Dokumentation

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Dokumentation
Shopping_Center_Stadt
Urbane Strategien für eine nachhaltige Entwicklung
Shopping_Center_Stadt
Urbane Strategien für eine nachhaltige Entwicklung
Inhalt
Einführung
Konsum – Freizeit – Stadt
Vorwort des Herausgebers
Shopping(-Center) ohne Ende? Oder: Kritik der
Prof. Wolfgang Christ | Bauhaus-Universität Weimar 6
reinen Vernunft | Dr. Ulrich Hatzfeld 83
Universitäten und Center-Betreiber als
Wirkkräfte und Tendenzen der Einzelhandels-
Kooperationspartner
entwicklung | Barbara Walzel 89
Rainer Molitor | AG Einkaufs- und Gewerbezentren 8
Mall, Markt & Discounter – Mit dem Handel
Die Stadt als Shopping Center?
urbane Räume schaffen | Juliane Kopperschmidt
Martin zur Nedden | Stadtbaurat der Stadt Bochum 10
Christian Moczala 100
Wettbewerb „Stadt & Center_Bochum 2010“
Theorie Stadt & Center
Die kommunale Sicht – Das Beispiel Bochum
Victor Gruen: The transformation of the American
Martin zur Nedden | Eckart Kröck 12
cityscape and landscape | Prof. Alex Wall 106
Wettbewerbsdokumentation
Centerstadt – Bausteine zu einer
Prof. Wolfgang Christ | Juliane Kopperschmidt
städtebaulichen Theorie des Shopping Centers
Barbara Walzel | Markus Weismann 22
Prof. Wolfgang Christ 114
Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit der beiden
Anhang
ausgezeichneten Projekte | Barbara Walzel 70
Die Leipziger Erklärung | The Leipzig declaration 130
Zusammenfassungen | English summaries 132
Diskussion der Ergebnisse
Bildnachweis 142
Prof. Wolfgang Christ | Dr. Ulrich Hatzfeld | Christoph
Autoren 144
Ingenhoven | Rainer Molitor | Martin zur Nedden
Barbara Walzel 74
Einführung
Vorwort des Herausgebers
Prof. Wolfgang Christ
Bauhaus-Universität
Weimar
Der Handel spielt in den städtebaulichen Visionen und stadtplanerischen Modellen des 20. Jahrhunderts keine tragende Rolle. Wohnen,
Arbeiten, Verkehr und „sich erholen in der freien Zeit“ sind z. B. in der
„Charta von Athen“ die vier Schlüssel zum Städtebau der Zukunft.
„Versorgen“ ist offensichtlich eine rein physische Notwendigkeit, die so
effektiv wie möglich im Zeitbudget des Wohnens erledigt werden soll.
Mit Handel ist da keine Stadt zu machen.
Die Vernachlässigung des Handels im Stadtdiskurs der Moderne ist
um so erstaunlicher, je näher man die Lebenswelt der Stadt vor dem
2. Weltkrieg betrachtet und zur Kenntnis nimmt, dass großflächig Läden die Straßenräume prägen, Kauf- und Warenhäuser Magneten der
Innenstädte sind, oft Passagen die Quartiere durchdringen und der
Markt frische Waren, Neuigkeiten und persönliche Kontakte liefert. Es
scheint keine Rolle zu spielen, dass die Europäische Stadt im Grunde
genommen Handelsstadt ist.
Bis heute hat sich an der Einschätzung wenig geändert, dass Stadtplaner
von keiner städtischen Funktion so wenig wissen, wie vom Handel –
und sich zugleich mit keiner der städtischen Funktionen so gut „Stadt“
bauen lässt, wie mit dem Handel.
Shopping prägt unsere Innenstädte nahezu total. Der Handel ist als
einzige der städtischen Funktionen schwergewichtig noch in der Stadt
angesiedelt. Fakt ist: die Europäische Stadt braucht den „Markt“ als
traditionelles Medium für Kommunikation, Kultur und Urbanität sowie
als Merkzeichen für lokale Identität!
Ein Strukturwandel der Einkaufswelten hat unmittelbare und tief greifende Konsequenzen für die Zukunft der Stadt, insbesondere für die
Rolle und Bedeutung der Stadtmitte.
Und das heißt aktuell: Was wird aus der City angesichts des Booms der
Shopping Center und der Existenzkrise des traditionellen Handels in
den Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen?
In den USA lösen sich die neuesten Shopping Center gänzlich von den
bekannten eindimensionalen baulich-funktionalen Merkmalen der Mall.
Sie nehmen tendenziell die bauliche Struktur und Gestalt gründerzeit-
6
licher europäischer Stadtbilder an. Straßen und Plätze, zum Himmel
offen und mit dem Kontext verwoben, gliedern das „Center“. Wohnfunktionen werden addiert, öffentliche Verkehrsmittel dem Auto zumindest gleich gestellt und die lokale Identität der Stadt entwurfsprägend
berücksichtigt. Das Shopping-Center „europäisiert“ sich: Stadt und
Center gehen eine strategische Partnerschaft ein mit dem Ziel einer
Revitalisierung von Downtown.
Die skizzierte Entwicklung hat uns ermutigt, den studentischen Ideenwettbewerb „Stadt & Center_Bochum 2010“ auszuschreiben. Initiiert
vom Verfasser und vom großen finanziellen und ideellen Engagement
der Arbeitsgemeinschaft Einkaufs- und Gewerbezentren getragen,
konnte eine Preissumme von 10.000 € ausgelobt werden, die im
Rahmen der Expo Real 2003 in München überreicht wird.
Gefragt haben wir nach modellhaften Lösungen für eine zukunftsfähige Integration von Stadt & Center in Europa. Am Beispiel des z. Z.
leerstehenden Rathaus Centers in Bochum galt es, den Standort Stadt
gegenüber der Konkurrenz auf der grünen Wiese, neuen künstlichen
Erlebniswelten, des Online-Shopping und den virtuellen Welten nachhaltig zu stärken.
Das Preisgericht unter der Leitung von Christoph Ingenhoven hat je
zwei erste und zweite Preise sowie vier lobende Erwähnungen vergeben.
Die Preisträgerarbeiten werden im vorliegenden Buch ausführlich präsentiert und von einer steckbriefartigen Vorstellung der nicht prämierten Entwürfe ergänzt, die ebenfalls studierenswerte Ideen entwickeln.
Der Entwurfsprozess war ebenso wichtig wie das Ergebnis.
Alle haben dazugelernt: die Studierenden – was unterstellt werden
darf – , aber auch die Lehrenden, die Stadtplaner, Centermanager und
externe Experten. Wir haben in einem offenen und wahrhaft interdisziplinären Dialog die Argumente der jeweils „anderen Seite“ kennen und
durchaus schätzen gelernt, auch wenn wir sie nicht immer teilten.
Investoren und „Praktiker“ wurden von Studierenden ernst genommen
und nicht wie so oft im universitären Milieu als lästige Kreativitäts-
Einführung
bremse mit ihren Anforderungen an ein funktions-, also renditefähiges
Objekt, ignoriert. Stadtplaner und Centerplaner verfolgten aufmerksam
und oft anerkennend die Argumentationslinien und gestalterischen
Ideen der Studierenden aus Karlsruhe, Wuppertal und Weimar.
Das Preisgericht war sich einig, dass durchweg alle Entwürfe Beleg für
die Notwendigkeit der Aufgabenstellung sind und eine neue Qualität
der Innenstadtentwicklung anstoßen.
Die Stadt Bochum hat in hervorragender Weise alle Phasen des Wettbewerbes unterstützt und aktiv an der Projektentwicklung partizipiert.
Das Centermanagement war ein freundlicher Gastgeber, offen für unkonventionelle Konzepte und immer im Entwurfsprozess helfend zur
Seite.
Das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen, Kultur und Sport hat
den Wettbewerb von Anfang an mitgetragen. Die Pilotfunktion des
Landes Nordrhein-Westfalen in der Beschäftigung mit Planung und
Architektur im Beziehungsgeflecht von Stadt und Handel war eine hervorragende Ausgangsbasis für den thematischen Kontext des Wettbewerbes und dessen Ansiedlung in der Stadt Bochum. Der Erfolg des
Wettbewerbes ist auch an den zahlreichen Reaktionen in der regionalen und nationalen Presse (u. a. in der „Welt“ und „Wettbewerbe
aktuell“) abzulesen.
Ich freue mich daher sehr, dass mit der vorliegenden Publikation die
Intention des Wettbewerbes noch einmal gesteigert wird:
„Shopping_Center_Stadt – Urbane Strategien für eine nachhaltige
Entwicklung“ versammelt bislang so getrennte Welten wie Universität
und Wirtschaft, Entwurf und Praxis, theoretische Reflexion und Handlungswissen, ganzheitliche Konzepte und marktkonforme Profile und
nicht zuletzt einen generationenübergreifenden Blick auf die Zukunft
von Stadt und Handel.
Der gemeinsame Nenner der an den Wettbewerb anknüpfenden Essays
ist die Absicht, die Diskussion um die Integration von Stadt und Handel
im allgemeinen und Stadt & Center im besonderen aus der Sackgasse
der Vorurteile zu führen. Dazu werden neue Wege aufgezeichnet, wie
der Zusammenhang trotz vieler Widersprüche als impulsgebende Kraft
für urbane Strategien einer nachhaltigen Entwicklung produktiv eingesetzt werden kann.
Ein weites Spektrum an Themen wird aufgezeigt: die Rolle und Zielsetzung einer integrativen Landes- und Regionalplanung für Stadt- und
Handelsentwicklung; die Konzeption einer Stadt der kooperierenden
Zentren; der Handelsstandort Stadt im Kontext globaler Handelstrends;
der Stadtraum als Medium des Handels und der Öffentlichkeit; die geschichtlichen Zusammenhänge aktueller Konfliktlagen und schließlich
die europäischen Wurzeln des Shopping Centers im Werk und der
Person Victor Gruens.
Die abschließende Diskussionsrunde fügt eine ganze Reihe der Argumente noch einmal zusammen, deckt Widersprüche auf und deutet
neue Herausforderungen an.
Die Leserinnen und Leser werden, so ist zu hoffen, aus all den „Kulturen“ kommen, die dieses Buch als gemeinsame Plattform gestalten. Ich
wünsche mir, dass von „Bochum 2010“ ausgehend, der Funke des Interesses füreinander und die Bereitschaft zum Dialog dabei überspringt.
Mein herzlicher Dank gilt allen, die von der Formulierung der Wettbewerbsaufgabe bis zur Drucklegung des Buches engagiert mitgewirkt
haben. Insbesondere danke ich der Arbeitsgemeinschaft Einkaufs- und
Gewerbezentren, der Stadt Bochum und dem Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen, Kultur und Sport dafür, dass sie diese Publikation
möglich gemacht haben.
Weimar, September 2003
7
Universitäten und Center-Betreiber als Kooperationspartner
Rainer Molitor
Arbeitsgemeinschaft
Einkaufs- und
Gewerbezentren
Seit 1985 bemüht sich die Arbeitsgemeinschaft Einkaufs- und Gewerbezentren das Verhältnis zwischen Stadt & Center zu verbessern und all
jene, die mit der Planung und mit der Genehmigung von Centern in
Innenstädten zu tun haben, auf die Besonderheiten handelsgenutzter
Immobilien hinzuweisen. Die Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft,
die immerhin ca. 2,5 Mio. m2 Verkaufsfläche in ihrem Besitz haben,
stehen in ständigem Dialog mit Architekten, Ingenieuren, Stadtplanern,
Genehmigungsbehörden und Handelsfachverbänden, um die vermeintlich gelegentlich auseinanderdriftenden Interessen vor allen Dingen
zwischen Genehmigungsbehörden und Centerbetreibern mit höchstmöglicher Übereinstimmung zueinander zu führen, mit dem Ziel,
sowohl funktionierende Städte als auch funktionierende Center zum
Wohle der Bürger zu erhalten.
In diesem Zusammenhang spielt der ausgewählte Standort und
die damit verbundene Lage innerhalb der Innenstadt eine alles entscheidende Rolle für das Funktionieren von Stadt & Center. Hierbei gilt
immer noch: Die Stadt braucht den Handel, der Handel allerdings nicht
die Stadt, was an vielen Beispielen von Handelsbebauungen auf der
grünen Wiese zu belegen ist.
Neben den ständigen Bemühungen der Mitgliedsfirmen, die vielen
Bedingungen, die in den Jahrzehnten der Erfahrung hinsichtlich von
Shopping Centern in Innenstädten entstanden sind, interessenausgleichend zu kommunizieren, hat sich die Arbeitsgemeinschaft Einkaufsund Gewerbezentren bereits im Jahre 1998 dazu entschlossen, in
Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Universität in Weimar, hier namentlich mit Herrn Prof. Christ, vor allem im Rahmen des postgradualen
Studienganges ‚Europäische Urbanistik‘ Erfahrungen von Praktikern an
die Studierenden weiterzugeben.
Dies hat dazu geführt, dass die Bauhaus-Universität Weimar und die
Arbeitsgemeinschaft Einkaufs- und Gewerbezentren 1999 einen entsprechenden Fachkongress mit dem Titel „Stadt & Center – Ziele und
Wege für die europäische Stadt des 21. Jahrhunderts“ in Leipzig veranstaltet hat, anlässlich dessen die „Leipziger Erklärung“ verabschiedet
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wurden. 2001 gab es einen Nachfolgekongress „Stadt & Center“ in
Frankfurt, der ebenso wie der Leipziger Kongress international ausgerichtet war. An beiden Kongressen beteiligten sich neben einem erfahrenen Fachpublikum Studierende der Bauhaus-Universität Weimar und
der Universität Karlsruhe mit lebhaftem Interesse und pflegten mit den
Praktikern der Branche einen hochinteressanten Dialog über das
Thema ‚Stadt & Center‘.
2002 entstand dann die Idee – wiederum gemeinsam mit der
Bauhaus-Universität Weimar und der Universität Karlsruhe – einen
Architektenwettbewerb zu initiieren, der einerseits durch die Arbeitsgemeinschaft Einkaufs- und Gewerbezentren maßgeblich finanziert
und andererseits durch Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft nachhaltig
fachlich beraten wurde. Ich selber stand gemeinsam mit meinem Vorstandskollegen, Herrn Christian Bretthauer, sowohl als Sach- wie auch
als Fachpreisrichter im Rahmen dieses Wettbewerbes zur Verfügung.
Wie wichtig die Weitergabe von Erfahrung an junge Menschen ist,
zeigt sich auch darin, dass seitens der Stadt Bochum und der Firma
Turmspitze ein geeignetes Entwurfsobjekt zur Verfügung gestellt
wurde: das Rathaus-Center in Bochum, für das unter dem Titel „Stadt
& Center_Bochum 2010“ Ideen entwickelt wurden.
An diesem Objekt, das seit Jahren seine Funktion als Handelsimmobilie
nicht mehr befriedigend erfüllt und welches in überdeutlicher Weise
aufzeigt, wie wichtig es ist, die Gesetzmäßigkeiten, die dem innerstädtischen Center zugrunde gelegt werden müssen, einzuhalten, haben
50 Studierende der Bauhaus-Universität in Weimar, der Universität
Karlsruhe und der Gesamthochschule Wuppertal in einer Vielzahl von
hochinteressanten Ideen aufgezeigt, was an einem Standort in einer BLage noch möglich ist.
Insofern bin ich stolz darauf, in Zusammenarbeit mit Kollegen aus der
Arbeitsgemeinschaft in Gesprächen und in Workshops soviel an
Erfahrung vermittelt zu haben, dass dieses vorliegende und veröffentlichte Ergebnis möglich wurde.
Einführung
Hier erkennt man, dass neben den Ansätzen des Städtebaus und
der Architektur Funktionalität und innere Organisation von Handelsimmobilien sowie die Wegebeziehungen zu 1A-Lauflagen von überaus
wichtiger Bedeutung sind, und nur das Zusammenspiel all dieser Faktoren dem Investor ein hohes Maß an Wertbeständigkeit seiner Immobilie garantieren. In diesem Sinne werde ich mich auch in Zukunft persönlich, aber sicherlich auch mit Kollegen aus der Arbeitsgemeinschaft
Einkaufs- und Gewerbezentren, bemühen, einen Erfahrung vermittelnden Dialog mit Studierenden der Fachrichtung Architektur und Städtebau an den befreundeten Universitäten zu führen.
Ich wünsche mir, dass in Zukunft junge Planer bei ihrem Einstieg
ins Berufsleben die Grundvoraussetzungen für die Planungsarbeit an
Handelsimmobilien bereits an den Hochschulen vermittelt bekommen
haben. In diesem Sinne gratuliere ich ganz besonders den Preisträgern
und bedanke mich bei allen Studierenden, die sich an diesem Wettbewerb beteiligt und sich mutig der Herausforderung der Auslober
gestellt haben.
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Die Stadt als Shopping Center?
Die Stadt als Shopping Center? Zweifellos werden viele Shopping
Center, unabhängig ob an integrierten Standorten oder ‚auf der Grünen Wiese’ als erfolgreich eingestuft. Bei Bewertung mit dem ökonomischen Kriterium ‚Geschäftlicher Erfolg’ sind sie dies sicher auch zur
Zeit. Dagegen erleben die traditionellen, gewachsenen Zentren, die
Innenstadt und die Nebenzentren, offenkundig in vielen Städten eine
schwierige Entwicklungsphase. Sie sind in Gefahr, ihre Funktion für die
Europäische Stadt, multifunktioneller Kristallisationspunkt städtischen
Lebens zu sein, zu verlieren bzw. nur noch eingeschränkt wahrnehmen
zu können.
Martin zur Nedden
Stadtbaurat der Stadt
Bochum
Innerstädtische Strukturen sind im Laufe der Geschichte immer Veränderungen unterworfen gewesen. Die Agora Athens und das Forum
Romanum unterscheiden sich untereinander und erst recht von der
Stadtmitte der Renaissance oder der Innenstadt der Gründerzeit. Zu
den Veränderungen gehört auch eine Gewichtsverschiebung unter den
Innenstadtfunktionen. Der Einzelhandel ist sicher unverzichtbares Element, doch scheint es nicht ausgeschlossen, dass andere, früher stärker vertretene Funktionen wie z. B. das den heutigen Bedürfnissen
angepasste Wohnen, wieder an Bedeutung für eine lebendige
Innenstadt gewinnen.
Allerdings haben sich Geschwindigkeit und Wucht der Veränderung
und die Komplexität der beeinflussenden Rahmenbedingungen gerade
in den letzten 20 Jahren erheblich erhöht. Die Notwendigkeit einer
immer rascheren Anpassung stößt an Grenzen. Die gebauten Strukturen zu verändern erfordert in der Regel u. a. hohen Kapitaleinsatz und
ist damit genau so schwierig wie die Veränderung von Denkstrukturen
der Innenstadtakteure, seien es nun Immobilieneigentümer, Einzelhändler, Politiker oder Stadtverwaltung, die sich über Jahrzehnte des
Wachstums ausgebildet haben.
Aber ist das „Shopping_Center_Stadt“ das Rezept zur Bewältigung des
Problems? Unter der Prämisse, dass Stadt generell und Haupt- und
Nebenzentren insbesondere weiterhin Orte möglichst vieler Aktivitäten
wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeit sein sollen, mit einem mög-
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lichst breit, und damit auch von einem vielschichtigen Spektrum von
Bürgern nutzbaren Raum, sicher nur partiell. Insbesondere Management von Kooperation und Marketing ist z. B. sicher ein Thema, bei
dem die (Innen-)Stadt vom Shopping Center lernen kann.
Darüber hinaus kann das städtebauliche Strukturen respektierende
Shopping Center in der Stadt sicher einen wichtigen Beitrag für eine
vitale Innenstadt leisten.
Infolgedessen ist aus Sicht der Stadt Bochum besonders zu begrüßen,
dass die Weiterentwicklung des „Rathaus-Centers“, eines in den 70erJahren entstandenen Einzelhandels- und Bürokomplexes im Westen der
Innenstadt, Thema des Wettbewerbes „Stadt & Center_Bochum 2010“
war. Die derzeitigen Probleme des Centers sind exemplarisch zum
einen für die Schnelllebigkeit von Einzelhandelskonzeptionen und zum
anderen für die Bedeutung eines solchen Centers für sein Umfeld.
Die Ergebnisse des Wettbewerbes mit ihrer Bandbreite von Vorschlägen für die Umstrukturierung von eher maßvollen Eingriffen in die
Gebäudesubstanz bis hin zu ihrer fast vollständigen Infragestellung
werden die weitere Diskussion bereichern. Sie geben aber auch Anlass
zu einer erneuten Überprüfung des Standortes im Hinblick auf seine
Eignung für einzelne Nutzungen, z. B. für den Einzelhandel.
Allen Beteiligten gilt es zu danken. Vor allem der Arbeitsgemeinschaft
Einkaufs- und Gewerbezentren und dem Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen, Kultur und Sport, ohne deren finanzielle und ideelle Unterstützung der Wettbewerb nicht möglich gewesen wäre, den
Studierenden, dass sie Mühe und Risiko eines Wettbewerbes nicht
gescheut haben, den Betreuern, insbesondere Prof. Wolfgang Christ
mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, dass sie die zusätzliche Arbeit
auf sich genommen haben und schließlich dem Center-Management
des „Rathaus-Centers“ für seine vielfältige Hilfestellung.
Konsum – Freizeit – Stadt
Shopping(-Center) ohne Ende? Oder: Kritik der reinen Vernunft
Die schlichte Annahme, dass es in unserer Gesellschaft immer nur ums
Gewinnen geht, trifft in dieser reinen Form sicher nicht zu. Die Menschen interessieren sich mindestens ebenso für Niederlagen, wenn sie
nur groß genug sind. Jeder kennt die Geschichten vom „großen Versagen“, von Ikarus, vom Schneider von Ulm, von Hannibal, vom dritten
Tor in England ... .
Sucht man nach den „grandiosen Niederlagen“ der Stadtplanung,
muss man sich nur in das Umfeld einer beliebigen größeren Stadt begeben. In den Gewerbegebieten und an den Ausfallstraßen finden sie
sich in großer Zahl: Verbrauchermärkte, Fachmärkte, Einkaufszentren, ...
– mal so nicht gewollt, fast immer eine einmalige Ausnahme, mal
lediglich eine Reaktion auf die aggressive Ansiedlungspraxis der Nachbargemeinde. Vielleicht mit Ausnahme des Einfamilienhauses weist
kaum ein anderer städtischer Einrichtungstyp ein derartig unglückliches Verhältnis zwischen Theorie und Praxis auf.
• So ist die Zahl der Veröffentlichung und kulturkritisch ambitionierten
Arbeiten, die sich gegen den „Wildwuchs“ dieser „Verkaufsmaschinen“ richten und die die dadurch bewirkte „Krise der Innenstädte“
beklagen, inzwischen auch für Spezialisten und Seminaristen kaum
noch zu überblicken. Von „simulierten Welten ohne Widersprüche“
ist die Rede, vom „Diktat des schönen Scheins“ und von „geschichtslosen, antiurbanen Inszenierungen“. Mit Verwunderung stellt man
fest, in welchem Maße diese doch so bewusst emotionslos konzipierten Handelsgroßformen Emotionen hervorrufen.
• Vollkommen unbeeindruckt von diesen zum Teil scharfsinnigen
theoretischen Diskussionen hat sich auf der anderen Seite die
schlichte Praxis der Projektentwickler, Investmentgesellschaften und
Marketingexperten durchgesetzt. Inzwischen wurden – so das EuroHandelsInstitut in Köln – allein bei der Vertriebsform Shopping
Center in der Bundesrepublik mehr als 10 Millionen Quadratmeter
Verkaufsfläche geschaffen. Hinzu kommen SB-Warenhäuser und
Verbrauchermärkte, Möbelhäuser und Baumärkte, Elektro- und
Technikmärkte, ... – und alle mit beeindruckenden Expansionsraten.
Nun gibt es – bezogen auf den anhaltenden Erfolg dieser Handelsgroßformen und deren städtebauliche Implikationen – keinen Mangel
an wissenschaftlichen Diagnosen, rechtlichen Steuerungsinstrumenten
und moralischen Appellen. Alle waren und sind hilfreich. Aber auch in
ihrem Zusammenwirken haben sich die Vorkehrungen und Erkenntnisse letztlich nicht gegen die Logik der Investitionsrechnungen und
des schnellen politischen Ansiedlungserfolges durchsetzen können. Der
französische Staatspräsident Jacques Chirac soll im Hinblick auf die
großen Hypermarchés in Frankreich die Behauptung aufgestellt haben,
die Genehmigungen für derartige Einrichtungen seien zur Hälfte ein
Ergebnis von Bestechung und zur anderen Hälfte von Erpressung. Ein
anderer hat die gegenwärtige Situation mit den Worten gekennzeichnet: „Die Praxis ist schlecht – aber wir bewegen uns weiter auf hohem
akademischen Niveau“.
Das Land Nordrhein-Westfalen macht im Hinblick auf die Expansionsgeschwindigkeit des großflächigen Handels keine Ausnahme. Der
Ballungsraum Rhein-Ruhr nahm in verschiedener Hinsicht sogar eine
Vorreiterrolle ein: wegen der hohen Bevölkerungsdichte und der hervorragenden Mobilitätsvoraussetzungen fungierte er als ein Testmarkt
für „risikobehaftete“ Betriebsformeninnovationen des Einzelhandels.
Verstärkend kam hinzu, dass sich dieser Raum neueren Entwicklungen
gegenüber traditionell offen zeigt bzw. ein eingeübtes Denken in „großen Lösungen“ kennt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich im
Ruhrgebiet mit die ersten Handelsgroßformen in der Bundesrepublik
finden: der Ruhrpark in Bochum, das RheinRuhrZentrum in Mülheim
und der Indu-Park in Dortmund: Masseneinrichtungen für Massenmärkte, meistens an Autobahnen gelegen und möglichst originalgetreu
den angloamerikanischen Vorbildern nachgebildet. Im Grunde genommen hat Nordrhein-Westfalen seine diesbezügliche Vorreiterrolle nie
aufgegeben – man denke etwa an die „Neue Mitte Oberhausen“
(CentrO), den Umbau des Kölner Hauptbahnhofs oder die aktuellen
Planungen an den Bahnhöfen des Ballungsraums (z. B. 3DO in Dortmund, Multi Casa in Duisburg).
1, 2 CentrO Oberhausen
2
83
Auch nach inzwischen mehr als 30 Jahren (vorwiegend negativen)
Erfahrungen mit Handelsgroßformen setzt sich die argumentative (respektive interessensbezogene) Widersprüchlichkeit fort. Fachpolitisch
dominiert unverändert eine ablehnende Haltung gegenüber den
Handelsgroßformen, wenn auch mit zunehmend fatalistischen Einfärbungen. Dem gegenüber hat die einzelwirtschaftliche Attraktivität
offenbar wenig nachgelassen (noch immer kursiert die Einschätzung:
„Genehmigung zum Gelddrucken“). Empirisch betrachtet nimmt der
Ansiedlungsdruck kaum ab; der Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen spricht davon, dass es allein im Ruhrgebiet Nachfrage nach rund
700.000 m2 zusätzlicher Verkaufsfläche in großflächigen Handelsbetrieben gibt.
