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I. ABHANDLUNGEN
SCHADENERSATZ:
COMMON LAW UND CIVIL LAW IM VERGLEICH
Von He l mu th Pr ee
Präzisierung der Fragestellung
Mehrere tausend Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker wurden vor USamerikanische Gerichte gebracht – nicht zuletzt deshalb, weil sich das kanonische Recht nicht als effizient genug erwies, um den Opfern zu ihrem Recht zu
verhelfen.1 Die meisten Fälle endeten mit einem settlement, aber die von den
betroffenen Diözesen zu leistenden Schadenersatzsummen gingen sehr oft in
die Millionen Dollar, in nicht wenigen Fällen überstiegen sie 10 Millionen
hinsichtlich eines Täters2 – ganz abgesehen von dem durch den Missbrauch der
Kirche insgesamt zugefügten moralischen und pastoralen Schaden.
Leicht gekürzte Fassung des englischen Originals „Allocation of Damages – A Civil
Law Perspective“, dem der am 20. September 2014 im Rahmen des XV. Internationalen Kongresses der Consociatio Studio Iuris Canonici Promovendo in Washington
gehaltene Vortrag zugrundeliegt. Das englische Original wird in den Akten des Kongresses publiziert.
1 T h o m a s P . D o y l e , S t e p h e n C . R u b i n o , Catholic Clergy Sexual Abuse
meets the Civil Law, in: Fordham Urban Law Journal 31 (2003) 549–616, 549; zu den
Problemen um den sexuellen Missbrauch von Klerikern siehe Ann Underwood, Doing
Justice in Cases of Clergy Abuse of Power. A Legal Perspective, in: Journal of Religion
& Abuse 5 (2003) 35–65.
2 Vgl. T i m o t h y D . L y t t o n , Clergy Sexual Abuse Litigation. The Policymaking
Role of Tort Law, in: Connecticut Law Review 39 (2007) 809–895, 815–817.
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Die folgende Untersuchung nimmt das eben Gesagte zum Anlass, die
Grundgedanken des Schadenersatzrechts, wie sie sich im Common Law herausgebildet haben, in Gegenüberstellung zu jenen der europäischen Kodifikationen darzustellen. Zu diesem Zweck scheint es notwendig, vorab die die beiden
Rechtssysteme prägenden Charakteristika in gedrängter, überblicksmäßiger
Form aufzuzeigen, bevor die Grundelemente des Schadenersatzrechts der beiden Rechtskreise erörtert werden. Soweit es um das anglo-amerikanische Case
Law–System geht, konzentriert sich die Untersuchung schwerpunktmäßig auf
das US-amerikanische Common Law, ohne die Unterschiede zwischen dem
englischen und dem amerikanischen Rechtssystem eigens zu thematisieren. Auf
Seiten der europäischen Zivilrechts-Kodifikationen werden hauptsächlich das
französische, österreichische, italienische und deutsche Zivilgesetzbuch ins
Auge gefasst. Da sich jedoch auch die Katholische Kirche seit dem CIC/1917
des Kodifikationssystems bedient3 – wobei einige Unterschiede gegenüber den
zivilen Pendants zu konstatieren sind, die es rechtfertigen, bereits vom
CIC/1917 als einem „codice atipico“ zu sprechen4 – lässt sich die rechtsvergleichende Untersuchung ebenso auf das Schadenersatzprinzip des kanonischen
Rechts beziehen.
3
Vgl. P i e r o A n t o n i o B o n n e t , De momento codificationis pro iure Ecclesiae, in:
Periodica 70 (1981) 303–368; G i o r g i o F e l i c i a n i , Il Concilio Vaticano I e la codificazione del diritto canonico, in: Ephemerides Iuris Canonici 33 (1977) 115–143; C a r l o
F a n t a p p i è , Chiesa Romana e modernità giuridica. Bd. II: Il Codex Iuris Canonici
(1917), Milano 2008, insbes. S. 988–1061; C a r l o R e d a e l l i , Codificación [cuestión de
la]: Diccionario General de Derecho Canónico, Bd. II (2012) 189–196; C a r l o R e d a e l l i , The Adoption of the Principle of Codification, in: Jurist 57 (1997) 249–278;
G a e t a n o L o C a s t r o , La codificazione del Diritto della Chiesa, in: Gaetano Lo Castro,
Il Mistero del Diritto, Bd. II. Persona e Diritto nella Chiesa, Torino 2011, 77–95.
4 Für den CIC 1917 verwendet C a r l o F a n t a p p i è das Wort: „un Codice atipico”:
siehe C a r l o F a n t a p p i è , Chiesa Romana e modernità giuridica. Bd. II: Il Codex Iuris
Canonici (1917), Milano 2008, 1052–1061. Eine kritische Analyse der Gründe und
Konsequenzen der Wahl der Kodifikationstechniken in den Codices 1917 wie auch
1983 bietet: N i c o l á s À l v a r e z d e l a s A s t u r i a s , Derecho canónico y codificación.
Alcance y límites de la asunción de una técnica, in: Ius Canonicum 51 (2011) 105–136;
d e r s . , Las dos codificaciones canónicas y su lugar en la historia, in: Folia Theologica et
canonica 2013, 159–176.
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Schadenersatz
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I. Das US-amerikanische Common Law- und das europäische Kodifikationssytem im Vergleich
1. H is to r is ch e r Hi n t erg run d
a) Kontinentaleuropäisches Recht
Das Schadenersatzrecht der europäischen Zivilrechtskodifikationen wurzelt in
seinen Grundzügen im Römischen Recht, wie dieses im Ius commune dem
Abendland des Mittelalters überliefert wurde, und ist beeinflusst vom europäischen Naturrechtsdenken des 17. und 18. Jahrhunderts.
Das Römische Recht kannte weder einen einheitlichen Begriff des Schadens
noch eine einheitliche Klage (actio) zu seiner Geltendmachung. Je nach Art des
Schadens und seiner Verursachung gestalteten sich der Anspruch und das Verfahren unterschiedlich. Die hauptsächliche Grundlage für die Weiterentwicklung bilden das XII-Tafel-Gesetz (ca. 450 v. Chr.) mit der dort vorgesehenen
actio iniuriarum, einer pönalen Klage wegen Personenverletzung5 sowie die Lex
6
Aquilia (ca. 286 v. Chr.) mit Sanktionen im Falle des damnum iniuria datum ,
d. h. unrechtmäßigen und zurechenbaren Verletzungen7, welche durch urere,
frangere oder rumpere an bestimmten Gütern einer anderen Person begangen
wurden.8 Der Geschädigte erhielt nicht nur den real bezifferbaren Schaden
ersetzt, sondern in aller Regel ein Vielfaches davon, als private Bestrafung des
5
Lex XII tabularum 8, 2–4. Siehe: Gai. Inst. 220–225; Iustinian. Inst. 4,4; Dig. 47,10
18
(Ulpianus). Vgl. M a x K a s e r , R o l f K n ü t e l , Römisches Privatrecht, München 2005,
6
257–258; H e i n r i c h H o n s e l l , Römisches Recht, Berlin-Heidelberg 2006, 181; D e t 6
l e f L i e b s , Römisches Recht, Göttingen 2004, 214–222 .
6 Iustinian. Inst. 4,3; Dig. 9,2. Vgl. K a s e r , K n ü t e l , Römisches Privatrecht
(Anm. 5), 255–257; H o n s e l l , Römisches Recht (Anm. 5), 173–180; L i e b s , Römisches
Recht (Anm. 5), 198–205.
7 „Iniuria“ umfasst ursprünglich sowohl Rechtswidrigkeit wie auch „dolus“ (böswillige Absicht, Vorsatz). Erst später (gegen Ende des Römischen Reiches) beginnt der Ausdruck „iniuria“ auch „culpa“ (Fahrlässigkeit) miteinzuschließen. Die klare Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und Zurechenbarkeit (dolus, culpa) ist das Ergebnis der
weiteren Entwicklung.
8 Andere Typen von Verantwortlichkeit für Schadenersatz waren: furtum (Diebstahl), rapina (Raub); Erpressung (actio quod metus causa, Dig. 4,2; Iustinian. Inst. 4, 6, 25
und 27); Schaden verursacht durch Betrug (actio de dolo, Dig. 4,3,18 pr., 1 und 4); quasi
delicta (wie Haftung auf Grundlage von culpa in eligendo); vgl. K a s e r , K n ü t e l , Römisches Privatrecht (Anm. 5), 250–259.
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Schädigers9. Diese Geldstrafe trat an die Stelle von Rache und Vergeltung10.
Dies weist darauf hin, dass das Römische Recht in seinen ältesten Zeiten nicht
zwischen Sühne und Vergeltung einerseits und Ersatz des Schadens andererseits differenzierte. Jedoch führte die weitere Entwicklung dazu, das pönale und
das schadenersatzrechtliche Element klar voneinander zu trennen. Eben dies
ging als ein das Schadenersatzrecht charakterisierender Wesenszug in die Kodifikationen ein: Der Schadenersatz beschränkt sich auf den Ersatz des erlittenen
Schadens; was darüber hinaus geht (die Bestrafung des Täters in den vorgesehenen Tatbeständen), fällt unter das – wesensgemäß öffentliche – Strafrecht.11
In der Frage einer Haftung für Gehilfen sind Ansätze zu erkennen (vgl. Dig.
19,2,25,7), jedoch noch keine entwickelte Regel. Vielmehr scheint in der klassischen Periode des Römischen Rechts der tragende Grundsatz zu sein: Factum
alterius non nocet (ei qui nihil fecit): Dig. 39, 1, 5, 5 (Ulpian).12
Im 12. Jahrhundert übernahm das kanonische Recht die schadenersatzrechtlichen Grundsätze des Römischen Rechts13, stellte sie aber auf die Grundlage der christlichen Moral. Zwei Elemente schufen die Verbindung zur Moral:
(1) Einer anderen Person Schaden zuzufügen ist zuallererst Sünde, und folglich ein Hindernis auf dem Weg zum Heil. Die Sünde kann aber nicht vergeben werden ohne Rückerstattung bzw. Wiedergutmachung des Schadens. Dies
fand Ausdruck in zwei Regulae iuris: Peccatum non dimittitur nisi restituatur ablatum (RJ 4 in VI°); Peccati venia non datur nisi correcto (RJ 5 in VI°).14
9
Im Römischen Recht unterschieden sich die Begriffe crimina (kriminelle Delikte)
und delicta (privata): Die Erstgenannten, die „crimina publica“, betrafen die Öffentlichkeit, wie Hochverrat, Mord; die Zweitgenannten umfassten Rechts- und Eigentumsverletzungen von Privatpersonen, wie Körperverletzung, Diebstahl, Sachschaden.
Vgl. K a s e r , K n ü t e l , Römisches Privatrecht (Anm. 5), 250–251; L i e b s , Römisches
Recht (Anm. 5), 188.
10 Vgl. K a s e r , K n ü t e l , Römisches Privatrecht (Anm. 5), 250.
11 Vgl. L i e b s , Römisches Recht (Anm. 5), 188–189; D e t l e f L i e b s , Die Klagenkonkurrenz im Römischen Recht – Zur Geschichte der Scheidung von Schadensersatz
und Privatstrafe, Göttingen 1972, insbes. 87–240.
12 S i e h e K a s e r , K n ü t e l , Römisches Privatrecht (Anm. 5), 183–184.
13 Zur Übernahme des Römischen Rechts in das kanonische Recht vgl. J o s é M i g u e l V i e j o - X i m é n e z , La recepción del derecho romano en el Derecho canónico, in:
Ius Ecclesiae 14 (2002) 375–414; W i l l i b a l d M . P l ö c h l , Geschichte des Kirchenrechts, Bd. II, Wien-München ²1962, 64, 468, 498–499 und 516.
14 Vgl. V i c t o r i u s B a r t o c c e t t i , De Regulis Iuris, Roma 1955, 37–40. Zum Decretum Gratiani vgl. C 14, 6, 1; C 23, 8, 31. Vgl. M a r i a d ’ A r i e n z o , L’obbligo di riparazione del danno in Diritto Canonico. Percorsi di ricerca, Cosenza 2013, 62–69: „La
riparazione del danno, come espressione di pentimento del colpevole, è condizione di
efficacia dell’amministrazione del sacramento della confessione e dell’assoluzione dei
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Schadenersatz
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(2) Die Tugend der Gerechtigkeit15 verlangt die Rückerstattung bzw. den
Ersatz des zugefügten Schadens; es handelt sich um ein Erfordernis der iustitia
commutativa: „Restitutio est actus iustitiae commutativae“16. Folglich kann der Geschädigte nicht mehr beanspruchen als den vollständigen Ersatz: „Aliquis reddendo quod accepit simplum, reducit ad aequalitatem. Ergo solum tenetur restituere
tantum quantum accepit. … Non plus quam quis accepit, restituere tenetur.“17
Die Scholastik übte demnach einen erheblichen Einfluss auf die kirchenrechtliche Ausgestaltung des Schadenersatzrechts aus. Die Dekretale Si culpa
tua (X 5, 36, 9)18 wurde mit ihrer Festlegung der schadenersatzrechtlichen Prinzipien im kanonischen Recht zur Basis der Weiterentwicklung. C. 128 CIC/198319
ist das Ergebnis dieser Entwicklung und fasst die in der Substanz bereits im
Dekretalenrecht vorhandenen Prinzipien zusammen.20
Der Beitrag des kanonischen Rechts zum Problem des Schadenersatzes lässt
sich in vier Elementen zusammenfassen:
• im Hinblick auf den Zweck: Rückerstattung und Schadensausgleich besitzen keinen Strafcharakter, sondern dienen der Wiederherstellung der iustitia
commutativa.
