Abschlussklausur Verwaltungsrecht I

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Abschlussklausur Verwaltungsrecht I
Abschlussklausur
Verwaltungsrecht
I
Besprechung
Vorüberlegungen
• Sachverhalt
lesen
• Wonach
ist
gefragt?
• Wo
liegen
die
Schwerpunkte
des
Falls?
• Argumente
der
Parteien
ordnen.
Abgedruckte
RechtsvorschriCen
sind
für
die
Fallbearbeitung
relevant,
müssen
also
"eingebaut"
werden.
• Zeitmanagement,
aber
den
Sachverhalt
noch
einmal
in
Ruhe
lesen!
Die
Klage
des
S
hat
Aussicht
auf
Erfolg,
wenn
sie
zulässig
und
begründet
ist.
A.
Zulässigkeit
der
Klage
1.
Eröffnung
des
Verwaltungsrechtswegs
Mangels
aufdrängender
Sonderzuweisung
sind
die
Voraussetzungen
der
Generalklausel
gemäß
§
40
Abs.
1
S.
1
VwGO
zu
prüfen.
Danach
müsste
eine
öffentlich‐rechtliche
StreiXgkeit
nichtverfassungsrechtlicher
Art
vorliegen.
Als
streitentscheidende
Normen
kommt
hier
§
45
Abs.
1
StVO
in
Betracht.
Hierdurch
wird
ein
Hoheitsträger
einseiXg
berechXgt
und
verpflichtet.
Die
VorschriC
ist
damit
dem
öffentlichen
Recht
zuzuordnen.
Da
die
StreiXgkeit
auch
nichtverfassungs‐
rechtlicher
Art
ist
und
keine
abdrängende
Sonderzuweisung
in
Betracht
kommt,
ist
der
Verwaltungsrechtsweg
gemäß
§
40
Abs.
1
S.
1
VwGO
eröffnet.
2.
Sta^haCe
Klageart
• Die
sta^haCe
Klageart
richtet
sich
nach
dem
Klagebegehren,
wie
sich
aus
dem
Rechtsgedanken
des
§
88
VwGO
ergibt.
• Vorliegend
möchte
S
gegen
die
Anordnung
des
Gemeinsamen
Geh‐
und
Radweges
(Zeichen
240),
mithin
die
Radwegebenutzungspflicht,
vorgehen.
In
Betracht
kommt
eine
Anfechtungsklage
gemäß
§
42
Abs.
1
1.
Alt.
VwGO.
Dann
müsste
S
die
Aubebung
eines
belastenden
Verwaltungsaktes
begehren.
• Fraglich
ist,
ob
es
sich
bei
dem
Verkehrszeichen
240
um
einen
Verwaltungsakt
im
Sinne
des
§
35
VwVfG
NRW
handelt.
Ein
Verkehrszeichen
stellt
eine
Maßnahme
einer
Behörde
auf
dem
Gebiet
des
Öffentlichen
Rechts
dar,
das
Gebote
oder
Verbote
beinhaltet
und
somit
auf
die
Herbeiführung
einer
Rechtsfolge
ge‐
richtet
ist.
Insoweit
liegen
die
Merkmale
eines
Verwaltungsakts
(§
35
S.
1
VwVfG)
vor.
Sta^haCe
Klageart
• Fraglich
ist
allerdings,
ob
ein
Verkehrszeichen
auch
zur
Regelung
eines
Einzelfalls
besXmmt
ist,
da
sich
Verkehrsschilder
in
der
Regel
an
eine
unbesXmmte
Vielzahl
von
Personen
richten,
also
keine
konkret‐individuelle
Regelung
darstellen.
• Nach
gefesXgter
Rechtsprechung
handelt
es
sich
bei
Verkehrsschildern
jedoch
um
Dauerverwaltungsakte
in
der
Form
von
Allgemeinverfügungen
gemäß
§
35
S.
2
VwVfG
NRW,
denn
sie
regeln
eine
konkrete
örtliche
VerkehrssituaXon
für
die
Allgemeinheit.
Folglich
ist
die
Anfechtungsklage
sta^haCe
Klageart.
3.
Klagebefugnis
• S
müsste
klagebefugt
sein,
§
42
Abs.
2
VwGO.
Das
bestreitet
die
Behörde
mit
dem
Hinweis
auf
den
Ausschluss
der
Popularklage.