Der folgende Beitrag bezieht sich auf eine Sonderform des großflächigen Einzelhandels, die zurzeit so etwas wie eine Renaissance
erlebt: die innerstädtischen Einkaufszentren1. Bedingt vor allem dadurch, dass die Innenstadt-Center zweifellos über stärkere stadtbildende Kräfte verfügen als die standörtlich peripheren Handelsgroßanlagen,
aber auch dadurch, dass die Shopping Center der jüngsten Generation
bewusst mehr Beziehungen zum öffentlichen Raum aufnehmen, hat
sich die planungstheoretische und -praktische Bewertung dieser Betriebsformen in den letzten Jahren deutlich gewandelt 2. Für viele Bürgermeister erscheinen die Innenstadt-Center inzwischen sogar als
letzte Chance, um die ökonomische Basis der Stadtkerne zu retten.
Gleichwohl wächst – wohl auch im Zusammenhang mit der allgemeinen Konsumkrise – die Kritik an den Stadtkern-Centern. Sie seien häufig viel zu groß, hätten nur in Ausnahmefällen den richtigen Mikrostandort, bildeten zu wenig eigenen Charakter heraus und wendeten
sich von der Stadt ab. Schließlich werden sie auch immer häufiger als
Ursache für die Betriebsaufgabe des an den Fußgängerzonen benachbarten nicht-filialisierten Handels gesehen. Brauchen wir andere Innenstadt-Center? Weniger? Oder soll in Zukunft alles anders bleiben?
3 Shopping Center in NRW, Stand 2003
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Konsum – Freizeit – Stadt
Flächen über Flächen
Die (Erfolgs-)Geschichte der Shopping Center in Nordrhein-Westfalen
verlief – wie in der gesamten Bundesrepublik – weitgehend widerspruchsfrei und ist deshalb schnell erzählt. Inzwischen wurde ein beeindruckendes Ausstattungsniveau erreicht. Von den zurzeit 76 in
Nordrhein-Westfalen betriebenen Shopping Centern verfügen 17 über
eine Geschäftsfläche von mehr als 30.000 m2.
Im Zuge des Diffusionsprozesses haben sich die Ansiedlungsmerkmale
dieser Handelsgroßformen verändert. Zum einen betrifft dies die Standortwahl: nach einer deutlichen Präferierung peripherer Standorte (z. B.
Ruhrpark und Indu-Park zwischen Dortmund und Bochum, RheinRuhrZentrum zwischen Essen und Mülheim) verschieben sich die Ansiedlungswünsche mehr und mehr auf innerstädtische bzw. innenstadtnahe Standorte. Ferner nehmen die durchschnittlichen Verkaufsflächengrößen – vermutlich im Zusammenhang mit dem zuvor genannten
Trend – ab.
Wie sieht die Zukunft der Shopping Center in Nordrhein-Westfalen
aus? Glaubt man den Ankündigungen von Investoren, zeichnet sich für
die genannten Handelsgroßformen – ungeachtet der für den Einzelhandel zur Zeit extrem negativen Rahmenbedingungen – eine beeindruckende Expansion ab.
• Am Bahnhof in Duisburg soll bereits seit einigen Jahren das Multi
Casa Projekt realisiert werden. Für das Projekt, für das Verkaufsflächengrößen von 50.000 bis zu 100.000 m2 angegeben werden,
haben die potentiellen Investoren und Betreiber bereits mehrfach
gewechselt.
• Dasselbe gilt für das so genannte 3DO-Projekt am Dortmunder
Hauptbahnhof (geplant zur Zeit rund 36.000 m2 Verkaufsfläche).
• Im Düsseldorfer Stadtteil Bilk soll ein Einkaufszentrum mit 27.000 m2
Verkaufsfläche entstehen.
• Am Bahnhof der Stadt Soest sollen in einem Einkaufszentrum rund
24.000 m2 Verkaufsfläche realisiert werden. Die Innenstadt von Soest
verfügt gegenwärtig über rund 36.000 m2 Handelsverkaufsfläche.
• Am Berliner Platz in Essen wird zur Zeit ein neues Center mit
27.000 m2 projektiert.
• In Düren diskutiert man aktuell ein Vorhaben mit rund 15.000 m2, in
Aachen mit 20.000 m2, in Münster mit 22.000 m2 und in Bonn mit
15.000 m2.
4–6 RheinRuhr-Zentrum
Jedem, der diese Entwicklung schon etwas länger beobachtet, ist
bewusst, dass diese und weitere Projekte mit Sicherheit nicht alle –
oder nicht in der heute diskutierten Form – umgesetzt werden. Aber
jeder weiß auch, was es bedeutet, wenn solche Vorhaben in einer
Stadt diskutiert werden.
Steuern oder stützen?
Die eigentliche städtebauliche und einzelhandelsstrukturelle Relevanz
der Entwicklungsdynamik von Shopping Centern in Nordrhein-Westfalen wird erst dann erkennbar, wenn man sie in den Gesamtzusammenhang der Einzelhandelsentwicklung stellt. Stichworte sind dann
Unternehmenskonzentration, Ökonomisierung aller Handelsfunktionen
und ein genereller Maßstabssprung, der sich vor allem in der Herausbildung von Handelsgroßformen manifestiert. Hinzu kommt eine anhaltende Tendenz zur Suburbanisierung von Handelsstandorten. Vereinfachend betrachtet wurde im Einzelhandel der kleine Betrieb durch
den großen, Vielfalt durch Standard und der städtische durch den
regionalen Standort ersetzt.
In Nordrhein-Westfalen gibt es zur Zeit – neben den genannten
Einkaufszentren und Shopping Centern – rund 1.400 SB-Warenhäuser
und Verbrauchermärkte und geschätzt jeweils knapp 600 Bau- und
Möbelmärkte; hinzu kommen mehr als 1.600 Discountmärkte. Parallel
dazu ist in den letzen Jahren eine ausgesprochen schnelle Entwicklung
von kommerziellen Freizeitgroßprojekten zu verzeichnen.
5
6
85
In diesen Großeinrichtungen bzw. standörtlichen Agglomerationen
wachsen Handel und Freizeit unter Bedingungen hoher Rentierlichkeit
zusammen. Gleichzeitig ergibt sich in den „Ansiedlungsclustern“ der
Handels- und Freizeitanlagen eine Kumulation der städtebaulichen
Auswirkungen.
Die Beantwortung der Frage, wie die Reaktion der (öffentlichen)
Stadtplanung auf diese Entwicklung aussehen sollte, erfolgt gewöhnlich auf zwei Ebenen. Allgemeinpolitisch ist die bestehende Regelungsdichte in der räumlichen Einzelhandelsplanung für viele bereits ein ordnungspolitischer Missstand. In der konkreten Planungspraxis dagegen
wünschen sich mindestens genauso viele Beteiligte eine Ausweitung
der Steuerungsinstrumente, vor allem im Hinblick auf die interkommunale Abstimmung bei der Planung und Genehmigung großflächiger
Handelsbetriebe.
Insgesamt betrachtet besteht jedoch seit vielen Jahren Konsens auch
mit der Wirtschaft, dass es im Interesse von Planungs- und Investitionssicherheit einerseits und einer gesamtwirtschaftlich vernünftigen Innenstadtentwicklung andererseits sinnvoll ist, für die großen Handelsbetriebe Planungsziele festzulegen und durchzusetzen. Die Entwicklung
in vielen ostdeutschen Regionen hat letztlich allen deutlich gemacht,
mit welchen Konsequenzen eine zu weitgehende Deregulierung in diesem Bereich führen kann.
7 Freizeitgroßeinrichtungen in NRW, Stand 2002
86
Konsum – Freizeit – Stadt
What’s on?
Wenn man über die Zukunft von Shopping Centern bzw. Einkaufszentren nachdenkt, fällt es zugegebenermaßen nicht leicht, am „Ende“
eines widersprüchlichen und im Regelfall negativ bewerteten Prozesses
positiv-optimistische Handlungsperspektiven zu formulieren. Gleichwohl bleibt die Thematik – das zeigen die Entwicklungen in NordrheinWestfalen – auf der Agenda. Und gleichwohl gehört es zu den Grundprinzipien planerischen Handelns, vor problematischen Entwicklungen
nicht zu kapitulieren, sondern sie – im Hinblick auf eine realistische
Steuerung – zunächst zu akzeptieren.
Mit zu den wichtigen Feststellungen in diesem Zusammenhang muss
gehören, dass Strategien gefunden werden, um die weitere Expansion
großflächiger Handelsbetriebe – und damit auch das Shopping Center
– zumindest per Saldo zu begrenzen. Angesichts von Leerstandsraten
in Haupt- und vor allen Nebenzentren der Ruhrgebietsgroßstädte zwischen 10 und 25% ist es kaum nachzuvollziehen, wenn weitere Flächenexpansionen in relevantem Umfang zugelassen werden.
Fußgängerzonen sind nicht ohne weiteres auf die halbe Länge zu reduzieren. Leerstand ehemaliger Geschäftslagen bedeutet auch für die
Privatwirtschaft eine massive Entwertung vorangegangener Investitionen in Gebäude und Konzepte – ganz abgesehen von den dabei entstehenden sozialen Problemen.
Außerdem werden die jetzt noch „treibenden Kräfte“ – wie etwa die
Bevölkerungs- bzw. Nachfrageentwicklung oder der Anteil der einzelhandelsrelevanten Ausgaben an den gesamten Konsumausgaben –
zukünftig eher dämpfend wirken. Insofern ist es sehr erfreulich und
notwendig zugleich, dass in Nordrhein-Westfalen zurzeit an neun
überregionalen Einzelhandelskonzepten gearbeitet wird – auch mit
dem Ziel, der Entstehung großer Einzelhandelsbrachen vorzubeugen.
Bei allen diesen Konzepten wurde sehr schnell deutlich, dass es in
Zukunft nicht um die Verteilung neuer Flächen, sondern vielerorts um
Rückbau bzw. Qualifizierung von Einzelhandelsflächen gehen muss. Ein
solcher Rückbau von Flächen wird nur in regionaler Kooperation möglich sein.
Neben diesen eher quantitativ orientierten Begrenzungen müssen die
Shopping Center in Zukunft auch städtebaulich weiter qualifiziert werden. Dabei helfen ideologiebetonte Diskussionen im Sinne des Schlagwortes „Privatisierung des öffentlichen Raums“ zunächst kaum weiter
– sie haben in der Vergangenheit zumindest kaum etwas verändert.
Eine Strategie könnte sein, die Themen „Öffentlichkeit“ und „öffentlicher Raum“ „als Ganzes“ und primär aus der Perspektive von
Stadtbewohnern und -benutzern zu sehen. In einem solchen Zusammenhang werden die „neuen Einkaufszentren“ ihre Rolle neu definieren müssen: als Bestandteil eines vom Nutzer ganzheitlich wahrgenommenen Netzes des öffentlichen Raums.
Qualität bedeutet allerdings auch, dass sich Projektentwickler und
Investoren mehr als bisher üblich den spezifischen Begabungen und
Bindungen des jeweiligen Standortes zuwenden müssen. Gerade bei
Großeinrichtungen mit ihren dominanten städtebaulichen Auswirkungen ist es nicht hinnehmbar, dass Standardkonzepte und Standardgrößen wie ein Stempel auf jeden Standort gedrückt werden.
Ohnehin werden für neue Projekte im Bereich der Shopping Center nur
noch „exzellente Standorte“ in Frage kommen. Nur an diesen Standorten ist gesichert, dass es – in langfristiger Perspektive – auch zu
einer Wiedernutzung von Gebäuden bzw. Standorten kommt. Das
Ruhrgebiet kennt das Problem von Nutzungsbrachen zur Genüge.
Besonderer Aufmerksamkeit bedarf in Zukunft die Dimensionierung
von innerstädtischen Shopping Centern. Auch wenn es erfreulich ist,
dass innenstadtnahe Brachflächen durch neue Handelsgroßbetriebe in
Wert gesetzt werden, darf es zu keiner Überformung der bestehenden
städtebaulichen bzw. Nutzungsstrukturen durch zu groß dimensionierte
Einzelhandelsflächen kommen. Es gibt inzwischen genügend Beispiele
dafür, dass es in Folge einer nicht angepassten Dimensionierung eines
Shopping Centers zu massiven Entwertungen öffentlicher und privater
Investitionen kommt. Dem Erfolg der Wirtschaftsförderung folgt dann
nur allzu häufig das Gutachten, das sich mit dem Management von
gewerblichen Leerständen am „anderen Ende der Fußgängerzone“
befasst.
8, 9 Allee-Center, Remscheid
9
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Mit zu den wichtigsten Zukunftsforderungen gehört die nach transparenteren Verfahren der Planung und Entwicklung großflächiger Handelsbetriebe. Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit dem
Ansiedlungsprozess solcher Großeinrichtungen zur Vermutung, dass es
frühzeitige Absprachen zwischen politischen Entscheidungsträgern und
Investorengruppen gegeben hat. Verträglichkeitsgutachten, die durch
die jeweils begünstigten Investoren bzw. Projektentwickler in Auftrag
gegeben und finanziert werden, sind im Sinne einer objektiven Beurteilung nicht besonders vertrauenserweckend. Auch im Hinblick auf die
Bürgerbeteiligung wird häufig vereinfachend – und zu Unrecht – davon
ausgegangen, dass die Bürger jegliche Ausdehnung von Verkaufsflächen positiv bewerten. Inzwischen gibt es erste Bürgerbegehren
gegen die Ansiedlung neuer Großbetriebe.
Um nicht falsch verstanden zu werden: innerstädtische Shopping
Center sind für viele Städte eine hervorragende Chance, eine urbane
und zentrenorientierte Stadtentwicklungspolitik auch ökonomisch zu
unterstützen. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Städte im Umgang
mit dem Potenzial, das große Handelsbetriebe für die Stadtbildung
haben, der Begrenztheit dieses Potentials bewusst sind. Das, was sich
gestern noch als die „reine ökonomische Vernunft“ ausgab (Schaffung
von Arbeitsplätzen, Bindung abfließender Kaufkraft), erweist sich heute
vielerorts als „zu kurz“ gedacht.
Dr. Ulrich Hatzfeld | Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur
und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen
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Anmerkungen
1 An dieser Stelle kann und soll es nicht um eine exakte terminologische bzw. funktionale Bestimmung des Begriffs des Einkaufszentrums gehen (vgl. zum Beispiel: Hatzfeld,
Ulrich: „Malls und Megamalls – Globale Investitionsstrategien und lokale Verträglichkeit“, in: Hennings, Gerd; Müller, Sebastian (Hrsg.): „Kunstwelten. Künstliche Erlebniswelten und Planung.“ Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 85. Dortmund 1998,
S. 32–50.
2 Vgl. dazu auch: Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und
Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): „Innerstädtische Einkaufszentren. Anforderungen und Integration“ (Autoren: Junker; Rolf, Kühn, Gerd) Düsseldorf 1999.
Wirkkräfte und Tendenzen der Einzelhandelsentwicklung
Rückkehr zum Ort des Handels und des Geschehens
Tausch, Handel und der Marktplatz als zentraler Handelsort sind so alt
wie die Menschheit selbst. Schon früh erkannten Verkäufer und Käufer
die Vorteile, die ein vor Wind und Wetter geschützter Handelsort bot.
So entstanden schon früh die ersten Räume und Konzepte für den Handel. Überdachungen, Arkaden, allerdings auch Frei-Haus-Lieferungen,
sind bereits seit der Antike bekannt. Architektonisch eindrucksvolle
Zeugen sind historische Arkadengänge wie die in Bologna und die
Galerien aus dem 19. Jahrhundert.
Heute gibt es in Deutschland etwa 270 Shopping Center mit einer
Gesamtfläche von mehr als 8 Mio. m2. Hinzu kommt eine Vielzahl kleiner Galerien und Passagen und – nicht zu vergessen – die zahllosen
Innenstädte, die um eine neue Identität, um attraktive Gestaltung und
Belebung kämpfen. Zusätzlich existiert eine große Anzahl von Industriebauten und Brachflächen, die – zentral in den Städten gelegen –
auf neue Nutzungen warten. Gleichzeitig ist der traditionelle Handel in
den Innenstädten mehr denn je gefordert, seine Angebote den geänderten Bedürfnissen der Kunden anzupassen, um nicht von neuen
Vertriebswegen wie Internet und Factory Outlet Center verdrängt zu
werden.
Der zentrale geschützte Handelsort scheint an Attraktivität für
eine zunehmend gesättigte Gesellschaft zu verlieren. Auch bei eBay
wird wieder getauscht und auch gehandelt, aber die traditionelle Main
Street kann Leerstände kaum noch verbergen. Bei Fortdauer der gesamtwirtschaftlichen Situation sind auch 1A-Lagen ohne neue Konzepte im Wettbewerb um den Kunden gefährdet. Rückbau und Aufbau
sind gleichermaßen gefragt, wenn dem Konsumenten der Zukunft wieder Anreize für mehr Spaß am Handeln vermittelt werden sollen.
Die klassischen P’s sind auch im Handel die Stellschrauben für den
Erfolg. Price, Product, Place und Promotion geben die Themen für die
Strategien und Entwicklungen vor:
• Preisaggressive Konzepte wie die der Discounter zählen im Moment
zu den Gewinnern.
• Ausgeprägte Branding-Strategien lassen eine überschaubare Anzahl
bekannter Marken und Produkte im Gedächtnis des Konsumenten
zurück.
• Ganzheitliche Projektentwicklung berücksichtigt in stärkerem Maße
die städtebauliche, architektonische und dekorative Komponente
eines Handelsortes.
• Multi-mediale Kommunikation wird künftig neben den Produkten
noch stärker auch die Orte des Handels bewerben.
Stellt man nun die Grundsatzfrage, die sich mit dem Ideenwettbewerb
„Stadt & Center_Bochum 2010“ in Bochum verbindet: „Was wird aus
der City angesichts des Booms der Einkaufszentren und der Existenzkrise des traditionellen Handels in den Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen?“ – so müssen Wirkkräfte und Tendenzen der Einzelhandelsentwicklung im nationalen Umfeld betrachtet werden. Darüber hinaus
ist auch die grundsätzliche Übertragbarkeit neuer Konzepte und Planungen aus dem internationalen Umfeld zu berücksichtigen.
Wie sehen also die aktuellen Trends im Einzelhandel aus? Welche
Standorte werden erfolgreich entwickelt? Mit welchen Konzepten reagieren Planer auf die Trends der Zukunft? Welchen Stellenwert hat das
Shopping Center für die Entwicklung einer Innenstadt?
Trends im deutschen Einzelhandel
Gegenüber dem Jahr 2002 sind die Einzelhandelsmieten in Deutschland um 2% gesunken; ähnliche Zahlen werden für das Jahr 2003 prognostiziert. Im 10-Jahres-Vergleich ergibt sich für den Westen ein Minus von 7,7%; für den Osten Deutschlands seit 1993 sogar ein Minus
von 24,1%. Mit diesen Zahlen zeichnete das Maklerhaus Kemper’s vor
kurzem ein realistisches Bild des Einzelhandels in Deutschland.
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Nachdem im Jahr 2002 die Umsätze um nominal 3,5% zurückgingen,
sagt der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) für 2003
wieder ein Minus von ca. 1,5% voraus. Das Gesamtumsatzvolumen für
den Einzelhandel läge damit bei rund 360 Mrd. €.
Obwohl seit vielen Jahren darüber diskutiert wird, dass das weiterhin
zunehmende Flächenwachstum im Einzelhandel die Umverteilung der
Umsätze beschleunigt, werden besonders in Mittelstädten weiterhin
Shopping Center geplant und gebaut. Für das Jahr 2003 sagt der HDE
ein Plus von 1% Wachstum für die Verkaufsflächen des Einzelhandels
voraus, die dann etwa 111 Mio. m2 betragen.
Je größer die Stadt, desto weniger konjunkturanfällig die Ladenmieten,
so lautet eines der Fazits der Analyse von Kemper’s. Dies bedeutet,
dass die 1A-Lagen verhältnismäßig wenig in Mitleidenschaft gezogen
werden, gleichzeitig die B-Lagen aber kaum noch nachhaltig zu vermieten sind.
Die Lage des Einzelhandels in Deutschland und seine künftige Entwicklung ist verknüpft mit einer Anzahl gesellschaftlicher Trends, die zunehmend auch in das Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten.
• Die Weltbevölkerung wird weiter ansteigen.
• Die Gesellschaften der Industrieländer werden zunehmend überaltern; hier stagniert das Bevölkerungswachstum oder ist rückläufig.
• Die Kaufkraft in den Industrieländer verschiebt sich mehr und mehr
in die Generation der 55+-jährigen.
• Immer mehr Menschen steht immer weniger frei verfügbares Einkommen zur Verfügung. Gleichzeitig haben die Menschen mehr freie Zeit.
• Die Selbstbeteiligung an der sozialen Absicherung des Einzelnen und
der Familie wird zunehmen.
• Technischer Fortschritt und Globalisierung werden zu einem dauerhaften Anstieg der Arbeitslosigkeit in den entwickelten Ländern
führen.
• Multimedia-Kommunikation und die verstärkte Nutzung von Internet
werden die physische Präsenz des Einzelnen an einem Standort verringern.
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Besonders die Entwicklungen in der Kommunikation haben bereits ihre
Auswirkungen auf die Arbeitswelt gezeigt. So führte der Einsatz von
Sprach- und Stimmerkennung zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen für
Übersetzungs- und Sekretariatshilfen. Schrifterkennungstechniken können
handgeschriebene chinesische Schriftzeichen lesen und berührungssensitive Flachbildschirme ersetzen demnächst unsere Schreibtischoberflächen. Ein „neuer Markt“ kannibalisiert herkömmliche Ressourcen
und Strukturen. Innovationen ersetzen häufig Märkte oder Teilmärkte –
so auch im Handel. Neue Vertriebswege führen nicht automatisch auch
zu mehr Konsum.
Der deutsche Einzelhandelsimmobilienmarkt besteht aus zahlreichen
Teil- und Regionalmärkten. So ist in vielen westdeutschen B-Lagen ein
Leerstand von 20 bis 30% zu verzeichnen. In den östlichen Bundesländern wird diese Zahl noch übertroffen. Zwar sind die 1A-Lagen der
deutschen Mittel- und Großstädte noch gut vermietet, aber auch hier
steigt der Anteil der Leerstände. Untervermietungen sind auch hier
nicht selten zu beobachten.
Die schwache Konjunktur und das sinkende verfügbare Einkommen der
Verbraucher führen zu sinkenden Gesamtumsätzen im Einzelhandel.
Hiervon ausgenommen sind zunächst noch die Discounter.
Hinzu kommen strukturelle Aspekte. Der deutsche Einzelhandel ist
geprägt durch ein langsames Aussterben gerade der mittelständischen
Einzelhandelsunternehmen. Filialisten haben die traditionellen Handelsnamen aus den Einkaufsstraßen deutscher Städte verdrängt. So beträgt
der Filialisierungsgrad nach Aussagen von Kemper’s in der 1A-Lage
der Düsseldorfer City 75,6%, in Leipzig liegt er bei knapp 88%. Internationale Filialisten wie Benetton, Habitat, H & M und Mango sichern
sich in den Innenstädten die begehrten 1A-Lagen.
Hierfür gibt es gute Gründe: Zum einen sind Filialisten zumeist leistungsstarke Einzelhändler mit Zugang zu Größenvorteilen unter anderem
bei Einkaufspreisen, Logistik und Management. Erfolgreiche Mittel-
Konsum – Freizeit – Stadt
ständler mit guten Konzepten werden daher schnell selbst zu Filialisten. Denn eine Achillessehne des mittelständischen Einzelhandels ist
die Nachfolgeregelung.
Auch im europäischen Vergleich ist der deutsche Einzelhandel durch
stagnierende Umsätze und extrem niedrige Gewinnmargen geprägt. So
hat der deutsche Lebensmitteleinzelhandel nur etwa eine halb so hohe
Umsatzrentabilität wie Vergleichsunternehmen in Großbritannien und
Frankreich. Die Gründe sind offensichtlich:
• Schwache Nachfrage
Der Anteil der Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel, Bekleidung
und Schuhe sowie Möbel und Hausgeräte am privaten Verbrauch ist
seit 1970 von über 45 auf nur noch gut 30% gesunken. Im Einzelhandel geben die Deutschen pro Kopf und Jahr durchschnittlich 4.800 €
aus, während es in Großbritannien und Frankreich etwa 5.500 € sind.
• Übermäßige Expansion
Statistisch gesehen kommen auf 10.000 Deutsche fast 13.000 m2 Einzelhandelsfläche. In Großbritannien liegt dieser Wert bei etwa 8.500 m2
und in Frankreich bei 9.500 m2. Am eklatantesten ist das Problem im
LEH, wo in Deutschland fast 50% mehr Fläche zur Verfügung stehen
als in diesen beiden Ländern.
• Niedrige Flächenleistungen
Die Flächenproduktivität liegt weit unter dem Durchschnitt (so zum
Beispiel im LEH 30 bis 40% unter der Flächenleistung Großbritanniens
oder Frankreichs). Die schwache Flächenleistung ist ein Hauptgrund für
die niedrigen Gewinnspannen im deutschen Einzelhandel, denn die
Kosten pro m2 lassen sich so nur schwer decken.
• Teures Personal
Bei gleichen Personalzielkosten kann – bedingt durch die bessere
Flächenleistung – ein britischer oder französischer LEH-Filialist zweimal
so viel Personal auf derselben Fläche einsetzen wie ein deutscher
Händler.
• Eigentümerstrukturen
Eigentümer- und Managementstrukturen entziehen sich noch immer
dem Kapitalmarkt. Von den Top-20-Händlern sind in Deutschland nur
sechs an der Börse notiert oder Teil eines börsenorientierten Unternehmens. In Großbritannien hingegen sind 14 von den Top-20-Unternehmen börsennotiert.
König Kunde zwischen Discounter und Urban
Entertainment Center
Die genannten Zahlen und die beschriebenen Trends lassen sich –
zumindest für Deutschland – wie folgt zusammenfassen: der Kunde
konsumiert zu wenig.
Der deutsche Konsument reagiert auf die Bemühungen des Einzelhandels, sein Angebot attraktiv darzustellen, nur unzureichend. Natürlich sind die aktuellen konjunkturellen Rahmenbedingungen und die
schwierige Situation am Arbeitsmarkt offensichtliche Gründe für die im
internationalen Vergleich geringere Flächenproduktivität. Doch gerade
in Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen sind Konzepte für den
Handel und Impulse für den Konsumenten wichtig.
Fünf Critical Success Factors für den erwünschten Erfolg im Einzelhandel lassen sich ausmachen:
• Standort: Die Renaissance der Innenstädte.
• Größe: Neue Ladenformate.
• Erlebnis: „Spaß soll das Leben machen“ oder: Lifestyle für alle.
• Preis/Value: Schnäppchenjäger und hybrider Kunde.
• Marketing: Fokussierung auf König Kunde und die Macht der Marke.
91
daher die Lösung bei der gleichen Zielvorgabe dennoch unterschiedlich
aus. Das Warenhaus ist auf dem Weg zum Umbau in ein Shopping
Center. Die Shopping Center öffnen sich – nach amerikanischem
inside/out-Vorbild zu integralen Bestandteilen der Innenstadt. Die Main
Street darf die Preispolitik nicht aus dem Auge verlieren. Aus Geschäften werden Flagship Stores.
