Sonntag aktuell_2013/02
Transcription
Sonntag aktuell_2013/02
Sonntag Aktuell, 10. Februar 2013 8 SCHÖNER LEBEN Heimat zum Hinstellen Kuckucksuhren, Hirschgeweihe, Gartenzwerge – früher als spießig verpönt, feiern diese dinggewordenen Heimatgefühle heute ein Comeback. Dabei gilt: Je durchgeknallter, desto besser. VON SANDRA DAMBACHER Das passt dazu Nicht nur mit Deko lassen sich Heimatgefühle erzeugen, sondern auch damit: Magazine: „Landlust“ oder „Alblust“ Spirituosen: Jägermeister oder Monkey 47 Buch: „Blasmusikpop“ – Vea Kaiser führt den Heimatroman mit vielen lustigen Geschichten um ein Bergdorf, in das die Wissenschaft kam, in die moderne Gegenwart. Musik: La Brass Banda – die Jungs aus Bayern bringen ganze Festivals mit Blasmusik-Ska-Punk zum Rocken. Dabei tragen sie Lederhosen. Freizeitbeschäftigung: Gartenarbeit und Wandern. Tanz: Lindy-Hop: Die Tanzenden tragen züchtige Röcke und schmieren sich Pomade ins Haar. Der Stil zur swingenden Musik kommt aus den USA und war in den 30er Jahren in. Heute erlebt Lindy-Hop in vielen Tanzschulen ein Revival. Reiseziele: Bodensee, Schwäbische Alb, Bayern. Goldene Eichhörnchen, herzige Zwerge, himmelblaue Kuckucksuhren, Jagdtrophäen aus Plüsch – für manche witzige Accessoires, für andere grauenvoller Kitsch. FOTOS: GIFT COMPANY, BUTLERS, TRENKLE Schmunzeln, lautes Lachen oder Kopfschütteln, das sind meist die ersten Reaktionen auf die heimattümelnden Wohnaccessoires: Kissen mit Edelweiß, Wetterhäuschen, Kuhglocken – einst Altbackenes kramen Designer wieder hervor. Den Staub wischen sie mit knallbunten Farben weg. Heimische Tiere wie Eichhörnchen glitzern dazu oder schimmern wie Weihnachtskugeln. Mit dem Heimattrend sind nun auch Jagdtrophäen in der stylishen Stadtwohnung salonfähig geworden. Von der Wand gucken Hirsch, Wildschwein oder Widder. Opas echte Geweihe dürfen sich daruntermischen – die neuen sind allerdings meist aus tierfreundlichem Plüsch. Wer es nicht ganz so kitschig mag, greift zum Hirschkopf aus Aluminium oder Glas. Vor über zehn Jahren begann diese Mode, die mit der aufkommenden Sehnsucht nach Heimat und alten Werten wie Treue oder Beständigkeit spielt. Getriebene Stadtnomaden sehnten sich nach den alten Wurzeln zurück. Mit der neuen Lust an der Heimat kamen die ersten Taschen und T-Shirts mit klein karierten Herzen, Fliegenpilzen oder Rehkitzen heraus. Die Marke Adelheid legte vor sieben Jahren mit bedruckten und bestickten Leibchen und Filzpantoffeln los. Aufdrucke wie „Naturbursche“, „Glückliche Zeiten“ oder „Heimatglück“ vermittelten dabei eine heile Welt voller Glückseligkeit. Mit dem Trend ist die Marke gewachsen. Heute gibt’s auch Tassen, Schneidebrettchen, eine ganze Babykollektion samt Wickeltasche und Kinderwagen – und sogar die Linie für den Hund. Denn auch beim besten Freund des Menschen zählen nun alte Werte. Auf dem Napf steht: „Treuer Freund“. Der Hype um Hirschkopf und Co. lässt sich auch so erklären: In einer zunehmend globalisierten, entgrenzten Welt und in unsicheren Zeiten bäumt sich die Heimatwelle immer höher auf. Und spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 ist es ja ohnehin erlaubt, seinen Heimat- oder Nationalstolz auch ganz öffentlich zu zeigen. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen junge Menschen bei wildlederner Romantik die Nase rümpften. Im Gegenteil. In Massen strömen sie seit einigen Jahren wieder in Lederhosen und Dirndl auf das Oktoberfest oder den Cannstatter Wasen. Dabei passiert mit den Dirndln Ähnliches wie mit dem Wohnzimmerschmuck: Sie müssen vor allem knallbunt sein. Ob die sexy Kleidchen mit dem tiefen Dekolleté den Traditionen entsprechen, ist den meisten egal. Ebenso wenig stört sie, dass diese Tracht auf dem Wasen traditionell gar nichts verloren hat. Höchstens versucht Frau noch auf der richtigen Seite die Schleife an der Schürze zu binden – als Zeichen dafür, dass sie vergeben oder noch zu haben ist. Und ob jede, die ein Dirndl in Pink, Orange oder Neongrün trägt, auch wirklich eine tiefe Sehnsucht nach alten Werten hat, sei dahingestellt. Traditionen auszuleben, zum Beispiel mit dem Maßkrug anzustoßen, in eine Brezel zu beißen und zu Schlagern und Volksmusik zu schunkeln, wird ganz einfach zum pseudo- authentischen Unterhaltungsprogramm. Inzwischen springen sogar Traditionsbetriebe wie Trenkle-Uhren aus dem Schwarzwald auf die Welle