Zwar
kann
nicht
jede
Person
ein
Verkehrszeichen
gerichtlich
angreifen.
Die
Klagebefugnis
ist
aber
zu
bejahen,
wenn
es
das
Vorbringen
des
Klägers
zumindest
als
möglich
erscheinen
lässt,
dass
die
angefochtene
Maßnahme
eigene
Rechte
des
S
verletzt.
Eine
besondere
Be‐
troffenheit
kann
wegen
der
RechtsschutzgaranXe
des
Art.
19
Abs.
4
GG
nicht
verlangt
werden.
• • Verkehrszeichen
typisieren
für
eine
konkrete
örtliche
VerkehrssituaXon
die
Anordnungen,
die
ein
vor
Ort
anwesender
Polizeivollzugsbeamter
typischerweise
gegenüber
jedem
in
die
konkrete
örtliche
VerkehrssituaXon
geratenen
Verkehrs‐
teilnehmer
treffen
würde.
Da
S
den
Weg
bereits
mehrfach
genutzt
hat
und
somit
in
die
konkrete
örtliche
VerkehrssituaXon
geraten
ist,
für
die
die
Radwegbenutzungs‐
pflicht
gilt,
kommt
eine
Verletzung
subjekXver
Rechte
in
Betracht.
Als
Adressat
eines
belastenden
Verwaltungsakts
ist
S
somit
klagebefugt.
4.
Vorverfahren
und
Klagefrist
• Ein
Vorverfahren
ist
abweichend
von
§
68
Abs.
1
S.
1
VwGO
nach
§
110
Abs.
1
JusXzgesetz
NRW
entbehrlich.
Fraglich
ist
jedoch,
ob
S
die
Klagefrist
gemäß
§
74
Abs.
1
VwGO
eingehalten
hat.
Diese
Frist
beträgt
nach
§
74
Abs.
1
S.
2
VwGO
einen
Monat
nach
Bekanntgabe
des
Verwaltungsakts.
In
Ermangelung
einer
Rechts‐
mi^elbelehrung
verlängert
sich
vorliegend
die
Frist
nach
§
58
Abs.
2
VwGO
auf
ein
Jahr.
• Zu
prüfen
ist,
wann
die
Anfechtungsfrist
zu
laufen
beginnt.
Maßgeblich
für
den
Fristbeginn
ist
grundsätzlich
der
Zeitpunkt
der
Bekanntgabe.
Danach
beginnt
die
Frist
zu
laufen,
sobald
der
Verwaltungsakt
–
hier
das
Verkehrszeichen
–
dem
Betroffenen
bekannt
gegeben
ist,
§
41
Abs.
1
S.
1
VwVfG
NRW.
Die
Bekanntgabe
des
Verkehrszeichens
erfolgt
nach
den
bundesrechtlichen
VorschriCen
der
Straßen‐
verkehrsordnung
durch
das
Aufstellen
des
Verkehrsschildes
(§§
39
Abs.
1,
45
Abs.
4
StVO).
Vorliegend
sind
die
Verkehrszeichen
am
1.10.2010
aufgestellt
und
damit
öffentlich
bekanntgegeben
(§
41
Abs.
3
S.
2
VwVfG
NRW)
worden.
Klagefrist
• Richtet
sich
der
Fristbeginn
nach
dem
Zeitpunkt
der
Bekanntgabe,
wäre
die
am
3.4.2012
erhobene
Anfechtungsklage
des
S
verfristet.
Das
Verkehrszeichen
ist
formell
bestandskräCig.
• Kommt
es
demgegenüber
für
den
Fristbeginn
auf
den
Zeitpunkt
der
erstmaligen
Betroffenheit
des
einzelnen
Verkehrsteilnehmers
an,
dann
ist
zu
fragen,
wann
S
den
Geh‐
und
Radweg
das
erste
Mal
benutzt
hat.
Laut
Sachverhalt
war
das
Mi^e
Mai
2011.
Stellt
man
auf
diesen
Zeitpunkt
ab,
wäre
die
Jahresfrist
eingehalten
und
die
Anfechtungsklage
des
S
nicht
verfristet.
• Es
ist
umstri^en,
ob
die
Anfechtungsfrist
mit
der
öffentlichen
Bekanntgabe
durch
das
Aufstellen
des
Verkehrsschildes
oder
ab
erstmaliger
Betroffenheit
des
Verkehrsteilnehmers
zu
laufen
beginnt.