1 Williams Sonoma
Um für deutsche Handelskonzepte denkbare Schritte in Richtung Erfolg
zu identifizieren, ist nicht selten ein Blick über den Atlantik in die USamerikanische Einzelhandelswelt lehrreich. Auch dort bestimmen einige wesentliche Erkenntnisse die aktuelle Situation der Handelsimmobilien und des Einzelhandels:
2 Grafik: Erlebnis-Preis-Matrix
Zwei der genannten Faktoren scheinen in diesem Zusammenhang
einer genauen Untersuchung wert: der Preis und das Erlebnis. Dies ist
schon deswegen nicht überraschend, weil diese beiden den Handel
bestimmenden Parameter einen gesellschaftlichen Trend widerspiegeln,
der im Begriff „Value“ (Wert) zusammenfließt. Einerseits muss eine
wachsende Bevölkerungsgruppe mit sinkendem frei verfügbarem
Einkommen leben. Andererseits hat eine kleine Bevölkerungsgruppe
auch die letzten Bedürfnisse im Hinblick auf Konsum bereits mehrfach
gesättigt – hier zählt das Erlebnis beim Einkauf mehr als das erworbene Produkt. Hinzu kommt die Schnittmenge dieser beiden Gruppen:
der hybride Kunde, für den das preiswerte Schnäppchen erworben zu
haben ebenso ein Erlebnis darstellen kann. Geiz ist gesellschaftsfähig
geworden. Die Einzelhandelskonzepte, die diese Trends entweder
geprägt oder frühzeitig aufgegriffen haben, sind im Moment die
Gewinner.
Für jedes Handelskonzept stellen sich die Fragen, ob überhaupt, mit
welchen Schritten und in welcher Zeit es seinen Weg in den rechten
oberen Quadranten machen möchte. Für jedes einzelne Konzept sieht
92
• Schnäppchenjagd und Preisaggressivität allein reichen nicht mehr
aus – der Konsument sucht Unterhaltung im Shoppertainment.
• Handelskonzepte rund um Lifestyle und Convenience sind erfolgreich.
• Third Places und echte Revitalisierungen stehen sowohl bei Projektentwicklern wie auch bei den Konsumenten hoch in der Gunst.
• Dem gewachsenen Bedürfnis nach Leitmotiven und Themenwelten
für das gesellschaftliche Leben in den USA haben sich in den vergangenen Jahren fast alle Einzelhändler in irgendeiner Form verschrieben oder es zumindest versucht.
Es geht dabei nicht unbedingt darum, welches Leben der einzelne
Konsument wirklich führt, sondern wie er es führen möchte, und auch
in Deutschland stellte die Fachzeitschrift „Textil-Wirtschaft“ schon
1997 fest: „Mehr Emotion verkaufen, eine Philosophie anbieten oder
Kauflust via Gefühl anregen, heißt die Devise, die sich die neuen
Anbieter auf ihre Fahnen geschrieben haben.“
In den USA ist ein Erlebnis beim Einkauf häufig synonym mit dem
Ausspruch „What’s that?“. Es geht bei dieser Idee und ihrer Umsetzung in den unterschiedlichsten Handelskonzepten darum, auch ein
alltägliches Produktsortiment durch eine attraktive und überraschende
Präsentation neu ins Bewusstsein des Konsumenten zu rücken.
Konsum – Freizeit – Stadt
Durch häufig wechselnde Produktarrangements und zum Produkt komplementäre Dienstleistungsangebote wird beim Kunden Neugier geweckt. Schon beim nächsten Besuch im selben Geschäft soll sich dieser
die Frage stellen: What’s that? – frei übersetzt: Was gibt es heute
Neues?
Instrumente des Storytellings verleiten den Konsumenten dazu, auch
weitere Produkte aus dem thematischen Umfeld des eigentlichen
Produktes zu erwerben. Lifestyle wird abgebildet durch Clustering verschiedener thematisch zusammen passender Produktwelten. Der Konsument läuft nicht an Regalen vorbei, sondern er durchquert Themenwelten. So lässt sich auch der gesättigte Kunde wieder zu einem
Spontankauf animieren.
Besonders erfolgreich sind in diesem Zusammenhang zunächst diejenigen Geschäfte gewesen, deren Sortimente sich rund um die Themenbereiche Heim & Herd, Freizeit und Gestaltung der eigenen vier
Wände drehten. So zum Beispiel Crate & Barrel, Pottery Barn und Restoration Hardware. Gefragt sind alle Produkte, die das tägliche Leben
attraktiv und angenehm oder den Einkauf unterhaltsam und entspannend machen – vom Home Meal Replacement, der perfekt vorbereiteten Mitnahme-Mahlzeit aus dem Supermarkt bis zu Mass Customization, der Maßanfertigung von Jeans oder Schuhen.
Auch die Kombination des Buchkaufs mit der Möglichkeit, eine Tasse
Kaffee zu trinken, ist in den USA erfolgreich umgesetzt worden, da sie
thematisch passend und atmosphärisch förderlich ist. Hier wurde das
Modell zunächst bei Barnes & Noble in Verbindung mit Starbucks erprobt. Die entsprechende Übertragung des Konzeptes ist mittlerweile
in den großen deutschen Buchhäusern, zum Beispiel bei Hugendubel
und der Mayerschen Buchhandlung, ebenfalls zu beobachten.
Sport-Megastores wie Nike und REI beziehen einen Großteil ihrer
Attraktivität aus der großflächigen und dadurch erlebnisorientierten
und entertainment-beinhaltenden Konzeption. Der Basketball muss
ausprobiert werden können, Golfschläger verkaufen sich nach einem
simulierten Abschlag besser und selbst Kajaks und Kanus können ihre
Wasserprobe im zum Store gehörenden Wildwasser erfahren.
Hinzu kommt ein sehr tiefes Produktsortiment, das für die einzelnen
Sportthemen kaum Wünsche offen lässt. Ergänzt wird dieses Produktspektrum durch Dienstleistungen wie Sportreisen oder Kursangebote
für diverse Sportarten.
3 Recreational Equipment, Inc. (REI)
In Deutschland wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Ideen
aus den USA übernommen, um erlebnisorientierte Konzepte auch hier
zu etablieren. Die Sporthäuser von Karstadt und Kaufhof sind hierfür
ebenso ein Beweis wie der Zusammenschluss von Karstadt und Starbucks, um das Konzept des Coffee Shops flächendeckend umzusetzen.
Besondere Verdienste um die Etablierung von Entertainment im Einzelhandel verdienen sich Megastores des Handels wie beispielsweise das
Erlebnishaus von Engelhorn & Sturm in Mannheim. Hier wie auch in
vielen Häusern von Peek & Cloppenburg (z. B. in Berlin, Leipzig, Düsseldorf oder Frankfurt) werden exklusive Marken mit attraktiver Architektur und vielfältigen Serviceideen zu einem wahren Kauferlebnis gemacht. Ergänzend bieten Fachgeschäfte wie Douglas im House of
Beauty in Frankfurt oder das Schuhhaus Görtz mit seinen Flagships in
Hamburg und Essen auf großen Flächen ihre Sortimente an.
Megastores der Hersteller waren in Deutschland vielfach eine Antwort
auf die überalterte Positionierung der traditionellen Warenhäuser,
ebenso wie auf die Ablehnung der FOC-Standorte durch den innerstädtischen Handel bzw. die Kommunalpolitik. Solche auch als Flagship Stores bezeichneten Geschäfte findet man zunehmend in den 1ALagen deutscher Innenstädte. Beispiele sind Nike in Berlin oder Tommy
Hilfiger in Düsseldorf.
Aber auch Beispiele für erfolgreiche preisaggressive Konzepte gibt es
in Deutschland.
93
So positionieren sich neben dem klassischen Discounter Aldi nicht nur
die Konkurrenten, sondern auch andere Sortimente wie beispielsweise
die Bäckerei Bäcky in diesem Segment sehr gut. Bäcky, der DiscountBäcker, bietet eine limitierte Anzahl von Artikeln in einer unspektakulären Umgebung zur Selbstbedienung. In traditionellen High Streets
findet dieser neue Discounter seinen Platz sogar neben einem BioBäcker.
Wahl. Auch dem Bedürfnis nach mehr Erlebnis und Atmosphäre beim
Einkauf wird heute an weit mehr als nur einem Handelsort Rechnung
getragen.
„Geiz ist geil“ ist nicht nur der Werbeslogan des Unterhaltungselektronik-Discounters Saturn, sondern das aktuelle Credo einer Spargesellschaft. Diese neu entdeckte Sparsamkeit machen sich die preisaggressiven Handelskonzepte zu Nutze; gleichzeitig verstärken sie
dabei diesen Trend noch. Mit Media Markt und Saturn wurden in den
letzten Jahren zwei außerordentlich erfolgreiche Konzepte etabliert, die
im Wesentlichen über den Preis das Kauferlebnis bestimmen. Ebenso
zu den erfolgreichen Handelskonzepten gehören die so genannten
Vertikalen. Diese besonders im modischen Bekleidungsbereich angesiedelten Einzelhändler sind mit Eigenmarken attraktiv und erfolgreich.
Von der Produktkonzeption über die Produktion und den Vertrieb bis
zur Vermarktung werden die einzelnen Artikel von H & M, Mango, Zara
– ebenso wie von ihren deutschen Konkurrenten Jean Pascale und
Orsay – aus einer Hand angeboten.
Ein Format, das, kaum geboren, schon wieder vom Aussterben bedroht, dem Unterhaltungs-Trend Rechnung trägt, schien das Urban
Entertainment Center zu sein. Mitte der 90er Jahre kamen Projektentwickler in den USA auf die Idee, künstliche Innenstädte – Urban
Destination Center – zu planen. Einzelhandel, Gastronomie und Unterhaltung waren die Kernpunkte des Mietermixes. Sogar eine Gliederung
des Erlebnischarakters eines UECs wurde erarbeitet:
Das Shopping Center: Hindernis oder Motor für innerstädtische Handelsstrukturen?
Der Einkauf zur Bedarfsdeckung weicht in vielen Fällen dem Erlebniseinkauf. Selbst alltägliche Artikel möchten entweder verbunden werden
mit dem Erlebnis des Preisschnäppchens oder mit dem Erlebnis einer
außergewöhnlichen Einkaufsatmosphäre. In Shopping Centern ebenso
wie in den Innenstädten und sogar in nicht-standort-gebundenen
Handelsplätzen konkurrieren die immer gleichen Konzepte miteinander.
Große Auswahl oder Schnäppchen-Jagd, Convenience und Kundenservice – der heutige Konsument hat in jeder Hinsicht die Qual der
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Bevor in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Shopping
Centers für den Innenstadthandel eingegangen werden kann, lohnt ein
kurzer Blick auf drei weitere potenziell Innenstadt-relevante Konzepte.
• „ambient entertainment“: gemeint ist das durch die architektonische
Gestaltung geprägte Ambiente ebenso wie besonders attraktive
Handelskonzepte;
• „impulse entertainment“: zum Beispiel Karussells, Videospiele und
ähnliche Attraktionen, die den Besucher zum Mitmachen animieren;
• „destination entertainment“: Konzepte mit Ankerfunktion wie z. B.
das Kino-Center, die den Kunden zielgerichtet in ein UEC kommen
lassen.
Die heutige Situation der UECs zeigt jedoch in den USA einige Problemfelder auf, die auch eine erfolgreiche Umsetzung in Deutschland
eher fraglich erscheinen lassen.
So sind die meisten der bisher erfolgreich operierenden UECs an
Standorte gebunden, die eine extrem hohe Besucherfrequenz aufweisen, so zum Beispiel der Universal City Walk neben den Universal Studios in Los Angeles. Andere setzen in Bezug auf den Mietermix sehr
stark auf den Aspekt Unterhaltung und insbesondere Multiplex-Kinos,
eine Entwicklung, die auch in den USA derzeit mit sehr vielen Problemen
behaftet ist.
Konsum – Freizeit – Stadt
Als drittes fehlen in den meisten UECs die Dienstleister und damit ein
wesentlicher Aspekt der traditionellen innerstädtischen Handelsstruktur.
Gleichzeitig ist der Flächenbedarf vergleichsweise hoch.
In Deutschland gab es zwar verschiedene Ansätze zur Planung von
UECs, doch hat man erkannt, dass innerstädtische Plätze wie der Viktualienmarkt in München oder die Altstadt in Düsseldorf „urban entertainment“ in sich sind. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass ein
Urban-Entertainment-Konzept sich als Erfolgsmodell für den deutschen
Einzelhandel etablieren ließe.
Eine weitere konzeptionelle Entwicklung, die Impulse für den USEinzelhandel bringen soll, wird mit dem Begriff Third Place bezeichnet.
Mit First und Second Places werden diejenigen Orte bezeichnet, an
denen gewohnt bzw. gearbeitet wird. Third Places dagegen sind
Plätze, an denen „Freizeit stattfindet“. Handel, Dienstleistung und
Gastronomie ergänzen sich in Orten, die ein interessantes und witziges, angenehmes und kultiviertes, sportliches und entspannendes
Freizeitempfinden ermöglichen.
Dabei sind Third Places nicht unbedingt an eine bestimmte architektonische Form gebunden. Häufig werden sie wie offene Shopping Center
geplant, denn man will gar nicht erst in die Versuchung geraten, durch
Überdachung eine „künstliche Welt“ zu schaffen. Wind und Wetter
gehören zu einem Third Place ebenso wie der gemütliche Platz in der
Bücherstube oder im Café. Auch Warenhäuser können in den Branchenmix eines Third Place gut eingebunden werden oder sogar selbst
durch ein entsprechend strukturiertes Angebot ein Third Place sein.
Bisher gibt es erst wenige Beispiele für diese Entwicklung. University
Village in Seattle ist ein Third Place, der die Vision dieser neuen städtischen Struktur sehr konsequent umsetzt.
Die jüngste Entwicklung auf dem Weg zu Erfolg versprechenden neuen
Immobilienkonzepten im US-Einzelhandel sind die Lifestyle Center. In
den USA gibt es bereits etwa 60 Lifestyle Center. Eine verschwindend
geringe Zahl verglichen mit 1.150 Regional Malls und mehr als 44.000
Strip Centern.
Der Begriff Lifestyle findet seit Mitte der 1990er Jahre für einige attraktive und sehr erfolgreiche Einzelhandelskonzepte in den USA Verwendung. Von Crate & Barrel über Restoration Hardware bis zu dem aktuellen Konzept von Barnes & Noble hieß es immer wieder: wir bieten
unseren Kunden „Lifestyle“. Erfolgreich war dabei das mit diesen Produkten verbundene Storytelling, das Erzählen von Geschichten, vermittelt durch ein bühnenbild-ähnliches Setting von komplementären
Produkten.
4 Restoration Hardware
Viele dieser Lifestyle-orientierten Konzepte stehen heute für die erfolgreichsten Namen im amerikanischen Einzelhandel und es bleibt daher
nicht verwunderlich, dass Entwickler und Betreiber von Shopping
Centern diese Namen nicht nur in ihren Malls vertreten sehen wollten
– sondern auch einen neuen Centertypus entwickelten, der sich ausschließlich mit dem Thema Lifestyle befasste.
Doch was genau ist ein Lifestyle Center?
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Shopping Centern fehlt dem Lifestyle Center der Ankermieter, weder ein Warenhaus noch ein Supermarkt gehören in ein solches Konzept. Vielmehr setzt der Betreiber auf
die Mischung aus aktuellen Einzelhandelskonzepten, die mit großzügigen Serviceangeboten unterstützt werden. Gastronomische Konzepte
wie Coffee Shops, Bars und thematisch-inspirierte Restaurants gehören
ebenso dazu wie Event-Plattformen für Veranstaltungen.
Die meisten Lifestyle Center finden sich in kleineren Städten und in
Wohngebieten größerer Ballungsräume. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen im Einzugsgebiet ist deutlich höher als bei traditionellen regionalen Shopping Centern. Das Einzugsgebiet eines Lifestyle
Centers ist größer als das eines regionalen Shopping Centers. Die Dauer des Aufenthalts liegt in einem Lifestyle Center bei durchschnittlich
95
57 Minuten, im Gegensatz zu 78 Minuten in einer Regional Mall. Dass
die Umsätze trotzdem deutlich höher liegen, beweist, dass im Lifestyle
Center sehr gezielt eingekauft wird, d. h. die meisten Kunden mit einer
festen Kaufabsicht kommen. Im Lifestyle Center werden etwa 84 USDollar pro Stunde ausgegeben, der Vergleichswert im Regional Center
liegt bei 57,70 US-Dollar.
Bezogen auf die Erwartungen, die die Kunden an Atmosphäre und
Einkaufsumgebung stellen, bewerten 65% der befragten Amerikaner
ihre Ansprüche an ein Lifestyle Center höher als an ein traditionelles
Shopping Center. Weniger wichtig sind ihnen dabei die Aspekte des
Preises, des Angebots und der Qualität – hier werden die verschiedenen Centertypen als nahezu gleichwertig gesehen – was verständlich
ist, da der Mietermix in einem Lifestyle Center dieselben aktuellen
Handelskonzepte präsentiert wie sonstige regionale Shopping Center.
Die offene Bauweise greift architektonische Details eines Dorfcharakters auf. Einzelne Häuser und Fronten werden dargestellt, Straßen mit Parkmöglichkeiten direkt vor den Geschäften greifen traditionelle Main Street-Aspekte auf. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt die
Gastronomie.
Das Lifestyle Center hat sich in den USA als neue Form des Shopping
Centers etabliert. Zu den Erfolgskriterien gehört ein Einzugsgebiet mit
hohem verfügbarem Haushaltseinkommen sowie die Notwendigkeit,
aktuell erfolgreiche und landesweit bekannte Einzelhandelsnamen im
Mietermix darzustellen.
In Deutschland wird Lifestyle häufig in themen-orientierten Immobilienkonzepten dargestellt. Ein Beispiel hierfür ist das stilwerk, das
alle Produkte und Dienstleistungen rund um die Themenwelten Wohnen, Innenarchitektur und Dekor unter einem Dach vereint. Auf der
anderen Seite finden sich mehr und mehr Areale in den Innenstädten,
deren Produktangebot ebenfalls der thematischen Clusterung folgt. So
gibt es Antiquitätenviertel, Straßen mit hoher Dichte an trendiger Gastronomie und „Auto-/Autozubehörstraßen“. Auch die künftig verstärkt
im Markt anzutreffenden Gesundheitshäuser als themenbezogene
Center rund um die Gesundheit, Fitness, Wellness und Schönheit lassen sich als eine Variante der Lifestyle Center begreifen.
Welchen Einfluss hat nun das innerstädtische Shopping Center auf den
Einzelhandel in der Stadt? Grundsätzlich kann ein Shopping Center die
Attraktivität der jeweiligen Stadt dann erhöhen, wenn es eine Bedingung gut erfüllt: die Integration. Dieser Begriff umfasst dabei eine
ganze Reihe von „zu integrierenden“ Aspekten, darunter Städtebau,
Verkehrskonzept, relative Größe/Dimension, Architektur, Handelsbesatz/
Mietermix, Wettbewerbsumfeld, Bedarfsstruktur, Wohn- und Freizeitumfeld, emotionale Positionierung/Image, „Szene-“/Umfeldinfrastruktur, generelles Preisniveau (up market/down market).
Im Gegenzug können innerstädtische Einkaufszentren ohne gelungene
Integration den Einzelhandel stark belasten, besonders auch, wenn die
Verkaufsflächen im Verhältnis groß sind. In einigen Mittelstädten werden Shopping Center geplant, deren Verkaufsfläche ebenso groß wie
die bereits vorhandene Einzelhandelsfläche ist. Dass es sich in solchen
Fällen um eine Umverteilung der Umsätze handeln muss, ist offensichtlich.
Dem Mieterbesatz eines in der Innenstadt gelegenen Einkaufszentrums
kommt eine hohe Bedeutung zu. In Mittelstädten, deren InnenstadtHandel häufig für erfolgreiche Filialistenkonzepte nicht groß genug
sind, werden solche Filialisten in das Shopping Center gehen.
96
Konsum – Freizeit – Stadt
Sie erhoffen sich hier aus dem konzentrierten Angebot, den vielfältigen
Marketingaktionen und dem vorhandenen Centermanagement die Vorteile, die sie in den Einzelhandelsstraßen nicht haben. Noch vorhandene inhabergeführte Fachgeschäfte sehen sich in diesen Fällen dem
Druck der großformatigen Handelsfläche Shopping Center ebenso wie
dem Ansturm der Filialisten gegenüber.
Sehr häufig bieten innenstadtnahe Einkaufszentren auch die Parkmöglichkeiten, die die eigentliche Innenstadt nicht hat. Das Nutzen
des eigenen PKWs ist für viele Menschen eine Bequemlichkeit, die sie
besonders beim Einkaufsbummel nicht missen möchten. Sie fahren
daher zunehmend lieber in ein großes, überregionales Shopping
Center, weil sie dort problemlos parken können.
Der Branchen- und Mietermix für eine Innenstadt sollte idealer Weise
inklusive des Shopping Centers erarbeitet – und auch gemonitort –
werden. In der Realität lässt sich dies jedoch aufgrund einer Vielzahl
von Partikularinteressen nicht umsetzen. So wie das Shopping Center
seine Stärken aus der zentralen gemanagten Planung und Organisation zieht, kann eine gewachsene Innenstadt nur durch analoge
Managementstrukturen erfolgreich sein. Marketing-Gemeinschaften
sind nur ein erster Schritt.
Die Zukunft des traditionellen Warenhauses
Ebenso wie Handel und Shopping Center befindet sich auch das
Warenhaus im Spannungsfeld von Lifestyle und Value. Welche Auswirkungen haben die beschriebenen aktuellen Handelskonzepte auf
die Situation der Warenhäuser?
Das Warenhaus schien zunächst viele Vorteile gegenüber den historisch früheren Galerien und Passagen zu haben. Denn im Gegensatz zu
den Passagen gab es in den Warenhäusern ein genau aufeinander abgestimmtes Sortiment. Die Einkaufsqualität wurde außerdem gewährleistet durch das Verkaufspersonal, welches sich in allen Abteilungen
des Hauses bestens auskannte. Durch den zentralen Einkauf in größeren Mengen konnten auch die Preise sehr viel attraktiver als in den vielen einzelnen Geschäften einer Passage gestaltet werden.
Erst in den 60er Jahres erhielten die Warenhäuser in Deutschland
mit den ersten Shopping Centern und später auch wieder durch neue
Galerien und Passagen in den Innenstädten ernste Konkurrenz. Spätestens seit Beginn der 90er Jahre wird nach Ideen und Möglichkeiten
gesucht, dem Warenhaus wieder zum Glanz früherer Zeiten zu verhelfen.
Ohne einen fundamentalen Wandel der Service- und Dienstleistungskultur im Warenhausbereich wird die Akzeptanz der innerstädtischen
Ankerfunktion, bei der das „sich-Wohlfühlen“ des Kunden eine entscheidende Rolle spielt, erschwert.
Sears als ehemals größter Handelskonzern und Warenhaus im traditionellen Sinn hat mit den Every-Day-Low-Prices die Krise der Warenhäuser, wenn nicht ausgelöst, so doch maßgeblich beschleunigt, denn
das Konzept der Niedrigpreispolitik konnten zwar die Discounter, nicht
aber die großen Warenhausketten mitgehen.
Gleichzeitig polarisierten die Every-Day-Low-Prices spätestens seit
Beginn der 90er Jahre viele Entwicklungen im Handel auf den Begriff
Value. Doch erst durch die Weiterentwicklung vom neuen „Preis-Wert“Aspekt Value zu Lifestyle erkannten die Warenhäuser ihre Möglichkeiten. Heute positionieren sie ihre Marktauftritte neu, strukturieren
Sortimente um und bieten mit Auswahl, Ambiente und Service den
Kunden ein völlig neues Bild des „Alles-unter-einem-Dach“.
Für viele traditionelle Warenhäuser heißt das: einzelne Standorte
erweisen sich als nicht mehr rentabel, weil Häuser zu groß sind und
Sortimente bereinigt werden müssen.
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Auch die deutschen Warenhauskonzerne sind gerade dabei, ihre neue
Positionierung zu finden. So hat Karstadt an seinem Standort am Anger
in Erfurt ein innerstädtisches Shopping Center mit dem Warenhaus als
Anker entwickelt. Die Kooperation mit Starbucks sorgt für mehr Lifestyle. Die Integration von Fitness-Studios nutzt umsatzschwache Flächen
in den oberen Geschossen. Versandhandel und eRetailing erschließen
neue Zielgruppen. Und der Karstadt-Standort im Rhein-Ruhr-Zentrum
in Mühlheim wurde zu einem Shopping Center im Shopping Center.
Die neue Innenstadt: Lebst Du schon oder kaufst Du noch?
Innerstädtische Entwicklungen oder Revitalisierungen erfordern nach
wie vor einen höheren Aufwand als die Planung auf der grünen Wiese:
Eigentumsverhältnisse sind komplizierter, Finanzierungen aufwendiger
und die Umsetzung zumeist langwieriger. Und: Obwohl viele Innenstädte revitalisiert werden, suchen die Kunden nach wie vor auch das
Einkaufserlebnis im Shopping Center auf der grünen Wiese.
Wie also positioniert sich die Innenstadt der Zukunft? So wie der Kauf
von einzelnen Produkten nur ein Teil des Lebens darstellt, ist auch die
Einzelhandelsfläche in der Innenstadt nur ein Teil, der die Aufenthaltsqualität dort bestimmt. So wie das Produkt beim Kauf ein Bedürfnis befriedigt, der Prozess des Kaufens an sich auch ein Erlebnis sein
sollte, so ist der Besuch von Handelsflächen in der Innenstadt ein
Versuch, die Freizeit des Menschen mit hohem Lebenswert zu füllen.
98
Dieser Lebenswert ergibt sich eben nur zum Teil aus dem Produktangebot. Ambiente und Atmosphäre, Spaß, Nervenkitzel und Glücksgefühl sind integraler Bestandteil einer rundum gelungenen Aufenthaltsqualität in der modernen Innenstadt. Kaufen steht für Haben und
eben nicht für Sein. Wenn die Innenstadt den Rahmen für ein glückliches Dasein bietet, hat sie ihren Zweck als Ort sozialen Miteinanders
erfüllt. Die Organisation einer Umgebung, die diesen Rahmenbedingungen entspricht, ist die Kernaufgabe erfolgreicher Stadtplaner.
Das koordinierte Miteinander von Handel, Dienstleistung, Freizeit und
Kultur hat dem Shopping Center zum Erfolg verholfen – dieses Rezept
ist auch innenstadt-tauglich.
Barbara Walzel | ebs Immobilienakademie
Konsum – Freizeit – Stadt
Anmerkungen zu den Abbildungen
1 Williams Sonoma ist eines der erfolgreichsten Einzelhandelskonzepte in den USA.
Angeboten werden Accessoires rund um Küche und gemütliche Mahlzeiten im Kreise
von Familie und Freunden. Aufgegriffen wird hier der Trend des „Cocooning“, des „Sichgemütlich-machens“ im eigenen Heim. Die Produkte reichen vom Profi-Kochtopf bis hin
zu jahreszeitlich wechselnden Dekorationen für den Tisch. Der Erfolg beruht darauf, dass
die Kunden sich immer wieder fragen: Was gibt es heute bei Williams-Sonoma zu sehen
und zu kaufen?