auf. Neben den alten Stücken aus Holz gibt’s nun auch neue Kuckucksuhren aus Plastik in Blau, Grün, Rosa und Orange. Doch nicht nur das, sondern auch farbenfrohe Wetterhäuschen gibt’s im Katalog – sogar in Pink. Auch das Nachbarland Schweiz beliefert inzwischen den deutschen Markt mit passenden Accessoires. In der Schweiz kommt das Glück allerdings aus den Alpen. Das Wort „Alpenglück“ macht aus Tassen, Tellern, Kissen und Bettwäsche Heimatgefühle zum Reinkuscheln. Das geht sogar bis zum Aufkleber mit Hirschkopf für den Toilettendeckel. So scheiden sich an dieser Art der Dekoration denn auch die Geister: Für die einen ist sie eine humorvolle Reminiszenz an Großmutters Zeiten, für die anderen nichts anderes als weichgespülter, verkitschter Reaktionismus. Vielleicht muss man die knallbunten Heimataccessoires auch einfach als das nehmen, was sie sind: ein Trend, der sicher auch wieder vorbeigeht. Heimat an den Füßen: Fußmatte „Heimatglück“ und Pantoffel „Glückliche Zeiten“. FOTOS: ADELHEID ZEHN GRÜNDE FÜR . . . 3 FOTO: DPARALBILD . . . den Ausschaltknopf auf der Fernbedienung. Die immer gleichen Gesichter VON LISA WELZHOFER 1 Veronica Ferres (im Bild rechts) Gibt es irgendwo eine Katastrophe zu überleben – Frau Ferres ist schon da. Tsunami, DDR-Gefängnis, verlorene Kinder – kein Problem für die große Schmerzensreiche. Am Ende wird ja doch alles gut, und die Heldin bekommt einen Multimillionär zum Mann. Was waren das für angenehme Zeiten, als sie noch auf Nebenrollen (Sekretärin in „Unser Lehrer Dr. Specht“) abboniert war. Darin glänzte sie dann manchmal tatsächlich, zum Beispiel als furiose Nelly Kröger in „Die Manns“. Heino Ferch (im Bild links) Auch an ihm geht kein Weltkrieg, kein Boxer, kein „Hanni & Nanni“ vorbei. Ferch ist die männliche Allzweckwaffe des deutschen Films. Aber Allzweckwaffen nutzen sich halt auch mal ab. Schade, seine Schauspielkunst hätte mehr Dosierung verdient. 2 Devid Striesow Was muss der Striesow jetzt auch noch „Tatort“-Kommissar werden? Wer sich die Freude an seinem großartigen Spiel erhalten will, der gehe lieber ins Theater oder ins Kino. Maria Furtwängler Frau Furtwängler spielt jedes Frauenschicksal zwischen Niedersachsen und Ostpreußen – mit eiserner Miene. Und zwar mit der immer gleichen eisernen Miene. Variationen menschlicher Regungen sind nicht ihr Ding. Macht nix: Dafür gibt’s ja die Ferres. Und so teilen sich zwei Blonde die Frauenrollen mittleren Alters. Wobei, eine Dunkelhaarige gibt es dann doch noch: Christine Neubauer Seit Neubauer die „Löwengrube“ verlassen hatte, nervte das Vollweib erst mit Filmen wie „Afrika im Herzen“, „Alle Sehnsucht dieser Erde“ und „Folge deinem Herzen“. Jetzt nervt das Halbweib mit Diättipps. 4 5 6 Moritz Bleibtreu Weil jeder Kinofilm mal ins Fernsehen kommt, findet auch Moritz Bleibtreu seinen Weg auf die Mattscheibe. Und wenn einer so viele Filme spielt wie er, dann passiert Folgendes: Sein Andreas Baader („Der Baader Meinhof Komplex“) wirkt plötzlich wie der Abdul aus „Knockin’ on Heaven’s Door“, in „Elementarteilchen“-Bruno erkennt man den Manni aus „Lola rennt“, und im Joseph Goebbels in „Jud Süß“ scheint der Giancarlo aus „Solino“ auf. Nur den tollen Bleibtreu, den sieht man irgendwann nicht mehr. Alle zusammen Und dann gibt es ja auch noch die Filme, in denen die alle zusammen auftreten. . . Günther Jauch Nicht nur Schauspielern tut die Dauerpräsenz auf dem Bildschirm nicht gut, sogar Günther Jauchs Spitzbubentum mit Krawatte will irgendwann keiner mehr sehen. Will er denn nun Menschen zum Millionär 7 8 machen oder Millionären auf den Zahn fühlen? Ist seine Plauderei mit den Normalos auf RTL irgendwie erfrischend, wirkt sie mit den Großkopferten in der ARD nur seicht. Ab ins Bundespräsidentenamt! Oliver Geissen Wenn man so ziemlich alles moderiert, was im Sender RTL an Unterhaltungsformaten läuft, kann einem schon mal die Lust ausgehen. Keiner zeigt das so offen wie Oliver Geissen, wenn er ohne Plan und Inspiration auf seiner ultimativen Chart-Couch sitzt. Kubicki und von der Leyen Jede Menge Déjà-vus auch auf den Talk-Show-Sofas. Wolfgang Kubicki, Ursula von der Leyen, Sarah Wagenknecht und Wolfgang Bosbach – arg viel mehr Politiker schien es 2012 in Deutschland nicht zu geben. Dazu die Journalisten Hans-Ulrich Jörges und Jakob Augstein. Fertig ist die Sendung, ob zu Euro, Kachelmann oder Fußpilz. 9 10