannt und die Sozialversicherungsträger einigten sich, dass der körperliche Entzug in den Bereich der Versorgung in Krankenhäusern gehört und die eigentliche Behandlung der Sucht, die so genannte Entwöhnung, in den Bereich der Rehabilitation fällt, für den überwiegend die Rentenversicherungsträger zuständig sind. Die „Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen“ vom 04.05.2001 regelt die Zuständigkeit der Leistungsträger und deren Zusammenarbeit für die Entzugsund für die Entwöhnungsbehandlung. Die Regelung der Zuständigkeit für die Entwöhnungsbehandlung bzw. Postakutbehandlung passt ausgezeichnet auf die Zielsetzung der Rehabilitation, die sich in ihrem Anforderungsprofil bei weitem besser eignet als die auf die Behandlung akuter Krankheiten spezialisierten Krankenversicherungen. Denn neben der Abstinenz setzt die Rehabilitation die Behebung körperlicher und seelischer Störungen sowie die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (s. Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“, VDR 2001). In einer Veröffentlichung der WHO – Europa (1987) wurde Gesundheit definiert als die Fähigkeit, ein sozial und wirtschaftlich aktives Leben zu führen. Dies betrachten wir als realistisches Ziel für eine Medizinische Rehabilitation. Zusätzlich gilt es in den industrialisierten westlichen Nationen als Ziel jeder Suchtbehandlung, den Betroffenen zu einem Leben zu verhelfen, das in möglichst geringem Ausmaß von Störungen durch psychotrope Substanzen beeinträchtigt wird. Eine langwierige oder gar lebenslange medikamentöse Behandlung und eine dauerhafte soziale Aufsicht sind weitgehend zu vermeiden. Die nachhaltige und selbst bestimmte Abstinenz-Fähigkeit gilt als erstrebenswertestes Ziel der Suchtbehandlung. Wesentliche gesetzliche Grundlage der stationären medizinischen Rehabilitation ist das SGB IX. Insbesondere im § 4 werden die Leistungen zur Teilhabe beschrieben. Im Einzelnen gilt es: 1. Behinderungen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, 3. die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder 4. die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Medizinische Rehabilitation ist darauf gerichtet, schädigungsbedingte Funktionsstörungen, die nicht nur vorübergehender Natur sind, sowie drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigungen in der Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu vermeiden, zu beseitigen, zu bessern oder zumindest deren Verschlimmerung zu verhüten. In § 1 des SGB IX 8 wird die Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen als grundlegendes sozialpolitisches Ziel hervorgehoben. Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wozu an vorderer Stelle das Arbeitsleben zählt, hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX zum Gegenstand des Leistungsrechtes gemacht. Mit dieser Anschauung deckt sich die Selbstmanagement- bzw. salus„Philosophie“, die dementsprechend rechtskonform mit den Rahmenbedingungen der Rehabilitation ist. Davon ausgehend, dass es sich bei Suchterkrankungen um eine chronische Erkrankung handelt, bekommt die funktionale Gesundheit im Sinne der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, WHO, 2001) hierbei eine zentrale Bedeutung. Das in der ICF umfassend dargestellte biopsychosoziale Modell ist eine zentrale Grundlage der medizinischen Rehabilitation. So werden in der medizinischen Rehabilitation Behandlungspläne erstellt, in denen psychotherapeutisch soziotherapeutische, somatotherapeutische, ergo- und sportherapeutische Interventionnen miteinander kombiniert werden. Die Bedeutung stabiler Lebensumstände hinsichtlich Arbeit, Familie und sonstigem sozialem Umfeld für die Verstetigung des Behandlungserfolges ist aus der allgemeinen Rehabilitationsforschung bekannt. Auch durch die empirische Suchtforschung ist diese Erkenntnis in mehreren Studien belegt (z. B. Küfner & Feuerlein, 1989, Lindenmeyer & Kolling 2007, Vollmer & Kramer 2010). Henkel et al. (2003) nennen in einer Zusammenfassung nationaler und internationaler Untersuchungen einen Faktor zwischen 1,5 und 2, um den die Rückfallrate Arbeitsloser gegenüber Erwerbstätigen erhöht ist. Die Rückkehr ins Erwerbsleben gelingt den Rehabilitanden im Suchtbereich deutlich häufiger als denen der übrigen Indikationsgebiete: zwei Jahre nach einer stationären Maßnahme sind insgesamt 88% der Sucht-Rehabilitanden noch im Erwerbsleben verblieben, 61% sind sogar im ganzen Zeitraum lückenlos tätig (Egner & Grünbeck, 2003). Diese Erfolge der Vergangenheit gilt es trotz wachsender Krisen am Arbeitsmarkt zu sichern oder sogar auszubauen. Die Sicherung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ist das vorrangige Ziel jeder Rehabilitationsmaßnahme. Daher dienen alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einer Rehabilitations-Fachklinik letztendlich auch diesem Ziel und alle Mitarbeiter einer Klinik sind diesem Grundsatz verpflichtet und haben in Ihrer Therapieplanung und –umsetzung die Wechselwirkungen von Sucht und Erwerbstätigkeit zu beachten. 2.2 Erwerbstätigkeit und Sucht Besondere Bedeutung bei der Rehabilitation Abhängiger kommt der Erwerbsfähigkeit zu. Sie ist selbst dem Ziel Abstinenz vorgeschaltet. Andererseits ist durch den übermäßigen Konsum psychotroper Substanzen die Erwerbsfähigkeit gefährdet. Denn Alkoholabhängige fehlen durchschnittlich siebenmal häufiger am Arbeitsplatz, 25 % aller Arbeitsunfälle sind alkoholbedingt und durch Unzuverlässigkeit und Fehlleistungen kosten Alkoholabhängige ihren Arbeitgeber durchschnittlich 10.000,00 EUR pro Jahr. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsproblemen und schädlicher Gebrauch bzw. Abhängigkeit von psychotropen Substanzen ist komplex und unterliegt Wechselwirkungen (Lindenmeyer & Kolling 2007). 9 Überforderung: Viele Arbeitsplätze sind zunehmend durch psychischen Stress gekennzeichnet. Die Beschäftigten sind einem erheblichen Qualifikationsdruck durch neue Informationstechnologien, der verstärkten Erwartung zu Flexibilisierung und der zunehmenden Bedrohung durch Arbeitslosigkeit in Form einer „Erosion der Vollzeitarbeitsverhältnisse“ und einer „Fragmentierung stabiler Berufsbiografien“ ausgesetzt (Zielke, 2000). Eine Zunahme an Alkoholproblemen ist insbesondere dann zu beobachten, wenn Beschäftigte auf diese Situation mit einer Verausgabung und einer unökonomischen Aktivität reagieren. Unsichere und befristete Arbeitsverhältnisse führen zu einem Anstieg psychosomatischer Erkrankungen (Aronsson, Gustafsson & Dallner, 2002), die nicht selten mit psychotropen Substanzen behandelt werden. Unterforderung: Bei anderen Erwerbstätigen ist ein erhöhter Alkoholkonsum an eintönigen und unterfordernden Arbeitsplätzen zu beobachten. Hier dient der Alkohol eher als Kick und Abwechslung. Risikoberufe: Bestimmte Berufsgruppen haben ein besonderes Risiko für Alkoholprobleme. Hier sind Berufe mit einer Häufung von problematischem Alkoholkonsum (Baugewerbe, Straßenbau, Gastronomie, chemische Industrie, Ärzte, Manager) von Berufen zu unterschieden, in denen bereits ein geringer Alkoholkonsum aufgrund der besonderen Sicherheitsrisiken vermehrt zu ernsthaften Problemen führt (z.B. Maschinenführer, Fahrer, Polizisten, Piloten). Arbeitslosigkeit: In einer Vielzahl von Studien konnte ein verstärktes Auftreten von Alkoholproblemen bei Arbeitslosigkeit festgestellt werden (Henkel, 2007). Allerdings wird das Suchtverhalten wohl weniger durch die Arbeitslosigkeit an sich, sondern durch das Ausmaß des dadurch verursachten Rückgangs an sozialen Ressourcen bestimmt (Puls et al., 2005). Lediglich der Verlust des Arbeitsplatzes ist in der Regel mit einem Anstieg des Alkoholkonsums verbunden. Bei einer Zunahme der Arbeitslosigkeit um 3 % in einer Gesellschaft steigt die alkoholbedingte Mortalität um 28 %, insbesondere bei den Personen mit einer schlechten Berufsausbildung (Stuckler et al. 2009) Stabile Lebensumstände hinsichtlich Arbeit, Familie und dem sonstigen sozialem Umfeld sind ein wesentlich erleichternder Faktor für den Behandlungserfolg einer medizinischen Rehabilitation (Küfner & Feuerlein, 1989). Nach Henkel, Zemlin & Dornbusch (2003) ist in ihrer Zusammenfassung nationaler und internationaler Untersuchungen die Rückfallrate Arbeitsloser gegenüber Erwerbstätigen um einen Faktor zwischen 1,5 bis 2 erhöht. Die Rückkehr ins Erwerbsleben gelingt den Rehabilitanden im Suchtbereich deutlich häufiger als denen der übrigen Indikationsgebiete: zwei Jahre nach einer stationären Maßnahme sind insgesamt 88% der Sucht-Rehabilitanden noch im Erwerbsleben verblieben, 61% sind sogar im ganzen Zeitraum lückenlos tätig (Egner & Grünbeck, 2003). Und die meisten zu Beginn der Behandlung erwerbstätigen Patienten sind auch noch ein Jahr nach Beendigung der Rehabilitation weiterhin erwerbstätig. Diese Erfolge der Vergangenheit gilt es trotz wachsender Krisen am Arbeitsmarkt zu sichern oder sogar auszubauen. 10 3 Leistungsangebote der salus klinik Hürth Die Suchtabteilung, die in dieser Konzeption vorgestellt wird, stellt ein umfassendes und qualifiziertes Rehabilitationsangebot für Suchtkranke bereit. Die salus klinik ist ein in 2009 neu entstandenes Gebäude, das entsprechend modern und den Ansprüchen der Kostenträger gemäß gebaut wurde. Dies spiegelt sich sowohl im Raumkonzept als auch in der apparativen Ausstattung wider. Die Vorzüge der Kliniklage wurden bereits in der Einleitung beschrieben. Eine gute therapeutische und persönliche Atmosphäre ist zusätzlich durch die Aufteilung in Behandlungsteams gewährleistet. 3.1 Übersicht der Leistungsangebote Die salus klinik Hürth bietet im Rahmen medizinischer Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter eine stationäre Entwöhnungsbehandlung für volljährige Frauen und Männer. Der Neubau der Klinik ermöglicht eine barrierefreie Nutzung aller Räume, so dass auch die Behandlung gehbehinderter und rollstuhlgebundener Patienten möglich ist. Es gibt etliche spezifische Behandlungsangebote, unter anderem für Mehrfachabhängige, für Abhängige von psychotropen Substanzen mit komorbiden stoffungebundenen Abhängigkeiten (pathologisches Glücksspiel, pathologischer PC-Gebrauch), für Patienten mit Partner- und Familienkonflikten und für Patienten mit gravierenden psychischen Grund- oder Nebenerkrankungen (z. B. Affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, im Einzelfall auch Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, wenn entaktualisiert oder neuroleptisch gut eingestellt, sodass eine Reha-Fähigkeit gegeben ist). Die Angebote der ambulanten und der ganztätig ambulanten Rehabilitation sind in Planung. Sie werden in den dafür indizierten Fällen eine Verkürzung der stationären Therapiezeit erlauben und einen Beitrag zur regionalen integrierten Versorgung leisten. Flexible, individuell abgestimmte Behandlungszeiten werden auf der Grundlage detaillierter Therapiepläne nach dem Prinzip „nicht mehr Behandlung als notwendig“ umgesetzt. Die geplanten Behandlungsdauern liegen zwischen 8 und 13 Wochen. Nur bei zwingender Indikation wird davon abgewichen, wie zum Beispiel bei Mehrfachabhängigkeit mit einer Behandlungsdauer von im Einzelfall bis zu 26 Wochen. Für Paare (Ehepaare und Lebensgemeinschaften) besteht die Möglichkeit der gemeinsamen Aufnahme zur Paartherapie. In einem Vorgespräch wird abgestimmt, ob die Aufnahme direkt im Doppelzimmer erfolgt oder ob zunächst Einzelzimmer indiziert sind. Neben der Paartherapie ist die Integration von Angehörigen in die Therapie ein wichtiger Baustein jeder Rehabilitationsmaßnahme. Zum einen besteht in Absprache mit dem federführenden Leistungsträger die Möglichkeit, an einer kompletten Therapiewoche teilzunehmen, zum anderen bieten die räumliche Nähe zum Ballungsgebiet und die gute Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel Angehörigen die Chance, regelmäßige Gespräche wahrzunehmen. Der Rehabilitationsauftrag „Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit“ spielt im Therapiealltag eine ganz zentrale Rolle. Aus diesem Grund wurde der Bereich der Arbeitstherapie mit 11 Bewerbungstraining und Bewerbungen schreiben sehr gut ausgebaut. Patienten haben die Möglichkeit, im Holz- und Metallbau, in der Garten- und Landschaftspflege sowie im EDV-Bereich zu arbeiten. Unterstützt wird dieser Bereich durch eine engmaschige Sozialdienstbetreuung und regelmäßige Besuche des DRV-Reha-Beraters. Sozialarbeiter sind für einen festen Patientenstamm zuständig, so dass eine durchgängige Beratung gewährleistet ist. Frauen und Männer werden in gemischten Bezugsgruppen behandelt, werden jedoch durch frauenund männerspezifische Zusatzprogramme (indikative Frauengruppe, Frauensportgruppe, Stress bewältigen) unterstützt. Patienten, die durch ihren Konsum an Gehstörungen bedingt durch die Alkohol Polyneuropathie leiden, finden in unserer sehr gut ausgestatteten Bewegungs- und Physiotherapie (siehe 7.5) beste Voraussetzungen, diese Störungen zu beheben. Die sehr gute Infrastruktur im Umfeld der Klinik sowie die Nähe zu Köln und Bonn ermöglichen uns eine enge Zusammenarbeit mit Betrieben (Gespräche mit Vorgesetzten, Teamleitern etc.; externe Praktika). Auch im Bereich der Freizeitgestaltung haben die Patienten viele Möglichkeiten, verschiedene Dinge auszuprobieren und für ihre Zukunft zu planen. Durch die Psychosomatische Abteilung können komorbide psychische Störungen konsiliarisch zusätzlich im Haus abgeklärt werden (z. B. Schmerzstörungen). Die Vernetzung kann ebenfalls für die gleichzeitige Behandlung Abhängiger mit psychosomatisch erkrankten Partnern genutzt werden. Eine gute Vernetzung mit Nachsorgeeinrichtungen ist uns wichtig. Verschiedene Selbsthilfegruppen (u. a. AA, Blaues Kreuz, GAMA-Frechen) kommen regelmäßig ins Haus und stellen sich vor. Die Nähe zum Dialysezentrum in Hürth ermöglicht es, auch abhängige Patienten zu behandeln, die auf eine Dialyse angewiesen sind. 3.2 Raumkonzept und Ausstattung Die Klinik ist klar strukturiert und in die Gebäudeteile A und B aufgeteilt. Das Haus A (Hauptgebäude) wurde in Form eines Us gebaut und ist über einen Übergang mit Haus B verbunden: Salus Haus salus klinik - Gelände A Bowlingcenter und Tennishallen B Fitness & Physiotherapie -Räume einer externen Firma Sport Abb. 1: Gelände und Gebäude der Klinik 12 Das viergeschossige Haus A ist einfach aufgebaut. Man betritt die Klinik durch den Mittelteil, wo man die Rezeption, die Lobby, die Aufzüge, das Treppenhaus, die Aufnahmesekretariate, die medizinische Station und die ärztlichen Untersuchungsräume, den Vortragssaal, die Lehrküche und den EDVSchulungsraum findet. Im linken Flügel des Erdgeschoss sind der Speisesaal, die Cafeteria und die Küche, im rechten die Verwaltung, Klinikleitung und Mitarbeiterbüros untergebracht. Im Mittelteil der Obergeschosse befinden sich die Therapeutenbüros sowie Funktionsräume, in den beiden Flügeln die den Innenhof umschließen, die Patientenzimmer. Das erste Obergeschoss wird von der psychosomatischen Abteilung genutzt, das zweite und dritte von der Suchtabteilung. Auf jedem Obergeschoss stehen den Patienten drei Gruppenräume und ein Freizeitraum zur Verfügung. Die Gruppenräume sind ausgestattet mit einer kleinen Küchenzeile (Kaffeemaschinen, Wasserkocher, Geschirr) und großen Flachbildfernsehern. Die Freizeiträume können zum Lesen und Spielen genutzt werden (Bücher und Gesellschaftsspiele sind vorhanden). Die 120 Patientenzimmer (überwiegend Einzelzimmer; behindertengerechte Zimmer) der Suchtabteilung entsprechen einem gehobenen Rehabilitationsstandard (kleiner Kühlschrank, Minisafe, Telefon). Im Kellergeschoss befinden sich die Funktionsräume der Hauswirtschaft (mit der Wäscheausgabe für Patienten), der Haustechnik (mit dem Serverraum der EDV-Anlage) sowie der Wasch- und Trockenraum für Patienten. Das zweigeschossige Haus B umfasst auf Ebene 1 die therapeutischen Räume der psychosomatischen Abteilung. Im Erdgeschoss befinden sich drei lichtdurchflutete Kreativräume, die Werkstatt für Metall- und Holzbau, ein zusätzlicher Maschinenraum, der Hauswirtschaftsraum mit der „salus Boutique“ (Secondhandkleidung) sowie die Büros der Ergo-, Arbeits- und Sporttherapeuten. Daran angegliedert ist die hochmoderne Sporthalle, die von der Höhe und Größe her auch Mannschaftsspiele wie Volleyball erlaubt. In der Sport- und Physiotherapie bieten den Patienten neben der Sporthalle noch drei Gymnastikund Entspannungsräume, mehrere Physiotherapiekabinen und ein großer Fitnessraum vielfältige Möglichkeiten, sich körperlich fit fürs Erwerbsleben zu machen und Freude an der Bewegung zurückzugewinnen. Die Gymnastik- und Physiotherapieräume sowie der Fitnessraum befinden sich im salus Haus, das etwas 100 Meter vom Hauptgebäude entfernt liegt und barrierefrei zu erreichen ist. Die salus klinik ist im medizinischen sowie im ergo- und sporttherapeutischen Bereich mit hochmodernen Geräten ausgestattet. Im medizinischen Bereich können alle gängigen internistischen Erkrankungen und insbesondere suchtspezifische Folgeerkrankungen (z.B. äthyltoxischen Leberschäden, gastro-intestinalen Folgeerkrankungen, art. Hypertonie, chronisch obstruktive Lungenerkrankung ) in der Klinik abgeklärt werden. Die Untersuchungen erfolgen durch einen Facharzt für Innere Medizin. An medizinischen Geräten stehen zur Verfügung: EKG, Ergometrie (Belastungs-EKG), Spirometrie (Lungenfunktionsprüfung), Spiroergometrie, LangzeitBlutdruckmessgerät, Sonographie der Bauchorgane und der Schilddrüse sowie Duplex-Sonographie der Gefäße. 13 Laborchemische Untersuchungen (ausgenommen Drogenanalytik über Multi-Drogen-Schnelltests, die im Hause durchgeführt werden) werden in einem externen Labor vorgenommen. Blut- und Urinproben werden werktäglich abgeholt und der Labordatentransfer erfolgt am gleichen Tag direkt in unsere digitale Patientendokumentation (PaDo). Alle weiterführenden diagnostischen Maßnahmen (unfallchirurgische, kardiologische, gynäkologische Untersuchungen) werden in kooperierenden Akut-Krankenhäusern (Sana-Krankenhaus Hürth, Uniklinikum Köln) durchgeführt. Auf dem Gelände des Sana-Krankenhauses, das nur wenige Autominuten entfernt liegt, befindet sich auch ein Dialysezentrum. Darüber hinaus kooperiert die salus klinik für weitere Konsiliaruntersuchungen mit den niedergelassenen Fachärzten im Umkreis der Klinik (Allgemeinmedizin: Obrocki/Hürth, Decker und Schmidt/Köln; Augenheilkunde: Tauchert/Hürth; Dermatologie: Neuss/Hürth; HNO: Behrens/Hürth; Innere Medizin: Ollig/Köln, Ostermeyer/Brühl; Neurologie: Blöink/Hürth; Orthopädie: Buschtöns/Hürth, Merkle/Brühl; Urologie: Eisenbach/Hürth, Tusche/Hürth; Zahnheilkunde: Pohl/Hürth; Chirurgie: Gutbrod/Köln; Radiologie: Beyers/Frechen). Die Physiotherapeutische Abteilung umfasst vier Behandlungskabinen, die mit Massagebänken, Ultraschallgerät und Wärmelampen ausgestattet sind. Die Kabinen grenzen direkt an den Gymnastikund Fitnessraum, so dass alle krankengymnastischen Übungen vor Ort durchgeführt werden können. Die Sport- und Bewegungstherapie findet zum einen in der Sporthalle und zum anderen in den Räumlichkeiten im salus Haus statt. Im Fitness- und Gymnastikraum stehen hochmoderne Geräte für die Durchführung der therapeutischen Einheiten zur Verfügung: Laufbänder, Ergometer, Crosstrainer, unterschiedliche Kraftgeräte (Hantelbänke, Bauch- und Rückentrainer, Einzelhanteln), Balance-Boards, Vibrationsstäbe, Sitzbälle sowie unterschiedliches Gymnastikzubehör. Die Kardio-Geräte sind mit einem Computer-Chipsystem ausgestattet, so dass das Training der Patienten auch per Computer überwacht werden kann. Patienten haben dadurch eine zusätzliche Kontrolle über ihre körperliche Entwicklung und Leistungsgrenzen und ein „Übertrainieren“ kann unterbunden werden. 14 4 Indikation Indikationskritierien der salus klinik Hürth Aufgenommen werden volljährige substanzabhängige Frauen und Männer (F10.2x, F12.2x, F13.2x, F14.2x, F15.2x, F19.2x, F55.x nach ICD-10) mit vorliegendem Bewilligungsbescheid der Rentenversicherungsträger bzw. mit Kostenzusage oder als Privatzahler. Patientinnen und Patienten mit einer Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen als Alkohol können in allen Bezugsgruppen aufgenommen werden, sofern sie keine Therapieauflage nach BtmG § 35 oder § 64 StGB haben. Primär Cannabis-, Amphetamin- und „Partydrogen“-abhängige (v. a. „Ecstasy“, GHB, GBL) Personen, in Einzelfällen nach Vorgespräch in der salus klinik auch kokainabhängige Personen, die aus einem sozial intaktem Umfeld kommen, für die aus Sicht der Berater und Leistungsträger ein Aufenthalt in einer Drogeneinrichtung mit einer typischen „Szene“-Klientel kontraindiziert ist, erhalten einen an das Konsumverhalten angepassten Behandlungsplan (u. a. Indikativgruppe „polyvalente Abhängigkeit“). Hierdurch berücksichtigen wir die stetig steigende Zahl der vorwiegend jungen Cannabis-, Amphetamin- und „Partydrogen“-Konsumenten. In Zweifelsfällen kann in Absprache mit den Leistungsträgern ein Vorgespräch in der salus klinik Hürth angeboten werden, um die Frage der Behandlungsmöglichkeit im Rahmen unseres TherapieSettings zu klären. Erwünscht ist ein vorangegangener, möglichst stabiler Kontakt zu einer Beratungsstelle, in dessen Verlauf ein Sozialbericht erstellt wurde. Außerdem hilft ein vorheriger Besuch einer Selbsthilfegruppe bei der Motivierung und späteren Nachsorgevorbereitung. Falls es aus medizinischer Sicht erforderlich ist, sollte eine qualifizierte stationäre Entzugsbehandlung zeitnah vor Antritt der Behandlung durchgeführt worden sein. Damit die Patienten gut auf die Entwöhnungsbehandlung vorbereitet sind und eine optimale Zuordnung rasch erfolgen kann, ist die Indikationsstellung für eine der im Folgenden genannten Spezialgruppen bereits vor der Einweisung in die Klinik sehr hilfreich. Für Personen, die von Alkohol, psychotropen Medikamenten oder bestimmten Drogen abhängig sind (F10.2x, F12.2x, F13.2x, F14.2x, F15.2x, F19.2x, F55.x nach ICD-10) verfügt die salus klinik Hürth über spezifische Behandlungsangebote in kompletten Teams, in einzelnen Bezugsgruppen und in der Einzeltherapie. Dazu gehören Angebote für Patienten mit ausschließlicher Alkoholabhängigkeit (F10.2) mit ausschließlicher Cannabisabhängigkeit (F12.2) mit ausschließlicher Amphetaminabhängigkeit (F15.2) mit ausschließlicher Medikamentenabhängigkeit (F13.2 / F55.x) die polyvalent abhängig sind (bei allen Diagnosen excl. Heroin und ohne gerichtliche Auflagen): o Abhängige von Cannabis, Amphetamine, Partydrogen oder Kokain o mit Alkoholabhängigkeit oder schädlichem Gebrauch von Alkohol (F12.2 / F14.2 / F15.2 und F10.2 oder F10.1) o ohne Alkoholabhängigkeit oder schädlichem Gebrauch von Alkohol (F12.2 / F14.2 / F15.2) 15 o Abhängige von Medikamenten (F13.2 / F55.x) o mit Alkoholabhängigkeit oder schädlichem Gebrauch von Alkohol (F13.2 / F55.x und F10.2 oder F10.2) o ohne Alkoholabhängigkeit oder schädlichem Gebrauch von Alkohol (F13.2 / F55.x) neben einer stoffgebundenen Abhängigkeit auch stoffungebunden abhängig sind (pathologisches Glücksspiel) nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung und Abstinenzphase wieder rückfällig wurden bzw. die ihre gegenwärtige Abstinenz gefährdet sehen („intensivierte Rückfallprophylaxe“) aus der näheren Umgebung kommen und bereit sind, an ISAR teilzunehmen, einer Integration von stationärer und ambulanter Therapie langzeitarbeitslos und/oder sozial mehrfach belastet sind ihren Partner in die Entwöhnungsbehandlung einbeziehen möchten eine frauenspezifische Entwöhnungsbehandlung wünschen oder benötigen eine männerspezifische Behandlung wünschen oder benötigen bedingt durch ihre homo- oder bisexualität eine spezifische Entwöhnungsbehandlung benötigen nur eine Kurzzeitbehandlung (8 Wochen) benötigen Für alle Patienten gibt es sowohl in der Einzel- als auch in der Regel in der Gruppentherapie zusätzliche Behandlungsangebote bei folgenden komorbiden Störungen: pathologisches Glückspiel (F63.0 nach ICD-10) depressive Störungen (F3x.x nach ICD-10) Persönlichkeitsstörungen (F60.x nach ICD-10) nicht-organische Schlafstörungen (F51.x) Angsterkrankungen (F40.x; F41.x) schädlicher Gebrauch von Tabak und Tabakabhängigkeit (F17.1; F17.2x nach IDC-10) paranoide Schizophrenien (F20.x), wenn entaktualisiert oder neuroleptisch gut eingestellt, sodass eine Reha-Fähigkeit gegeben ist Komorbide Patienten mit paranoider Schizophrenie (F20.x) oder bipolarer affektiver Störung (F34.x) werden engmaschig im Rahmen einer psychiatrischen Sprechstunde von einem Facharzt betreut. Eine moderne Psychopharmakotherapie mit geringem Nebenwirkungsprofil und sowie eine erkrankungsspezifische Psychoedukation können so gewährleistet werden. Voraussetzung für die Aufnahme dieser komorbider Patienten ist eine Symptomfreiheit. Es können nach Anfrage in Einzelfällen auch Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen behandelt werden. Hierbei wird von uns auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen und ggf. nach einem Vorgespräch mit dem Rehabilitand die Rehabilitationsfähigkeit geprüft. Die Behandlung von Schmerzstörungen, chronischen Schmerzsyndromen (F45.8; G43.x; G44.x), EssStörungen (F50.x), Somatisierungsstörungen und Reaktionen auf schwere Belastungen (F40.x) werden in der Konzeption der Psychosomatischen Abteilung ausführlich beschrieben und dort zu finden sein. 16 Patienten mit Komorbidität pathologisches Glücksspiel (F63.0 nach ICD-10) und Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen werden in der Suchtabteilung behandelt. Die Glücksspieler werden dort einer eigenen Bezugsgruppe zugeordnet und nehmen über die gesamte Behandlungsdauer an der Indikativgruppe „pathologisches Glücksspiel“ teil. Falls jemand ausschließlich pathologisch spielt, wird er in der Psychosomatischen Abteilung behandelt. Die Module der Behandlung sind in dem Konzept der medizinischen Rehabilitation für die Psychosomatik (2010) dargestellt. Indikationskriterien für eine stationäre Behandlung Zu Beginn und auch während der Behandlung wird wiederholt geprüft, inwiefern eine stationäre medizinische Rehabilitation wirklich indiziert und der Patient ausreichend motiviert ist. Denn die üblichen Diagnosegruppen geben keine oder nur grobe Orientierungshilfen für die Entscheidung zur stationären oder ambulanten Behandlungsform, da sie keine therapiebezogenen Entscheidungen zur Verfügung stellen (Schneider, 2000). Das gilt übrigens nicht nur für die Störungen durch psychotrope Substanzen, sondern für die meisten psychiatrischen Diagnosen der ICD-10. Selbst wenn man sich unter allen Experten auf die verbindliche Definition von Fallgruppen einigen könnte, die den biopsychosozialen Schweregrad der Störung (Wetterling & Veltrup, 1997) bzw. den Behandlungsbedarf kategorial festlegen, würden die Kontextfaktoren – sicherheitsrelevanter Arbeitsplatz, familiäre Situation, Wohnumgebung etc. – sowie das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten stets einen weiteren erheblichen Einflussfaktor für die Wahl der Behandlungsmodalität darstellen. Die in der Anlage 3 zur „Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen“ über die Zusammenarbeit von Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern vom 04.05.2001 genannten Kriterien berücksichtigen dies. Einer zumindest anfänglich stationären Rehabilitation wird Vorrang eingeräumt, wenn eines oder mehrere der folgenden Merkmale vorliegen: Die Befreiung aus einer aktuell belastenden, schwer erträglichen oder gar pathogenen Lebenssituation ist nötig oder zumindest günstig (z. B. Gewalt, destruktive Beziehungen; keine Wohnung, instabile Wohnsituation). Der Genesungsprozess wird durch starke Befindlichkeitsschwankungen und häufige Krisen so erschwert, dass eine ambulante Therapie nicht regelmäßig stattfinden kann bzw. kein Einsatz am Arbeitsplatz möglich ist. Die subjektive Sicherheit des Patienten bezüglich der Kontrolle des Problemverhaltens ist gering: Abbau der Demoralisierung, Stärkung der Hoffnung auf Erfolg und Motivierung sind vitale Themen. Die Bildung formeller und informeller Gruppen ist ambulant nicht möglich, aber die Aktivierung derartiger Wirkfaktoren ist von entscheidender Bedeutung. 17 Mehrere spezifische Therapieangebote, die komplexe Probleme auf mehreren Ebenen gleichzeitig bearbeiten (z.B. bei Multimorbidität), sind erforderlich. Es ist viel Stützung und Sicherheit beim Experimentieren mit neuen, subjektiv ungewohnten Verhaltensweisen sowie bei dem systematischen Aufbau der Abstinenzhaltung empfehlenswert. Das soziale Umfeld hat so wenig unterstützende Funktion für Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen, dass dies durch ambulante Hilfen nicht kompensiert werden kann. Es gibt Schwierigkeiten in der Beurteilung und Diagnose, denen nur durch die Möglichkeit zur zeitlich umfassenden und detaillierten Beobachtung und durch häufigen Kontakt begegnet werden kann. Die Fähigkeiten zur Bewältigung des täglichen Lebens sind so beeinträchtigt, dass die Belastungen aus Beruf und Familie nicht kompensiert werden können. Welche Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung aber sind es, die so beeinträchtigt sein können, dass eine ambulante Behandlung keine ausreichend gute Erfolgsprognose hat? Wir schlagen eine Orientierung an den im Folgenden genannten Problembereichen vor. Kontrollverlustängste: Hierbei handelt es sich nicht nur um die Angst des Substanzabhängigen vor dem Kontrollverlust, sondern in allgemein psychologischem Sinn um die Folge eines kompletten Vertrauensverlustes in die eigenen Fähigkeiten und in die soziale Umwelt. Kontrollverlustängste treten besonders oft bei Personen mit Abhängigkeitserkrankungen, verschiedenen Angststörungen, depressiven Störungen und Reaktionen, Persönlichkeitsstörungen oder Zwangserkrankungen auf. Patienten mit diesem Problem brauchen einerseits einen beschützenden Rahmen, um erste Veränderungsschritte zu wagen, andererseits müssen sie aktiviert werden, um trotz der massiven Verunsicherung die gewünschten Kompetenzen aufzubauen, die zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nötig sind. Ausgeprägte Verhaltensdefizite: Verhaltensdefizite in sozialen Kompetenzen oder in der Verrichtung alltäglicher Aufgaben führen dazu, dass die Patienten in ihrer sozialen Funktionstüchtigkeit derart beeinträchtigt sind, dass ohne ein intensives, häufig stattfindendes Training zum (Wieder-) Erlangen der fehlenden Kompetenzen die Erwerbsfähigkeit bedroht ist. Solche depressiven, sozialphobischen oder selbstunsicheren Patienten werden ohne die im klinischen Rahmen mögliche Kontrolle zwischen den therapeutischen Sitzungen immer wieder in ihr Defiziterleben zurückfallen. Häufig erleben sich solche Patienten mit zunehmender Anzahl ambulanter Sitzungen immer depressiver, da die Erkenntnis über die eigenen "Unfähigkeiten" und die Schuldgefühle wegen der Versäumnisse oder Taten in der Trinkzeit zunehmen, während die notwendigen Therapie- und Trainingseinheiten nicht entsprechend angepasst werden. 18 Ausgeprägte Verhaltensexzesse: In Menge, Frequenz und Konsumdauer massive Konsumepisoden, ruinöse Spielsepisoden bei pathologischen Glücksspielern oder dissoziative Zustände bei Vorliegen einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen auf Borderline-Noveau sind Beispiele dafür. Im ausschließlich ambulant arbeitenden Bereich fehlen hier geeignete Kontrollmöglichkeiten, um für die Betroffenen den Aufbau von Selbstkontrolle zu sichern. Dramatisch erlebte physische Bedrohung: Gewalterfahrungen in der Familie oder im Drogenmilieu verlangen eine Herausnahme aus der sozialen Umgebung. Ebenso können schwere körperliche Erkrankungen, wie ein ambulant ständig entgleisender Diabetes mellitus, eine Leberzirrhose, eine rezidivierende Pankreatitis oder eine sich verschlechternde Alkohol-Polyneuropathie, infolge der wiederkehrenden Krankenhauseinweisungen eine ambulante Entwöhnungsbehandlung extrem erschweren. Auch Patienten mit komorbiden psychiatrischen Störungen, die beispielsweise wegen Panikattacken, depressiver Dekompensation oder akuten Belastungssituationen gehäuft psychiatrische Ambulanzen aufsuchen, können nur im interdisziplinär arbeitenden stationären Setting Erfahrungen machen, die im Gegensatz zur ständigen Konfrontation mit der marginalen Akutversorgung entdramatisierend wirken. Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen: In Fällen, in denen Patienten mit Abhängigkeits- und / oder psychiatrischen Erkrankungen zusätzlich körperliche Erkrankungen aufweisen, kann es erforderlich sein, dass während der Psychotherapie auch eine gut koordinierte medizinische Unterstützung permanent greifbar sein muss. Dies betrifft insbesondere Patienten, bei denen während der Behandlung aus medizinischen Gründen keine physischen Überlastungsreaktionen auftreten dürfen (z. B. bei Alholabhängigen mit Leberzirrhose, bei „Herzneurotikern“ mit Zustand nach Myokardinfarkt oder bei Adipositas per magna mit Diabetes mellitus und Affektionen der Gelenke und des Gelenksystems), eine körperliche Aktivierung jedoch trotzdem unabdingbar erscheint. Schwer durchzuhaltende Bewältigungsstrategien: Auch hier ist eine engmaschige medizinischpsychotherapeutische Zusammenarbeit notwendig, denn unter diesem Problembereich sind alle Behandlungsmaßnahmen zusammengefasst, die zu intensiven Entzugsreaktionen bei den Betroffenen führen. Hierzu gehört das Absetzen von jahrelang eingenommenen Psychopharmaka oder Analgetika. Das Absetzen einiger dieser Medikamente kann zu massiven körperlichen Entzugssymptomen oder schwer beherrschbaren Absetzphänomenen führen, die in der Regel Patienten dazu bringen, noncompliant zu werden, den Arzt zu wechseln und zum Zwecke der Schmerzvermeidung erneut zum Arzneimittel zu greifen. Im stationären Bereich besteht die Möglichkeit, nachhaltige Motivierungsarbeit zu leisten und auf breiter Ebene Unterstützung dabei anzubieten, solchen verständlichen Rückfallversuchungen zu widerstehen. Chronische Überforderung: Wir sehen häufig Frauen, die mit dem Anforderungscharakter von Beruf, Haushaltsführung und Kindererziehung nicht angemessen umgehen können. Infolge der ständigen subjektiven oder objektiven Überforderungen kommt es zu Medikamenten- (insbes. Benzodiazepine 19 und Analgetika) und Alkoholkonsum, zu Angstzuständen oder zu massiven vegetativen Symptomen mit depressiven Störungen, die die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Um diesen Teufelskreis zu unterbrechen und die Betroffenen wieder zu stabilisieren, ist es nötig, einen Abstand zum heimischen Alltag zu schaffen. Erst dadurch wird es möglich, mit therapeutischer Unterstützung neue Lebenspläne und Stressbewältigungsstrategien zu entwerfen und einzuüben. Eindimensionale Vorstellungen von Krankheit und Gesundung: Sehr viele Suchtpatienten kommen mit großer Skepsis zur Behandlung, da sie Zweifel daran haben, ob ihnen überhaupt geholfen werden kann und wenn doch, ob die angebotene Hilfe für sie geeignet ist. Der Hintergrund dafür ist oft ein ungeeignetes Störungsverständnis. Viele Patienten führen ihr Leid alleine auf einen möglichen körperlichen Defekt zurück („die Gene“), andere ausschließlich auf soziale oder sonstige Umwelteinflüsse. Solcherlei eingeschränkte und eindimensionale Krankheitsvorstellungen führen natürlich zu eindimensionalen Heilungserwartungen, wie z. B.: "Ich muss nur noch den richtigen Arzt finden." Für ambulante Behandler kann es äußerst schwierig sein, ausschließlich kraft ihrer professionellen Autorität die Patienten zu differenzierter Selbstreflexion anzuregen. Im Zusammenleben in einer spezialisierten stationären Einrichtung findet hingegen ein reger informeller Austausch der Patienten untereinander statt. Entsprechend können die Betroffenen, angeregt durch psychoedukative Vorträge und Gruppentherapien, lernen, Zusammenhänge zwischen ihrem Substanzkonsum, ihren sozialen Problemen oder ihren somatischen Beschwerden zu sehen. Dadurch werden die Patienten zu Experten im Umgang mit ihrer Erkrankung. Ein solches „biopsychosoziales Bewusstsein" ist die Grundlage dafür, neue, selbständige Stressbewältigungsstrategien zu entwickeln. Das Entwickeln eines Bewusstseins für verschiedene Bedingungsfaktoren der eigenen Krankheit ist von daher nicht Voraussetzung, sondern Ziel einer stationären Verhaltenstherapie. Sind Patienten dann infolge der ausdifferenzierten Sichtweise der eigenen Problematik gut motiviert zur aktiven Beteiligung am Veränderungsprozess, erscheint auch eine weiterführende ambulante Entwöhnungsbehandlung ausreichend. Chronisches Krankheitsverhalten: Unter chronischem Krankheitsverhalten versteht man die Folgen aus dem Gefühl, kränker zu sein als man tatsächlich ist. Viele häufig rückfällig gewesene Patienten frequentieren Ärzte häufiger, nehmen mehr Medikamente ein, schonen sich körperlich, um einen vermeintlichen Defekt nicht noch zu verschlimmern, und ziehen sich sozial zurück. In Bezug auf das chronische Krankheitsverhalten wird in einer stationären Einrichtung sehr viel geboten. In verschiedenen aktivierenden und psychotherapeutischen Gruppen werden die Patienten zu aktiverem Verhalten angeregt und insbesondere in Situationen gebracht, die gezielt und anfangs kontrolliert Verlangen auslösen, um zu lernen, solche Versuchungen angemessen zu bewältigen. Ausgeprägte Kommunikationsstörungen: Dieser Problembereich findet sich insbesondere bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, die permanent korrektive Rückmeldungen über die unterschiedlichsten Aspekte ihres Sozialverhaltens benötigen. Für diese Patienten reicht auch ein ganztägig ambulantes Setting (teilstationäre tagesklinische Behandlung) meistens nicht aus, da sich diese Störungen gerade in der so genannten Freizeit manifestieren. Im vollstationären Setting werden 20 solche Störungen oft überhaupt erst sichtbar. Auch sind verschiedene therapeutische Modalitäten, wie Bewegungs- und Kreativtherapie und sonstige nicht-sprachliche Therapieformen, eng miteinander verknüpft, so dass verschiedene Ausdrucks- und Erfahrungsmöglichkeiten für solche Störungen existieren. Hierdurch können die Betroffenen ihre Kommunikationsprobleme unmittelbar erfahren und bearbeiten. Je mehr Problembereiche vorliegen, desto dringlicher wird die Indikation zu einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die mit einer hohen Dichte von verschiedenen Maßnahmen und mit stabilisierenden Rahmenbedingungen die notwendige Unterstützung gewährleistet. Kontraindikationen für eine Behandlung in der salus klinik Hürth Kontraindikationen für eine Aufnahme stellen akute Suizidalität, Fremdaggressivität, wiederholte autoaggressive Handlungen, fehlende Steuerungsfähigkeit, Impulskontrollverlust, akute psychotische Episoden sowie durch Ansteckung gefährdende körperliche Krankheiten dar. Permanent bettlägerige Patienten können nicht aufgenommen werden. Zudem werden Patienten mit einer gerichtlichen Auflage zur Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung (BtmG § 35, StGB § 64) nicht aufgenommen. 