• Der Anspruch des Geschädigten geht folglich nur bis zum vollen Ersatz.
peccati, al fine di realizzare l’appartenenza giuridicamente piena alla comunione salvifica della Chiesa“ (67).
15 S. Thomas übernimmt die Definition von „Gerechtigkeit“ aus dem römischen
Recht: „Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuens“ (Iustinian.
Inst. 1,1,1); „Iuris praecepta haec sunt: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere“ (Iustinian., Inst. 1,1,3) – beide Zitate gehen zurück auf Ulpianus: Dig. 1, 1,
10. S . T h o m a s , II-II q. 58 a. 1: „Justitia, perpetua et constans voluntas est, jus suum
unicuique tribunes“; deshalb: „Proprius justitiae actus est, unicuique quod suum est
reddere“ (II-II q. 58 a. 11).
16 S . T h o m a s , II-II q. 62 a. 1.
17 S . T h o m a s , II-II q. 62 a. 3. Zur vollständigen Erklärung der Begriffe von Entschädigung und Ausgleich als Erfordernisse der Gerechtigkeit – gesehen vom klassischen Standpunkt aus („Realismus“ in der Tradition von Aristoteles, den römischen
Juristen, Thomas, und der Scholastik) vgl. J a v i e r H e r v a d a , Lecciones propedéuticas
4
de filosofía del derecho, Pamplona 2008, 251–302, insbes. 291–298.
18 „Si culpa tua datum est damnum vel iniuria irrogata, seu aliis irrogantibus opem
forte tulisti, aut haec imperitia tua sive neglegentia evenerunt: iure super his satisfacere
te oportet, nec ignorantia te excusat, si scire debuisti, ex facto tuo iniuriam verisimiliter
posse contingere vel iacturam. …“ (X 5, 36, 9). Vgl. D ’ A r i e n z o , L’obbligo di riparazione (Anm. 14), 73–76.
19 Vgl. H e l m u t h P r e e , On juridic acts and liability in Canon law, in: Jurist 58
(1998) 41–83 und 479–514.
20 Nähere Details bezüglich der Entwicklung hin zum CIC 1983: D ’ A r i e n z o ,
L’obbligo di riparazione (Anm. 14), 69–135.
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• Bereits culpa levissima begründet die Schadenersatzforderung.21
• Der Ersatzanspruch erstreckt sich auf alle möglichen Arten von Schäden
i. S. von Verletzungen des einer Person geschuldeten suum.
Das Römische Recht bzw. das Ius commune22 wurde im Mittelalter in weiten
Teilen Europas übernommen und bis in die Neuzeit hinein als zumindest subsidiäre Rechtsquelle anerkannt. Endgültig beseitigten erst die Kodifikationen
das Ius commune als verbindliche Rechtsquelle. Jedoch haben die Kodifikationen in inhaltlicher Hinsicht die gemeinsamen Wurzeln im Römischen Recht
nicht aufgelöst.23
Die ersten europäischen Privatrechtskodifikationen entstehen in der Periode
der Aufklärung und stehen unter dem Einfluss rationalistischer Naturrechtslehren dieser Epoche – die ratio erhält den Vorzug gegenüber auctoritas et traditio24: das Allgemeine Landrecht (ALR, Preußen 1794)25; der Code Civil (Frankreich, 1804)26; das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB, Österreich,
1811)27. In all diesen Kodifikationen gehört das Obligationenrecht mit dem
Schadenersatzrecht zu jenen Materien, die aus dem Römischen Recht übernommen wurden, so wie dieses durch den usus modernus pandectarum vermittelt
und in manchen Punkten durch das aufgeklärte Naturrecht mitgeprägt worden
war.28 Das römische Rechtserbe findet sich aber ebenso im Obligationenrecht
21 Wie D ’ A r i e n z o betont, ist die spezielle Wichtigkeit des subjektiven Elements als
Kriterium für die Zurechenbarkeit von Schäden der wichtigste Beitrag des Kanonischen
Rechts zur Frage der Verantwortlichkeit: L’obbligo di riparazione (Anm. 14), 134.
22 Zum Begriff des Ius commune vgl. E m i l i o B u s s i , Intorno al concetto di Diritto
2
commune, Milano 1935; K l a u s L u i g , Gemeines Recht, in: HRG II ,60–77; A d r i a n o
C a v a n n a , Storia del diritto moderno in Europa. Le fonti e il pensiero giuridico I, Milano 1979, 21–190 und 617–643 (Bibliographie).
23 Vgl. L u i g i L a b r u n a , Ius europaeum commune. Le matrici romanistiche del diritto europeo attuale, in: Ulrich Manthe/Christoph Krampe (Hrsg.), Quaestiones Iuris.
FS Joseph Georg Wolf zum 70. Geburtstag, Berlin 2000, 151–161, 157; C a v a n n a ,
Storia del diritto (Anm. 22), 193–318.
24 V g l . I n g e K r o p p e n b e r g , Kodifikation, in: HRG2 II, 1918–1930; Cavanna,
Storia del diritto (Anm. 22), 319–377.
25 V l g . J ö r n E c k e r t , Allgemeines Landrecht (Preußen), in: HRG2 I, 155–162.
26 Vgl. J e a n - L o u i s H a l p é r i n , Code Civil, in: HRG2 I, 861–866.
27 Vgl. W i l h e l m B r a u n e d e r , Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich),
2
in: HRG I, 146–155.
28 Vgl. K l a u s L u i g , Usus modernus: HRG1 IV, 628–636: Es ist die Zeit vom beginnenden 16. Jh. bis zum Ende des 18. Jh., als das Ius commune (Römisches und Kanonisches Recht) an den Universitäten gelehrt und von den Gerichtshöfen angewendet
und weiterentwickelt wurde. Es trug zum Entstehen einer systematischen und zu einem
gewissen Ausmaß einheitlichen Wissenschaft des Ius commune bei, als Basis einer mo-
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der sogenannten zweiten Kodifikationswelle im 19. Jahrhundert29 , wofür das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB, 1900) exemplarisch genannt sei.
Die bedeutsamsten Beiträge von Seiten des Ius commune zur gegenständlichen Thematik bestehen in der generellen Anerkennung des Schuldprinzips im
Recht des Schadenersatzes sowie in der Beseitigung bzw. Nichtanerkennung
pönaler Elemente im Schadenersatz.30 Dabei ist der Einfluss des kanonischen
Rechts – über das Ius commune – nicht zu übersehen. Dem Ius commune ist es
aber noch nicht gelungen, eine alle Arten von Schädigungen umfassende, generelle Schadenersatznorm zu entwickeln; es erfasste die verschiedenen Fälle
von Schadenshaftung in einer eher kasuistischen Weise.31 Die Kodifikationen
des Zivilrechts erzielen den Durchbruch, indem sie auf Grundlage naturrechtlicher Gedankengänge32 einen umfassenden Schadenersatztatbestand in Gestalt
einer Generalklausel schaffen, deren Wesenselemente in der rechtswidrigen
und schuldhaften (ex dolo vel ex culpa) Schädigung bestehen:
Art. 1382 Code Civil (1804): Tout fait quelconque de l’homme, qui cause à autrui
un dommage, oblige celui par la faute, duquel il est arrivé, à le réparer.
§ 1295 ABGB (1811): Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz
des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schaden
mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag
verursacht worden sein.
Art. 41 OR (Obligationenrecht, Schweiz, 1911): Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze
verpflichtet.
Lediglich das deutsche BGB geht über eine Generalklausel hinaus, indem es
aus Gründen der Rechtssicherheit zusätzlich bestimmte Rechte und Güter aufzählt, deren Verletzung zu Schadenersatz verpflichtet.33 Der geltende italieni-
dernen Wissenschaft des Zivilrechts in den europäischen Ländern mit der Kodifikation
des Zivilrechts. Vgl. H o r s t K a u f m a n n , Rezeption und usus modernus der actio legis
1
Aquiliae, Köln 1958; W e r n e r O g r i s , Schaden(s)ersatz, in: HRG IV, 1335–1340;
L i e b s , Römisches Recht (Anm. 5), 206–227; C a v a n n a , Storia del diritto (Anm. 22),
464–466.
29 Vgl. So z. B.: Codice Civile (Italien, 1865), Código Civil (Spanien, 1889), Obligationenrecht (Schweiz, 1881 und 1911); vgl. I n g e K r o p p e n b e r g , Kodifikation, in:
2
HRG II, 1918–1930.
30 Vgl. O g r i s , Schaden(s)ersatz (Anm. 28), 1337.
31 Vgl. O g r i s , Schaden(s)ersatz (Anm. 28), 1337.
32 Vgl. Dig. 1. 1. 10: neminem laedere; Dig. 1. 1. 1: suum cuique tribuere.
33 „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die
Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist
dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“ (§ 823 I BGB).
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sche Codice Civile (1942), der an die Stelle jenes aus dem Jahre 1865 trat, verankert zwei Generalklauseln: die eine für die Haftung ex contractu34, die andere
für die Haftung ex delicto.35
Die Zivilrechtskodifikationen gewähren volle Entschädigung, auch wenn in
Detailregelungen durchaus Unterschiede zu beobachten sind, z. B. hinsichtlich
des Berechnungsmodus des zu ersetzenden Schadens. Das römisch-rechtliche
Erbe war wohl dafür verantwortlich, dass die Kodifikationen zunächst längere
Zeit hindurch eine Haftung für immaterielle Schäden ausschlossen. So wurde
etwa der Anspruch auf Schmerzensgeld mit dem Argument abgelehnt, es handle sich um ein pönales Element.36 Die weitere Entwicklung führte außerdem
zur Anerkennung auch immaterieller Schäden37 sowie zum Ausbau weiterer
Haftungstypen, wie namentlich der Gefährdungshaftung, Gehilfenhaftung,
Amts- und Organhaftung, Produkthaftung. Derartige jüngere Haftungstatbestände finden sich zumeist in eigenen Gesetzen außerhalb der Kodifikationen
des Zivilrechts.
b) US-amerikanisches Recht
Es wurde festgestellt, die USA hätten „perhaps the most complicated legal structure
that has ever been devised and made effective in man’s effort to govern himself“.38 Was
daran wahr ist, erschließt sich dann, wenn man das Nebeneinander von Bundesrecht und Recht der einzelnen Staaten einerseits, sowie die Parallelität von
§§ 823–853 BGB befassen sich mit „Unerlaubte Handlungen“. §§ 249–292 BGB enthalten Regelungen hinsichtlich der Typen, des Inhalts oder Objekts und des Ausmaßes des
Schadenersatzes, unabhängig davon, ob die Haftung resultiert ex contractu, ex delicto oder
ex lege.
Obwohl das preußische ALR (1794) eine Generalklausel hinsichtlich der Schadenersatzhaftung aus unerlaubter Handlung enthält (Part I, Tit. 6, §§ 10–16), weist es gleichzeitig eine außergewöhnlich differenzierte und kasuistische Regelung auf.
34 „Il debitore che non esegue esattamente la prestazione dovuta è tenuto al risarcimento del danno, se non prova che l’inadempimento o il ritardo è stato determinato da
impossibilità della prestazione derivante da causa a lui non imputabile” (art. 1218 Codice Civile).
35 „Qualunque fatto doloso o colposo, che cagiona ad altri un danno ingiusto, obbliga colui che ha commesso il fatto a risarcire il danno“ (art. 2043 Codice Civile).
36 Vgl. O g r i s , Schaden(s)ersatz (Anm. 28), 1339.
37 Vgl. § 253 BGB; art. 2059 Codice Civile.
38 E r w i n N a t h a n i e l G r i s w o l d , Law and Lawyers in the United States. The
Common Law under Stress, Michigan 1964, 3.
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361
Federal Courts und State Courts mit je eigenem Instanzenzug in der Gerichtsbarkeit andererseits, mit allen sich daraus ergebenden Problemen berücksichtigt.39
Was im Kodifikationssystem als „Zivilrecht“ bezeichnet wird, u. a. die Haftung aus Vertrag und unerlaubter Handlung, ist in den USA Gegenstand des
Common Law und fällt folglich in die Zuständigkeit der 50 Staaten mit ihren
eigenen State Courts und eigenen Gesetzen (statutory laws, by-laws). Es gibt kein
federal Common Law und folglich kein allen Staaten gemeinsames Zivilrecht.40
Dies erklärt, warum das Richterrecht (judge made law) auch im Bereich des
Schadenersatzes von Staat zu Staat mitunter erheblich divergiert. Die Wurzeln
des US-amerikanischen Common Law reichen in das alte englische Recht zurück. Dabei ist heute ein beachtlicher Unterschied zwischen materiellem Recht
(substantive law) und Verfahrensrecht oder formellem Recht (adjective law) zu
konstatieren: Das materielle Recht trägt im Wesentlichen noch die Prägung des
englischen Common Law, hat aber in seiner 200-jährigen Geschichte durchaus
auch manche eigene Züge angenommen. Das Verfahrensrecht hingegen, und
mit ihm die Methode der Entscheidungsfindung, hat in den USA ihre eigenen
Charakteristika entwickelt, die in einigen Punkten der Rechtsfindung im Kodifikationssystem ähnlicher sind als jener in England.41
Da die Haftung für Schäden als Common Law-Materie ursprünglich von
England, und zwar hauptsächlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts42,
rezipiert wurde, ist ein kurzer Blick auf die wesentlichsten Züge des englischen
39
Vgl. K o n r a d Z w e i g e r t , H e i n z K ö t z , Einführung in die Rechtsvergleichung
auf dem Gebiete des Privatrechts, Tübingen ³1996, 244–245; D i e t e r B l u m e n w i t z ,
Einführung in das anglo-amerikanische Recht. Rechtsquellenlehre, Methode der Rechts6
findung, Arbeiten mit praktischen Fällen, München 1998, 29–31.