Klagefrist
• Nach
Ansicht
des
Bundesverwaltungsgerichts
äußern
Verkehrsschilder
ihre
Rechtswirkung
gegenüber
jedem
von
der
Regelung
betroffenen
Verkehrs‐
teilnehmer,
gleichgülXg,
ob
er
das
Verkehrszeichen
tatsächlich
wahrnimmt
oder
nicht,
wenn
sie
so
aufgestellt
sind,
dass
sie
ein
durchschni^licher
KraCfahrer
bei
Einhaltung
der
nach
§
1
StVO
erforderlichen
Sorgfalt
schon
mit
einem
raschen
und
beiläufigen
Blick
erfassen
kann
(BVerwGE
102,
316/318).
• Die
Anfechtungsfrist
soll
aber
erst
dann
ausgelöst
werden,
wenn
sich
der
Verkehrsteilnehmer
erstmals
der
Regelung
des
Verkehrszeichens
gegenübersieht,
was
jedoch
nicht
die
subjekXve
Kenntnisnahme
voraussetze
(zuletzt
BVerwG,
NJW
2011,
246).
Begründet
wird
dies
mit
der
RechtsweggaranXe
des
Art.
19
Abs.
4
GG,
die
es
verbietet,
den
Rechtsschutz
in
unzumutbarer,
durch
Sachgründe
nicht
zu
rechoerXgender
Weise
zu
erschweren.
Liefe
die
Anfechtungsfrist
für
jedermann
schon
mit
dem
Aufstellen
des
Verkehrsschildes,
könne
ein
Verkehrsteilnehmer,
der
erstmals
mehr
als
ein
Jahr
später
mit
dem
Verkehrszeichen
konfronXert
werden,
keinen
Rechtsschutz
erlangen.
Denn
bis
zu
diesem
Zeitpunkt
sei
er
in
Ermangelung
individueller
Betroffenheit
(§
42
Abs.
2
VwGO)
an
der
Einlegung
eines
Rechtsbe‐
helfs
gehindert,
danach
würde
ihm
der
Ablauf
der
einjährigen
Anfechtungs‐
frist
entgegengehalten.
Klagefrist
• Nach
anderer
Ansicht,
der
sich
vorliegend
auch
die
Behörde
anzuschließen
scheint,
beginnt
die
Frist
mit
dem
Aufstellen
des
Verkehrszeichens
zu
laufen,
unabhängig
davon,
ob
der
einzelne
Verkehrsteilnehmer
davon
betroffen
ist
oder
nicht
(sta^
vieler
Ehlers,
JZ
2011,
155/157).
Dem
stehe
auch
die
RechtsweggaranXe
des
Art.
19
Abs.
4
GG
nicht
entgegen,
da
es
auch
gegen
bestandskräCig
gewordene
Verwaltungsakte
nachträglich
noch
hinreichenden
Rechtsschutz
gebe.
Ist
die
Anfechtungsfrist
abgelaufen
und
der
Verwaltungsakt
bestandskräCig
geworden,
stehe
es
dem
Verkehrsteilnehmer
offen,
einen
Antrag
auf
Wiederaufgreifen
des
Verfahrens
nach
§
51
VwVfG
zu
stellen.
Sind
die
Voraussetzungen
des
§
51
Abs.
1
VwVfG
erfüllt,
muss
die
Behörde,
außerhalb
des
Anwendungsbereichs
der
VorschriC
kann
die
Behörde
den
Verwaltungsakt
nach
§
48
Abs.
1
VwVfG
zurücknehmen,
sollte
er
sich
als
rechtswidrig
erweisen.
Klagefrist
• Da
die
Auffassungen
im
vorliegenden
Fall
zu
unterschiedlichen
Ergebnissen
führen,
ist
eine
Streitentscheidung
notwendig.
Der
zuletzt
genannten
Ansicht
ist
entgegenzuhalten,
dass
das
Rechtsschutzdefizit
für
S
durch
die
Möglichkeit
des
an
besondere
Voraussetzungen
gebundene
Wiederaufgreifen
des
Verfahrens
nicht
in
verfassungsrechtlich
gebotener
Weise
ausgeglichen
werden
kann
(BVerfGK,
NJW
2009,
3642).
An
der
gegenteiligen
Auffassung
hält
der
VGH
Baden‐Wür^emberg
nicht
mehr
fest
(VGH
BW,
Urt.
v.