21 5 Rehabilitationsziele In einer Veröffentlichung der WHO – Europa (1987) wurde Gesundheit definiert als die Fähigkeit, ein sozial und wirtschaftlich aktives Leben zu führen. Dies betrachten wir als realistisches Ziel für eine Medizinische Rehabilitation. Zusätzlich gilt es in den industrialisierten westlichen Nationen als Ziel jeder Suchtbehandlung, den Betroffenen zu einem Leben zu verhelfen, das in möglichst geringem Ausmaß von Störungen durch psychotrope Substanzen beeinträchtigt wird. Eine langwierige oder gar lebenslange medikamentöse Behandlung und eine dauerhafte soziale Aufsicht sind weitgehend zu vermeiden. Die nachhaltige und selbst bestimmte Abstinenz-Fähigkeit gilt als erstrebenswertestes Ziel der Suchtbehandlung. Diese Zieldefinition entspringt keiner Ideologie, wie Verfechter des „Kontrollierten Trinkens“ gelegentlich behaupten. Die Selbstbestimmung ist zwar ein ideologischer Wert unserer Demokratie, aber aus der empirischen Forschung stammt die Begründung des Zieles „Abstinenz“. Denn wenn dieses Ziel verfehlt wird, ergeben sich langfristig instabile Verläufe (Jung, Koester, Schneider, Bühringer & Mai, 1987; Schäfer, 1996; Vaillant, 2003). Das Erreichen der Abstinenz korreliert am höchsten mit einer stabilen Arbeitssituation (Jung et al., 1987) und mit Zufriedenheit und Erfolg in allen Lebensbereichen (Schneider & Kluger, 1999). Deshalb vermitteln wir unseren Patienten, dass die Abstinenz für Abhängige das erstrebenswerte und langfristig lebensnotwendige Ziel ist. Nachdem die Abhängigkeitserkrankung in Deutschland im Jahre 1968 als eigenständige Krankheit anerkannt wurde, haben sich die Sozialversicherungsträger darauf geeinigt, dass der körperliche Entzug von psychotropen Substanzen in den Bereich der Versorgung in Krankenhäusern gehört und die eigentliche Behandlung der Abhängigkeit, die so genannte Entwöhnung, in den Bereich der Rehabilitation, für den überwiegend die Rentenversicherungsträger zuständig sind. Das war ein Glücksfall für die Versorgung Substanzabhängiger, weil die Zielsetzung der Rehabilitation sehr viel besser zu ihrem Anforderungsprofil passt als das von der Behandlung akuter Krankheiten dominierte Verständnis der Krankenversicherung: Neben die Abstinenz setzt die Rehabilitation die Behebung körperlicher und seelischer Störungen sowie die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (siehe Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“, VDR 2001). Die Bedeutung gesicherter Lebensumstände in Bezug auf Arbeit, Familie und das sonstige soziale Umfeld für die nachhaltige Genesung ist aus der empirischen Suchtforschung seit langem hinlänglich bekannt (Küfner & Feuerlein, 1989). Deshalb gibt es auch kaum Differenzen in der Priorität der Behandlungsziele zwischen Rehabilitations- und Experten für Abhängigkeitserkrankungen. Im Rahmen der Rehabilitation haben sich die Einrichtungen auf die besonderen Anforderungen eingestellt, die chronische Erkrankungen an die Behandlung stellen. Um welche besonderen Bedingungen es sich handelt, wird aus der folgenden Übersichtstafel (nach Kanfer, 1989) ersichtlich: 22 Verlaufsform Dimensionen Akut Chronisch Beginn Plötzlich, zum Handeln oder Hilfesuchen drängend Schleichend, lange unbemerkt oder irrelevant Dauer kurz, begrenzt lang, unbegrenzt Behandlungsziel Wiederherstellung der Gesundheit, Heilung Linderung, Bewältigungskompetenz Förderung der „Restfähigkeiten“ Behandlungsergebnis sofort, klar verzögert, unklar Verantwortung für das Ergebnis Gesundheitssystem Person gemeinsam mit System Behandlungsmodell a) Patient ist passiv Patient ist aktiv; Therapeut, Patient, und System kooperieren b) Arzt verwaltet Krankheitsmodell des Patienten einzelne Ursachen, viele Ursachen, spezifisches Syndrom Symptome wechseln Einfluss auf das Selbstbild des Patienten Minimal weit reichend Einfluss auf die sozialen Rollen des Patienten vorübergehend oder gar nicht Rollenbeeinträchtigung in vielen Lebensbereichen Die Zielsetzung in der Behandlung einer chronischen psychischen Erkrankung, wozu die Abhängigkeit von psychotropen Substanzen zählt, ist also eine gänzlich andere als bei akuten Krankheiten. Dieses Verständnis kann übrigens auch bei unseren Rehabilitanden nicht vorausgesetzt werden, sondern muss meistens erst im Rehabilitationsprozess erzeugt werden. 23 Wenn man nun konkrete Unterziele betrachtet, die im Einzelfall zur langfristigen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beitragen und vor Rezidiven bewahren sollen, dann entdeckt man, dass es kaum isolierte Ziele gibt. Beispielsweise hängt das Ziel einer verbesserten psychischen Belastbarkeit oft mit körperlicher Fitness, diese mit der medizinischen Einstellung des Blutdrucks und dieser wiederum mit der Konfliktlösungsfähigkeit im Arbeitsleben usw. zusammen. Eine solche Vernetzung frühzeitig zu erahnen und zu erkennen sowie aus dieser Erkenntnis eine Reihenfolge von Interventionen abzuleiten, die für das betreffende Individuum akzeptabel und motivierend ist, darin besteht die Kunst der Behandlungsplanung. Derartige Zusammenhänge können nur idiographisch dargestellt werden. Wegen der besseren Übersichtlichkeit wählen wir hier die für den klinischen Alltag künstliche Unterteilung in Zieldimensionen und Zielbereiche, die aber den Vorteil bieten, dass ihnen später therapeutische Maßnahmen zugeordnet werden können. Diese Systematik wurde von der Abteilung für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (Prof. U. Koch) für das Peer-Review-Verfahren im Qualitätssicherungsprogramm der Gesetzlichen Rentenversicherung entwickelt. Wir haben den Katalog stärker auf Substanzabhängigkeiten abgestimmt und umgestellt. Im Gegensatz zu Koch et al. sehen wir nämlich die Psychoedukation nicht als Zielebene, sondern als Methode. Wo Ziele mit der Psychoedukation angestrebt werden, die andernorts nicht genannt sind, haben wir sie den drei eigentlichen Zieldimensionen hinzugefügt, der psychosozialen (A), der somatischen (B) und der von Aktivitäten und Partizipation (C). Dimension A: Zielsetzungen auf psychosozialer Ebene 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Motivierung zur aktiven Teilnahme und Änderung Entwicklung eines tragfähigen therapeutischen Arbeitsbündnisses Wissen um Rolle und Aufgaben des Patienten in der stationären Rehabilitation Aufbau einer stabilen Psychotherapiemotivation Klärung von Werten und Zielen Vermittlung eines biopsychosozialen Krankheitsverständnisses Vermittlung eines Erklärungsmodells für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Symptomatik 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 Konsum von psychotropen Substanzen Klärung problematischer Konsummuster Vermittlung von Informationen zu psychotropen Substanzen Kenntnisse von Alternativen zum bisherigen Konsum Zielvereinbarung klären (Reduktion des Konsums; bedingte Abstinenz; nachhaltige Abstinenz) 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 Kompetenzen zur Stabilisierung der Einstellungsänderung Erwerb eines konstruktiven Rückfallverständnisses Kenntnisse über einen ausgewogenen, bedürfnisorientierten Lebensstil Differentieller Abbau von Vermeidungsverhalten Angebote konsequent und sozial verträglich zurückweisen können Verbesserung der Selbstkontrolle in Risikosituationen Tagesstrukturierung durch gute Routinen 24 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 Antriebssteigerung Abbau von Rückzugsverhalten; Beteiligung am sozialen Leben Langeweile aushalten bzw. in der Erlebnisqualität verändern Konstruktiver Umgang mit Ärger / Ungeduld Förderung der Genussfähigkeit Aktivierung von Ressourcen Vorbereitung / Planung von Nachsorgemaßnahmen 4. Psychische Stabilisierung 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 Ruhe und Erholung Verbesserung der psychischen Belastbarkeit Förderung der Entspannungsfähigkeit Erwerb von Kenntnissen über Stressentstehung und –bewältigung Erwerb von Stressbewältigungsfähigkeiten 5. Veränderung / Bearbeitung emotionaler Aspekte 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 Emotionale Entlastung und Stabilisierung Abbau von Schuldgefühlen / Scham Verbesserung des Umgangs mit Ärger, Wut, Aggression Unterstützung eines adäquaten Trauerprozesses Stimmungsaufhellung Abbau von Versagensängsten Verarbeitung erlebter Kränkungen Verbesserung der Impulskontrolle Verbesserung der Affekttoleranz Verbesserung in der Verarbeitung und im Ausdrücken von Affekten 6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Bearbeitung kognitiver Aspekte Verringerung von Bagatellisierung, Leugnung und Verantwortungsdelegation Veränderung irrationaler Ideen und „Denkfehler“ Verbesserung der Problemlösefähigkeiten Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit Kognitive Umstrukturierung Bearbeitung der Ambivalenz in Bezug auf die Abstinenzentscheidung 7. Soziale Kompetenz 7.1 7.2 7.3 Sozial erfolgreiches Kommunikationsverhalten Selbstsichere Verhaltensweisen zur Wahrnehmung persönlicher Rechte Erkennen und Bearbeiten dysfunktionaler Beziehungsmuster 8. Intrapsychische Aspekte 8.1 8.2 Verbesserung Konfliktwahrnehmung, Konflikttolerenz, Konfliktbewältigungskompetenz Bearbeitung grundlegender intrapsychischer Konflikte (z. B. Autonomie – Abhängigkeit) von Schuld, Scham 25 9. 9.1 9.2 9.3 Selbstbild / Selbstverantwortung Entwicklung eines realistischen Selbstbildes (Selbstwirksamkeit, Selbstwertgefühl) Wahrnehmung eigener Ziele, Wünsche und Bedürfnisse Steigerung der Selbstverantwortung / Eigenmotivation 10. 10.1 10.2 10.3 10.4 Akzeptanz und Realität Erarbeiten einer Krankheitseinsicht Wahrnehmung und Akzeptanz von Belastungsgrenzen Körperakzeptanz Erhöhung der Frustrationstoleranz 11. 11.1 11.2 11.3 11.4 Bearbeiten biographisch relevanter Ereignisse Bewältigung einer vorangegangenen Trennung oder eines Verlustes Bearbeitung traumatischer Lebensereignisse Bearbeitung der biographischen Hintergründe der Symptomatik Bearbeitung der Beziehungen zur Herkunftsfamilie 12. 12.1 12.2 Sexualität Kenntnis der Zusammenhänge zwischen dem Konsum psychotroper Substanzen und Libido bzw. Sexualität Besserung spezifischer Störungen 13. 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8 13.9 13.10 Änderung sonstiger Störungen Reduktion der Angstsymptomatik Verbesserung der Angstbewältigungskompetenzen Abbau von Vermeidungsverhalten Reduktion der depressiven Symptomatik Verbesserung der Depressionsbewältigungskompetenzen Aktivitätssteigerung Verbesserung der Tagesstrukturierung Abbau des Rückzugsverhaltens Verbesserung der Schmerzbewältigungskompetenzen Normalisierung des Essverhaltens Selbstvertrauen, Dimension B: Zielsetzungen auf somatischer Ebene 1. 1.1 1.2 1.3 Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit Besserung der körperlichen Fitness (Kondition, Beweglichkeit, Kraft und Koordination) Kräftigung der Rückenmuskulatur Verbesserung der Körperwahrnehmung 2. 2.1 2.2 Reduzierung von Risikofaktoren / -verhalten Gewichtsreduktion Gewichtszunahme 26 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 Tabakabstinenz / -reduktion Blutdruckeinstellung Diabeteseinstellung Senkung der Blutfettwerte Verbesserung der Leberwerte Verbesserung eventueller Krebsfrühstadien 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 Linderung spezifischer Störungen Lockerung der muskulären Anspannung Verbesserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit Linderung von Beschwerden des Gastrointestinaltrakts Linderung von Schmerzen im Wirbelsäulenbereich Linderung von Gelenkbeschwerden Linderung von Kopfschmerzen Reduktion von Schlafstörungen Stuhlgangregulierung von Abführmittel 4. 4.1 4.2 4.3 Optimierung der Medikation Reduktion / Absetzen von Psychopharmaka Ansetzen einer adäquaten Medikation Verbesserung der Compliance bzgl. der Medikation 5. Diagnostische Abklärung des somatischen Zustandsbildes Dimension C: Zielsetzungen auf der Ebene der Aktivitäten und Partizipation 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 Wiederherstellung / Erhalt der Arbeitsfähigkeit Sicherung des bestehenden Arbeitsplatzes Klären belastender Faktoren am Arbeitsplatz Verbesserung des beruflichen Leistungsvermögens Klärung der quantitativen und qualitativen Leistungsfähigkeit Erhöhung von Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt Erweiterung berufsbezogener Kompetenzen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben 2. 2.1 2.2 Verbesserung von Problemen im interpersonellen Bereich Stärkung sozialer und interpersoneller Ressourcen für den beruflichen Bereich Stärkung von interpersonellen Ressourcen in der Partnerschaft bzw. im sozialen Umfeld 3. 3.1 3.2 Erarbeiten von Zukunftsperspektiven Klärung der weiteren beruflichen Zukunft Erarbeiten von Zukunftsperspektiven im sozialen Bereich 4. 4.1 4.2 Verbesserung der Freizeitgestaltung Erarbeiten einer sinnvoll erlebten Zeitstruktur Erarbeiten und Stärken von Interessen 27 4.3 Erproben subjektiv zufrieden stellender Aktivitäten 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 Verbesserung der Alltagsbewältigung Klärung häuslicher Belastungen Klärung und Verbesserung der finanziellen Situation / Umgang mit Geld Verbesserung der Wohnsituation Stärkung der Eigenständigkeit bzgl. Haushaltsführung Ein solcher Zielkatalog hilft, einen Überblick über das Tätigkeitsfeld und die Zielrichtung der klinischen Arbeit in der Suchtrehabilitation zu gewinnen. Insofern ist er für Therapeuten, Ärzte und Sozialarbeiter ausgesprochen hilfreich. Aber trotz seines Umfangs wird er manchem Einzelfall wahrscheinlich nicht gerecht werden können, so dass wir es nicht mit einem abgeschlossenen Katalog zu tun haben. Die Zielhierarchie macht deutlich, wie wichtig das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung bzw. stabilisierung im Sinne einer konsistenten Integration des „süchtigen Teiles“ in das Selbstbild ist, wie das Bedürfnis nach Kontrolle durch die Stärkung der Selbstkontrollkompetenz befriedigt wird und wie den Bedürfnissen nach Lustgewinn/Unlustvermeidung und nach Bindung Rechnung getragen wird. Außerdem lassen sich die vier therapeutischen Wirkfaktoren von Grawe (1998, S. 87 ff.) schwerpunktmäßig einigen Zielbereichen zuordnen, und zwar die Intentionsveränderung der Zielhierarchie-Spalte 1 und 2, die Intentionsrealisierung der Spalte 3 und die Ressourcenaktivierung den Spalten 4 und 5. Eine prozessuale Aktivierung ist in allen Bereichen notwendig, so wie bei den meisten Zielrealisierungen jeweils mehrere Wirkfaktoren aktiviert werden müssen. 28 6 Behandlungsdauer Ein wissenschaftlicher Nachweis bezüglich einer idealen Behandlungsdauer existiert nicht, so dass bei diesem umfangreichen Zielkatalog die Gefahr für zu lange Behandlungszeiten besteht. Wir richten uns deshalb zum einen soweit wie möglich an den Bedürfnissen und Problemstellungen der Patienten und zum anderen an den beiden Therapiezielen Erwerbsfähigkeit und Abstinenz aus. Sobald diese ohne eine weitere stationäre medizinische Rehabilitation gewährleistet erscheint, sollte die Behandlung beendet werden, damit der Patient das Gelernte auch in seiner natürlichen Lebenswelt umsetzen kann. Die Mindestdauer des stationären Aufenthaltes beträgt nach unseren Erfahrungen 6 Wochen, die Höchstdauer sechs Monate. Letzteres ist die absolute Ausnahme und auch 6 Wochen Behandlungen sind eher selten. Die Regel sind eher 12 bis 13 Wochen. Ansonsten gibt es in der salus klinik Hürth keine zwingenden zeitlichen Vorgaben, wohl aber einen von den Bewilligungsbescheiden gesetzten Zeitrahmen. Die Therapieschemata für Regelbehandlung, Kurzzeitund Wiederholungsbehandlung sind darauf abgestimmt. Die bewilligte Dauer kann bei einzelnen Rehabilitanden im Rahmen des globalen Therapiezeitbudgets nach deren individuellem Behandlungsbedarf unter- oder überschritten werden. Je nach Behandlungsart orientieren wir uns an folgenden Richtwerten für eine erfolgreiche Therapie: Regelbehandlung 13 Wochen Regelbehandlung für Mehrfachabhängige: bis zu maximal 20 Wochen Wiederholungsbehandlung: 8 – 10 Wochen Auffangbehandlung: 6 Wochen ISAR, stationär: 8 Wochen Kurzzeitbehandlung: 8 Wochen Falls möglich wird versucht eine kürzere Verweildauer anzustreben, was am ehesten bei der Regelbehandlung gelingen kann und bei den übrigen Therapien eher eine sehr seltene Ausnahme darstellt. Gründe für eine Verkürzung der bewilligten Behandlung können darin liegen, dass die Therapieziele des Patienten bereits weitgehend erreicht werden konnten oder eine ambulante Weiterbehandlung ausreichend erscheint. Da es für eine Verlängerung der Behandlung keine wissenschaftlich begründeten Kriterien gibt, ist in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob für eine Sicherung der Abstinenz und der Erwerbsfähigkeit die Verlängerung notwendig ist oder nicht doch durch eine ambulante Behandlung ersetzt werden kann. Denn die häufig genannten Kriterien wie Persönlichkeitsstörungen, hohe Komorbidität etc. sind nach unseren Erfahrungen keine Kriterien, die automatisch eine längere stationäre Therapie nach sich ziehen sollten. Daher muss im Team vom Bezugstherapeuten in Absprache mit dem Patienten eine Verlängerung beantragt werden, um gemeinsam mit allen Therapeuten einen Plan zu erstellen, was der Patient in den verschiedenen Bereichen (Medizin, Psychotherapie, Ergotherapie) unter welchen Bedingungen noch erreichen kann. 29 7 Medizinische Behandlung 7.1 Medizinische Abteilung Die medizinische Abteilung einer Rehabilitationseinrichtung für abhängige Menschen hat die Aufgabe die Mehrdimensionalität der Abhängigkeitserkrankung und deren Wechselwirkungen individuell zu verstehen und die Behandlungsschwerpunkte dementsprechend zu formulieren. Der physische Zustand des Patienten muss dabei im Kontext zu seiner psychischen Verfassung und seinem sozialen Setting aus dem er zu uns kommt betrachtet werden. Für die Umsetzung bedeutet dies die Notwendigkeit einer optimalen Zusammenarbeit zwischen medizinischer Abteilung und therapeutischen Bereich. Den Hauptfokus legt die medizinische Abteilung auf den Gesundheitszustand des Patienten, insbesondere die substanztypischen Begleit- und Folgeerkrankungen berücksichtigend sowie evtl. vorhandene Allgemeinerkrankungen. Die hohe Komorbidität mit psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere affektive Störungen, schizophreniforme Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen, macht zudem eine adäquate und kontinuierlich psychiatrische Mitbehandlung unersetzlich. Im Hinblick auf die Ermöglichung eines beruflichen Wiedereinstiegs durch die Rehabilitationsmaßnahme, besteht der Bedarf für eine enge Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern des Sozialdienstes, Fachtherapeuten – insbesondere der Arbeitstherapeuten - und Bezugstherapeuten mit den Ärzten als Koordinatoren. Gemeinsam mit dem Patienten streben wir die Entwicklung eines Bewusstseins an, das die Zusammenhänge zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren umfasst und über dieses Verständnis zu einer dauerhaften Substanzabstinenz und einer gewissenhaften Gesundheitsfürsorge beim abhängigen Patienten führen soll. Die medizinische Versorgung unserer Patienten ist geprägt von einer salutogenetischen Herangehensweise, orientiert an einem biopsychosozialen Krankheitsmodell. Die Ärzte unserer Klinik verstehen sich als Coach, der dem Patienten hilft, einen eigenverantwortlichen Umgang mit seiner Gesundheit zu finden. Dieses Vorgehen entspricht dem unserer Entwöhnungsbehandlung zugrunde liegenden Selbstmanagement-Behandlungskonzept. Wir versuchen, gemeinsam mit dem Patienten eine ganzheitliche Sicht seines Zustandes zu gewinnen, welche seine organmedizinischen Funktionen, sein psychisches Befinden und seine soziale Situation berücksichtigt. Wir sind bestrebt, unsere Patienten zu einer möglichst gesunden Lebensweise zu motivieren, um im Sinne einer Primärprävention Krankheiten vorzubeugen. Insbesondere bei Patienten, bei denen bereits chronische Beschwerden aufgetreten sind, ist es unser Ziel, diese zu einem aktiven Umgang mit ihrem Krankheitsbild zu motivieren, also durch gezielte Verhaltensänderungen den Zustand selbst positiv zu beeinflussen, statt in einer passiven Behandlungserwartung zu verharren. Wo spezifische medizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind, soll die Compliance des Patienten durch möglichst umfassende Aufklärung über seinen Zustand gefördert werden. Viele Patienten kommen nach einer langen Phase des Substanzkonsum in einem schlechten körperlichen Zustand in unsere Klinik. Der letzte Arztbesuch liegt bei diesen Patienten häufig schon lange zurück. In diesen Fällen ist es unser ausgesprochenes Ziel, versäumte Vorsorgeuntersuchungen nachzuholen, verschleppte Krankheitszustände zu diagnostizieren und eine geeignete Behandlung einzuleiten. 30 Jeder Patient der salus klinik bekommt schon vor Aufnahme in unsere Klinik einen Bezugsarzt zugeteilt, der ihn während des gesamten stationären Verlaufs medizinisch betreut. Die medizinische Betreuung erfolgt in enger Kooperation mit dem jeweiligen Bezugstherapeuten, um ein möglichst umfassendes Bild des Patienten zu erhalten. Außerdem ist eine fachärztliche Supervision durch die im Hause tätigen Fachärzte gewährleistet (Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Innere Medizin). Die ärztliche Betreuung erfolgt durch regelmäßige Einzelvisiten und Kurvenvisiten. Bei körperlichen Beschwerden können die Patienten zudem die ärztliche Sprechstunde bei ihrem Bezugsarzt in Anspruch nehmen. Die Medizinische Station ist Dreh- und Angelpunkt des medizinischen Handelns und ist durch Früh-, Spät- und Nachtdienst mit examinierten Pflegekräften 24 Stunden besetzt. Damit sind die Mitarbeiter der Medizinischen Station die zentrale Anlaufstelle für Patienten außerhalb des Regelbetriebs der Klinik, z. B. in der Nacht. Die wesentlichen Aufgaben der Mitarbeiter der Medizinischen Station bestehen in der pflegerischen Aufnahme neuer Patienten, in der Vitalzeichenkontrollen, im Ausarbeiten der Patientenkurven und ärztlichen Anordnungen, im Stellen und in der Ausgabe von Medikamenten, in der Durchführung von Alkoholkontrollen und Drogenscreenings, in der Unterstützung der Ärzte bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, Terminvereinbarungen mit kooperierenden niedergelassenen Fachärzten sowie in der Durchführung von entlastenden Gesprächen bei Patienten in krisenhaften Zuständen. Patienten, die aufgrund einer psychischen oder somatischen Krise überwacht werden müssen, werden auf die Medizinische Station, in den sogenannten „Wachbereich“ verlegt und überwacht. Hier stehen 4 Betten für Kriseninterventionen zur Verfügung. Unsere Rückfallkonzeption sieht bei Rückfallereignissen die Verlegung des rückfälligen Patienten in den Überwachungsbereich vor. Entsprechend dem Modell von Marlatt & George (1984) wird ein Rückfall als ein „Vorfall“ (lapse) gesehen, aus dem der Patient lernen kann, kritische Rückfallsituationen erfolgreich zu bewältigen. Dementsprechend werden mit dem Patienten Verhaltensanalysen durchgeführt und alternative Strategien zum Umgang mit der kritischen Situation erarbeitet. Außerdem wird die Bedeutung des Rückfalls für die therapeutische Beziehung reflektiert. Voraussetzung für die Fortführung der Behandlung trotz Rückfall ist das Offenlegen es Rückfalls durch den Patienten sowie die Bereitschaft aus diesem „Vorfall“ zu lernen und Verhaltensänderungen einzuleiten. 7.2 Medizinische Diagnostik Aufnahmeprocedere Am Aufnahmetag wird der Patient vom zuständigen Bezugsarzt umfassend untersucht. Es erfolgt eine internistische, neurologische mit Überprüfung der Vitalzeichen sowie eine psychiatrische Untersuchung mit Erhebung eines psychopathologischen Befundes incl. Klärung hinsichtlich Suizidalität. Ziel der ärztlichen Aufnahmeuntersuchung ist die Erstellung einer vollständigen 31 Krankenanamnese mit Exploration wesentlicher Vorerkrankungen und ggf. das Stellen erster somatischer und psychiatrischer Verdachtsdiagnosen, die im weiteren Behandlungsverlauf differentialdiagnostisch abgeklärt werden können. Entsprechend des festgestellten Gesundheitszustandes des Patienten spricht der Arzt bei Notwendigkeit Einschränkungen bezüglich des individuellen Behandlungsplans aus oder verordnet gesundheitsfördernde Maßnahmen, wie beispielsweise das Gehtraining bei Vorliegen einer Polyneuropathie, intensiviertes Körperaufbautraining bei körperlich abgebauten Patienten, Rückenschule bei Wirbelsäulenerkrankungen oder Mentaltraining bei Vorhandensein kognitiver Defizite. Routineuntersuchungen Jeder Patient wird ausführlich körperlich, psychiatrisch und neurologisch untersucht, und es wird eine vollständige Anamnese erhoben. Routinemäßig durchläuft jeder Patient eine medizinisches Aufnahmeprozedere: das ärztliche Aufnahmegespräch mit Anamneseerhebung und Durchführung einer internistischen, neurologischen und psychiatrischen Untersuchung bei Notwendigket Verordnung einer Pharmako- / Psychopharmakotherapie das pflegerische Aufnahmegespräch die Erstellung einer elektrokardiographischen Untersuchung (Ruhe-EKG) das Messen von Blutdruck, Herzfrequenz, Körpertemperatur, Blutzucker, Körpergröße und Körpergewicht die Blutabnahme zur Durchführung einer laborchemischen Blutuntersuchung auf Blutbild, Leber-, Pankreas und Nierenwerte, Elektrolyte und Blutfette; ein Urinstatus gehört ebenfalls zum Routinelabor die Durchführung eines Atemalkoholtest sowie Drogenscreening eine Abdomensonographie bei V.a. substanztypische Organerkrankungen Sind weitere Laborparameter erforderlich, werden diese je nach individueller Fragestellung bestimmt. Die Ergebnisse sämtlicher Untersuchungen werden im Rahmen der Sprechstunden ausführlich mit dem Patienten besprochen. Je nach Problemlage des Patienten sind ergänzende Untersuchungen durch konsiliarische Vorstellungen bei kooperierenden Facharztpraxen außerhalb der Klinik möglich. Digitale Patientenakte Von jedem Patienten wird über unsere Dokumentations-Software (PaDo) eine digitale Patientenakte geführt, die die ärztliche Anamnese, den Aufnahme- und Abschlussuntersuchungsbefund, die berufliche Leistungsbeurteilung, die Ergebnisse der laborchemischen Untersuchungen, medizinische Krisen und alle ärztlichen Befunde sowie konsiliarischen Befunde enthält. Damit wird die zur optimalen Zusammenarbeit notwendige Transparenz zwischen allen beteiligten Berufsgruppen erreicht. Die Dokumentation fließt nach Entlassung des Patienten in einen umfassenden Entlassungsbericht, der entsprechend der Vorgabe des Rentenversicherungsträgers, einen Überblick über den gesamten Behandlungsverlauf gibt. 32 Die medizinische Betreuung des Patienten endet kurz vor dem Entlassungstermin mit einer ärztlichen Abschlussuntersuchung. Der Patient erfährt hier die Ergebnisse des Abschlusslabors, wird über die Entlassmedikation und ggf. über eine weitere ärztliche Behandlungsnotwendigkeit informiert. Zudem gehören zum ärztlichen Abschlussgespräch die Erstellung einer beruflichen Leistungsbeurteilung sowie die Verfassung eines ärztlichen Kurzbriefes für die weiterbehandelnden Ärzte. Ärztliche Sprechstunde Die Ärztliche Sprechstunde findet dreimal wöchentlich statt. Hier hat der Patient Gelegenheit bei akuten Beschwerden vorstellig zu werden, vom Bezugsarzt über seine gesundheitliche Verfassung Auskunft zu erhalten und die Ergebnisse der laborchemischen Blutuntersuchung zu besprechen. Bei weiterführender Behandlungsnotwendigkeit stellen wir den Patienten bei kooperierenden Facharztpraxen vor. Dabei verordnete Medikamente werden vom Bezugsarzt überwacht und vom Pflegepersonal realisiert. Außerhalb der Sprechstundenzeiten ist bei entsprechender Aktualität des Anliegens bzw. der gesundheitlichen Beschwerden der zuständige Bezugsarzt erreichbar und ansprechbar. Sollte ein Patient wegen somatischer Beschwerden stationär behandlungsbedürftig werden, verlegen wir zur interkurrenten Behandlung in das zuständige pflichtversorgende Krankenhaus. Bei psychiatrischen Notfällen erfolgt die Verlegung in die pflichtversorgende psychiatrische Klinik (Klinik Marienborn, Zülpich). Wird nach Rückfallereignis in seltenen Fällen eine qualifizierte stationäre Entzugsbehandlung notwendig verlegen wir den betroffenen Patienten in die Suchtabteilung einer mit uns kooperierenden psychiatrischen Klinik (LVR-Klinik Köln). Die laufende Kostenzusage des Leistungsträgers verfällt jedoch zu diesem Zeitpunkt und es muss ein neuer Antrag auf stationäre Entwöhnungsbehandlung gestellt werden. Patienten mit einer psychiatrischen Vordiagnose werden am Aufnahmetag vom Bezugsarzt in der psychiatrischen Sprechstunde vorgestellt. Der Psychopathologischer Eingangsbefund wird von einem Facharzt für Psychiatrie erhoben und gegebenenfalls die Psychopharmakotherapie bestätigt oder modifiziert. Die weitere fachärztliche psychiatrische Behandlung erfolgt über den gesamten Behandlungszeitraum in der psychiatrischen Sprechstunde. Wird ein Patient während der Entwöhnungsbehandlung psychopathologisch auffällig, erfolgt ebenfalls auf Veranlassung des Bezugsarztes oder Bezugstherapeuten eine Vorstellung in der psychiatrischen Sprechstunde. Psychiatrische Sprechstunde Zur Komorbidität psychiatrischer Störungen mit Alkoholabhängigkeit liegen inzwischen hinreichend klinische und epidemiologische Daten vor. In verschiedenen klinischen Untersuchungen war zum einen gefunden worden, dass die Prävalenzraten für Alkoholismus bei Schizophrenien in verschiedenen Untersuchungen zwischen 20 bis über 50 % betrugen. Auch Patienten mit affektiven Erkrankungen wiesen eine hohe Komorbidität auf, wobei häufig Prävalenzraten von 20 - 40 % genannt wurden (Übersicht in Soyka 1995 b; Soyka & Möller 1997). Robins et al. (1998) berichteten aufgrund einer näheren Analyse der ECA-Daten eine hohe Komorbidität für antisoziale 33 Persönlichkeit, Manie oder schizophreniforme Erkrankungen, Drogenabhängigkeit sowie Depression und Dysthmia. Die in der Literatur aufgezeigte Komorbidität zu psychiatrischen Erkrankungen lassen sich durch unsere klinische Erfahrung der letzten Jahren bestätigen. Regelmäßig sehen wir Patienten mit behandlungsrelevanten psychiatrischen Diagnosen, insbesondere Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, nichtorganischen Schlafstörungen und paranoiden Schizophrenien. Psychiatrische Vordiagnosen werden durch einen Facharzt für Psychiatrie auf ihr Fortbestehen überprüft, ebenso die Notwendigkeit und Dosierungen voreingestellter Psychopharmaka. Durch die lange Behandlungszeit, die uns im Rahmen der Entwöhnungsbehandlung zur Verfügung steht, sind wir in der Lage bislang nicht erfasste psychiatrische Störungen zu erkennen, diagnostisch zuzuordnen und notwendige Behandlungsmaßnahmen wie z. B. Psychopharmakotherapie, Anpassung des aktuellen Behandlungsplans, notwendige Weiterbehandlung (Anbindung an einen niedergelassenen Psychiater, ggf. ambulante Psychotherapie,) in die Wege zu leiten. Häufig bestehen abhängigkeitserhaltende Zusammenhänge zwischen Substanzkonsum und psychiatrischer Erkrankung, die durch eine kontinuierliche psychiatrische Mitbehandlung erkannt werden und in die aktuelle therapeutische Arbeit einfließen können. Um der hohen Komorbidität mit psychiatrischen Erkrankungen Rechnung zu tragen, bieten die Fachärzte der Suchtabteilung eine Psychiatrische Sprechstunde an. Hier erfolgen diagnostische Abklärungen bei auffälligen psychopathologischen Befunden, ggf. Ergänzung der psychotherapeutischen Behandlung durch eine Psychopharmakotherapie, Prüfung vorbestehender psychiatrischer Diagnosen sowie bei Notwendigkeit Anpassung, Umstellung aber auch Abdosierung vorbestehender Psychopharmaka. Diagnostische Überlegungen, Ein- und Abdosierungen von Psychopharmaka, Veränderungen des psychopathologischen Befundes werden regelmäßig zwischen Psychiatern und zuständigem Bezugstherapeuten ausgetauscht. Finden sich unter den Zuweisungsdiagnosen psychiatrische Erkrankungen, besteht eine Psychopharmakotherapie oder zeigen Patienten während des Behandlungsverlaufes Verhaltensauffälligkeiten und haben in durchgeführten psychologischen Tests pathologische Werte, werden Sie in der Psychiatrischen Sprechstunde gesehen . Durch die psychiatrische Sprechstunde soll erreicht werden, dass der Patient bei Vorliegen einer psychiatrischen Komorbidität seine psychiatrische Diagnose verstehen und akzeptieren kann, Copingstrategien entsprechend der psychiatrischen Diagnose entwickelt werden können und eine erzielte Remission stabilisiert wird. Psychiatrische Notfälle, wie Exazerbationen depressiver Störungen und schizophreniformer Erkrankungen aber auch suizidale und autoaggressive Krisen, werden umgehend vom Psychiater untersucht und entsprechende Maßnahmen eingeleitet - wie z. B. Anpassung der Psychopharmakotherapie, Verlegung in den Überwachungsbereich, Verlegung zu Krisenintervention in eine psychiatrische Klinik, Prüfung einer Psych.KG-Indikation. 34 7.3 Medizinische Therapie Medizinische Gesundheitsinformation Die Medizinische Gesundheitsinformation ist eine durch den Bezugsarzt durchgeführtes Pflichtprogramm, die den neu aufgenommenen Patienten in der ersten Behandlungswoche an 3 Terminen ein Verständnis für die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkohol und anderen psychotropen Substanzen auf den menschlichen Körper vermitteln soll. Es handelt sich um eine offene Gruppe, die es ermöglicht, neu hinzugekommene Patienten konsekutiv mit einzubeziehen. Der Bezugsarzt versteht sich hier weniger als Lehrer, sondern vielmehr als Vermittler, welcher sein eingebrachtes medizinisches Wissen als sinnvolle Ergänzung für die von Patienten selbst geschilderten Erfahrungen nutzt. Es wird eine psychoedukativer Ansatz verfolgt, ausgehend vom Grundgedanken dem Patienten die zum Verständnis der mit Alkohol assoziierten Erkrankungen notwendigen Informationen zu vermitteln. Die medizinische Gesundheitsinformation befasst sich: mit der Funktion der Leber und der Entstehung von äthyltoxischen Leberschäden - fettige Leberdegeneration, Leberzirrhose, portale Hypertension mit gastro-intestinalen Folgeerkrankungen - akute Ösophagitis, Ösophagusvarizenblutung, Gastritis, Resorptionsstörungen, akute und chronische Pankreatitis sowie Diabetes mellitus mit neuropsychiatrischen Symptome und deren Folgeschäden - Merkmale des Entzugssyndroms, Korsakow-Syndrom, Delirium tremens und Polyneuropathie (20 - 40 % der Alkoholabhängigen) mit substanztypischen körperlichen und psychischen Auswirkungen bei Konsum von Cannabis, Amphetamine, „Partydrogen“ und Benzodiazepinen – „Amotvationsyndrom“, drogeninduzierte psychotische Eposoden, lebensgefährdender Mischkonsum Pharmakotherapeutische Suchtmedizin Zur Aufrechterhaltung der Abstinenz alkoholkranker Menschen wird in den letzten Jahren zunehmend der Einsatz von Medikamenten propagiert. In Deutschland ist für die Indikation „Unterstützung der Aufrechterhaltung der Abstinenz bei alkoholabhängigen Patienten“ seit 1995 die Substanz Acamprosat (Campral®) zugelassen. Der Nutzen von Acamprosat oder anderer „Anticraving-Substanzen“ in der stationären Entwöhnungsbehandlung alkoholkranker Menschen ist wissenschaftlich nicht geklärt. Denkbar wären eine Verbesserung der Rückfallraten oder der Haltequoten in der stationären Therapie. Für beides gibt es jedoch keine Belege. Theoretische Überlegungen sprechen gegen positive Auswirkungen einer Acamprosat-Medikation auf diese Bereiche (Kramer, 2003). Das Erlernen von Bewältigungsstrategien im Umgang mit „craving“ ist ein zentraler Baustein der Entwöhnungsbehandlung in unserer Klinik. Auch aus diesen Gründen erscheint eine medikamentöse Unterdrückung von craving während der stationären Entwöhnungsbehandlung nicht sinnvoll. Die Gabe von Acamprosat kommt in unserer Klinik daher nur in begründeten Einzelfällen in Betracht, wenn die Medikation vom Patienten ausdrücklich gewünscht wird und schon über längeren Zeitraum 35 eindosiert war. In der Regel wird eine solche Medikation bei Aufnahme in unsere Klinik – nach Rücksprache und Einverständnis mit dem Patienten - abgesetzt. 