40 „There is no federal general common law“: U. S. Supreme Court, Erie Railroad
Company v. Tompkins 304 U. S. 64 (1938) – zitiert nach Z w e i g e r t / K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 250; vgl. B l u m e n w i t z , Einführung (Anm. 39), 22. Die Regelung
bezieht sich auf alle Angelegenheiten, in denen der Kongress keine legislative Kompetenz besitzt.
41 Vgl. W o l f g a n g F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. II. Anglo-amerikanischer Rechtskreis, Tübingen 1975, 152. Eine ausgezeichnete und klar strukturierte Einführung in das Common Law präsentiert auch: T o m á s J .
A l i s t e S a n t o s , Sistema de Common Law, Salamanca 2013, mit Vorwort von J o a q u í n L l o b e l l , „Common Law“, Proceso judicial y ecología de la justicia (13–28); vgl.
J o a q u í n L l o b e l l , „Common Law“, proceso judicial y ecología de la justicia. Reflexiones de un canoniosta a propósito de un reciente libro, in: Ius Ecclesiae 26 (2014)
169–186.
42 Zu den Gründen für die Übernahme des englischen Common Law vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 151–154.
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Common Law zu werfen. Roscoe Pound (1870–1964)43 stellte fest, das Common
Law , d.h. die anglo-amerikanische Rechtstradition „is essentially a mode of judicial and juristic thinking, a mode of treating legal problems rather than a fixed body of
definite rules“44. „In a comparison of abstract systems the Common Law is at its worst.
In a test of the actual handling of single controversies it has always prevailed.“45 Dies
führt zu den Hauptunterschieden zwischen dem englischen und dem kontinentaleuropäischen Rechtsverständnis.
Im Unterschied zum kontinentalen Europa hat England im Rechtsdenken
zu keinem Zeitpunkt die aristotelische Philosophie, die Scholastik mit Thomas
von Aquin oder das Römische Recht übernommen.46 Auch Naturrechtslehren
konnten keinen Einfluss hinterlassen. Kennzeichnend für das englische Rechtsdenken war und ist die Abneigung gegenüber naturrechtlichen Prinzipien, ja
gegenüber Abstraktionen und generellen Formulierungen, von welchen die
konkreten Entscheidungen deduktiv abgeleitet werden sollten.47 Iustitia
(vgl. Thomas II-II q. 57) war daher niemals die zentrale Idee; anstelle deduktiven Denkens, welches von Prämissen (Normen, Prinzipien) ausgeht, tritt die
induktive Methode des reasoning from case to case. Recht ist daher weder in einer
metaphysischen Ordnung grundgelegt noch taugen generell-abstrakte Formulierungen zu seiner Erfassung noch besteht Recht zutiefst in einer Willensäußerung. Recht wohnt vielmehr der Lebenswirklichkeit selbst, ganz besonders den
zwischenmenschlichen Beziehungen, inne:
„The central idea in the developed Roman system is to secure and effectuate the will.
All things are deduced from or referred to the will of the actor. … In our law, by contrast, the central idea is rather relation. Thus in agency, the civilian thinks of an act, a
manifestation of the will, whereby one person confers a power of representation upon
another, and of a legal giving effect to the will of him who confers it. Accordingly he talks
of the contract of mandate. The common lawyer, on the other hand, thinks of the relation
43
R o s c o e P o u n d ist einer der größten Rechtsphilosophen der USA aus der ersten
Hälfte des 20. Jh. mit nachhaltigem Einfluss auf das Rechtsdenken („legal pragmatism“,
„sociological jurisprudence“): F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 225–236.
44 R o s c o e P o u n d , The Spirit of the Common Law, Boston 1921, 1.
45 P o u n d , The Spirit of Common Law (Anm. 44), 3.
46 Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 12–42 und 62–95. Roscoe
Pound sagt es unverblümt: „In the sixteenth century, when the Roman law was sweeping over Europe and superseding the endemic law on every hand, the common law
stood firm.“ The Spirit of Common Law (Anm. 44), 5. Zum Ursprung und zur Entwicklung des englischen Rechts vgl. C a v a n n a , Storia del diritto (Anm. 22), 479–610 und
686–697 (Bibliographie).
47 Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 223; A l i s t e S a n t o s , Sistema de Common Law (Anm. 41), 47.
182 (2013)
Schadenersatz
363
of principal and agent and of powers, rights, duties and liabilities, not as willed by the
parties but as incident to and involved in the relation. He, therefore, speaks of the relation of principal and agent.“48
Mit anderen Worten: Tatsächlich bestehende Beziehungsverhältnisse, wie
zwischen Vertreter und Vertretenem, Dienstgeber und Dienstnehmer, Ehemann und Ehefrau, als solche enthalten in sich jene rechtlich relevanten Elemente, von denen das Kodifikationssystem behauptet, sie ergäben sich aus dem
(kodifizierten) Recht oder, auf Grundlages dieses Rechts, aus dem menschlichen Willen (z. B. Vertrag). Im Denken des Common Law erscheint folglich das
Recht nicht als etwas, das außerhalb der Realität existiert und als Maßstab
dienen könnte, an dem die Realität (der Fall) zu messen wäre. Die Idee einer
materialen Gerechtigkeit sucht man daher im englischen Recht vergeblich.49 In
kaum zu überbietender Klarheit formuliert Roscoe Pound:
„Behind the characteristic doctrines and ideas and technique of the common-law lawyer there is a significant frame of mind. It is a frame of mind which habitually looks at
things in the concrete, not in the abstract; which puts its faith in experience rather than
in abstractions: It is a frame of mind which prefers to go forward cautiously on the basis
of experience from this case or that case to the next case, as justice in each case seems to
require, instead of seeking to refer everything back to supposed universals. It is a frame of
mind which is not ambitious to deduce the decision for the case in hand from a proposition formulated universally … It is the frame of mind behind the sure-footed AngloSaxon habit of dealing with things as they arise instead of anticipating them by abstract
universal formulas.“50
Eine Folge davon ist, dass ein Common Law-Gericht für die Findung seiner
Entscheidung ein äußerst weites Spektrum von Überlegungen und Gründen
heranziehen kann, ohne darin von abstrakten gesetzlichen Tatbeständen oder
Prinzipien, wie dem der Gerechtigkeit, beschränkt zu werden.
Das Common Law war außerdem bis in die Neuzeit nie eine an den Universitäten gelehrte und wissenschaftlich betriebene Disziplin.51 Es waren vielmehr
die Praktiker selbst – in England allen voran die vier Inns of Court – welche für
die Ausbildung des Nachwuchses sorgten und diesem seine Erfahrungen weitergaben. Auch dies steht in krassem Gegensatz zur Rechtsentwicklung in Kontinental-Europa, wo sowohl das Römische als auch das kanonische Recht an
48
P o u n d , The Spirit of the Common Law (Anm. 44), 21 f.
Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 70.
50 R o s c o e P o u n d , What Is the Common Law? In: The future of Common Law
(1937) 3, 18–19, zitiert nach Z w e i g e r t , K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 253.
51 Der erste Lehrstuhl für englisches Recht wurde erst 1758 in Oxford errichtet.
Vgl. Z w e i g e r t , K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 246 f.
49
364
Helmuth Pree
AfkKR
den Universitäten, seit es diese Institution gibt, gelehrt und weiterentwickelt
wurde.52
Das kanonische Recht war zwar auf der britischen Insel während der gesamten Periode der Entwicklung des Common Law (ab dem 13. Jahrhundert)
präsent – z. B. im Bereich der kirchlichen Gerichtsbarkeit –, blieb aber ohne
nennenswerten Einfluss auf das Common Law.53
2. D e r Pr i ma t d e s V e rf ah ren s
Die historische Entwicklung hatte fast zwangsläufig ein massives Übergewicht
des prozessualen Elements über das materiell-rechtliche, des Verfahrens über
die subjektiven Rechte, zur Folge (remedies precede rights).54 Dies lässt sich auch
für das US-amerikanische Recht behaupten. In Amerika, so hält Roscoe Pound
fest, „we have a machinery of justice devised to keep down the judicial personality which
has made legal procedure in some sort an end in itself“55. Das ist nach wie vor ein
Charakterzug des amerikanischen Rechtswesens, obwohl dieses Unterschiede
zwischen den einzelnen Staaten aufweist.
52
Vgl. C a v a n n a , Storia del diritto (Anm. 22), 125–134.
Der „Court of Chancery“ als Gerichtshof der Krone („equity trials“) übernimmt
zu einem gewissen Maß kanonisches Recht, vor allem die Idee der „aequitas canonica“
– manchmal auch „conscience“ genannt – um unangemessene oder unbillige Entscheidungen der Common law-Gerichte aufzuheben oder zu korrigieren. Darüber hinaus war
das kanonische Recht immer schon das Recht für und in Kirchentribunalen gewesen.
Vgl. J a v i e r M a r t í n e z T o r r ó n , Diritto Canonico e common law, in: Il Diritto Ecclesiastico 102 (1991) I. 576–605; M a r c o V e n t u r a , Diritto Canonico e diritti comuni in
Europa, in: Quaderni di Diritto e politica ecclesiastica 2 (1993) 415–439; A l e s s a n d r o
A l b i s e t t i , Ermeneutica giurisprudenziale, Diritto Canonico e Common Law, in: Il
Diritto Ecclesiastico (2001) 403–412; zur Entwicklung der „equity“: C a v a n n a , Storia
del diritto (Anm. 22), 530–546. Vgl. P o u n d , The Spirit of Common Law (Anm. 44),
60–84.
54 F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 452–457, 462 und 465, beschreibt die Common law-Methode als „methodenorientiert und tatsachenbewußt“ (462),
d. h. als konzentriert auf Methoden, Verfahren und auf eine spezielle Sensibilität für die
Fakten eines Falles. Methodisch hält sich das Common Law eng an den Fall und arbeitet
nahezu prämissenlos (452).
55 P o u n d , The Spirit of Common Law (Anm. 44), 57–58. „El proceso se orienta fundamentalmente a la resolución del conflicto entre las partes y en menor medida a la búsqueda de la
verdad“: A l i s t e S a n t o s , Sistema de Common Law (Anm. 41), 265.
53
182 (2013)
Schadenersatz
365
Schadenersatzprozesse – eine Materie des Common Law – werden durch ein
Geschworenengericht (jury trial) entschieden:56 Die Jury entscheidet sowohl
über den Sachverhalt (Beweiswürdigung) als auch über die Anwendbarkeit von
Präjudizien oder gegebenenfalls legal rules oder principles auf den Fall und entscheidet über die Höhe des zu entrichtenden Schadenersatzes.57 Im Hinblick
auf die große Zahl der Geschworenen (zwölf, einheitlich in allen Staaten) wird
jeder Zivilprozess in einer einzigen Gerichtssitzung abgehandelt und entschieden. Diese kann gegebenenfalls mehrere Tage oder auch Wochen andauern.
Das hat zur Folge, dass jede Partei einerseits bereits vor Beginn des gerichtlichen Verfahrens alle Beweise und Argumente auf das Sorgfältigste vorbereitet
haben, andererseits auch die Argumente und Beweise der Gegenseite genau
kennen muss. Nur in Ausnahmefällen (bei Vorliegen schwerwiegender Gründe) ist eine Unterbrechung des Verfahrens möglich, z. B. um zu einem Punkt
neue Beweise zu sammeln. Die Anwälte jeder Seite müssen sich „ihrer“ Zeugen
vergewissern und sie daher entsprechend „vorbereiten“ – aus europäischer
Perspektive eine unzulässige Zeugenbeeinflussung. Die Rolle des Richters ist
weitestgehend passiv. Er wacht über die Einhaltung der Verfahrensregeln,
überlässt aber das Austragen des Rechtsstreits den Parteien selbst (und deren
Anwälten): das sogenannte adversary procedure-Prinzip.58
Das Hauptmerkmal dieses adversary-Systems bildet das Vorverfahren (pretrial stage, discovery), zwischen Klageerhebung und eigentlichem Verfahren: ein
im Wesentlichen außergerichtlich von den Parteien geführtes Ermittlungs- und
Beweiserhebungsverfahren, eine „court-mandated production of information from
56
Das Recht auf ein Geschworenen-Verfahren ist garantiert im VII. Amendment
der U. S.-Verfassung für Common Law-Gerichte (im Gegensatz zu Equity-Gerichten),
vorausgesetzt, dass der Streitwert 20 US-Dollar übersteigt. In den meisten BundesstaatsGerichten werden Equity-Fälle nicht von Geschworenen entschieden: Vgl. D a n
B . D o b b s , Handbook on the Law of Remedies. Damages-Equity-Restitution, St.
Paul/Minnesota 1973, 8; D i r k B r o c k m e i e r , Punitive damages, multiple damages und
deutscher ordre public, Tübingen 1999, 7 f.; A l i s t e S a n t o s , Sistema de Common Law
(Anm. 41), 165–167, 265.