10.2.2011,
BeckRS
2011,
48636).
• Der
Zeitpunkt
der
inneren
Wirksamkeit
einer
Regelung
des
Verwaltungsakts
muss
mit
dem
Zeitpunkt
der
äußeren
Wirksamkeit
nicht
zusammenfallen.
Es
ist
unbestri^en,
dass
ein
Verwaltungsakt,
der
sich
an
verschiedene
Personen
richtet,
für
die
einzelnen
Adressaten
jeweils
zu
dem
Zeitpunkt
–
und
damit
zu
unterschied‐
lichen
Zeitpunkten
–
rechtswirksam
wird,
da
sie
ihnen
bekanntgegeben
werden,
vgl.
Maurer,
in:
FS
Schenke
2011,
S.
1013/1022.
Da
S
laut
Sachverhalt
erstmals
Anfang
Mai
2011
auf
das
Verkehrszeichen
240
traf,
begann
die
einjährige
An‐
fechtungsfrist
nach
§
74
VwGO
iVm
§
58
Abs.
2
VwGO
erst
ab
diesem
Zeitpunkt
zu
laufen.
Demnach
ist
die
Klagefrist
gewahrt.
B.
Begründetheit
der
Klage
• Die
Anfechtungsklage
ist
begründet,
soweit
die
Anordnung
vom
10.1.2010
rechtswidrig
(1.)
und
S
dadurch
in
seinen
Rechten
verletzt
ist
(2.),
§
113
Abs.
1
S.
1
VwGO.
1.
Rechtswidrigkeit
des
Verkehrszeichens
• Rechtswidrig
ist
der
Verwaltungsakt,
wenn
er
auf
keine
ausreichende
ErmächXgungsgrundlage
gestützt
werden
kann
(a),
sich
als
formell
rechtswidrig
darstellt
(b)
oder
materiell
rechtswidrig
(c)
ist.
a)
ErmächXgungsgrundlage
• ErmächXgungsgrundlage
für
das
Aufstellen
des
Verkehrsschildes
durch
die
Behörde
ist
§
45
Abs.
1
StVO.
Hiernach
können
die
Straßenverkehrsbehörden
die
Benutzung
besXmmter
Straßen
oder
Straßenstrecken
aus
Gründen
der
Sicherheit
oder
Ordnung
des
Verkehrs
beschränken
oder
verbieten
und
den
Verkehr
um‐
leiten.
Wenn
die
jeweilige
Fahrtrichtung
mit
dem
Zeichen
240
(Gemeinsamer
Geh‐
und
Radweg)
gekennzeichnet
ist,
besteht
eine
Benutzungspflicht
der
Radwege.
• Die
VorschriC
müsste
als
Rechtsverordnung
und
somit
untergesetzliche
Norm
auf
ein
formell
verfassungsmäßiges
Gesetz
zurückzuführen
sein
und
den
Rahmen
der
sich
daraus
ergebenden
ErmächXgung
wahren.
ErmächXgungsgrundlage
für
den
Erlass
der
StVO
ist
§
6
Abs.
1
Nr.
3
StVG,
an
dessen
formeller
und
materieller
Verfassungsmäigkeit
keine
Zweifel
bestehen.
Auch
ist
nicht
ersichtlich,
dass
die
Norm
des
§
45
Abs.
1
S.
1
StVO
den
Rahmen
der
ErmächXgung
des
§
6
Abs.
1
Nr.
3
StVG
überschreitet.
Insofern
liegt
eine
taugliche
Ermächtgungs‐
grundlage
vor.
b)
Formelle
Rechtmäßigkeit
• An
der
formellen
Rechtmäßigkeit
der
Maßnahme
bestehen
mangels
gegenteiliger
Angaben
im
Sachverhalt
keine
Zweifel.
• Insbesondere
die
Anhörung
ist
nach
§
28
Abs.
2
Nr.
4
VwVfG
NRW
bei
Allgemeinverfügungen
wie
im
vorliegenden
Fall
entbehrlich.
Auch
die
Begründung
ist
nach
§
39
Abs.
2
Nr.
5
VwVfG
NRW
entbehrlich.
Das
Aufstellen
des
Verkehrs‐
schildes
ist
daher
formell
rechtmäßig.
c)
Materielle
Rechtmäßigkeit
• Fraglich
ist
jedoch,
ob
die
Maßnahme
auch
materiell
rechtmäßig
ist.