7.4 Sozialmedizin Da ca. 65 % unserer Patienten arbeitslos sind, liegt ein Schwerpunkt der ärztlichen Arbeit in der Sicherung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit als vorrangiges Ziel der Rehabilitationsmaßnahme. Daher dienen alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen letztendlich auch diesem Ziel. Alle Mitarbeiter der Klinik sind diesem Grundsatz verpflichtet. Jeder Patient, bei dem die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit fraglich ist, wird dem Leitenden Arzt oder seinem Stellvertreter vorgestellt, um das Procedere zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zu besprechen und um eine sozialmedizinische Leistungseinschätzung durchzuführen. Diese sozialmedizinische Einschätzung findet im Rahmen der Fallkonferenz aber vor allem in speziell eingerichteten sozialmedizinischen Konferenzen und im Beisein aller zentralen therapeutischen Bezugspersonen statt, in der Regel nehmen Bezugsarzt, Bezugstherapeuten, Sozialarbeiter, Fachtherapeuten – insbesondere Arbeitstherapeuten - und Ltd. Arzt bzw. Stellvertreter daran teil. Alle diagnostisch relevanten Befunde werden zusammengetragen und noch fehlende Maßnahmen (z.B. externe fachärztliche Konsile, interne oder externe Belastungserprobungen) besprochen bzw. angeordnet. In der Zusammenschau der körperlichen Untersuchungsbefund, des psychopathologischen Befundes, der testpsychologischen Ergebnisse, der laborchemischen und technischen Befunde, der fachärztlicher Befunde, eines Fähigkeitenprofils in Anlehnung an MELBA, eventueller externer Belastungserprobungen und des Fitness-Profils aus der Bewegungstherapie wird eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vorgenommen und besprochen. Sollten Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig erscheinen, wird in diesem Forum darüber entschieden und evtl. die Vorstellung beim Reha-Berater der Deutschen Rentenversicherung eingeleitet, der regelmäßig in ca. 4-wöchigem Abstand zu Beratungen in die Klinik kommt. Notwendige Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden bereits während des stationären Aufenthaltes eingeleitet, sofern keine gravierenden Hindernisse dies unmöglich machen. Die sozialmedizinische Einschätzung erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der vorliegenden Konsile durch den Leitenden Arzt bzw. seinem Stellvertreter in Kooperation mit dem Bezugsarzt. Dem Bezugsarzt obliegt die Aufgabe im ärztlichen Abschlussgespräch dem Patienten aus sozialmedizinischer Sicht über seine Möglichkeiten aber auch über seine Grenzen in Bezug auf den Arbeitsmarkt zu informieren. Die berufliche Leistungseinschätzung mit vorliegenden quantitativen und qualitativen Einschränkungen werden dem Patienten mitgeteilt und verständlich erklärt. 36 Jeder stationäre Rehabilitationsaufenthalt in unserer Klinik endet mit der Erstellung eines ärztlichen Entlassungsberichtes, welcher unter anderem die Funktion eines sozialmedizinischen Gutachtens hat. In diesem Bericht werden somit alle soziamedizinisch relevanten Befunde zusammengefasst und in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung bewertet. 7.5 Physiotherapie, Sport- und Bewegungstherapie Die nachhaltige Sicherung oder Wiederherstellung der Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben ist ein hochrangiges Ziel in der Medizinischen Rehabilitation. Wenn schädigungsbedingte Fähigkeitsstörungen vorliegen, die nicht vorübergehender Natur sind und die durch Physiotherapie gebessert oder beseitigt werden können, so wird eine entsprechende Maßnahme eingeleitet. Die Sport- und Bewegungstherapie ist in der Medizinischen Rehabilitation für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sowohl unmittelbar als auch mittelbar von Bedeutung. Unmittelbar, weil sie aktuelle Einschränkungen, die mit dem Bewegungsapparat und der Belastungsfähigkeit des Organismus zusammenhängen, positiv beeinflussen kann, und mittelbar, weil sie die nachhaltige Bewältigung der chronischen Erkrankung erleichtert. Öfter als spezifische körperliche Fähigkeitsstörungen finden wir bei Suchtkranken erhebliche unspezifische Beeinträchtigungen durch mangelnde körperliche Fitness, die beispielsweise zu psychophysischer Labilität, zu Stressanfälligkeit und erhöhter Angstbereitschaft beitragen. Ebenso wird der Sport von vielen Rehabilitanden wenig zur Regeneration, zum Wohlbefinden und zu sozialen Kontakten genutzt, was für die Rückfallprophylaxe jedoch von erheblichem Wert wäre. Die Bandbreite der Ziele in der körperorientierten Behandlung ist also weiter, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Indikation für physiotherapeutische Maßnahmen wird durch das ärztliche Personal der salus klinik gestellt. Die Bezugsärzte werden bei der Indikationsstellung durch unsere Fachärzte unterstützt (Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Innere Medizin, Psychosomatik). Zudem können weitere Fachärzte aus kooperierenden Praxen, insbesondere für Orthopädie, konsultiert werden, die dann entsprechende physiotherapeutische Anwendungen verordnen können. Grundsätzlich legt unser Konzept auch in der Behandlung orthopädischer Beschwerden (insbesondere chronische Lumbalgien, Arthrosen) den Schwerpunkt auf die Aktivierung und Gesundheitserziehung der Patienten. Indikative Angebote, insbesondere bei Vorliegen orthopädischer, neurologischer sowie psychischer Beschwerden, sind: Gehtraining bei polyneuropathischer Beschwerden Die alkoholbedingte Polyneuropathie ist die bei Alkoholabhängigen am häufigsten vorkommende chronische neurologische Erkrankung. Aus diesem Grund bieten wir ein Gehtraining bei polyneuropathischen Beschwerden und kombinieren diese mit Ultraschall- und Reizstromtherapie. Besteht die Zuweisungsdiagnose einer alkoholbedingten Polyneuropathie oder wird diese im Rahmen der ärztlichen Aufnahmeuntersuchung erkannt, nimmt der Patient am Gehtraining teil. Hier werden Streckenabläufe mit unterschiedlichen Bodenarten, Hindernissen sowie Aufgaben erstellt. Darüber hinaus werden sowohl thermische wie mechanische Reize zugeführt, Gleichgewichtsübungen durchgeführt und Erschwernisse, beispielsweise durch Augenbinden, 37 gesetzt. Diese Aufgaben unterliegen konstanten Änderungen und haben die Verbesserung der Eigenwahrnehmung und der Tiefensensibilität sowie die Stimulation afferenter und efferenter Nervenausläufer zum Ziel. Für den Patienten soll eine spürbare Verbesserung der Koordination, vorwiegend der unteren Extremitäten, eine gesteigerte Mobilität sowie ein Rückgang von Mißempfindungen erreicht werden. Rückenschulung Die Gruppe "Rückenschule" mit den Zielen Aufbau und Stabilisierung der Rückenmuskulatur vermittelt Ziele und Themen wie Langfristige Motivation, Rückenprophylaxe im Alltag zu betreiben; Erkennen von Zusammenhängen zwischen Rückenschmerz, Stress und Verspannung; Belastungsgrenzen erkennen und Reserven mobilisieren; Basisinformationen zu Aufbau und Funktion von Wirbelsäule und Bandscheibe; Funktionale Übungen zum Aufbau einer ausgewogenen Muskulatur und die Anwendung einfacher Entspannungsübungen Körperaufbautraining Je nach Bewegungseinschränkungen und körperlichen Symptomen wird ein individuelles Übungsprogramm erstellt, wie z.B. Haltungsschulung bei Haltungsschwächen und ein Individuelles Muskel- und Herz-Kreislauftraining zur Stärkung und Stabilisierung. Durch unterschiedliche Gymnastik- und Spielformen werden Kraft, Koordination und Kondition verbessert. Durch das gesundheitsorientierte Hanteltraining wird die Muskulatur widerstandsfähiger und ausdauernder. Die Patienten erleben ihre Leistungsgrenzen und –reserven und die Bewegungsfreude wird gesteigert. Medizinische Trainingstherapie (MTT) Die salus Klinik Hürth verfügt innerhalb der Sporttherapie über eine moderne und gut ausgestattete Medizinische Trainingstherapie (MTT), mittels der sich auf den Patienten abgestimmte individuelle Trainingsprogramme erstellen lassen, die je nach Trainingszustand bzw. -fortschritt gesteigert, erweitert oder umfangreicher gestaltet werden können. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit in den Bereichen Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination zu verbessern, um so nachhaltig einen Therapieerfolg zu sichern. MTT ist ein spezielles Krafttraining bzw. ein spezielles Muskelaufbautraining mit oder ohne Gerät mit dem Ziel gestörte oder beeinträchtigte Körperfunktionen wieder herzustellen die Belastbarkeit von Muskeln und Strukturen zu erhöhen muskuläre Dysbalancen auszugleichen den Allgemeinzustand des Patienten zu verbessern oder zu erhalten Prophylaxen zu erlangen (Prävention) Nach einem pulsgesteuerten Ausdauertest, sowie einer Testung der Kraft, Koordination und Flexibilität, erhalten die Patienten einen individuellen Trainingsplan. Dieser wird via Chipsystem auf die Geräte übertragen. Die Geräte sind darüber hinaus biofeedbackgesteuert, um ein optimales Training zu gewährleisten. 38 Wir arbeiten mit den Genius ECO Trainings- und Testgeräten der Firma FREI AG, die eine individuelle und chipgesteuerte Trainingsplanung und –betreuung ermöglichen. Unsere Gerätelandschaft umfasst insgesamt dreizehn Kraft- und Ausdauergeräte für ein umfangreiches und individuelles Kraft- und Ausdauertraining. (Nordic-)Walking In der Gruppe Walking werden vermittelt Ziele und Themen wie langfristige Motivation, gesundheitsfördernden Sport zu treiben, Verbesserung der allgemeinen körperlichen Ausdauerleistung, Steigerung des körperlichen Wohlbefindens, Steigerung der Kondition, Erläuterung und Demonstration von Bewegungsabläufen, Veränderung von Schrittfrequenz und Schrittlänge, Koordination von Armen und Beinen sowie Dehnübungen und Pulskontrolle. Entspannungsverfahren Progressive Relaxation In dieser Gruppe wird vermittelt, wie Entspannung gezielt herbeigeführt werden kann. Durch das Prinzip der wechselseitigen An- und Entspannung bestimmter Muskelgruppen soll eine Umstellung im Körper erreicht werden, die zur Entspannung, Leistungssteigerung und zu körperlichem Wohlbefinden führen kann. Insofern kann sich das Prinzip "Halten und Loslassen" nicht nur physisch, sondern auch psychisch positiv auswirken, indem sich Verhärtungen lockern: Zum Beispiel können psychisch stark Angespannte durch das Loslassen mehr Zugang zu ihren Gefühlen erhalten, und bei Antriebsschwachen kann sich durch das kräftige Halten mehr Entschlussfreudigkeit einstellen. Die gesunde Mitte und Flexibilität zwischen den Polen von Spannung und Entspannung weitet sich so auch auf die Psyche aus. Die gezielte Lenkung der Körperwahrnehmung, vor allem auf die Auflösung der Muskelanspannung, soll zur Steigerung des Entspannungszustandes beitragen. Indikationen für die Progressive Relaxation sind: Häufige Anspannung, Bluthochdruck und Stresszustände im Alltag Schwierigkeit, sich körperlich zu entspannen oder gedanklich abzuschalten; generelles Fehlen von innerer Ruhe und Ausgeglichenheit Häufiger Eindruck, sich nicht richtig konzentrieren zu können Leiden unter körperlichen Beschwerden, wie chronische Schmerzen, Kopfschmerzen, Bluthochdruck und Nervosität. Weitere Angebote Optional werden außerdem angeboten Tai Chi und Ohr-Akupunktur Tai Chi Tai Chi ist eine alte chinesische Bewegungskunst und heute eine wichtige Methode der Traditionellen Chinesischen Medizin. Es dient zur Gesunderhaltung, Meditation und Selbstverteidigung. Tai Chi bedeutet „Das höchste Letzte, Namenlose, Absolute“. Tai Chi wird erst seit den 80ern in Europa unterrichtet. Die meditativen und gesundheitlichen Aspekte traten in der weiteren Entwicklung des Tai Chi immer stärker in den Vordergrund. Bekannteste Formen sind: 39 Lange Form des Yang-Stils nach Meister Yang Cheng Fu Gekürzte Form des Yang-Stils nach Prof. Cheng Man Ching Peking Form: auf Yang-Stil basierend. In der Klinik werden kleinere Formen wie z. B. „Harmonie“ in der Gruppe praktiziert. In der therapeutischen Anwendung entfalten sich folgende Wirkungen: Durch spezielle Übungshaltungen werden die Meridiane entspannt und gedehnt; Energieblockaden lösen sich, und die Lebensenergie (Qi bzw. Chi) kann ungehindert durch den Körper fließen, die Organe werden in ausgewogener Weise mit Qi versorgt. Dehnung und Aufrichtung der Wirbelsäule fördert deren Beweglichkeit und führt zur Entlastung der Bandscheiben. In den Knien gebeugter Stand und langsame Bewegung bewirken schonenden Muskelaufbau. Ruhiger Atem und entspannte Haltung lösen psychische und physische Anspannungen. Nebenwirkungen sind bei Berücksichtigung der Prinzipien nicht bekannt. Schädliche Effekte sind höchstens durch falsche Atemführung und unangemessene geistige Übungen möglich. Deshalb geschieht die Anleitung durch einen gut ausgebildeten Lehrer. Als Indikationen kommen zusätzlich zu den unter Entspannung genannten in Frage: Entzündliche und degenerative Gelenkserkrankungen Chronische Schmerzzustände (Kopfschmerz und Migräne) Lähmungen (insbesondere nach Apoplex) Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes wie funktionelle Verdauungsstörungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiale Hypertonie, Angina pectoris) Anspannungen z. B. vegetative Dystonie. Kontraindikationen sind: Schwangerschaft und Menstruation (bei bestimmten Übungen und Körperhaltungen) psychotische Zustände. Ohr-Akupunktur nach dem NADA-Protokoll Die Ohr-Akupunktur nach dem NADA-Protokoll ist ein Behandlungskonzept, das Akupunktur und konventionelle therapeutische Elemente verbindet. Die inneren Selbstheilungskräfte der OhrAkupunktur basieren nach der traditionell chinesischen Medizin auf die Lebensenergie, dem sogenannten Qi (Schi). Das Setting hat einfache Regeln, die der Patient einhalten kann. Das stärkt ihn. Er sitzt, er darf Kontrolle behalten anstatt zu liegen und sich hingeben zu müssen, er kommt zu festen Zeiten. Ruhe, Struktur und Ausgeglichenheit während der Akupunktur. Die "NADATherapeuten" unserer Klinik sind examinierte Krankenschwestern, die die NADA-Ausbildung mit theoretischer und praktischer Prüfung erfolgreich abgeschlossen haben. Das Behandlungsverfahren der NADA (National Acupuncture Detoxification Association) – das NADAProtokoll – kombiniert Ohr-Akupunktur mit einer strukturierten, nicht-ängstigenden Art des Behandlungsstils. Es geht damit vor allem auf die besondere Problematik Suchtkranker sowie psychiatrisch Kranker ein und eignet sich während der Entwöhnungsbehandlung: 40 als Ergänzung zur Rückfallprophylaxe zur Reduktion von Suchtverlangen (craving) bei sämtlichen Suchtstoffen zur Symptomlinderung medikamentöser Nebenwirkungen zur Unterstützung der Tabakentwöhnung zur Regulation des Schlafverhaltens bei nichtorganischen Schlafstörungen zur Reduktion von Unruhezuständen, Ängsten und Spannungszuständen zur Besserung von Konzentrationsschwächen Das Behandlungssetting in dem die Ohrakupunktur stattfindet enthält Elemente des NADAProtokolls, die sich als günstig für den Behandlungserfolg erwiesen haben: Gruppensetting Durchführung der Akupunktur in bequemer Körperposition (Liegesitze) feste Behandlungszeiten non-konfrontative und ruhige Atmosphäre in einem liebevoll ausgestalteten Behandlungsraum tägliche Behandlung in den ersten beiden Wochen täglich mehrfaches Trinken eines Tee aus 6 Kräutern Alle diese Indikativen Gruppen und Kurse werden von Sporttherapeuten oder examinierten Krankenschwestern durchgeführt. In der Mehrzahl der Fälle lassen sich die orthopädischen und häufig auch neurologische und psychische Beschwerden unserer Patienten alleine durch diese Maßnahmen beseitigen oder deutlich bessern. Sollten darüber hinaus physiotherapeutische Maßnahmen im engeren Sinne notwendig sein, so werden diese nach ärztlicher Verordnung klinikintern durch einen Physiotherapeuten durchgeführt. 7.6 Ernährungsberatung Durch die behandelnden Bezugsärzte wird bei einer festgestellten und ernährungsmedizinisch relevanten Cholesterinerhöhung, bei Diabetes melliuts (insbesondere bei noch ungeschulten Patienten), bei Adipositas (BMI > 30), kardialer Hypertonie (Einzelfallenscheidung), Anorexia und Bulimia oder anderen Folgeerkrankungen von Übergewicht eine individuelle Ernährungsberatung angeboten. Bei entsprechender Indikation nehmen die Patienten täglich an spezifischen Angeboten zur Unterstützung gesundheitsbewusster Verhaltensweisen und zur Gewichtsabnahme in unserer Sporttherapie teil (Ergometer-Training, Fitness-Training). Für Patienten mit einem BMI > 30 wird eine Adipositas Gruppe angeboten. Patienten mit Diabetes-Diagnose werden dem Oberarzt der Psychosomatischen Abteilung, der Facharzt für Innere Medizin ist, vorgestellt und in Kooperation mit dem Bezugsarzt medikamentöse Einstellung besprochen, Ernährungspläne ausgearbeitet und Blutzuckerwerte sowie das Gewicht kontrolliert. Auch für Patienten ohne die Diagnosen Essstörung, Diabetes melitus, Adipositas oder kardiale Hypertonie wird eine allgemeine Ernährungsberatung angeboten. Grundlage für die Diät- und die Ernährungsberatung sind die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Den Patienten wird die Ernährungspyramide vermittelt, in der die Mengenverhältnisse der Lebensmittel und die Notwendigkeit einer vielfältigen Ernährung dargestellt sind. Außerdem lernen die Patienten, 41 die 10 Regeln der DGE: Vielseitig essen; Getreideprodukte mehrmals am Tag und reichlich Kartoffeln; Gemüse und Obst täglich; täglich Milch und Milchprodukte, 1 - 2mal in der Woche Fisch, Fleisch und Wurstwaren sowie Eier in Maßen; wenig Fett und fettreiche Lebensmittel; Zucker und Salz in Maßen; reichlich Flüssigkeit; schmackhaft und schonend zubereiten; Zeit nehmen und das Essen genießen; auf Gewicht achten und sich ausreichend bewegen. Den Patienten wird vermittelt, dass eine gesunde Ernährung wichtig ist, um Folgeerkrankungen zu vermeiden und dass eine gesunde Ernährung im Bedarfsfall zu einer Gewichtsreduktion und einem wünschenswerten Body Mass Index (BMI) beitragen kann. Die Patienten erhalten Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl und individuell wird mit den Patienten ihr Energie- und Nährstoffbedarf besprochen. 42 8 Psychotherapie 8.1 Psychologische Diagnostik Die psychologische Diagnostik orientiert sich ebenso wie die medizinische am ICD-10 und an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF, WHO 2005). Dazu gehören eine Vertiefung der ICD Diagnostik und Berücksichtigung der ICF-Kontextfaktoren durch die Verhaltensanalyse und psychologische Anamnese (8.1.1) die Analyse der Aktivitäten einer Person und der Teilhabe durch die Verhaltensanalyse, die psychologische Anamnese und die Motivationsdiagnostik (8.1.1) die testpsychologische Validierung der ICD-Diagnostik für den Bereich Sucht (8.1.2 und Anhang VI b) arbeits- und berufsbezogene Diagnostik (8.1.2) die testpsychologische Validierung der ICD-Diagnostik für komorbide F-Störungen (8.1.2 und Anhang VI c) die Analyse der Körperfunktionen mit dem Schwerpunkt Mentale Funktionen (8.1.2 und Anhang VI d) 8.1.1 Kontextfaktoren, Aktivitäten und Teilhabe In der Verhaltensanalyse erfolgt eine genaue Beschreibung des Missbrauchs- oder Abhängigkeitsverhaltens und weiterer therapierelevanter Störungen in allen Modalitäten. Unter anderem beinhaltet die Verhaltensanalyse (siehe Kanfer & Saslow, 1965; Schulte, 1974; Caspar, 1989; Wittchen & Hoyer; 2006): Horizontale Verhaltensanalyse zu Handlungen und Kognitionen, durch die der Patient seine Funktionsfähigkeit einschränkt, sei es in Form einer Gefährdung von Körperfunktionen (z. B. ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel), der Beibehaltung ungünstiger aber veränderbarer Umweltfaktoren (z. B. keine Besorgung erreichbarer Hilfsmittel am Arbeitsplatz) oder der Vermeidung von Aktivitäten und von Teilhabe (z.B. Selbstversorgung, soziales Leben). Dazu gehört auch die Verhaltensanalyse des Suchtverhaltens, nach ICD-10 klassifizierter Störungen und des arbeits- und beruflichen Verhaltens Vertikale Verhaltensanalyse (Oberpläne, Strategien und Verhaltensregeln, interaktionelles Verhalten), die eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit begünstigen Schemata Analyse (suchtspezifische und allgemeine Grundkognitionen, automatische Kognitionen) Makroanalyse (Genese der Erkrankung, Ätiologiemodell, Ressourcen und bestehende Selbsthilfemöglichkeiten und Bewältigungsfähigkeiten) Motivationale Analyse entsprechend dem Rubikon Modell (Heckhausen 1987 a, b) 43 Psychologische Anamnese: Sinnvolle Strukturierungshilfen sind u. a. ein Genogramm und eine Lebenslinie. Bei der Besprechung der Beziehungen innerhalb des Familienstammbaums werden erste Systemregeln deutlich, Grenzen zwischen einzelnen Untergruppierungen in den Verwandtschaftskreisen und eine eventuelle Vorbelastung mit Alkoholismus in der Vorgeschichte. Daraus wiederum lassen sich allgemeine Änderungs- und Vermeidungsstrategien und auch Fähigkeiten und Stärken des Patienten erkennen. 8.1.2 Testpsychologie Es wird im folgenden ein kurzer Überblick zu den testpsychologischen Untersuchungen und zur klinisch-psychologischen Verlaufsmessung gegeben. Eine ausführlichere Darstellung der Messinstrumente befindet sich im Anhang dieser Konzeption Suchspezifische Diagnostik Suchtspezifische Tests (s. auch Anhang VI a) werden allen Patienten vorgegeben, die sprachlich und kognitiv in der Lage sind die Fragebogen auszufüllen. Zur Erfassung der Alkoholabhängigkeit erhalten die Patienten den MALT, Münchener Alkoholismus Test (Feuerlein, Ringer, Küfner & Antons, 1977), für die Medikamentenabhängigkeit den KMM: Kurzfragebogen zum Medikamentenmissbrauch (Watzl, Rist, Höcker & Miehle, 1990) und zur Erfassung der Tabakabhängigkeit den Fagerström: Fragebogen zur Abklärung von Nikotinabhängigkeit (Fagerström et al. 1991 ). Zur Erfassung der Mehrfachabhängigkeit wird ein klinikinterner Fragebogen vorgegeben. Kritische Situationen für Rückfälle werden für Alkoholabhängige mittels des IDTSA Inventory of Drug Taking Situations für Alkoholabhängige (Lindenmeyer & Florin, 1998) erfasst und für Mehrfachabhängige mittels einer IDTSA Variante. Eine Therapieverlaufsmessung bezüglich der Handlungs-Ergebnis-Erwartung für Abstinenz in kritischen Situationen geschieht durch den DTCQA Drug Taking Confidence Questionnaire (Lindenmeyer et al., 2003). Arbeits- und berufsbezogene Diagnostik In den ersten Wochen der Medizinischen Rehabilitationsbehandlung werden von den Patienten Merkmalprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit (MELBA, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1999) erfasst. Dieses strukturierte Interviewverfahren ist ausführlicher unter Ergotherapie dargestellt (10.1) Zur Therapieverlaufsmessung von Verhaltens- und Erlebensmustern bezüglich der Arbeit wird allen Patienten, die sprachlich und kognitiv in der Lage sind Fragebogen auszufüllen der AVEM, Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster, Schaarschmidt, U.; Fischer, A. (2003) vorgegeben. Aktuelle psychische Verfassung Zur Verlaufsmessung der aktuellen psychischen Verfassungen (s. auch Anhang VI b) werden der BSI: Brief Symptom Inventory (Kurzform der SCL-90-R) (Franke, 2000) und der ADS-K: Allgemeine Depressionsskala (ADS, Radloff, 1977; deutsche Version: Hautzinger & Bailer, 1992) eingesetzt. 44 Komorbide Störungen Komorbide Störungen (s. auch Anhang II c) werden zu Behandlungsbeginn erfasst durch ein strukturiertes Klinisches Interview nach SKID I (Wittchen, Zaudig & Fydrich, 1997) bzw. nach ICDL (Hiller, Zaudig & Mombour, 1997) und durch den Fragebogen incl. Interview SKID II (Wittchen, Zaudig & Fydrich, 1997). Je nach den Ergebnissen des strukturierten klinischen Interviews werden zur Verlaufsmessung folgende Tests vorgegeben (s. auch Anhang VI c): AKV: Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionen und Vermeidung (Ehlers & Margraf, J. 2001; engl. Version: Chambless et al., 1984), SPS: Soziale Phobie- Skala (Stangier et al., 1999), HZI-K: Hamburger-Zwangsinventar Kurzform (Klepsch, Zaworka, Hand, Lünenschloß & Jauernig, 1993), FEV: Fragebogen zum Essverhalten (Pudel & Westhöfer, 1989), SOMS-2: Screening für somatoforme Störungen (Rief, Hiller & Heuser, 1997), PDS: Posttraumatic stress diagnostic scale (Ehlers, Steil, Winter & Foa (1996), KFG: Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (Petry & Baulig, 1995), BSL-95: Borderline-Symptom-Liste (Bohus et al., 2001), PFB: Partnerschaftsfragebogen (Hahlweg, 1996), FB: Die Familienbögen (Cierpka & Frevert, 1994) Mentale Körperfunktionen Im Rahmen der Analyse der mentalen Körperfunktionen werden sowohl globale mentale Funktionen (z. B. Orientierung, Intelligenz, Energie und Antrieb; ICF: b110-139) als auch spezifische mentale Funktionen (z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, kognitiv-sprachliche Funktionen; ICF: 140-189) erfasst. Dazu werden folgende Tests je nach Indikation eingesetzt: Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP 1, 2, 5, 6, 9, 11 ) mit den Faktoren Alertness ( Aufgewecktheit), geteilte Aufmerksamkeit (mehrere Reize berücksichtigen), selektive Aufmerksamkeit (Fähigkeit zur Unterdrückung einer nicht adäquaten Reaktion), Arbeitsgedächtnis, kognitive Flexibilität und Vigilanz d2 Aufmerksamkeits-Belastungstest DCS Diagnostikum für Cerebralschädigungen VLMT Verbaler Lern- und Merkfähgigkeitstest Wechsler Intelligenztest MWT-B Mehrfachwahl-Wortschatz-Test CFT-20 nichtsprachlicher Intelligenztest 45 Trail Making Test DemTect zur Erfassung von Demenzstörungen SIDAM zur Differentialdiagnose einer Demenzstörung 8.2 Psychologische Therapie Ziel der psychologischen Therapie ist auf Grundlage der medizinischen und psychologischen Diagnostik eine Wiederherstellung oder Besserung der Funktionsfähigkeit auf der Ebene der Aktivitäten, um eine optimale Teilhabe an Lebensbereichen für den Rehabilitanden zu erreichen. Dieses geschieht unter Einbeziehung von Kontextfaktoren, indem Barrieren, die die Teilhabe erschweren, reduziert werden und indem Förderfaktoren, die die Teilhabe unterstützen, ausgebaut werden. Die psychologischen Interventionen zur Erreichung dieser Ziele sind Einzeltherapie, Bezugsgruppe, Abstinenzgruppe, psychologische arbeits- und berufsbezogene Therapie und je nach individueller Indikation störungsspezifische Gruppen. 8.2.1 Case-Management und Einzeltherapie Der Bezugstherapeut ist sowohl Case-Manager als auch Psycho- oder Sozialtherapeut des Patienten. Der Case-Manager und Psycho- bzw. Sozialtherapeut kann aus der Berufsgruppe der Ärzte, Psychologen oder Sozialarbeiter mit Zusatzausbildung kommen. Zu seinen Aufgaben gehört die Ablauforganisation der gesamten Behandlung (Zielbestimmung, Behandlungs- und Wochenplan, Heimfahrten, Koordination aller Maßnahmen usw.), die Überwachung der vereinbarten Versorgung, also die Klärung der Fragen, ob der Patient alle vereinbarten Hilfen erhält, ob die anderen Helfer Unterstützung brauchen und ob der Patient die Vereinbarungen einhält, sowie die Sicherstellung der Vernetzung mit dem sozialen Stützsystem (Familie, Arbeit, Freizeit) und Zugangserschließung zur Nachsorge, wozu gegebenenfalls auch die Überleitung des Patienten zu seinem Case-Manager am Heimatort gehört. Die Aufgabe des Case-Managers ist die Koordination aller therapeutischen Maßnahmen für einen Patienten. Das bedeutet konkret zu gewährleisten, dass der Patient an allen indizierten Maßnahmen teilnimmt, unabhängig davon um welchen Fachbereich es sich handelt. Außerdem beinhaltet das Case-Management, die Therapie so zu gestalten, dass es für den Patienten ein Ganzes ergibt, konkreter ausgedrückt ein Streben nach innerer Harmonie in der Kombination von Beruf / Arbeit – Freizeit, Kunst & Genuss – Gesundheit & Wellness, erreichbar durch die Teilnahme an auf die Persönlichkeit und Probleme des Patienten abgestimmten Maßnahmen der Ergo- und Sporttherapie (siehe 10.2). Als Psycho- oder Sozialtherapeut führt der Bezugstherapeut die klassischen Verfahren der Verhaltenstherapie wie Diagnostik einschließlich Verhaltens- und Plananalyse, die Erstellung und Verabschiedung eines Therapieplans gemeinsam mit dem Patienten und die Durchführung der indizierten Interventionen (z.B. Aktivitätstraining, Kognitive Umstrukturierung, Kommunikationsübungen). Außerdem ist der Einzeltherapeut, falls notwendig, für pädagogische Interventionen zuständig, um dem Patienten das Vermeiden von Verstößen gegen die Hausordnung oder von ungeschicktem Sozialverhalten zu erleichtern. Die Psychotherapie im Einzelkontakt 46 orientiert sich an den Wirkfaktoren von Grawe (1998): Ressourcen-Aktivierung, Problemaktualisierung, Klärung und aktive Hilfe zur Problembewältigung. In Anlehnung an das 7Phasen-Modell von Kanfer & Grimm (1980) und an das Rubikon Modell von Heckhausen (1977a, b, siehe Anhang) ist die Einzeltherapie in fünf aufeinanderfolgende aber sich überschneidende Phasen aufgeteilt (Vollmer & Domma-Reichart, 2010a): a) Diagnostik: in dieser Phase erfolgt, ebenso wie in der Medizin, eine erneute Prüfung der Überweisungsdiagnosen, hier durch die Verhaltensanalyse, und es wird versucht den Patienten ganzheitlich zu erfassen: manifeste Symptomatik entsprechend den ICD F-Diagnosen (z. B. Persönlichkeitsstörungen, affektive Störungen), mentale Körperfunktionen (z. B. Funktionen der Orientierung, Funktionen von Temperament und Persönlichkeit), Aktivitäten und Teilhabe (z. B. Kommunikation, Haushaltsaufgaben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen) und Umweltfaktoren (z. B. das Vorhandensein von Produkten für die Erwerbstätigkeit, Lebensbedingungen Unterstützung durch Personen). b) Therapiekompetenz: mit den Zielen einer Rollenstrukturierung, Vermittlung von Kompetenzen zur Vermeidung oder Bewältigung kritischer Situationen während der Therapie, pädagogischen Maßnahmen bei störenden Fehlverhaltensweisen, Festigung der Motivation zur stationären Behandlung und zur Abstinenz während der Behandlung und Definition von Zielen, die der Patient während der stationären Behandlung erreichen möchte, c) Erprobungsphase: in dieser Phase werden kognitive, emotionale und behaviorale Reaktionen ausprobiert, die für den Patienten nach der Behandlung hilfreich sein könnten. Es werden Ziele angestrebt, die mit dem Patienten vereinbart worden sind und es werden abstinenzfördernde Kompetenzen für nach der Therapie vermittelt (z. B. Bewältigung unangenehmer Gefühle, angemessener Umgang mit Kritik, selbstsicheres Auftreten beim Ablehnen von Alkoholangeboten, Konflikte in der Familie klären). Für Verhaltensänderungen die aus therapeutischer Sicht – im Gegensatz zur Einstellung des Patienten – unbedingt notwendig sind, werden motivierende Interventionen eingesetzt. d) Motivierungsphase: es erfolgt die Motivierung zur Abstinenz für nach der Therapie und für abstinenzfördernde Verhaltensweisen. In diesem entscheidenden Abschnitt der Behandlung sollten die Patienten durch motivierende Gesprächsführung und andere motivierende Interventionen von sich aus, ohne sich vom Therapeuten gedrängt zu fühlen, den Rubikon überschreiten, um dann die in der Phase der Therapiekompetenz und der Erprobung vermittelten psychischen Fertigkeiten zur Aufrechterhaltung der Abstinenz unter normalen alltäglichen Bedingungen in die Tat umzusetzen. e) Volitionsphase: es werden Handlungen für die Zeit nach der Therapie vereinbart; Umsetzung abstinenzfördernder Verhaltensweisen in und außerhalb der Klinik in Ausgängen und auf Heimfahrten; Korrektur der Verhaltensweisen und erneutes Training; falls notwendig erneute Motivierung zu einzelnen abstinenzfördernden Verhaltensweisen; sehr konkrete Planung der ersten Monate nach Therapieende und Einleitung der ersten Schritte für die Umsetzung der Planung. Nicht nur zur Erreichung einer langfristigen Abstinenz orientiert sich der Bezugstherapeut an den fünf Therapiephasen, sondern auch zu der Erreichung weiterer Ziele, die er mit dem Patienten verfolgt. Dazu gehören die Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit, der Aufbau von 47 Fertigkeiten, die die Wahrscheinlichkeit für eine (Beibehaltung der) Erwerbstätigkeit erhöhen, der Aufbau von Fertigkeiten für ein abstinentes Leben bei vorübergehender Arbeitslosigkeit und die Reduzierung komorbider psychischer und somatischer Störungen und manifester Symptome, die nach der Behandlung eine akute Rückfallgefährdung bedeuten und daher nicht auf die Folgebehandlung oder –betreuung verschoben werden sollte. Fertigkeiten, die der Patient in den Indikativen Gruppen gelernt hat, werden in der Einzeltherapie gefestigt und subjektive Probleme, die für den Patienten in der Ergo- und der Sport- und Bewegungstherapie und im Rahmen des Sozialdienstes auftreten, werden in der Einzeltherapie bearbeitet, falls es mehrere Patienten betrifft und von allgemeinem Interesse ist auch in der Bezugsgruppe. 8.2.2 Bezugsgruppe In der Bezugsgruppe sind alle Patienten eines Therapeuten über den gesamten Behandlungszeitraum versammelt. Gemeinsamer Gegenstand der Arbeit ist das Verstehen, Akzeptieren und Bewältigen der Störung durch psychotrope Substanzen und der damit zusammenhängenden komorbiden Störungen und Probleme. Das zugrunde liegende Konzept hat seinen Ursprung bei Grawe, Dziewas & Wedel (1980) und bei Brown & Yalom (1977). In der Bezugsgruppe werden im verhaltenstherapeutischen Kontext sowohl systemische als auch tiefenpsychologische Ansätze berücksichtigt. So haben zum Beispiel Heigl-Evers & Heigl (1987) aufgrund theoretischer und praktischer Erwägungen Änderungen an der tiefenpsychologisch orientierten Gruppentherapie bei Süchtigen vorgenommen, die sie als „das Prinzip Antwort“ in ihrer psychoanalytisch-interaktionellen Therapie bezeichnen. Die Unterschiede zum verhaltenstherapeutischen Vorgehen sind wesentlich geringer als viele Berufsanfänger dieser beiden Therapierichtungen vermuten, was auf mehreren gemeinsamen Suchttagungen sehr gut deutlich wurde (z. B. Heigl-Evers, Vollmer, Helas & Knischewski, 1988; HeiglEvers, Helas & Vollmer, 1993; Heigl-Evers, Helas & Vollmer, 1995). Ebenso verhält es sich mit systemischen Ansätzen, bei denen wir uns an Thomasius (2000) und Thomasius & Küstner (2005) orientieren. Der Schwerpunkt liegt aber in der interaktionellen verhaltenstherapeutischen Gruppentherapie. Ende der Woche, am Freitag werden jeweils drei Bezugsgruppen zusammengefasst, die Patienten reflektieren die Woche und berichten ihre Wochenendplanung. Allgemeine Ziele, die sowohl in den einzelnen Bezugsgruppen als auch in der zusammengelegten Bezugsgruppe verwirklicht werden sind (Yalom 1974): Erleben, dass man mit dem eigenen Leiden nicht allein dasteht, sondern es mit anderen teilt. Durch das Miterleben, wie andere mit ihren Problemen allmählich besser fertig werden, Hoffnung schöpfen. Die Erfahrung machen, für andere wichtig zu sein und ihnen helfen zu können. Gefühle zulassen und offen äußern. Das Wiedererleben und Bearbeiten von Beziehungssituationen, die denen in der eigenen Familie ähnlich sind. Zusammengehörigkeit erleben und selbst etwas dazu beitragen. Einsichten in das eigene seelische Funktionieren gewinnen. Offene Rückmeldung bekommen, welche Wirkung man mit seinem Verhalten bei anderen erzielt. Verantwortung für sich selbst übernehmen, für die eigenen Gefühle, Meinungen, den Charakter und das Leben, das man führt. 48 Neues zwischenmenschliches Verhalten lernen und erproben. Hilfestellung und Anleitung durch andere Gruppenmitglieder und den Therapeuten erfahren. Indirekte Lernerfahrungen machen, indem man sich mit anderen Gruppenmitgliedern identifiziert. Die Aufgabe des Therapeuten ist die Steuerung der Gruppenprozesse, ohne ein vorgegebenes strukturiertes Manual, um die obigen allgemeinen Ziele zu erreichen unter Wahrung der spezifischen Rehabilitationsziele und Umlenkung des manchmal chaotischen Verhaltens der Gruppenmitglieder in konstruktive Problemlösungen. Außerdem hat der Therapeut die Aufgabe die Gruppensitzungen ressourcen- und lösungsorientiert zu gestalten und zu beachten, dass die Thematik von (fast) allen Gruppenmitgliedern als persönlich relevant und als zielorientiert erlebt wird. 8.2.3 Rückfallprävention Die Prävention von Rückfällen und Strategien zur Beendigung eines Rückfalls sind zentrale Themen dieser Gruppe. In dieser Gruppe lernt der Patient kognitive, emotionale und behaviorale Strategien wie er seine Abstinenz nach der Behandlung aufrechterhalten kann bzw. für Patienten ohne eine F10.2 Diagnose, wie sie Punktabstinenz erreichen können. Folgende Themen werden in dieser Gruppe behandelt, die sich an das Vorgehen von Schneider & Kramer (2009) orientiert: Therapieziele: Der Patient stellt seine anfänglichen persönlichen Therapieziele (und seinen Therapieplan) zur Diskussion. Suchtentwicklung: Anhand einer für alle sichtbar aufgemalten so genannten „Lebenslinie“ erläutert er die Entwicklung seiner Sucht und möglicher Zusammenhänge mit Lebensereignissen. Er beschreibt „Wendepunkte“, an denen sein Alkoholkonsum zugenommen bzw. abgenommen hat. Abwehrmechanismen: Der Patient listet zunächst alle negativen Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf und erläutert dann, auf welche Weise er früher gegenüber sich und anderen versucht hat, diese zu verheimlichen bzw. zu verharmlosen: „Wie habe ich es geschafft, das nicht wahrzunehmen, wichtig zu nehmen und als Anlass für Veränderungen zu nehmen?“ Die Mitpatienten vergleichen dies mit ihren eigenen Abwehrmechanismen. Abhängigkeitsverständnis: Der Patient stellt seine persönliche Ansicht zur Diskussion, woran er festmacht, dass er abhängig ist. Patienten, die sich nicht für abhängig halten, können dies begründen und zur Diskussion stellen. Therapiezwischenbilanz: Der Patient stellt ungefähr zur Hälfte der geplanten Therapiezeit seinen bisherigen Therapieverlauf zur Diskussion und bittet um Rückmeldung. Abstinenz-Gefährdungs-Situationen: Der Patient erläutert, welche Situationen für ihn ein besonderes Risiko enthalten, dass die Abstinenz unterbrochen oder für längere Zeit beendet wird. Gemeinsam mit den Mitpatienten werden die wichtigen Bestandteile der Risikosituationen des Patienten herausgearbeitet. 49 Ablehnungstraining: Der Patient übt im Rollenspiel das selbstsichere Ablehnen von Alkoholangeboten in sozialen Verführungssituationen. Er stellt hierbei zur Diskussion, in welchen Situationen er sich zu seiner Abhängigkeit bekennen will und in welchen nicht. Argumente für Abstinenz vertreten: Der Patient stellt die wichtigsten Gründe für seine künftige Alkoholabstinenz in der Therapiegruppe zur Diskussion. Die Mitpatienten sollen und dürfen versuchen die vorgetragenen Argumente gezielt zu attackieren und zu widerlegen. Rückmeldung: Der Patient erbittet von seinen Mitpatienten eine begründete Stellungnahme, inwiefern er eingeschätzt wird, ein abstinentes Leben zu schaffen und woran er noch arbeiten sollte. Bewältigte Abstinenz-Gefährdungs-Situationen: Es werden Situationen berichtet, die für die Patienten kritisch waren und wie sie diese Situationen erfolgreich bewältigt haben, seien es Situationen in der Klinik oder auf Heimfahrten. Konkrete Planung: Die Patienten schildern ganz konkrete Pläne für die Zeit nach der Therapie mit besonderem Schwerpunkt auf der ersten Wochen. Diese Pläne beinhalten Umgang mit kritischen Situationen, Vorsätze und konkrete Nachsorgebemühungen (z. B. Selbsthilfegruppenbesuch, ambulante Weiterbehandlung). 