57 Vgl. Z w e i g e r t , K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 269.
58 Zu den charakteristischen Merkmalen der Common Law-Verfahren, vor allem in
den USA, vgl. Z w e i g e r t , K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 265–270; A l i s t e
S a n t o s , Sistema de Common Law (Anm. 41), 261–266 und 268–272, der den ideologischen Hintergrund des „Adversary Procedure“-Systems mit folgenden Worten beschreibt:
„Bien es cierto que la naturaleza adversial que caracteriza los procesos civiles en el common law
estadounidense expresa la profunda interiorización de la ideología liberal en la concepción de la
justicia civil estadounidense y los valores del individualismo y la libertad de elección tan queridos,
arraigados y tan característicos de la cultura anglo-americana“ (262).
366
Helmuth Pree
AfkKR
other parties and non-party witnesses“.59 „Discovery produces information about the
merits of the lawsuit and permits parties to make informed judgments about the strength
of their and their opponent’s positions“ und führt dazu, dass de facto die meisten
Verfahren in diesem Stadium enden.60 Grundsätze, Verfahren und zulässige
Mittel und Maßnahmen dieses discovery sind in den Federal Rules of Evidence (aus
dem Jahr 1938, novelliert 1970), namentlich in den rules 26–37 niedergelegt.
Gemäß rule 26 (b) (1) ist es jeder Partei auch ohne Einschaltung des Gerichtes
gestattet, Ermittlungen zu führen „regarding any matter, not privileged, that is relevant to the claim or defense of any party“.61 Die Parteien sind verpflichtet, gewisse
Informationen auszutauschen (required disclosures), wie etwa Benennung von
Zeugen und einschlägiger Dokumente, und können im Nachhinein weitere
Informationen, sofern diese von Relevanz sind, für „claims and defenses“62 anfordern; das Gericht seinerseits kann, wenn ihm die Position einer Partei als fundiert erscheint, eine breitere Erhebung über alles, was für den Gegenstand des
Verfahrens relevant ist, anordnen.63 Am Ende der discovery hat jede Partei ein
sehr genaues Bild über die Fakten- und Beweislage sowie über die Argumente
der anderen Seite. „This expansive – and intrusive – approach to pre-trial discovery,
followed in most American courts in civil cases, is remarkable and unusual. In most court
59
J o s e p h W . G l a n n o n , Civil Procedure. Examples and Explanations, New York
2006, 361. Aber: „Despite the aim of a party-governed discovery process, anyone involved in the process should be able to invoke the court’s assistance in a situation of
need, in order to remedy either abuse or recalcitrance“: K e v i n M . C l e r m o n t , Principles of Civil Procedure, St. Paul/MN 2005, 65.
60 S t e p h e n C . Y e a z e l l , Civil Procedure, New York 62004, 407.
61 Die „Privilegien“ gewähren Schutz für Informationen von bestimmten Quellen,
z. B. Schutz vor Selbstbeschuldigung (in einem Kriminalverfahren), Anwaltsgeheimnis
(betreffend den Austausch von Informationen zwischen Anwalt und Klient in einem
bestimmten Fall), Schutz des Amtsgeheimnisses. Vgl. G l a n n o n , Civil Procedure
(Anm. 59), 364–385; Y e a z e l l , Civil Procedure (Anm. 60), 414–416.
62 Die „Rules“ garantieren, innerhalb bestimmter Grenzen, die folgenden sechs
Haupttypen von Aufklärungsmitteln: „Oral Depositions; Written Depositions; Interrogatories;
Production of Documents and Such; Physical and Mental Examination; and Expert Information“:
C l e r m o n t , Principles of Civil Procedure (Anm. 59), 62 f. und 68–71. Im Normalfall
bringt sich der Richter im Vorermittlungsverfahren nicht direkt selbst ein („does not
directly participate in the exchange herself“): G l a n n o n , Civil Procedure (Anm. 59),
362.
63 Vgl. C l e r m o n t , Principles of Civil Procedure (Anm. 59), 58; Y e a z e l l , Civil
Procedure (Anm. 60), 416–435.
5
182 (2013)
Schadenersatz
367
systems around the world, the development of the case rests primarily in the hands of the
judge.“64
In allen soeben angedeuteten Elementen unterscheidet sich das Common
Law-Verfahren erheblich vom Zivilprozess kontinentaleuropäischer Prägung,
der keine Jury kennt, das Verfahren in mehrere zeitlich auseinanderliegende
Abschnitte gliedert und dem Richter die aktive Rolle der Prozessleitung, auch
hinsichtlich der Beweisaufnahme, zuweist, und bei dem das Hauptaugenmerk
nicht auf dem Verfahren, sondern auf der materialen Richtigkeit des Ergebnisses liegt.
Im Common Law hängt die Entscheidung ungleich stärker als im kontinentaleuropäischen Verfahren von unvorhersehbaren Momenten ab, vor allem
aber stärker vom Prozessrecht als vom materiellen Recht. Dazu kommt, dass
der Kläger sich zu Beginn auf eine Klageart bzw. Verfahrensweise (remedy)
festlegen muss, die er nachher nicht mehr ändern kann65, und die daher in
hohem Maße präjudiziell wirkt.
3. D a s Pr i n z ip d es „S ta re d e c is i s“
In der Konsequenz des Common Law-Systems selbst ist es angelegt, dass nicht
das Gesetz, sondern das durch die Richter geschaffene Recht die primäre und
entscheidende Rechtsquelle darstellt. Das Prinzip des „stare decisis“66 – mit den
64
G l a n n o n , Civil Procedure (Anm. 59), 362. A l i s t e S a n t o s sieht den Hauptunterschied zwischen dem Adversary-System in den USA und dem Zivilverfahren in den
Europäischen Rechtssystemen, die auf der Tradition des Römischen Rechts basieren, in
einer komplett unterschiedlichen ideologischen Basis, nämlich in der „concepción ideologica profundamente liberal e individualista que domina el modelo procesal estadounidense más
preocupado por la satisfacción de la controversia que por la búsqueda procesalmente ordenada y
limitada de la verdad“: Sistema de Common Law (Anm. 41), 262.
65 Vgl. D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 14. Die „election doctrine“ bezieht sich
nur auf die Verfahrensform des Anspruchs, nicht auf das materielle Recht, d. h.: „the
plaintiff who announces that he will sue for damages instead of suing for rescission has limited his
remedy to the damages claim; but the plaintiff who announces that he will sue for breach of warranty has not in any way limited the substantive theories on which he can base his case, and he
can, if procedural rules affecting amendment and joinder permit it, add claims for fraud, negligence
or strict liability in tort, all based on the same facts.“ (ebd., 16).
Bezüglich der Rechtsmittel im Allgemeinen und die Implikationen der Wahl von
Rechtsmitteln und hinsichtlich der Basis der „election doctrine“: D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 13–23.
66 Vgl. P o u n d , The Spirit of Common Law (Anm. 44), 181–184; Z w e i g e r t ,
K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 253–259; B l u m e n w i t z , Einführung (Anm. 39),
368
Helmuth Pree
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Worten Benjamin Nathan Cardozos „the every day working rule of our law“67 –
findet in England ebenso wie in den USA Anwendung. Die zugrundeliegende
Idee ist nach Roscoe Pound:
„The doctrine of precedents means that causes are to be judged by principles reached
inductively from the judicial experience of the past, not by deduction from rules established arbitrarily by the sovereign will. In other words, reason, not arbitrary will is to be
the ultimate ground of decision.“68
Grob gesagt besagt das Prinzip: Innerhalb einer bestimmten Jurisdiktion
(z. B. eines Staates) entfalten die rechtskräftigen Entscheidungen der höheren
Gerichte Bindewirkung gegenüber den rangniedrigeren Gerichten; dabei spielt
das Alter der Vorentscheidungen keine Rolle. Die Bindewirkung bezieht sich
nur auf die ratio decidendi – der für die Entscheidung maßgebliche Gedanke –
im Unterschied zu den obiter dicta.69 Die ratio decidendi erhält früher oder später
eine abstrakte Fassung aufgrund von möglichen Neuformulierungen durch
Gerichte, Gelehrte usw. und im Hinblick auf ihre Verwendbarkeit in künftigen
Fällen. Diese abstrakte Fassung wird rule genannt – in England gelegentlich
auch principle. Die rules in ihrer Gesamtheit bilden das Common Law.70 Die Art
24–45; F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 81–86 und 256–262; G ü n t e r
H a g e r , Rechtsmethoden in Europa, Tübingen 2009, 107–109. Die Doktrin wird in
Common Law- wie auch in „Equity“-Gerichten angewandt.
67 Das Zitat ist entnommen aus: F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41),
242.
68 P o u n d , The Spirit of Common Law (Anm. 44), 182 f.
69 Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 86–95; B l u m e n w i t z , Einführung (Anm. 39), 32–43. Nichtsdestotrotz ist eine Entscheidung, die einen bindenden
Präzedenzfall nicht berücksichtigt, nicht ungültig. Der Präzedenzfall bleibt solange in
Kraft, wie er nicht von einer späteren Entscheidung desselben oder eines höheren Gerichts oder durch ein Gesetz verworfen wird.
70 Vom theoretischen Standpunkt aus betrachtet, gibt es zwei hauptsächliche Denkweisen: Die erste setzt das Gesetz mit den Entscheidungen der Gerichte gleich; „Statuary Law“ ist ebenso eine spezielle Art von Gesetz, das von Richtern gemacht wird und
das nur in den Grenzen interpretiert und angewandt werden darf, die durch Gerichtsentscheidungen gesetzt werden; dies ist die Sichtweise des „pragmatism“ – auf philosophischer Basis von Skeptizismus oder Nihilismus (ohne Anerkennung von absoluten
Werten). Diese Theorie wurde beispielsweise von Oliver Wendell Holmes vertreten.
Nach der zweiten Theorie besteht das Gesetz aus „rules” und „principles”. Diese Meinung vertritt Benjamin Nathan Cardozo, der die Entwicklung der U.S.-American Case
Law Method nachhaltig beeinflusste. In England wurde diese Position von John William
Salmond vertreten. Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 251.
Nach Aussage von C a r d o z o (in seinem Buch „The Nature of the Judicial Process“,
1921), gibt es drei maßgebliche Ebenen von Gesetz: (1) der Präzedenzfall (jeder Präzedenzfall enthält eine rule); (2) das Prinzip, das mehreren Präzedenzfällen entnommen
182 (2013)
Schadenersatz
369
und Weise der Auffindung einer ratio decidendi für einen anstehenden Fall sowie möglicher Unterschiede zwischen den Fällen (distinguishing), stellt das methodische Herzstück des Case Law-Systems dar.71
Im Vergleich mit England ist die Bindewirkung der Präjudizien in den USA
zumindest aus zwei Gründen deutlich reduziert:
(1) die große Zahl verschiedener Jurisdiktionen (Bund, 50 Staaten) im Unterschied zum zentralisierten System in England. Die State Courts eines Staates
sind nicht an die Präjudizien aus anderen Staaten gebunden; es hat sich ein
gesunder Wettbewerb um die Entwicklung der tragfähigsten rules gebildet.
(2) In Rechtstheorie und Methode hat das US-amerikanische Recht seit dem
19. Jahrhundert begonnen, sein Eigengepräge zu entwickeln, welches in einzelnen Punkten dem kontinentalen Denken näher kommt als dem englischen.
Alles in allem erweist sich der Spielraum der Gerichte in den USA als erheblich weiter als in England. Die eher formale Methode des overruling wurde
inzwischen ergänzt und teilweise ersetzt durch die weniger förmlichen Formen
der transformation (Neuformulierung einer rule) und des overriding (Unterscheidung der rules durch das distinguishing).72 Das US-amerikanische Rechtssystem
erweist sich demnach als in besonderem Maße flexibel, sowohl was die Entwicklung der rules als auch das Rechtssystem als Ganzes betrifft.73
wurde; mit anderen Worten: „the ratio decidendi of more than one rule“; (3) die Gesellschaft in ihrer aktuellen Existenz (die Lebensumstände, die gesellschaftlichen Institutionen etc.). Die Regeln zusammen mit den Prinzipien formen das gesamte Gesetzeskorpus. Nach C a r d o z o existieren „pre-established truths of universal and inflexible validity“
nicht im Common Law: The Nature of the Judicial Process, 20 – zitiert nach F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 242.
Im Gegensatz zur englischen Tradition existiert nach C a r d o z o eine Beziehung zwischen einer Norm (rule or principle) und dem Fall oder dem zu lösenden Problem: Die
Norm muss auf den Fall angewendet werden. In dieser Hinsicht kommt C a r d o z o der
kontinentaleuropäischen Rechtsmethode sehr nahe.
Der größte Unterschied zwischen der englischen und der US-amerikanischen Methode ist: Wenn es keinen Präzedenzfall gibt, muss der Richter sich an die Prinzipien
halten (U.S.); in England muss der neue Fall nach Brauch/Gewohnheit und in Analogie
zu Präzedenzfällen behandelt werden: F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41),
63–64.
71 Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 86–103.