3 Der Name REI steht für Recreational Equipment, Inc. Das Unternehmen, das sich auf
Bekleidung und Ausstattung für eine Vielzahl von Outdoor-Sportarten spezialisiert hat,
stammt aus Seattle im US-Bundesstaat Washington. Unter anderem fand man die mittlerweile in vielen Sporthäusern eingesetzten indoor-Kletterfelsen bei REI zum ersten Mal.
4 Restoration Hardware war ursprünglich ein Anbieter von Möbelbeschlägen und
Kleinwerkzeugen. Verkauft werden einfache Dinge des täglichen Lebens, die eigentlich
niemand so wirklich braucht. Im Storytelling werden Anekdoten erzählt, zum Beispiel
über die Zeit, als man noch mit Murmeln spielte – anschließend bezahlen die Kunden
etwa 15 Dollar für eine Schachtel Murmeln.
Literatur
Altoon, Ronald A.: „International Shopping Center Architecture: Details, Concepts,
Projects“, New York 1996.
Karstadt Warenhaus AG Erfurt (Hrsg.): „Das Erfurter Kaufhaus und sein Jahrhundert“,
Erfurt 2000.
Kellermann, Friedel (et al.): „Architektur für den Handel“, Basel 1996.
„Kemper’s City-Scout 2001/2002“, Kemper’s Verlag & Agentur GmbH, Düsseldorf.
Leach, William: „Land of Desire. Merchants, Power, and the Rise of a New American
Culture“, New York 1993.
Mikunda, Christian: „Marketing spüren: Willkommen am Dritten Ort“, Frankfurt/Wien
2002.
Oldenburg, Ray: „The Great Good Place. Cafés, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair
Salons and other Hangouts at the Heart of a Community“, New York, 3. Aufl., 1999.
Schmitz, Claudius A.: „Charismating – Einkauf als Erlebnis“, München 2001.
Spector, Robert; McCarthy, Patrick D.: „The Nordstrom Way. The Inside Story of America’s
#1 Customer Service Company“, New York 1995.
ULI – the Urban Land Institute: „Shopping Center Development Handbook“,
Washington, D.C. 1999.
Zola, Emile: „Das Paradies der Damen“ (in einer Übersetzung von Hilda Westphal), Berlin
2002.
Brune, Walter: „Die Stadtgalerie. Ein Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstädte“,
Frankfurt/New York 1996.
Internationale Fachzeitschriften
Cohen, Nancy E.: „America’s Marketplace – The History of Shopping Centers“, Lyme, CT
2002.
„Shopping Centers Today“, hrsg. vom International Council of Shopping Centers (ICSC) in
New York.
EHI EuroHandelsinstitut (Hrsg.): „Shopping Center-Report“ Köln 2000.
„ICSC Research Quarterly“, hrsg. vom International Council of Shopping Centers (ICSC) in
New York.
Falk, Bernd (Hrsg.): „Das große Handbuch Shopping Center“, Landsberg/Lech 1998.
„Value Retail News“, hrsg. vom International Council of Shopping Centers (ICSC) in N.Y..
Frei, Helmut: „Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der Warenhauskultur“ Leipzig 1998.
„Urban Land“, hrsg. vom ULI – the Urban Land Institute in Washington, D.C.
Geist, J.F.: „Passagen – Ein Bautyp des 19. Jahrhunderts“ München, 1982, (4. Aufl.).
Für weitere Informationen und Kontakte
gif – Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (Hrsg.): „Richtlinie zur
Berechnung der Mietfläche für Handelsraum (MF-H)“.
Gruen, Victor; Smith, Larry: „Shopping Towns USA: The Planning of Shopping Centers“,
New York 1960.
International Council of Shopping Centers (ICSC): www.icsc.org
German Council of Shopping Centers (GCSC): www.gcsc.de
Urban Land Institute (ULI): www.uli.org
International Council of Shopping Centers (ICSC): „Winning Shopping Center Design.
26th International Design and Development Awards“, New York 2002.
99
Mall, Markt & Discounter
– Mit dem Handel urbane Räume schaffen
Vom preis-leistungsorientierten Käufer zum
revierbestimmten Kunden
Kaufverhalten – und damit einhergehend die Nutzung von Stadtraum
– verändert sich im Zuge des derzeitigen Wandels von einer funktional
geprägten Gesellschaft zur Erlebnis- und Freizeitgesellschaft. Dies findet auch in den Marketingstrategien des Einzelhandels seinen
Niederschlag.
Wurden in den vergangenen Jahren Kunden in Grundtypen wie den
preisorientierten Schnäppchenjäger, den besserverdienenden Qualitätskäufer oder den jüngeren „Smart Shopper“ mit starker Preisleistungsorientierung eingeordnet, so entwickelt sich in jüngerer Zeit ein weniger auf das Kaufverhalten, als auf die Kaufumgebung bezogenes Bild.
Ausgehend von psychologischen Untersuchungen wird beobachtet,
dass nicht mehr Preis- oder Qualitätsorientierung des Kunden maßgeblich sind, sondern Einkaufsumgebung und Kaufmotive.
Einkaufspsychologen und Marketingstrategen wie Rempen und ifm 1
unterscheiden nach „Einkaufsrevieren“, in denen sich ein und der selbe
Kunde je nach Einkaufsmotiven bewegt, und deren unterschiedliche
Atmosphären für ihn Teil des Einkaufserlebnis werden:
1. Ursprungsmärkte wie Wochen- und Flohmärkte,
2. lokale Versorgung mit kleinteiligem Einzelhandel am Wohnort,
3. universelle Versorgungsreviere wie Supermärkte für den Großeinkauf,
4. urbane Bummelzonen für den kultivierten Freizeiteinkauf,
5. Fachdiscounter mit einer starken Preisorientierung,
6. erlebnisorientierte Malls und Konsumgalerien,
7. Homeshopping per Katalog oder Internet.
Eine so begründete Beschreibung des Einkaufsverhaltens nach dem
„Revierverhalten“ birgt aus städtebaulicher Sicht die Erkenntnis, dass
die unterschiedlichen Raumkonzeptionen, -charaktere und -atmosphären verstärkt zu berücksichtigen sind. Das Umfeld vom Store-design,
über die Architektur bis zur Stadt gerät ins Visier der Handelsstrategen.
Die sich andeutenden Tendenzen zu einem differenzierteren Bild des
Einkaufsverhaltens seitens des Einzelhandels sind aus städtebaulicher
100
Sicht außerordentlich begrüßenswert, denn inzwischen scheint es angesichts der vielfältigen Einzelhandelsangebote, die vom Discounter bis
zur Erlebnis-Mall reichen, eher richtig, von hybridem Einkaufsverhalten
zu sprechen.
„Das bedeutet, es ist ein und der selbe Mensch, der als Kunde oder
Kundin den täglichen ‚Lastkauf‘ beim Discounter hinter sich bringt,
und der sich Samstag ... am Prinzipalmarkt in Münster einen ‚Lustkauf‘
gönnt. Erlebniswelt und Ambiente bedeuten in einem Fall nichts, im
anderen Fall alles.“ 2
Zusammenfassend bedeutet dies: Käufer begegnen unterschiedlichen
Handelsstandorten mit unterschiedlichen Motiven, Stadtbewohner entwickeln Affinitäten zu unterschiedlichen Handelsstandorten und fühlen
sich auch in gegensätzlichen Einkaufswelten heimisch.
Eine polyzentrische Perspektive der Stadt
Eine solche Perspektive kann auch auf das Verhältnis der Bewohner zur
Stadt angewendet werden und damit eine Leittendenz der städtebaulichen Entwicklung beschreiben.
Unsere Städte sind heute nicht mehr nur Orte, die aus dem Austausch
zwischen der hochverdichteten Stadt und der sie umgebenden
Landschaft leben.
Zu groß waren und sind die Kräfte, die eine Verschmelzung dieser beiden Sphären bewirkt haben. Diese Entwicklung hat im Bereich des
Wohnen stattgefunden, wo es infolge größerer Mobilität möglich wird,
gleichzeitig in der Natur und der Stadt zu wohnen, sie hat sich jedoch
auch im gewerblichen und industriellen Bereich vollzogen. In einem
das gesamte zurückliegende Jahrhundert dauernden Prozess haben
Industrie, Gewerbe, Handwerk, Büroarbeitsplätze und das Wohnen in
großen Teilen die verdichtete Stadt verlassen.3
Konsum – Freizeit – Stadt
Im Ergebnis ist die Stadt heute nicht mehr ausschließlich als zentrierte
Struktur zu verstehen, sondern sie ist gleichzeitig polyzentrische Region
– dies gilt, maßstäblich verkleinert, selbst auf der Ebene der Kleinstädte, in denen sich die Bewohner ebenso selbstverständlich zwischen
Zentrum, Peripherie und Umland bewegen.
Auf der anderen Seite bildet die erhöhte Mobilität in diesem Prozess
eine Bedingung für die Entstehung der vielfältigen „Kaufreviere“, die
so an ihren unterschiedlichen Standorten im Stadtgefüge erreichbar
werden. Damit eröffnen sich – bei gleichzeitig steigender wechselseitiger Konkurrenz – für die Innenstädte und Nebenzentren neue
Bedeutungen und Chancen.
Konsequenzen
Aus dieser Perspektive des Marketings und der Stadtentwicklung
lassen sich für das Verhältnis von Stadt und Einkaufen neue Tendenzen
erkennen:
Stadtraum wird zum ökonomischen Faktor für den Erfolg des
Einzelhandels
Die Marketing-Strategie der „Einkaufsreviere“ setzt die atmosphärischen Qualitäten der Einkaufsumgebung (auch außerhalb des eigentlichen Ladens) in einen direkten Zusammenhang mit dem ökonomischen Erfolg. Neuansiedlungen können nur dann erfolgreich sein,
wenn sie das jeweilige Umgebungsmilieu aufgreifen und weiterentwickeln. Damit wird gerade auch dem öffentlichen Raum der Stadt nicht
nur von Seiten der Stadtplaner, sondern auch seitens der Marketingfachleute eine entscheidende Bedeutung zugesprochen, die Qualifizierung des Stadtraums wird zu einem auch ökonomisch wichtigen
Faktor.
Erst die Vielfalt der Kaufreviere macht die Stadt attraktiv
Die zweite wichtige Konsequenz dieses Ansatzes liegt in der Tatsache,
dass Stadt (unter dem Aspekt des Handels) als ein Gefüge unterschiedlicher Einkaufswelten verstanden werden muss, die in ihrer Gesamtheit
das Gesicht der Stadt prägen und erst in ihrer Vielfalt die Stadt als
Einkaufsstandort attraktiv machen.
Dies bedeutet, dass es im Interesse aller Handelsformen liegt, diese
Vielfalt zu erhalten und auszubauen. Das Nebeneinander vom „Bäcker
um die Ecke“ und dem Großmarkt am Stadtrand sollte nicht als Konkurrenz, sondern als Angebotsvielfalt begriffen, und einer Verarmung
der Einkaufsoptionen, gerade auch in der Innenstadt, entgegen gewirkt werden. Erst durch die bewusste Kultivierung der vielfältigen
Angebote des Einkaufens wie auch der unterschiedlichen städtischen
Atmosphären können Städtebau und Einzelhandel der polyzentrischen
Entwicklung der Stadt(region) gerecht werden.
Vier Handlungsfelder
Damit wird deutlich welche Aufgaben- und Bedeutungsverschiebungen
im Raum der Stadt eingetreten sind: Die alten Stadtzentren werden
nicht mehr wie bisher über ihr Warenangebot Attraktivität entwickeln
können, sondern über ihre Aufenthalts-, Kommunikations- und
Erlebnisqualität.
Die neuen Handelsstandorte an den Ausfallstraßen und an der
Peripherie andererseits sind allein durch ihre Frequentierung zu selbstverständlichen Orten und städtischen Orientierungspunkten geworden.
Sie spielen inzwischen im Gebrauch der Stadt eine bedeutende Rolle
und haben sich in unseren Köpfen festgesetzt. Werden sie aus politischen oder strukturellen Gründen eingeschränkt, entstehen sie an
anderer Stelle neu – im schlimmsten Fall auf der „grünen Wiese“!
In diesem Spannungsfeld zwischen den tradierten Qualitäten der alten
Stadt und den Modernisierungsschüben des Handels muss es das Ziel
sein, die Synergien in der Entwicklung von Stadt und Einzelhandel zu
suchen und die qualitativen Dimensionen der Planung ins Zentrum zu
rücken. Hierzu vier Handlungsfelder:
1 Tabubereiche und Entwicklungszonen des
Einzelhandelsgutachtens Arnsberg (Junker
+ Kruse)
2 Gestaltungsplan Ruhrstraße/Alt Arnsberg
(Planung B.A.S. Weimar)
3 Supermarkt „SuperM“ in Telfs
(Architekten: Pöschl und Both, Mils)
101
4 Aldi-Markt in Herzebrock (Architekten:
Drewes + Strenge, Herzebrock)
1. „Innerstädtische“ Standorte außerhalb des Zentrums entwickeln
In der Praxis zeigt sich, dass die zumeist quantitativ auf die Verteilung
von Verkaufsflächen bezogenen Einzelhandelskonzepte als Entscheidungsgrundlage für eine Ansiedlungspolitik nicht ausreichend sind.
Zwar sind die Einzelhandelsgutachten im Hinblick auf die Einschränkung von Handelsansiedlungen in Gewerbegebieten nach altem Baugesetzbuch unverzichtbare Instrumente, gleichzeitig lässt sich jedoch
oft – aus wirtschaftlichen Gegebenheiten und politischen Verpflichtungen – eine Entwicklung von Standorten an Ausfallstraßen und im
Stadtrandbereich nicht verhindern. Viele Städte stehen deshalb vor der
Frage, ob sie den derzeitigen Entwicklungstendenzen des Handels ausschließlich beschränkend begegnen sollen – oder ob sie nicht angesichts fehlender innerstädtischer Alternativen und der Konkurrenz mit
der Peripherie auf Standorten innerhalb der Stadt, aber außerhalb des
Zentrums Lösungen suchen müssen.
Es kommt deshalb darauf an, den oft restriktiven Einzelhandelskonzepten individuelle und kreative städtebauliche Planungen zur Seite zu
stellen und in einem aktiven Moderationsprozess die städtischen Qualitäten mit den Eigentümern und Investoren auszuhandeln und festzulegen.
5 Zielplanung Südliche Innenstadt Neheim
(Planung: B.A.S. Weimar)
6 Terrassengarten
102
So ist es zum Beispiel am Standort eines ehemaligen Autohauses in
Alt-Arnsberg gelungen, für die typische Situation einer Ausfallstraße
mit allen Beteiligten Qualitäten zu formulieren, die die Grundlage für
die Umsetzung bilden4: Die Widmung als Handelsstandort wird mit
der Ausweisung von Wohnflächen verknüpft und das durch die gewerbliche Nutzung unterbrochene Wegenetz wird wieder geschlossen.
Neue Baukörper müssen raumbildend und architektonisch gestaltet
den Straßenraum wiederherstellen. Dass solche Festsetzungen strukturelle Verbesserungen für das Gesicht der Stadteinfahrten hervorbringen, zeigen auch Beispiele von Einzelhandelsansiedlungen aus Telfs
und Herzebrock.
Dem grundsätzlichen Ansatz folgend, auch von peripheren Standorten
städtische Qualitäten zu fordern, werden hier Mischnutzung, Wegenetz, Straßenraum und Fassade als Grundelemente der Stadt eingefordert und mit dem Handel umgesetzt.
2. Die vom Handel dominierte Innenstadt durch neue Nutzungen
ergänzen
Sollen die Innenstädte nicht in der Konkurrenz mit den großflächigen
Handelseinrichtungen am Stadtrand ihre Historizität verlieren, so müssen für die alten Städte als Teil der Stadtregionen in Zukunft ergänzende Nutzungen gefunden werden – so fordert der Stadtplaner Prof.
Thomas Sieverts.
Dabei zeichnen sich zwei mögliche Perspektiven ab: zum einen die
Kultur, in der die alten Städte zur Bühne werden und zum anderen
besondere Formen des Wohnens – die Altstädte als Heimat für besondere, nicht familienorientierte Gruppen.5
Doch diese beiden Ansätze werden in der Regel nicht ausreichend für
die Innenstadtentwicklung sein. Wir werden in Ergänzung der Handelsnutzung – ausgehend von den Begabungen des Ortes – weitere
attraktive, individuelle Nutzungsperspektiven entwickeln müssen.
So können infolge veränderter Bedürfnisse in Richtung Freizeit und
Gesundheit die Bereiche Fitness, Gastronomie, Erholung und Kultur
eine größere Rolle spielen. Diese Branchen des Dienstleistungsbereichs
stellen neue Anforderungen an ihr Umfeld:
sie suchen zentrale Lagen und fordern gleichzeitig angenehme Außenund Grünräume. Innenstadtentwicklung muss diesen Wachstumsbranchen die entsprechenden Angebote machen.
In den Randbereichen der Innenstädte finden sich häufig un- bzw.
untergenutzte Flächen, die z. B. bei einer Neuordnung des Parkraums
Flächenpotentiale bieten, um neuartige Nutzungen in City-Nähe anzulagern. Ein Beispiel hierfür ist die südliche Innenstadt ArnsbergNeheims mit einem direkt an die Einkaufsachse anschließenden Areal,
das zur Zeit noch durch Parkierungs- und Brachflächen sowie einen
Krankenhauskomplex geprägt ist.
Konsum – Freizeit – Stadt
Für den unmittelbaren Rückraum der Hauptgeschäftsstraße eröffnet
sich durch die landschaftliche Kante und die bestehenden Nutzungen
die Möglichkeit für eine „Health-&-Body-Schiene“, entlang derer Terrassengärten Erholungsräume bieten können. Für die heute einseitig
handelsorientierte Innenstadt eröffnet sich über die neuen Gesundheits- und Freizeitdienstleistungen eine Entwicklungsperspektive, die in
den nächsten Jahren innenstadtbestimmend werden kann.6
3. Öffentlicher Raum als Standortkriterium
Wie wichtig der öffentliche Raum für den Handel ist, zeigt sich daran,
dass er mit Malls und Galerien eigene Formen entwickelt hat, die aus
Sicht des Handels optimal gestaltbar und kontrollierbar sind. Zu den
„klassischen“ städtischen Räumen kommen also neue Räume hinzu,
die, obgleich privat, öffentlich erscheinen.7 Die Herausforderung liegt
in ihrer Qualität, Authentizität und Offenheit für andere Nutzungen.
Ein Beispiel für einen verdichteten, gestalterisch in sich abgeschlossenen Stadtbaustein, bei dem der neu geschaffene „öffentliche“ Raum
einen Grundpfeiler für den Erfolg des Projektes bildet, ist die „Union“
in Frankfurt/Main.8
Der Standort der ehemaligen Union Brauerei liegt an einer Haupterschließungsstraße der Stadt, die durch Autohäuser, Bürogebäude,
Fachmärkte und ehemalige Gewerbeanlagen geprägt ist. Die große,
zusammenhängende Grundstücksfläche prädestiniert diesen Standort
für die Entwicklung eines Centers im klassischen Sinne. Gleichwohl
wurde bei der Umgestaltung des Areals zum Teil auf die vorhandene
Bausubstanz zurückgegriffen, diese wurde kleinteilig ergänzt und der
öffentliche Raum als Gasse oder Platz wieder eingeführt.
Bemerkenswert dabei ist, dass es hier über die einheitliche Entwicklung des Gesamtareals möglich war, einen extrem verdichteten Stadtraum herzustellen, der für den Besucher den Inbegriff von Urbanität
repräsentiert. Wollte man diesen Raum auf parzellierten Grundstücken
und mit den Eigentumsverhältnissen einer typischen Innenstadt herstellen, wäre er baurechtlich gar nicht zulässig!
Das Projekt des Architekten Michael Landes und des Investors Ardi
Goldmann ist ein Erfolg. Es hat sich ein urbanes Kleinod eingestellt,
das hervorragend funktioniert und angenommen wird, das an einer
Stelle, an der öffentlicher Raum bisher nicht vorhanden war, ein Stück
„Europäischer Stadt“ schafft.
4. Spielplan für die Innenstadt
Öffentlicher Raum geht in der Realität nicht immer mit einer gefühlten
Öffentlichkeit einher. Auf Parkplätzen etwa oder in zugigen Trabantenstädten macht sich eher Unwohlsein breit, umgekehrt kann sich an de
jure privaten Orten wie Malls oder Einkaufsgalerien durchaus ein urbanes Gefühl einstellen.9 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es vielleicht sinnvoller ist, von öffentlichem Leben zu sprechen als von öffentlichem Raum. Es eröffnet sich so ein umfassender Blickwinkel, der
Raum immer zusammen mit seiner Bespielung sieht.
Auch wenn nicht mehr – wie noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – private Nutzungen aus Platzgründen den öffentlichen Raum
spürbar beleben, kann nicht von einem Bedeutungsverlust sondern
eher von einem Nutzungswandel des öffentlichen Raums gesprochen
werden. Promotion-Aktionen, Straßenfeste oder Sportevents beleben
heute den Stadtraum10 – Aktivitäten, die ihrer Natur nach eng mit Konsum und Einzelhandel verbunden sind. Aus dieser Perspektive erwächst
eine Chance für einen Wandel des öffentlichen Raums, der mit der derzeitigen Finanzausstattung der Kommunen in baulicher Hinsicht kaum
möglich ist.
Die Herausforderung an die Städte liegt darin, diese privaten Aktivitäten in Bespielungsstrategien für den öffentlichen Raum mit einzubeziehen, sie für die Stadt zu „kultivieren“ und auch in Kooperation mit
dem Einzelhandel einen „Spielplan für den Stadtraum“ zu entwickeln.
Als beispielgebend für diese Entwicklungsperspektive kann die in
Nordrhein-Westfalen betriebene Initiative „Ab in die Mitte!“ gehen, die
gerade das Erlebnis, also den Gewinn an städtischem Lebensgefühl, an
Identifikation und an urbanen Erinnerungen, im Auge hat.11
7 „Union“ Frankfurt/Main: Grundriss EG
(Architekt: M. Landes)
8 „Union“ Frankfurt/Main: Straßenraum
9 „Union“ Frankfurt/Main: Nutzungsmix
103
10 Sportfestival Hamm („Ab in die Mitte!“)
11 Auf „roten Wegen“ in Münsters Innenstadt („Ab in die Mitte!“)
12 Kunstlicht, illuminierte Bäume in Bergkamen („Ab in die Mitte!“)
Die kulturellen, künstlerischen und medialen Interventionen entwickeln
dabei einen Charakter, der zumeist neben dem Ansatz einer nachhaltigen räumlichen Veränderung steht, wie wir sie als Architekten und
Stadtplaner zum Ziel haben. Die Arbeiten sind temporär, d. h. sie werden kurz- oder langfristig wieder abgebaut. Sie arbeiten kommunikativ,
prozesshaft und multimedial. Durch Verfremdung kann neue Aufmerksamkeit geschaffen und die Sichtweise auf alltägliche selbstverständliche Situationen verändert werden. Die City-Interventionen transportieren Bedeutungen und geben Anlass zur Kommunikation.
Die Auseinandersetzung mit diesen Strategien künstlerischer Arbeit
wird die Planer insbesondere beim Thema öffentlicher Raum zunehmend beschäftigen. Es wird darauf ankommen, diese kommunikativen,
temporären Ansätze in die planerische Arbeit zu integrieren und auch
als Mittel einer städtebaulichen Entwicklung zu begreifen.
In der Diskussion um Einzelhandel und Stadtraum dürfen die derzeitigen Sättigungs- und Leerstandstendenzen, vor allem in 1B- und 2erLagen, und die daraus resultierenden Probleme insbesondere für den
Stadtraum nicht vernachlässigt werden. Wollen wir diesen Tendenzen
begegnen, dann muss es darum gehen, im Zusammenwirken von Einzelhandel und Stadtraum lebendige und vielfältige „Kaufreviere“ zu
entwickeln. Weder eine rein „verhübschende“ Umgestaltung des Stadtraums, noch ein allein nach ökonomischen Aspekten ausgerichteter
Einzelhandel können dies schaffen.
Die weitere qualitative Entwicklung atmosphärischer Orte – auch am
Stadtrand, die Anreicherung der Innenstadt mit neuen Nutzungen, die
Wiederentdeckung des Stadtraums und die Integration künstlerischer
Interventionen bilden Bausteine für die perpektivische Entwicklung von
Stadt und Handel.
Juliane Kopperschmidt, Christian Moczala | Weimar
104
Literatur
1 Rempen & Partner / ifm Wirkungen + Strategien: Abschied vom Smart Shopper –
Kaufverhalten ist Revierverhalten, Düsseldorf/Köln 2001.
2 Conzen, Friedrich: Der Einzelhandel braucht Qualitätsstandorte, in: Institut für
Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes NRW (Hrsg.): „Einzelhandel –
stadt- und regionalverträglich“, Dortmund 2002, S.15.
3 Sieverts, Thomas: „Die Stadt der Zweiten Moderne, eine europäische Perspektive“, in:
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): „Stadt-Landschaft Orientierungen
und Bewertungsfragen zur Entwicklung der Agglomerationsräume“, Informationen zur
Raum-entwicklung Heft 7/8, 1998.
4 B.A.S. Kopperschmidt + Moczala: „Gestaltungs- und Entwicklungsstudie Ruhrstraße
Alt-Arnsberg“, 2003.
5 Sieverts a. a. O.
6 B.A.S. Kopperschmidt + Moczala: „Zielplanung Südliche Innenstadt Neheim. Arnsberg“, 2002.
7 Selle, Klaus: „Jenseits von Verfall und Ende? Öffentliche Räume im Spiegel der
Fachdiskussion“, in: Hatzfeld, U.; Imorde, J.; Schnell F. (Hrsg.): „Kunst (be)zeichnet
Stadt“, Münster 2002.
8 Bartetzko, Dieter (Hrsg.): „Michael A. Landes Architekt“, Union Frankfurt/Main, Hamburg 2002.
9 Rauterberg, Hanno: „Wohnzimmer ist überall: Über den Terror des Intimen“, in: „Die
Zeit“, Nr. 03/2002.
10 Selle, Klaus: „Totgesagte leben länger. Anmerkungen zur Zukunft der Plätze in den
Städten“, in: Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen, Kultur und Sport des Landes
NRW (Hrsg.): „Stadt macht platz – NRW macht Plätze“, Düsseldorf 2002.
11 „Ab in die Mitte! Die City-Offensive NRW“: Dokumentation 2001, Neuss 2001.
Theorie Stadt & Center
Victor Gruen:
The transformation of the American cityscape and landscape
1 Portrait Victor Gruen
Commerce is the engine of urbanity
Until recently, commerce, particularly retail shopping has been a
strangely neglected theme in architecture and urban design. It is impossible, however, to discuss the 19th century city without addressing
the social, commercial and programmatic impact of the department
store, and the recent interest in the corresponding history of the suburban and urban shopping center in the development of the late 20th
century city is long overdue. For its own internal reasons, architectural
culture has kept its distance from the typological and programmatic
developments of trade, and this distance is also reflected in the preoccupation of CIAM in the development of modernist city planning.