8.2.4 arbeits- und berufsbezogene psychologische Therapie Ebenso wie die Einzeltherapie, die Bezugsgruppe und die Rückfallprävention ist die arbeits- und berufsbezogene Gruppe für alle Patienten verbindlich. Ziel ist die Verbesserung der behavioralen, emotionalen und kognitiven Kompetenz sowohl für Erwerbstätige, Personen in Ausbildung, Arbeitslose und für Rentner. Einerseits können die Gruppen voneinander profitieren, andererseits werden sie bei sehr spezifischen Themen in Kleingruppen aufgeteilt. Unter anderem hat diese Gruppe folgende Themen, die psychotherapeutisch behandelt werden: Zufriedene Arbeitsgestaltung, Zeitmanagement, Arbeiten als Arbeitsloser, Freizeit bei Arbeitslosigkeit, Freizeit bei hohem Arbeitsanfall, Stress am Arbeitsplatz, Kommunikation mit Arbeitskollegen, Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Teamarbeit etc. Beruflich belastende und auch erfolgreiche Situationen werden analysiert, und es werden adäquate Strategien zum Umgang mit schwierigen Situationen vermittelt. Anhand von Problem- und Verhaltensanalyse werden spezifische Belastungssituationen erarbeitet und problematische Reaktionen identifiziert. Dabei werden dysfunktionale Gedanken und inadäquate Bewertungen in Bezug auf beruflich bedingte Ereignisse mittels kognitiver Methoden umstrukturiert. Zur Erweiterung sozialer Fertigkeiten zum Umgang mit schwierigen Situationen werden am Beispiel eigener Anliegen alternative Bewältigungsstrategien in Rollenspielen geübt. Positive Erfahrungen und schwierige Situationen in der Ergotherapie werden regelmäßig reflektiert. Konkrete Vorsätze für die berufliche Zukunft und für erwartete schwierige Situationen am Arbeitsplatz werden von den Patienten definiert. Diese Gruppe ist eng vernetzt mit der Ergotherapie und dem klinischen Sozialdienst. 50 9 Sozialdienst 9.1 Diagnostik In der ersten Woche der Rehabilitationsbehandlung wird durch den Sozialdienst abgeklärt, ob bei einem Patienten in folgenden Bereichen Probleme vorliegen: in der Existenzsicherung, wie z.B. Übergangsgeld, Sozialhilfe, Beihilfen, Klärung von Ansprüchen, Schulden bzgl. der beruflichen Situation wie z. B. Gefährdung des Arbeitsplatzes, Kündigung vor Antritt der Rehabilitation, Arbeitslosigkeit und Gründe dafür, Berufliche Perspektiven bzgl. der Wohnsituation, z. B. Zustand der Wohnung, Mietvertrag (z. B. Kündigung), Miete geplante Nachsorgemaßnahmen, z. B. Vermittlung in Adaption, Betreutes Wohnen Für Patienten mit Problemen am Arbeitsplatz oder arbeitslose Patienten wird eine erweiterte Berufsanamnese erstellt. Diese Anamnese beinhaltet: a) Erfassung der Problemfelder am Arbeitsplatz und Klärung von Wünschen des Patienten b) Erfassung der persönlichen Stärken / Fähigkeiten und Schwächen in beruflicher Hinsicht, c) Klärung von Anforderungsprofilen am Arbeitsmarkt, d) differenzierte Ermittlung der Gründe für die Arbeitslosigkeit 9.2 Sozialdienstbetreuung und klinische Sozialarbeit Sozialdienstbetreuung Eine Indikation für die Betreuung durch den Sozialdienst in Einzel- oder Gruppenkontakten liegt vor, wenn der Patienten überfordert ist behördliche, sozialrechtliche oder juristische Probleme zu bewältigen, wie z. B. Unklarheiten mit dem Übergangsgeld, mit Reisekosten für Familienangehörige oder auch juristische Probleme. In der ersten Woche nehmen alle Patienten an einer Informationsgruppe teil, in der die Arbeit des Sozialdienstes vorgestellt und die wichtigsten sozialrechtlichen Fragen geklärt werden. Erfahrungsgemäß ist für fast alle Patienten die Teilnahme an einer der Sozialdienstgruppen für wenigstens einige wenige Sitzungen notwendig. 51 Ein nicht geringer Teil der Rehabilitanden ist in sozialen und existenziellen Nöten, die es zuerst zu mindern gilt, damit überhaupt eine Aufnahmefähigkeit für die Behandlung erreicht wird und die Patienten sich der Therapie ihrer Suchterkrankung zuwenden können. In Gruppen, in denen Patienten mit ähnlichen Problemen zusammenkommen, unterstützen sich die Patienten gegenseitig unter Beachtung, dass sie für sich selbst Verantwortung übernehmen und entsprechend ihren Fähigkeiten im Selbstmanagement Lösungen suchen und in die Tat umsetzen. Sie werden von den Mitarbeitern des Sozialdienstes in folgenden Bereichen unterstützt und angeleitet: die Beantragung von Übergangsgeld: Hier wird im Einzelfall geprüft, ob ein Anspruch besteht; wenn ja, Unterstützung bei der Beantragung unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Richtlinien nach SGB IX die Beantragung von Grundsicherung / „Eingliederungshilfe“: Während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme kann die Zuständigkeit vom örtlichen Träger der Sozialhilfe auf den überörtlichen Träger übergehen. Das ist jedoch von Bundesland zu Bundesland verschieden und muss im Einzelfall geprüft und ggf. neu beantragt werden. Anfragen bzgl. außerordentlicher Beihilfen, wie z. B. Kleidergeld, werden vom Sozialdienst geprüft und beim Kostenträger beantragt. Der Sozialdienst weist die Patienten immer wieder darauf hin, Quittungen für die Praxisgebühr bei externen Arztbesuchen oder Zuzahlungen für Medikamente zu sammeln, damit umgehend ein Antrag auf Befreiung bei der Krankenkasse gestellt werden kann. Vorschüsse: Der Sozialdienst prüft Anfragen der Patienten auf einen Vorschuss in Rücksprache mit den Bezugstherapeuten darauf hin, inwieweit er notwendig ist (therapeutisch indizierte Heimfahrt, Vorstellungsgespräch für Adaption). In Einzelfällen wird der Kauf der Fahrkarten organisiert. Reisekosten: Aufklärung über die Bestimmungen für An- bzw. Abreise sowie für Familienheimfahrten. In Ausnahmefällen muss die Kostenübernahme für zusätzliche Fahrtkosten beantragt werden (z. B. schwere Erkrankung oder Tod eines Familienangehörigen, Sicherung der Wohnsituation, Vorstellungsgespräch bei einem Arbeitgeber, Vorstellung für eine externe Adaptionsbehandlung, Vorstellung bei einem Platz für Betreutes Wohnen) Arbeitssuche: Beratung und Betreuung bzgl. Kontakte zu regionalen Arbeitsämtern (ggf. mit Durchführung von Eignungstests), Fahrten zum BIZ nach Köln Behördenkontakte: Unterstützung bei Kooperation mit Behörden wie Arbeitsamt, Berufsförderungswerke, Berufstrainingszentren Zuzahlung: Klärung und Beantragung der Befreiung von der Zuzahlungspflicht Befreiung der Zuzahlung bei Zahnersatz: Patienten, die ALG II oder Grundsicherung beziehen, können bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Befreiung der Zuzahlung bei Zahnersatz stellen. Der Sozialdienst berät die Patienten und leistet auch hier Hilfestellung. Die MPU-Beratung: Der Sozialdienst kooperiert mit einem MPU-Berater in Köln; er koordiniert und organisiert die monatlich stattfindenden Gruppenberatungen unserer Patienten. Wohnung: Kontaktaufnahme zu Vermietern im Konfliktfall (Mietschulden etc.); Hilfestellung und Motivierung bei der Suche nach einer Wohnung (Zeitung, Internet, Initiativgesuche formulieren); Hilfestellung bei der Beantragung einer Sozialwohnung; Hilfestellung bei der Beantragung von Wohngeld; Beantragung von Darlehen (Sozialamt, Agentur für Arbeit, Arge, 52 Wohnungsamt); Klärung von Nachsorgemöglichkeiten (Betreutes Wohnen, betreutes Einzelwohnen) Klärung rechtlicher Fragen: Die Fragen betreffen das Zivilrecht (Scheidungsrecht, Unterhaltsforderungen, Trennungsjahr, Gewaltschutzgesetz), das Arbeitsrecht (Was tue ich bei einer Kündigung? Was ist bei einem Aufhebungsvertrag zu beachten?), das Sozialrecht (Was kann ich tun, wenn die Arbeitsagentur / Arge, Sozialamt keine Leistungen bewilligt?) und das Strafrecht (Gerichtsverhandlungen, Straftaten, Zeugenaussagen). Der Sozialdienst hilft bei der Klärung solcher Fragestellungen. Zudem besteht ein regionales Netzwerk zu Rechtsanwälten der verschiedenen Fachrichtungen. Finanziell schlecht gestellte Patienten können zudem über einen Beratungsschein vom Amtsgericht des Wohnortes einen Anspruch auf Rechtsberatung erwerben. Die Schuldenregulierung: Sie umfasst die Elemente a) Klärung der Schuldensituation (IstZustand), b) Kontaktaufnahme zu Gläubigern, c) Klärung von Leistungen, d) Schuldnerberatung, e) Insolvenzverfahren und f) Gesetzliche Betreuung. Die Schuldnerberatung durch spezialisierte Berater ist für den Überschuldeten kostenlos. Allerdings ist mit einer Wartezeit von bis zu einem halben Jahr zu rechnen. Wichtig ist deshalb eine frühzeitige Information im Rehabilitationsverlauf. Durch das Internet können sich unsere Patienten ebenfalls bei den einzelnen Beratungsstellen informieren: (www.bagschuldnerberatung.de; www.verbraucherzentrale-hessen.de; www.verbraucherzentralen.de; www.sozialnetz-nrw.de). Neben der Möglichkeit des privaten Insolvenzverfahrens weisen wir unsere Patienten auf mögliche Unterstützungsforen hin, die Darlehen bzw. Gelder zur Schuldentilgung bewilligen (z. B. die „Marianne von Weizsäcker Stiftung“). Wenn alle diese Angebote nicht in Frage kommen und der Patient mit einer Klärung der eigenen Angelegenheiten vollkommen überfordert ist, kann eine Betreuung beantragt werden. Ein Teil der Patienten hat bereits bei Aufnahme eine gesetzliche Betreuung; der Sozialdienst nimmt in diesen Fällen regelmäßig Kontakt zu den Betreuern auf, um den Behandlungsverlauf und die Nachsorgebetreuung gut zu koordinieren. Äußert der Patient den Wunsch, seine gesetzliche Betreuung aufzugeben, wird dies in enger Kooperation mit dem Bezugstherapeuten, Bezugsarzt und der Betreuungsstelle thematisiert, und es werden ggf. „Realitätstrainings“ in Form der Führung eines Haushaltsbuches, der Einteilung des Geldes etc. durchgeführt, um die Eigenverantwortlichkeit der Patienten zu prüfen. Im Verlauf der Behandlung besucht jeder Patient einer Nachsorgegruppe, in der über die verschiedenen Möglichkeiten nach der Rehabilitationsmaßnahme informiert wird. Klinische Sozialarbeit Indikationen für die Teilnahme an Maßnahmen der klinischen Sozialarbeit bestehen, wenn Patienten arbeitslos sind, der Arbeitsplatz gefährdet ist, ein Arbeitsplatzwechsel auf Grund der Suchterkrankung notwendig ist oder wenn sehr starke Belastungen am Arbeitsplatz bestehen, so dass die Abstinenz gefährdet ist. Sowohl in Einzelgesprächen als auch in der Gruppe wird die Planung der beruflichen Zukunft Arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit Bedrohter bearbeitet, im Idealfall im konkreten Bewerbungsverfahren. Der Fokus der Interventionen liegt in der zielorientierten Berufsplanung, vor allem um einen neuen beruflichen Einstieg zu schaffen (Arbeitslosigkeit, Umschulungssuche). 53 Neben einer „Ist-Analyse“, welchen Stellenwert die Arbeit im Leben des Einzelnen hatte oder hat, werden Hintergründe der Arbeitslosigkeit in Gruppen gemeinsam erarbeitet. Im weiteren Verlauf werden zur Klärung einer realistischen Berufsplanung die persönlichen Neigungen und Fähigkeiten eruiert. Bisherige persönliche Kompetenzen und positive Erfahrungen bei der Suche nach Arbeitsstellen werden gefördert. Ein Schwerpunkt der Behandlung liegt in der Vermittlung von Fertigkeiten, die für eine erfolgreiche Suche nach einer Arbeitsstelle notwendig sind: Indikativgruppe: Richtig bewerben In dieser Gruppe werden folgende wesentliche Rehabilitationsziele verfolgt: eine vertiefende psychosoziale Stabilisierung durch die Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die Vermittlung von sozialen Basisinformationen, den Erwerb von Handlungskompetenz, die Erarbeitung von Perspektiven sowie die Aktivierung von beruflichen Ressourcen. Die Gruppe „Richtig bewerben“ ist in zwei Komponenten aufgeteilt. Der Baustein „Bewerbungen schreiben“ bietet allen Patienten im Laufe ihrer Therapie die Möglichkeit, eine Bewerbungsmappe zu erstellen. Die zweite Einheit bildet das „Bewerbungstraining“ im klassischen Sinne und ist für die Patienten indiziert, die über das „Bewerbungen schreiben“ hinaus weitere therapeutische Hilfe benötigen, Handlungskompetenzen aufzubauen. Bewerbung schreiben Inhalt: Selbständiges Nutzen von Online-Jobbörsen (www.arbeitsagentur.de, www.jobpilot.de, usw.) Erstellen eines aktuellen Lebenslaufes unter den Gesichtspunkten: wie gestalte ich einen Lebenslauf, wie gehe ich mit Lücken im Lebenslauf um, etc. Erstellen einer kompletten Bewerbungsmappe mit Berücksichtigung der aktuellen Berufsund Lebenssituation Anpassung einer Bewerbung an die Anforderungen des Arbeitsplatzes Ziele: Der Patient/die Patientin ist am Ende der Therapie im Besitz einer vollständigen schriftlichen Bewerbungsmappe (Deckblatt, Anschreiben, Lebenslauf) und hat diese bei Bedarf auch digital gespeichert Der Patient/die Patientin ist über die Möglichkeiten einer Onlinebewerbung informiert und hat diese ggf. online eingestellt Der Patient/die Patientin wird über verschiedene Möglichkeiten der Arbeitssuche informiert und kann sich schon während der Therapie z.B. über das Internet auf die Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle begeben. Patienten ohne PC-Kenntnisse erhalten zudem eine integrierte PC-Schulung, um ihre persönlichen Unterlagen erstellen zu können (siehe 10.2.1). 54 Bewerbungstraining Inhalt: Ziele: Möglichkeiten der Arbeitssuche Erarbeiten von persönlichen Stärken und Schwächen für eine potentielle Arbeitsstelle Rollenspiele mit Videoaufzeichnung zur Vorbereitung für ein Bewerbungsgespräch Wie gehe ich mit dem Thema „Alkohol und Drogen“ in einem Bewerbungsgespräch um Thema Bewerbungsgespräch: welche Fragen sind erlaubt und wie kann / sollte ich auf nicht erlaubte Fragen reagieren Eigene Fähigkeiten und Schwächen (in Bezug auf eine mögliche Arbeitsfähigkeiten) erkennen Eine Entscheidung in Bezug auf das Thema „Alkohol und Drogen“ bei einem potentiellen neuen Arbeitgeber treffen – bin ich ehrlich, was passiert wenn ich lüge, Alkoholabhängigkeit als Krankheit, etc. Selbstsicherheit und Routine in Bezug auf Bewerbungsgespräche finden sich Wissen zum Thema „wie finde ich eine Arbeitsstelle“ aneignen Patienten für die eine externe Arbeitserprobung indiziert ist, die im Rahmen der Entwöhnungsbehandlung in Kooperationsbetrieben durchgeführt werden kann, erproben ihre in der Gruppe „Richtig bewerben“ vermittelten Fertigkeiten vor Antritt der Arbeitserprobung bei der betreffenden Stelle. 55 10 Ergo- und Sporttherapie Auch in der Ergo-, Sport- und Bewegungstherapie gilt das Prinzip den Patienten in seiner Ganzheit zu erfassen und zu behandeln. Wir haben die Maßnahmen der Ergo-, Sport- und Bewegungstherapie drei Bereichen zugeordnet, entsprechend den Zielen, die mit den Maßnahmen verfolgt werden: Beruf & Arbeit; Freizeit, Kunst & Genuss und Gesundheit & Wellness und dieses Vorgehen im Abschnitt „Prinzipien der Behandlung“ (siehe Anhang) begründet. Angebote aus dem Bereich Sport und Bewegungstherapie befinden sich je nach therapeutischem Ziel in dem Bereich Gesundheit oder Freizeit. Der Bezugstherapeut als Case-Manager achtet auf eine individuelle, patientenspezifische Vernetzung von Maßnahmen der Bereiche Arbeit, Freizeit und Gesundheit. Besonders wichtig ist eine Harmonie zwischen diesen Bereichen für Patienten, die im abstinenten Zustand zu exzessiven Arbeitsverhalten neigen und dadurch ihre Erwerbsfähigkeit schädigen. Wir gehen davon aus, dass alle drei Bereiche gleichermaßen wichtig sind für die Erreichung einer langfristigen Abstinenz und Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit. Beruf, Freizeit und Gesundheit stehen miteinander in Wechselwirkung. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Defizite in der Freizeitgestaltung führen zu Problemen in der Arbeit und können zu Gesundheitsschäden führen. Eine ausgeglichene Lebensgestaltung, eine Harmonie zwischen Arbeit, Freizeit und Gesundheit ist ein guter Schutz vor Rückfällen und vor einer Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. So wird in die Behandlung darauf geachtet, dass alle Patienten Leistungen aus allen drei Bereichen in Anspruch nehmen. An welchen Maßnahmen die Patienten teilnehmen hängt einerseits von ihren Interessen ab und andererseits von der Indikation. Ein Patient mit einer Diagnose Rückenbeschwerden wird motiviert an der Rückenschulung teilzunehmen und eventuell auch am Schwimmen. Ein Patient, der sehr verschlossen ist, dem es sehr schwer fällt über Gefühle zu reden, wird zu der Gruppe Bild und Gespräch motiviert. Sportlich interessierte Patienten nehmen im Bereich Freizeit, Kunst & Genuss an den sportlichen Angeboten teil wie Tischtennis oder Volleyball. Patienten, die weniger sportlich sind, sich mehr für Kunst interessieren, müssen zwar auch an den sportlichen Basisprogrammen teilnehmen, können sich aber mehr auf Veranstaltungen konzentrieren, die eine Auseinandersetzung mit Kunst beinhalten, sei es Malerei, Literatur oder Film. Unser Grundgedanke ist, dass nach den Prinzipien der Indikation und des persönlichen Interesses für jeden Patienten beachtet wird, dass er individuelle Angebote aus den drei Bereichen Arbeit & Beruf; Freizeit, Kunst & Genuss und Gesundheit & Wellness in Anspruch nimmt und dass Planungen erstellt werden, wie nach der Behandlung ein ausgeglichener Lebensstil durch Beibehaltung von Aktivitäten in allen drei Bereichen gewährleistet werden kann. So sollte der Erwerbstätige Planungen entwickeln für seine Freizeit und für seine Gesundheit, um beides zu genießen und Belastungen in der Arbeit besser bewältigen zu können. Ein Rentner hingen sollte Planungen erstellen, wie er seine Freizeit gestalten möchte, wie er ein gesundes Leben führt und welche arbeitsnahen Aktivitäten (handwerkliche Arbeiten im eigenen Haus oder Beschäftigung mit einem Hobby) er in seiner Freizeit durchführen möchte. Im Rahmen des Sozialdienstes erkunden die Patienten bereits während der Behandlung Angebote in ihrer Region und erschließen sich neue Lebensräume, anfangs über Internet, später durch Besuche während ihrer Heimfahrten. Das Case-Management für die Vernetzung der drei Bereiche Beruf & Arbeit; Freizeit, Kunst & Genuss und Gesundheit & Wellness während der Behandlung und für die Zukunftsplanung des Patienten liegt beim Bezugstherapeuten und erfordert eine enge Kooperation zwischen Ergotherapie, Sporttherapie, Medizin, Psychotherapie und Sozialdienst. Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der ergo- und sporttherapeutischen Maßnahmen ist eine umfassende Diagnostik, die von allen Fachbereichen aufeinander abgestimmt durchgeführt wird (Vollmer & DommaReichart, 2010b). 56 10.1 Diagnostik Drei Verfahren werden von Beginn der Behandlung an zur ergotherapeutischen Diagnostik eingesetzt MELBA ist ein Instrument zur beruflichen Rehabilitation und Integration (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1999). Die Abkürzung steht für: Merkmalprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit. Es ist ein wissenschaftlich abgesichertes Assessment-Verfahren in der sozialmedizinischen Diagnostik arbeitsbezogener Probleme, das auch die vorhandenen Kompetenzen ins Blickfeld der Rehabilitanden rückt. MELBA ist ein Verfahren, mit dem einerseits die Fähigkeiten eines Rehabilitanden und andererseits die Anforderungen einer Tätigkeit dokumentiert werden können. Dazu stellt das Verfahren ein Fähigkeits- und ein Anforderungsprofil bereit. Der Vergleich dieser beiden Profile ermöglicht darüber hinaus eine fähigkeitsadäquate Platzierung. Anhand standardisierter Aufgaben, wie z. B. das Herstellen einer Schachtel, werden zu allen berufsbezogenen Schlüsselqualifikationen, für die normierte Werte vorliegen, verlässliche Einschätzungen möglich. Die 29 Bereiche, die in Melba erfasst werden sind: Antrieb, Arbeitsplanung, Auffassung, Aufmerksamkeit, Ausdauer, Durchsetzung, Feinmotorik, Kontaktfähigkeit, Konzentration, Kritische Kontrolle, Kritisierbarkeit, Lernen/Merken, Lesen, Misserfolgstoleranz, Problemlösen, Pünktlichkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Rechnen, Schreiben, Selbständigkeit, Sorgfalt, Sprechen, Umstellung, Verantwortung und Vorstellung. Klinikinternes halbstandardisiertes Interview. Es wurde von Prof. Dr. Wolfgang Domma gemeinsam mit den Ergotherapeuten in der salus klinik Arnsberg entwickelt und es werden diagnostische Informationen zum Arbeits- Freizeit- und Gesundheitsverhalten erfasst. Klinikinternes halbstandardisiertes Interview zu vergangenen und zukünftigen Arbeitsanforderungen, zur Motivation, zur Emotionalen Kompetenz und zur sozialen Kompetenz im Arbeitsbereich. Verhaltensbeobachtungen (Ereignis- und Zeitstichprobe) in der Ergotherapie, die im Dokumentationssystem der Klinik niedergelegt werden und für alle zuständigen Therapeuten zugänglich sind. Nach der medizinischen Untersuchung durch den aufnehmenden Arzt erhalten die Patienten einen Fitness-Check in der Sporttherapie. Getestet werden Ausdauer, Kraft, Koordination und Beweglichkeit. Im Anschluss daran bekommt jeder Patient ein persönliches Beratungsgespräch mit einem Sporttherapeuten von ca. 20 Minuten. 10.2 Leistungsangebote Die Ergo- und die Sporttherapie sollen verloren gegangene oder noch nicht vorhandene Funktionen körperlicher, geistiger oder psychischer Art über handlungsorientierte Aktivitäten verbessern, so dass die Betroffenen größtmögliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit in ihrem Alltags- und Berufsleben erreichen. Die Aktivitäten umfassen lebenspraktisches Handeln, handwerkliche Aktivitäten und gestalterische Prozesse, die zu einer Verbesserung der Handlungsfähigkeit im Alltag, der gesellschaftlichen Teilhabe und der Lebensqualität führen. Dementsprechend umfasst insbesondere die Ergotherapie ein breites Spektrum an Bereichen wie die Arbeitstherapie, Haushaltstraining, Gedächtnistraining, Freizeitkompetenztraining, Kunst- und Gestaltungstherapie. 57 10.2.1 Beruf und Arbeit Während es im Sozialdienst und in der klinischen Sozialarbeit um Arbeitssuche geht (z. B. Bewerbungsschreiben, Vorstellungsgespräche), steht in der Ergotherapie im Bereich „Beruf und Arbeit“ die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses im Zentrum, einschließlich der Arbeit im eigenen Haushalt. Dazu gehört unter anderem, die geforderten und notwendigen Aufgaben einer Arbeitsstelle zu erfüllen, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen, in der Gruppe zu arbeiten, Ordnung am Arbeitsplatz. Die Teilnahme an diesem Bereich ist für alle Patienten sinnvoll: für Erwerbstätige, Arbeitslose, Hausfrauen/-männer Rentner und Auszubildende. Durch gegenständliches und zweckgebundenes Tun wird in diesem Bereich zum Erreichen der Rehabilitationsziele beigetragen. Je nach Gruppe und nach Leistungsfähigkeit wird die Arbeitstherapie individuell auf den Patienten abgestimmt bzgl. der Ziele, der Aufgaben und der Anforderungen. Auch ein Rentner kann von der Arbeitstherapie profitieren, in dem er lernt seinen Tag durch für ihn sinnvolle Tätigkeiten zu strukturieren und noch Fertigkeiten z. B. im Umgang mit Computern oder durch Gartenarbeiten lernt, die er bisher noch nicht beherrschte. Besonders wichtig ist die Arbeitstherapie für Erwerbstätige, Arbeitslose und Auszubildende. Dieser Gruppe werden Aufgaben mit „Ernstcharakter“ gestellt; sie werden gefordert, sich auf ungewohnte oder für ihn schwierige Aufgaben einzulassen und sie erhalten Hilfestellung zu deren Bewältigung. Fehlende Fertigkeiten, die für die Erwerbstätigkeit notwendig sind, können erworben werden wie zum Beispiel handwerkliches Geschick oder Umgang mit Computern. Weitere Zielbereiche sind: Verbesserung der Ausdauer und Stetigkeit, Einhalten von Zeit- und Qualitätsvorgaben, Erkennen und Lösen von Problemen, Verbesserung der Kooperationsfähigkeit. Diese Ziele werden zu Beginn individuell, konkret und transparent definiert und im Prozess adaptiert. In dem Bereich Beruf & Arbeit stehen je nach Indikation folgende Bereiche für die Patienten zur Verfügung: EDV und Bürokommunikation Für Patienten, die bereits Grundkenntnisse im Umgang mit Computern besitzen wird ein Büroarbeitsplatztraining angeboten. Jeweils zwei Patienten arbeiten an Einzelarbeitsplätzen, angeleitet durch eine Bürofachkraft. Anhand von fachspezifischen Übungsunterlagen und SchulungsCD’s bzw. klinikinternen Arbeitsaufträgen (Schreibarbeiten, Führen einer Patientenbibilothek,) werden Arbeiten ergebnisorientiert überprüft. Darüber hinaus wird die Arbeit mit dem Computer auch zur Erfassung der Belastungserprobung und zur Verbesserung der Arbeitsausdauer, des Durchhaltevermögens und der Konzentrationsfähigkeit während der Arbeit eingesetzt. Je nach Kenntnisstand werden den Patienten verschiedene PC-Kurse angeboten: „Computer für Einsteiger“ vermittelt Grundregeln zum Umgang mit Computern bei Anfängern. Die therapeutische Aufgabe liegt darin, Versagensangst vor Computerbedienung abzubauen und Selbstvertrauen hierfür zu entwickeln. Mittels spezieller „Spiele“ sollen die Grundelemente bei Schreiben und Gestaltung von Texten, Speichern und Wiederfinden geübt werden. „Computer für Fortgeschrittene“ vertieft allgemeine Computer-Grundkenntnisse. Dabei werden die erweiterten Möglichkeiten zum Arbeiten mit verschiedenen Programmen, insbesondere Windows und Excel veranschaulicht (Aufbau der Programme, Ordner anlegen, Verknüpfungen herstellen, Möglichkeiten in der Bedienung durch die rechte Maustaste etc.). 58 „Word intensiv“ vertieft speziell die Kenntnisse zum Bedienen vom Schreibprogramm Word. Das Ziel ist, die Arbeitsweise in diesem Standardprogramm zu vereinfachen und höhere Arbeitseffektivität zu erreichen (Einrichten und Benutzen der Symbolleisten, Einfügen von Seitenzahlen, Fußnoten, Querverweisen und Grafiken, automatisches Erstellen von Inhaltsverzeichnissen, Zeichenanimation, WordArt, Spalten, Nummerierungen, Aufzählungen, Rahmen, Tabellen, Formatvorlagen u. a.). Schreinerei und Metallbau Für Patienten, die ihre handwerklichen Fähigkeiten reaktivieren, vertiefen oder auch neu erlernen möchten, bietet sich der Arbeitstherapiebereich Handwerk an. Hier werden Grundarbeitsfähigkeiten in der Holzbearbeitung sowie dem Metallbau vermittelt. Auch spezielle handwerkliche Fähigkeiten (z. B. Malerarbeiten) können in diesem Bereich erlernt werden. Unser moderner Schreinerei-Maschinenraum ermöglicht es, Maschinenkenntnisse zu erwerben, neue Möbel herzustellen sowie alte Möbelstücke aufzuarbeiten. Darüber hinaus sind die Patienten für Werkzeugpflege und Instandhaltung verantwortlich. Dieser Arbeitsbereich gestattet es insbesondere, in Kleingruppen zu arbeiten, dadurch auch Leitungsfähigkeiten und Durchsetzungsvermögen zu erproben. Stress- und Konfliktmanagement am Arbeitsplatz kann in realitätsnaher Umgebung angewendet und umgesetzt werden. Durch Projektarbeiten können Patienten selbstverantwortlich Arbeiten planen, diese entsprechend durchführen und ein Endobjekt fertigstellen. Garten- und Landschaftspflege Die Arbeitstherapie findet entsprechend schwerpunktmäßig in den Außenanlagen der Klinik statt. Inhalt der Arbeit sind die Pflege und Instandhaltung der Grünanlagen. Darüber hinaus wird eine Obstplantage angelegt, die von den Patienten versorgt wird. Des Weiteren sollen in den nächsten Jahren verschiedene Projekte mit der Arbeitstherapie umgesetzt werden: Garten der Sinne; Labyrinth; Grillplatz. Auch Vorschläge der Patienten sollen in diesem Bereich Beachtung finden. Ähnlich wie im Bereich „Handwerk“ bildet die Gruppenarbeit einen Schwerpunkt, so dass u. a. soziale Kompetenzen trainiert werden können. Anstehende Projekte müssen erst geplant werden, so dass auch „Büroarbeiten“ mit in diesen Bereich einfließen. In den beiden Arbeitsbereichen „Handwerk“ und „Garten- und Landschaftspflege“ sollen Synergien genutzt und bereichsübergreifend gearbeitet werden. Soziales und Hauswirtschaft Dieser Bereich ist besonders für die Patienten geeignet, die die sich in den letzten Jahren nicht mehr selbst versorgt haben oder denen grundlegende Fertigkeiten in der Haushaltsführung fehlen. Das Training in Aktivitäten des täglichen Lebens besteht vorwiegend aus praktischen Übungen. Es soll die Patienten befähigen, unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte eine Wohnung zu pflegen und die wesentlichen Arbeiten zu bewältigen, die im Haushalt anfallen. Inhalte sind unter anderem Bügeln, Wäsche waschen, (Anleitung, Benutzung einer Waschmaschine), Tipps zur Raumpflege (Begehung des Patientenzimmers) kleinere Näharbeiten (Knöpfe annähen, Hosensaum umnähen), günstig Einkaufen und schließlich Kochen mit den Themen „Kochen für Singles“; „fettarm Kochen“ und „Kochen für Gäste“. 59 Funktionstraining Neben indikativen Angeboten zum Training des Gleichgewichts, der Koordination und der Wahrnehmung liegt bedingt durch die Folgen des exzessiven Gebrauchs psychotroper Substanzen ein Schwerpunkt in der Verbesserung der kognitiven Fertigkeiten, insbesondere der Gedächtnisfunktionen. Es werden verschiedene Trainings angeboten für Patienten bei denen durch eine neuropsychologische Testung folgende starke Einschränkungen nachgewiesen werden: im Ultrakurzzeitgedächtnis, im Kurzzeitgedächtnis im Langzeitgedächtnis, kognitiven Funktionsstörungen und andauernde Konzentrationsstörung. Je nach Indikation besteht die Möglichkeit zwischen zwei verschiedenen Trainings: Cogpack Computergestütztes Gedächtnistraining Cogpack bedeutet computergestütztes Hirnleistungstraining mittels Computer. Das Programm trainiert alle kognitiven Fähigkeiten, wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Informationsverarbeitung und Problemlösung. Das CogpackProgramm umfasst mittlerweile über 100 Test- und Übungsprogramme mit jeweils mehreren Varianten zu den Bereichen, Visumotorik, Auffassung, Reaktion, Merkfähigkeit, sprachliche/intellektuelle Fähigkeiten und Sachwissen. Ziel ist eine Verbesserung von Konzentrations, Leistungs- und Motivationsstörungen. Im Gedächtnistraining werden Konzentration, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit (Kurz- und Langzeitgedächtnis) sowie das gesamte Spektrum des Denkens trainiert und damit basale Fähigkeiten der Erwerbsfähigkeit verbessert. CAT Im Gedächtnistraining „CAT“ werden mittels diverser bewährter Übungsmaterialen Denken in Zusammenhängen (assoziatives Denken), Erinnern, Wortfindung, Merkfähigkeit, Konzentration, Kommunikation, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung gezielt trainiert und verbessert. Die Trainingsteilnehmer werden an mentale Strategien herangeführt, die zur Bewältigung der Alltagspflichten von großem Nutzen sind. Für alle Betroffenen, auch für Nichterwerbspersonen, ist der Trainingsfortschritt in diesen Trainingsprogrammen eine der wirksamsten Rückmeldungen für die positiven Veränderungen im Genesungsprozess und damit ein Verstärker für Selbstverantwortung und die weitere Arbeit an sich selbst. 10.2.2 Freizeit, Kunst & Genuss Die Verbesserung der emotionalen Funktionen (z. B. Angemessenheit) und der von Temperament und Persönlichkeit (z. B. Ausgeglichenheit), der Aufbau von Handlungen und Kognitionen, die Voraussetzung für angemessene interpersonelle Interaktionen sind (z. B. auf Gefühle anderer reagieren), die eine Teilhabe am Gemeinschaftsleben erleichtern (z. B. Vereine) und von Handlungen und Kognitionen zur Erholung und Freizeit (z. B. Ausflüge) stehen im Vordergrund des 60 ergotherapeutischen Bereiches Freizeit, Kunst & Genuss, der eng verzahnt ist mit Interventionen der klinischen Sozialarbeit und der Psychotherapie. Ausdrucksorientierte Ergotherapie Im Mittelpunkt der ausdrucksorientierten Ergotherapie stehen Funktionen von Temperament und Persönlichkeit wie Offenheit gegenüber Erfahrungen, Optimismus, Umgänglichkeit und emotionale Funktionen wie affektive Kontrolle und Schwingungsfähigkeit, Übereinstimmung von Gefühl und Situation. Ein Teil unserer Patienten ist in Wahrnehmung und Ausdruck von Emotionen erheblich gestört. Oft ist die Verbindung zwischen dem ursächlichen Geschehen und den zugehörigen Emotionen, Haltungen und Deutungen zerrissen, die Einsicht in das Krankheitsgeschehen eher verschlossen. Bei manchen Patienten ist der Ausdruck von Emotionen sehr wechselhaft und sogar selbst schädigend. Leichte Störungen in diesem Bereich bessern sich oft durch die gestalterische Tätigkeit oder durch die Auseinandersetzung mit künstlerischen Werken im Rahmen des beschäftigungstherapeutischen Angebots. Bei starker Ausprägung ist die Teilnahme an gestaltungstherapeutischen Angeboten indiziert, in denen an den Inhalten und den Strukturen der Gestaltungen sowie an den begleitenden Kognitionen und Emotionen gearbeitet wird. Aber auch sportliche Aktivitäten können sich sehr positiv auf die Psyche der Patienten auswirken (siehe 7.5). Bild und Gespräch Das Ausdrucksmalen und –gestalten ist ein Verfahren, um im Sinne einer Problemaktualisierung nach Grawe (1998) emotionale und biographische Komplexe, Konflikte, Hemmungen, Ängste und Bewertungen zu aktivieren, zum sichtbaren Ausdruck zu bringen, zu betrachten, neu zu erleben und neu zu bewerten. Das Gestalten von Bildern und Skulpturen erfordert den gleichzeitigen koordinierten Einsatz des Körpers, des psychischen und geistigen Vermögens der Menschen. Die dabei aktivierten psychischen Komplexe spiegeln sich in ihrer Struktur und Intensität in der Gestaltung wieder. Bewegungsempfinden, taktile und optische Reize wirken unmittelbar auf den Gestaltungsprozess zurück und hinterlassen Niederschläge in den beteiligten neuronalen Strukturen. Dieser Prozess ist der eigentliche Inhalt der Gruppe Ausdrucksmalen. Es findet ebenfalls eine Realitätsprüfung statt, wie weit die Bilder und Assoziationen mit objektiven Daten, Familienerzählungen etc. übereinstimmen oder divergieren. Das dient der Integration in ein zusammenhängendes Selbstbild. Allein deshalb kann die Bildbesprechung sinnvoll sein. Das Bild ist ganz Eigentum seines Schöpfers, das heißt, er bestimmt, was er vorstellt, wem und wie weit er die Inhalte zugänglich macht, ob und von wem er Anregungen, Rückmeldungen und Kommentare annimmt. Die Interpretation des Patienten ist gültig. Ziele sind: Förderung der Ausdrucksmöglichkeiten von Stimmungen, Fantasien, Ängsten und Haltungen Klären, Verbalisieren und Neustrukturieren von affektivem Erleben, Konflikten, Beziehungs- und Motivationsgeflechten Aufgabe übersteigerter Kontrolle Verbesserung der emotionalen Regulation verbessertes Verstehen und teilweise Aussöhnung mit dem Krankheitsgeschehen. 