72 Vgl. H a g e r , Rechtsmethoden (Anm. 66), 107.
73 Vgl. F i k e n t s c h e r , Methoden des Rechts (Anm. 41), 465.
370
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II. Der Schadenersatz im US-amerikanischen und kontinentaleuropäischen Recht im Vergleich
1. V orb eme r kun g
Das Deliktsrecht (law of torts74) des Common Law umfasst eine größere Anzahl
ziviler Delikte – mit Ausnahme des breach of contract – wie z. B. Diffamierung,
arglistige Täuschung, Belästigung, Betrug, Verleitung zum Vertragsbruch, Einschüchterung, Fahrlässigkeit (negligence75). Diese Klagetypen (causes of action)
bestehen unabhängig nebeneinander; jeder von ihnen schützt ein bestimmtes
Interesse und hat seine eigene rechtliche Struktur.76 Zur Durchsetzung im Verfahren stehen mehrere rechtliche Abhilfen (remedies) zu Gebote, hauptsächlich:
damages remedies (Schadensausgleich in Geld); restitutionary remedies (auf Rückgabe gerichtet); coercive remedies (mit gerichtlichem Zwang bewehrter Befehl
etwas zu tun oder zu unterlassen); declaratory remedies (auf Feststellung von
Rechten, z. B. in einer Urkunde, gerichtet).77
Der folgende Vergleich beschränkt sich auf damages remedies im Rahmen deliktischer Schädigungen (torts), und klammert mithin Schäden aus dem Grunde
des breach of contract aus.
Es ist in der Eigenart des Deliktsrechts des Common Law begründet, dass die
mannigfaltigen Formen von zivilen Vergehen nicht auf einen gemeinsamen
Nenner gebracht werden können. Jedes Delikt unterliegt – in seinem Tatbestand wie auch in seiner Umsetzung – eigenen Anforderungen und Ausnahmen
und ermöglicht je eigene Einreden. All das, zusammen mit den charakteristi74 Unter „tort“ ist zu verstehen: „a civil wrong, other than breach of contract, for which a
remedy may be obtained, usually in the form of damages; a breach of a duty that the law imposes
on persons who stand in a particular relation to one another“, in: H e n r y C a m p b e l l B l a c k
8
(Hrsg.), Black’s Law Dictionary 2005, 1247.
75 „Negligence“ (Fahrlässiges Verhalten) ist eine der wichtigsten Arten von Delikten
und anzuwenden auf Schäden, die nicht absichtlich verursacht wurden. Die Haftung für
Schäden bei fahrlässigem Verhalten erfordert: (1) der Beklagte (der den Schaden verursacht hat) hat eine Sorgfaltspflicht gegenüber der Personengruppe, zu der die geschädigte Partei gehört; (2) Verstoß (Verletzung) gegen diese Pflicht; (3) der Schaden oder die
Rechtsverletzung muss sich aus dem Verstoß ergeben: „In order to support an action for
damages for negligence the complainant has to show that he has been injured by the breach of a
duty owed to him in the circumstances by the defendant to take reasonable care to avoid such injury“: Lord Atkin in Donoghue v. Stevenson (1932) Law Reports, A.C. 562, 579 (zitiert
aus Z w e i g e r t , K ö t z , Rechtsvergleichung [Anm. 39], 611).
76 Vgl. Z w e i g e r t , K ö t z , Rechtsvergleichung (Anm. 39), 607.
77 Vgl. D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 1–2.
182 (2013)
Schadenersatz
371
schen Zügen des US-amerikanischen Rechtssystems, führt insgesamt zu einer
derartigen Komplexität, dass es ein US-amerikanisches Schadenersatzrecht als
eine einheitliche Regelungsmaterie in Wahrheit nicht gibt.
Im Gegensatz dazu statuieren die europäischen Kodifikationen die Schadenersatzpflicht generalklauselartig, in Gestalt genereller Normen und systematisch geordneter Regelungskomplexe. Rechtswidrige Schädigungen jeder Art
können grundsätzlich unter Anwendung dieser generellen Regeln erfasst werden. Dennoch mussten und müssen auch im System der Kodifikation zahllose
Detailfragen, welche das Gesetz nicht berücksichtigt hat, durch die Rechtsprechung geklärt werden.
Die Art und Weise, wie das US-amerikanische Recht auf Rechtsverletzungen reagiert, erweist sich als offen und überaus flexibel sowie anpassungsfähig
an neue Herausforderungen. Die europäischen Generalklauseln sind zwar einerseits flexibel, insofern sie scheinbar jede Art von Schadenszufügung erfassen, enthalten aber andererseits ein ausgesprochen statisches Element, insofern
die Kriterien der Durchsetzbarkeit ein für alle Mal fixiert sind. Es liegt daher
nahe, die schadenersatzrechtlichen Grundstrukturen der beiden Rechtskreise
getrennt voneinander darzustellen.
2. D a s R e ch t d e s Sc h ad en er sa t zes un d d ie es p räg en d en G run d g ed an ken
a) US-amerikanisches Recht
Das US-amerikanische Schadenersatzrecht unterscheidet grundlegend zwischen compensatory damages (auch: actual damages), welche den erwiesenen Schaden bzw. Verlust auf Seite des Geschädigten ausgleichen78, und punitive damages
(auch: exemplary, added oder aggravated damages), d. h. Beträge, die zusätzlich zur
78 Vgl. B l a c k (Hrsg.), Black’s Law Dictionary (Anm. 74), 333–335. Compensatory
damages können sein: special damages (erlitten durch ein besonderes/bestimmtes Unrecht;
sie müssen eigens geltend gemacht und bewiesen werden); general damages (es wird von
Rechts wegen vermutet, dass sich solche Schäden aus dem Typus des eingeklagten
Unrechts ergeben, wie Verlust an Freude, Unannehmlichkeiten; diese brauchen nicht
speziell geltend gemacht, behauptet oder bewiesen werden) oder consequential damages
(ergeben sich nicht direkt aus einem schädlichen Verhalten, sondern nur indirekt).
372
Helmuth Pree
AfkKR
Schadenersatzsumme oder einem eventuellen nominal damage79 wegen besonders erschwerender Umstände (Verhaltensweisen) auf Seiten des beklagten
Schädigers zugesprochen werden.80
Die meisten US-Bundesstaaten lassen punitive damages zu.81 Doch in keinem
Staat hat der Kläger einen Anspruch darauf, sondern sie aufzuerlegen oder
nicht liegt im Ermessen der Geschworenen (Jury).82 Unter folgenden zwei Voraussetzungen kann Strafschadenersatz zuerkannt werden:
(1) Es muss eine Schadenersatzforderung aus Delikt83 anerkanntermaßen
bestehen; d. h. punitive damages sind strikt akzessorisch.84
(2) Erschwerende Umstände auf Seite des Schädigers, nämlich eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens, wie z. B. Rücksichtslosigkeit,
Böswilligkeit, Unverschämtheit, Mutwilligkeit.85
Gerechtfertigt werden punitive damages mit folgenden Argumenten:86
79
„Nominal damages“ werden zugesprochen als geringfügige Summe (Spottgeld), wie
1 $ US, wenn der Schaden keinen materiellen Verlust verursachte, der ausgeglichen
werden muss: Black’s Law Dictionary (Anm. 74), 335.
80 D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 204; Black’s Law Dictionary (Anm. 74),
335. Vgl. T o m á s J . A l i s t e S a n t o s , El origen histórico de los punitive damages como
presupuesto de su rechazo procesal en los países de civil law, in: Práctica. Derecho de
Daños. Revista especializada en responsabilidad civil y seguros, núm. 119, año 12
(2014) 20–28.
81 Punitive damages sind nicht erlaubt in den Staaten Washington, New Hampshire,
Massachusetts, Nebraska und Louisiana, in: B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm.
56), 3; vgl. D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 204. In England werden punitive damages wenig angewendet: vgl. U l r i c h M a g n u s , Schaden und Ersatz. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Ersatzfähigkeit von Einbußen, Hamburg (o.J.), 79.
82 Vgl. D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 204. Nichtsdestotrotz gibt es einige
Mö-glichkeiten, exzessive Summen, die von der Jury zugesprochen werden, zu beschränken, insbesondere die Wiederaufnahme des Verfahrens (der Richter kann dies
unterstützen, wenn er die Summe als exzessiv und ungerecht erachtet); beim „remittitur“-Verfahren (der Richter kann die Summe reduzieren, die von der Jury gewährt
wurde); in einigen Fällen reduzierte das Berufungsgericht die zugesprochene exzessive
Schadenersatzsumme. Vgl. B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 8.
83 Grundsätzlich gilt: punitive damages „are generally not recoverable for breach of contract“
(Black’s Law Dictionary [Anm. 74], 335), es sei denn, der Vertragsbruch resultiert in
einem bestimmten Fall aus unerlaubter Handlung: B r o c k m e i e r , Punitive damages
(Anm. 56), 4.
84 Vgl. P e t e r M ü l l e r , Punitive damages und deutsches Schadenersatzrecht, BerlinNew York 2000, 8 f.
85 Siehe D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 205; Black’s Law Dictionary
(Anm. 74), 335; M ü l l e r , Punitive damages (Anm. 84), 9.
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Schadenersatz
373
• Bestrafung des Schädigers, um ihn und weitere potentielle Schadensverursacher von weiteren derartigen Rechtsverletzungen abzuhalten. In dieser
spezial- und generalpräventiven Wirkung liegt die Hauptzielsetzung des Strafschadenersatzes. In den USA kommt diesem Ziel besondere Bedeutung zu:
Instrumente des Privatrechts werden im Interesse der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung oft herangezogen und um die fehlende Effizienz in der
Kriminal-Strafverfolgung zu kompensieren.87
• Ersatz des Honorars des klägerischen Anwalts. Gemäß der American Rule
hat stets der Kläger die Prozesskosten zu tragen, unabhängig davon, ob er erfolgreich war oder unterlegen ist. Der Anwalt darf bis zu 50 % der eingeklagten
Summe beanspruchen (contingent fee). Der Kläger würde deshalb oftmals im
Ergebnis nicht einmal den real erlittenen Schaden erstattet erhalten. Die punitive damages wollen diesem Anliegen Rechnung tragen, damit der obsiegende
Kläger wenigstens vollen Schadenersatz erhält.
• Genugtuung für den Geschädigten, um ihn von Racheakten abzuhalten.
• Förderung der Rechtspflege und Rechtsdurchsetzung (sogenanntes bounty-Argument): Es soll ein Anreiz für den Geschädigten bestehen, den Rechtsweg zu beschreiten. War beispielsweise der Schädigungsakt zugleich strafrechtlich relevant, so erleichtert ein Schadenersatzprozess zugleich die strafrechtliche Verfolgung.
• Abschöpfung eventueller Gewinne, welche der Schädiger aus dem schädigenden Akt gezogen hat, unabhängig davon, ob der Gewinn aus einem Verlust auf Seite des Geschädigten hervorging.
Das Rechtsinstitut der punitive damages hat in den USA selbst vernichtende
Kritik erfahren.88 Trotzdem kam es seit den 1980er Jahren deutlich vermehrt
zur Anwendung, verbunden mit einem Anwachsen der zugesprochenen Beträ-
86 Siehe M ü l l e r , Punitive damages (Anm. 84), 11–14; B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 17–22.
87 „Das amerikanische Gesellschaftsmodell, welches den Schutz der objektiven
Rechtsordnung in besonderem Maße mit zivilen Mitteln zu erreichen sucht, bedarf
einer besonders starken Abschreckungswirkung privater Ansprüche, um das öffentliche
Verfolgungsdefizit auszugleichen“: B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 105.
88 Die hauptsächlichen Kritikpunkte waren: Punitive damages sind ein (unverhoffter)
Geldregen für den Kläger: er sollte einen Ausgleich, aber nicht mehr erhalten; sie würden eine Einladung für die Jury bedeuten, sich Vorurteilen und Irrationalitäten hinzugeben, weil es keinen Maßstab und keine objektive Basis für punitive damages gibt; sie
sind verfassungswidrig: sie wirken wie eine echte Strafe, ohne dass der Beklagte die
Verteidigungsmöglichkeiten wie bei einem Kriminalverfahren hätte; und der Beklagte
darf nicht für dasselbe Delikt doppelt bestraft werden durch eine Geldstrafe und eine
Kriminalstrafe: D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 219 f.
374
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ge. So manches spektakuläre Verfahren (mit punitive damges in vielfachen Millionenbeträgen) „made it clear that third parties may become liable in tort for interference with existing contracts, and that this liability may include punitive damages“89.
Der Supreme Court der Vereinigten Staaten hat mehrfach punitive damagesEntscheidungen bestätigt und hat solche Entscheidungen an sich niemals als
verfassungswidrig erklärt, selbst wenn sie hohe Beträge an Strafschadenersatz
zusprachen.90 Im Jahr 1996 traf er eine Entscheidung über die Verfassungskonformität von punitive damages unter dem Aspekt des Amendment XIV (due process
clause).91 Dabei legte er drei allgemeine Kriterien fest, welche erfüllt sein müssten, damit eine punitive damages-Entscheidung das Prinzip des „fairen Verfahrens“ nicht verletze:
(1) Verwerflichkeit (reprehensibility) des schadensverursachenden Verhaltens;
(2) vernünftiges (reasonable) Verhältnis zwischen Schaden und Strafschadenersatz;
(3) Berücksichtigung vergleichbarer Entscheidungen.92
89
C o u r t l a n d H . P e t e r s o n , United States Supreme Court on the Constitutionality of Punitive Damages: Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 1993
(fasc. 3), 187–190 (187). Die Haftung aus punitive damages wurde zusätzlich ausgeweitet
auf neue Arten vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung und auf Fälle von Betrug
und böser Absicht, wie auch auf Schadenersatzanträge, die sich auf schadhafte Produkte
beziehen: ebd. 187.