Dafür
müssten
die
Tatbestandsvoraussetzungen
des
§
45
Abs.
1
StVO
erfüllt
sein
(aa)
und
die
Behörde
ihr
Ermessen
ordnungsgemäß
ausgeübt
haben
(bb).
aa)
Tatbestandsvoraussetzungen
• Die
Behörde
darf
nach
§
45
Abs.
1
StVO
die
Benutzung
der
B‐Straße
aus
Gründen
der
Verkehrsicherheit
beschränken
oder
verbieten
und
den
Verkehr
umleiten.
Fraglich
ist,
ob
die
Anordnung
einer
Radwegbenutzungspflicht
durch
das
Verkehrszeichen
240
der
Sicherheit
des
Verkehrs
dient.
aa)
Tatbestandsvoraussetzungen
• Unter
das
Schutzgut
der
Sicherheit
des
Verkehrs
fallen
das
Leben
und
die
Gesundheit
von
Verkehrsteilnehmern.
Zwar
hat
es
bislang
keinen
Unfall
auf
der
B‐Straße
gegeben.
Für
Maßnahmen
nach
§
45
Abs.
1
S.
1
StVO
reicht
jedoch
eine
Gefährdung
von
Verkehrsteilnehmern
wohl
aus.
Zwar
handelt
es
sich
bei
der
B‐
Straße
um
eine
kurvenarme
und
mäßig
befahrene
Straße.
Aber
die
Straße
führt
laut
Sachverhalt
durch
ein
relaXv
dicht
besiedeltes
Wohngebiet,
an
dessen
Grenze
sich
auch
EinzelhandelsgeschäCe,
gastronomische
Betriebe
und
eine
Schule
befin‐
den.
Eine
besondere
Gefahrenlage
fordert
§
45
Abs.
1
StVO
–
anders
als
§
45
Abs.
9
S.
2
StVO
–
nicht.
Die
Behörde
kann
zur
Enolechtung
und
Entmischung
des
Fahrzeugverkehrs
ohne
Vorliegen
einer
qualifizierten
Gefahrenslage
eine
Benutzungspflicht
des
Geh‐
und
Radwegs
neben
der
B‐Straße
anordnen.
• Das
Verkehrszeichen
240
enthält
kein
Verbot
der
Benutzung
der
Straße,
wohl
aber
einen
Ausschluss
der
Fahrradfahrer
von
der
Benutzung
der
Fahrbahn
und
damit
eine
Beschränkung
der
allgemeinen
Regel,
wonach
Fahrzeuge,
zu
denen
auch
Fahrräder
zählen,
die
Fahrbahn
benutzen
müssen.
Eine
Beschränkung
des
Verkehrs
liegt
damit
vor.
Anhaltspunkte
dafür,
dass
die
Verkehrsbeschränkung
durch
das
Verkehrszeichen
240
nicht
angeordnet
werden
dürCe,
sind
ersichtlich.
bb)
Rechtsfolge
• §
45
Abs.
1
StVO
räumt
der
Behörde
Ermessen
ein.
Fraglich
ist,
ob
die
Behörde
von
dem
ihr
eingeräumten
Ermessen
in
rechtmäßiger
Weise
Gebrauch
gemacht
hat.
Dafür
müsste
insbesondere
der
Grundsatz
der
Verhältnismäßigkeit
als
Grenze
der
Ermessensausübung
beachtet
worden
sein.
• Die
Anordnung
der
Radwegbenutzungspflicht
müsste
zunächst
für
die
Erreichung
des
Ziels,
die
Sicherheit
des
Verkehrs
zu
erhöhen,
ein
geeignetes
Mi^el
sein.
Zwar
ließe
sich
einwenden,
das
es
aufgrund
der
„Verengung“
des
Geh‐
und
Radwegs
auf
Höhe
der
H‐Straße
zu
„Beinahe‐Unfällen“
mit
Fußgängern
gekommen
ist.
Das
betrifft
jedoch
nicht
die
Gefahrenlage
auf
der
Fahrbahn
und
den
hiermit
begründeten
Schutz
der
Radfahrer
als
besonders
gering
geschützten
Verkehrsteilnehmern.
bb)
Rechtsfolge:
Verhältnismäßigkeit?