61 Indikationen: Patienten deren Gefühlsausdruck einer Hemmung unterliegt, deren unstrukturierter, evtl. überschießender Gefühlsausdruck einer „ordnenden“ Gestaltung zugänglich gemacht werden soll, bei denen bestimmte Komplexe durch Tabuisierung, Traumatisierung, inadäquate Konfliktlösungen… nicht oder schwer zugänglich sind oder unzureichend integriert wurden. Kontraindikation sind folgende komorbide Diagnosen: ICD-10 Diagnose: F20, Schizophrenie ICD-10 Diagnose: F43.1, Posttraumatische Belastungsstörung Leben, um davon zu erzählen In dieser Kunst-, Literatur- und Filmgruppe wird versucht den Patienten einen gesunden Umgang mit Medien, eine kritische und aktive Haltung zu Film und Fernsehen zu vermitteln. Außerdem sollen Lesegewohnheiten aufgebaut werden und ein schöpferischer und kommunikativer Umgang mit den Medien Film, Theater und Literatur. Gemeinsam mit dem Therapeuten wählen die Patienten Gemälde, Literaturstellen und Filme aus, mit denen sie sich ästhetisch und inhaltlich auseinandersetzen. Indikation: diese Gruppe ist für alle Patienten geeignet, die daran Interesse haben, insbesondere für Patienten mit Defiziten in ihrem Freizeitverhalten. Freies Gestalten Im „Freien Gestalten“ haben die Teilnehmer viele Möglichkeiten, in einer überschaubaren Gruppe mit ganz unterschiedlichen Materialien zu experimentieren: Holz (Mobiles, Puzzles, Laubsägearbeiten, Holzbrandtechnik, Schnitzen), Seide / Stoff (Seidenmalerei, Stoffmalerei, Stoffdruck), Papier / Malen / Zeichnen (mit oder ohne Vorlagen, Aquarelle, Buntstiftzeichnungen, Ölkreiden, Filzstifte; Geschenkschachteln, Collagen, Papierobjekte, Papiermaché); Ton, Gips, Töpfern, Encaustik, Gipsmasken, Peddigrohr werken, Speckstein usw. Der Kurs aktiviert die Teilnehmer über die leicht erlernbare Bearbeitung dieser Materialien, führt zu sichtbaren Ergebnissen und wirkt so Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit entgegen. Mitunter sind die Arbeiten langwierig in der Herstellungszeit, und die Teilnehmer arbeiten daran in ihrer Freizeit am Abend und am Wochenende weiter. Einige Räume der Ergotherapie stehen den Patienten zu diesem Zweck an jedem Wochenende und an Abenden zur Verfügung, an denen keine Zusatzkurse angeboten werden. Indikation: für alle Patienten geeignet Interesse des Patienten 62 Freizeitkompetenz In dem Bereich Freizeitkompetenz stehen abwechselnd ergotherapeutische, sozialarbeiterische, sporttherapeutische und psychotherapeutische Interventionen im Vordergrund. Indikationen bestehen besonders für: Patienten mit Defiziten im Freizeitverhalten Patienten, die exzessiv gearbeitet haben aber ebenso für alle Patienten, mit je nach Persönlichkeit und Interessen unterschiedlichen Schwerpunkten Für die Patienten gibt es verschiedene Angebote zu einer nachhaltigen Verbesserung des Freizeitverhaltens. Gemeinsam mit dem Patienten klärt der Bezugstherapeut, welche Aktivitäten der Interessenlage des Patienten entsprechen und am ehesten geeignet sind für die Zeit nach der Behandlung. Es wird darauf geachtet, dass jeder Patient ein breites Spektrum an Freizeitmöglichkeiten kennenlernt und wenigstens einige Male ausprobiert. Computer Computerkenntnisse sind nicht nur für die Arbeitswelt unverzichtbar, sondern auch für die Gestaltung eines zufriedenen Freizeitverhaltens sehr nützlich. So lernen die Patienten in der Gruppe: Zeitmanagement am PC (wie viel Zeit verbringe ich am Computer?) Suchtprävention z. B. bei PC Spielen (was mache ich am Computer?) Sinnvolle Nutzung des PCs für die Freizeitgestaltung (digitale Fotoverarbeitung, Schreibwerkstatt, Erstellen von Visitenkarten, Einladungen, Glückwunschkarten, etc.) Gezieltes „Surfen“ im Internet, zeitlich begrenztes Chatten, Internet als Kommunikationsmittel spezielle Programmnutzung z. B. zum erstellen von Zeichnungen, Routenplanernutzung, Reiseinformationen, Freizeitkalender der Heimatorte Kontaktaufnahme zu Vereinen und ehrenamtlicher Arbeit Sport Im Unterschied zu dem Bereich Gesundheit und Wellness mit den Angeboten der Sport- und Bewegungstherapie, geht es hier um die Vermittlung von Handlungen, die es den Patienten erleichtern sollen, sich auch nach Abschluss der medizinischen Rehabilitationsbehandlung an sportlichen Aktivitäten zu beteiligen. Dazu nehmen die Patienten an verschiedenen sporttherapeutischen Angeboten der Klinik teil. Während im Sport und Bewegung die Verbesserung der aktuellen körperlichen Situation im Vordergrund steht, geht es bei der Freizeitkompetenz, um die (Wieder-)Entdeckung befriedigender und gesundheitsfördernder sportlicher Aktivitäten für die Zeit nach der Therapie. Die sportlichen Bereiche sind so ausgewählt, dass alle Patienten wenigsten an einem Angebot teilnehmen können. Die Patienten können in Absprache mit dem betreuenden Arzt auswählen zwischen Fitness in der Freizeit: Zirkeltraining; Ausdauertraining Tischtennis: Erlernen von Grundfertigkeiten und Technik 63 Badminton: Erlernen von Grundfertigkeiten und Technik Volleyball: Erlernen von Grundfertigkeiten und Technik Wandern, Schwimmen, Radfahren Außerdem besteht für die Patienten die Möglichkeit in ihren therapiefreien Zeiten Sonderangebote des direkt an der Klinik gelegenen Fitnesscenters und Schwimmbades zu nutzen. Kultur in der Region Auch diese Maßnahme ist für alle Patienten geeignet und dient der Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben in der Hoffnung, dass die Patienten Anregungen für die Zeit nach der Behandlung erhalten. Die Lage der Klinik gestattet die Nutzung einer Vielzahl kostengünstiger kultureller Angebote. Das „Bürgerhaus Hürth“ ist ein innovatives Veranstaltungshaus, in dem unterschiedlichste kulturelle Angebote stattfinden. Theater-, Tanz- und Musikaufführungen diverser Genre finden regelmäßig statt. Bekannt ist die „Hürther Jazznacht“, die einmal im Jahr ein großes Publikum von auswärts nach Hürth lockt. Kleinere Hausmessen informieren ihre Besucher über regionale Entwicklungen. Auch das „Feierabendhaus“ in Hürth bietet über das Jahr verteilt unterschiedliche Veranstaltungen an. Im „Löhrerhof Hürth“ finden insbesondere Kabarett, Kleinkunst, Jazzmusik und Veranstaltungen für Kinder statt. Das große Kino UCI bietet die Möglichkeit aktuelle Filme zu schauen. Im traditionsreichen Berli-Kino werden aktuelle und ausgefallenere Filme gezeigt. Hier erhalten unsere Patienten vergünstigten Eintritt. Ebenso findet einmal in der Woche in der Klinik die „Film-AG“ (unter therapeutischer Leitung) statt, in der Filme besprochen und für das „Patienten-Kino“, das jeden Freitag durchgeführt wird, ausgesucht werden. Des Weiteren gibt es in Hürth verschiedene Sportvereine, deren Spiele und Veranstaltungen man häufig kostenfrei besuchen kann. Die Stadt Hürth besitzt eine Stadtbücherei, die Bücher, Hörbücher und Filme verleiht. Die Nähe zu Köln und Bonn ermöglicht es, ein umfangreiches Kulturprogramm zu nutzen, das insbesondere auf einer Vielzahl von Museen aufbaut. Von Klinikseite aus werden Gruppenausflüge mit und ohne therapeutische Leitung in die nähere Umgebung unterstützt. Darüber hinaus werden Patientenbesuche einiger Einrichtungen in Hürth von Klinikseite subventioniert (z. B. Schwimmbad mit Solebad, Kino, Fußballspiele). Falls notwendig werden die Patienten durch einen Therapeuten oder durch Mitpatienten an die Hand genommen, um wenigstens für eine kurze Zeit in neue Lebensbereiche einzutauchen, in der Hoffnung, dass sich dadurch neue Interessen entwickeln oder alte wiederbelebt werden, die ihnen ein abstinentes Leben erleichtern. Zukunftsplanung Mit den Patienten wird gemeinsam festgelegt in welchen Freizeitbereichen (Sport, Gestaltung, PC, Kunst) sie während der Behandlung Schwerpunkte setzen. Im letzten Drittel der Behandlung wird mit ihnen dann gemeinsam ein Freizeitplan für die Zeit nach der Therapie erstellt. Dazu können unter 64 anderem gehören der Besuch von Sportvereinen, Büchereien, VHS-Kursen, ehrenamtliche Arbeiten, Kontaktaufnahme zu alten Freunden ohne Alkohol- und Drogenproblemen. 10.2.3 Gesundheit und Wellness Die Sport- und Bewegungstherapie, die ein Schwerpunkt in dem Bereich Gesundheit & Wellness ist, lässt sich definieren als eine bewegungstherapeutische Maßnahme, die mit geeigneten Mitteln des Sports gestörte körperliche, psychische und soziale Funktionen kompensiert, regeneriert, Sekundärschäden vorbeugt und gesundheitlich orientiertes Verhalten fördert. Sporttherapie beruht auf biologischen Gesetzmäßigkeiten, bezieht besonders pädagogische, psychologische und soziotherapeutische Verfahren mit ein und versucht eine überdauernde Gesundheitskompetenz zu erzielen. Die Ärzte, die Sporttherapeuten und die Bezugstherapeuten motivieren die Patienten in der Klinik deshalb zu gesundheitsfördernden Maßnahmen, wie Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik, Polyneurophathie- und Adipositasgruppe. Wenn es für das Wiedererlangen der Erwerbsfähigkeit zwingend erforderlich ist, werden solche Maßnahmen auch durch den zuständigen Arzt angeordnet, falls alle anderen Motivierungsstrategien scheitern. Das Angebot richtet sich nach den Beschwerden der Patienten. Die Maßnahmen der Sport- und Bewegungstherapie sind bereits ausführlich unter 8.5 beschrieben. Zusätzlich gestattet die Lage der Klinik die Nutzung einer Vielzahl von Gesundheit & Wellness Angeboten. So werden die Patienten bereits während des Aufenthaltes in der Klinik unterstützt für sie passende Angebote in Selbstkontrolle wahrzunehmen, in der Hoffnung, dass sie dadurch auch für die Zeit nach der Therapie die für sie notwendigen sport- und bewegungstherapeutischen Übungen fortführen und ein gesundheitsbewusstes Leben führen. 65 11 Indikative Behandlungsschwerpunkte Während die unter 8.2 genannten psychotherapeutischen Interventionen verpflichtend für alle Patienten sind, da für (fast) alle Patienten eine Indikation vorliegt und von daher keine Probleme bestehen, die Patienten in Gruppen zusammenzufassen, geschieht eine verpflichtende Teilnahme an den folgenden Interventionen nur wenn eine eindeutige Indikation vorliegt. Ob zusätzlich zu der Einzeltherapie eine Gruppe angeboten wird ist abhängig von der aktuellen Prävalenz der psychischen und somatischen Störungen in der Klinik und die Frequenz und Dauer dieser Gruppen ist abhängig von der Anzahl der Patienten mit der betreffenden Indikation. So lag zum Beispiel bei 80 % der Patienten eine Tabakabhängigkeit (F17) vor, bei 28 % eine Schlafstörung (F51), bei 24 % eine depressive Störung (F32, F33, F34.1), bei 10,3 % eine Abhängigkeit von anderen Psychotropen Substanzen als Alkohol (F12, F13, F14, F15, F16, F19) und bei 7 % wurde neben der Abhängigkeit von Psychotropen Substanzen die Diagnose Pathologisches Glücksspiel (F63.0) gestellt. Auf Grund der hohen Prävalenz werden für diese Störungen immer indikative Gruppen angeboten. Wegen ihrer besonderen Bedeutung, ihres Suchtcharakters und des in der Regel hohen Schweregrades nehmen die Patienten mit einer F19 und F63.0 Diagnose an den indikativen Gruppen „Mehrfachabhängigkeit“ und „Spielabhängigkeit“ durchgehend teil, d. h. ebenso wie bei den Bezugsgruppen während ihres gesamten Therapieaufenthaltes. Die Teilnahme an den anderen indikaktiven Gruppen erfolgt je nach individueller Problematik, in der Regel erstreckt sich die Teilnahme über 8 Wochen. Die Dauer der Gruppensitzungen ist abhängig von der Anzahl der Teilnehmer. Sollten sich zum Beispiel nur drei Patienten mit der Diagnose Adipositas in der Klinik befinden, so wird mit den Patienten regelmäßig eine Gruppensitzung von ca. 20 minütiger Dauer durchgeführt. Befinden sich 12 Patienten mit dieser Diagnose in der Klinik, so liegt die Dauer der Gruppe zwischen 60 bis 90 Minuten. Im Folgenden sind nur die Störungen bzw. Interventionen gelistet, zu denen nach unseren Erfahrungen in der Regel mehrere Patienten betroffen sind, so dass die Gruppengröße meistens zwischen 8 bis 12 Personen liegt. Je nach therapeutischer Notwendigkeit werden die Gruppen auch geschlechtsspezifisch getrennt. Sämtliche suchtspezifischen Indikationsgruppen als auch die Indikationsgruppen für komorbide psychische Störungen finden Bezugsgruppen übergreifend statt. Patienten können je nach Indikation und Schweregrad der spezifischen Störung während der gesamten Behandlungszeit an der Indikationsgruppe teilnehmen. 11.1 suchtspezifische indikative Leistungsangebote 11.1.1 Mehrfachabhängigkeit Diese Gruppe ist verpflichtend für polyvalent Abhängige und werden getrennt durchgeführt für Patienten mit - Cannabisabhängigkeit Amphetamin-, Partydrogen- und / oder Kokainabhängigkeit Medikamentenabhängigkeit Bei Mehrfachabhängigen stehen häufig trotz äußerlich erkennbarer Hinweise auf eine Abhängigkeitsentwicklung subjektiv psychische oder psychosomatische Beschwerden im 66 Vordergrund. Da gelegentlich auch der ursprünglich ärztlich verordnete Beigebrauch von Benzodiazepinen im polyvalenten Einnahmeverhalten eine erhebliche Rolle spielt (Künzel et al., 1997), sind bei diesen Patienten die psychosomatische Störungen und die Abhängigkeit von Medikamenten und Alkohol integrativ zu behandeln. Häufige Problembereiche, die bei Mehrfachabhängigen vorliegen, werden in der Einzel- und Gruppentherapie standardmäßig berücksichtigt. Dazu gehören: 1) Früher Drogenkonsum führt bei vielen dieser Patienten zu Defiziten in der Sozialisation, der Reifung und zu einer Verzögerung von Entwicklungsprozessen. Es wurden keine Normen und Werte ausreichend ausgebildet, an denen sie sich orientieren können; erstrebenswerte Ziele fehlen. Dies hat negative Auswirkungen auf Selbstwert, Selbstvertrauen und die Konfliktfähigkeit. Identitätsprobleme verbunden mit einer fehlenden Zugehörigkeit zu sozial angemessenen Gruppen, die Schutz und Geborgenheit bieten und die Reifungsdefizite, erfordern besondere Behandlungsmaßnahmen für diese Patienten, sei es die Vermittlung von Normen, selbstwertsteigernde erlebnisorientierte Angebote, Angehörigengespräche, spezielle sportliche Angebote und weitere individuelle Interventionen, die eine Nachreifung und Identitätsfindung fördern. Zur Erreichung dieser Ziele ist häufig eine Behandlungszeit von mehr als 13 Wochen notwendig. 2) Früher Beginn mit Drogen zum Beispiel mit Cannabis führte bei vielen dieser Patienten zu Problemen in der Schule und in der Arbeit, wenn überhaupt eine Arbeitsstelle jemals angetreten wurde. Bedingt durch die hohe Arbeitslosenquote dieser Patienten sind die arbeits- und berufsbezogenen Maßnahmen und die Ergotherapie von besonderer Bedeutung, so dass in der Gruppe Mehrfachabhängigkeit immer wieder motivierende Interventionen stattfinden zu einer sinnvollen Nutzung dieser Angebote der Klinik. 3) Störungen der Gefühlssteuerung: Im Rahmen einer emotional instabilen Persönlichkeitsentwicklung, depressiver Störungen oder eines gesteigerten Stimulationsbedürfnisses können häufig nur wenige, extreme Gefühle empfunden oder unterschieden werden; es kommt zu innerer Leere, Konfliktvermeidung, geringer Frustrationstoleranz, enormem Konsumverhalten. Schnelllebigkeit, ruheloses Agieren, starker Bewegungsdrang, Suche nach dem nächsten “Kick” bei gleichzeitiger innerlicher Unbeteiligtheit oder scheinbarem Desinteresse an anderen verweisen auf eine Nähe zum Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS). Depressive Störungen können sowohl Ausdruck einer tiefer gehenden persönlichen Problematik sein als auch bloßes Ergebnis des Ausgebranntseins und Rückzugs nach dem Wochenende sowie dem damit verbundenen Verlust an positiven Verstärkern. 4) Störungen im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen: In der Regel besteht noch ein starker Bezug zur Familie, oft negativ oder abwehrend und wechselnd zwischen starker Wut und Schamgefühlen. Die Familie wird häufig als nach außen funktionierend, materiell verwöhnend, aber wenig Wärme gebend, mit hohen Leistungsansprüchen oder sadistischen Zügen eines Elternteils beschrieben. So entsteht gegenüber den Eltern eine Spannung zwischen Dankbarkeit und SichWehren gegen hohe Ansprüche sowie dem Versuch, das eigene Bedürfnis nach Wärme und Zuwendung zu vermitteln. Diese Ambivalenz ist oft nicht bewusst, sondern äußert sich nur im heftigen Wechsel der Bewertung. Im Verhältnis zu Gleichaltrigen besteht eine Tendenz zur Vereinzelung bei gleichzeitig zahlreichen oberflächlichen Kontakten: Die Techno-Szene ermöglicht die Trance in der Masse ohne eine konkrete 67 Szenen-Zuordnung. Der Drogenkonsum erzwingt meistens einen Wechsel des Freundeskreises (User sucht User), so dass mit der Aufgabe des Drogenkonsums kein fester Freundeskreis mehr besteht. Immer wieder erkennen Patienten nach längerer Abstinenz, dass am Beginn ihres Drogenkonsums soziale Ängste und der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit gestanden haben, aber die Gruppenregeln („cool und hip sein“) das Verbalisieren und Erleben der Ängste nicht zuließen. 5) Selbstwertproblematik: Probleme in der Gefühlsregulation, Störungen der zwischenmenschlichen Beziehungen und ein geringes Selbstwertgefühl bedingen sich gegenseitig. Dieser Teufelskreis findet sich bei nahezu jeder psychischen Störung. Bei Mehrfachabhängigen führt die Betonung des Leistungs- und des Lustprinzips zu einer zusätzlichen Destabilisierung des Selbstwerts: Die Betroffenen erwarten von sich, erfolgreich zu sein und viel “Party zu machen”, gleichzeitig haben sie Angst, den Leistungsansprüchen nicht zu genügen, oder sie verschieben die Leistungsbereitschaft in den Freizeitbereich (Maxime ”immer schneller, härter, weiter – breiter”). Das “Ausgepowertsein” nach dem Wochenende führt zu einer Vernachlässigung der Arbeit bzw. Schule und somit zwangsläufig zum Versagen vor den eigenen Erwartungen. 6) Suche nach Sinn und Gemeinschaft: Nachdem die übergeordneten Ziele vergangener Jahrzehnte, wie Demokratisierung, Emanzipation und Ökologie, ihre sinnstiftende Funktion zu verlieren scheinen, bieten sich Musik als Identifikationsmedium und die Fixierung auf das Partyfeiern als Ersatz an. Der Alltag wird als grau und langweilig empfunden, das Leben letztlich als sinnlos; so kann der Wunsch nach (Dauer-) Rausch als Sinnsuche verstanden werden und die Illegalität als zusätzlicher Kick. 7) geringe Veränderungsmotivation: Mehrfachabhängige befinden sich in der Regel - selbst wenn sie sich in eine stationäre Behandlung begeben haben - in der prädezisionalen Phase. Sie sind eventuell bereit den Gebrauch einer Drogen einzustellen, sehen aber keine Probleme im Gebrauch anderer psychotroper Substanzen und vertreten die Einstellung, dass es ihnen gelingen wird Alkohol oder Cannabis reduziert zu konsumieren. Diese Probleme der Patienten verlangen von den Therapeuten ein hohes Maß an Verständnis und Akzeptanz für die Ambivalenz bezüglich des Substanzkonsums und der Therapie. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, Einsicht zu entwickeln, inwieweit bereits ein abhängiges oder missbräuchliches Einnahmeverhalten der verschiedenen Substanzen bestand. Ziele für die Therapie ergeben sich zunächst vor allem aus den Motiven, die bei der Einnahme der Drogen eine zentrale Rolle spielten: die Steigerung der Erlebnisintensität, das subjektive Erleben von Verbundenheit mit anderen und die Sinnarmut des Alltagslebens. Neben der Vermittlung von Fertigkeiten zur Bedürfnisbefriedigung findet auch eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten statt. Der Tendenz zur Resignation dieser Patientengruppe wird durch systematisches, konkretes Arbeiten in kleinen Schritten entgegengewirkt. Erlebnis- und freizeitpädagogische Maßnahmen sind nach unseren Erfahrungen für Mehrfachabhängige hilfreich und werden daher in das Gruppenangebot eingebaut und die Patienten werden motiviert an anderen indikativen Gruppen (z. B. kreative Angebote der Ergotherapie, Angebote der Sporttherapie) teilzunehmen. 68 11.1.2 Spielabhängigkeit Indikation: komorbide ICD-10 Diagnose: - F63.0, Pathologisches Glücksspiel (Spielautomaten, Casino-Spiele, Sportwetten) - F63.8, weitere abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle, wie sie beispielsweise bei pathologischem PC Gebrauch zu finden sind: Computerspiele wie „World of Warcraft” (mmorpg = massive multiplayer online role play game) oder “ego-shooter” (z. B. “Counter Strike”) online-Glücksspiel (z. B. Poker, Wetten, Chatsucht) Ziele dieser Gruppe sind: Abstinenz vom Glücksspiel reflektierter Umgang mit Spielen des alltäglichen Lebens (z. B. Gesellschaftsspiele, Computerspiele, Computernutzung) Angemessenes Geldmanagement, Vorbereitung der Schuldenregulierung über hiesigen Sozialdienst (Kontaktaufnahme mit Gläubigern, ggf. Einleitung eines privaten Insolvenzverfahrens) Diese Gruppe ist vollkommen auf die Problematik der Spielabhängigkeit ausgerichtet. Ursachen und psychische Folgestörungen und –probleme werden in der Bezugsgruppe gemeinsam mit den Patienten, die von psychotropen Substanzen abhängig sind bearbeitet. Zu Beginn der Behandlung wurde mit den Patienten bereits vereinbart, dass sie während der stationären Behandlung alle Glücksspiele (einschl. Lotto, Kartenspiele, Computerspiele) unterlassen und ebenso alle Verhaltensweisen, die für sie persönlich Abhängigkeitscharakter haben (z. B. Internetrecherchen, Fernsehen). In einem ersten Schritt werden mit den Patienten auf der Grundlage verschiedener Spielertypologien (z. B. neurotisches, impulsives oder psychopathisches Glücksspiel) Therapieziele erarbeitet und ein Therapieplan erstellt. Ein gegenseitiger Austausch erlaubt den Patienten ihre eigenen Ziele zu reflektieren. Die in der Abstinenzgruppe erstellte Lebenslinie zum Gebrauch psychotroper Substanzen wird in dieser Gruppe ergänzt durch die Entwicklung des pathologischen Glücksspielens und durch andere exzessive Verhaltensweisen des Patienten. Geleitet durch eine nicht-direktive Gesprächsführung des Therapeuten berichten die Patienten untereinander, wie sie es in der Vergangenheit geschafft haben, Kritik von Bezugspersonen von sich fern zu halten und ihr exzessives Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen. Durch sokratischen Dialog und kognitive Umstrukturierung werden zu diesen die Abhängigkeit aufrechterhaltenen Kognitionen alternative erarbeitet. Außerdem berichten die Patienten in der Gruppe ihre bereits durchgeführten Schritte zur Reduzierung der negativen Folgen (z. B. Schuldenregulierung, Wiederaufnahme von Kontakten zu alten Bezugspersonen, Klärung der durch die Spielabhängigkeit entstandenen Beziehungsstörungen) und es werden weitere Schritte vereinbart. Zu Gefährdungssituationen werden Bewältigungsstrategien erarbeitet, die auf der kognitiven Ebene durch Disputation eingeübt und auf der Verhaltensebene durch Rollenspiele gefestigt werden. Regelmäßig berichten die Patienten, welche Gefährdungssituationen sie erfolgreich wie bewältigt haben und welche Situationen noch eine Überwindung darstellen, um für diese Situationen noch Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Gegen Ende der Gruppe werden ganz konkrete Pläne von den Patienten erstellt für die Zeit nach der Therapie mit dem Schwerpunkt auf die ersten Wochen. Diese Pläne beinhalten Zieldefinitionen, welche Spiele erlaubt und welche nicht 69 erlaubt sind, welche exzessiven Verhaltensweisen sie nicht mehr durchführen werden und wie sie sich in den in der Gruppe identifizierten Gefährdungssituationen verhalten werden. Außerdem stellt jeder Patient vor welche weiteren Schritte er unternimmt, um die negativen Folgen, die durch sein Glücksspiel entstanden sind, zu reduzieren. 11.1.3 Tabakabhängigkeit Indikation: ICD-10 Diagnose: F17.1, schädlicher Gebrauch von Tabak ICD-10 Diagnose: F17.2, Abhängigkeit von Tabak Wunsch des Patienten Da in den Gebäuden und auf dem Gelände der salus klinik - bis auf gekennzeichnete Raucherpavillons im Freien – nicht geraucht werden darf, fühlen sich Raucher in ihren Gewohnheiten und Wünschen erheblich gestört. Infolgedessen werden fast alle Raucher bezüglich dieser Gewohnheit selbstaufmerksam, manche sogar selbstkritisch. Selten aber bilden sie alleine deshalb von sich aus einen Änderungsvorsatz, und noch seltener setzen sie einen solchen Vorsatz in die Tat um. Dazu bedarf es zusätzlicher Anreize oder Hilfen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Patienten dazu zu motivieren, auf das Rauchen ganz zu verzichten oder es zumindest einzuschränken. Unmotivierte oder sehr gering motivierte Patienten erhalten in der Einzeltherapie Interventionen der Motivierenden Gesprächsführung. Patienten, die den Vorsatz haben, von Tabak abstinent zu leben, nehmen an der Gruppe teil. Im "Nichtraucher-Programm" werden verhaltenstherapeutische Grundlagen der Raucherentwöhnung vermittelt. Ziel ist der Aufbau von Fertigkeiten, die eine selbstgesteuerte Beendigung des Rauchens ermöglichen. Neben psychoedukativen Aspekten (Informationen zum Störungsbild) werden dabei Strategien der Entscheidungsbildung (Abwägung der Vor- und Nachteile) besprochen. Vor dem Hintergrund der Selbstbeobachtung des Rauchverhaltens (Anfertigung von Protokollen) wird die konkrete Umsetzung des Rauchstopps (Schlusspunkt- vs. Reduktionsmethode, kurzfristige Bewältigungsstrategien) geplant. Außerdem ist die langfristige Stabilisierung der Tabakabstinenz (Selbstverstärkung, Rückfallvorbeugung) Inhalt der Gruppe. Die zeitnahe Beendigung des Rauchens unter Anwendung der vermittelten Fertigkeiten wird angeregt und therapeutisch begleitet. 11.2 indikative Leistungsangebote für weitere komorbide Störungen Adipositas Indikationen: ICD-10 Diagnose: E66, Adipositas Body-Mass-Index: > 30. 70 Schwerpunkt der Behandlung ist anfangs Halten des Gewichts, dann eine langsame und langfristig geplante Gewichtsreduktion ohne Diät und ohne Einnahme von Medikamenten (zur Entwässerung, zur Beeinflussung des Appetits oder der Nahrungsaufnahme im Darm), dafür mit gezielter Veränderung des Essverhaltens und mit Aktivierung von körperlichem Ausgleichsverhalten (nicht nur gewichtsbezogen, sondern auch zur Minderung bspw. des Herz-Kreislauf-Risikos, das mit Übergewicht einhergeht). Die Anleitung zur Selbstbeobachtung, unter anderem anhand von Essprotokollen, hilft, Zusammenhänge zwischen bestimmten Situationen, den dabei auftretenden eigenen Gefühlen und Gedanken und dem Essverhalten zu klären. Dies trägt mit dazu bei, die eigenen Einstellungs- und Verhaltensmuster und die im Laufe der Jahre erworbenen Gewohnheiten zu erkennen, die zu dem unangepassten Essverhalten und zum Übergewicht geführt haben. Zum Aufbau eines gesunden Essverhaltens gilt es, ganz bewusst Schritt für Schritt ein Gefühl für Appetit, Hunger und Sättigung sowie ein selbstgesteuertes, genussvolles Essen (wieder) zu erwerben. Für persönliche und zwischenmenschliche Schwierigkeiten und Konflikte, insbesondere für diejenigen, die zur Entwicklung der Essstörung beitrugen oder die sie aufrechterhalten, werden neue Lösungen gesucht und erprobt. Ebenso wichtig ist es, ungeachtet des Gewichtes ein besseres Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln, Freude an körperlichen Aktivitäten (wieder) zu entdecken und das Selbstvertrauen in verschiedenen sozialen Situationen zu stärken. In dieser Gruppe werden ebenso wie in der Einzeltherapie die Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge besprochen und gegebenenfalls wird nach passenderen Lösungswegen gesucht. Durch gemeinsames Einkaufen und Kochen von Speisen werden die theoretischen Inhalte praktisch erprobt. Gegen Ende der Behandlung spielt die Rückfallprophylaxe eine besondere Rolle. Hierzu zählen im engeren Sinne Methoden der Selbststeuerung, im weiteren Sinne die Vermittlung ambulanter Weiterbehandlungsangebote oder Selbsthilfegruppen. Angstbewältigung Indikationen: ICD-10 Diagnose: F40, phobische Störung ICD-10 Diagnose: F41, sonstige Angststörungen ICD-10 Diagnose: F60.6, ängstliche Persönlichkeitsstörung Diese Patienten leiden häufig unter starken Angstgefühlen in bestimmten Situationen wie Fahrstuhlfahren, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Kaufhäusern, Menschenmengen, großen Plätzen, Dunkelheit oder Höhe leiden. Bei einigen geschehen die Angstanfälle aus heiterem Himmel ohne erkennbare Auslöser. Die Ängste sind begleitet von intensiven körperlichen Symptomen wie z. B. Herzrasen, Schwitzen, Engegefühl, Schwindel, weiche Knie oder Atembeklemmung. Die Befürchtungen im Zusammenhang mit der Angst sind auf schlimme körperlich-geistige Folgen gerichtet (z. B. Ersticken, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Verrücktwerden) oder soziale Folgen (z. B. Peinlichkeit, Ausgeliefertsein). Aufgrund dieser Angst können bestimmte Dinge nicht mehr getan (z.B. zur Arbeit gehen, aus dem Haus gehen, in Urlaub fahren) oder nur unter intensiver Angst bewältigt werden. Wie diese Beispiele verdeutlichen ist die Behandlung dieser Störungen eine Voraussetzung für die beiden Therapieziele Abstinenz und Erwerbsfähigkeit. In dieser Gruppe werden zunächst Informationen zu Angststörungen vermittelt, zum Beispiel wie die Ängste entstanden sind, warum sie weiter bestehen bleiben, auch wenn sie irrational erscheinen. Im 71 weiteren Verlauf werden anhand typischer Angstsituationen der Teilnehmer auslösende Umstände, begleitende Befürchtungen, die als überwältigend erlebten Gefühle sowie Flucht- bzw. Vermeidungsreaktionen („Angst-Teufelskreis“) individuell analysiert. Mittels spezieller Übungen (z. B. Hyperventilationstest) wird ein Angstzustand gezielt provoziert. Dadurch soll den Patienten erkennbar werden, wie die Hyperventilationstetanie in dem Teufelskreis wirkt und die Angstsymptome verstärkt. Zum Erlernen von alternativen Bewältigungsstrategien werden Expositionsübungen durchgeführt: Bei diesem Verfahren werden die Patienten mit den bislang vermiedenen Situationen konfrontiert. Dadurch lernen sie, unangemessene Befürchtungen zu relativieren und ihre Angst eigenständig zu bewältigen. Diese Indikativgruppe ist nicht sinnvoll für Patienten, bei denen diffuse Ängste, wie beispielsweise Angst vor der Zukunft, vor Versagen oder vor Ansteckung mit Keimen haben bzw. bei denen die Angst, Fehler zu machen, im Vordergrund stehen. Bei starken Ängsten vor Bewertung durch andere Menschen, der Angst, vor anderen zu reden oder zu schreiben (soziale Phobien) ist das Soziale Kompetenztraining angezeigt. Auch Ängste nach traumatischen Erfahrungen (z. B. nach Vergewaltigung, Banküberfall etc., so genannte posttraumatische Belastungsstörungen) sind nicht Inhalt dieser Gruppe. Diese Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen (F43.1) werden einzeln und in Kleingruppen behandelt. Faire Kommunikation Indikation: Patienten mit Problemen im Kontakt zu nahestehenden Personen o Bedürfnisse zu äußern o Konflikte zu lösen o Kritik zu akzeptieren o Kritik angemessen zu äußern Patienten mit den folgenden Persönlichkeitsstörungen, die bisher gut auf die Behandlung ihrer Persönlichkeitsstörung ansprechen o ICD-10 Diagnose: F60.3, emotional instabile Persönlichkeitsstörung o ICD-10 Diagnose: F60.4, histrionische Persönlichkeitsstörung o ICD-10 Diagnose: F60.7, abhängige Persönlichkeitsstörung Bei dieser Gruppe handelt es sich um Patienten mit einer Neigung zu impulsiven Handlungen und Wutausbrüchen in Konfliktsituationen (z.B. mit Kollegen, Familienangehörigen). Sie sind häufig nicht in der Lage bei Auseinandersetzungen mit anderen den eigenen Standpunkt zur Zufriedenheit zu vertreten. Sie haben oft den Eindruck, bei Konflikten unterlegen zu sein. Oder es sind auch Patienten, die in der Partnerschaft oder gegenüber Familienangehörigen ihre Bedürfnisse nicht äußern können. In den ersten Sitzungen werden den Patienten durch standardisierte Übungen Kommunikationsregeln vermittelt. Dazu gehören Fertigkeiten, die bei der Äußerung von Wünschen, Forderungen, Kritik, Meinungen und Gefühlen zu beachten sind und Fertigkeiten, die beim Zuhören solcher Äußerungen für eine gute Beziehung hilfreich sind. Die Patienten lernen dabei eine verbesserte Gefühlswahrnehmung und den Ausdruck angenehmer und unangenehmer Gefühle. Außerdem wird durch Standardübungen vermittelt, wie man Konfliktgespräche durchführt. Nach Kenntnis der grundlegenden Kommunikationsfertigkeiten, werden individuelle Situationen der Teilnehmer bearbeitet. Es werden gemeinsam Lösungen gesucht unter Einsatz der Methode 72 Problemlösen und in Rollenspielen werden auf der Grundlage der Kommunikationsprinzipien alternative Strategien zum bisherigen unangemessenen Verhalten entwickelt. Ziel dabei ist es, die Angst vor Konfliktsituationen zu reduzieren und neue Verhaltensweisen in scheinbar ausweglosen, eingefahrenen Situationen zu erproben. Positiv denken Indikationen: ICD-10 Diagnosen: F32, F33, F34, F43 mit einem Depressionswert im ADS-K (>18) Diese Patienten leiden unter gedrückter Stimmung, Gefühle von Schwermut oder Melancholie, häufiges Weinen, Gefühle der inneren Leere, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht, Einsamkeit und Zukunftsängsten. Sie haben in der Regel Schwierigkeit, täglichen Anforderungen nachzugehen, wegen Antriebslosigkeit sowie Konzentrationsbeschwerden und innere Unruhe. Außerdem liegt häufig Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit und/oder vermindertes Interesse an Sexualität und eine Vernachlässigung früherer Aktivitäten vor. Auf der Grundlage der individuellen Lebenssituation der einzelnen Patienten geht es in dieser Gruppe um die Entwicklung allgemeiner Bewältigungsstrategien für depressives Erleben und Verhalten. Dabei wird zunächst ein grundlegendes Verständnis für die Hintergründe von Depressionen erläutert. Anhand ausführlicher Analysen von individuell typischen Situationen der depressiven Verstimmung werden die entscheidenden Zusammenhänge (Denken, Fühlen, Handeln) erkannt und entsprechend alternative, individuelle Lösungsversuche erarbeitet. Automatische depressogene Gedanken werden als solche identifiziert und kognitiv umstrukturiert. Anhand der Spaltentechnik lernen die Patienten, wie sie in Selbstregulation Neubewertungen vornehmen können. Durch ein Training in positiver Selbstinstruktion lernen die Patienten, sich für persönliche Leistungen selbst zu verstärken und nicht wie bisher selbst alle objektiv erfolgreichen Handlungen in Frage zu stellen. Besonderes Augenmerk liegt in dieser Gruppe auf der Erhöhung der Aktivität durch geeignete Tätigkeiten, dem Erkennen eigener negativer Denkansätze und entsprechend auf der Entwicklung gesunder, den Selbstwert fördernder Denkmuster sowie auf einer geeigneten Rückfallprophylaxe. Schlafqualität Indikation: ICD-10 Diagnose: F51, nichtorganische Schlafstörungen Leiden an Einschlafschwierigkeiten trotz längerer Abstinenz Erwachen in der Nacht und lange Dauer bis zum erneuten Einschlafen Zu frühes Erwachen am Morgen Gefühl, „nicht richtig tief zu schlafen“ Kontraindikationen: Schlafstörungen als Folge von Schmerzen F20 Komorbidität Schwere Depression 73 Alkohol oder bestimmte Medikamente und Drogen erleichtern den Menschen zwar das Einschlafen, aber als Nervengifte und somit für den Körper Stress erzeugende Substanzen führen sie dazu, dass der Schlaf flacher und unruhiger wird. Häufiges Erwachen in der zweiten Nachthälfte und schlechtes Einschlafen können weitere Folgen sein. Das Ziel dieser Gruppe ist es, durch angeleitete Selbstbeobachtung eine kontinuierlich ansteigende Schlafdauer zu erreichen. Das Verfahren basiert sowohl auf physiologischen wie auch psychologischen Prinzipien. Hierdurch wird zum einen eine verbesserte Schlafkontinuität und ein mit den übrigen biologischen Rhythmen synchroner Schlaf-Wach-Rhythmus bewirkt, zum anderen ergibt sich für den Patienten durch den Wegfall stundenlanger Wachliege- und Grübelzeiten eine oft spürbare Entlastung. Zur Erfassung der Schlafdauer wird neben einem Selbstbeobachtungsprotokoll auch elektronisches Gerät zur nächtlichen Verlaufskontrolle eingesetzt, das so klein und handlich ist, dass es die Patienten mit auf ihr Zimmer nehmen und ganz „normal“ damit schlafen können. Am nächsten Morgen geben sie es bei ihrer Ärztin ab, die das Schlafprotokoll über die Schlafstadien dann über den PC auswertet und ausdruckt. Nach der Auswertung und Besprechung der persönlichen und elektronischen Protokolle werden Maßnahmen eingeleitet, welche die Mechanismen (Grübeln, Sorgen, Ärger) weitgehend unterbinden, die den Schlaf stören. Die Ergebnisse diverser Studien zeigen, dass es so zu einer deutlichen Zunahme der Schlafeffizienz kommt, die sich als stabil erweist und einen eventuellen bisherigen Schlaftablettenkonsum in der Regel unnötig macht. Außerdem werden in der Gruppe mit den Patienten sportliche und körperliche Aktivitäten vereinbart In Kombination mit sporttherapeutischen Elementen ist die körperliche Aktivität zur Steigerung der Effektivität des Schlaftrainings sehr wirksam. Selbstsicherheit Indikationen: ICD-10 Diagnose: F60.6 ängstliche Persönlichkeitsstörung ICD-10 Diagnose: F40.1 Soziale Phobie Häufiges Gefühl, die persönlichen Rechte und Bedürfnisse nicht angemessen verwirklichen zu können (z. B. auf Ämtern, beim Einkauf, gegenüber Autoritätspersonen) Schwierigkeiten, in Beziehungen Gefühle und Wünsche mitzuteilen Regelhafte Vermeidung, fremde Menschen anzusprechen oder jemanden um etwas zu bitten Starke Sorgen in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden In der Gruppe "Selbstsicherheitstraining" soll nicht problematisierend und klärend über etwas geredet werden, sondern es wird so viel wie möglich aktiv trainiert, denn die Vermeidung ist das Kernsymptom der sozialen Kompetenzprobleme Selbstunsicherer. Durch die Rollenspiele lernen die Patienten selbstsichere Verhaltensweisen in Abgrenzung von selbstunsicherem und aggressivem Verhalten. Außerdem reduzieren sich durch die Rollenspiele soziale Ängste und selbstabwertende Kognitionen. Begonnen wird das Training mit Standardsituationen, die für unsere Patienten typisch sind und die verschiedenen Selbstsicherheitstrainings entnommen wurden (Hinsch & Pfingsten, 2002; Schneider, 1994; Ullrich & Ullrich de Muynck, 1998). Es handelt sich dabei um Übungen Rechte durchzusetzen, Beziehungen zu gestalten, Sympathie erwerben, Kritik annehmen und äußern, Kontakte herzustellen, unberechtigte Forderungen abzulehnen. Nach der Vermittlung von 74 Grundlagen der Selbstsicherheit und deren Training werden mit den Patienten individuelle persönliche Situationen erarbeitet. Das Vorgehen orientiert sich dabei an dem Personal Effectiveness Training (Liberman et al. 1975). In der Einzeltherapie und in der Bezugsgruppe werden die Themen des Selbstsicherheitstrainings vertieft. Verhaltenstherapeutische Familieninterventionen Unter „Angehörigen“ verstehen wir nicht nur Ehe- bzw. Lebenspartner, Kinder, Eltern, Geschwister und Großeltern, sondern auch wichtige Bezugspersonen wie Freunde und gelegentlich dem Patienten sehr vertraute Arbeitskollegen. Mit allen diesen Personen können je nach Indikation, das Einverständnis des Patienten vorausgesetzt, verhaltenstherapeutisch orientierte Familieninterventionen angewendet werden. Am häufigsten handelt es sich dabei um den Partner oder um Familienangehörige ersten Grades. Die Interventionen finden entweder einzeln mit den Angehörigen oder auch mit Angehörigen mehrerer Patienten zusammen statt. Angehörigenseminar Indikationen: Patienten mit Partner ohne eine F1 Diagnose (F17 nicht berücksichtigt) Patienten mit Angehörigen ersten Grades ohne eine F1 Diagnose (F17 nicht berücksichtigt) Patienten ohne Partner und Familienangehörige ersten Grades, aber mit entfernten Angehörigen, zu denen ein sehr enger Kontakt bestand bzw. besteht, und die keine F1 Diagnose (F17 nicht berücksichtigt) haben Patienten ohne Partner und Familienangehörige, aber mit sehr guten Freunden oder mit sehr vertrauten Arbeitskollegen, jeweils ohne eine F1 Diagnose (F17 nicht berücksichtigt). Die beiden letzten Gruppen sind Ausnahmefälle und es wird in einem Einzelgespräch mit dem Patienten sorgfältig geprüft, inwiefern die Einbeziehung dieser Personen hilfreich ist. Die Einbeziehung nahestehender Familienangehöriger ist vorrangig und geschieht, falls es nicht gelingt, dass diese Personen in die Klinik kommen, in der Einzeltherapie. Da bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten mit familiären oder partnerschaftlichen Bindungen Probleme vorliegen, wird versucht alle Patienten und deren Angehörige zu einer Teilnahme an dem Seminar zu motivieren. Das Angehörigen- bzw. Partnerseminar ist ein wichtiger und seit vielen Jahren bewährter Bestandteil unseres Behandlungskonzeptes. Es basiert auf einem verhaltenstherapeutischen Grundmodell der Bearbeitung von Partnerschaftsproblemen (Hahlweg, Schindler & Revenstorf, 1982). In allen internationalen Standardlehrbüchern findet man zur Bewertungen der Frage, welche Therapiebestandteile sich empirisch als erfolgreich bewährt haben, die verhaltenstherapeutische Paartherapie (behavioural marital therapy) stets an vorderer Stelle (vgl. Edwards, Marshall & Cook 2003). In der salus klinik Friedrichsdorf wurde ein Behandlungsbaustein entwickelt, der Elemente der suchtspezifischen Großgruppe mit paarspezifischen Therapieelementen verbindet (Schneider, 1993, Schneider & Kramer 2009). Dieses Programm wurde von der salus klinik Hürth übernommen. Das Seminar hat folgende Ziele: 75 Information über Abhängigkeit und Verlauf der Krankheit vermitteln Erwartungen und Wünsche wechselseitig äußern lernen Gedanken und Gefühle austauschen, Zuhören lernen Anstoß für Lösungen und ggf. neue Interaktionsmöglichkeiten Notfallplan für Rückfallsituationen entwickeln, Rückfallrisiken gemeinsam erkennen Gemeinsame Pläne schmieden, Ziele vereinbaren (Freizeit, abstinentes Zusammenleben konkretisieren) Änderungen von Regeln und Kommunikationsmustern anstoßen Mit einem spielerischen Eingangsritual zur Frage "Was bedeutet mir meine Familie/meine Partnerschaft?" wird die häufig von Liebe und Harmoniebedürftigkeit getragene Situation unter den Familien erlebbar. In den Antworten spiegelt sich die ganze Bandbreite der Einstellungen wider, sehr selten vollständige Disharmonie und Trennungsabsicht, oft eine Ambivalenz zwischen Hoffnung und Verunsicherung, häufig eine fast naiv wirkende Zuversicht, dass alles vollständig harmonisch wird, hinter der sich aber manchmal nur die Unwilligkeit oder Angst verbirgt , die "Dinge beim Namen zu nennen" und sich mit den Belastungen auseinander zu setzen. Als Folge des so oft verletzten Vertrauens, der Hilflosigkeit, Wut und Resignation, die jeglichen offenen Dialog abwürgte, wurde kaum noch miteinander geredet, so dass das Angehörigenseminar dazu eine Hilfestellung bieten und sicherstellen muss, dass Ehrlichkeit und emotionale Tiefe nicht bestraft werden. Informationen über Abhängigkeit Das Seminar vermittelt den Angehörigen Informationen über das Krankheitsbild Alkoholismus. Unsere Patienten erhalten in ihrer stationären Behandlungszeit vielfältige Möglichkeiten, sich über das Krankheitsbild zu informieren, so dass ihr Wissensstand sich ähnelt. Das Wissen über die Sucht ist bei den Angehörigen hingegen sehr unterschiedlich, zum Teil gab es im Vorfeld wenig Möglichkeit, sich über das Krankheitsbild fachkundig zu informieren, oder es wird die Schwere des Krankheitsbildes noch nicht richtig realisiert. Analog unseren Patientenvorträgen bietet das Seminar die Möglichkeit, durch einen Bezugstherapeuten oder Arzt der Klinik die Entwicklung der Suchterkrankung besser zu verstehen, individuelle Fragen beantwortet zu bekommen und auch die eigene Rolle verstehen zu lernen. Erwartungen und Wünsche wechselseitig äußern lernen In der Entstehung der Suchterkrankung durchlaufen Betroffene und Angehörige verschiedene Phasen. Diese Verläufe werden auch immer wieder in unseren Seminaren deutlich. Im Einzelnen können die Phasen wie folgt beschrieben werden: Beschützer- oder Erklärungsphase: Trinkverhalten anfänglich ebenso verleugnen wie Betroffene, Trinkverhalten erklären und entschuldigen, Gespräche über Alkoholkonsum werden schwerer, erste Ermahnungen weniger zu trinken. Kontrollphase: Zweifel an der eigenen Beobachtungsgabe, verstärkter Versuch, dem Betroffenen „zu helfen“, verstärkte Kontrollen .z. B. Verstecke von Alkohol suchen, von Trinkanlässen fernhalten. Anklagephase: Drohungen aussprechen, jedoch noch ohne endgültige Konsequenzen, sozialer Rückzug, sämtliche Pflichten des Betroffenen werden übernommen. 