Trade, however built the city and, as Jane Jacobs said, “Commerce is
the engine of urbanity.”1
There always were exceptions to the general disinterest in trade;
many well known architects built handsome shops, often early in their
careers; and Erich Mendelssohn’s department stores built in the 1930s
for the Schocken family are well known. In the early post-war era, the
Lijnbaan shopping district in Rotterdam, built by van den Broek and
Bakema was highly influential, and in America, Pietro Belluschi, SOM,
and I. M. Pei built handsome shopping centers in the 1950s. Yet, the
recent history of retail shopping, its impact on the development of the
suburbs and its role in the renewal of the historic “downtown,” and
finally, the centrality of its significance for the late modern and contemporary city, can be traced in the built work of three individuals:
the architect-planner Victor Gruen (1903–80), the developer-planner
James Rouse (1914–1995), and the architect and planner Jon Jerde
(*1940). All three became nationally known by their shopping centers,
but later they would describe themselves as “community builders,” and
all three went on to design new towns and complete urban districts.
They each set for themselves the highest social goals and believed in
the possibility of a new humanistic city. Their work, though under
appreciated, situates them (and the program they served: retail shopping) not at the edge of architectural culture but at its center.
106
Gruen, Rouse, and Jerde
Their careers follow each other neatly, yet also overlapped: Victor
Gruen in the 50s and early 60s, James Rouse in the late 70s and
1980s, and Jon Jerde in late 80s and 90s. Gruen collaborated with
Rouse in the early 60s, and Jerde’s first West coast projects, built
under his own name, are contemporaneous with Rouse’s Festival
Marketplace projects built in East coast cities. The work of Gruen,
Rouse and Jerde marks the end of the model of the modern metropolis, an urban form based on the reform of the 19th century industrial
city. Each brought spaces, forms, and development practices, created
for the suburbs back to the city and used these to create new urban
environments. Of course, in terms of urban culture, there is nothing
older than the marketplace – it is the reason for the city – so by taking
commerce and giving it new spatial form, these individuals have set in
motion the creation of a new type of city yet, one that is rooted in tradition. Both Gruen and Rouse have been called the most important
figures in the development of the post-war American city, Jerde following much in the same pattern is still at the height of his practice.2
I propose then Gruen, Rouse, and Jerde as a triumvirate of American
citybuilders, but what kind of city did they envision and where did
their vision come from? The language of Victor Gruen’s projects was
good mid-century modern, but his vision was driven by the urban culture and public spaces of the city, in which he lived and practiced for
the first thirty-five years of his life: Vienna. Rouse, whose company was
named Community Research and Development, made the cover of
Time magazine in 1981 with the theme, “Cities can be fun.” Both
Gruen and Rouse, besides their copious built work, were polemicists
for urban culture, although Gruen’s was more traditional, and Rouse’s
more contemporary and American. The theoretical underpinning for
Jerde’s work is not to be found in writing, barely in his interviews, and
must be intuited from the intentions of his work. Nevertheless, his
vision has been shaped by the heterogeneous ensemble of the italian
hill town, infused by the thematic narrative (storytelling) of italian
baroque painting and decoration.3
Theorie Stadt & Center
Whatever their individual influences, the underlying precedent here is
Walt Disney. Gruen only occasionally mentioned Disneyland, but he
knew very well what was going on in Anaheim – Disneyland was opened a year after Northland. Rouse became notorious for claiming that
Disneyland was the most important American contribution to urbanism
in the post-war period. Disney, and his themeparks, was hardly an
issue for Jerde, who considered Horton Plaza an “urban theme park,”
and with Citywalk, finally fused shopping, entertainment and public
space.
America’s urban revolution
The careers of Gruen, Rouse, and Jerde span a period of continual
radical change in the American cityscape and landscape. Trying to
make sense of the American landscape today means looking back at
the immediate post-war years when a combination of federal legislation, consumer desire, and an explosion in the use of the automobile
set in motion new forms of building and development that changed
the American cityscape and landscape forever. This was no random
event: the loans guaranteed to returning servicemen (through the
Serviceman’s Readjustment Act of 1944), the availability of federally
insured mortgages for first-time homebuyers (made possible by the
Federal Housing Administration Act of 1934, and especially in 1949),
and the promise of ever greater mobility and access by planned federal
highways (beginning with the 1944 Federal Aid Highway Act, and
especially in 1956) encouraged developers and merchant home builders to undertake the rapid building out of the suburbs.4
3 Northland Mall, 1954
2 Regional marketing strategy
4 Northland Mall, aerial view, 1954
While increasing numbers of working and middle class families were
leaving the cities for the new suburbs, a corresponding counter-migration was taking place: changes in agricultural practice in the rural
South resulted in many African-Americans moving to the cities of the
Northeast and Midwest in search of industrial jobs. America was
undergoing fundamental change not only demographically but culturally – a nascent consumption culture would emerge from the coming
together of rising prosperity, television, and the need to equip all those
new homes.
107
The dispersal of development from the old pattern of cities and streetcar suburbs into the surrounding region rendered traditional methods
of planning and urban design ever less effective. A new planning and
new building types were needed for living, working, education, and
shopping all based on convenient automobile access. It was a period
that demanded innovation and experiment, and architects, planners
and government officials attempted to steer new development.
5 Southdale Mall, 1956
6 Southdale Mall, Masterplan, 1956
108
In this short paper, I will concentrate on the career of Victor Gruen,
and at the end return briefly with comments on James Rouse and Jon
Jerde. I will limit myself to the motivation, context, and innovation in
Gruen’s work with respect to his suburban and urban shopping centers,
and his masterplanning for existing and new towns and cities. Lewis
Mumford, the American critic, claimed that the community, or civic
center, was the missing fifth function of the modern city. The significance of Victor Gruen is, as the first of our three citybuilders, that he
made clear the connection of the marketplace – retail shopping– with
the idea of center, the importance of urban space and urban culture.
Victor Gruen: the transformation of the American cityscape
and landscape
Victor Gruen, an emerging shop designer and leader of the Political
Cabaret, fled to the U. S. as World War II approached. His experience
of the theater together with the memory of his daily life in the historic
center of Vienna, served as a vision of an ideal urban culture, a vision
that would, however, soon clash with the goals of developers trying to
meet the aspirations of most Americans. Yet, through his pioneering
designs for regional shopping centers, and his internationally recognized downtown redevelopment plans, Gruen has had a tremendous
impact on the American cityscape and landscape. He was able to
engage and innovate in the most important trends in architecture and
planning in post-war America – the impact of the regional shopping
center, downtown redevelopment, the role of urban highways, and a
revival of planning as a means to control sprawl. In addition, a leitmotiv ran throughout his work: the battle between the car and the city,
which Gruen saw as a question of values-should urban life be dominated by technological or humanistic values? As his answer, he founded
environmental planning foundations in Los Angeles and Vienna to
generate support for a new sustainable planning and development
based on humanist culture and the ecological sciences. Victor Gruen
was at the center of these discussions.
Victor Gruen was not one of the great form givers of late 20th century;
he was a commercial architect and urbanist who wanted to build, was
eager to engage compromise, and could identify instinctively what
could get built, all of which enabled him to create practicable models:
the regional shopping center, the downtown as an “environmental
oasis”, a “cluster” pattern for large-scale community planning, and a
structural model of a sustainable regional city.
Three principal elements distinguish Gruen’s theories and projects from
those of his contemporaries. First, both his regional shopping centers
and downtown revitalisation projects were driven by commerce – in
particular, retail shopping – which Gruen considered the motor of
urban culture. Having entered the field of shop and store design,
which was considered by many architects to be outside the main stream of architectural practice, Gruen had experienced some discrimination from established American architects as well as from the elite
European modern architects who had also emigrated to the U. S., not
because he was Jewish but because he was “trade,” a commercial
architect designing shops, then department stores, and later regional
shopping centers. Gruen, however, understood that the marketplace
was a place of exchange and communication, an interface between
economy and society and that merchants, more than any other group,
had created the city. The commercial was neither superficial nor “common,” and the evolution of the mercantile, which he himself was propelling, was a prerequisite for the survival of the humanist city.5
Theorie Stadt & Center
Second, at each phase of his career, Gruen was interested in creating
a public space, what he called an “environment” – for a transforming
urban experience, rather than an architectural object. In describing his
shops, he wrote of creating an ambience with light, material, and form
to transform the passer-by to a customer. Later, in his shopping centers, he used art and landscape, combined with a program of events,
in the public spaces – both outdoor and indoors – to add a sense of
leisure to the chore of shopping – his shopping centers were successful because they were convenient, comfortable and fun. Gruen took
this revolutionary novelty in retailing and used it structurally to reform
the urban spaces of towns and cities in his attempt to give a quality of
urban life back to cities in the age of the automobile.
The third distinction has to do with Gruen’s own personal history. In
Vienna he had been the impresario of a socialist cabaret, and later, in
New York, he had organized two musical revues that played successfully on Broadway. The experience of the theater, specifically Gruen’s
management of the action on the stage and his manipulation of the
audience as emcee, was the basis for his persuasiveness as a speaker,
his management of a large yet innovative architectural and planning
organisation, and is the key to his focus on the public spaces – the
stages for popular culture – in his suburban and downtown shopping
malls.
The Regional Shopping Center: Between memory and a new
vision for the city
Gruen´s urban shops and stores were not a prelude but the foundation
of his later career as a space maker and of his thinking as an urbanist
and humanist; this was what was appealing about retail architecture –
it was space that was designed for social as well as commercial exchange. His first area of influence – and perhaps most significant for
the future of the American urban landscape – was as the premier
shopping center designer from the early 1950s to the early 1960s,
particularly with the building of Northland (1954), with its outdoor
public spaces, and Southdale (1956), America’s first indoor “mall,”
built near Minneapolis. Northland was to be one of three shopping
centers Gruen Associates would build around Detroit, and the regional
marketing strategy of Gruen’s clients, the J. L. Hudson Co., was evidence that the development of the shopping center was the first stage in
the development of the American regional city.
7 Car + city
Southdale brought two further innovations to the new building type:
first, it was planned simultaneously with its own surrounding community; and second, it was one of the early two-level centers. Gruen’s first
shopping centers were published not just in professional and trade
journals but were featured in popular magazines such as Life, Esquire
and McCalls. They became showcases for a new American public lifemen, women and children in public spaces richly landscaped and filled
with art.
What were the intentions that compelled this vision? Despite their
drama and innovation, Gruen’s key role in the emergence of the regional shopping center was driven by an urban-planning problem – how
to minimise the presence of private, service, and public vehicular traffic
in order to create a public setting for the commercial, social, and cultural functions, which would reinforce each other to make a new
“urban” public place. Many critics believe the regional shopping center killed the cities, but, from the mid-1940s to the early 1960s, Gruen
understood them to be agents of recentralisation in the expanding city
region and an experiment with explicit relevance to the renewal of
downtowns. In arguments that parallel the conclusions of CIAM 8,
Jose Luis Sert’s “Summary of Needs of the Core,” published in 1952,
Gruen argued two years later in the Harvard Business Review that the
very structural principle of the regional shopping center – the separation of traffic and the creation of pedestrian areas – could be transformed to renew the failing urban cores of American cities where, since
the depression, there had been little investment.6
8 Fort Worth Downtown, Perspective
9 Fort Worth Downtown, Montage
109
The heart of the city
In a political context that must be hard to imagine today, the early
and mid-1960s were a time when even Presidents believed in the
importance of American cities to society. Perhaps, the key moment of
this optimism was Lyndon Johnson’s “Great Society” speech, delivered
at the University of Michigan in 1964:
“It is harder and harder to live the good life in American cities today.
The catalogue of ills is long. … Our society will never be great until
our cities are great. Today the frontier of imagination and innovation is
inside those cities, and not beyond their boundary. … It will be the
task of your generation to make the American city a place where future generations will come, not only to live but to live the good life.“7
10 Midtown Plaza Mall
12 Inside Midtown Plaza
11 Midtown Plaza Mall
13 New Urban Pattern: Strategy against sprawl
110
Gruen’s second area of influence was his theories and projects for
redeveloping the American downtown, whose shopping capacity was
inadequate and layout unsuitable for increasing traffic. Following the
unexecuted yet influential plan for Fort Worth (1956), with its articulation of circulation and its image of a pedestrian downtown, Gruen was
able, with Midtown Plaza, Rochester (1962), to translate his experience in the suburbs into a model of downtown redevelopment that
combined the best of private, public, and community interests. What
was radical about Fort Worth was the notion that inner city areas
might one day have better environmental conditions than the suburbs
– better air quality, more traffic safety, and the kinds of security that
one finds in a public space-all of these so that the city could once
again be a privileged living area. Midtown Plaza was Southdale come
to town, an urban shopping mall with obvious yet significant changes:
Theorie Stadt & Center
first, the parking fields of the suburban shopping center were compressed into an underground parking garage; and second, adjoining or
above the shopping areas were office towers and a regional bus station. In Fresno, California (1964), with his integrated masterplan for
the pedestrian shopping area, the “central business district,” and plan
of the regional highways, Gruen could argue that downtown was the
heart and brain not only for the city but also for its surrounding region
and that, through planning, the city could accommodate the new
twentieth-century icons – highways, shopping centers, and parking
garages. A dense urban core was emotionally and intellectually satisfying, environmentally efficient, and the only way to support public transit.
Planning versus „Sprawl“
In response to the difficulties in renewing the downtowns and continuing suburban development, Gruen proposed a triple strategy against
sprawl: first, in the short term, recentralisation by creating “new urban
cores“: to establish centrality and identity within existing sprawl by
“accelerations” of the shopping center; second, in the medium term,
building new towns beyond the greenbelts; and third, over the long
term and with federal support, building new cities as a way of balancing settlement across the U. S. Of Gruen’s new town projects, besides
creating a structure for the new university-town Louvain-le-Neuve
(1970), his principle contribution was the plan for Valencia (1965), a
new town that is still growing today. His abstract model for a hierarchical multi-centered regional city, the “Cellular Metropolis,” was a tool
for networking both old and new communities and urban cores by
means of a graduated transportation network that combined both private and public transport – anticipating current goals of planning.
In 1968, thirty years after his flight from the nazis, Gruen returned to
Vienna, where he was able to make a new inner city plan and embark
on his last crusade – environmental planning.
Legacy
What then of Gruen’s legacy: his aspirations for the city and urban
culture? By the time of his death in 1980, many of the issues he had
fought for had not only become conventional wisdom, but were being
further developed by James Rouse: there should be a desirable balance
between the automobile and urban life, and that public spaces in the
city could be inventive, even fun. The questions posed by Gruen’s projects and writing were not only taken up by James Rouse, and later
Jon Jerde, but also by a new generation of urbanists. What is the social and cultural capacity of the suburban shopping center, and how
should it function in its surrounding area? What is the role and status
of the historic downtown in the dispersed city region? What kind of
settlement models – from neighborhood to city – can meet the American desire for privacy and security but that accept the responsibility for
social as well as environmental sustainability? Today, in the arguments
of the new “New Urbanists,” the protagonists of the new “The Regional City,” critics arguing for new public space; and the political goal of
balancing private and public transport networks, there is a strange
echo.8 These battles were fought in the 1950s and early 1960s, and
their champion was Victor Gruen.
Gruen, Rouse, Jerde and the city
James Rouse confirmed and extended one of the central premises of
Gruen’s work: that to be successful, retailers must link merchandising
to recreational activity.9 Rouse’s particular innovation was to link merchandising and recreation not only to the urban, but also the historic
context, and to use investment in a commercial project to rennovate
historic structures. This strategy led, beginning in 1976, to a series of
spectacular city center developments of a new character. The two most
significant are Boston’s Festival Marketplace (1976), which included
the rennovation of Faneuil Hall, a building that played an important
role in the American revolution; and Baltimore’s Inner Harbor (1984),
which has led to a profound geographical and functional transformation of the urban core of that industrial city.
14 Fresno Pedestrian Mall
15 Fashion Show, Southdale Mall
111
Jon Jerde’s breakthrough project, following his success with the 1982
Los Angeles Olympics, was Horton Plaza, San Diego (1985), a complex
update of the urban shopping center. Horton Plaza’s atmosphere was
neither the mid-century modern of Gruen, nor the clever mix of retail
and historical setting of Rouse, but rather a brightly colored postmodern exuberance, which Margaret Crawford linked to the high postmodern of Charles Moore’s Piazza d’Italia in New Orleans. (Crawford,
M. in “You Are Here!”, 1999) Citywalk (1993), built in Universal City,
Los Angeles, amounts to a new urban development type, the Urban
Entertainment Center, and poses questions for urbanists: what is urban
and what is city? With its overturning of private/public, and real/artificial, Citywalk – ironically – is both private and artificial, while being
popular and urban. For some critics, Citywalk is a monument to ersatz
urbanity, for others however, Jerde is an urban visionary, humanist,
and creator of community places.
I have made great claims for the work of Gruen, and by extension, to
Rouse and Jerde. Contemporary accounts of their pioneering projects
are filled with hyperbole: restoring the city, renewing the downtown,
new magnets for subsequent development etc. Reports of the openings
of Gruen’s Southdale and Midtown Plaza, Rouse’s Quincey Market and
Harborplace, and Jerde’s Horton Plaza and Citywalk seem to us today
exaggerated – yet the enormous numbers of people were part of the
excitement and this was a great contrast to family and school life in
suburbia, or the usual decrepit surroundings downtown. What do
these explosions of exuberance and an electric connection between
the public and new urban architecture mean?
The suburban and urban shopping center projects of Gruen, Rouse
and Jerde illustrate the ways planners have attempted to link the design of the marketplace to urban and social reform. Architects, however, cannot “design” community, and the innovative yet selective
retailing practices of new forms of urban shopping have created their
own social inequalities.10 Architects and cultural critics have also criticised the “artificiality,” or the ersatz nature of these consumption, and
their reliance on mass tourism and impulse purchases.11 The marketplace was always a specialised place in the city. Fast evolving downtown shopping areas have taken much from shopping center design,
and not merely chain stores and private security. In 1996, consultants
charged with the modernization of Victor Gruen’s first downtown pedestrian mall in Kalamazoo, Michigan wrote: “The American downtown can be a 24-hour playground for people. The concept is centralised retail management program, that is, taking the management style
of the enclosed mall and applying it to a central city, including going
as far as to figure out what mix of stores will draw people in.”12
In contrast to these specific and justifiable critiques, and an apparent
drift towards the “suburbanisation” of the city, the general view of
Peter Hall, the distinguished planner and historian, seems more apt:
“If … you care for variety and vitality, the life of the crowds, the sense
of place and the sense of history, then you may allow that these developments give a new quality to the life of the metropolis, while reasserting the oldest values we know.”13 The contemporary city is being
enlivened by one of the oldest urban functions.
Prof. Alex Wall | University Karlsruhe
The return of retail shopping as a motor for renewed interest and
investment in the American downtown cannot in itself reverse half-acentury of disinvestment and fifty years of settlement outside of the
city; nor does it mean that people will all want to live in urban areas.
Yet, after a period of neglect and decline, the evidence is that more
people are coming to value the city for its special qualities, and the
American city will very slowly reinvent itself.
112
Theorie Stadt & Center
Notes and references
11 Sorkin, M. (Ed.), “Variations on a Theme Park”, Noonday, New York 1992; and
Huxtable, A. L., “The Unreal America: Architecture and Illusion”, New Press, NY 1997.
1 Jacobs, J., “The Economy of Cities”, Vintage, New York 1970.
2 Wall, A., “The Car and the City: Victor Gruen in America,” Quaderns 218 “Rethinking
Mobility,” 1997; and
Hall, P., “Anonymity and Identity in the Giant Metropolis,” p. 43–50, in: Mazza, L. (Ed.),
“World Cities and the Future of the Metropoles”, Vol. II (International Participants), XVII
Triennale, Electa, Milan 1988.
12 Doyle H. in Steinhauer, J., ”New York and the nation take a walk along the
Kalamazoo Mall,” New York Times, Business, Nov 05, 1996.
13 Hall, in Mazza, 1998, see note 2.
3 Anderton, F., “You Are Here!”, The Jerde Partnership International, Phaidon, NY
1999.
With essays by Francis Anderton, Margaret Crawford, Norman Klein and Craig Hodgetts.
4 Garvin, A., “The American City: What Works, What Doesn’t”, McGraw Hill, NY 1996.
5 Gruen, V., “Shopping Centers of Tomorrow”, (exhibition catalogue) 1953; and
Kapfinger, O., ”Victor Gruen und Rudi Baumfeld: Traumkarriere einer Partnerschaft,”
p. 255, in: Boeckl, M., (Hrsg.), ”Visionäre und Vertriebene,” Berlin, Wien (Ernst & Sohn),
1995, p. 255–80.
6 Gruen, V., ”Dynamic Planning for Retail Areas,” Harvard Business Review, NovemberDecember 1954, p. 53–62; and
Sert, J. L.; Tyrwhitt, J.; Rogers, E. N. , ”The Heart of the City,” Pellegrini and Cudahy, New
York 1952; see Sert, J., “Centers of Community Life”, p. 6, and “Summary of Needs at
the Core,” p. 164–168.
7 The ”Great Society” speech. President Lyndon B. Johnson, 22 May 1964, Univ. of
Michigan, Ann Arbor (Congress and the Nation, Vol. II, 1969, p. 188).
8 Duany, A. and Plater-Zyberk, E., “Towns and Town-Making Principles”, Harvard,
Rizzoli, 1991; and
Calthorpe, P., “The Next American Metropolis”, Princeton Architectural Press, NY 1993.
9 Gillette, H., Jr., ”The Evolution of the Planned Shopping Center in Suburb and City,”
JAPA (Journal of the American Planning Association), Vol. 51, No. 4, Autumn 1985,
p. 449–460.
10 ”The Future Of The American Out-Of-Town Shopping Center,” Ekistics, Vol. 16, N.
93, August 1963, p. 96–105; and
Kowinski, W., The Malling of America, 1985.
113
Centerstadt – Bausteine zu einer städtebaulichen Theorie des
Shopping Centers
1 Bellagio, Las Vegas
2 913 Ocean Front Walk
3 Venice of America
Global Play
Jon Jerde weiß alles über Shopping. Was ihn dabei umtreibt, ist die
Stadt. Ich traf Jon Jerde erstmals 1999 anlässlich des 1. Stadt & CenterKongresses in Leipzig. Niemand meiner Kollegen an der BauhausUniversität kannte ihn. Dabei ist er der Bill Gates der Shopping Center
Architektur. Seit mehr als 20 Jahren setzt Jerde die Standards. Mit der
Mall of America in Minnesota, Horton Plaza in San Diego, Beursplein
in Rotterdam, Bellagio in Las Vegas oder Canal City Hakata in Fukuoka, Japan, beweist Jerde, dass er Orte und Menschen zusammenbringen kann.
In Leipzig hatte er bereits nach einem kurzen Stadtrundgang mehr als
ein Dutzend Bleistiftskizzen von Straßen- und Platzräumen gesammelt.
Jerde ist Strömungstechniker und Bühnenbildner in einer Person. Er
versteht es wie kein anderer, Fußgängerströme in der Horizontalen und
Vertikalen zu lenken, ohne dass Staus entstehen oder die Frage nach
dem richtigen Weg aufkäme. Visceral-Architektur nennt er das, was so
viel heißt wie, dass ihn die „Eingeweide“ interessieren, also das, was
den Körper lebendig erhält.
Jon Jerde bekam als junger Student ein Reisestipendium und er fuhr
in die Toskana. Seitdem ist die Stadt auf dem Hügel, diese begehbare
Skulptur, ein Gesamtkunstwerk aus Gassen, Plätzen, Türmen, Toren,
höhlenartigen Erdgeschossläden und immer wechselnden Blickperspektiven und neuem Licht in Jerdes Stadt & Center-Projekten anwesend.
Jerdes Büro liegt unmittelbar am Ocean Front Walk in Venice Beach,
Kalifornien. Es nimmt nahezu einen Block ein. Das Erdgeschoss an der
Promenade der Althippies, Bodybuilder, Sonnenanbeter, Inline-Scater
und Millionen Touristen im Jahr wird von Fastfood-, Tattoo- und
Piercingläden eingenommen.
The Jerde Partnership International ist eine kleine verbotene Stadt. Hinein zu kommen ist nicht einfach. Nach mehreren vergeblichen Versuchen erbarmte sich ein Passant und wies mich auf eine Tür ohne Schild
hin. Bitte klingeln. Jerdes persönliches Arbeitszimmer ist ein fensterloser Raum in der Mitte des Büros, das etwa 150 Mitarbeiter zählt.
114
Ein diffuses Oberlicht fällt auf eine gemütliche Sitzgruppe mit Couchtisch. Jerde ist umringt von Kunsthandwerk, wohl aus allen fünf Kontinenten. Telefon oder Computer gibt es nicht. Stadt dessen Bücher,
Kaffee und Cola. The Jerde Partnership International entwickelt Ideen,
macht Konzepte, zeichnet Pläne, aber die lokal verankerten Partner
bauen vor Ort. Jerde sei der einzige Global Player unter den Architekten, heißt es. Sein Büro gibt an, dass im Durchschnitt eine Milliarde
Menschen im Jahr in Jerdes Räumen einkaufen, bummeln, sehen und
gesehen werden.
913 Ocean Front Walk, Venice, California, ist ein paradigmatischer Ort
im Kontext von Shopping, Center und Stadt: ein halbes Jahrhundert
vor Walt Disney hat hier ein Projektentwickler namens Abbot Kinney
1902 begonnen, den ersten Stadt-Themenpark der Moderne zu bauen.1
Vom visionären Konzept eines „Venice of America“ als Teil einer neuen
Stadt „Ocean Park“ ist heute ein fragmentarisches Kanalsystem mit
angrenzenden (gesuchten!) Villengrundstücken, der Ocean Front Walk
mit Resten der „historischen“ Vergnügungsarchitektur und die weltberühmte „Muscle Beach“ übrig geblieben.
Inmitten dieses Traumbildes von Europäischer Stadt gleicht der Büroblock von The Jerde Partnership einer mesopotanischen Stadt in Nanoformat: ein von scheinbar undurchdringlichen Mauern umschlossener
geheimnisvoller Innenraum, verschachtelt und mit einer Mitte versehen, die absolute Ruhe ausstrahlt und geradezu sakrale Stimmung verbreitet. Ausgestattet mit einer ansehnlichen Bibliothek und angefüllt
mit der Idee und den Bildern der Europäischen Stadt wird an diesem
Ort an der absoluten geographischen Westgrenze der abendländischen
Kultur eine vermeintlich rein amerikanische Institution fortgeschrieben:
das Shopping Center.
Theorie Stadt & Center
Familienbande
Auf der Rückseite seiner Visitenkarte gibt Jon Jerde mit einem Wort
einen Hinweis, woran ihm gelegen ist: placemaking. Jerdes Shopping
Center repräsentieren modellhaft den Strukturwandel der Industriegesellschaft. Sie sind keine fordistischen Verkaufsmaschinen mehr, isoliert auf grüner Wiese und bis zum Dach angefüllt mit Waren. An die
Stelle von Massenfertigung und serieller Architektur tritt eine differenzierte Produktpalette, individuelle Dienstleistungen und „zur Ware
gewordene Erlebnisse“2, die sich neue Standorte und neue Räume zur
adäquaten Entfaltung der neuen Potentiale suchen. Die Perspektive
der avancierten Shopping Center ist die Innenstadt. Die postmoderne
Handelsarchitektur sucht das urbane Milieu, das die industrielle
Handelskultur mehr oder weniger überwunden glaubte.