90 Vgl. P e t e r s o n , Constitutionality (Anm. 89), 187.
91 Das Amendment XIV (1) der US-Verfassung besagt: „No state … shall deprive any person of live, liberty, or property without due process of law, nor deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws.“
92 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U. S. 559, 116 S. Ct. 1589 (1996):
Black’s Law Dictionary (Anm. 74), 335; M i c h a e l K l o d e , Punitive damages – ein
aktueller Beitrag zum U. S.-amerikanischen Strafschadenersatz, in: Neue Juristische
Online-Zeitschrift 2009, 1762–1775 (1769–1771). In diesem Fall hatte das Gericht 4000
$ Schadenersatz plus 4 Millionen $ Strafschadenersatz zugesprochen, und das Berufungsgericht hatte die Letztgenannten auf 2 Millionen $ reduziert (Verhältnis zwischen
Schadenersatz und Strafschadenersatz: 1 : 500). Das US-Verfassungsgericht bezeichnete
dieses Verhältnis als „grossly excessive“. Der Spielraum von punitive damages bezieht sich
darauf, rechtswidriges Verhalten zu bestrafen und von zukünftigen Rechtsverletzungen
abzuhalten; aber die Bestrafung muss vorhersehbar sein (1770).
Im Fall Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc. weitete der U.S. Supreme
Court die Rule aus BMW v. Gore auf den Bereich des Urheberrechts aus. Die Jury
sprach 50.000 $ Schadenersatz und 4,5 Millionen $ Strafschadenersatz zu. Der Supreme
Court betonte dagegen, dass punitive damages strafenden und nicht schadenausgleichenden Charakter hätten und deshalb die due process clause anzuwenden sei: K l o d e , Punitive damages, 1770 f.
182 (2013)
Schadenersatz
375
In den letzten Jahren scheint die Tendenz in Richtung einer konsequenten
Anwendung der due process clause zu gehen.
Die sogenannten multiple damages sind lediglich eine besondere Kategorie
der punitive damages; während die letzteren im Common Law beheimatet sind,
haben die ersteren ihre ausschließliche Grundlage im Gesetzesrecht (statutary
law), welches zugleich den Betrag genau festlegt – immer ein Vielfaches des
festgestellten Schadens, zumeist double oder treble.93 Anzutreffen sind sie vornehmlich in manchen Materien des Handels- und Wirtschaftsrechts, wie etwa
im Kartellrecht.94
Als besonders komplex erweist sich die Frage nach der Haftung für Delikte
Dritter, besonders, wenn es um die Haftung von Institutionen für Schäden
geht, die durch ihre Mitglieder oder Beschäftigten verursacht werden. Das
Problem stellt sich z. B. in den Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker:
Trifft die Diözese eine Haftung? Dies ist alles andere als eine nur theoretische
Frage. Wird nämlich die Haftung, etwa der Diözese, in solchen Fällen anerkannt – sogenannte ascending oder vicarious liability – liegt es im Ermessen der
Geschworenen (Jury), ob sie über die compensatory damages hinaus auch punitive
damages zusprechen.95
Um diese Art der Haftung (vicarious liability) zu begründen, haben sich in
den USA mehrere causes of action herausgebildet, derer sich die Kläger bedienen können, um im Falle der Schädigung durch Kleriker die Diözese bzw. die
entsprechende kirchliche Institution in Haftung zu nehmen; und „courts incraesingly hold religious organizations liable for clerical torts“96:
Im Fall State Farm Mutual Automobile Insurance Company v. Inez Preeze Campbell et. al.
(2003) sprach die Jury 1 Million $ Schadenersatz plus 145 Million $ Strafschadenersatz
zu; der U.S. Supreme Court befand unter Hinweis auf die due process clause, dass das
Verhältnis zwischen Schaden und (Straf-)Schadenersatz im Normalfall nicht erheblich
über ein einstelliges Verhältnis hinausgehen sollte: K l o d e , Punitive damages, 1771.
93 Vgl. Black’s Law Dictionary (Anm. 74), 335.
94 Vgl. B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 23–26; multiple damages zielen
sowohl auf Schadenersatz als auch auf Bestrafung ab.
95 Vgl. D o b b s , Law of Remedies (Anm. 56), 214–218.
96 J a n n a S a t z N u g e n t , A Higher Authority: The Viability of Third Party Tort
Actions Against A Religious Institution Grounded on Sexual Misconduct by a Member
of the Clergy, in: Florida State University Law Review 30 (2003) 957–986, 961; M a r k
E . C h o p k o , Stating Claims Against Religious Institutions, in: Boston College Law
Review 44 (2003) 1089–1125; der Autor unterscheidet drei Arten von Haftung von
Organisationen (entities): (1) eine gesetzliche oder Körperschaftshaftung, (2) eine Haftung gemäß dem Eigenrecht der Kirche (das Kirchenrecht weist die Haftung einem
bestimmten Organ zu) und (3) eine Haftung aus der jeweiligen Situation. Mit Blick auf
die Haftung kirchlicher Körperschaften für die Delikte ihrer Kleriker müssen sich ent-
376
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• imputed or direct negligence;
• breach of fiduciary duty97;
• respondeat superior; agency: Der Unternehmer, Arbeitgeber oder Auftraggeber haftet für Delikte seiner Angestellten, Beschäftigten, Beauftragten, Vertreter, vorausgesetzt die schädigende Handlung wurde im Zuständigkeitsbereich des Letzteren und bei Ausführung der betreffenden Beschäftigung verwirklicht. Obwohl der sexuelle Missbrauch durch einen Priester eindeutig außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches liegt und gerade nicht dem Zweck seiner Tätigkeit entspricht, wenden die Gerichte hier ausnahmsweise trotzdem
diese cause of action an, „where the tortfeasor used his or her employment to commit the
tort“.98
• intentional infliction of emotional distress: ein neuer und noch nicht durchgehend anerkannter Klagegrund;99
• clergy malpractice: Dabei geht es hauptsächlich um die Verletzung einer
Berufspflicht, die für diesen Beruf charakteristisch ist.100
weder die Körperschaft selbst oder die höhere Autorität Gewalt und Kontrolle über die
gegenständliche Angelegenheit vorbehalten haben; die höhere Autorität muss die Gewalt und die tatsächliche Fähigkeit besitzen, den Schaden zu verhindern: C h o p k o ,
Stating Claims 1102 und 1118.
97 Restatement (Second) of Torts, § 874 (1979) besagt: „(a) fiduciary relation exists between
two persons when one of them is under a duty to act for or to give advice for the benefit of another
upon matters within the scope of the relation“ (zitiert aus: N u g e n t , A Higher Authority
[Anm. 96], 961).
98 N u g e n t , A Higher Authority (Anm. 96), 968; C h o p k o , Stating Claims (Anm.
96), 1108 und 1113 f. Vgl. A n g e l o L i c a s t r o , Riappare un „déjà vu“ nella giurisprudenza: la responsabilità oggettiva del vescovo per gli atti illeciti dei suoi sacerdoti, in:
Stato, Chiese e pluralismo confessionale, Rivista telematica n. 1/2013
(www.statochiese.it), 14.1.2013, 1–21 (6–10); K e n n e t h E . F i s c h e r , Respondeat superior redux. May a Diocesan Bishop Be Vicariously Liable for the Intentional Torts of his
Priests?, in: Studia canonica 23 (1989) 119–148.
99 Der Oberste Gerichtshof von Florida benannte vier Elemente: (1) deliberate or reckless infliction of mental suffering; (2) outrageous conduct; (3) the conduct must have caused the
emotional distress; (4) the distress must be severe: N u g e n t , A Higher Authority (Anm. 96),
963 f.
100 Vgl. N u g e n t , A Higher Authority (Anm. 96), 965–967; eines der möglichen
Probleme dieses cause of action ist: Der Faktenermittler muss einen Standard für die
Pflichten eines Klerikers festsetzen, was aber durch das First Amendment (Free Exercise
Clause, Establishment Clause) ausgeschlossen zu sein scheint. Vgl. C h o p k o , Stating
Claims (Anm. 96), 1112 f.; E m i l y C . S h o r t , Torts: Praying for the Parish or Praying
on the Parish? Clergy Sexual Misconduct and the Tort of Clergy Malpractice, in: Oregon Law Review 57 (2004) 183–224.
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Schadenersatz
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• negligent hiring and retention; negligent supervision: Diese cause of action ist insoweit mit der Doktrin des respondeat superior vergleichbar, als den Unternehmer die Haftung für seine Beschäftigten trifft, erweitert aber die Haftung auf
Fälle, in denen das schädigende Verhalten nicht innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beschäftigten liegt. Der Unternehmer verletzt seine Sorgfaltspflicht grundlegend dann, wenn er die Untauglichkeit des Beschäftigten vernünftigerweise hätte voraussehen können.101
• Wendet man diese causes of action auf die Fälle sexuellen Mißbrauchs
durch Kleriker an, so stellt sich die Frage, ob nicht das Gericht durch die Nachforschungen und Erhebungen im Laufe des Verfahrens die Religionsfreiheit
verletzt, insbesondere die Garantien der Free exercise clause und/oder der Establishment clause (First Amendment). Dieser Frage kann hier nicht weiter nachgegangen werden.102 Im Ergebnis kann davon ausgegangen werden, dass der
Supreme Court der Vereinigten Staaten „explicitely hold that the First Amendment
does not bar a claim for negligent hiring, supervision, and retention against a religious
institution based on the sexual misconduct of its clergy“103.
101
Vgl. N u g e n t , A Higher Authority (Anm. 96), 969–971; Restatement (Second) of
Torts § 317 (1965) besagt: „A master is under a duty to exercise reasonable care so to control his
servant while acting outside the scope of his employment as to prevent him from intentionally
harming others or from so conducting himself as to create an unreasonable risk of bodily harm to
them if (a) the servant (i) is upon the premises in possession of the master or upon which the servant is privileged to enter only as his servant, or (ii) is using a chattel of the master, and (b) the
master (i) knows or has reason to know that he has the ability to control his servant, and (ii)
knows or should know of the necessity and opportunity for exercising such control.“ (970).
102 Vgl. N u g e n t , A Higher Authority (Anm. 96), 971–983; K e l l y W . G . C l a r k ,
K r i s t i a n S p e n c e r R o g g e n d o r f , P e t e r B . J a n c i , Of compelling interest: The
Intersection of Religious Freedom and Civil Liability in the Portland Priest Sex Abuse
Cases, in: Oregon Law Review 85 (2006) 481–540; C h o p k o , Stating Claims (Anm. 96),
1113–1124. Ein anderes spezielles Problem, das im Rahmen dieses Vortrags nicht behandelt werden kann, besteht darin, ob und inwieweit kirchliche Organisationen als
„charities“ Immunität im Rahmen der Gemeinnützigkeit beanspruchen und so die Haftung für fremdes Verschulden ausschließen oder zumindest einschränken könnten:
Siehe C a t h a r i n e P i e r c e W e l l s , Churches, Charities, and Corrective Justice: Making
Churches Pay for the Sins of their clergy, in: Boston College Law Review 44 (2003)
1201–1227.
103 N u g e n t , A Higher Authority (Anm. 96), 972.
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b) Kontinentaleuropäisches Recht
Das angloamerikanische Recht kennt, wie gezeigt, ein breites Spektrum nicht104
kriminalstrafrechtlicher Reaktionsweisen gegen deliktische Schädigungen. Im
Unterschied dazu sieht das kontinentaleuropäische Recht, dem Grundsatz
nach, nur zwei Reaktionstypen vor105:
(1) die Strafe in dem Fall, dass die Rechtsverletzung ein strafrechtliches Delikt darstellt, und (2) den Schadenersatz.
Beide Verfahrenswege sind strikt voneinander getrennt und verfolgen verschiedene Ziele106: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Vergeltung und Prävention im Falle der Strafe; Ersatz des Schadens und
Rechtsschutz im Verhältnis zwischen den Rechtssubjekten im Privatrecht im
Falle des Schadenersatzes.
Das tragende Grundprinzip des Schadenersatzrechts der Kodifikationen ist
der Ausgleich (Kompensation) des erlittenen Verlustes/Schadens: Der Geschädigte ist so zu stellen wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Verlangt ist eine möglichst genaue Entsprechung von Verlust und
Ersatz, nicht mehr (d. h. der Geschädigte soll durch den Ersatz nicht bereichert
werden), aber auch nicht weniger (d. h. voller Ersatz). Dieser Ausgleichsanspruch besteht unabhängig von den konkreten Umständen auf Seite des Schädigers, z. B. von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen oder ob er böswillig oder
lediglich fahrlässig gehandelt hat. Der Schadenersatz ist jeden Strafcharakters
entkleidet.
Während eine Strafe die genaue Berücksichtigung der Umstände auf Seiten
des Täters erfordert (Grad der Zurechenbarkeit, soziale und wirtschaftliche
Verhältnisse), orientiert sich der Schadensausgleich ausschließlich am Verlust,
den der Geschädigte erlitten hat. Ein individual- oder auch generalpräventives
Ziel kommt dem Schadenersatz in den Kodifikationen, wenn überhaupt, dann
höchstens sekundär zu. Dies lässt sich dem Grundsatz nach für alle europäischen Kodifikationen feststellen.107 Unterschiede weisen diese nicht im Grund-
104
Vgl. M a g n u s , Schaden und Ersatz (Anm. 81), 52.
Vgl. M ü l l e r , Punitive damages (Anm. 84), 31–70.