76 Kapitulation: ernsthafte Trennungsabsichten, die evtl. in die Tat umgesetzt werden, Resignation, Anerkennung, dass man das süchtige Trinken nicht direkt ändern kann. Ziel des Angehörigenseminars ist es, Änderungen der Regeln und Kommunikationsmuster herbeizuführen. Dies setzt voraus, dass verstrickte und gestörte Beziehungen aufgelöst und eine Ebene des gegenseitigen Verstehens (wieder) entstehen kann. In zwei getrennten Gruppen haben Patienten und Angehörige jeweils die Möglichkeit, sich mit den eigenen Wünschen, Sorgen und Zukunftsvorstellungen auseinander zu setzen. Diese werden auf einem Flipchart zusammengefasst. Im Plenum werden daraufhin Patienten und Angehörige wieder zusammengeführt. Es geht dabei nur darum zu erfahren, wie es den Partnern geht. Die Partner sollen hier noch nicht in einen gemeinsamen Dialog treten. Es ist nämlich schwieriger als die meisten ahnen, die Aussagen der Partner erst einmal nur anzunehmen und nicht in eine "Verteidigungshaltung" zu verfallen. Es gibt beim Zuhören manchen "Aha-Effekt" und oft Übereinstimmung in dem Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit, nach mehr gegenseitigem Vertrauen, nach mehr Verständnis für die Situation des anderen, nach mehr Gespräch und Austausch über das, was gefühlt wird, getragen von dem Wunsch, „es gemeinsam zu schaffen". Aber auch die gegensätzlichen Seiten werden sichtbar. Dass die Angehörigen mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung von den Suchtkranken einfordern, dass der Ausstieg aus der Abhängigkeit selbst verantwortet wird, dass sich das Leben nicht nur um den Süchtigen drehen soll. Aus der Sicht der Patienten geht es immer wieder um den Wunsch, dass einem verziehen wird, dass aber auch Verständnis für die Krankheit besteht, ohne in „Watte gepackt“ zu werden. Das Thema Vertrauen spielt auch hier eine große Rolle, die Betroffenen wünschen sich, nicht immer hinterfragt oder "in Frage" gestellt zu werden, dass die Sorge der Angehörigen nicht zu erdrückend, dass Erwartungen an die Zukunft nicht zu hoch gehalten werden. Neben den Partnern, die im Seminar die Mehrheit bilden, kommen aber auch Kinder und Eltern der Patienten zu Wort. Kinder, die sich wieder die Mutter oder den Vater zurückwünschen, Eltern, die die Hoffnung haben, dass das eigene Kind endlich das Leben in den Griff bekommt und sich eine Existenz aufbaut. Die Frage nach Wünschen und Sorgen lässt auch einen gemeinsamen Blick in die Vergangenheit zu, Gefühle werden seit langer Zeit erstmals wieder ausgesprochen, es kommt zu einer Problemaktualisierung. Die Patienten sind diese Gruppenarbeit gewöhnt, für Angehörige ist es nicht selten die allererste Möglichkeit, sich gemeinsam mit anderen Betroffenen über Belastungen der Vergangenheit und Fragen zur Zukunft auszutauschen. Angehörige wie Betroffene erleben auch eine Ressourcen-Aktivierung, wenn sie das eigene Leiden nicht mehr als „Einzelschicksal“ begreifen, sondern es mit anderen teilen und sich in den Lebensgeschichten anderer selbst wieder finden. Um das Erfahrene zu vertiefen, schließt sich nach jedem Plenum eine „Partner-Familienübung“ an. Betroffene und Angehörige gehen nun im kleinen Kreis nochmals im Wechsel in die Erzähler- und Zuhörerrolle. Auch dabei geht es wieder nur um diese zwei Haltungen, die es zu erproben gilt. „Tandem-Runde“ Aufbauend auf die Wünsche und Erwartungshaltungen und die damit erprobten Sprecher- und Zuhörerregeln wird in einem weiteren Schritt der Rahmen ermöglicht, sich über Gemeinsamkeiten, aber auch belastende Gefühle auszutauschen. In unserer „Tandem-Runde“ sitzen die Patienten und ihre Angehörigen ähnlich einem Tandem-Fahrrad hintereinander. Es gibt einen Innen- und einen Außenkreis, jeweils gebildet durch die Angehörigen und die Patienten. Mit der Fragestellung „Was 77 trennt uns, was verbindet uns?“ wird jeder Gruppe für ca. 45 Minuten die Möglichkeit gegeben, diese ambivalenten Gefühle ansprechen zu dürfen. Der Außenkreis übernimmt immer nur die Zuhörerrolle, ein Austausch über das Gehörte findet im Anschluss an die Tandem-Runde in einem Plenum statt. Auch hier geht es wieder um das bessere gegenseitige Verstehen, und Verstehen setzt Zuhören und Reden voraus. Nicht selten ist diese Runde für Patienten eine Möglichkeit, sich öffentlich bei ihren Angehörigen nochmals für die zugeführten Verletzungen zu entschuldigen, was emotional sehr bewegend sein kann. Durch das Zulassen und Äußern von Gefühlen kommt es dann zu einer Intentions-Veränderung: Patienten und Angehörige erleben durch Rückmeldung die Möglichkeit, mit mehr Eigenverantwortung die eigene Haltung und das eigene Verhalten zu reflektieren. Gerade aber auch das Benennen von Gemeinsamkeiten dient als (Wieder-) Aufbau positiven Erlebens und gegenseitigen Zutrauens und bietet somit eine aktive Hilfe zur Problembewältigung. Zukunftsplanung Bei diesem Thema geht es um einen Ausblick auf die Zeit nach der Entwöhnungsbehandlung. Er beinhaltet ganz alltägliche Fragen, wie „Wollen wir eine alkoholfreie Wohnung?“, bis zu manchmal heiß diskutierten Themen, ob etwa Angehörige selbst noch Alkohol konsumieren sollten und in welcher Form die von dem Angehörigen übernommene Verantwortung in der Phase der aktiven Sucht wieder an den Betroffenen zurückgegeben wird. Es gilt im Einzelfall zu erarbeiten, wie eine zufriedene Abstinenz im Alltag der Partnerschaft und Familie aussehen kann und vielleicht schon erste Schritte zu konkretisieren. Grundsätzlich gilt: Um einen guten Transfer der therapeutisch induzierten Veränderung in den Alltag zu gewährleisten, bedarf es auch der Information und Vermittlung weiterer Nachsorgemöglichkeiten. Zum Abschluss des zweitägigen Seminares erhalten alle Teilnehmer Broschüren, Adressen und Infomaterial gängiger und bewährter Nachsorgemodelle (ambulante Rehabilitation, Suchtberatung, Selbsthilfe, Fachstellen, Literatur, Internet...). In den Nachbesprechungen, die für die teilnehmenden Patienten verbindlich zu den Seminaren gehören, wird oft berichtet, dass „ein Stein ins Rollen“ gekommen sei, dass man zum gemeinsamen Gespräch (zurück-) gefunden habe und dass man oft auch wieder mehr Gemeinsamkeiten entdeckt und praktiziert habe. Damit scheint die mit dem Seminar verbundene Zielsetzung einer Verstetigung des Rehabilitationserfolges durch die Einbeziehung Angehöriger in vielen Fällen tatsächlich erreicht worden zu sein. Familiengespräche An den Familiengesprächen nehmen der Patient und Angehörige teil. In der Regel wird in der Behandlung Wert gelegt – in Rangreihe der Wichtigkeit – auf die Teilnahme von: Partner, Eltern bei jüngeren Patienten, Kindern bei älteren Patienten, Geschwister, Großeltern und weitere sehr nahestehende Familienangehörige. Die Ziele und Interventionen entsprechen zu einem großen Teil dem Vorgehen der Angehörigenseminare mit dem Unterschied, dass in den Familiengesprächen auch sehr persönliche Themen behandelt werden können. Bei jungen Abhängigen ist zu beachten, dass ein Ziel der Gespräche mit den Eltern auch eine vorübergehende Distanzierung sein kann. Drogenabhängige, die sich nach der stationären Behandlung von ihren Eltern distanzierten, keinen Kontakt mehr zu ihnen hatten, lebten zur Drei-Monats-Katamnese eher abstinent (Vollmer & Krauth, 2000). Die Festlegung der Ziele für den Kontakt mit seinen Angehörigen liegt bei dem Patienten, der 78 Therapeut unterstützt ihn durch eine nicht-direktive Gesprächsführung, dass der Patient für sich richtige Entscheidungen trifft. Die Familiengespräche eignen sich sehr gut für die Erhebung diagnostisch wertvoller Informationen. Es ergeben sich zusätzliche Informationen, die für die Therapieplanung wichtig sind und denen der Patient in der Exploration keine Bedeutung beigemessen hat oder die er verdrängt hatte, da sie ihm unangenehm sind. Außerdem eignen sich die Familiengespräche sehr gut zur Analyse von Interaktionen zwischen den Mitgliedern. High-Expressed-Emotion-Situationen, die eine Rückfallgefährdung bedeuten werden erkannt, so dass interveniert werden kann. Ferner lassen sich die Oberpläne des Patienten in der Kommunikation mit seinen Angehörigen leichter identifizieren als in einer normalen Exploration. Bei Indikation und in Absprache mit dem Patienten werden Zweiergespräche mit einem Familienangehörigen und dem Patienten durchgeführt, in denen sehr ähnliche Interventionen eingesetzt werden wie in den Partnergesprächen. Paar-Interventionen Es wird versucht mit allen Patienten, die einen Partner haben wenigstens ein bis zwei Partnergespräche durchzuführen. Neben den Themen des Angehörigenseminars und der Familiengespräche gehören zu den Standardthemen die von Fahrner (1990) ermittelten Bereiche, die für viele Beziehungen in denen einer abhängig ist, problematisch sind: Kommunikation (z.B. Bedürfnisse und Wünsche äußern, Konflikte ansprechen) Rückfall (z.B. Angst vor einem Vorfall (lapse), Verhalten bei einem Vorfall) mangelnde Zärtlichkeit (Häufigkeit und Art, Initiative zu Zärtlichkeiten) Sexualität (gegenseitige Wünsche, Häufigkeit, Probleme) Erziehung der Kinder (Freunde der Kinder, Schule, Anwesenheiten zu Hause). Weitere Themen sind (Vollmer & Domma, 2005): Berufliche und familiäre Zukunftsplanung Gegenseitige Erwartungen Gegenseite Wünsche Schuldfrage bzgl. der Kommunikationsprobleme Aktuelle Konflikte. Konflikte werden nach dem Schema des Konfliktgespräches (Hahlweg et al., 1982) bearbeitet mit dem Ziel, einen aktuellen Konflikt zu lösen und mit dem Ziel dem Paar (oder dem Patienten und seinem Vater) Strategien zu vermitteln, wie Konflikte ohne fremde Unterstützung geklärt werden können. Ein Schwerpunkt der Konfliktgespräche liegt in ressourcenorientierten Interventionen. Dazu gehören die Sammlung und Planung von angenehmen gemeinsamen und getrennten Aktivitäten und gegenseitige Verwöhntage. Den Partner-Interventionen sei es mit dem Lebenspartner oder mit einem Elternteil oder einem älteren Sohn/Tochter wird ein hoher Stellenwert beigemessen. Ein funktionierendes soziales Netwerk ist ein entscheidender Einflussfaktor für die Aufrechterhaltung der Abstinenz. Im Gegensatz zur Familien- oder Partnertherapie kommen die Angehörigen nicht als Patienten zu den Gesprächen, sei es Angehörigenseminar, Familiengespräche oder Paar-Interventionen. Die Kunst des 79 Therapeuten besteht darin, den Angehörigen zu vermitteln, dass sie keine Patienten sind und trotzdem Änderungen für sie und für den Patienten hilfreich für verbesserte Beziehungen sind. Dazu muss der Therapeut eine neutrale Rolle gegenüber allen Familienmitgliedern einnehmen und jeden einzelnen vor unnötigen Verletzungen schützen und in der Auseinandersetzung mit anderen Familienmitgliedern stützen. Verbündet sich der Therapeut mit den Eltern, so wird die therapeutische Beziehung zum Patienten gestört, verbündet er sich mit dem Patienten, so besteht die Gefahr, dass die Eltern direkt oder indirekt gegen die Therapie arbeiten werden. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, ist für den Therapeuten kollegiale Supervision notwendig und schwierige Gruppensituationen werden von zwei Therapeuten geleitet (Vollmer, Wacker, Böhmer, et al., 1993). In Absprache mit dem federführenden Leistungsträger besteht bei entsprechender Indikation für den Partner eines Patienten die Möglichkeit, an einer kompletten Therapiewoche teilzunehmen. In diesem Fall nimmt der Partner an einer anderen Bezugsgruppe als der Patient teil und es finden mehrere Einzelgespräche und gemeinsame Gespräche mit Beiden statt. Familieninterventionen ohne Familie Sowohl bei Patienten bei denen es nicht gelingt Familienangehörige zu einem Besuch der Klinik zu bewegen, als auch bei Patienten mit Angehörigen, die an einer oder mehreren Maßnahmen der Klinik teilgenommen haben, werden in der Einzeltherapie und zu einem Teil auch in der Bezugsgruppe Familieninterventionen durchgeführt. In der Bezugsgruppe werden Plananalysen durchgeführt und Suchtbiographien in Kombination mit der familiären Situation dargestellt. Themen in der Bezugsgruppe sind: Partnersituation: Partnerkonflikte, Trennung oder Fortführung einer Partnerschaft, Freizeitaktivitäten mit und ohne Partner, Freizeitaktivitäten des Partners ohne den Patienten, getrennte und gemeinsame Urlaube, Haushaltsführung, etc. Kontakte zu Eltern und Schwiegereltern: Häufigkeit und Art der Kontakte, Nähe und Distanz, Verhalten bei Alkoholabhängigkeit oder –missbrauch der Angehörigen, typische problematische Interaktionsmuster zu den Schwiegereltern und zu den eigenen Eltern und Lösungsmöglichkeiten, etc. Kontakte zu den Kindern: typische Erziehungsfehler als Folge der Abhängigkeit, Verhalten bei frühem oder übermäßigen Alkoholgebrauch der Kinder, Verhalten bei Cannabisgebrauch der Kinder, gemeinsame Unternehmungen, erwachsene Kommunikation zu den Kindern, pädagogische Maßnahmen, etc. Die therapeutische Grundhaltung der Neutralität und der Unterstützung ist in diesen Sitzungen besonders wichtig und wird durch eine nicht-direktive Gesprächsführung des Therapeuten erreicht und ein sehr direktives Eingreifen, wenn einige Gruppenmitglieder verletzend reagieren oder ihren Mitpatienten zu einem anderen Verhalten überreden wollen. Ein zentrales Ziel dieser Familieninterventionen ohne Familie ist die Förderung von Selbstaufmerksamkeit und Selbstregulation (Vollmer & Domma, 2005). Ähnlich wird in den familienorientierten Einzeltherapiesitzungen vorgegangen. Hat sich der Patient durch Problemlösestrategien für neue Verhaltensweisen entschieden, die für ihn eine Überwindung bedeuten, so werden diese in der Gruppe oder auch einzeln in Rollenspielen eingeübt. Die Verteilung der Themen auf die 80 Bezugsgruppe oder die Einzeltherapie hängt von der Intimität der Themen ab und von der Gruppenkohäsion und inwiefern die Patienten bereit sind sich an die Gruppenregel der Schweigepflicht zu halten. Verstand & Gefühl Indikation: ICD-10 Diagnose: F60.3, emotional instabile Persönlichkeitsstörung ICD-10 Diagnose: F60.4, histrionische Persönlichkeitsstörung ICD-10 Diagnose: F61.0, kombinierte Persönlichkeitsstörung In dieser Indikativgruppe wird ein Fertigkeitstraining zum Umgang mit starken Stimmungsschwankungen sowie mit selbstschädigenden oder impulsiven Verhaltensweisen angeboten. Mit Hilfe gezielter Selbstbeobachtungen und des Protokollierens problematischer Situationen werden zunächst die sozialen Auslöser und gefühlsmäßigen Umstände, die zu den individuellen emotionalen Turbulenzen führen, genau erfasst und analysiert. Zudem werden grundlegende Informationen über die Anfälligkeit für emotionale Turbulenzen und deren mögliche Hintergründe vermittelt. Gezielte Wahrnehmungs- und Konzentrationsübungen (zur inneren Achtsamkeit) unterstützen die Fertigkeit, die gesamte Aufmerksamkeit zu bündeln, die Sinneswahrnehmung zu schärfen und wertfrei zu beschreiben, was man wahrnimmt. Ferner werden Strategien zum besseren Umgang mit persönlichen, partnerschaftlichen oder sonstigen sozialen Krisen und Schwierigkeiten im Alltag erarbeitet und geübt. Die Behandlung orientiert sich an den Programmen von Linehan (1993) und Padesky & Greenberger (1995). Durch sehr strukturierte Übungen, verbunden mit Psychoedukation lernen die Patienten den Umgang mit stressigen Situationen, Fertigkeiten zur Spannungstoleranz und zur Emotionsregulierung, Fertigkeiten zur Steigerung der inneren Achtsamkeit und zu angemessenen zwischenmenschlichen Kontakten. Besondere Aufmerksamkeit wird von Beginn an auf suizidales und selbstschädigendes Verhalten gelegt. Zwar werden in der salus klinik Hürth keine akut suizidalen Patienten aufgenommen, aber bei Patienten mit einer F60.3 Diagnose wird ebenso wie bei Patienten mit einer depressiven Störung, die Suizidgefährdung regelmäßig abgeklärt. Außerdem wird von Beginn der Behandlung an, den Patienten geholfen die Rahmenbedingungen der Therapie einzuhalten. Zusätzlich zu der Gruppentherapie ist eine intensive Einzeltherapie notwendig in der die Inhalte der Gruppentherapie vertieft werden und die Umsetzung der gelernten Verhaltensweisen gefördert und kontrolliert werden. Die Patienten werden so weit stabilisiert, dass sie nach der stationären Behandlung abstinent leben können. Eine Vermittlung zu einer ambulanten Psychotherapie geschieht bereits in der vorletzten Phase der Behandlung, da ansonsten eine langfristige Abstinenz und Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit sehr unwahrscheinlich ist. 81 11.3 Wiederholungsbehandlung Indikation: Patienten, die sich in den letzten fünf Jahren einer oder mehreren stationären Therapien unterzogen haben und wenigstens eine der Therapien in diesem Zeitraum hat länger als 10 Wochen gedauert In der Regel haben die Patienten dieser Gruppe eine stationäre Behandlung erfolgreich abgeschlossen, waren danach mehrere Monate oder Jahre abstinent wurden schließlich wieder rückfällig und waren nicht in der Lage, den Rückfall von sich aus zu beenden. Eine Wiederholungsbehandlung ist für viele Patienten mit Gefühlen der Scham verbunden. So benötigen einige Patienten mehrere Versuche bis es ihnen überhaupt gelingt, die stationäre Behandlung anzutreten, andere Patienten kommen, obwohl sie gerade die Entgiftung erfolgreich beendet haben, unter Alkoholeinfluss zur Aufnahme der medizinischen Rehabilitationsklinik. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Aufnahme ein therapieerfahrener Patient unter Alkoholeinfluss steht ist im Vergleich zu einem Patienten ohne Therapieerfahrung zwei Mal höher (Vollmer & Kramer 2010). Den meisten Patienten sind zu Beginn der neuen Therapie ihre Schamgefühle nicht bewusst, ebenso wie sie auch Schwierigkeiten haben andere Gefühle an sich wahrzunehmen und zu beschreiben. Unangenehme Gefühle und Konflikte, gerade wenn sie nicht erkannt werden, bedeuten eine höhere Rückfallgefährdung. Durch eine nicht-direktive Gesprächsführung wird den Patienten in der Gruppe ermöglicht, ihre Gefühle besser wahrzunehmen und untereinander auszutauschen. Dadurch werden kognitive Blockaden gelöst, die den Therapieprozess hemmen können. Durch den erfolglosen Abstinenzversuch nach der letzten stationären Therapie haben die Patienten eine geringere Handlungs-Ergebnis-Erwartung, so dass es notwendig ist, Gewohnheiten zu identifizieren, die zum Rückfall geführt hatten, um dann Übungen abzuleiten, die zu einer Stärkung der Handlungs-ErgebnisErwartungen für abstinenzorientierte Verhaltensweisen führen. Mit den Patienten werden praktische Übungen vereinbart, um die Gewohnheiten für die abstinenzorientierten Verhaltensweisen zu stärken. Bei den Rückfallanalysen liegt ein Schwerpunkt auf dem Abstinenzverletzungseffekt. Es wird mit den Patienten erarbeitet unter welchen situativen und psychischen Bedingungen es ihnen gelungen wäre, nach dem ersten oder zweiten „Vorfall“ den Gebrauch der psychotropen Substanz wieder einzustellen. Im zweiten Teil der Gruppe wird eine Motivationsanalyse durchgeführt. Im sokratischen Dialog wird erarbeitet in welcher handlungstheoretischen Phase sich die Patienten gegen Ende der letzten Therapie befanden, waren sie bereits in einer volitionalen Phase und wenn ja in welcher oder verweilten sie noch in der prädezisionalen Phase. Anschließend findet ein Vergleich zu der gegenwärtigen Situation statt, mit der Frage, ob die Patienten den Rubikon überschritten haben und ob sie günstige Gelegenheiten für eine Umsetzung der abstinenzorientierten Handlungen wahrnehmen. Diese handlungstheoretische Analyse zur letzten Therapie und zur gegenwärtigen Situation erfolgt ohne Vermittlung des dazugehörigen Modells, um akademische Diskussionen zu vermeiden, durch die sich die Patienten vor einer Veränderung schützen könnten. Das Modell ist lediglich für den Therapeuten eine Strukturierungshilfe, um den Patienten konkrete Fragen zu stellen und deren Antworten zu paraphrasieren. Abschließend erstellt jeder Patient konkrete Vorsätze und holt sich in der Gruppe Anregungen von seinen Mitpatienten. 82 11.4 Aufbaubehandlung Indikation: Patienten, die nach abgeschlossener Rehabilitation einen kurzfristigen Rückfall hatten, und inzwischen wieder abstinent leben oder den Gebrauch psychotroper Substanzen inzwischen sehr stark reduziert haben und von denen eine Kostenzusage über sechs Wochen vorliegt Motivierende Interventionen zur Abstinenz sind für diese Patienten, die den Rubikon überschritten haben, nicht notwendig, mit der Ausnahme für einzelne Verhaltensweisen, die den Rückfall begünstigt haben (z. B. Besuch eines Schützenfestes). Es werden Analysen der Rückfallsituation durchgeführt, der Verhaltensweisen, die dem Patienten zuvor geholfen haben abstinent zu leben und der Strategien, die es dem Patienten ermöglicht haben, wieder abstinent zu leben bzw. den Konsum sehr stark zu reduzieren. Im letzteren eher ungewöhnlichen Fall ist eine Motivierung zur Abstinenz notwendig. Schwerpunkt der Behandlung liegt von Beginn an in der Stärkung der HandlungsErgebnis-Erwartung für die Bewältigung schwieriger Situationen und der Umsetzung in der natürlichen Umgebung des Patienten. Außerdem wird analysiert, inwiefern dem Patienten nicht bewusste Konflikte zu Spannungszuständen geführt haben, die den Rückfall beeinflussten. In solchen Fällen wird der Patient zu einer ambulanten Psychotherapie motiviert, da die Bearbeitung der zugrundeliegenden psychischen Probleme zwar im Rahmen der medizinischen Rehabilitation begonnen, aber erfolgreicher ambulant behandelt werden kann unter der Bedingung, dass die Abstinenz nach der stationären Therapie gewährleistet ist. 11.5 ISAR Die integrierte stationär-ambulante Therapie besteht aus einer vergleichsweise kurzen stationären Therapie und einer nahtlos verbundenen ambulanten Therapie. Hierbei handelt es sich nicht um eine Variante stationärer Kurzzeittherapie, sondern um ein auf lange Dauer angelegtes Konzept, für das bereits zu Behandlungsbeginn im Rahmen eines Therapievertrages das Einverständnis einzuholen ist. Indikation Das Therapiemodell richtet sich an Patienten: für die eine rein ambulante Therapie nur deshalb nicht indiziert ist, weil noch keine ausreichende Abstinenzstabilität vorliegt (aber hinreichende Krankheitseinsicht und Veränderungsmotivation), die durch gehäufte Rückfälligkeit oder wegen sonstiger Lebenskrisen während einer ambulanten Therapie einen stationären Aufenthalt als Ausstieg aus dem gewohnten Lebensumfeld benötigen und für die eine kurzfristige stationäre Behandlung ausreichend ist, sofern sie durch eine ambulante Rehabilitation ergänzt wird. 83 Das ISAR-Konzept ist wegen der Kürze der stationären Phase ausschließlich für Abhängige psychotroper Substanzen mit folgenden Merkmalen geeignet: dauerhafter Arbeitsplatz oder aktueller Arbeitsplatzverlust ohne Reintegrationsprobleme, bzw. ein stabiler, unterstützender familiärer Rahmen bei Nichterwerbspersonen. keine schwerwiegenden Folge- und Begleiterkrankungen. Die Schwere der körperlichen Erkrankungen bemisst sich daran, ob eine aktive Teilnahme am Therapieprogramm von Beginn an möglich ist und ob die Erwerbsfähigkeit innerhalb der stationären Behandlungszeit wieder voll herstellbar sein wird. gute soziale Einbindung. enge Kooperation zwischen Klinik- und AmbulanzmitarbeiterInnen, die eine sorgfältige und ausführliche Übergabe an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Phase ermöglicht. Therapievereinbarung Die Beratungsstelle trifft mit dem Patienten im Verlauf der ambulanten Vorbereitungsphase eine schriftliche Therapievereinbarung über die verbindliche Teilnahme am Gesamtprogramm und stellt beim zuständigen Leistungsträger einen regulären Reha-Antrag unter Angabe dessen, dass der Behandlungsplan die Integration von stationärer und ambulanter Therapie vorsieht. Unmittelbar nach stationärer Aufnahme wird von Seiten der Klinik ein Antrag auf „Ambulante Rehabilitation“ gestellt, so dass ein nahtloser Übergang gesichert ist. Vernetzung Im Rahmen des ISAR-Modells gewinnt die engmaschige, inhaltlich-therapeutische Abstimmung zwischen dem behandelnden Bezugstherapeuten in der Klinik und dem ambulanten Therapeut eine herausragende Bedeutung. Um eine größtmögliche inhaltliche und personelle Kontinuität zu gewährleisten, verpflichtet sich die salus klinik Patienten im Rahmen des Programms in einer hierfür spezialisierten Bezugsgruppe zu behandeln. Folgende inhaltliche Abstimmungsprozesse und –zeitpunkte bilden den Mindeststandard: Phasen des ISAR Programm 1. Anmeldung Telefonkonferenz zwischen ambulanter und stationärer BezugstherapeutIn 2. Aufnahme telefonische oder persönliche Fallbesprechung 3. Stat. Phase Regelmäßige Besprechungen zum Verlauf des therapeutischen Prozesses Organisation therapeutischer Maßnahmen (z. B. Regelung mit Arbeitsamt) in Absprache mit ambulanter Behandlungsstelle 4. Entlassung Entlassungsbericht am Tag der Entlassung an ambulante Behandlungsstelle telefonische oder persönliche Fallbesprechung 5. Ambul. Phase Rückmeldung an den stat. Bezugstherapeuten 6. Abschluss Telefonkonferenz zwischen ambulantem und stationärem Bezugstherapeuten unter Wertung des Gesamtprozesses Abschlussbericht an die stationäre Einrichtung 84 12 stabilisierende Vernetzung 12.1 Medizin Patienten, bei denen eine vorzeitige Entlassung notwendig ist (z. B. wegen wiederholter Rückfälle oder mangelnder Mitwirkung an der Behandlung) oder Patienten, die von sich aus die Behandlung abbrechen werden an ihre Beratungsstelle und Hausarzt vermittelt. Es wird versucht, dass noch während des Aufenthaltes in unserer Klinik vom Patienten der Kontakt zur Beratungsstelle hergestellt wird und der Patient einen Termin vereinbart. Bei den vorzeitigen Entlassungen kann dieses Vorgehen in der Regel erfolgreich umgesetzt werden, bei Abbrüchen der Behandlung durch den Patienten gelingt es hingegen nur sehr selten. Wesentlich einfacher ist die Einleitung einer Betreuung nach der stationären medizinischen Rehabilitation bei den Patienten die die Behandlung regulär abschließen. Dazu gehören auch die Patienten, bei denen die Behandlungszeit verkürzt wird. Vorausplanend werden von den Ärzten und Therapeuten gemeinsam mit dem Patienten Möglichkeiten erarbeitet, nach Abschluss der stationären Behandlung den therapeutischen Erfolg zu stabilisieren. Auch Patienten, die sehr motiviert an der Behandlung teilgenommen haben, überschätzen sich gelegentlich und würden am liebsten keine Betreuung mehr in Anspruch nehmen. Hier sind motivierende Interventionen häufig notwendig. In der Regel werden bereits im letzten Drittel der stationären Behandlung die Kontakte zu den weiter betreuenden Institutionen hergestellt. Patienten werden an ihre Beratungsstelle und ihren Hausarzt vermittelt. Es wird auch abgeklärt inwiefern der Besuch einer Selbsthilfegruppe sinnvoll ist. Bereits während der Behandlung werden Kontakte zu der Selbsthilfegruppe hergestellt, teils auch über die Selbsthilfegruppen, die sich in der Klinik in regelmäßigen Abständen vorstellen. 12.2 Psychotherapie Bereits in der Psychotherapie Abhängiger werden wesentliche Ziele einer arbeitsbezogenen Rehabilitation realisiert, wie zum Beispiel Abstinenz, positives Selbstwertgefühl, innere Gelassenheit, Erholungsfähigkeit. Die Therapeuten achten darauf, dass in den Therapieveranstaltungen immer wieder eine Brücke von den individuellen Symptomen zu deren Bedeutung für das Arbeitsleben geschlagen wird. An dieser Vernetzung sind Mitarbeiter aus allen Berufsgruppen beteiligt. Denn neben den manuellen und motorischen Fertigkeiten zur Erreichung der Erwerbsfähigkeit bzw. deren Aufrechterhaltung, sind auch die kognitiven, motivationalen und emotionalen in der Behandlung zu berücksichtigen. Das folgende Schaubild verdeutlicht den Umfang der Maßnahmen die zur Erreichung der arbeitsbezogenen Rehabilitationsziele notwendig sind und die vom Bezugstherapeuten koordiniert und kontrolliert werden. Nimmt ein Patient nicht an einer indizierten Maßnahme teil oder kommt es dort zu gehäuften Fehlzeiten, so ist es Aufgabe des Bezugstherapeuten den Patienten zu einer regelmäßigen Teilnahme zu motivieren. 85 Arbeitsbezogene Bausteine der Therapie Betriebsseminar Arbeitgebergespräch IG: Problembewältigung am Arbeitsplatz KreativitätsBeschäftigungsTherapie Primär freizeitpäd. Funktion GestaltungsTherapie Förderung des emotionalen Ausdrucks IG: Beruf und Zukunft Aktivitäten des täglichen Lebens Haushalts training Aktive Arbeitsplatzsuche RehaBeratung Ergotherapie Externe Arbeitserprobung Ohne Arbeit u. Wohnung ? ja Hirnleistungtraining Arbeitstherapie Assessment ArbeitsErwerb von berufsTraining notwendigen bezogener Fertigkeiten, Kompetenzen Büroarbeitsplatztraining insbesondere am PC Fähigkeits-/AnForderungsprofil Belastungserprobung Adaption Abb. 2: Arbeitsbezogene Bausteine der Therapie (Schneider & Kramer, 2009) Bezüglich der Vernetzung hat der Bezugstherapeut als Case-Manager eine weitere für den Patienten eine ganz zentrale Aufgabe. In enger Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst werden Kontakte bzw. die Überweisung zu Institutionen vermittelt, die die Wahrscheinlichkeit für eine langfristige Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit und des Arbeitsplatzes bzw. der Reinintegration in das Erwerbsleben erhöhen. 86 12.3 Sozialdienst und klinische Sozialarbeit Sollten am Ende der stationären Behandlung die Voraussetzungen für eine soziale und berufliche Wiedereingliederung noch nicht gegeben sein, müssen in einem möglichst nahtlosen trägerübergreifenden Prozess passende Interventionen in die Wege geleitet werden, die weiterhin das langfristige Ziel verfolgen, den Rehabilitanden in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren (Abb. 3). Häufig bietet die Adaption als weitere stationäre Phase der Medizinischen Rehabilitation dafür den richtigen Rahmen. Nur wenn feststeht, dass eine Reintegration mittelfristig nicht möglich sein wird, muss der Betreuungsbedarf geklärt und eine Unterbringung im Betreuten Wohnen oder in einem soziotherapeutischen Heim veranlasst werden. Und erst wenn auch eine solche Maßnahme keinen langfristigen Erfolg verspricht, sollte an eine Berentung gedacht werden. Nahtloser trägerübergreifender Prozess Ende der stationären medizinischen Reha-Maßnahme nein ambul. o. teilstat. indiziert später ja Arbeit und Wohnung vorhanden? ja Berufliche Wiederein- nein Weiterführende nein Berentung gliederung möglich? Betreuung notwendig? ja teilstat. sofort ambul. nein ja ja Klärung des Betreuungsbedarfs Berufsorientierende Maßnahme des AA Maßnahme zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten Adaption nein Ambulante Nachsorge Betreutes Wohnen Sozialtherapeutisches Heim Werkstatt für Behinderte Berufliche Wiedereingliederung geglückt? ja Reguläre Erwerbstätigkeit Abb. 3: Weiterbetreuung (Schneider & Kramer, 2009) Für den „Normalfall“ – der größte Teil der Patienten verfügt über Wohnung - gibt es zwei bewährte strukturelle Möglichkeiten: Die eine besteht in der ambulanten Fortführung der stationären Rehabilitation, die andere in der ganztägig ambulanten. Für einen Teil der Patienten bietet sich als Lösung die ambulante Fortsetzung der Rehabilitation am Heimatort an, für Patienten aus der Kölner Region gibt es dafür unser ISAR-Programm. Für andere jedoch reicht die Strukturierung der Tage und Wochen durch zwei oder drei ambulante Termine nicht aus bzw. der weiterhin bestehende Therapiebedarf kann durch das ambulante Setting nicht gesättigt werden. In diesen Fällen kann eine ganztägig ambulante Phase am Ende der Behandlung von besonderem Nutzen sein. Die folgende Abbildung zeigt die Vielzahl der Möglichkeiten, die mit dem Patienten zur Wiedereingliederung in die Arbeitswelt gemeinsam abgeklärt werden. 87 Netzwerk „Arbeit“ Berufliche Trainingszentren BerufsförderungsWerke (BFW) Werkstatt Köln (Arbeit statt Sozialhilfe) MPUBeratung Berufsbildungszentren (BBZ) Fachberater der Rentenversicherer Externe Arbeitserprobung Arbeitskreis Sucht in der Arbeitswelt Betriebsseminare Adaption Zeitarbeitsfirmen Agenturen für Arbeit Private Arbeitsvermittler Institutionen für Schulabschlüsse Internet-Jobbörse ArbeitslosenInitiativen Köln Volkshochschulen SchuldnerBeratung Abb. 4: Netzwerk Arbeit während und nach der stationären Rehabilitation (nach Schneider & Kramer, 2009) 88 13 Klinikmanagement, Organisation und Struktur der Klinik 13.1 Klinikmanagement Das Klinik-Management trägt die Hauptverantwortung für das motivierende Erscheinungsbild und die Haltequote der Klinik. Ihr Vorgaben - angefangen vom äußeren Erscheinungsbild der Gebäude und des Informationsmaterials bis hin zur Begrüßung von Besuchern oder dem Aufnahmeverfahren – scheinen diesbezüglich oft eine gewichtigere Rolle als das Störungs- und Therapiekonzept zu spielen. Entscheidend ist das Leitbild, das vom Management vorgegeben, vermittelt und vorgelebt wird. Es hat für alle Bereiche und Abteilungen Gültigkeit. Ein Leitbild gibt Orientierung und eine kollektive Vision für die Arbeit. Es dient als Maxime dessen, was gewollt ist, und es ist zugleich ein Katalysator, wenn es gilt, Entscheidungen zu treffen. Das Leitbild stellt eine Herausforderung dar und ist in seiner konkreten Ausgestaltung ein Maßstab für die qualitative und quantitative Zielfindung und deren Realisierung in der Klinik. Das Leitbild sollte von Mitarbeitern als selbstverständlich angenommen und in ihren Arbeitsalltag integriert werden, da es Stellung zu den unterschiedlichen Verpflichtungen, die mit der täglichen Arbeit verbunden sind, eingeht. Dem Management ist es wichtig, dass im Sinne des Versorgungsauftrags und zum Wohle der Patienten stets mit einer hohen Ergebnisqualität gearbeitet wird. Hierfür zeichnet sich die salus klinik durch kreative Individualität und Bereitschaft zur Innovation aus. Zuweiser wissen, dass ihre Patienten bei uns mit Respekt und unter größtmöglicher Wahrung ihrer persönlichen Integrität behandelt werden. Ihr Recht auf Selbstbestimmung wird nur in Ausnahmefällen eingeschränkt, wenn es für ihren Selbstschutz oder die Wahrung der Rechte anderer notwendig ist. Ziel ist es, ein passendes Angebot für nahezu jeden Patienten mit Störungen durch psychotrope Substanzen oder aus dem psychosomatischen Formenkreis bereitstellen zu können. Um dieses Ziel erreichen zu können, sind wir auf qualitativ sehr gute Mitarbeiter angewiesen, die sich in ihrer Arbeit wohlfühlen und sich der Klinik zugehörig fühlen. Dies erreichen wir u. a. durch flache Hierarchien, die es Mitarbeitern erlauben, selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen und ihre personalen Ressourcen im Sinne der Patienten effizient zu nutzen. Transparenz, Verständigungsbereitschaft, Wertschätzung und gegenseitige Achtung im Arbeitsalltag sind die Grundlage für das Übertragen von Verantwortung und für selbständiges Arbeiten in einem guten Betriebsklima. Zum Arbeiten mit Gestaltungsfreiraum gehört die Identifikation mit dem Unternehmen, seiner Arbeitsweise und seinen Zielen, damit Entscheidungen im Sinne des Teams und im Geist der Klinik getroffen werden. 