• Ein
milderes
Mi^el
könnte
allenfalls
darin
gesehen
werden,
für
den
Strecken‐
abschni^
auf
der
Höhe
der
H‐Straße
von
einer
Radwegbenutzungspflicht
abzu‐
sehen,
um
Radfahrer
nicht
dem
Risiko
eines
Unfalls
mit
Fußgängern
auszusetzen.
Von
Radfahrern
kann
jedoch,
wie
von
jedem
anderen
Verkehrsteilnehmer
auch,
eine
Rücksichtnahme
gegenüber
anderen
Nutzern
im
Straßenverkehr
erwartet
werden.
Ein
Recht
auf
Nutzung
der
Fahrbahn
besteht
demgegenüber
nicht.
Die
Verkehrsbeschränkung
stellt
sich
somit
als
erforderliche
Maßnahme
dar.
• Die
Anordnung
des
Verkehrsschildes
ist
auch
angemessen.
Dabei
ist
zu
beachten,
dass
die
Rechtsordnung
ein
Recht
auf
rasches
Fortkommen
oder
ein
auf
Art.
2
Abs.
1
GG
gestütztes
Recht
auf
Mobilität,
das
in
der
Abwägung
zu
berücksichXgen
wäre,
nicht
kennt.
Das
gilt
für
den
Gebrauch
von
KraCfahrzeugen,
muss
aber
auch
für
Radfahrer
gelten.
Dem
S
ist
ein
Abbremsen
auf
Höhe
der
H‐Straße
prinzipiell
und
insbesondere,
soweit
sich
Fußgänger
auf
dem
gemeinsamen
Geh‐
und
Radweg
befinden,
zuzumuten.
Das
gilt
auch
für
„Behinderungen“
durch
langsam
fahrende
Radfahrer,
die
sich
nicht
überholen
lassen.
Anhaltspunkte
dafür,
dass
die
Ver‐
engung
des
Rad‐
und
Fußwegs
gegen
RechtsvorschriCen
verstößt,
sind
dem
Sachverhalt
nicht
zu
entnehmen.
Zwischenergebnis
• Im
Ergebnis
ist
ein
Ermessensfehler
nicht
ersichtlich.
Insbesondere
die
Verhältnismäßigkeit
der
Anordnung
der
Radwegbenutzungspflicht
ist
gewahrt.
• Somit
stellt
sich
die
Anordnung
vom
1.10.2010,
den
Weg
parallel
zur
B‐Straße
als
gemeinsamen
Geh‐
und
Radweg
zu
beschildern,
als
materiell
rechtmäßig
dar.
2.
Rechtsverletzung
• Die
Anordnung
vom
1.10.2010
ist
rechtmäßig.
Deshalb
kann
die
Frage
offen
bleiben,
inwieweit
S
durch
das
Aufstellen
des
Verkehrszeichens
240
in
eigenen
Rechten
verletzt
ist.
C.
Ergebnis
Die
Klage
des
S
ist
zulässig,
aber
unbegründet
und
wird
deshalb
keinen
Erfolg
haben.
• Für
die
Bewertung
der
Klausur
war
maßgeblich,
dass
etwa
50%
der
Klausur
die
Frage
nach
der
Klageart
(Vorliegen
eines
Verwaltungsakts)
und
der
Klagefrist
(Anfechtungsfrist)
betreffen.
Das
ist
in
der
Vorlesung
mehrfach
und
ausführlich
behandelt
worden.
Hausarbeit
Verwaltungsrecht
I
Besprechung
Rückforderung
der
250.000
Euro
I.
Rückforderung
1.
ErmächXgungsgrundlage:
§
49a
Abs.
1
VwVfG
2.
Formelle
Rechtmäßigkeit
a)
SchriCform
b)
örtliche
und
sachliche
Zuständigkeit
3.
Materielle
Rechtmäßigkeit:
Wegfall
des
Rechtsgrundes?
II.
Au1ebung
des
Bewilligungsbescheids
Aubebung
des
Bewilligungsbescheids
1.
ErmächXgungsgrundlage:
§
48
Abs.
1
VwVfG
2.
Formelle
Rechtmäßigkeit
der
Aubebung
a)
Anhörung,
§
28
Abs.
1
VwVfG
b)
Begründung,
§
39
Abs.
1
VwVfG
3.