106 Vgl. A l b i n E s e r , Strafe, in: Staatslexikon 7V (1989), 329–331; M ü l l e r , Punitive damages (Anm. 84), 35.
107 Für Frankreich vgl. Cour de Cassation 12. 2. 1975: „Attendu que le propre de la
responsabilité civile étant de retablir aussi exactement que possible l’equilibre détruit par le dommage et de replacer la victime dans la situation où elle se serait trouvée si l’acte dommageable
n’avait pas eu lieu …”: vgl. M a g n u s , Schaden und Ersatz (Anm. 81), 87–94. Für
Deutschland: B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 43–45; M ü l l e r , Punitive
62
damages (Anm. 84), 71–98; Pa l a n d t , vor § 249 Rz 4–6 (H e i n r i c h s ); Münchner
105
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Schadenersatz
sätzlichen, sondern nur in manchen Detailregelungen auf, z. B. in der Frage der
Schadensberechnung oder in der Frage, inwieweit immaterielle Schäden kompensationsfähig sind. Alle diese Unterschiede bewegen sich innerhalb des
Kompensationszweckes. Nebenbei bemerkt, sind solche Unterschiede im Detail manchmal zwischen den Kodifikationen größer als zwischen einer bestimmten Kodifikation und dem US-amerikanischen Recht, insoweit es dort um
compensatory damages geht.108
Der soeben beschriebene Grundzug des kontinentaleuropäischen Schadenersatzrechts, nämlich das Prinzip des vollen Ausgleichs, gilt ebenso im kanonischen Recht: „La reparation du dommage cause n’a pas un caractère penal. C’est une
simple obligation de justice, fondée sur le principe qu’il faut render à chacun ce qui lui est
dù – cuique sum tribuere donc restituer aux tiers, en nature ou en equivalent, ce qui a pu
leur etre enlevé de leurs bien, de leur personne ou de leur honneur …Quelle que soit la
cause du dommage, nous conclurons donc qu’il doit toujours etre intégralment réparé“.109
Weder der CIC/1983 noch der CCEO weichen von diesem Prinzip ab, das
dem kanonischen Recht immer schon inhärent war.110
Anders als compensatory damages sind punitive damages mit dem Schadenersatzrecht der Kodifikationen unvereinbar. So werden z. B. nach der Rechtsprechung des deutschen BGH punitive damages als mit den Ordre public (vgl. § 6
EGBGB) unvereinbar qualifiziert und können daher in Deutschland nicht angewendet und durchgesetzt werden.111
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es mittlerweile auch
in den Rechtsordnungen der Kodifikation gewisse Arten von Privatstrafen gibt,
die vom Gesetz entweder vorgesehen oder wenigstens zugelassen werden, wie
3
Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II, München 1994, 338 f. (W o l f g a n g
G r u n s k y ): „Der Zweck der §§ 249 ff. besteht allein darin, einen Ausgleich für erlittene
Nachteile zu schaffen. Dagegen soll der Schädiger durch die ihn treffende Ersatzpflicht
nicht bestraft werden.“
108 Vgl. M a g n u s , Schaden und Ersatz (Anm. 81), 52–94 und 481–528.
109 R e n é N a z , Dommages – interest, in: Dictionnaire de droit canonique IV,
1410–1417 (1416).
110 Vgl. D ’ A r i e n z o , L’obbligo di riparazione (Anm. 14), passim.
111 Art. 6 EGBGB (ordre public) besagt: „Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist
nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.“
Vgl. B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 88–118; M ü l l e r , Punitive damages
62
(Anm. 84), 15–30; P a l a n d t , EGBGB § 6 Rz 16. Zur Unvereinbarkeit von punitive
damages mit dem civil law system vgl. A l i s t e S a n t o s , Origen histórico (Anm. 80).
380
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112
etwa die „Vertragsstrafe“ . Diese werden freiwillig durch Vertrag vereinbart,
z.B. um einen möglichen Schaden, der schwierig zu berechnen ist, pauschal
abzusichern; ein anderes Beispiel wäre die „Vereinsstrafe“, die in der Satzung
eines Vereins und somit auf der Grundlage der Privatautonomie vorgesehen
werden kann und der sich das Vereinsmitglied mit dem Beitritt zum Verein
freiwillig unterwirft113. Alle diese Formen gründen in der Privatautonomie und
sind folglich nicht mit den punitive damages vergleichbar.
In einigen wenigen Fällen sehen Gesetze außerhalb des Strafrechts ausdrücklich als Sanktion einer bestimmten Rechtsverletzung eine schon im Gesetz selbst umfangmäßig genau definierte Strafe – in aller Regel eine Geldleistung – vor. Es handelt sich um Materien, in denen von der Sache her der Schutz
der betroffenen Rechte praktisch nur auf diese Weise gewährleistet werden kann,
namentlich im Urheber-, Patent- und Warenzeichen-/Markenrecht; dazu
kommt das sogenannte „erhöhte Fahrgeld“ als Sanktion für die Benutzung
eines Verkehrsmittels ohne gültigen Fahrausweis (Ticket).114 Diese Strafen
unterscheiden sich von den punitive damages dadurch, dass sie gesetzlich vorgesehen und somit exakt vorhersehbar sind.
Was die Schadenersatzhaftung für Delikte Dritter (im italienischen Recht:
responsabilità indiretta) betrifft, so handelt es sich um ein zwar beiden Rechtskreisen bekanntes115, aber doch durch zwei erhebliche Unterschiede voneinander abgehobenes Rechtsinstitut:
(1) Die Kodifikationen lassen punitive damages nicht zu; und
(2) die Kodifikationen statuieren diese Art der Haftung abschließend, wenn
auch mit Generalklauseln, und somit vorhersehbar; das US-amerikanische
Recht hingegen kennt ein breites, prinzipiell nicht abgeschlossenes Spektrum
112 Vgl. §§ 339–345 BGB („Vertragsstrafe“); „clausola penale“: art. 1382–1384 Codice Civile; „Konventionalstrafe“: § 1336 ABGB. Vgl. M ü l l e r , Punitive damages (Anm.
84), 59 f.
113 Vgl. M ü l l e r , Punitive damages (Anm. 84), 60 f.
114 Für Deutschland vgl. M ü l l e r , Punitive damages (Anm. 84), 99–295; B r o c k m e i e r , Punitive damages (Anm. 56), 46–69.
115 Auch das kanonische Recht entwickelte die Doktrin der Haftung für Dritte auf
Basis von negligentia in eligendo, custodiendo, vigilando: vgl. F ra n c e s c o D ’ O s t i l i o , La
responsabilità per atto illecito della pubblica amministrazione in diritto canonico, Roma
1966; R o t a R o m a n a , Dec. 26. 6. 1937 coram Jullien (Decisiones 29 [1937] 450);
dec. 15. 6. 1988 coram Palestro (Decisiones 80 [1988] 400 ff.). Zum Problem der Haftung
kirchlicher Autoritäten für Delikte ihrer Priester sowohl im kanonischen Recht wie auch
aus Sicht des italienischen Rechts siehe, in: A n g e l o L i c a s t r o , Danno e responsabilità
da esercizio del ministero pastorale: Stato, Chiese e pluralismo confessionale, Rivista
telematica (www.statochiese.it), maggio 2010.
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Schadenersatz
381
der vicarious liability, das durch die Gerichte Tag für Tag erweitert werden
kann.
Die Klageart respondeat superior kann als Beispiel für eine verschuldensunabhängige (objektive) Haftung gelten, wie sie auch im kodifizierten Recht anzutreffen ist, z. B. des Unternehmers für seine Beschäftigten gemäß Art. 2049
Codice Civile oder Art. 1384 Code Civil.
Auf diese Artikel gestützt, haben jüngst Gerichte in Brüssel und in Lecce
(Italien) eine Haftung der Kirche (Bischof bzw. Diözese) in Fällen sexuellen
Missbrauchs ihrer Kleriker anerkannt.116
In der Regelung des Verschuldens weisen die europäischen Kodifikationen
gewisse Unterschiede auf. Gemäß § 831 § 1 BGB (Haftung für Verrichtungsgehilfen) ist der, der einen anderen zur Verrichtung bestellt, zum Ersatz des
Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem
Dritten widerrechtlich zugefügt hat. Dabei muss der Bestellte/Gehilfe nicht
schuldhaft gehandelt haben. Das Gesetz geht vom Verschulden des Geschäftsherrn bei Auswahl, Überwachung und Leitung der Gehilfen oder bei Beschaffung des für die Ausführung Erforderlichen aus, und außerdem vom ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verschulden des Geschäftsherrn und dem
Schaden.117 Beide Vermutungen können durch Gegenbeweis entkräftet werden; der Geschäftsherr haftet nicht, wenn er in den genannten Punkten die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei
Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre (§ 831 I Satz 2).
Die vergleichbare Regelung im österreichischen ABGB findet sich in §§
1313a und 1315. Der österreichische Oberste Gerichtshof hat in einer vor kurzem ergangenen Entscheidung die Haftung einer Abtei, die ein Internat betreibt, für die durch fortgesetzten sexuellen Missbrauch des Internatsleiters
verursachten Schäden anerkannt. Maßgeblich war das Verschulden bei der
Bestellung dieses Internatsleiters sowie § 1315 ABGB: Die Abtei hätte wissentlich eine im Hinblick auf sexuellen Missbrauch gefährliche Person zum Inter-
116
Die Entscheidungen wurden wegen ihrer Ungenauigkeit bei der Interpretation
von Rechtsbegriffen, vor allem von „employer“ kritisiert: vgl. L i c a s t r o , Riappare un
„déjà vu“ (Anm. 98), passim. Hinsichtlich der Haftung der kirchlichen Hierarchie für
Delikte ihrer Kleriker im italienischen Recht vgl. L u c i a n o E u s e b i , Responsabilità
morale e giuridica del governo ecclesiale. Il ruolo dei Vescovi in rapporto ai fatti illeciti
dei chierici nel Diritto canonico e nel Diritto italiano, in: Apollinaris 83 (2010) 223–245;
L i c a s t r o , Danno e responsabilità (Anm. 115); P i e r l u i g i C o n s o r t i , La responsabilità
della gerarchia ecclesiastica nel caso degli abusi sessuali commessi dai chierici, fra diritto
canonico e diritti statuali: Stato, Chiese e pluralismo confessionale. Rivista telematica
(www.statochiese.it), n. 17/2013, 13.5.2013.
117 Vgl. P a l a n d t , § 831, Rz. 1 (H e i n z T h o m a s ).
382
Helmuth Pree
AfkKR
natsleiter bestellt: „Der Betreiber eines Internats hat den Internatszöglingen
gegenüber die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was für sie erkennbar eine
erhebliche Gefahr darstellen könnte. Mit der Bestellung einer Person, deren
kriminelle sexuelle Neigungen den Verantwortlichen bekannt waren, zum
Regens eines Internats, in dem Schüler zu betreuen sind, die als Opfer dieser
Neigungen geradezu prädestiniert sind, liegt ein schuldhaftes Fehlverhalten,
das den Internatsbetreiber ersatzpflichtig macht, wenn sich die von ihm geschaffene Gefahr tatsächlich realisiert“: 18.7.2013 (1 Ob 124/13m.).
III. Schlussbemerkung
(1) Der anglo-amerikanische und der kontinentaleuropäische Rechtskreis nähern sich einander immer stärker an. Im Kodifikationssytem entscheidet der
Richter über Schadenersatzansprüche auf Grundlage von gesetzlich verankerten Generalklauseln, und ist daher gezwungen, zahlreiche im Gesetz nicht geregelte Fragen zu beantworten. Er ist daher alles andere als ein Subsumtionsautomat, sondern muss in einem gewissen Umfang neues Recht schaffen. Die
Entscheidungen der Höchstgerichte werden, auch wenn keine rechtliche Bindung an Präjudizien besteht, de facto zur maßgeblichen Richtschnur für die
Rechtsprechung der untergeordneten Gerichte.
Im anglo-amerikanischen Raum ist ein Anwachsen der Zahl und Bedeutung
von Gesetzen zu beobachten. Das Gericht hat, um einen Fall zu entscheiden,
eine Regel (rule) zu finden oder zu entwickeln. Diese besitzt insoweit generellen
Charakter, als sie auch für künftige Fälle derselben Art anwendbar ist und sein
soll.
(2) Die gravierendsten Unterschiede zwischen beiden Rechtskreisen betreffen den Rechtsbegriff selbst sowie die Methode der Rechtsfindung. Mit Roscoe
Pound kann man von einem verschiedenen frame of mind118 sprechen: Im Kodifikationsdenken erscheint das Recht als „über“ der konkreten Realität liegend
angesiedelt, nämlich in Gesetzen und Rechtsprinzipien. Der Rechtsanwender
gewinnt die Lösung des Falles deduktiv. Er geht von einer systematisch geschlossenen, tendenziell vollständigen Rechtsordnung aus.
Der Rechtsanwender im Common Law hingegen „looks at things in the concrete,
not in the abstract“; die Voraussetzungen bzw. Elemente für eine gerechte Entscheidung sind in dem zu lösenden Fall selbst, in den darin vorkommenden
Beziehungen zwischen den beteiligten Personen zu finden, in den „things as
they arise“. An die Stelle einer deduktiv gewonnenen Entscheidung tritt im
118
Siehe oben I. 1. b).
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Schadenersatz
383
Common Law das reasoning from case to case, die Entscheidungsfindung im Wege
von Präjudizien und Analogie. Die Vorstellung einer vollständigen Rechtsordnung – und somit auch der Möglichkeit einer Gesetzeslücke – ist denkunmöglich.