Die Kerne der Innenstädte und die Zentren der Stadtteile werden durch
die Überlagerung der beiden Krisenmilieus hart getroffen. Kommen
dann noch regional spezifische Probleme hinzu – wie z. B. in Ostdeutschland und in altindustrialisierten Regionen Westdeutschlands –
steht die Zukunft der Innenstadt und damit der Stadt als Ganzes auf
dem Spiel.
Ausdruck der Konfliktlagen, die aus dem skizzierten Strukturwandel
resultieren, ist die Art und Weise, mit der neue Shopping Center in der
Innenstadt aufgenommen werden (2003–2006 werden ca. 60 neue
Shopping Center in der BRD hinzukommen): als Akt brutaler Marktmacht der Großen gegen die Kleinen, oder als stimulierende Kraft, die
für eine Revitalisierung des städtebaulichen und ökonomischen Umfeldes dringend gebraucht werden.
Zurück in der Stadt wird das Shopping Center zum Symbol für den
aktuellen Stand im fortlaufenden Prozess der Modernisierung. In der
Diskussion um Für und Wider einer Integration von Stadt & Center treffen zwei Hauptstränge aktueller Krisenphänomene aufeinander: die
Krise der Stadt und die Krise des Einzelhandels. Beide Bereiche werden
im vorliegenden Buch an anderer Stelle ausführlicher behandelt, so
dass ich hier nur einige Stichworte in Erinnerung rufen möchte.
Zur Krise der Stadt: stagnierende oder schrumpfende Bevölkerungszahl; perforierte Stadt; Überalterung der Bevölkerung; Segregation;
schrumpfende Haushaltsgrößen; neue „Mitten“ in der Stadtregion;
wachsende Mobilität; Rückzug des Wohlfahrtsstaates; Verarmung der
Kommunen ...
Das Shopping Center trifft dabei in der Regel auf eine Stadtmitte,
deren zunehmend musealer und kulissenhafter Charakter gerade davon lebt, dass sich tendenziell nichts verändert. Es scheint so, gerade
weil es außen – in der Welt, in der Zwischenstadt, in den Medien – so
unübersichtlich und kalt zugeht, steigt die Bedeutung der historischen
Innenstadt als stillgelegter Partner des Fortschritts. Betrachtet man nun
den Austausch der Argumente, so stellt man durchgängig ein Grundmotiv fest: das Shopping Center wird als ahistorisches Phänomen begriffen, ein Fremdkörper, der dazu noch aus den USA kommt (Amerikanisierung!) und damit der europäischen Stadtkultur so feindlich
gegenübertritt wie der „Hamburger“ der Haute Cuisine.
Zur Krise des Einzelhandels: stagnierende oder sinkende Umsätze;
Ausweitung der Verkaufsflächen; neue Anbieter; Globalisierung;
beschleunigte Produktzyklen; Filialisierung; Überalterung der
Eigentümer; Deregulierung; e-commerce ...
Alex Wall zeigt im nebenstehenden Beitrag, dass schon im Werk und
in der Person von Victor Gruen ein Teil des Brückenschlages angelegt
ist, der Europäische Stadt und amerikanische Shopping Center verbindet.
4 Manchester, 1999
5 Calais, 2001
115
Ziel meines Beitrages ist es, nachzuweisen, dass Stadt und Center
mehr eint als die weit verbreitete Gewissheit, Antipoden zu sein, die
einen Dialog als fruchtloses Unterfangen sinnlos macht. Es wird der
Versuch unternommen, anhand von Textausschnitten und begleitenden
Bildern die historische Entwicklung von Stadt und Handel nachzuzeichnen und dabei eine Repatriierung des Shopping Centers in die Kultur
der Europäischen Stadt zu begründen.
keit, große Menschenmassen zu binden – je nach Größe zwischen
10.000 und 100.000 pro Tag – körperliche Nähe zu organisieren und
einen Ort zu prägen, erwächst die Nachfrage für Ausstellungen,
Konzerte, Theater, Sport etc..
Das Shopping Center ist analog zur alten Stadt straff organisiert, scheidet innen und außen deutlich. Bei beiden ist der Raum durch und
durch mit Kalkül gefügt – und kontrolliert.
Dies geschieht zum einen in der Hoffnung, eine Rückbesinnung auf
die „Familienzugehörigkeit“ möge die Verständigung unter den Erben
erleichtern. Zum anderen verbinde ich damit die Erwartung, fundiertere
Grundlagen für dringend notwendige Handlungsstrategien im Sinne
der „Leipziger Erklärung“ von 1999 zu generieren.
Mein Argumentationspfad führt an modellhaften Stationen der StadtHandel-Geschichte vorbei, von der Handelsstadt über die Industriestadt zur Globalen Stadt des beginnenden 21. Jahrhunderts.
Das Bild des Shopping Centers vermittelt einen ersten oberflächlichen
Eindruck von der möglichen inhaltlichen Nähe zweier zeitlich weit entfernter urbaner Körper. Entscheidend ist jedoch nicht die Form zur Beantwortung der Frage nach dem Grad der Familienzugehörigkeit des
Shopping Centers in der europäischen Stadtgeschichte. Im Mittelpunkt
steht die Frage nach der Qualität in der Beziehung von Form, Funktion,
Wirkung und Bedeutung. Das heißt z. B.: Welche der Seiten ist strukturprägend? Wie werden Konflikte produktiv? Wie wird Neues kultiviert?
Die Geschichte des Shopping Centers ist so alt wie die Europäische
Stadt. Deren Gründungsimpuls ist der Markt. Beide, Stadt und Center,
sind Produkt identischer Kräfte. Dazu zählen raumfunktionale Arbeitsteilung, Zentrenbildung, vernetzte Kommunikation und, im Verlauf der
weiteren Untersuchung entscheidend, Strukturierung, Gestaltung und
Gestimmtheit des Raumes. In beiden Fällen geht es immer auch um
Konkurrenz, Gewinnstreben und um Macht: um Marktmacht, politische
Macht und die Macht der Argumente.
Tauschplatz
Der französische Soziologe Henri Lefèbvre führt in seinem 1970 erschienen Buch „La Révolution urbaine“ eine Zeitachse der Verstädterung ein. Sie setzt mit der „politischen Stadt“ ein und kennzeichnet
damit die Stadtkultur Mesopotamiens, der hellenistischen Epoche und
des Römischen Imperiums. Auf die Stadt, die „ganz und gar Ordnung,
Erlass, Macht“ war, folgt im Europa des 12. Jahrhunderts die
„Handelsstadt“:
Die Europäische Stadt ist in den Genen des Shopping Centers angelegt. Die Verwandtschaft ist augenfällig. Auch das Shopping Center ist
räumlich kompakt aufgebaut; seine Figur ist ablesbar konturiert; es ist
als Immobilienprojekt und im alltäglichen Betriebsablauf ein komplexes
Gebilde; es ist – wie die alte Stadt – ein Tauschplatz des Kapitals. Sowohl in Victor Gruens Konzept, als auch in der Praxis ist das Shopping
Center potenziell ein bevorzugter Ort der personalen Kommunikation.
Das macht es attraktiv für Kultur im weitesten Sinne: aus seiner Fähig-
„Tauschgeschäft und Handel, die niemals fehlen, gewinnen an
Bedeutung. Ursprünglich mochten sie von suspekten Leuten, den
‚Fremden‘, wahrgenommen worden sein, aber bald werden sie auf
Grund ihrer Funktion wichtig. Örtlichkeiten, die für Tausch und Handel
bestimmt sind, tragen zunächst das Zeichen der Heterotopie. Gleich
den dort lebenden und Handel treibenden Menschen sind auch sie
ursprünglich von der politischen Stadt ausgeschlossen:
Karawansereien, Märkte, Vororte usw. Der Prozess der Integration von
Markt und Ware (Menschen und Dingen) in die Stadt besteht über
6 Shopping Center, Calais, 2001
7 Freiburg i. Breisgau
8 Noli, Ligurien
116
Theorie Stadt & Center
Jahrhunderte fort. Handel und Verkehr, unerlässlich sowohl zum Überleben als auch zum Leben, bringen Wohlstand und Bewegung. Die
politische Stadt widersetzt sich dem mit ihrer gesamten Macht, ihrem
ganzen Zusammenhalt; sie empfindet, sie erkennt die Bedrohung
durch den Markt, die Ware, den Händler, durch deren Form des Eigentums (das bewegliche Eigentum, das Geld). Es gibt unzählige Fakten,
die das beweisen: die Existenz der Handelsstadt Piräus, unweit des
Stadtstaates Athen, ebenso wie die wiederholten vergeblichen Verordnungen, die das Feilhalten von Waren auf der Agora, dem freien Platz,
dem Platz für politische Versammlungen, untersagten. Wenn Christus
die Händler aus dem Tempel vertreibt, so treffen wir auf das gleiche
Verbot, den gleichen Sinngehalt. In China, in Japan gehörte der Händler lange Zeit einer niederen Bürgerschicht an, die in ein „besonderes
Viertel“ verwiesen wurde (Heterotopie). Im Grunde gelingt es der Ware, dem Markt und dem Händler erst im europäischen Abendland, gegen Ende des Mittelalters, siegreich in die Stadt einzudringen. [...] Er
[der Markt] tritt an die Stelle des Versammlungsortes (der Agora, des
Forums), ersetzt ihn. Um den Markt, der zum wesentlichen Teil geworden ist, gruppieren sich Kirche und Rathaus (das von einer Kaufmannsoligarchie besetzt ist mit Bergfried oder Kampanile, den Symbolen der
Freiheit. Man beachte, dass die Architektur sich den neuen Stadtbegriff
zu eigen macht und ihn übersetzt. Das Stadtgelände wird zum Begegnungsort von Dingen und Menschen, zum Umtauschplatz.“3
Richard Sennet weist in diesem Zusammenhang auf den Strukturwandel der Straße und in der Folge auf eine „neue“ Zeit hin:
„Die mittelalterliche Stadtökonomie machte die Straßenwand durchlässig. Im Pariser Bezirk der Gerber auf dem rechten Ufer zum Beispiel
boten die Läden den vorübergehenden Menschen auf der Straße ihre
Waren mit Hilfe einer innovativen Fensterkonstruktion dar: Die Fenster
besaßen hölzerne Läden, die sich zu Ladentischen herunterklappen ließen. Das erste bekannte Haus, das solche Fenster besaß, stammt aus
den frühen Jahren des 12. Jahrhunderts. Indem sie die Hauswände auf
diese Weise nutzten, konnten die Händler die Passanten auf ihre Waren direkt aufmerksam machen und sie in die Läden ziehen. Die vorher
abweisenden Wände waren zu aktiven Wirtschaftszonen geworden.
Auch der mittelalterliche Innenhof trat mit dem wirtschaftlichen Treiben auf der Straße in Verbindung. Er diente sowohl als Werkstatt als
auch als Ausstellungsraum; sein Eingang wurde allmählich erweitert,
damit die vorbeigehenden Menschen sehen konnten, was drinnen
geschah. Sogar in den großen Palästen des Marais wurde der Hof
noch im 16. Jahrhundert als ein Bienenstock von Läden geplant, in
denen Waren hergestellt und an das allgemeine Publikum verkauft
wurden, und die zugleich den adeligen Haushalt im oberen Teil des
Hauses versorgten.
Die Entwicklung dieses durchlässigen ökonomischen Straßenraums zog
auch einen Wandel der Straßenzeit nach sich. Die antike Stadt hing
vom Tageslicht ab; der Handel im mittelalterlichen Paris verlängerte die
Stunden der Straße.
Die Menschen gingen zum Einkaufen in die Straßen, bevor oder nachdem die eigene Arbeit getan war; sowohl die Dämmerung als auch
das Morgengrauen wurden zu Stunden des Konsums, die Bäckereien
am Morgengrauen zum Beispiel und der Metzgerladen spät am Abend,
nachdem der Metzger sein Fleisch während des Tages gekauft, vorbereitet und gebraten hatte. Der Ladentisch blieb unten und der Innenhof unverschlossen, solange noch Menschen auf der Straße waren.“ 4
9 Möbel-Center, Weimar-Erfurt
10 Brüssel-Stadtgrundriss, Überlagerung
1200–2000
Der Stadtraum wurde offensichtlich so bedeutsam, dass das Medium
an sich schon für die Botschaft gehalten werden konnte:
11 Markt, Wissant, Pas de Calais, 2000
„Im 14. Jahrhundert glaubt man, es genüge, nur einem Markt zu gründen, Läden und Bogengänge um einen zentral gelegenen Platz zu erbauen, und Händler und Käufer würden herbeiströmen. So gründet
man (Grundherren und Bürger) Handelsstädte in nahezu wüsten Gebieten ohne Ackerbau, wo noch wandernde Halbnomaden ihre Herden
treiben. Die Städte im Südwesten Frankreichs tragen zwar klingende
Namen, aber sie sind Fehlgründungen.“ 5
117
Erfolgreich werden dagegen Handelketten wie die „Hanse“ gegründet
und ein Netzwerk privilegierter Markt-Städte entsteht, das z. B. in
Deutschland ein entscheidender Faktor der Siedlungsstruktur wird.
„Die in gewisser Hinsicht mit der Geschwindigkeit oder vielmehr Langsamkeit des damaligen Transportwesens verknüpfte Geographie erklärt
auch die Vielzahl an Kleinstädten. Im Deutschland des 15. Jahrhunderts etwa sind die 3.000 Städte unterschiedlicher Größe u. a. auch
Relaisstationen, die im Süden und Westen des Landes 4–5, im Norden
und Osten 7–8 Wegstunden voneinander entfernt liegen. [...] Indem
sie Güter und Menschen aussenden und anziehen, sind die Städte
End- und Ausgangspunkt einer fortgesetzten Bewegung.“ 6
12 Sevilla, Stadtmitte, 1992
13 Brettspiel „Auf alten Landstraßen zur
Leipziger Messe“
118
Die politische Stadt hat ca. 5.000 Jahre gewirkt. Der Handelsstadt stehen ca. 500 Jahre Machtentfaltung bevor. Eine im Vergleich zur Industriestadt mit ca. 150 Jahren dennoch lange Zeit. Der Handel richtet
sich in den Mauern und Regeln der vorindustriellen Stadt ein. Mit
zunehmender baulicher und funktionaler Dichte bildet sich ein enges
symbiotisches Verhältnis heraus, dessen Komplexität schwer zu überbieten ist. Wir können eine hochgradig differenzierte Durchdringung
von öffentlichen, privaten, religiösen, kommerziellen und sozialen
Sphären erkennen. Ästhetik und Raumkultur werden dabei zu entscheidenden Codes für eine intensiv interagierende Stadtgesellschaft auf
engem Raum:
„Eine Beschreibung Breslaus aus dem Jahr 1911 verdeutlicht die typologische Verwandtschaft zwischen dem zentralen Handelsplatz des
Mittelalters, dem Emporium der Antike entlehnt, und modernen
Einkaufszentren:
Um einen Häuserblock, der in sich wieder schmale, dem Kleinhandel
dienende Gassen einschließt, sind in verschwenderischer Breite platzähnliche Straßen herumgelegt: ‚der Ring‘. Der erste Baustein dieses
aus vier parallel angelegten produktspezifischen ‚Malls‘ bestehenden
Einkaufszentrums in Breslau entstand mit dem Bau des Kaufhauses als
Tuch- oder Gewandhaus im Jahr 1241. Zwei parallel gestellte, etwa
100 Meter lange und 8 Meter tiefe Gebäude begrenzten später einen
13,5 Meter breiten straßenartigen und an seinen Enden durch Tore
geschlossenen Hof. Diesem mall-artig entwickelten ‚magnet store‘ wurden die einzelnen ‚Bauden‘ (Buden) bzw. Läden der Reichskrämer, der
Leinwandreißer, der Bäcker und Schuhmacher in separaten Gängen
bzw. Gassengleichgerichtet angelagert – ein stationärer, architektonisch fixierter ‚Straßenmarkt‘.
Bekannt ist, dass die mittelalterlichen Läden in der Addition ihrer
Vordächer auch einen zusammenhängenden Witterungsschutz realisieren konnten. Der mitten in der Stadt angelegte und gegenüber dem
Stadtgrundriss um 7 Grad verschwenkte Handelskomplex wurde Ende
des 13. Jahrhunderts durch den Bau des Rathauses ergänzt, das sich
unmittelbar an das Kaufhaus anschloss.“ 7
Die Handelsstadt ist einerseits angewiesen auf einen stetig anschwellenden Strom des Weltverkehrs, der ihre Stellung als Tauschplatz begründet, andererseits verdankt sie ihre Existenz der Einhausung der
Transitbewegungen durch den Raumwiderstand, den sie bietet: „Das
Leipzig 1165 verliehene Stadtrecht war dagegen sehr weitsichtig mit
der Regelung verbunden, im Umkreis einen, keinen der Stadt schadenden, Jahrmarkt zuzulassen. Das Stapelrecht der 1507 etablierten Leipziger Messe reichte sogar über eine Distanz von 100 Kilometern.“ 8
Der Handel verwächst mit der Stadt und durchdringt ihren Körper. Die
Läden sind unlösbar verwoben mit dem Lebensraum darüber, daneben
und dahinter. Der wachsende Handelsstrom mäandert im Grundriss der
Stadt: „Alle Magasins fangen klein an, bauen aus, erweitern, fressen
sich mit Hilfe der konstruktiven Möglichkeiten des Eisens in die Häuser,
bauen Lichthöfe ein, Galerien, ganze Raumfluchten, statten die Verkaufsräume mit Täfelungen und Spiegeln aus und erhellen sie verschwenderisch mit Gaslicht. Künstler gestalten die Schaufenster [...]
In der Entwicklung dieser Läden zu Magazinen und großen Häusern
liegt auch die Entwicklungsgeschichte des Geschäftshauses. Das Eisen
ermöglicht die geforderte Transparenz, das den Massivbau durch den
Skelettbau ersetzt.“ 9
Theorie Stadt & Center
Karl Friedrich Schinkels Entwurf für ein Kaufhaus unter den Linden von
1827 ist noch ganz der Handelsstadtkultur verbunden indem er eigentümerbetriebene Läden mit dazugehörigen Wohnungen übereinander
stapelt.
Höhepunkt der mittelalterlich geprägten Handelsstadt ist denn auch
die Passage als der Ort, an dem die moderne Verbindung von EinzelHandel und Erlebnis-Welt, Ware und Inszenierung, das Öffentliche im
Privaten und das Private im Öffentlichen seinen Anfang nimmt. Peter
Sloterdijk bemerkt dazu: „In der Passage werden die Piazza, die Einkaufsstraße und der Salon im Zeichen der ‚Ware‘ oder des ‚Lebensstils‘
miteinander verschmolzen. Wer über zureichende Mittel verfügt, kann
sich hier das Bedürfnis verwirklichen, den Wandcharakter des gebauten Himmels zugunsten simulierter Transparenz aufzuheben. Dies ist
der immunologische Sinn des Werkstoffes Glas, dessen große Karriere
mit den Passagendächern beginnt und zu dem Geld, das seine Raumgedanken baut, eine so evidente wie tiefe Affinität besitzt.“ 10
Landmark
Die Mauern um Stadt und Handel brechen erst mit der Industrialisierung auf. Die Eisenbahn öffnet die „Knoten“ und kehrt sowohl die
Raumfunktion als auch in der Folge die Raumerfahrung radikal um: in
Zukunft übernimmt das Netz – der fließende Raum – die Macht über
Menschen und Dinge. Raum wird eine Variable der Geschwindigkeit,
also der Zeit.
Insofern ist das Warenhaus nicht mehr als eine Zwischenstation der
Modernisierung auf dem Weg ins Shopping Center. Das Warenhaus
hängt an der Nabelschnur der Eisenbahn, die im industriellen Takt bis
dato unbekannte Güter- und Menschenmassen der Stadt zuführt.
Hans-Georg Pfeifer 11 weist zurecht auf den Umstand hin, dass das
Warenhaus des 19. Jahrhunderts typologisch ein Lagerhaus ist. Emil
Zolas berühmter, 1883 erschienener, Roman „Das Paradies der Damen“
charakterisiert das Warenhaus in den Augen der sich bedroht fühlenden Einzelhändler als Kaserne und die mehrere Tausend Köpfe zählen-
de Angestelltenschar als Soldaten. Das Warenhaus ist ein Fremdkörper
und das nicht zuletzt, weil es im Stadtraum in Erscheinung tritt und so
den Abstand zur Stadt bezeugt.
Das Warenhaus dehnt das Medium der Handelsstadt– des Handels in
der Stadt – in das größt mögliche Format unter den Bedingungen
raumfunktionaler Arbeitsteilung. Es differenziert den Handel aus dem
Gefüge der gemischten Stadtfunktionen aus, konzentriert die isolierten
Teile und optimiert dabei den Tauschvorgang Ware-Geld. Am Beispiel
des Aufstiegs und Scheiterns der Warenhaus-Gruppe „Bullocks“ in Los
Angeles lässt sich der Zwittercharakter des Warenhauses zwischen
Handelsstadt und globaler Stadt prototypisch illustrieren.12
„Bullocks“ eröffnet 1907 am Broadway in Downtown Los Angeles
ein siebenstöckiges Warenhaus (Broadway Department Store) mit ca.
15.000 m2 Verkaufsfläche und erweitert dieses bis Anfang der 20er
Jahre auf ca. 50 000 m2.
Mitte der 20er Jahre ist Los Angeles bereits die am meisten motorisierte Stadt der Welt und der Wilshire Boulevard schickt sich an, zum
„Champs Elysees of Los Angeles“ zu werden. Bullock entschließt sich,
12 Meilen vor der Stadtmitte ein Warenhaus des Automobilzeitalters
zu bauen.
Die architektonischen Kennzeichen des neuen Handels sind: ein ca. 80
Meter hoher Turm bekrönt ein zwei- bis fünfgeschossiges Warenhaus
in Stahlskelettbauweise, innen und außen in feinstem Art-Deco-Stil verkleidet. Das Haus wird 1929 eröffnet und gewinnt sofort Kultcharakter.
Der 1923 in die USA emigrierte deutsche Architekt Jock Peters entwirft
die Innenausstattung. Peters war Mitarbeiter im Büro von Peter Behrens
und Direktor der Kunstgewerbeschule in Stuttgart. Bullocks Wilshire
wird eine „Landmark“, geplant für eine Ewigkeit, die 1993 mit der
Schließung des Hauses endet und das heute einer Universität als
Institutsgebäude dient.
14 London City
15 Weimar, 1994
16 Bullocks, Downtown L. A.
119
17 Bullocks, Wilshire 1999
18 Trafford Center, Manchester 1999
Die Gestalt von Bullocks Wilshire diente von Anfang an handelsstrategischem Kalkül: Der Turm trat in einem visuellen Dialog mit dem Rathausturm in Downtown und den unzähligen Einfamilienhäusern in der
Stadtlandschaft. Bullocks war von Suburbia aus nicht zu übersehen.
Die riesigen Schaufensterfronten am Boulevard zielten nicht auf Fußgänger, sondern auf die vorbeifahrenden Autoinsassen, ganz gemäß
der Vorhersage Frank Lloyd Wrights, dass der Raum in Zukunft vom
Auto aus „erfahren“ wird. Konsequent wird der Haupteingang des
„Warentempels“, der „Kathedrale“, des „Juwels“ an die Rückseite verlegt, wo sich der Parkplatz befindet.
Bullocks Wilshire ist in mehrfacher Hinsicht ein ungleichzeitiges Produkt
der Handelsarchitektur und der Stadtentwicklung: Bullocks verlässt die
Stadtmitte, weil die Bürger sich anschicken, mit dem Auto, statt mit
der Bahn zu fahren und verkennt, dass die Zukunft von Suburbia gerade erst einsetzt. Für Suburbia ist die adäquate Form zu bauen nicht der
aus der Beengtheit der alten Stadt resultierende Turm oder der Block,
sondern die „Kiste“, der Flachbau. Der Kunde des Industriezeitalters ist
Industriearbeiter oder Angestellter. Großbürgerlicher Glanz auf der grünen Wiese ist nicht konkurrenzfähig. Schließlich wirkt der städtebauliche Impuls vollkommen deplaziert: Block und Turm ohne Blockstruktur;
eine Kathedrale ohne Cité; feingliedrige Fassade in dauerhaftem Stein
künstlerisch modelliert ohne die Blicke der Flaneure.
Victor Gruen kehrt in seinem Konzept des Shopping Centers typologisch wieder hinter das Warenhaus zurück und greift die Potenziale
des Grundrisses der Europäischen Stadt auf: während das Warenhaus
sich vom Grundriss emanzipiert und dabei tendenziell eine vertikale
Stadt anstrebt, die ein Raumerlebnis sein soll, baut Gruen auf das
Straßen-Parzellen-Muster als Leitmotiv. Er trennt wieder „private“
Läden vom „öffentlichen“ Weg-Raum. Auf einer Fläche kann das Center wie auf einem Tableau Blickpunkte und Blickachsen um Objekte
herum organisieren. So gewinnt Gruen die perspektivische Raum-
120
dimension der Straßen und Plätze der Handelsstadt zurück. Die Rückkehr zum Boden erlaubt die Integration von Landschaft und natürlichem Licht.
Das Center versammelt wieder eine Vielzahl von unabhängigen Läden
und Dienstleistungen und arrangiert so eigene „Adressen“ und „Hausnummern“ – z. B. an der „Peel Avenue“ im Trafford Center in Manchester (benannt nach dem Investor).
Gleichwohl ist das Shopping Center von ‚Stadt‘ noch weit entfernt:
weder existiert ein öffentlicher Raum – also eine der Stadt zugehörige
Sphäre – noch wird im Center gewohnt oder dominieren eigentümergeführte Läden.
Die Realität der Big-Box-Retailer in den USA zeigt, dass Gruens Konzept auch sehr viel einfacher, aufs ökonomisch Wesentliche reduziert,
umgesetzt werden kann, nämlich als Billigbaukiste um einen Knochengrundriss mit zwei Anchorstores und Ladenzeilen entlang der Mall.
Die „Kiste“ bleibt im Programm, wenn es um Versorgung mit Gütern
des alltäglichen Bedarfs geht und nicht um „Erlebnisse“. Der Knochen
ist das Relikt des Industriezeitalters.
Den vorläufig letzten paradigmatischen Schritt in der Beziehung von
Stadt und Handel leitet Jon Jerdes „Horton Plaza“ – Projekt 1985 ein
und begründet damit den aktuellen Prozess der Reintegration von
Stadt und Handel unter den Bedingungen des Globalen Zeitalters.