Materielle
Rechtmäßigkeit
der
Aubebung
a)
Verwaltungsakt
b)
Rechtswidrigkeit
des
Bewilligungsbescheids
aa)
§
35
S.
1
VwVfG
bb)
Keine
NichXgkeit
des
Bewilligungsbescheids
Rechtswidrigkeit
des
Bewilligungsbescheids
1.
Rechtsgrundlage
a)
Gesetzesvorbehalt
b)
auch
im
SubvenXonsrecht?
2.
Materielle
Unionsrechtswidrigkeit
der
Bewilligung
a)
Begüns9gung?
b)
aus
staatlichen
Mi>eln?
aa)
besXmmender
Einfluss
des
Staates,
vgl.
EuGH
Rs.
C‐379/98
PreußenElektra,
aa)
EuGH
Rs.
280/00
Altmark
Trans,
Slg
2003,
I‐7747
Rn.
87
ff.
bb)
wirtschaClicher
Vorteil
(+)
Slg.
2001,
I‐2099.
bb)
private
Spenden,
deshalb
(‐)
c)
Zwischenergebnis:
Keine
Beihilfe
im
Sinne
des
Art.
107
Abs.
1
AEUV,
deshalb
ist
der
Bewilligungsbescheid
nicht
materiell
unionsrechtswidrig
Rechtswidrigkeit
des
Bewilligungsbescheids
1.
Rechtsgrundlage
Gesetzesvorbehalt
im
SubvenXonsrecht?
2.
Materielle
Unionsrechtswidrigkeit
der
Bewilligung?
wirtschaClicher
Vorteil,
aus
staatlichen
Mi^eln?
3.
Formelle
Unionsrechtswidrigkeit
der
Bewilligung?
a)
bestandskräCige
Entscheidung
der
Kommission
nach
Art.
108
Abs.
2
AEUV?
b)
Rechtswidrigkeit,
aber
Wirksamkeit
des
Beschlusses
4.
Materielle
Rechtswidrigkeit
aus
anderen
Gründen
ÜberkompensaXon,
weil
B
mehr
als
nach
der
Satzung
"erforderliche"
Hilfen
erhält.
Rückforderung
• Rückforderung
nach
§
49a
Abs.
1
VwVfG
• Aubebung
des
Bewilligungsbescheids
nach
§
48
Abs.
1
VwVfG
1.
ErmächXgungsgrundlage
2.
Formelle
Rechtmäßigkeit
der
Aubebung
3.
Materielle
Rechtmäßigkeit
der
Aubebung
a)
Verwaltungsakt
b)
Rechtswidrigkeit
des
Bewilligungsbescheids
c)
Vertrauensschutz
nach
§
48
Abs.
2
VwVfG
aa)
Vertrauen
bb)
Schutzwürdigkeit?
Vertrauensschutz
nach
§
48
Abs.
2
VwVfG
1.
Schutzwürdigkeit
a)
Ausgeschlossen
ist
Vertrauensschutz
bei
Kenntnis
oder
grober
Fahrlässigkeit
der
Rechtswidrigkeit
des
Bewilligungsbescheids,
§
48
Abs.
2
S.
3
Nr.
3
VwVfG.
Hier
NoXfizierungspflicht?
b)
Abwägung
nach
§
48
Abs.
2
S.
1
VwVfG
mit
der
Frage,
ob
das
öffentliche
Rücknahme‐
interesse
das
private
Vertrauensschutzinteresse
überwiegt.
Das
ist
wegen
des
EffekXvitäts‐
prinzips
(Art.
4
Abs.
3
EUV)
zu
bejahen.
Trifft
die
Kommission
auf
der
Grundlage
des
Art.
108
Abs.
2
AEUV
einen
Beschluss
über
die
Rückforderung,
so
beschränkt
sich
die
Rolle
naXonalen
Rechts
auf
die
Ausführung
dieses
Beschlusses.
Das
gilt
auch
dann,
wenn
der
Beschluss
rechtswidrig,
aber
wirksam
ist.
2.
Rücknahmefrist
nach
§
48
Abs.
4
VwVfG
Bewilligungsbescheid
ist
auch
nach
einem
möglichen
Ablauf
der
Frist
zurückzunehmen,
wenn
die
Kommission
einen
wirksamen
Beschluss
zur
Rückforderung
getroffen
hat.
Fristenregelung
bleibt
wegen
des
Vorrangs
des
Unionsrechts
unangewendet.
3.