Punitive damages sind ein schlagendes Beispiel für mögliche Konsequenzen
dieses frame of mind. Die dem Common Law zugrundeliegende „Philosophie“
ermöglicht es den Gerichten, bei der Lösung von Fällen ein denkbar weites
Spektrum von als vernünftig (reasonable) erachteten Argumenten, Gründen und
Zielen in Anschlag zu bringen. Die Jury kann sich z. B. von sozialen und
rechtspolitischen Zielen leiten lassen oder diese gar als ausschlaggebend nehmen (sogenanntes social engineering119). Auf den Schadenersatz angewandt: Sie
kann weit über die Wiederherstellung der ausgleichenden Gerechtigkeit (voller
Ersatz, nicht mehr und nicht weniger) hinausgehen, um etwa folgende Ziele zu
erreichen: eine Bestrafung des Schädigers, sodass er von künftigen Schädigungen abgehalten wird, weil sie sich nicht lohnen – er soll so empfindlich getroffen werden, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen, z. B. Sicherheitsvorkehrungen im Unternehmen, billiger sind als zu erwartende punitive damages. Oder: Risiko-Streuung; Zuweisung von Verantwortlichkeiten; Weckung größeren Verantwortungsbewusstseins.120 Die Gerichte werden nicht
daran gehindert, neue causes of action zu erfinden, oder neue Kategorien von
119
Vgl. M a g n u s , Schaden und Ersatz (Anm. 81), 80; M ü l l e r , Punitive damages
(Anm. 84), 11.
120 „The goal of the claimant is to find some (solvent) defendant who can be forced to take legal responsibility for the harm. The goal of the defendant is to avoid the damages or, in multiparty
cases, let the other defendants take responsibility. Liability law attempts to sort out these demands
and ascertain fairly who should respond to the claim in damages. …. ,Derivative liability‘ is an
attempt to describe how liability law works, and should work, in complex organizations. … In this
most basic sense, derivative liability encompasses traditional tort policy concepts, both financial
risk-spreading and social-reform goals. Indeed, social-reform and risk-spreading considerations are
behind decisions in which one entity must answer for the actions of a related entity’s minister, staff,
or volunteer. This is more apparent in attempts to force liability on larger national or regional
groups affiliated with smaller local groups. The courts presume that, if a ,superior‘ body, however
defined or connected, can be forced to take charge of the responsibility for the local matter, harm to
future plaintiffs might be precluded. Thus, although this form of liability action has at its root the
most basic litigation urge to find a solvent or insured defendant, it also includes an element of
social purpose, to enforce some greater responsibility through the liability system and deter future
harm. The dilemma confronting the legal system is how best to allocate responsibility among the
parties“: C h o p k o , Stating Claims (Anm. 96), 1094 f.; vgl. P h i l i p F . M a x w e l l , Comparatio fundamenti rationalis de damno resarciendo in lege Ecclesiae et in iure Foederatarum Civitatum Americae Septemtrionalis, in: Periodica 75 (1986) 511–524.
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Beklagten je nach Konstellation des Falles und konkreten Umständen. All das
ist im Rechtssytem der Kodifikation undenkbar.
(3) Der Vergleich beider Rechtssysteme fordert auch das kanonische Recht
heraus:
• die Haftung für Dritte (ital.: responsabilità indiretta) erscheint im kanonischen Recht als weiterentwicklungswürdig;121
• die Begriffe des Schadens (damnum), der Zurechenbarkeit (im Unterschied zur Rechtswidrigkeit) sowie das Verhältnis zwischen subjektiven Elementen (dolus, culpa) und objektiven, wie Rechtswidrigkeit und Schaden und
das genaue Ziel, das mit dem Schadenersatz in der communio der Kirche erreicht werden soll (unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Schadenersatz
und Strafe) bedürfen im kanonischen Recht weiterer Klärung und Vertiefung;122
• das kanonische Recht muss das Thema der verschuldensunabhängigen
Haftung (ital.: responsabilità oggettiva) einer systematischen, tragfähigen Lehre
und Regelung zuführen;123
• auf Ebene der Rechtstheorie ist eine ganze Reihe von Herausforderungen zu konstatieren, wie namentlich: die Begriffe von „Recht“ und „Gerechtigkeit“, das prinzipielle Verhältnis von Recht und Wirklichkeit (Fall), das Verfahren der Rechtsfindung und der Interpretation; das Problem der Geschlossenheit und Vollständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung124.
Zusammenfassung / Summary / Sommario
Der Beitrag stellt die Grundgedanken des Schadenersatzrechts im Common Law im
Vergleich zu jenen europäischen Kodifikationen vor, insbesondere des in dieser Untersuchung herangezogenen französischen, österreichischen, italienischen sowie deutschen
Zivilrechts. Anschließend beleuchtet er im Bezug auf das seit Beginn dieses Jahrtausends
in der Öffentlichkeit diskutierte Thema „Sexueller Missbrauch von minderjährigen
121
Siehe L i c a s t r o , Danno e responsabilità (Anm. 115), passim.
Vgl. D ’ A r i e n z o , L’obbligo di riparazione (Anm. 14), 97–128.
123 Vgl. D ’ A r i e n z o , L’obbligo di riparazione (Anm. 14), 105–114.
124 Vgl. A l e s s a n d r o L e v i , Teoria generale del diritto (Ristampa anastatica della
seconda ed.), Padova 1967, 25–89, insbes. 64–75; J o s é M . G o n z á l e z d e l V a l l e ,
Dottrina, giurisprudenza e prassi nella costruzione del sistema canonico: Juan Ignacio
Arrieta, Gian Piero Milano (ed.), Metodo, Fonti e Soggetti del Diritto Canonico, Atti del
Convegno Internazionale di Studi „La Scienza Canonistica nella seconda metà del ‘900.
Fondamenti, metodi e prospettive in D’Avack, Lombardía, Gismondi e Corecco“, Roma 13–16 nov. 1996, Città del Vaticano 1999, 391–415.
122
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Schadenersatz
385
Personen durch Kleriker in der römisch-katholischen Kirche“ ihre Bedeutung für die
Entwicklung dieses Rechtsinstituts des Schadenersatzes in der Kanonistik.
The article compares the basic ideas of the US-American law of torts and compensation
of damages with the law in regard of the allocation of damages in the European Codifications, especially the French, Austrian, Italian, German and in Canon Law. Particular
attention is paid to the (US-American) “punitive damages” and the “vicarious liability”,
especially within the context of the cases of sexual misconduct of clergy. Finally, the
Author points out some consequences, open questions and suggestions for the Canon
Law itself.
Il contributo presenta i concetti di fondo del diritto al risarcimento dei danni nel Common Law a confronto con quelli delle codificazioni europee, in particolare di quelle,
consultate per questa analisi, del diritto civile francese, austriaco, italiano nonché tedesco. Successivamente esamina il significato di tali concetti per lo sviluppo dell’istituto
giuridico del risarcimento dei danni nella canonistica in relazione al tema “abuso sessuale nei confronti di minori da parte di chierici nella Chiesa cattolica”, argomento discusso
pubblicamente dall’inizio del secolo.
KUNST KOMMT VON KÖNNEN
Betrachtungen zur Gesetzgebungskunst am Beispiel der Leitlinien
zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bereich der
Deutschen Bischofskonferenz
Von He r ib e rt Ha l le rm a n n
Ursprünglich bedeutet „Kunst“ so viel wie das, was man beherrscht, durch
Übung erworbenes Können, „Kenntnis“, „Wissen“, „Weisheit“, „Fertigkeit“,
„Meisterschaft“. Der Ausspruch „Kunst kommt von Können“ entspricht daher
dem etymologischen Befund.1 Insofern mit „Kunst“ eine besonders hervorragende oder gehobene, durch Übung erworbene Fertigkeit beschrieben wird,
wird gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass nicht alle, die in ein und demselben Bereich tätig sind, die betreffende Fertigkeit in hervorgehobener Weise
besitzen.2 Denn selbst dann, wenn bereits basale Fertigkeiten vorliegen, kann
der Weg bis zur Meisterschaft, d. h. bis zu einer echten Kunst, noch so weit
sein, dass eine besonders hervorragende oder sehr gehobene Fertigkeit längst
nicht von allen verwirklicht wird. Dies gilt auch in Hinblick auf die Gesetzgebung: Bereits Aristoteles (384/383–322/321 v. Chr.) spricht in seiner „Nikomachischen Ethik“ von der Kunst der Gesetzgebung, die auf Einsicht in die Sache,
auf Praxis und auf Erfahrung beruht. In diesem Zusammenhang fragt er, wie
man zum Fachmann in der Gesetzgebung werden könne, die er als eine wesentliche Funktion der Staatskunst – mit anderen Worten: der Leitung – betrachtet.3
1
Vgl. Duden Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, Mannheim
2001.
2 Ganz ähnlich bringt J o h a n n N e s t r o y , i n : Duden. Zitate und Aussprüche,
Mannheim – Leipzig – Wien – Zürich 1993, 657, diese Tatsache auf eine ganz eigene
Weise zum Ausdruck: „Kunst ist, wenn man’s nicht kann, denn wenn man’s kann, ist’s
keine Kunst.“
3 Vgl. A r i s t o t e l e s , Die Nikomachische Ethik. Aus dem Griechischen und mit ei7
ner Einführung und Erläuterungen versehen von Olof Gigon, München 2006, X. 10
(352–358). Vgl. auch K l a u s M ö r s d o r f , Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici,
Paderborn 1937. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1937, Paderborn 1967, 17 f.,
sowie H e i n r i c h E i s e n h o f e r , Die kirchlichen Gesetzgeber. Technik und Form ihrer
Gesetzgebung, München 1954, 48, die diese Wendung ausdrücklich auch auf den Bereich der kirchlichen Gesetzgebung beziehen. So trägt in Mö r s d o r f , Rechtssprache
3
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Kunst kommt von Können
387
1. Pastorale Leitung und Gesetzgebung
Eine dementsprechende Perspektive scheint auch in der katholischen Kirche zu
gelten: Die Verpflichtung des Diözesanbischofs, für die ihm „Untergebenen
Gesetze zu erlassen, Recht zu sprechen und alles zu regeln, was den Gottesdienst und das Apostolat anbelangt“4 findet sich sowohl im Nachsynodalen
Schreiben Papst Johannes Paul II. Pastores Gregis vom 16. Oktober 2003 als
auch im darauf fußenden Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe Apostolorum Successores jeweils im Abschnitt über die pastorale Leitung des Diözesanbischofs:5 Offenkundig impliziert die Verwirklichung des bischöflichen Leitungsdienstes, der explizit als „pastoral“ charakterisiert wird,6 notwendigerweise „das
heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu
erlassen“7. Das bedeutet: Die Gesetzgebung des Diözesanbischofs ist ein unverzichtbarer Bestandteil und eine notwendige Funktion der bischöflichen pastoralen Leitung (munus regendi) und somit ein notwendiger Teil der Hirtensorge
(cura pastoralis)8 des Diözesanbischofs.9 Von daher ist es vollkommen unangebracht, einen grundlegenden Widerspruch zwischen „Recht“ einerseits und
„Pastoral“ andererseits konstruieren oder aufrecht erhalten zu wollen.10 Ange(Anm. 3), 17, der erste Paragraph die Überschrift „Von der Kunst der Gesetzgebung“
und ebd., 18, wird die sprachliche Formgebung eines Gesetzes als schwierigste Aufgabe
des Gesetzgebers und als „eine Kunst im wahren Sinne“ bezeichnet.
4 K o n g r e g a t i o n f ü r d i e B i s c h ö f e , Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe Apostolorum Successores. Übersetzung und Kommentar von Heribert Hallermann,
Paderborn – München – Wien – Zürich 2006 (= KStKR 7), 204.
5 Vgl. P a p s t J o h a n n e s P a u l I I . , Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Pastores Gregis: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 163, Bonn 2003, Überschrift vor Nr. 42 „Das pastorale Leitungsamt des Bischofs“ und Nr. 43 sowie Direktorium Apostolorum Successores (Anm. 4),
Überschrift vor Nr. 158 „Die pastorale Leitung“ sowie Nr. 158.
6 Vgl. Apostolisches Schreiben Pastores Gregis (Anm. 5), Nr. 43.
7 Ebd.
8 Vgl. H e r i b e r t H a l l e r m a n n , Art. Hirtendienst: LKStKR Bd. 2, 245–246.
9 Der c. 391 §§ 1 und 2 CIC/1983 bringt dies auf seine Weise zum Ausdruck.
Vgl. hierzu auch den Kommentar von G e o r g B i e r , MKCIC zu c. 391/1–8, insbes.
Rn. 4 sowie 6–8. – H e l m u t h P r e e , Kirchliche Leitungsgewalt. Aspekte ihrer Reichweite und Anwendung: AfkKR 181 (2012), 39–56, hier: 46 merkt dazu an: „Verzicht auf
die Ausübung von Leitungsgewalt dort, wo ihr Einsatz ‚zum Aufbau ihrer Herde in
Wahrheit und Heiligkeit‘ geboten wäre, ist nicht ‚pastoral‘, sondern kann Anzeichen
fehlenden Verantwortungsbewusstseins oder einer Unfähigkeit zur Ausübung von Leitungsaufgaben sein.“
10 Vgl. hierzu E d u a r d o B a u r a , Pastorale e diritto nella Chiesa: Pontificio Consiglio per i testi legislativi (Hg.), Vent’anni di esperienza canonica 1983–2003. Atti della