Theorie Stadt & Center
Spatiodynamisches Theater
Horton Plaza nimmt sechs Blocks in Downtown San Diego ein. Zum
Zeitpunkt der Planung ist die City wie nahezu überall in den USA auf
verlorenem Posten in der Konkurrenz mit Suburbia und dem neuen
Phänomen der „edge cities“. Jerdes Shopping Center schweißt die
Blocks zusammen und schlägt gleichzeitig Schneisen in sie hinein, die
nach innen und außen Transparenz schaffen. Er behandelt die Blocks
wie einen Berg aus Ton und modelliert diesen Körper nach dem Vorbild
der toskanischen Hügelstädte. Tiefe Gassenschluchten treffen auf lichte
Plätze. Brücken, Treppen und Mauernscheiben werden skulptural inszeniert. Überraschende Blickbeziehungen bringen immer wieder die umgebende Stadtmitte ins Bewusstsein. Horton Plaza ist die Initialzündung
für eine erfolgreiche Revitalisierung der Mitte San Diegos.13
Paseo Colorado ist ein „Retail-Residental „Urban Village“ 14, das im
Oktober 2001 im Zentrum von Pasadena/Kalifornien eröffnet wurde.
Das auf historische Gebäudesubstanz spezialisierte New Yorker Architekturbüro Ehrenkrantz, Eckstut&Kuhn hat in einem 200 MillionenDollar-Projekt das erst 1980 gebaute Plaza Pasadena Center komplett
restrukturiert. Aus einer riesenhaften, unansehnlichen Mall – „that ruined the heart of downtown“– ist ein „benchmark projekt“ entstanden:
„This time around, Pasadena tore down an ugly mall and built an
urban village – a case study on whether Southern Californians will
abandon their gardens and gas grills to live within walking distance of
grocery store, gym and a train station.“
Die Besonderheiten dieses Modellprojekts des New Urbanism sind:
Auch ein „fordistisches“ Center kann umgenutzt und urbanisiert werden; der Stadtgrundriss wird wiederhergestellt; Achsen, Wege, Plätze,
Treppenanlagen prägen den Raumeindruck; auf zwei Geschosse Shopping werden vier Geschosse Wohnen aufgesetzt, insgesamt 387 Apartments für 600 Einwohner: „Opening ceremonies seem to emphasize
culture, not consumerism.“ Für den Developer Trizec Hahn ist das
Projekt „a new prototype for urban renewal“.
The Oracle in Reading, Südostengland, hat 1999 der Geschichte von
Stadt und Handel eine bemerkenswerte Dimension eröffnet: vom Londoner Architekturbüro Haskoll & Company entworfen, arrangiert das
auf die Region ausgerichtete Mega-Center einzeln ablesbare Baukörper, unmittelbar an die Fußgängerzone anschließend und an den
kanalisierten River Kennet.
Am Fluss entsteht eine öffentlich gewidmete, großzügig dimensionierte
und aufwändig gestaltete Promenade, die sich auf jeder Seite, über
eine Brücke verbunden, zum Platz erweitert. The Oracle ist Impulsgeber für eine ganze Reihe anschließender Investitionen und WohnMischnutzung im großstädtischen Maßstab. In einer eigens publizierten Broschüre „Art and Architecture“ 15 der Investors „Hammerson“ ist
zu lesen: „When Hammerson became involved with The Oracle projekt
in 1996, it was clear this would be no ordinary shopping centre.
Reading Borough Council was looking for something ‚special’ – a
development that would express a town‘s successful new identity as a
thriving centre for new technology. It also saw this riverside‘s potential
to become a new heart for the town – a large civic space that Reading
has always lacked. [...] They were very aware that The Oracle would
have to compete for the public‘s retail and leisure spending against
other existing und future offers and, increasingly, new forms of retailing such as the internet. Rather than build simply a retail space,
Hammerson‘s vision was to create an environment where people enjoy
spending their shopping and leisure time, 24 hours a day. One half of
the strategy was not only to integrate The Oracle within the existing
town, but also establish it as the new heart of Reading. [...] The other
half of the strategy was to include contemporary art, not only in it‘s
own right, but also to stimulate creative thought to define The Oracle
as an ‚event’“.16
19 Trafford Center, Peel Avenue
20 Horton Plaza, San Diego, CA, 1999
21 Paseo Colorado, Pasadena, CA, 2001
Der Handel hat die politische Stadt zur Handelsstadt transformiert. Er
hat die „Behälterstadt“ (Klaus Humpert) als Knoten von Handelsnetzwerken entscheidend räumlich, sozial und kulturell geformt. Das der
Handelskultur strukturimmanente Moment des Austauschs, der Be121
22 Paseo Colorado, Pasadena, CA, 2001
23 The Oracle, Reading, GB
wegung und des Transits von Ware, Geld und Menschen sprengt
schließlich die Symbiose von Stadtkörper und Handelsadern, Bürger
und Händler und kulminiert in der Zellteilung von Stadt und Handel.
Analog verschwindet das eigentümergeführte Handelsunternehmen –
vom Tante-Emma-Laden bis zum Warenhaus – und wächst die Struktur
filialistischer Läden der national bis global organisierten Handelsmarken.
Das Shopping Center jenseits der Stadt, inmitten von Suburbia, ist die
logische Konsequenz des Prozesses der Rationalisierung und Ausdifferenzierung des historischen Zusammenhangs ‚Stadt‘.
Dieser Prozess hat sich in den USA, dem „Pionierland der Moderne“
(Peter Sloterdijk) am radikalsten niedergeschlagen. Dort existieren
heute ca. 15.000 Shopping Center, die etwa die Hälfte des Einzelhandelsumsatzes auf sich vereinen (zum Vergleich, in Deutschland
etwa 8%).
Das Shopping Center ist weder amerikanisch noch europäisch, sondern
der westlichen Kultur und der darin wirksamen – und zunehmend bedeutsamer werdenden – Ökonomisierung aller Lebensbereiche geschuldet. Klaus-Dieter Weiß 17 erinnert an das „Pilotprojekt Aldens-X-Store“,
das der in die USA emigrierte deutsche Architekt Ferdinand Kramer
1954 als Prototyp des „visuellen Einkaufens“ „nach dem Formenrepertoire der Bauens“ entwarf. Kramer, einer der Protagonisten des
„Neuen Bauhaus“ in der Ära Ernst May im Frankfurt der 20er Jahre,
setzt hier mit großer Selbstverständlichkeit die Vision der Maschinenmoderne mit wissenschaftlich-technischer Akribie in die Handelsarchitektur um.
Ein anderer Europäer, der ungarisch-französische Lichtkünstler und
Urbanist Nicolas Schöffer hat in seinem 1970 auf deutsch publizierten
Buch „Die kybernetische Stadt“ 18 die „typisch amerikanische“ Idee der
90er Jahre – das „urban entertainment center“ – eindeutig vorgezeichnet.
122
Das Konzept der kybernetischen Stadt ist ganz der „Heller als tausend
Sonnen“ (Robert Jungk) – Machbarkeitseuphorie technischer Zukunftsentwürfe der 60er Jahre verhaftet. Unter der Überschrift „Die Einkaufszentren“ entwickelt Nicolas Schöffer folgende Gedanken: „Außer den
kleinen Verteilerzentren muss man noch einen Typus von mittleren und
großen Verteilerzentren planen; die Amerikaner nennen sie ‚shopping
centers‘, wo man praktisch alle Konsumgüter vorfindet. Ihre Größe und
ihre Lage müssen mit Rücksicht darauf geplant werden, dass das
‚shopping‘ eine Form der Freizeitgestaltung geworden ist.
Infolgedessen muss ein Einkaufszentrum auch gleichzeitig eine Freizeitstätte sein. Im Lauf meiner weiteren Ausführungen wird man
sehen, dass in meinem Plan für das ‚spatiodynamische Theater‘ das
Zentrum aus einem ‚shopping center‘ besteht, das von einer ausgesprochenen Schauspielfabrik umgeben ist.“ 19
Eine detaillierte Beschreibung „Theater- und Freizeitzentrum“ macht
deutlich, dass der Künstler weitsichtig städtebauliche und urbanistische Strukturmerkmale postindustrieller Shopping Center erkannt hat
und für seine kulturellen Zwecke zu nutzen gedenkt: dass es ein „fester
Ort“ ist mit einer „bestimmten Architektur“, mit einem „Inneren“, das
„dynamisch“ ist und ständig ein „totales Schauspiel“ bietet. Zwischen
Kultur und Kommerz kann sich das Publikum „leicht [...] hin- und herbewegen“: „Eine der bevorzugten Stätten der Freizeitgestaltung wird
das spatiodynamische Theater sein. Ein fester Ort mit einer bestimmten
Architektur, aber in seinem Inneren wird ständig ein dynamisches und
totales Schauspiel abrollen. Dieses Theater besteht aus einer eiförmigen Hülle mit akustischem Profil von 100 bis 250 Meter Durchmesser.
Das Publikum befindet sich in der Mitte und im Inneren der Schale, auf
einer hyperbolischen Vorrichtung, die sich rund um eine zylindrische
Spindel dreht. Diese Spindel enthält ein Geschäftszentrum, von dem
bereits die Rede war. Das Publikum kann sich leicht zwischen dem
Geschäftszentrum und den Zuschauerlogen hin- und herbewegen,
obwohl die hyperbolische Vorrichtung, welche die Logen enthält, sich
langsam, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in beiden
Richtungen dreht.“ 20
Theorie Stadt & Center
Urbanistische Konstanten
In der langen Geschichte von Stadt und Handel lassen sich aus städtebaulicher Perspektive immer wiederkehrende Herausforderungen einer
Integration beider Sphären identifizieren, die den Charakter von urbanistischen Konstanten haben:
1. Heterotopie
2. Dynamik
3. Zentralität
4. Kulturalität
1. Heterotopie
Am Beginn der Europäischen Stadt ist der Händler das Fremde. Das
„Andere“ kommt immer von außen, wie das Kapital und die Ware, und
beansprucht einen Ort innen. „Es gibt aber neben „dem Ort an sich“
noch einen weiteren, den „anderen Ort“. Was macht ihn zum anderen
Ort? Ein Unterschied, der ihn bezeichnet, indem er ihm (sich) in bezug
auf den ursprünglich untersuchten Ort einen Platz anweist. Das ist die
Hetero-Topie“.21
Der Handel zieht das Außen an. Heute heißt außen Globalisierung,
konkret: Shopping Center. Global trifft auf lokal, Außen auf Ort,
Nachbarschaft, (business-)community. „Stadt als Ort gemeinschaftlichen Handelns“22 ist gefordert. Joachim Huber: „Eine Stadt repräsentiert ein immerwährendes Ausgrenzen und Eingrenzen im kulturellen,
psychischen und physisch-materiellen Topi. Sie eröffnet die Möglichkeit
einer Topologie des Außens, als die man die Homologie bezeichnen
könnte; und sie implizieren die Notwendigkeit einer ersten Differenz
als Grenze, Marge, Boundry.“23
2. Dynamik
Markt, Messe, Ladenstraße, Passage, Kaufhaus, Shopping Center:
Klar begrenzte Orte ziehen Menschen an, verdichten Raum und Zeit.
Die Messestadt: Weltstadt auf Zeit. Das Shopping Center: Erlebniswelt
auf Zeit. Märkte sind beweglich wie Waren, Waren bewegen Märkte:
„... Märkte, die wöchentlich in den Straßen aufgebaut wurden,
Märkte, die häufig aus diesem durchlässigen Raum in die Innenhöfe
oder sogar die zahlreichen kleinen Friedhöfe der Stadt hineinschwappten. Während des 12. Jahrhunderts setzten diese Straßenmärkte im
wöchentlichen Turnus den Handel fort, der auf den jährlichen Messen
begonnen hatte, [...]. Diese Markträume machten die Macht des
Staates, den Handel zu regulieren, gründlich zunichte. Händler, die auf
dem einen Markt durch Regulierungen behindert wurden, zogen einfach zum nächsten weiter.“24
24 Spatiodynamisches Theater, Nicolas
Schöffer, 1970
Jede Woche eine neue Welt (Tchibo): „Maßgeschneiderte Produktion,
permanente Innovation und kontinuierliche Verbesserung, sowie immer
kürzere Lebenszyklen von Produkten: In dieser Welt hat nichts Bestand.
In einer Ökonomie, deren einzige Konstante der Wandel ist, macht es
wenig Sinn, bleibende Werte anzuhäufen.“25
3. Zentralität
Shopping Center nur noch in städtebaulich integrierter Lage: Wie weit
„ab in die Mitte“? Wie nah ans Zentrum? Wie tief ins Sein des Ortes?
„Kein Ort der Freizeitgestaltung, der Feier, des Wissens, der mündlichen oder schriftlichen Übertragung, der Erfindung, der Schöpfung
ohne Zentralität.“26 In der Antike „...haben Städte (grundsätzlich) zwei
Arten von Funktionen zu erfüllen: primär die konkrete Erhaltung des
Lebens, sekundär die symbolische Strukturierung der Gesellschaft.“27
25 Kybernetische Stadt, Nicolas Schöffer
123
Die Stadtmitte ist ein Schnittpunkt von Zentralitätsbewegungen: Ist
die Mitte neutral oder leer wie die frühere Agora und damit „... Raum
für alle Aktivitäten der Gemeinschaft [...] nicht zuletzt [...] politischer
Raum,“28 oder wird Mitte von der „Tyrannei der Marken“ auf ihrer
„Jagd nach Bedeutsamkeit und jungfräulichem öffentlichen Raum“29
lediglich zum Standort mit der höchsten Kundenfrequenz im urbanen
Kontext?
26 The Venetian, Las Vegas, 2001
4. Kulturalität
„Der homo oeconomicus lebte im Raum, nicht für den Ort.“30
Richard Sennett projiziert die Stadt-Handel-Problematik auf die
Unterscheidung zwischen Ort und Raum, die „für die Stadt grundlegend ist“ und den latenten Konflikt zwischen Kultur und Kapital widerspiegelt: „Die weltliche Arbeit des mittelalterlichen Paris fand im städtischen Raum statt, nicht an Orten: Räume konnten gekauft und verkauft, der Form nach durch An- und Verkauf verändert werden.
Dadurch wurde der Raum zu dem Territorium, in dem – und nicht für
das – eine Person arbeitete. Der Bourgeois bediente sich des öffentlichen Raums. Die Unterscheidung zwischen Raum und Ort ist für die
Stadt grundlegend. [...] In der Wirtschaft verbanden sich der funktionale Gebrauch des Raums mit dem opportunistischen Gebrauch der
Zeit. Die christliche Zeit dagegen ruhte auf der Lebensgeschichte Jesu,
einer Geschichte, die allen Menschen geläufig war und ihnen Gewissheit gab. Die Religion forderte eine emotionale Bindung an den Ort
und verknüpfte sie mit einem Gefühl für erzählte Zeit. [...] Der Widerstreit zwischen Ort und Raum, zwischen Festgelegtsein und Opportunität, zwischen Mitleid und Aggression spielte sich in jedem Bürger
ab, der versuchte, Glaube und Profit in der Stadt zu vereinigen.“31
Jeremy Rifkin konstatiert , „Dass (heute) die kulturelle Sphäre in der
kommerziellen aufgeht, zeigt einen grundlegenden Wandel in den
menschlichen Beziehungen: mit beunruhigenden Folgen für die gesellschaftliche Zukunft.“32 Die Herausforderung lautet: „Eine für das kommende Zeitalter ganz wesentliche Aufgabe wird sein, wieder eine
sichere Balance zwischen Kultur und Kommerz herzustellen. Die
124
Kommerzialisierung des Zugriffs droht die kulturellen Ressourcen über
die Maßen auszubeuten und zu erschöpfen, vergleichbar etwa mit der
Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Industriezeitalter. Die Frage ist,
ob und wie es gelingen kann, die bestehende reiche kulturelle Vielfalt
zu erhalten und zu mehren. Denn sie ist der Lebensnerv jeder Zivilisation – auch der einer globalen, vernetzten Wirtschaft, die den bezahlten Zugang zu vermarkteten kulturellen Erlebnissen ins Zentrum
ihrer Aktivitäten stellt.“33
Shopping, Center und Stadt treffen in der Postmoderne wieder unmittelbar aufeinander. Was der Markt räumlich und zeitlich mehr und
mehr trennte, fügen die (Raumordnungs-)Politik und eine Erlebnisstatt Produktökonomie wieder zueinander.
Centerstadt
Die Renaissance der Stadt steht auf dem Programm. Doch die Fragen
nach der Überlagerung von Außen und Innen, nach den unterschiedlichen Geschwindigkeiten von „Orten“ und „Welten“, danach, wer
oder was „in die Mitte“ darf und welche Leitrealität Richtung und Maß
vorgibt, haben sich nicht erledigt. Ganz im Gegenteil:
Die avancierten Shopping Center-Konzepte des beginnenden 21. Jahrhunderts lassen grundlegende Tendenzen erkennen, die neu sind und
an das Selbstverständnis der Europäischen Stadt in ihrem „Innersten“
rühren:
1. Die Emanzipation der Shopping Center Industrie vom Shopping und
deren Transformation zur Stadtindustrie;
2. Die Dominanz der Marken über die Produkte und die Transformation des Shopping-Centers zum Raum-Schiff der Global Player.
Theorie Stadt & Center
1. Stadtindustrie
Die Shopping-Center-Industrie hat das Erbe der Marktplätze, Ladenstraßen, Passagen, Kauf- und Warenhäuser gut angelegt: Es dürfte
keine anderen Akteure auf dem Markt der Stadtentwicklung geben,
die ein so profundes Wissen über „the making of“ eines Ortes, einer
Atmosphäre, einer Raumstimmung zur Verfügung haben, wie die Projektentwickler-Teams des Shopping Centers, ganz abgesehen von der
Durchsetzungsfähigkeit im politisch administrativen Alltagsgeschäft.
Seit mehr als fünfzig Jahren sorgen weltweit vernetzte Wissensgemeinschaften – nicht die Universitäten! – wie das „Urban Land Institute“
oder der „International Council of Shopping Centers“ dafür, dass keine
Woche vergeht, ohne dass das Produkt Center wie das Produkt Stadt
qualitativ fortgeschrieben würde!
Je mehr „Access“ in den Vordergrund des Marktes tritt, desto wichtiger
wird es offensichtlich, Shopping als Sinnstiftung für begrenzte Zeiträume zu überwinden und gleich ganzheitlich Lebensqualität als Produkt anzubieten. „Sich wohl fühlen“ rund um die Uhr wird zum Marktziel. Und ein Ort ist dazu ideal: die Stadtmitte!
Die Frankfurter Welle ist ein CityQuartier der Union Investment Gruppe
DIFA. Auf dem Gelände der ehemaligen Frankfurter Metallgesellschaft
hinter der Alten Oper wurde 2002 „– nach amerikanischem Vorbild –
die Kombination von Arbeiten, Wohnen, Einkaufen und Freizeitaktivitäten, [kombiniert mit der] Berücksichtigung, ja Integration der gewachsenen Umgebung.“34 So entstand, konzipiert von JSK-Architekten
in Frankfurt „urbanes Leben vom Feinsten“.34
Statt eines vorgesehenen Hochhauses baut die DIFA ein „...innovative(s) Immobilienensemble mit besonderer Zukunftsorientierung [...]
eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft urbanen Lebens.“35 Rückgrat der „Frankfurter Welle“ ist ein offener Raum diagonal durch den
Block geführt, der einen, von einem künstlerisch gestalteten Wasserlauf begleiteten Weg, einrahmt: „Am Puls des urbanen Lebens öffnet
sich das DIFA-CityQuartier als Erlebensraum und Marktplatz der vielfältigen Möglichkeiten.
Es gliedert sich organisch ins gewachsene Umfeld ein und ist vitaler
Teil eines Prozesses, der die Stadt wieder menschlicher macht. Als
sichtbares Zeichen seiner integrativen Wirkung prägt die urbane Architektur den Standort des CityQuartiers und strahlt als ‚Landmark‘Gebäudeensemble Zukunftsorientierung auf das Umfeld ab. Das
CityQuartier ist offen und öffentlich. Es kommuniziert nach außen
und nimmt Kommunikation von innen auf.“
2. Bergungsindustrie
Shopping Center werden erst dann finanziert und gebaut, wenn
„Anchor-Stores“ mitgehen und das heißt in der Regel Handelskonzerne
und Markenwelten. Das Shopping Center wird, wie in den USA schon
seit langem, auch in Europa mehr und mehr ein Sammelplatz der
Global Player und nationalen Filialisten. Andererseits: wie würde man
sich ein „Haus“ für globalisierte Händler sonst vorstellen? Wenn der
Begriff „Globalisierung“ einen lebendigen Ausdruck im Alltagsleben
der Menschen in den Städten und Stadtregionen hat, dann ist es in
Gestalt des Handels und des Shopping Centers.
In diesem Haus wird es immer schneller, immer bildreicher und virtueller zugehen: „Wir bieten unseren Kunden jeden Tag ein neues Kleidungsstück in unseren Läden an [...] Inzwischen gibt es nahezu keine
Unterschiede mehr in den Modewünschen – ob in Monschau oder
Mailand“ sagt H&M-Mann Mathias Geduhn von H&M Deutschland mit
Sitz in Hamburg.“36 „Bei Zara [...] erfolgt das Design an einem Tag,
acht Tage benötigen die Spanier im Schnitt zur Produktion, weitere ein
bis zwei Tage dauert die Auslieferung der Ware. Ein Artikel muss innerhalb von drei Tagen verkauft werden“ so die Berater.37
„Nike macht ‚Sport‘, keine Schuhe;... Microsoft ‚Kommunikation‘, ...
Starbucks produziert ‚Gemeinschaft‘, ...Virgin ist eine ‚spaßbetonte
Einstellung‘,... Diesel ‚eine Bewegung‘.“38
27 Frankfurter Welle, 2002
28 The Oracle, Reading, GB
125
29 Tempeloval von Chafadji
30 Trafford Center, Manchester
Angesichts der unendlichen Binnenwelten der globalen „Marken“ und
Produktimages ist es vorstellbar, dass das Shopping Center der Zukunft
genau diesen Daseinsgrund kultiviert: als Gehäuse für unsere globalen
Heterotopien. Es würde die Grenze markieren und die Nahtstellen moderieren, die zwischen Stadt und Welt (der Waren und Bilder) liegen.
Das Shopping Center wäre der Ort und die Sphäre des Globalen – die
„Stadt“ wäre entlastet und herausgefordert zugleich: das Lokale, das
Eigene, das Selbst zu provozieren und zuzulassen. Lokale Akteure
zurück in die 1A-Lagen. Nur Spannung lässt Energie fließen.
Peter Sloterdijks Deutung der mesopotamischen Stadt als „Selbstbergung“ hinter dicken Mauern angesichts eines tief empfundenen Ausgesetztseins des Menschen in einen All-Raum ohne Grenzen lässt eine
Vielzahl von Analogien zum Shopping Center und dessen Beliebtheit
bei den „Massen“ zu. „Jede Stadt der frühen, ungeheuren Art wartet
auf etwas, was von weit kommt und was weit führt, und in ihrer Kraft,
auf Fernes zu warten und Fernes herauszufordern, liegt das Prinzip
ihres Bestehens.“39
„Die massiv und vielfach ummauerte Stadt hilft ihren Einwohnern,
den Gottkönigen und ihrer Umgebung, die das Gottkönigtum mitdenkt,
mitbaut, miterhebt, die Infektion durch das Außen zu ertragen. Die
gigantische Mauer unterstützt die Stadtbewohner bei ihrem Versuch,
ihre Seelenentzündungen durch den innerlich begriffenen Großraum zu
überwinden. Der wahre Sinn der Mauern ist es, dass sie ihren zum
Großdenken angehaltenen Einwohnern fortwährend zeigen, wie der
Stand der Dinge ist.“40
Das Trafford Shopping Centre eröffnete 1998 in Manchester, GB, eine
Kuppel-gekrönte, achsial-symetrische Anlage mit ca. 130.000 m2
Verkaufsfläche, „built for the 21st century [...] to last more than 150
years“ und ca. 1 Milliarde € teuer:
„To try and express this development as a single formally composed
building would be unsuccessful on account of sheer size of the complex. A more useful analogy would be a walled town where the major
126
buildings, such as the department stores together with the entrances,
restaurants and glazed areas, provide architectural emphasis and excitement. The glazed domes over the central malls define the Centre
when viewed from a distance.“41
Schluss und alles auf Anfang: „Der Hegelsche Satz, dass das
Vernünftige wirklich und das Wirkliche Vernünftig sei, hat für die
Architektur vor allen anderen Gebieten Geltung, denn in ihr erlangen
die Ordnungsideen logischer und idealgeometrischer Struktur zuerst
materielle Dichte.“42
Prof. Wolfgang Christ | Bauhaus-Universität Weimar
Theorie Stadt & Center
Literaturangaben
20 Schöffer, Nicolas, a. o. O., S. 92.
1 Springer, Arnold, „History of Venice of America – Vol.1. The Venice Canals
1850–1939“, Venice 1992.
21 Levèbvre, Henri, a. o. O., S. 45.
2 Rifkin,Jeremy, „Access – Das Verschwinden des Eigentums“, Frankfurt a. M. 2000.
3 Lefèbvre, Henri, „Die Revolution der Städte“, Frankfurt am Main 1990, S. 15/16.
22 Hölscher, Tonio, „Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten“, Heidelberg
1998, S. 15 ff.
23 Huber, Joachim, „Urbane Topologie – Architektur der randlosen Stadt“, Weimar
2002, S. 276.
4 Sennet, Richard, „Fleisch und Stein – Der Körper und die Stadt in der westlichen
Zivilisation“, Berlin 1995, S. 243/244.
24 Sennet, Richard, a. o. O., S. 250.
5 Lefèbvre, Henri, „Die Revolution der Städte“, a. o. O., 1990, S. 16.
25 Rifkin, Jeremy, a. o. O., S. 13.
6 Braudel, Fernand, „Sozialgeschichte des 15. bis 18. Jahrhunderts – Der Alltag.“,
München1985, S. 548.
26 Levèbvre, Henri, a. o. O., S. 105.
27 Hölscher, Tonio, a. o. O., S. 18.
7 Weiß, Klaus-Dieter, „Warenaustausch nach amerikanischem Vorbild Einkaufszentren,
Shopping-Center, Mega-Malls“, in: Div. Autoren, „Architektur für den Handel“, Basel,
1996 S. 166.
28 Hölscher, Tonio, a. o. O., S. 37.
29 Klein, Naomi, „Die Tyrannei der Marken“, in brand eins 05/2001, S. 102.
8 Weiß, Klaus-Dieter, a. o. O., S. 158.
30 Sennett, Richard, a. o. O., S. 258.
9 Geist, Johann Friedrich, „Passagen. Ein Bautyp des 19.Jahrhunderts“, München
1982, S. 81; in: Pfeifer, Hans Georg, „Entstehung und Entwicklung der Kauf- und
Warenhäuser von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 30er Jahre des 20.
Jahrhunderts“; in: Div. Autoren, „Architektur für den Handel“, a. o. O., S. 26.
31 Sennett, Richard, a. o. O., S. 235 ff.
32 Rifkin, Jeremy, a. o. O., S. 20.
10 Sloterdijk, Peter, „Sphären II – Globen“, Frankfurt a. M. 1999, S. 459.
33 Rifkin, Jeremy, a. o. O., S. 20.
11 Pfeifer, Hans Georg, „Entstehung und Entwicklung der Kauf- und Warenhäuser von
der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts“; in: Div.
Autoren, „Architektur für den Handel“, Basel, S. 26.