Rechtsfolge:
Ermessen
Rechtsfolge:
Ermessen
• §
48
Abs.
1
VwVfG
Nach
§
40
VwVfG
ist
das
Ermessen
entsprechend
dem
Zweck
der
ErmächXgung
auszuüben
und
es
sind
die
gesetzlichen
Grenzen
des
Ermessens
einzuhalten.
Kontrolliert
werden
Ermessensfehler.
• Ermessensausfall?
Hier
Ermessensreduzierung
auf
Null.
Die
Annahme
des
B,
aufgrund
der
Bindung
an
den
Kommissionsbeschluss
zur
Aubebung
des
Bewilligungsbescheids
gezwungen
zu
sein,
ist
nicht
fehlerhaC,
weil
keine
andere
Entscheidung
rechtmäßig
gewesen
ist.
• Teilaubebung
von
50.000
Euro?
Auf
den
Verbrauch
der
übrigen
200.000
Euro
kann
sich
die
U‐GmbH
nicht
berufen,
da
Vertrauensschutz
zugunsten
der
U‐GmbH
die
Einhaltung
der
Verfahren
unter
Einbeziehung
der
Kommission
voraussetzt.
• Adressat
des
Beschlusses
der
Kommission
ist
zwar
der
Mitgliedstaat,
also
die
Bundes‐
republik
Deutschland.
Zur
Rückforderung
ist
jedoch
auch
diejenige
Rechtsperson
verpflichten,
die
nach
der
naXonalen
Verfassungsordnung
für
die
Umsetzung
des
Beschlusses
zuständig
ist.
Dazu
gehören
nicht
nur
die
Länder,
sondern
auch
die
Gemeinden,
also
G,
vertreten
durch
B.
Rückforderung
• ErmächXgungsgrundlage:
§
49a
Abs.
1
VwVfG
• Aubebung
des
Bewilligungsbescheids:
§
48
Abs.
1
VwVfG
• Kein
Ausschluss
der
Rückforderung
Der
Einwand
der
Entreicherung
(§
818
Abs.
3
BGB)
ist
bei
grober
Fahrlässigkeit
ausgeschlossen,
ansonsten
unionsrechtlich
eingeschränkt.
Kein
Vertrauenschutz,
weil
nach
§
49a
Abs.
2
S.
2
VwVfG
schon
Kenntnis
oder
grob
fahrlässige
Unkenntnis
der
Umstände
genügt,
die
zur
Rücknahme
geführt
haben
während
sie
bei
§
48
VwVfG
auf
die
Rechtswidrigkeit
selbst
zu
beziehen
sind,
also
eine
rechtliche
Bewertung
erfolgt
sein
muss.
• Ergebnis:
250.000
Euro
dürfen
zurückgefordert
werden.
Was
ist
der
U‐GmbH
zu
raten?
• Rechtsschutzziel
• Nich9gkeitsklage
nach
Art.
263
Abs.
4
AEUV
‐
Zuständigkeit:
EuG,
vgl.
Art.
256
AEUV
iVm
Art.
51
Satzung
EuGH
‐
Klagegegenstand:
Rechtsverbindlicher
Beschluss
der
Kommission
nach
Art.
108
Abs.
2
UAbs.
1
AEUV
‐
RichXger
Beklagter
ist
das
Unionsorgan,
das
den
angegriffenen
Rechtsakt
erlassen
hat,
also
die
Kommission
‐
Klagebefugnis
nach
Art.
263
Abs.
4
AEUV
ist
zu
bejahen,
da
die
U‐GmbH
zwar
nicht
Adressat
des
Beschlusses
der
Kommission,
aber
durch
diesen
unmi^elbar
und
individuell
betroffen
ist.
‐
Klagegrund:
NichXgkeitsgrund
der
Vertragsverletzung
‐
Frist:
2
Monate,
vgl.
Art.
263
Abs.
6
AEUV
• Anfechtungsklage
gegen
Au1ebungsbescheid?
Ist
der
Kommissionsbeschluss
bestandskräCig,
ist
eine
Inzidentkontrolle
der
Rechtmäßig‐
keit
des
Beschlusses
im
Verfahren
vor
dem
VG
ausgeschlossen.
Eine
Anfechtungsklage
mit
dem
Hinweis
auf
eine
Vorlage
zum
EuGH
nach
Art.
267
AEUV
reicht
nicht
aus.