89 13.2 Strukturelle Bedingungen Unter Strukturqualität werden die Charakteristika eines Leistungserbringers verstanden, die im Zeitablauf relativ konstant sind. Dazu gehören die dem Leistungserbringer zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen und die Bedingungen der physischen und organisatorischen Umgebung. Dies betrifft also die technischen und organisatorischen Voraussetzungen der Arbeit ebenso wie die Art und Anzahl der Mitarbeiter und deren Qualifikation. Die Strukturqualität soll die Bedingungen herstellen, die notwendig und hinreichend sind, um die Ziele einer geforderten Leistung ökonomisch und sicher zu erreichen. Grundsätzliche Anforderungen hinsichtlich der sächlichen und personellen Ausstattung von Rehabilitationseinrichtungen zur Behandlung Suchtkranker sind zuletzt am 04.05.2001 in der „Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen“ mit ihren vier Anlagen von der Kranken- und Rentenversicherung festgeschrieben worden. Darin werden außerdem das Verfahren bei der Bewilligung von Leistungen, deren Finanzierung, Ziele der Leistungen, Anspruchsvoraussetzungen für die „Gewährung“ von Entzugs- und Entwöhnungsbehandlungen und die Zuständigkeiten von KV und RV geregelt. Die Kataloge der strukturellen Anforderungen wurden in den letzten Jahren immer elaborierter. Statt sie weiter zu verfeinern und „hochzurüsten“ wäre aus Sicht der Leistungserbringer eine Harmonisierung zwischen den Kosten- und Leistungsträgern sowie den Zertifizierungskriterien für das Qualitätsmanagement (DEGEMED / FVS) dringlicher und Effizienz förderlicher. 13.3 Personalstruktur Träger der salus klinik ist die salus klinik GmbH & Co Hürth KG, deren Geschäftsführer Alfons Domma in Hürth ist. Die Geschäftsleitung in Hürth liegt bei der Direktorin Dr. Julia Domma-Reichart. Der gesamte Rehabilitationsprozess liegt in der Gesamtverantwortung der ärztlichen Leiter Ines Frege, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, und Mohamed Abu Khatir, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Organigramm 1 der salus klinik A. Domma, GF Dr. J. Domma- Reichart, Direktorin Ärztliche Leitung M. Abu Khatir ( Sucht) K. Chatzirafailidis I. Frege ( PS) Dr. T. Primke Ob e rarzt Ob e rarzt Sucht (120) Mediz inis che Station Psychosomatik (54) Verwaltung Funktionsbe re iche 90 Im „Organigramm 1“ ist die gesamte Klinik enthalten. In diesem Konzept wird im Weiteren nur noch auf die Suchtabteilung eingegangen. Die Zahlen in den Abteilungskästchen des Organigramms beziehen sich auf die Anzahl der Rehabilitationsplätze. Die Klinik für Suchterkrankungen nutzt die Medizinische Station sowie die Funktionsbereiche gemeinsam mit der Klinik für Psychosomatische Störungen. Ansonsten sind beide Kliniken personell und räumlich voneinander separiert. Gemeinsame Veranstaltungen gibt es für die Patienten außerhalb der Freizeit lediglich bei der wechselseitig möglichen Nutzung einiger Indikativer Gruppen und für die Mitarbeiter in der internen Fortbildung. Die Suchtklinik besteht aus vier Teams. Jedes Team setzt sich aus drei Patientengruppen mit drei Vollzeitstellen für Bezugstherapeuten und einem Arzt zusammen (Organigramm 2). Organigramm 2: Suchtklinik Leitender Arzt: Stellvertr. Ltd. Ärztin: OA Innere Med.: Ltd. Psychologe: M. Abu Khatir I. Frege Dr. Primke N. N. Fachambulanz Medizinische Station (in Planung) Team 1 Team 2 3 Gruppen u. a. sozialtherapeutische Patienten 3 Gruppen u. a. Langzeitbehandlung Team 4 Team 3 3 Gruppen u. a. Festig.-/Auffangbehandlung/ISAR 3 Gruppen ISAR / Kurzzeit Team 5 3 Gruppen u. a. Polyvalente Abhängigkeit Team 6 4 Gruppen Arbeitslosigkeit Adaption Die in Organigramm 2 erwähnten inhaltlichen Differenzierungen der Gruppen werden im weiteren Verlauf noch ausführlich erläutert. Die Aufgaben der Mitarbeiter und die Kommunikationsstrukturen werden gleich im Anschluss an diesen Abschnitt geschildert. Organigramm 3 fasst zusammen, welche Abteilungen Funktionsbereichen und welche zur Verwaltung zählen. und Leistungsgruppen zu den 91 Organigramm 1 der salus klinik A. Domma, GF Dr. J. Domma- Reichart, Direktorin Ärztliche Leitung M. Abu Khatir ( Sucht) K. Chatzirafailidis I. Frege ( PS) Dr. T. Primke Ob e rarzt Ob e rarzt Sucht (120) Mediz inis che Station Psychosomatik (54) Verwaltung Funktionsbe re iche Organigramm 3: Organigramm 4: Organigramm der Funktionsbereiche Funktionsbereiche Verwaltung Sozialdienst Aufnahmesekretariat Information/Koordination Vernetzung mit ambulanten u. betrieblichen Diensten Berichtsversand und Dokumentationsverwaltung Ergotherapie Rezeption / Zentrale Sport- und Bewegungstherapie Atemtherapie Personalsachbearbeitung Buchhaltung (Patienten-/Personal-/Finanz-) Physikalische Therapie/ Krankengymnastik Einkauf Musiktherapie EDV Dokumentation/ med. und psych. Diagnostik Küche (externer Caterer) Hauswirtschaft Qualitätsmanagement Haustechnik Klinikseelsorge Unter dem Dach der Verwaltung finden sich auch die Küche, die Haustechnik und die Hauswirtschaft, die alle mit eigenem Personal betrieben werden. Die Klinik wird von einem externen Gebäudereinigungsunternehmen gereinigt, welches durch die Mitarbeiterinnen unserer Hauswirtschaft koordiniert wird. Die Patienten sind nur für das Sauberhalten ihres eigenen Zimmers und die Ordnung in ihrem Gruppenraum gemeinschaftlich verantwortlich. Die Endreinigung bei der Entlassung übernimmt die Gebäudereinigung. 92 Unsere Verwaltung besteht zwar aus vielen Abteilungen, ist personell aber sehr schlank. Die Küche wird von einem Catering-Unternehmen gemanagt. Die Köche sind diätgeschult und arbeiten eng mit den für die Ernährungsmedizin zuständigen Ärzten zusammen. In der Haustechnik sind weitere 3 Vollzeitkräfte tätig und in allen anderen Bereichen zusammen 10 Verwaltungsfachkräfte, darunter Aufnahmesekretärinnen, EDV-Fachleute, QM-Beauftragte, Buchhalter und Sekretärinnen. 93 14 Evaluation und Qualitätssicherung Die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Klinik wird durch folgende Maßnahmen gesichert: Zertifizierung Die Klinik strebt die Zertifizierung nach DIN EN ISO 2008 nach DEGMED sowie des Fachverbands Sucht an. Das QM-System wird derzeit von zwei Qualitätsbeauftragten aufgebaut. Mit Hilfe von unterschiedlichen Qualitätszirkeln (s. u.) werden alle Prozesse für das QM-Handbuch festgelegt. Die offizielle Zertifizierung wird für Ende 2010 angestrebt. Qualitätszirkel Über das Verbesserungswesen und Beschwerdemanagement werden entsprechende Anregungen ausgewertet und in Maßnahmen umgesetzt. Wenn die Maßnahmen die Einbeziehung mehrerer Teams, Berufsgruppen oder Abteilungen erforderlich machen, werden bei Bedarf interne Qualitätszirkel mit einer Teilnahme auf freiwilliger Basis eingerichtet, um systematisch an der organisatorischen und konzeptionellen Weiterentwicklung der Klinik zu arbeiten. Patientenbefragung Die Patienten werden wöchentlich mit einem Kurzfragebogen von den Bezugstherapeuten, in einer Zwischenbilanz vom Supervisor und am Ende der Behandlung persönlich von der Klinikleitung und durch den Abschlussfragebogen nach ihrer Bewertung des Behandlungsverlaufes und ihrer Zufriedenheit mit der Klinik befragt. Die Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse, die von allgemeinem Interesse sind, ist Bestandteil der einmal monatlich stattfindenden Klinischen Vollversammlung. Kooperationspartnerbefragung Alle Zuweiser, Selbsthilfegruppen und andere Kooperationspartner (z. B. psychosoziale Beratungsstellen, niedergelassene Ärzte, Entgiftungsstationen) werden kontinuierlich bei Entlassung ihrer Patienten aus der Klinik und alle zwei Jahre in einer Gesamterhebung über ihre Zufriedenheit hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der salus klinik befragt und um Verbesserungsvorschläge gebeten. Supervision Die Behandlung in der salus klinik wird kontinuierlich durch den Leitenden Arzt und die Leitenden Psychologen supervidiert. Die in Ausbildung befindlichen Psychotherapeuten werden zusätzlich durch externe Supervisoren betreut. Externe klinische Supervision erhalten alle Therapeuten darüber hinaus bei Bedarf und zeitlich befristet für definierte Problemstellungen. Dasselbe gilt für Organisationssupervision und Leitungs-Coaching. Dokumentation Für die Patientendaten existiert eine gemeinsame Datenbank, die allen medizinisch-therapeutischen Mitarbeitern über ein PC-Netzwerk zugänglich ist. Jedes Dokumentationsdatum muss also nur einmal eingegeben werden und zwar unmittelbar zum Zeitpunkt der Erfassung durch denjenigen, der die Daten erhebt. Sie stehen automatisch den verschiedenen Abteilungen zur Planung und Optimierung ihrer therapeutischen Angebote zur Verfügung. Der Patientendokumentation kommt dadurch nicht 94 nur eine archivierende und das Berichtswesen vorstrukturierende Funktion zu, sondern auch eine aktuell die Therapie steuernde Funktion. Kontinuierliche Evaluation Im therapeutisch-medizinischen Bereich wird eine kontinuierliche Evaluation des Gesamtkonzepts sowie einzelner Behandlungsbausteine durch die regelmäßige Erstellung der Basisdokumentation aus dem Dokumentationssystem PaDo und die Erhebung von prospektiven Katamnesen ein Jahr nach Behandlungsende gemäß den Standards der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung vorgenommen. Außerdem wird drei Monate nach Behandlungsende eine kurze Katamnese erhoben zum Gebrauch psychotroper Substanzen, zur beruflichen Situation und zu Krankheitstagen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden den Mitarbeitern bzw. den damit befassten Qualitätszirkeln rückgemeldet. Die salus klinik Hürth stellt dem Fachverband Sucht und der Nationalen Statistik alle Daten aus Basisdokumentation und Katamnese anonymisiert zur Verfügung, um die Transparenz der Suchtrehabilitation zu gewährleisten und eventuelle bundesweite Trends erkennbar werden zu lassen. 95 Anhang I. Wochenpläne I II. Therapievertrag V III. Hausordnung VIII IV. Selbstverständlichkeiten X V. Prinzipien der Behandlung aus wissenschaftlicher Sicht XI VI. Testpsychologie XX 96 I. Wochenpläne Wochenplan 1. Therapiewoche Montag Dienstag 08:45 - 10:00 08:45 - 10:00 Bezugsgruppen: 1, 3, 5, 8, 10, 12 Bezugsgruppen: 1, 3, 5, 8, 10, 12 11:00 - 12:00 Medizin-Info 1 11:00 - 12:00 Medizin-Info 2 12:00 - 13:30 Mittwoch 08:30 Ernährungsvortrag 09:30 - 12:00 Arbeitstherapie-Diagnostik Sport-Diagnostik Donnerstag Freitag 08:45 - 10:00 08:45 - 10:00 Bezugsgruppen: 1, 3, 5, 8, 10, 12 Bezugsgruppen: 1, 3, 5, 8, 10, 12 11:00 - 12:00 Therapie Info 11:00 - 12:00 Medizin-Info 3 Mittagspause 13:45 - 15:00 13:45 - 15:00 13:30 - 15:00 13:45 - 15:00 13:45 - 15:00 Bezugsgruppen: 2, 4, 6, 7, 9, 11 Bezugsgruppen: 2, 4, 6, 7, 9, 11 Sozialdienst-Gruppe für Neue Bezugsgruppen: 2, 4, 6, 7, 9, 11 Bezugsgruppen: 2, 4, 6, 7, 9, 11 15:30 Einführung Fitness 15:30 Kunst-Diagnostik 15:30 Hausinfo für Neue Tab. 1: Therapieplan der Patienten in der ersten Therapiewoche I Wochenplan Psychotherapeutische Leistungen mit Beispielen für Indikative Gruppen Montag 08:30 - 08:45 Montagsgruppe 08:45 - 10:00 Bezugsgruppe 1, 3, 5, 8, 10, 12 08:30 - 10:00 10:30 - 12:00 Indikative Gruppen: A Soziales Kompetenz Training Partnerschaft Schlafstörung Dienstag Mittwoch Bezugsgruppe 1, 3, 5, 8, 10, 12 Indikative Gruppen: C Pos. Denken B 09:30 - 11:00 Rückfallprävention Gruppe Mehrfachabhängigkeit Donnerstag Freitag Bezugsgruppe 1, 3, 5, 8, 10, 12 Bezugsgruppe 1, 3, 5, 7, 11, 12 Indikative Gruppen: A Soziales Kompetenz Training Partnerschaft Schlafstörung Indikative Gruppen: C Pos. Denken B Gruppe Mehrfachabhängigkeit 12:00 - 13:30 Mittagspause 13:45 - 15:00 13:30 - 15:00 Bezugsgruppe 2, 4, 6, 7, 9, 11 15:30 - 17:00 Indikative Gruppen: B Soziales Kompetenz Training Pos. Denken A Angst Gruppe Wiederholer Bezugsgruppe 2, 4, 6, 7, 9, 11 Bezugsgruppe 2, 4, 6, 7, 9, 11 Bezugsgruppe 2, 4, 6, 8, 9, 10 Indikative Gruppen: D Nichtraucher Indikative Gruppen: B Soziales Kompetenz Training Pos. Denken A Angst Indikative Gruppen: D Nichtraucher Gruppe Wiederholer Tab. 2: Psychotherapeutische Leistungen. Verteilung der Bezugsgruppen 1 – 12 und Indikatives Gruppenangebot getrennt für die Zeitschienen A - D II Wochenplan Ergo- und Arbeitstherapeutische Leistungen 08:45 - 10:00 08:30 - 10:00 Montag Dienstag EDV / Büro A Gedächtnistraining A 2x Offenes Atelier A Handwerk A Offenes Atelier C Handwerk A Bewerbungen EDV / Büro A schreiben A/B 10:30 - 12:00 Handwerk A Mittwoch 09:30 - 11:00 Bild & Gespräch B Arbeitstherapie-Diagnostik für alle neue Patienten über den gesamten Tag 09:30 - 11:00 Offenes Atelier E Donnerstag Freitag EDV / Büro A Gedächtnistraining AB Bild & Gespräch B Offenes Atelier C Offenes Atelier A 11:00- 11:45 Gruppe Nachsorge „in Arbeit“ Handwerk A 11:45- 12:30 Gruppe Nachsorge „ohne Arbeit“ EDV / Büro A Handwerk A EDV-Schulung A/B Handwerk A 12:00 - 13:30 Mittagspause EDV / Büro B Gedächtnistraining CD 13:30 - 14:30 SD Gruppe für Neue 13:30 – 14:15 Ernährung A EDV / Büro B Gedächtnistraining CD Offenes Atelier B Bild & Gespräch A EDV-Schulung A/B 14:15 - 15:00 Ernährung B Bild & Gespräch A Offenes Atelier D Handwerk B Offenes Atelier D Leben, um davon… 13:30 - 14:30 Hauswirtschaftskurs A Offenes Atelier B Handwerk B 14:30 - 15:30 Hauswirtschaftskurs B Handwerk B EDV / Büro B Bewerbungstraining 15:30 - 19:00 Einkaufen & Kochen EDV / Büro B Handwerk B Handwerk B 13:30 - 15:00 15:30 - 17:00 Internetrecherche A / B Handwerk B Tab. 3: Angebot der Ergo- und Arbeitstherapie, getrennt für die Zeitschienen A – D. Zusätzlich findet statt: Dienstag 19:00 – 20:30 Aufmerksamer Alltag; Mittwoch 19:00 – 22:00 Film-AG III Wochenplan Sport- und Bewegungstherapeutische Leistungen Montag Dienstag Rückenschule A 08:45 - 10:00 08:30 - 10:00 Ballsport A Tischtennis A Mittwoch Donnerstag Koordinationstraining Rückenschule A Diagnostik Fitness 2 Medizinische Trainingstherapie (Kraft) 10:30 - 12:00 Medizinische Trainingstherapie (Ergometer) Pilates Koordinationstraining Frauensport Badminton A Badminton B Diagnostik Fitness 2 Medizinische Trainingstherapie Fit durch Bewegung Medizinische Trainingstherapie Laufschule A/B Medizinische Trainingstherapie (Ergometer) Entspannung C/D Rückenschule B Medizinische Trainingstherapie (Kraft) Mittagspause Medizinische Trainingstherapie (Ergometer) 13:30 - 15:00 15:30 - 17:00 Medizinische Trainingstherapie Pilates 12:00 – 13:30 Freitag Entspannung C/D Erlebnissport Tischtennis B Ballsport B Rückenschule B Medizinische Trainingstherapie (Kraft) Entspannung A / B Walking Ü-50-Sport Volleyball A Fitness 1 Einführung Medizinische Trainingstherapie Medizinische Trainingstherapie (Ergometer) Medizinische Trainingstherapie (Ergometer) Erlebnissport Entspannung A / B Tab. 4: Sport- und bewegungstherapeutische Leistungen, getrennt für die Zeitschienen A – D. Zusätzlich gibt es folgende Angebote: Täglicher Frühsport 06:Ö30 – 07:30 mit wechselndem Programm; Dienstag 19:00 – 20:30 Badminton/Tischtennis; Donnerstag 19:00 – 20:30 Volleyball IV II. Therapievertrag Herr / Frau schließt mit der salus klinik folgenden Therapievertrag: 1. Ich habe mich entschieden, etwas für mich und meine Gesundheit zu tun. Die Unabhängigkeit von psychoaktiven Stoffen als auch vom Glücksspiel (bzw. Spielen um Geld) ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Deshalb werde ich Alkohol, Medikamente und Drogen jeglicher Art weder besitzen noch gebrauchen, auch nicht außerhalb der Klinik. Dazu gehören ebenfalls so genannte Naturheilmittel, Abführmittel und alle alkoholhaltigen Speisen, Pralinen oder Mundpflegemittel, wenn sie nicht ärztlich verordnet sind. Ich werde auch kein alkoholfreies Bier, Wein oder Sekt zu mir nehmen. Ich willige unwiderruflich ein, dass solche Stoffe seitens der Klinik jederzeit regressfrei eigezogen und unverzüglich vernichtet werden dürfen. Glücksspiele, Spiele um Geld, übermäßiges Spielen (stundenlanges Spielen) und Wetten sind während der Therapie in und außerhalb der Klinik nicht erlaubt. Gleiches gilt auch für den Besuch von Spielhallen. Sofern ich auf Nikotin und Koffein nicht verzichten will, gehe ich damit maßvoll unter Wahrung der von Arzt, Therapeut und Hausordnung genannten Regeln um. Die Klinik ist ein Schutzraum zur Verwirklichung dieser Ziele. Wir erwarten, dass Sie ihn nutzen und in den ersten acht Tagen des Aufenthaltes die Klinik nur gemeinsam mit ihrem Paten, die aus der eigenen Therapiegruppe oder vom Therapeuten benannt sind, für Spaziergänge oder Ausflüge in die nähere Umgebung verlassen (max. 2 Stunden). Wenn Sie die Klinik zum Ausgang verlassen, tragen Sie sich bitte in das dafür vorgesehene Ausgangsbuch an der Zentrale ein (Versicherungsschutz!) und bestätigen die Rückkehr mit der eigenen Unterschrift. 2. Mein erster Ansprechpartner ist mein Bezugstherapeut. Sollte dieser nicht erreichbar sein, wende ich mich an seinen Stellvertreter oder an das Personal der Medizinischen Station. Bei körperlichen Beschwerden wende ich mich stets an die Klinikärzte oder an das Personal der Medizinischen Station, die alle weiteren Maßnahmen veranlassen. Untersuchungen oder Behandlungen bei Ärzten außerhalb der Klinik müssen vom Klinikarzt veranlasst sein. Rezepte, die ich mitbekomme, zeige ich meinem Klinikarzt und bespreche mit ihm das weitere Vorgehen. Es ist mir bekannt, dass ich ohne Wissen meines Klinikarztes keine Medikamente einnehmen darf. Die Medizinische Station ist rund um die Uhr besetzt. Ein Dienst habender Arzt ist ebenfalls rund um die Uhr erreichbar. Wir sind bestrebt, körperliche Beschwerden rasch abzuklären und zu lindern. Dabei vertreten wir eine ganzheitliche Sichtweise des Menschen, nach der körperliche und seelische Prozesse ineinander greifen und nicht getrennt voneinander behandelt werden können. Wir bieten vorwiegend gesundheitsförderliche Maßnahmen an, die die Patienten anleiten, "Gesundheit selber zu machen". Bezüglich der Verordnung von Medikamenten vertreten wir das Motto: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Wir sind dementsprechend bestrebt, auf medikamentöse Lösungen zu verzichten, wenn gleichwertige andere Behandlungsformen existieren. 3. Ich gehe momentan von einer Behandlungsdauer von ____ Wochen aus. Mein Therapeut trifft mit mir Vereinbarungen darüber, welche Maßnahmen indiziert sind. Ich erhalte jede Woche einen neuen „Wochenplan“, in den ich alle aktuellen Veränderungen eintrage. Diesen Therapieplan führe ich stets bei mir. Ich verpflichte mich, an allen vereinbarten Maßnahmen aktiv teilzunehmen und die zusätzlich verfügbaren Aktivitäten, an denen ich teilnehme, im Wochenplan handschriftlich einzutragen. Die Klinik bietet zahlreiche therapeutische Maßnahmen an. In erster Linie sind dies: 1. 2. 3. 4. 5. Einzeltherapie, Gruppentherapie / Indikativgruppen Ergotherapie Sport- und Bewegungstherapie Angehörigen-, Partner- bzw. Familiengespräche oder -seminare 6. 7. 8. Sozialberatung, Betriebsseminare, Kennenlernen von Selbsthilfegruppen und Nachsorgevorbereitung, 9. Realitätserprobung. V 4. Auf Gewaltanwendung werde ich verzichten. Schon die Androhung von Gewalt ist problematisch, da sie ein Klima der Angst erzeugt, das Offenheit und Vertrauen zerstört. Das Therapeuten-Team wird mir gegebenenfalls Wege aufzeigen, mit Konflikten und Aggressionen angemessen umzugehen. Wenn jemand sich durch das Verhalten von Mitpatienten erheblich beeinträchtigt oder in der Therapie gestört fühlt (z. B. durch nicht offen gelegte Rückfälligkeit, durch Nichteinhaltung der Hausordnung, Ankündigung von Gewalt gegen sich oder andere), stehen auch die Dienst habenden Ärzte und das Stationspersonal jederzeit für ein vertrauensvolles Gespräch bereit, in dem gemeinsam nach einer angemessenen Lösung für die Situation gesucht wird. 5. Ich werde den Anordnungen des Personals, z. B. bei Alkohol-, Medikamenten- und Drogenkontrollen, Folge leisten und die Hausordnung einhalten. Angeordneten Urin- bzw. Drogenkontrollen werde ich sofort Folge leisten, eine Nichtbeachtung führt zu einem Krisengespräch und i.d.R. zu einer Beendigung der Behandlung. Falls ein Patient sich unangemessen behandelt fühlt, steht ihm das Recht auf Anhörung seiner Beschwerde bei dem betreffenden Mitarbeiter, dessen Vorgesetzten und – falls beides unbefriedigend verläuft - der Klinikleitung zu. 6. Ich werde mich um Offenheit und Klarheit meinen Mitpatienten und Therapeuten gegenüber bemühen. Die Offenheit betrifft nicht nur vergangene Lebensereignisse, sondern auch aktuelle, wie z. B. Alkoholbzw. Drogenverlangen, Beziehungen zu Mitpatienten, Rückfälle usw. Die Therapeuten sind bei der Klärung der psychischen und sozialen Situation und bei einer eventuell notwendig werdenden Neuorientierung behilflich. Sie führen mit den Patienten und deren Partner oder Angehörigen Gespräche und bereiten den Übergang in den Alltag vor. 7. Persönliche Informationen über Mitpatienten, die mir im Rahmen der Behandlung zur Kenntnis gelangen, werde ich - auch nach der Entlassung aus der Klinik - vertraulich behandeln und nicht an Dritte weitergeben. Die Mitarbeiter der Klinik sind an ihre berufliche Schweigepflicht gebunden. Sie dürfen und wollen Informationen an Dritte außerhalb der Klinik nur mit schriftlicher Genehmigung des Patienten weitergeben. Davon ausgenommen sind nur Auskünfte, die die Klinik im Rahmen der bestehenden Gesetze geben muss. Innerhalb des Behandlungsteams jedoch herrscht gegenseitige Informationsoffenheit, ohne die eine ganzheitliche Therapie nicht möglich wäre. 8. Sollte ich die Behandlung vorzeitig beenden wollen, so verpflichte ich mich, diese Absicht möglichst frühzeitig anzusprechen. Die Mitarbeiter der Klinik sprechen es so bald und so klar wie möglich an, wenn ein Patient ihrem Eindruck nach den Sinn und Zweck seines Aufenthaltes in der Klinik aus den Augen zu verlieren scheint oder ein spezielles Verhalten einer erfolgreichen Absolvierung der Therapie nicht dienlich ist. 9. Ich verpflichte mich, die Hausordnung im Geiste der therapeutischen Ziele zu beachten und entsprechende therapeutische Vereinbarungen genau zu befolgen. Die Klinik gewährt in der Hausordnung größtmögliche Freizügigkeit, beispielsweise in der Verwendung von Computern, geht aber davon aus, dass von diesen Freiheiten verantwortlich Gebrauch gemacht wird. 10. Ich bin darüber informiert, dass ich während der Rehabilitation in der salus klinik kein Kfz führen darf. Verstöße gegen diesen Therapievertrag führen zu Krisengesprächen. Kann daraufhin keine positive Erfolgsprognose für die Fortsetzung der Behandlung gestellt werden, wird die Behandlung beendet. Ein ganz entscheidendes Kriterium für eine Weiterbehandlung nach einem Verstoß gegen die Abstinenzregel ist, dass VI der Patient den Substanzkonsum selbst oder über Mitpatienten zeitnah mitteilt. Die Medizinische Station steht dafür rund um die Uhr bereit. In der Hausordnung ist geregelt, dass ein Rauchen in den Gebäuden unmittelbar zur Beendigung der Behandlung und zur Entlassung führt. Hürth, 22.07.2010 ____________________________ Therapeut _______________________________ Patient VII III. Hausordnung Notfälle Rufen Sie bei allen Notfällen und bei Feuer sofort die Telefonnummer 825 an. Die Fluchtwege sind durch Schilder in den Fluren gekennzeichnet, dort hängen auch Fluchtpläne aus. Suchtmittelfreier Raum Die vollständige Enthaltsamkeit von Alkohol, nicht verordneten Medikamenten, allen anderen Drogen und vom Glücksspiel (bzw. Spielen um Geld) sehen wir bei allen Patienten als Grundlage der Behandlung an. In allen Gebäuden und auch auf dem Außengelände der salus Klinik besteht ein Rauchverbot. Für diejenigen, die das Rauchen während ihrer Zeit in der Klinik nicht einstellen können oder wollen, gibt es ausgewiesene Raucherzonen (Raucherpavillons). Ausschließlich dort ist das Rauchen erlaubt. Nachtruhe Alle Patienten müssen bis 22:15 Uhr in die Klinik zurückkehren und bis spätestens 23:00 Uhr (Fr. und Sa. bis spätestens 00:30 Uhr) in ihren Zimmern sein. Nachtruhe gilt an allen Tagen von 23:00 Uhr bis 07:00 Uhr. Achten Sie bitte darauf, Mitpatienten nicht durch Ihr Verhalten zu stören, indem Sie beispielsweise nach Eintritt der Nachtruhe duschen oder am Morgen lautstark zum Frühsport aufbrechen. Essenszeiten Montag - Freitag Samstag Sonntag Frühstück 07:00 - 08:30 08:00 - 09:15 08:00- 09:15 Mittagessen 12:00 - 13:30 12:00 - 13:30 12:00 - 13:30 Abendessen 18:00 - 19:00 18:00 - 19:00 18:00 - 19:00 Sie sollten regelmäßig an allen Mahlzeiten teilnehmen. Falls dies einmal nicht möglich sein sollte, melden sie sich bitte vor dem Essen ab. Besuch Ab dem 8. Behandlungstag, können sie am Wochenende freitags zwischen 19:00 und 22:00 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen zwischen 09:00 und 22:00 Uhr Besuch empfangen, außerhalb dieser Zeiten ist dies nur nach Absprache und mit Einverständnis des Bezugstherapeuten möglich. Zimmer Wir gehen von Ihrer Mitverantwortung für Sauberkeit, Ordnung, Zimmerlüften, morgendliches Bettenmachen etc. in Ihrem Wohnbereich sowie von der pfleglichen Behandlung der Einrichtung aus: Schlagen Sie keine Nägel in die Wände, befestigen Sie Ihre Bilder nicht mit Klebstoff oder Haftstreifen und bringen Sie nirgends Aufkleber an. Werkzeuge und geruchsbelästigende oder feuergefährliche Mittel, wozu beispielsweise Kerzen und Räucherstäbchen gehören, dürfen nicht im Zimmer aufbewahrt oder genutzt werden. Hauseigenes Geschirr und Besteck dürfen nicht mit ins Zimmer genommen werden. VIII In den Zimmern und Kühlschränken dürfen keine offenen Lebensmittel gelagert werden. Es dürfen keine Fernsehgeräte, Video- und Stereoanlagen, Tauchsieder, Bügeleisen, Kaffeemaschinen und ähnliche elektrische Geräte (mit Ausnahme von Handy, Laptop, Fön, elektrischer Zahnbürste, Rasierapparat, Epiliergeräte) auf dem Zimmer sein. Malerei und Handwerksarbeiten jeglicher Art sind nur in den Räumen der Ergotherapie durchzuführen. Schäden melden Sie bitte an der Rezeption und füllen dort eine Schadensmeldung aus. Zimmerbegehung Die Klinikorganisation macht es erforderlich, dass die Zimmer (inkl. Bad, Heizung, Gardinen, Fußboden, Mobiliar) ggf. auch in Ihrer Abwesenheit überprüft werden. Zimmerkarten / Schlüssel Vor jeder Übernachtung außerhalb der Klinik, die grundsätzlich von Ihrem Bezugstherapeuten genehmigt sein muss, sind die Zimmerkarte und der Briefkastenschlüssel auf der Medizinischen Station abzugeben. Wertgegenstände Für Ihre persönlichen Unterlagen und kleineren Wertgegenstände finden Sie einen Safe in Ihrem Schrank. Ihre Zimmertür sollten Sie bei jedem Verlassen des Raumes abschließen, da die Klinik für die dort aufbewahrten Gegenstände keine Haftung übernimmt. Sie können jedoch auch Wertgegenstände oder größere Geldbeträge bei der Verwaltung zur Aufbewahrung abgeben. Fernsehzeiten Fernsehzeiten sind ausschließlich außerhalb der Therapiezeiten. Hierfür stehen ihnen mehrere Gruppen- und Freizeiträume zur Verfügung: Montag - Donnerstag 17:00 - 22:30 Freitag 17:00 - 00:30 Samstag 14:00 - 00:30 Sonntag 14:00 - 22:30 Telefon Sie haben die Möglichkeit, mit dem Telefonapparat in Ihrem Zimmer hausinterne Gespräche zu führen, und Sie können von außerhalb direkt angewählt werden. Wenn Sie ein Orts- oder Ferngespräch führen möchten, können Sie dies mit einer Chipkarte tun, die Sie an der Rezeption erhalten. Während der Nachtruhe darf nicht telefoniert werden. Das Mitführen und Nutzen von Handys während der Therapiezeiten ist nicht erlaubt. IX IV. Selbstverständliche Hausordnungspunkte Als Grundlage für eine förderliche Therapieatmosphäre, sollte jeder seinem Gegenüber mit Respekt und Toleranz entgegentreten und ihn so behandeln, wie er selbst gerne behandelt werden möchte. Wir legen Wert auf eine angemessene Kleidung! Bademäntel, Badeschlappen, Trainingsanzüge, Mützen, Unterhemden o. ä. sind nicht erwünscht. Sport- oder Arbeitsbekleidung sollten sie nur in den entsprechenden Therapieeinheiten tragen. Aber auch hier ist oberkörperfreies Arbeiten/Trainieren nicht gestattet. Hygiene: Nicht nur die Kleidung, sondern auch die Person darunter sollte in gepflegtem Zustand sein. Gerade zum Frühstück und zu den Mahlzeiten nach dem Sport sollte niemand ungewaschen erscheinen. Bitte nehmen Sie keine Speisen und Getränke aus dem Speisesaal mit. Auch Geschirr, Bestecke und Gläser sind ausschließlich zum Gebrauch im Speisesaal bestimmt. Aus den Wasserspendern kann stilles und sprudelndes Wasser zu den Mahlzeiten in die bereitstehenden Gläser bzw. Becher gezapft werden. Da es im Speisesaal keine Garderobe gibt, bringen Sie bitte bei kühlem und nassem Wetter Ihre Jacken oder Regenschirme vor der Mahlzeit in Ihr Zimmer. Auch wenn Sie Ihre Bettwäsche und Handtücher tauschen oder Putzmittel und Toilettenpapier holen, bringen Sie diese Dinge bitte direkt in Ihr Zimmer und legen sie nicht während der Mahlzeiten im Speisesaal ab. An Therapietagen verbleiben Handys ohnehin während der Zeit zwischen Frühstück und Abendessen auf dem Zimmer. Aber auch am Wochenende wird im Speisesaal nicht telefoniert. Wir halten es für völlig unpassend, in den öffentlichen Räumen einer psychotherapeutischen Klinik mit Stöpseln im Ohr herumzulaufen oder laut Musik abzuspielen (MP3-Player, Discman usw.). Dies gilt insbesondere für Therapie-einheiten und Termine im medizinischen Bereich. X V. Prinzipien der Behandlung aus wissenschaftlicher Sicht Wir haben zehn Behandlungsprinzipien definiert, die uns besonders wichtig sind und an denen wir uns in unserem Angebot zur stationären medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker orientieren. i. Abstinenz und Erwerbsfähigkeit im Mittelpunkt der Behandlung Abstinenz und Erwerbsfähigkeit im Mittelpunkt der Behandlung ist kein als selbstverständlich akzeptiertes Prinzip und dürfte ein Grund sein, dass es Therapeuten ohne Erfahrungen im Suchtbereich (z. B. niedergelassene ärztliche und psychologische Psychotherapeuten) so schwer fällt mit Abhängigen zu arbeiten. Die Sucht hat das Leben der Patienten vollkommen kontrolliert und deren Arbeitsverhalten und die Beziehungen zu Bezugspersonen in negativer Weise teils sogar dramatisch beeinflusst. Zu den störungsspezifischen Auswirkungen der Sucht gehört, dass die Erkrankung häufig geleugnet oder bagatellisiert wird und dass Ursachen für ihr Zustandekommen gesucht werden, nach deren Behebung „das Problem mit dem Trinken“ behoben sein sollte. Das permanente Zusammensein mit anderen abhängigen Patienten kann diese Verleugnungs- und Bagatellisierungstendenzen fördern. Um dem Entgegenzuwirken muss die Suchterkrankung im Mittelpunkt der Behandlung stehen, sowohl in den Bezugsgruppen als auch in der Einzeltherapie so dass die zerstörerischen Folgen der Sucht und die positiven Folgen der Abstinenz auch in den informellen Kontakten der Patienten nachhaltig in deren Bewusstsein bleiben. Neben dem Auftrag durch den Leistungsträger, der Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit, spricht der hohe Zusammenhang zwischen Rückfall und Arbeitslosigkeit und der hohe Stellenwert der Arbeitswelt in unserer Kultur für eine besondere Berücksichtigung dieses Therapieziels, dass in Einzel- und Gruppentherapien und in den fachgebietsübergreifenden Bereichen über den gesamten Behandlungszeitraum zu verfolgen ist. ii. Minimalinterventionen Im Vergleich zu vor dreißig Jahren hat sich das diagnostische Instrumentarium in der somatischen Medizin, der Psychiatrie und der klinischen Psychologie sehr stark verbessert, so dass auch die Diagnosen differenzierter wurden und inzwischen Erkrankungen erkannt werden, die damals übersehen wurden oder unbekannt waren. Typische Beispiele sind die Persönlichkeitsstörungen und ADHS. Gleichzeitig ist in der Verhaltenstherapie, ebenso wie in anderen Therapieformen, das Spektrum der Intervention erheblich angestiegen. EMDR zur Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen oder Achtsamkeitsübungen waren damals vollkommen unbekannt. Je besser die Diagnostik und je mehr Interventionen zur Verfügung stehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass engagierte Therapeuten, die möchten, dass es ihren Patienten gut geht, auch alles anwenden. In der somatischen Medizin wurde dieses Problem erkannt und es wird nicht mehr alles diagnostiziert und behandelt, was es irgendwie zu entdecken gibt. In der Psychiatrie gibt es gelegentlich Versuche eine neue psychische Störung zu kreieren, wie zum Beispiel das „Verbitterungssyndrom“ oder das „chronische Erschöpfungssyndrom“. Diesbezüglich besteht in der salus klinik Hürth keine Gefahr, dass man sich solchen modischen Entwicklungen anschließt. Schwierig hingegen ist eine Beschränkung bei der Auswahl aus der Menge der bewährten XI verhaltenstherapeutischen Interventionen. Diagnostisch werden die Patienten allumfassend gescreent. Wurden vor 20 Jahren bei den Patienten in der Regel nicht mehr als zwei bis drei Zusatzdiagnosen gestellt, so gibt es heute bei Patienten häufig fünf komorbide Störungen, in extremeren Fällen sogar acht oder neun. Letzteres war vor 20 Jahren noch unvorstellbar. Bei der Menge der Diagnosen ist die Beschränkung auf die wichtigsten Therapieziele, die für Erwerbsfähigkeit und Abstinenz notwendig sind, eine Herausforderung, gefolgt von der nicht leichten Auswahl der richtigen Interventionen. Wir sind der Meinung einiger Fachleute, dass zu viele Therapieziele und Interventionen für einen Patienten schädlich sein können. Ferner glauben wir, dass die Kunst der Therapie weniger in der Durchführung von Interventionen besteht, sondern die richtigen, wenigen Interventionen zum richtigen Zeitpunkt individuell auf den Patienten maßgeschneidert durchzuführen. Wenn das gelingt erreicht man für einen Patienten eine ideale Behandlungszeit und Therapieintensität. So kann zum Beispiel ein Langzeitpatient wöchentlich eine Einzeltherapiesitzung erhalten, ein anderer viermal wöchentlich und wiederum ein anderer nur alle zwei Wochen. Unabhängig von der Therapieintensität können die Behandlungsdauern zwischen 8 Wochen und 13 Wochen variieren und bei schwerer Mehrfachabhängigkeit sogar zwischen 13 und 26 Wochen. Objektive Kriterien gibt es für diese Entscheidungen leider nicht, Korrelationsstudien, wie die von Küfner & Feuerlein (1989) gestatten keine Schlussfolgerungen über die ideale Therapiezeit für bestimmte Gruppen. Diese Studien sind höchstens Anregungen für die Fallkonferenzen, in denen die Therapiepläne besprochen werden, um unter anderem für jeden Patienten die optimale Therapieintensität und –dauer festzulegen. Minimalinterventionen bedeutet nicht nur Therapieverkürzung, sondern kann auch bedeuten aus einer Kurzzeittherapie eine Langzeitbehandlung zu machen, wobei der umgekehrte Fall eher das Wahrscheinlichere ist. iii. Therapie nach Indikation Aus dem Prinzip der Minimalinterventionen ergibt sich die Notwendigkeit einer Behandlung nach sehr genauer Indikation. Daher wird auch die Diagnostik von mehreren Therapeuten durchgeführt und erstreckt sich in der Regel über eine Woche, abgesehen von der Verhaltensanalyse, die den den gesamten Behandlungszeitraum in Anspruch nimmt, da sie gleichzeitig eine therapeutische Funktion hat. Zur Erreichung der beiden Rehabilitationsziele Abstinenz und Erwerbsfähigkeit wird die Behandlung der individuellen Problematik der Patienten, ihrer Gedankenwelt, ihren sozialen Umweltbedingungen und Beziehungsstrukturen sowie ihren Lebenszielen und Werthaltungen angepasst. Entsprechend werden in der salus klinik Hürth keine Standardprogramme mit einem Schwerpunkt auf störungsübergreifender Gruppentherapie durchgeführt. Grundlage für die Planung der Therapie jedes einzelnen Patienten sind die Ergebnisse der ca. einwöchigen Diagnostikphase. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf einer störungsspezifischen Einzel- bzw. Kleingruppentherapie. Angestrebt wird ein möglichst einfacher und gradliniger Gesamtbehandlungsplan nach dem Prinzip der minimalen Intervention. So nehmen Patienten auch nur an den indikativen Gruppen teil, die für sie indiziert sind. Gleichzeitig wird eine Verpflichtung für indizierte Interventionen angestrebt, die manchmal motivierende Maßnahmen erfordert. So wird verhindert, dass zu komplexe, aus vielen Komponenten bestehende Therapieprogramme sich negativ auf die Handlungs-Ergebnis-Erwartung der Patienten und den Therapieerfolg auswirken. XII iv. Case-Management Suchterkrankungen und ihre assoziierten Störungen sind aufgrund ihrer Komplexität in der Regel im interdisziplinären Team am besten behandelbar. Dabei besteht die Gefahr, dass die Vielfalt der nebeneinander bestehenden therapeutischen Beziehungen viele Patienten überfordert bzw. verwirrt. Ein Durchlaufen mehrerer Abteilungen im Rahmen einer Behandlung mit immer neuen Ansprechpartnern und erneuter Befragung ist aufgrund des dadurch entstehenden enormen Bedarfs an Informationsaustausch nicht ökonomisch. Deshalb erfolgt die interdisziplinäre Behandlung in der salus klinik nach dem Case-Management-Prinzip unter der Gesamtverantwortung des Leitenden Arztes. Eine Aufgabe von Case-Management ist es, „soziale Probleme durch optimale Allokation, Einbeziehung und Koordination von Umweltressourcen zu lösen“ (Klug, 2003). Statt eines defizitären Blickwinkels auf Probleme und Mängel geht es um die Ausrichtung auf Potentiale und Ressourcen der Betroffenen. Damit ergeben sich inhaltlich enge Verbindungen zur Selbstmanagementtherapie und anderen lösungsorientierten Therapiekonzepten, aber Case-Management versteht sich explizit nicht als therapeutischer Ansatz, sondern als Konzept zur praktischen zielorientierten Unterstützung und Koordination von Unterstützungsleistungen. Dieses Handlungsschema für einen geregelten Hilfeprozess besteht aus folgenden Elementen: Vereinbarung über die Zusammenarbeit, Assessment, Zielvereinbarung, Planung, Implementierung, Organisation und Koordination von Hilfen, Sicherung von Transparenz, laufendes Monitoring, regelmäßiges Re-Assessment und abschließende Evaluation. In der stationären Suchthilfe hat dieses psychosoziale Verständnis von effizienter Hilfe eine lange Tradition. Beispiele wie das Case Management in der salus klinik Hürth verstanden wird sind unter Punkt 8.2.1 und 12.2 dargestellt. v. Hoher Anteil Fachtherapie Die sehr positiven Erfahrungen in der salus klinik Arnsberg mit der Fachtherapie sprechen für eine Beibehaltung dieses Ansatzes (Domma-Reichart, 2009). Unter Fachtherapie verstehen wir alle Leistungen, die zusätzlich zu der psychotherapeutischen und somatischen Behandlung und der klinischen Sozialarbeit und dem Sozialdienst einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft darstellen. Dazu gehören die Ergotherapie mit der Arbeitstherapie, mit produktorientiertem Arbeiten und mit Arbeitsplatz-, Gedächtnis-, Haushalts-, und Freizeittraining. Außerdem gehören zur Fachtherapie die gestalterische Ergotherapie, die Kreativtherapie und die Freizeitgestaltung (z. B. Freizeitplanung, Kunst und Gestaltung und die Musiktherapie). Ein weiterer Bereich der Fachtherapie sind Maßnahmen der Sport- und Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren und Ernährungsschulung. Um den Aufforderungscharakter dieser Angebote für die Patienten zu erhöhen und die Angebote attraktiver zu machen, haben wir die einzelnen Leistungen drei Bereichen zugeordnet, die auch nach der Behandlung für die Patienten wünschenswert erscheinen. Die drei Bereiche sind: a) Beruf & Arbeit, b) Freizeit, Kunst & Genuss und c) Gesundheit & Wellness. Wir haben bewusst diese Aufteilung vorgenommen anstatt die Überschriften der Therapiestandards des DRV zu verwenden, an denen wir uns aber orientieren. So wird zum Beispiel die „gestalterische Ergotherapie, Kreativtherapie und Freizeitgestaltung“ (ETM 8) bei mehr als 70 % unserer Patienten angewendet werden. Wir vermuten, dass sich die Patienten nach der Behandlung eher dafür entscheiden in Selbstregulation alleine und durch den Besuch von Veranstaltungen etwas für ihre Gesundheit und Wellness zu unternehmen, als – um nur ein Beispiel zu nennen – ein Fördertraining durchzuführen, ein Maßnahme, die während der Behandlung sehr hilfreich ist, aber für nach der Behandlung nur XIII einen geringen Aufforderungscharakter haben wird. Ferner sind die Patienten durch diesen Sprachgebrauch nicht auf einzelne Leistungen der Klinik festgelegt, sondern entdecken eventuell ganz neue Bereiche, die ihrer Gesundheit und Wellness dienen. Neben einer Orientierung an den Therapiestandards des DRV beachten wir, dass bei unseren Patienten die für eine Gesundheit und damit zusammenhängenden Komponenten von Wohlbefinden entsprechend des ICF erfüllt werden. Dazu leisten auch die Maßnahmen der Fachtherapie einen wesentlichen Beitrag. Um einige praktische Beispiele zu nennen wird durch die Angebote der Fachtherapie, die mit der Medizin, Psychotherapie und dem Sozialdienst eng vernetzt ist, gewährleistet, dass die Patienten nach der Behandlung unter anderem in der Lage sind auf ihre Gesundheit zu achten (z. B. ausgewogene Ernährung, angemessenes Niveau körperlicher Arbeit), Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs zu beschaffen (z. B. Getränke, Reinigungsmaterial, Haushaltsartikel auswählen; Qualität und Preise von Lebensmitteln vergleichen) Hausarbeiten zu erledigen (z. B. Reinigen der Wohnung, Kleidung waschen, bügeln, Knöpfe annähen) und Ihre Freizeit zu gestalten und sich zu erholen (z. B. sich an sportlichen Spielen beteiligen, Hobbys nachzugehen, kulturelle Ereignisse aufsuchen). Mit vielen dieser Tätigkeiten sind die meisten Abhängigen nicht mehr vertraut und bei einem sehr frühen Beginn der Abhängigkeit sind diese Tätigkeiten vollkommen neu. Wir messen daher diesen Bereichen besondere Bedeutung zu, da durch sie verborgene Ressourcen bei den Patienten gefördert werden und ein wesentlicher Beitrag zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geleistet wird. Dementsprechend umfangreich und vielfältig ist die Fachtherapie im Behandlungsprogramm der salus klinik Hürth vertreten unter den Abschnitten Ergotherapie und Gesundheit & Wellness. Für die Patienten finden werktäglich Veranstaltungen aus allen drei Bereichen statt und an Wochenenden besteht die Möglichkeit in der Freizeit einzelne Angebote in Anspruch zu nehmen, die keine fachtherapeutische Betreuung erfordern. Eine Begründung für den hohen Anteil dieser beiden Bereiche ergibt sich auch aus dem theoretischen Teil zur Erwerbsfähigkeit, so dass hier nicht ausführlicher darauf eingegangen wird. vi. Selbstmanagement Ansatz Der Selbstmanagement-Ansatz ist keine Therapieform, obwohl in der Regel als Therapie bezeichnet (Kanfer & Schefft, 1988, Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 1996) und auch keine Theorie, sondern eine therapeutische Grundhaltung mit dem Ziel, Patienten in die Lage zu versetzen, ihr Leben wieder ohne therapeutische Hilfe zu gestalten. Soweit ein Patient dazu in der Lage ist, werden in der Rehabilitationsbehandlung Autonomie und Selbstregulation angestrebt. Der Patient hat in der Gestaltung der Behandlung und in der Anwendung der Behandlungsmaßnahmen eine aktive Rolle, erlernt Fertigkeiten der Selbstregulation bestehend aus Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstkonsequenz, so dass er sein Verhalten selbst korrigieren kann oder präventiv unangemessene, schädliche Verhaltensweisen verhindern kann. Die Grundhaltung dieses Ansatzes ist, dass Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, Selbstregulation und Selbständigkeit legitime und wertvolle Ziele menschlichen Strebens sind (Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 1996). Wir versprechen und XIV außerdem von diesem Ansatz, dass Patienten, denen nicht ein abstinentes Leben auf Anhieb gelingt in die Lage versetzt werden ohne formelle Hilfe wieder zur Abstinenz und Erwerbsfähigkeit zurückzukehren. Unsere Ein-Jahreskatamnesen bestätigen, dass wir bei einem Teil der vorübergehend rückfälligen Patienten dieses Ziel erreichen konnten. Sie lebten zur EinJahreskatamnese wieder seit wenigstens einem Monat ganz abstinent. vii. Ressourcenorientierte Therapie Ein zentraler Wirkfaktor einer Psychotherapie, unabhängig von deren Orientierung, ist die Aktivierung von Ressourcen des Patienten (Grawe 1998). Es handelt sich dabei nicht um eine spezielle Therapieform, sondern um ein Prinzip, dass während der gesamten Behandlung beachtet wird. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass selbst Patienten mit schweren psychischen Störungen Ressourcen besitzen, die sie nicht ausreichend für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit nutzen. Die Ressourcen lassen sich unterteilen in externe (z. B. alte Freunde), interpersonelle (z. B. Verlässlichkeit) und intrapersonelle (z.B. Flexibilität). Außerdem ist zu unterscheiden zwischen objektiven und subjektiven Ressourcen. Die objektiven werden allgemein als positiv beurteilt, die subjektiven nur vom betreffenden Patienten (Willutzki 2003). Die ressourcenorientierte Diagnostik wird parallel zur Störungsdiagnostik durchgeführt und mit der Aktivierung der Ressourcen wird so früh wie möglich begonnen, um sie über die gesamte Behandlungszeit beizubehalten, insbesondere auch zu Ende der Therapie. Durch ressourcenaktivierende Interventionen kommt es zu positiven Rückkoppelungsprozessen, die sich ausdrücken in positiveren Gefühlen, einem verbesserten Selbstwertgefühl, einem verbesserten Wohlbefinden und schließlich auch in einem höheren Engagement in der Therapie (Grawe 1998). viii. Community Reinforcement Approach (CRA) Die häufig verwendete deutsche Übersetzung „Gemeinde-Verstärkungs-Ansatz“ führt zu falschen Vorstellungen über diesen im Jahr 1973 erstmals von Hunt & Azrin publizierten und an Alkoholabhängigen erfolgreich erprobten Ansatz. Wir verwenden im Folgenden die Abkürzung CRA für dieses vorwiegend im ambulanten Setting bewährte Vorgehen. Am Beispiel der Behandlung Drogenabhängiger konnte in einer ersten Pilotstudie gezeigt werden, das der CRA ohne Probleme in die stationäre Behandlung übertragbar ist (Vollmer 2004). Im ambulanten Bereich ist die Wirksamkeit des CRA durch wenigstens 17 Studien mit Alkohol- und Drogenabhängigen belegt mit der Einschränkung, das sowohl im ambulanten Bereich als auch in der stationären Studie, die Nachhaltigkeit der positiven Ergebnisse nicht ausreichend nachgewiesen ist (Lange et al., 2008). Die Katamnesezeiträume betragen in der Regel höchstens 6 Monate und bei den wenigen Studien mit Ein- oder Zweijahres-Katamnesen sind die Effekte sehr schwach oder auch nicht mehr vorhanden. Trotzdem erscheint uns der CRA im Rahmen eines komplexeren stationären Behandlungsprogramms ein erfolgsversprechendes Element, das sich sehr gut in die Philosophie der Rehabilitation integrieren lässt. In Anlehnung an Azrin (1976) definieren wir CRA als einen Ansatz der kognitiven und übenden Verhaltenstherapie zur Erhöhung positiver (Selbst-)Verstärkungen für Abstinenz und für abstinenzfördernde Handlungen unter Einbeziehung sozialer Systeme (Familie, Beruf, alltägliche Kontakte) und persönlicher Kompetenzen in den Bereichen des alltäglichen Lebens (Sport, Beruf, Freizeit, Haushalt, etc.), so dass ein abstinentes Leben belohnender wird als der Gebrauch psychotroper Substanzen. Diese Grundhaltung ist für uns der entscheidende Punkt dieses Ansatzes, XV denn die zur Anwendung empfohlenen Methoden gehören bis auf eine Ausnahme zu den altbewährten klassischen verhaltenstherapeutischen Interventionen, die da sind: Verhaltensanalyse, Ablehnungs-Training, Problemlöse-Training, Kommunikations-Training, Kompetenz-Training, Bewerbungs-Training, Partnertherapie und Freizeitberatung (Meyers & Miller 2001, Lange et al., 2008). Die Ausnahme ist der Einsatz von Disulfiram, dem ein hoher Stellenwert in der Behandlung nach dem CRA zukommt. Die Verabreichung von Disulfiram widerspricht anderen Prinzipien unseres Konzeptes (z. B. dem Selbstmanagement Ansatz). Außerdem stehen für den stationären Bereich effektivere psychotherapeutische und pharmakologische Behandlungsmaßnahmen zur Behandlung rückfallgefährdeter Patienten zur Verfügung. ix. Ganzheitlicher Ansatz Als entscheidend für den Therapieerfolg halten wir eine konzentrierte und unmittelbare Überwindung der chronifizierenden Bedingungen der Abhängigkeit mittels eines ganzheitlichen Therapieansatzes. Entsprechend erfolgt in der salus klinik Hürth eine Integration moderner medizinisch-pharmakologischer, psychiatrischer, psychologischer, sozialtherapeutischer und ergotherapeutischer Behandlungsansätze in einem interdisziplinären Team. Gerade für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen oder Patienten, die in ihrer Entwicklung keine Grenzen und Regeln erfahren haben, ist ein solcher interdisziplinärer Ansatz unter der Bedingung einer guten Vernetzung der Bereiche sehr hilfreich. Obwohl in der Verhaltensanalyse S-R-C Verknüpfungen aufgespürt werden, um bei den einzelnen Verknüpfungen Veränderungen vorzunehmen, in anderen Worten, um einzelne Gewohnheiten zu verändern, betrachten wir den Patienten ganzheitlich. Dieses kommt einerseits zum Ausdruck durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche und andererseits durch die Verknüpfung der Lebensbereiche einer Person, die wir gegliedert haben nach: Beruf, Arbeit – Freizeit, Kunst & Genuss – Gesundheit & Wellness. Es wird nicht möglich sein, einem Patienten das Trinken abzugewöhnen, d.h. die den Alkoholkonsum aufrechterhaltenden S-R-C Verknüpfungen zu beseitigen und andere Lebensbereiche wie Arbeit und Beruf auszuklammern. Ebenso ist es nicht möglich Erwerbsfähigkeit langfristig zu sichern, ohne das Freizeitverhalten zu beachten. Die Veränderung eines Merkmals führt zu Veränderungen anderer Merkmale, aber nicht immer in die gewünschte therapeutische Richtung. Und erst die Gesamtheit der Merkmale einer Person ergibt einen Sinn, ergibt für den Patienten eine gute Gestalt im Sinne Wertheimers. Den gleichen Anspruch haben wir für den Therapieplan, wie er zusammen mit dem Patienten in die Tat umgesetzt wird, einschließlich der Therapiedauer. Denn das Gesetz der guten Gestalt gilt ebenso für die Einheit der zeitlichen Fortdauer (Metzger 1934). x. Wissenschaftlichkeit Eine Behandlung sollte so sein, dass die Therapeuten sie guten Gewissens auch ihren besten Freunden und ihrem Partner empfehlen würden, wenn damit nicht interaktionelle Probleme verbunden wären, die eine Behandlung von nahestehenden Personen in der Klinik des Therapeuten kontraindiziert erscheinen lassen. Das zentrale Entscheidungskriterium ist die Erfolgswahrscheinlichkeit nach abgeschlossener Behandlung, neben den üblichen Strukturmerkmalen der Qualität, die für die meisten Kliniken inzwischen eine Selbstverständlichkeit sind, obwohl auch hier von der salus klinik Hürth, so hoffen wir, neue Maßstäbe gesetzt werden. Eine medizinische Rehabilitation ist ohne eine Orientierung an einem evidenzbasiertem Vorgehen in XVI unserer Zeit nicht mehr vertretbar, obwohl mit der Entscheidung für wissenschaftlich geprüfte diagnostische und therapeutische Maßnahmen erhebliche Probleme verbunden sind. Es gibt fast keine Forschung zur Rehabilitationsbehandlung Abhängiger in Deutschland und die wenigen vorliegenden Studien sind von unzureichender methodischer Qualität, dass sie keine Schlussfolgerungen gestatten, sondern nur als Anregungen zu sehen sind. Eine klinisch kontrollierte Katamnesestudie die wissenschaftlichen Kriterien genügt ist uns nicht bekannt. Die amerikanischen Studien zur Abhängigkeitsbehandlung sind auf deutsche Verhältnisse nicht übertragbar, begründet durch die Einmaligkeit der medizinischen Rehabilitation in ihrer Gesamtphilosophie und ihren ausgezeichneten Ergebnissen, die für internationale Experten nicht glaubhaft erscheinen (s. Kreh, 2004). So dienen auch die amerikanischen Studien mit ihren Ergebnissen, dass nach einer Intervention x die Patienten signifikant weniger Alkohol trinken, nur als Anregung für die Auswahl von Behandlungsmaßnahmen für die medizinische Rehabilitation. Hinzu kommt, dass für viele aus der Erfahrung als wichtig eingeschätzte Bausteine (z. B. Sport, Kreativtherapie, Arbeitstherapie) auch international keine empirischen Studien vorliegen. Und in der rein medizinischen Versorgung besteht das inzwischen zwar erkannte aber noch nicht ganz gelöste Problem, dass vorwiegend Studien mit erwünschten Ergebnissen veröffentlicht werden. Im Bewusstsein dieser gesamten Probleme sind die AWMF Leitlinien in der Regel vorsichtig formuliert und es sind eben auch nur Leitlinien und keine Richtlinien. So ist unvermeidlich, dass neben der Aufnahme und kritischen Reflexion der Erkenntnisse der nationalen und internationalen Forschung, eine Fachklinik zur Rehabilitation Abhängigkeitskranker ein hohes Niveau an internem Qualitätsmanagement anstrebt. Durch das interne Qualitätsmanagement ist eine Suche nach verbesserten Methoden möglich, insbesondere für sogenannte Problemgruppen, wie zum Beispiel Wiederholungsbehandlungen, Arbeitslose und Mehrfachabhängige. Die für den Fachverband Sucht durchgeführten und jedes Jahr veröffentlichten Katamnesen sind dabei sehr hilfreich. Wissenschaftliche Orientierung bedeutet für die salus klinik Hürth nicht, Wissenschaft zu machen sondern wissenschaftlich zu denken und im Rahmen des Qualitätsmanagements die Behandlung zu verbessern. Zusätzlich erfolgt in Kooperation mit der Fachhochschule Köln eine Begleitforschung zu dem Themenbereich Sucht und Familie (s. Klein, 2005). Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Behandlungskonzepts orientiert sich an den Ergebnissen dieser Untersuchungen und des internen Qualitätsmanagements. Die Mitarbeiter der Klinik werden im Rahmen von „Qualitätszirkeln“ zur Mitwirkung an der Optimierung und Weiterentwicklung des Behandlungsangebots ermutigt und unterstützt. Außerdem gestattet die wissenschaftliche Orientierung der Klinik unter Verwendung des Dokumentationssystem PaDo sich auf Veränderungen in der Gesellschaft und bei den Patienten möglichst zeitnah einzustellen und Behandlungsmaßnahmen zu modifizieren. Als Beispiele seien genannt der zunehmende Gebrauch illegaler Drogen durch Patienten mit einer Erstdiagnose Alkoholabhängigkeit und die in den letzten Jahren erhöhte Arbeitslosigkeit. XVII VI. Testpsychologie a. Suchtspezifische Diagnostik MALT: Münchener Alkoholismus Test (Feuerlein, W., Ringer, Ch., Küfner, H. & Antons, K., 1977) Einsatzbereich: Verdacht auf Alkoholmissbrauch oder –abhängigkeit Testaufbau: Der MALT besteht aus zwei Teilen, einem Fremdbeurteilungsteil (MALT-F), der vom Arzt ausgefüllt wird, und einem Selbstbeurteilungsteil (MALT-S). Der MALT-F besteht aus sieben Items, die vom Arzt aufgrund von anamnestischen Untersuchungsergebnissen als zutreffend bzw. nicht zutreffend eingeschätzt werden. Drei dieser Items beziehen sich auf objektivierbare Alkoholfolgekrankheiten, zwei Items auf den Alkoholkonsum (Trinkmenge), ein Item auf den Blutalkoholspiegel (Alkoholfahne); dazu kommt ein fremdanamnestisches Item. Der MALT-S enthält 24 Items, die sich in drei Aspekten unterteilen lassen: Trinkverhalten bzw. Einstellung zum Trinken, alkoholbedingte psychische bzw. soziale Beeinträchtigung und somatische Störungen. Zuverlässigkeit: gut Gültigkeit: r = .85 mit einem Außenkriterium in Form einer Diagnose durch einen Experten Normen: Summenwert > 10 führt zur Verdachtsdiagnose Alkoholabhängigkeit Bearbeitungsdauer: ca. 10 Minuten KMM: Kurzfragebogen zum Medikamentenmissbrauch (Watzl, Rist, Höcker & Miehle, 1990) Einsatzbereich: Verdacht auf Medikamentenmissbrauch Testaufbau: Die Skala besteht aus 12 Items mit den Antwortkategorien trifft zu/trifft nicht zu Zuverlässigkeit: gut Gültigkeit: 13 % der Personen mit schädlichem oder abhängigen Gebrauch von Medikamenten werden nicht erfasst und 7 % der Alkoholabhängigen werden fälschlicherweise als Medikamentenmissbraucher eingestuft Normen: Summenwert > 3 führt zu der Zuordnung: schädlicher Gebrauch von Medikamenten. Der Fragebogen gestattet keine Beurteilung des Schweregrades. Bearbeitungsdauer: 5 Minuten Fagerström: Fragebogen zur Abklärung von Nikotinabhängigkeit (Bleich, Havemann-Reinecke & Kornhuber) XVIII Einsatzbereich: Jugendliche und Erwachsene Tabakkonsumenten Testaufbau: Der Fragebogen zur Selbstbeurteilung besteht aus sechs Items mit multiple choice Antworten, die unterschiedlich gewichtet werden. Zuverlässigkeit: Die Retest-Reliabilität liegt bei r=.88 Gültigkeit: eine Messung der Schweregrads der Abhängigkeit und eine Unterscheidung zwischen Missbrauch und Abhängigkeit wird als fraglich gesehen Normen: je nach Summenwert der multiple choice Antworten findet eine Zuteilung nach sehr geringe bis sehr starke Abhängigkeit statt. Bearbeitungsdauer: ca. 5 Minuten IDTSA Inventory of Drug Taking Situations für Alkoholabhängige (Lindenmeyer & Florin, 1998) Einsatzbereich: Jugendliche und Erwachsene mit der ICD-10 Diagnose F10.x Testaufbau: Der Fragebogen besteht aus 50 Items mit den Antwortkategorien: nie, selten, oft, fast immer Alkohol in der Situation im letzen Jahr getrunken. Die Skalen des Fragebogens sind: negative Gefühle, körperliche Probleme, positive Gefühle, kontrolliertes Trinken, Verlangen, Konflikte, soziale Verführung und Geselligkeit. Zuverlässigkeit: die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) liegt bei den Einzelskalen zwischen .73 und .90 Gültigkeit: die faktorielle Validität wird als gut eingeschätzt Normen: entfällt Bearbeitungsdauer: ca. 15 Minuten DTCQA: Drug Taking Confidence Questionnaire (Lindenmeyer et al., 2003) Einsatzbereich: Jugendliche und Erwachsene mit der ICD-10 Diagnose F10.x Testaufbau: Der Fragebogen besteht aus 50 Items (identisch mit den Themen der Items des IDTSA) mit den Antwortkategorien: 0 %, 20 %, 40 %, 60 %, 80 %, 100% Abstinenzzuversicht. Die Skalen des Fragebogens sind: negative Gefühle, körperliche Probleme, positive Gefühle, kontrolliertes Trinken, Verlangen, Konflikte, soziale Verführung und Geselligkeit. Zuverlässigkeit: die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) ist bei den Einzelskalen > .79 Gültigkeit: die faktorielle Validität wird als gut eingeschätzt Normen: entfällt Bearbeitungsdauer: ca. 15 Minuten XIX b. Aktuelle psychische Verfassung BSI: Brief Symptom Inventory (Kurzform der SCL-90-R) (Franke, 2000) Einsatzbereich: Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene. Das Instrument kann im psychologischen, medizinpsychologischen, psychosozialen, psychotherapeutischen, psychiatrischen und medizinischen Kontext eingesetzt werden. Das Verfahren: Das BSI, eine Kurzform der SCL-90-R, misst die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome einer Person innerhalb eines Zeitraumes von sieben Tagen. Testaufbau: Die 53 Items der neun Skalen beschreiben die Bereiche „Somatisierung“, „Zwanghaftigkeit“, „Unsicherheit im Sozialkontakt“, „Depressivität“, „Ängstlichkeit“, „Aggressivität/Feindseligkeit“, „Phobische Angst“, „Paranoides Denken“ und „Psychotizismus“. Drei Globale Kennwerte geben Auskunft über das Antwortverhalten bei allen Items. Der GSI (global severity index) misst die grundsätzliche psychische Belastung, der PSDI (positive symptom distress index) misst die Intensität der Antworten und der PST (positive symptom total) gibt Auskunft über die Anzahl der Symptome, bei denen eine Belastung vorliegt. Zuverlässigkeit: Die Retest-Reliabilität nach einer Woche liegt in einer Gruppe von 50 Studierenden zwischen rtt = .73 und rtt = .92. Der Test eignet sich gut zu prä-post Messungen. Gültigkeit: Die Items zeigen „face validity“. Die kriterienbezogene Validität konnte für einzelne Skalen nachgewiesen werden. Weiterhin trennt das BSI zwischen Kontrollpersonen und Patientengruppen sowie innerhalb von Patientengruppen anhand relevanter Kriterien. Die Oberflächenvalidität ist nach den Erfahrungen der salus kliniken Friedrichsdorf und Arnsberg zufriedenstellend Normen: T-Werte liegen nach Geschlecht getrennt vor (N = 600 nach Geschlecht und Bildung geschichtete Personen sowie N = 589 Studenten). Bearbeitungsdauer: Ohne Zeitbegrenzung; durchschnittlich bei unseren Patienten 15 Minuten. ADS-K: Allgemeine Depressionsskala (ADS, Radloff, 1977; deutsche Version: Hautzinger & Bailer, 1992) Einsatzbereich: Ab 16 Jahren. Einsatz bei nicht-klinischen sowie klinischen Stichproben aus dem psychiatrischen und psychosomatischen Bereich. Das Verfahren: Die Allgemeine Depressionsskala (ADS) ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, das das Vorhandensein und die Dauer der Beeinträchtigung durch „depressive Affekte“, „körperliche Beschwerden“, „motorische Hemmung“ und „negative Denkmuster“ erfragt. Die ADS liegt in einer Kurzform (ADS-K) vor, die in der salus klinik verwendet wird. Die erfragten depressiven Merkmale sind Verunsicherung, Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit, Selbstabwertung, Niedergeschlagenheit, Einsamkeit, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Weinen, Rückzug, Angst u. a. Der Bezugszeitraum ist die letzte Woche. XX Testaufbau: die ADS-K aus insgesamt 15 Items. Zuverlässigkeit: Es besteht eine hohe Reliabilität (interne Konsistenz) der ADS-Items. Gültigkeit: Die Validität der ADS ist durch hohe Korrelationen mit anderen Verfahren (z. B. BeckDepressions-Inventar) belegt. Bearbeitungsdauer: Die Bearbeitungsdauer beträgt ca. 5 Minuten. c. Komorbide Störungen SKID I: Strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV (Wittchen, Zaudig & Fydrich et al., 1997) oder IDCL: Internationale Diagnosen Checklisten für DSM-IV (Hiller, Zaudig,& Mombour, 1997) Einsatzbereich: klinische Stichproben im psychiatrischen und psychosomatischen Bereich Testaufbau: entfällt Zuverlässigkeit: unbekannt Gültigkeit: unbekannt Bearbeitungsdauer: ca. 60 Minuten Beide Checklisten wurden für die tägliche Routinediagnostik im Bereich der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung entwickelt. Die Listen dienen als Leitfaden, um in der Exploration diagnostische Kriterien für die verschiedenen Störungen zu überprüfen. SKID II Strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV, Achse II Persönlichkeits-störungen (Wittchen, Zaudig & Fydrich et al., 1997) Einsatzbereich: klinische Stichproben ab einem Alter 18 Jahre, im psychiatrischen und psychosomatischen Bereich Testaufbau: Der Fragebogen hat 117 Items mit ja/nein Antworten und den Faktoren: selbstunsichere, dependente, zwanghafte, negativistische, depressive paranoide, schizotypische, schizoide, histrionische, narzisstische, borderline und antisoziale Persönlichkeit. Zuverlässigkeit: unbekannt Gültigkeit: unbekannt, insgesamt sehr geringe Validität bei der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen. Der Fragebogen sollte nur in Kombination mit SKID I verwendet werden (siehe Punkt 9) Normen: keine Bearbeitungsdauer: Fragebogen ca. 30 Minuten, Interview je nach Fragebogenantworten zwischen 5 bis 60 Minuten XXI Die folgenden Tests werden je nach Indikation vorgegeben, entsprechend den Ergebnissen des SKID oder des IDCL. Ein Patient erhält maximal zwei dieser Fragebogen zu den am stärksten behandlungsbedürftigen Störungen: Angststörungen AKV: Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionen und Vermeidung (Ehlers & Margraf, J. 2001; engl. Version: Chambless et al., 1984) Einsatzbereich: Patienten mit Ängsten und nicht organisch begründeten körperlichen Symptomen Das Verfahren: Mit dem AKV können interne Angstauslöser, die zentralen Befürchtungen des Patienten und das Muster des Vermeidungsverhaltens differenziert diagnostiziert werden. Testaufbau: Das Verfahren besteht aus drei Fragebögen – dem Fragebogen zur Angst vor körperlichen Symptomen (17 Items), dem Fragebogen zu angstbezogenen Kognitionen (14 Items) und dem Mobilitätsinventar (27 Items). Zuverlässigkeit: Die Fragebögen weisen gute bis sehr gute Konsistenzen und Retest-Reliabilitäten auf. Gültigkeit: Es existieren umfangreiche Untersuchungen zur Validität an ambulanten und stationären Patienten sowie an Personen ohne psychische Störung vor. Normen: Mittelwerte, Stanine- und Perzentilwerte für verschiedene klinische Gruppen Bearbeitungsdauer: 10-20 Minuten (alle drei Fragebögen) Soziale Phobien SPS: Soziale Phobie- Skala (Stangier et al., 1999) Einsatzbereich: Erfassung sozialer Phobien, die sich auf Angst vor Beobachtung und negativer Bewertung eigener Handlungen durch andere beziehen. Das Verfahren: Mit dem Fragebogen werden Kognitionen und Angstsymptome in sog. Performance(„Leistungs“-) Situationen erfasst, in denen Handlungen, wie eine Rede halten, Essen, Trinken oder Schreiben einer kritischen Beobachtung unterzogen werden könnten. Befürchtet wird, dass entweder die Ausführung der Handlungen oder begleitende Symptome von Angst als unangemessen („peinlich“) bewertet werden könnten. Testaufbau: Die SPS besteht aus insgesamt 20 Items. Zuverlässigkeit: Bezogen auf Personen mit Sozialer Phobie wurde eine Retestreliabilität über drei Wochen von =.96 und eine innere Konsistenz von rtt=.94 festgestellt. Gültigkeit: Die SPS diskriminiert Personen mit Sozialer Phobie von Kontrollpersonen mit einer Trefferquote von 78 %, von Personen mit Angststörungen mit 68 % und von Personen mit depressiven Störungen mit 63 %. XXII Normen: Es findet eine Summation der Item-Rohwerte statt. Der Cut-off-Wert für Soziophobiepatienten liegt bei 20. Bearbeitungsdauer: 5-10 Minuten Zwangsstörungen HZI-K: Hamburger-Zwangsinventar Kurzform (Klepsch, Zaworka, Hand, Lünenschloß & Jauernig, 1993) Einsatzbereich: Erfassung von Denk- und Handlungszwängen Das Verfahren: Das HZI-K bietet die Möglichkeit zur differenzierten Quantifizierung von Zwangsphänomenen, die auf der Handlungs- bzw. Verhaltensebene operationalisiert sind, ohne dass persönlichkeitspsychologische oder neurosentheoretische Konstrukte mit einfließen. Testaufbau: Der Fragebogen besteht aus 72 Items, die bezüglich des letzten Monats zu beurteilen sind. Es werden insgesamt sechs Skalen unterschieden: A (Kontrollieren und Wiederholen), B (Waschen, Reinigen), C (Ordnen), D (Zählen, Berühren, Sprechen), E (Gedankenzwänge), F (zwanghafte Vorstellung, sich selbst oder anderen Leid zuzufügen). Zuverlässigkeit: Die Reliabilität des HZI-K ist als gut zu bezeichnen. Gültigkeit: In mehreren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der Symptomatik in verschiedenen Diagnosegruppen valide erfasst wird. Normen: Stanine-Werte für Zwangskranke (N = 253) sowie Prozentrangwerte für Gesunde (N = 200). Bearbeitungsdauer: 20-30 Minuten Essstörungen FEV: Fragebogen zum Essverhalten (Pudel & Westhöfer, 1989) Einsatzbereich: Erfassung psychologischer Determinanten des Essverhaltens, besonders bei Bulimie, Anorexie, Adipositas Das Verfahren: Der FEV prüft auf drei Subskalen drei grundlegende psychologische Dimensionen des Essverhaltens: (1) Kognitive Kontrolle des Essverhaltens / gezügeltes Essen, (2) Störbarkeit des Essverhaltens und (3) erlebte Hungergefühle. Die kognitive Kontrolle des Essverhaltens bzw. das gezügelte Essen hat sich in den letzten Jahren einerseits zunehmend als entscheidender Bedingungsfaktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen (Bulimia nervosa, Anorexia nervosa) herausgestellt und gilt andererseits als angestrebtes Ziel der Adipositastherapie. Hohe Bedeutung kommt hierbei der Störbarkeit des Essverhaltens durch emotionale oder situative Auslöser zu. Testaufbau: Der FEV umfasst insgesamt 60 Fragen, wobei die ersten acht Fragen allgemeine soziodemographische und anamnestische Merkmale erfassen. Anhand der folgenden 51 Items XXIII werden die Skalenwerte gebildet. Die letzte Frage (Item 60) betrifft die subjektiv wichtigsten Schwierigkeiten im Essverhalten. Zuverlässigkeit: Die interne Konsistenz der drei Unterskalen liegt zwischen α = .74 und α = .87. Gültigkeit: Die Skala 1 (kognitive Kontrolle) korreliert mit verringerter, die Skala 2 (Störbarkeit des Essverhaltens) mit erhöhter Nahrungsaufnahme. Beide Skalen besitzen prognostische Validität im Hinblick auf erfolgreiche Gewichtsreduktion. Normen: Vorläufige Normen, vor allem für weibliche Probanden, Angabe der Perzentile (Werteverteilungen) für verschiedene Validierungsstichproben (N = 91.491). Bearbeitungsdauer: etwa 15 Minuten Somatoforme Störungen SOMS-2: Screening für somatoforme Störungen (Rief, Hiller & Heuser, 1997) Einsatzbereich: Diagnostik von körperlichen Beschwerden innerhalb der letzten 2 Jahre, die nicht auf eine organische Ursache zurückzuführen sind. Das Verfahren: Berücksichtigt werden alle körperlichen Symptome, die für eine Somatisierungsstörung nach DSM-IV, ICD-10 als auch für die somatoforme autonome Funktionsstörung von Relevanz sind. Testaufbau: Das SOMS-2 besteht aus insgesamt 68 Items, wobei die Items 1 bis 53 den Somatisierungsteil darstellen. Ein- und Ausschlusskriterien werden mit den Items 54 bis 63 erfragt (z.B. Panikstörung). Als „Grobscreening“ für weitere Untergruppen von somatoformen Störungen (Hypochondrie, körperdysmorphe Störung und somatoforme Schmerzstörung) dienen die Items 64 bis 68, um ggf. weitere diagnostische Instrumente einzusetzen. Es lassen sich drei Somatisierungsindizes bilden: a) Somatisierungsindex nach DSM-IV, b) Somatisierungsindex nach ICD10 und c) SAD-Index zur Abklärung einer somatoformen autonomen Funktionsstörung. Zuverlässigkeit: Die interne Konsistenz für den Beschwerdenindex liegt bei α = .88 für den Beschwerdenindex Somatisierung und zwischen α = .73 und α = .79 für die drei anderen Indizes. Die Retest-Reliabilität (nach 72 Stunden) liegt zwischen rtt = .85 und rtt = .87 für SOMS-2 Gültigkeit: Die Korrelationen zwischen dem SOMS-2 und verschiedenen Skalen anderer Verfahren (z.B. SCL-90, FPI) belegen eine zufriedenstellende Konstrukvalidität. Normen: Es bestehen Normwerte für gesunde (N=101) und psychosomatische Patienten (N=484) für jeden einzelnen Index, getrennt nach Geschlecht sowie für die jeweilige Gesamtstichprobe. Bearbeitungsdauer: ca. 5 Minuten XXIV Weitere Fragebogen, die je nach Indikation vorgegeben werden, sind: Posttraumatische Belastungsstörungen PDS: Posttraumatic stress diagnostic scale (Ehlers, Steil, Winter & Foa (1996) Pathologisches Glücksspiel KFG: Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (Petry & Baulig, 1995) Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung WURS-K: Wender Utah Rating Scale ADHS-SB: Selbstbeurteilungsskala ADHS-DC: Diagnosecheckliste Borderline Persönlichkeitsstörung BSL-95: Borderline-Symptom-Liste (Bohus et al., 2001) Partnerschafts- und Familienprobleme PFB: Partnerschaftsfragebogen (Hahlweg, 1996) FB: Die Familienbögen (Cierpka & Frevert, 1994) d. Arbeits- und berufsbezogene Diagnostik AVEM: Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster, Schaarschmidt, U.; Fischer, A. (2003) Einsatzbereich: Mit dem Test werden individuelle Verhaltens- und Erlebensweisen gegenüber der Arbeit erfasst und unter Gesundheitsaspekten beurteilt. Das Verfahren: Selbstbeurteilung durch Fragebogen. Vier arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern werden durch den Test erfasst: a) gesundheitsförderliches Verhalten- und Erlebensmuster, so dass keine therapeutischen Interventionen notwendig sind, b) auf Schonung orientiertes Verhaltens- und Erlebensmuster, mit Hinweisen auf die Notwendigkeit motivierender Interventionen, c) gesundheitsgefährdendes Verhalten- und Erlebensmuster in Richtung einer Selbstüberforderung und d) gesundheitsgefährdendes Verhalten- und Erlebensmuster: in Richtung von Resignation und Depression. Die beiden letzten Dimensionen mit Hinweisen auf die Notwendigkeit therapeutischer Interventionen Testaufbau: Der Test ist ein mehrdimensionales persönlichkeitsdiagnostisches Verfahren. Die insgesamt 66 Items (6 pro Dimension) erfassen per Selbsteinschätzung 11 faktorenanalytisch XXV gewonnene Dimensionen: Subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit, Beruflicher Ehrgeiz, Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, Distanzierungsfähigkeit, Resignationstendenz (bei Misserfolg), Offensive Problembewältigung, Innere Ruhe / Ausgeglichenheit, Erfolgserleben im Beruf, Lebenszufriedenheit, Erleben sozialer Unterstützung. Zuverlässigkeit: Der AVEM weist in allen 11 Dimensionen ausreichende innere Konsistenz auf (Cronbachs Alpha zwischen .78 und .87; Splithalf-Reliabilität zwischen .76 und .90.) Gültigkeit: Es konnten faktorielle, Kriteriums- und Kontruktvalidität nach gewiesen werden. Normen: Es liegen Normen für Berufsgruppen und für Studierende und Patienten vor. Bearbeitungsdauer: ca. 15 Minuten. MELBA: Merkmalprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1999). Dieses strukturierte Interviewverfahren ist ausführlicher unter Ergotherapie dargestellt (11.1) e. Mentale Körperfunktionen Im Rahmen der Analyse der mentalen Körperfunktionen werden sowohl globale mentale Funktionen (z. B. Orientierung, Intelligenz, Energie und Antrieb; ICF: b110-139) als auch spezifische mentale Funktionen (z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, kognitiv-sprachliche Funktionen; ICF: 140-189) erfasst. Dazu werden folgende Tests je nach Indikation eingesetzt: VLMT: Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest (Helmstädter, Lendt & Lux, 2001) Einsatzbereich: Erfassung des verbalen deklarativen Gedächtnisses Testaufbau: Das Testmaterial besteht aus zwei Wortlisten (A Lernliste) und (B Interferenzliste) mit jeweils 15 semantisch unabhängigen Substantiven. Eine dritte Wiederkennensliste besteht aus 50 Wörtern (Listen A und B sowie semantisch und phonetisch ähnliche Distraktoren). Die Testung erfolgt in mehreren Durchgängen: (1-5) Die Wörter der Liste A werden jeweils im Abstand von einer Sekunde vorgelesen und sollen frei reproduziert werden. (I) Die Wörter der Interferenzliste werden vorgegeben und abgefragt. (6) Ohne erneute Vorgabe ist Liste A zu reproduzieren. (7) Nach 30minütiger Pause wird die Wiedererkennensliste vorgegeben. Der Proband soll die Wörter der Liste A wiedererkennen. Als Parameter werden u.a. ausgewertet: unmittelbare Gedächtnisspanne, Gesamtlernleistung, Abrufleistung und Verlust nach zeitlicher Verzögerung, korrigierte Wiedererkennensleistung. Zuverlässigkeit: Die Retestreliabilität liegt bei einem Abstand von 8 - 12 Monaten je nach erhobenem Gedächtnisparameter zwischen .68 und .87. Gültigkeit: Es existieren umfangreiche Befunde insbesondere zur klinischen Validität des Verfahrens. XXVI Normen: Es werden Prozentränge und T-Werte angegeben. Bearbeitungsdauer: Die effektive Testzeit beträgt 20 - 25 Minuten. Inklusive des 30-minütigen Verzögerungsintervalls nimmt die Durchführung 50 - 55 Minuten in Anspruch. CFT-20: Grundintelligenztest Skala 2 – Revision (Weiss, 2006) Einsatzbereich: Sprachfreie Messung der allgemeinen geistigen Leistungsfähigkeit Das Verfahren: Der CFT-20 dient zur Erfassung der „fluiden Intelligenz“, welche das Intelligenzpotential repräsentiert und frei von soziokulturellen, erziehungsspezifischen und ethnischen Hintergründen ist. Die fluide Intelligenz kann umschrieben werden mit der Fähigkeit, figurale Beziehungen und formal-logische Denkprobleme mit unterschiedlichem Komplexitätsgrad zu erkennen und innerhalb einer bestimmten Zeit zu verarbeiten. Testaufbau: Der CFT 20-R umfasst zwei gleichartig aufgebaute Testteile, die jeweils vier Untertests beinhalten (Reihenfortsetzen, Klassifikationen, Matrizen und topologische Schlussfolgerungen). Der erste Teil umfasst 57 Items, der zweite Teil 45 Items. Für beide Testteile werden die Rohpunktsummen ermittelt, durch anschließende Addition ergibt sich der Gesamtrohwert. Zuverlässigkeit: Der Konsistenzkoeffizient für den Gesamttest beträgt .95. Für einen Abstand von drei Monaten konnten Testwiederholungskoeffizienten von .80 bis .82 ermittelt werden. Gültigkeit: Korrelationen mit anderen Intelligenztests liegen im Durchschnitt für bei .64 und reichen von .57 bis .73. Normen: Es liegen Altersnormen für Erwachsene (20 - 60 Jahre) nur für den ersten Testteil vor. Bearbeitungsdauer: beide Testteile ca. 60 Minuten, Kurzform (erster Testteil) ca. 37 Minuten - - Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP 1, 2, 5, 6, 9, 11 ) mit den Faktoren Alertness ( Aufgewecktheit), geteilte Aufmerksamkeit (mehrere Reize berücksichtigen), selektive Aufmerksamkeit (Fähigkeit zur Unterdrückung einer nicht adäquaten Reaktion), Arbeitsgedächtnis, kognitive Flexibilität und Vigilanz d2 Aufmerksamkeits-Belastungstest DCS Diagnostikum für Cerebralschädigungen VLMT Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest Wechsler Intelligenztest MWT-B Mehrfachwahl-Wortschatz-Test CFT-20 nichtsprachlicher Intelligenztest Trail Making Test DemTect zur Erfassung von Demenzstörungen SIDAM zur Differentialdiagnose einer Demenzstörung XXVII