34 Mensch & Büro, 3/2002.
35 Alle folgenden Zitate zum Projekt: DIFA, Deutsche Immobilien Fonds AG,
„Willkommen im DIFA-CityQuartier“, Hamburg 2003.
12 Davis, Margaret Leslie, „Bullock Wilshire“, Los Angeles 1996.
36 Brankamp, Tom; Michall, Tobis, „This is what you need“, brand eins 08/2002, S. 76.
13 Bradbury, Ray, „You are here“, London 1999.
37 Brankamp, Tom; Michall, Tobis, a. o. O., S. 78.
14 Alle folgenden Zitate zu „Paseo Colorado“: „Los Angeles Times“, 28.09.2001.
38 Klein, Naomi, a. o. O., S. 102.
15 Reid Peter, „Art and Architecture“, London 1999, S. 4.
39 Sloterdijk, Peter, a. o. O., S. 273.
16 Reid Peter, „Art and Architecture“, London 1999.
40 Sloterdijk, Peter, a. o. O., S. 303 ff.
17 Weiß, Klaus-Dieter, a. o. O., S. 174.
41 „The Trafford Centre Information Pack“, Manchester 1999, S. 3.
18 Schöffer, Nicolas, „Die kybernetische Stadt“, München 1970.
42 Sloterdijk, Peter, a. o. O., S. 438.
19 Schöffer, Nicolas, a. o. O., S. 82.
127
Anhang
Die Leipziger Erklärung
Internationaler Kongress „Stadt &
Center“, 18./19. Oktober 1999,
Leipzig
Prof. Wolfgang Christ
Bauhaus-Universität Weimar |
Europäische Urbanistik
Prof. Dr. Dieter Hassenpflug
Bauhaus-Universität Weimar |
Europäische Urbanistik
Dr. Johann Vielberth
Arbeitsgemeinschaft Einkauf- und
Gewerbezentren
Peter Schuhmacher
Gremium Architektur des Kulturkreis
der deutschen Wirtschaft im BDI
Ausgangslage
Geschichtlichkeit, Schönheit und Raumqualität gehören zu den
Kennzeichen der europäischen Stadt. Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts wird diese Begabungen zu schätzen wissen, wenn es darum
geht, Funktionen wieder zu mischen, Räume als Erlebnis zu genießen
und jenseits von digitalen Medien von Mensch zu Mensch unmittelbar
zu kommunizieren.
Die Anziehung der Stadtzentren ist ungebrochen, obwohl das Einkaufen vielfach in die Center ausgelagert wurde – dort wo sie wohnen,
wollen die Bürger auf kurzem Wege alle Bedürfnisse abdecken.
Konsequenz: Die Center suchen ihren Platz im Zentrum und nutzen
dabei die Chance, sich von der ‚Verkaufsmaschine’ zum postmodernen
‚Marktplatz’ für Waren und Dienstleistungen, Freizeit und Unterhaltung, Kommunikation und Kultur zu wandeln.
Mit der Einführung des € wird ein tiefgreifender Strukturwandel im
europäischen Einzelhandel neue Dimensionen schaffen: europaweit
tätige Unternehmen; Professionalisierung der Projektentwicklung und
des Managements; Dienstleistungsorientierung; Aufenthalts- und
Erlebnisqualität. Dazu kommt ein großer zusätzlicher Flächenbedarf
auf die Städte zu.
Nachdem in Europa Center ‚auf der grünen Wiese’ generell nicht mehr
genehmigt werden sollen, wird die Integration von Stadt & Center zur
städtebaulichen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Herausforderung!
Thesen zur Zukunft von Stadt und Center:
1. Städtebau
Die Stadtplanung ist aufgefordert, alle Formen des Handels und der
Dienstleistungen in den Prozess der Stadtentwicklung zu integrieren.
2. Handel
Der Handel und die Dienstleistungen sind aufgefordert, alle Strukturen
und Formen stadtverträglich zu gestalten.
3. Impulsgeber
Center, offen für alle Formen des Handels und der Dienstleistungen,
werden kraftvolle Impulsgeber für eine Revitalisierung der Stadt sein,
130
die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend an Funktionsvielfalt, Angebotsvielfalt und Bedeutung eingebüßt hat.
4. Investitionen und Arbeitsplätze
Center können durch attraktive Rahmenbedingungen dazu beitragen,
ergänzende Investitionen auszulösen und vermehrt Arbeitsplätze in der
Innenstadt anzusiedeln.
5. Regionaler Markt
Center können dann eine lokale Identität aufweisen, wenn die
Mehrzahl der Einzelhändler aus der Region stammt und regionale
Produkte auf den Markt kommen. Center sind in der Lage, aufgrund
ihres Branchenmixes die Diversifikation des Handels und die Kleinteiligkeit des Angebotes gegenüber der Innenstadt ergänzend zu
sichern.
6. Planungskultur
Center in der Stadt müssen gemeinsam von Projektträger und der
Kommune konzipiert werden, um für beide Seiten eine langfristig stabile Entwicklung zu gewährleisten. Dies leistet ein tragfähiger Rahmenplan. Damit ist eine hohe Verantwortung und Stärkung des Bürgersinns, der Politik und der Gestaltung verbunden.
7. Baustruktur
Center in der Stadt sind dann hinreichend langfristig stabile Bausteine
des städtischen Zusammenhangs, wenn sie in ihrer Gebäude- und
Raumstruktur auf Veränderungen material- und energieschonend
flexibel reagieren können.
8. Stadtbaukultur
Center können einen wertvollen Beitrag leisten für einen qualitativ
hochwertigen Stadtraum, den Menschen besuchen, erleben und in
dem sie wohnen und arbeiten wollen.
9. Stadtbild
Center in der Stadt müssen die Identität der Stadt respektieren und
fortschreiben. Dazu zählt das Bild der Stadt ebenso wie das in der
Regel feingliedrige Gefüge aus Parzellen, Straßen, Plätzen und
Landschaftsräumen.
The Leipzig declaration
Situation
Historicity, beauty and spatial quality are among the features of a
European city. The society of the 21st century will consciously celebrate
these gifts, when functions come to be blended again, spaces are
enjoyed as an experience and beyond the digital media communication is made directly from person to person.
The city centers still remain attractive, and even though shopping has
often been moved out to shopping centers, in places where they live
citizens want to meet all their needs without travelling far. The result is
that the shopping centers are often looking for a place in the city center, at the same time taking the opportunity to change from „sales
machines“ into postmodern „marketplaces“ for goods and services, leisure and entertainment, communication and culture.
With the introduction of the € a profound structural transformation in
European retail will create new dimensions: enterprises covering all of
Europe, professionalisation of project development and management,
a focus on services, the quality of place and experience. In addition
the cities will need more and more land.
Now that in general no more permits are to be issued for untouched
areas, the integration of city and center is becoming a challenge for
town planning, the economy, social systems and culture!
Theses on the future of city and center:
1. Town planning
Town planning is facing the challenge of integrating all forms of trade
and services in the process of city development.
2. Trade
Trade and the services must meet the challenge of designing all structures and forms to make them compatible with city life.
3. Stimuli
Centers, open to all forms of trade and services, will be strong stimuli
for revitalizing the city, which has increasingly lost functional variety,
social range and significance during the second half of the twentieth
century.
4. Investment and employment
With attractive surrounding conditions centers can contribute to sparking off additional investments and to bringing more and more workplaces into the inner city.
5. Regional market
Centers can have their local identity if the majority of traders are from
the region and regional products come onto the market. Because of
the blend of different businesses, centers are able to ensure a greater
diversification of trade and a greater range of small businesses for the
inner city.
6. The culture of planning
Centers in the city must be planned in co-operation between project
sponsors and local government so that both parties can be sure of
long-term stable development. This is the function of a sustainable
overall planning idea and associated with it is a strong sense of responsibility, and a strengthening of commitment from citizens and politicians and of design.
7. Architectural design
Centers in the city will be sufficiently long-term stable components of
the urban environment if their building construction and spatial structure are able to react to change while conserving materials and energy.
8. The culture of urban design
Centers can make a worthwhile contribution to a high-value quality
urban space where people enjoy coming to visit, to enjoy experiences
and to live and work.
9. Cityscape
Centers in the city must respect and continue the identity of the city.
This includes the cityscape itself as well as the usually delicate network
of city lots, streets, squares and landscape spaces.
International conference “Stadt &
Center”, 18th/19th October 1999,
Leipzig
Prof. Wolfgang Christ
Bauhaus University Weimar |
European Urban Studies
Prof. Dr. Dieter Hassenpflug
Bauhaus University Weimar |
European Urban Studies
Dr. Johann Vielberth
Shopping and Commercial Centers
Workgroup
Peter Schuhmacher
Architecture Forum of the Kulturkreis
der deutschen Wirtschaft im BDI
(cultural circle of German trade and
industry at the National Association
of German Industries)
131
The municipality’s view: The example of Bochum
Eckart Kröck
Head of Planning Department of the
town of Bochum
Martin zur Nedden
Chief Architect of the town of
Bochum
Original text: page 12
The city of Bochum is one of four major centers in the Ruhr conurbation. Its high population and density makes it particularly attractive to
investors and operators of large-scale retail outlets. Since the beginning of the 1970s several such retail centers have been built on nonintegrated locations in the area, for example the “Ruhrpark” in Bochum,
the “Rhein-Ruhr-Zentrum” in Mülheim or the „Dortmund-Kley industrial park“ in Dortmund. The building of the “CentrO” in Oberhausen
at the beginning of the 1990s signaled a new phase in retail developments in the region, and was a trigger for the extension of existing
centers as well as for new developments in other cities (for instance
the “MultiCasa” in Duisburg). As a result, between 1997 and 2001
alone, retail floor area in the region has increased by around 20%
(more than 1,000 m2) despite population decline in the area and a
general stagnation in the retail market.
The inevitable ensuing competition for customers has had an ad-verse
effect on the inner city areas. Strategies to cope with or minimise these
effects have been developed at many levels. At a higher level, different
municipalities are increasingly communicating with each other to develop coordinated approaches for the distribution of retail facilities. On a
local scale, the cities are employing a number of measures to further
develop and improve inner city locations e.g. by improving the quality
of public urban space, through public-private partnership as well as
active planning participation.
Bochum is no exception: Similar measures are being undertaken
in the inner-city and local centers on the fringes. An integrated concept forms the basis for a number of coordinated initiatives: important
streets in the inner-city area are being re-designed; a marketing organisation has been founded by the city in partnership with commerce;
building and construction measures are being actively undertaken.
The Town Hall complex and its development is one of the most important elements in the revitalisation of the inner-city.
132
It has played a significant role not only in terms of architecture and
urban presence but also for retail in the inner-city. The City of Bochum
has made a first step by extending its tenancy of offices in the complex
and will support further initiatives towards ensuring its stability in the
future.
Stadt & Center_Bochum 2010
Center
The boom of suburbia in the USA half a century ago shaped the principle form of the shopping center as we know it today: a platform for
retail business, developed, financed, built and run by a single developer who continually adapts it to meet changing demands.
Over the years the shopping center as a building type has matured
across a wide variety of market sectors and improved significantly in
quality. The statistics indicate clearly its success: Around 50% of retail
(excepting automobile sales) in the USA is covered by shopping centers. In Germany shopping centers account for “only” 7% of retail
trade, though the tendency is rising. And unlike other retail areas,
shopping centers remain largely unaffected by the stagnation in the
retail market over the last 10 years.
The shopping center also has an ambivalent relationship to the city: on
the one hand as a “mega-center” it competes with inner-city trade and
services. At the same time its success and identity is largely dependent
upon urban and architectonic elements we know from the European
city, for instance boulevard, passage, mall, plaza, lane, market place as
well as park and orangery ...
City
Ever since the 1980s when American architect Jon Jerde’s San Diego
shopping center freed the mall of its fixed form, divided it into smallscale elements and opened it up to the city, shopping centers in urban
environments have seen as a chance to revitalise downtown areas, to
inject new impulses into inner-city centers. The “Leipzig Declaration”, a
joint initiative by the Bauhaus-Universität Weimar, the Working Group
for Retail and Business Centers and the Cultural Committee of German
Business, set out in 1999 a series of principles with the aim of maximising synergy effects between city and shopping center.
The newest downtown shopping centers in the USA have nothing
more in common with the one-dimensional functional malls of the past.
They emulate the structure and form of turn-of-the-century European
urban environments.
Streets and squares open to the sky structure the center and are woven
into the surrounding urban environment. Residential functions have
been added, public transport elevated to a similar status to personal
vehicular transport and identity-giving design elements carefully orchestrated. The shopping center is becoming more European. City and
center are embarking on a strategic partnership.
Inner-cities and retail
The state of inner-city commerce in Germany can realistically be described as dramatic: the old established self-owned shops are in rapid
decline, chain stores dominate in the prime retail locations; pedestrianised zones, now 20–30 years old, are run-down and in need of
repair; despite stagnating turnover retail area is on the increase at the
cost of inner-city commerce; and new large-scale projects, such as the
“Multi Casa” in Duisburg challenge existing retail locations.
Planning programme 2002/2003
Bauhaus-University Weimar
University Karlsruhe
BUGHW University of
Wuppertal
supported by
Shopping and Commercial
Centers Workgroup
Original text: page 22
Even the traditional department store, once an essential element
of pedestrianised zones and a part of shopping culture since the 19th
century, has apparently become anachronistic. In inner-city areas
across North-Rhine Westphalia alone, around 70 such department
stores remain empty.
The task
The dramatic structural changes within retail continue to challenge
planners in developing scenarios for the inner-cities:
• Should retail as the single remaining urban function of the centers
still be central to the future of the city centers?
• Which structures and forms of retail can be described as “inner-city
compatible”, and which are unsuitable?
• What could a functional mix of city and center, trade and residential
uses, trade and recreational uses, center and public space etc. ...
look like?
• How could a new “center-culture” be engendered as a means of
developing a vision for the post-industrial inner-city?
133
The structural changes in industrial society should be understood as a
chance to overcome rigid boundaries, to mix together functions previously separated and to fill the city with new impulses.
The shopping center is not immune to these changes: the first generation of shopping centers from the 60s and 70s are more like “fordist
machines for shopping” than “entertainment centers” and as such no
longer attractive. Many were built as part of brutalist architectural and
urban redevelopment concepts centered around vehicular access and
involving large-scale urban clearance. Since then both consumer behaviour and tastes as well the idea of the city have radically changed.
Bochum 2010 – the competition
Bearing in mind the above, an open, cooperative ideas competition
was initiated by three architectural faculties of German universities to
develop exemplary solutions for a future integration of city and shopping center. The year 2010 was set as the projected date for the hypothetical realisation of such a concept.
The task is to lastingly strengthen the location “city” so that it can better compete with greenfield retail, online-shopping and artificial
worlds such as the “Multi-Casa”. The city of Bochum offers much
potential for the development of such an ideas-competition project: it
is the fourth largest city in the Ruhr area and is in the process of
“comprehensive renewal”:
• A new underground rail system is being built,
• selected tram routes will be integrated into the underground system,
• the redesign of a “boulevard”,
• the development of art-light-design concepts.
Inner city retail will surely benefit from these measures. Nevertheless
the city has to compete with Germany’s largest shopping center, the
Ruhrpark, which lies just outside the city.
134
Bochum’s town hall is a key element in the competition. The 8-storey
building is a typical relic of 70s architecture, a space-encompassing
skeletal construction that together with its extension was the prelude
to a total redevelopment of the city.
Today, both ground-floor levels are practically empty (4,500 m2). The
six upper storeys contain the various departments of the town council.
The complex has its own underground station. A ramp from tram-level
to underground-level is currently under construction, strengthening the
centrality of the current location but dividing it from the pedestrianised
zone. To the rear of the building a small park acts as a transition to
residential areas.
The task is to strengthen the current 2A-location of the town hall by
retaining, converting or demolishing elements in order to develop a
shopping center with direct access to the pedestrianised zone. The integration of further functions such as residential areas, entertainment,
recreational and social infrastructure is up to the individual design
teams. The aim is to develop visionary but nevertheless realistic concepts for the city and center.
Considering the profitability of both award-winning projects
Before we compare the profitability of both award-winning projects it
is advisable to address some general considerations in advance. Not
least because the two selected projects have adopted two completely
different approaches to developing the Rathaus-Center in Bochum.
The first question a project developer or investor will consider is:
Is the planned investment at all viable? This is a question of absolute
advantageousness i. e. whether an investment makes sense from a
purely economic standpoint. If the answer is positive, a second question follows: Is the planned investment better than an alternative possible investment? This is a question of the relative advantageousness of
an investment in comparison to other alternatives, i. e. whether it
makes sense to invest in project A, B or C.
The method of determining profitability usually involves typical calculations for investment appraisals in which characteristic values such as
land purchase cost, land improvement and preparation costs, building
costs, associated building costs and finance charges are weighed up
against the prospective rental income. The aim is to determine an initial return, often in three scenarios depending upon characteristic values
such as rental income and sales multipliers. The validity of a profitability appraisal is dependent upon the use of realistic values for expected
income and expenditure.
For large-scale developments, such as in our case for a shopping center, the building costs per m2 or m2 and the net rental price per m2 are
the principal determining factors for profitability. All values must be
predicted as precisely as possible and they very often depend upon the
location of the planned project.
A comparison of the award-winning proposals
A cursory view is enough to see that both award-winning proposals
“Citysfaction” and “Ab in die Mitte” have taken two very different
architectural and design approaches to addressing the task at hand. A
comparison must therefore be made on the basis of their probability of
being realised.
“Citysfaction” involves the demolition of the entire existing built substance (with the exception of underground parking) and a generous
new building programme providing 45,500 m2 gross floor area. The
total area is to be divided as follows: 19,000 m2 for retail, 5,200 m2
for service industries, 5,000 m2 for entertainment and 15,000 m2 for
office use. 62,000 m2 gross volume will be demolished.
The alternative project “Ab in die Mitte” aims instead to redevelop
most of the existing built substance. From a demolished gross volume
of around 1,860 m2, approximately 13,567 m2 gross floor area will
result. 3,816 m2 is to be used for retail and 1,820 m2 for office space.
The remainder is generous circulation area of around 8,000 m2.
In order to compare both proposals, identical suppositions have been
made with regard to parameters such as land value, percentage associated building costs and finance charges as well as identical expected
rental income and building costs for comparable floor area usage. As
the project is to be built in an existing context a symbolic value for
land purchase price has been assumed. The building costs have been
estimated at a fairly low level, equally the expected rental income at
an average rate of 20 € per m2 retail floor area. The existing underground garages were not included in the building costs but were included as part of the rental income.
The calculations for the generously proportioned new building “Citysfaction” produced an estimated building cost of around 38 million €.
By conservative values and 50% private capital, the finance charges
would be around 3.4 million € and the resulting total investment
would amount to approximately 49 million €. With a net retail income
of 5.1 million € per annum, the static initial investment return can be
calculated at 10.5%. The ratio of rentable floor area to gross floor
area lies by 83%.
Questionable with regard to the viability of this project is the amount
of floor area envisaged. It is not certain whether the current retail market in Bochum will be able to fill the 30,000 m2 floor area proposed
for retail, service industry and offices. On the other hand a project that
wants to compete with the retail facilities in the Kortumer Straße must
135
provide a suitable weight and diverse range of floor space. It is not
certain whether this will lead to an overall increase in retail area or
whether existing retail will simply become redistributed.
The proposal „Ab in die Mitte“ envisages a moderate level of demolition and generous retail area which can be used temporarily by individual tenants. The calculated building costs total around 6.7 million €,
the finance charges around 585.000 €. The total investment would be
around 8.5 million €. Due to the comparatively low level of retail floor
space (around 4,000 m2 in comparison to 8,000 m2 circulation area) a
net rental income of around 786.000 € is estimated. The initial investment return lies by 9.2%.
An important aspect in assessing the viability of this proposal lies in its
effective proportion of land use, which is only 41%. Large circulation
areas offer customers and tenants alike a higher quality of shopping
environment. The direct connection between activities within and outside of the actual building and the presentation of new offerings
through market places and similar areas help to integrate the shopping center within the surrounding inner-city. At the same time, shortterm tenants are an unpredictable factor in profitability calculations.
The difference in profitability of the proposals results from a consideration of the non-comparable dimensions of each project, in essence of
the relative proportions of rentable floor area to gross floor area. On
the one hand, generous outdoor areas necessitate active management
and care. On the other hand, a proposal that provides a manageable
amount of retail floor area is easier to put into effect with regard to
the current market situation. Before a decision can be made figures for
a contractually-bound rental quota are necessary. Without this the larger of the two proposals will by nature require considerably more courage on the part of the potential investors.
136
Non-stop shopping (centers)? Or: What makes good sense?
The story of Shopping Centers in Germany is a success story without
comparison. In North-Rhine Westphalia there are more than 76 such
large-scale shopping centers, of which 17 are of considerable size with
more than 30,000 m2 of shopping floor space.
This development is surprising in view of the negative resonance such
forms of commerce have received within urban planning discourse.
When such developments are built out of town, they endanger the
economic basis of the inner cities. When they are built in the inner
cities, they impact negatively on the natural form of the city due to
their large size. In most cases they ignore the public realm, they are
introverted, and generate traffic. In short, they are regarded as antiurban.
These criticisms are legitimate. However, parallel to this urban debate,
not only cities but also shopping centers are changing. Shopping
Center operators are increasingly choosing urban locations.
Communication between planners and project developers is improving.
Design and functional integration criteria and forms of public-private
partnership for developing shopping centers are increasingly being
discussed.
Against the background of the continuing trend in shopping center
development, strategies for the future need to be developed. Such
strategies could include the following aspects:
• Improved quality: The urban integration of shopping centers must
be increased. Project developers and investors must pay more attention to the specific conditions and potential of each individual location. Modern cities are not the place for standard concepts and standard sizes.
Dr. Ulrich Hatzfeld
Ministry of Urban Design and
Housing, Culture and Sports of the
state of North-Rhine-Westfalia
Original text: page 83
• Primary locations: Potential locations within the city should be limited to those with “excellent potential”, particularly with regard to
their future use should they become obsolete in the notoriously fickle
retail environment.
• Inner city integration: Even within larger cities, it is important that
the size of shopping centers do not considerably distort or damage
existing urban and functional structures.
• Open discussion: Shopping Centers cannot be implemented in fasttrack discussions behind closed doors.
The potential that large-scale commercial facilities have to offer for
the urban future of cities should not be considered too lightly. Past
experience should teach us that what was once considered “economic
good sense” (creation of jobs, attraction of spending power) has in
many cases proven to be “short-lived good sense”.
• Limitation: The expansion of large-scale commerce must be integrated within a regionally-oriented concept for retail trade. By way
of example, between 10 and 20% of retail outlets in pedestrianised
zones in the Ruhr area stand empty. Dwindling population trends
and retail demand in many areas will necessitate management concepts for a reduction in commerce.
137
Forces and tendencies in the changing pattern of commerce
Barbara Walzel
ebs Immobilienakademie
Original text: page 89
Barter, trade and the market place as platform for commerce are as
old as mankind itself. Early on tradesmen and their customers recognised the advantages offered by a space protected from wind and rain.
These were the first concepts of places for trade and commerce.
Roofed over spaces, arcades as well as home delivery have been with
us since classical antiquity. They reached masterful architectural expression in the arcades of Bologna and the 19th Century Galleria.
In Germany there are currently around 270 shopping centers providing
a total of more than 8 million m2 of shopping floor space. In addition
there are numerous smaller galleries and passages, not to mention the
many city centers currently struggling to develop new attractive identities and re-kindle life in the centers. A large number of former industrial buildings and brownfield sites, often within the city, also await regeneration proposals. Traditional retail trade in the inner city is under
pressure to adapt to the changing requirements of the customer, if it is
not to lose out to new distribution methods offered through the internet and Factory Outlet Centers.
Central retail outlets seem to be losing their attraction in an increasingly over-saturated society. In eBay barter and trade is still alive and
well. Main Street, however, can hardly disguise its empty outlets. If
premiere retail locations are not to lose out against fierce competition
in the current economic climate, new concepts will be needed.
If we ask ourselves the fundamental question which the ideas competition “Stadt & Center” in Bochum poses, “What is to become of the city
in the face of the boom in shopping centers and the crisis in traditional retail in the inner-city pedestrianised areas?”, then we need not
only to investigate forces and tendencies in retail trade at a national
level, but also should examine the applicability of new concepts and
planning from the international horizon.
138
Inner city developments and revitalisation require more investment
than comparable green-field sites: land ownership issues are more
complex, financial investment more costly and realisation is often protracted.
And although many inner city areas have already been revitalised,
many customers still prefer the shopping experience offered by out-oftown shopping centers. The co-ordinated mixture of retail, services,
recreation and culture has proven to be a successful recipe for shopping centers. The recipe can, however, also be applied to inner cities.
Mall, Market & Discounter
– Retail development and the urban realm
Patterns of consumption, and the concomitant use of urban space,
change. This can be seen clearly in retail strategies. Psychological
investigations show that price and quality are no longer the primary
purchasing criteria for the customer, and have become augmented by
shopping environment and atmosphere. Seen from this perspective,
new tendencies in the relationship between city and commerce can be
observed:
The urban realm as an economic factor for the success of retail
facilities
“Shopping territories” as a marketing strategy links the atmospheric
qualities of a shopping environment with its economic success. New
developments have the best chance of success when they pick up
upon the existing shopping milieu and develop these further.
The variety of shopping territories makes a city more attractive
The city can be understood as a weave of different shopping environments, which in combination inform the image of the city and through
their variety make a city an attractive place for shopping. Through the
conscious development of a variety of shopping possibilities and of a
specific urban atmosphere, both urban planning and commerce can
make the most of the polycentric development of a city or region.
Four significant areas of action can be identified:
1. “Inner city” locations outside of the center.
Following on from the basic principle, peripheral locations can also be
invested with an urban quality, as a number of examples demonstrate.
Mixed-use developments, pathways, streetscapes and façades are
basic elements of the city and can also be realised for retail projects.
These service sectors place specific requirements on their surroundings:
they need a central location, and necessitate pleasant outdoor and
green space. Primarily mono-functional retail-oriented inner cities can
be enriched by such developments.
Juliane Kopperschmidt
Christian Moczala
Weimar
Original text: page 100
3. Public space as a location factor
The importance of public space for retail is clearly visible in the hybrid
forms of the mall and gallery which have developed around retail, and
from a retail point of view offer optimal functional and design control.
New spaces are therefore appearing in addition to the “classic” urban
spaces, which appear to be public, but are often in actual fact private.
The challenge is to achieve a quality and authenticity together with an
openness to accommodate other uses. The example of the “Union” in
Frankfurt am Main illustrates the possible qualities such urban space
can offer.
4. A programme for the inner city
In reality, public space is not always perceived as “public”. It is perhaps more sensible to speak of public life rather than public space,
and therefore to consider public space in terms of the way it is used.
An example of this approach can be seen in an initiative by NorthRhine Westfalia called “Ab in die Mitte!” which highlights the experience to be had in the inner city and attempts to engender an urban
feeling.
The development of quality places with atmosphere, whether in the
inner city or the urban periphery, the enrichment of the inner cities
with new uses, the rediscovery of urban space, the integration of
artistic interventions etc. are the potential building blocks for developing lasting concepts for city and commerce.
2. The insertion of new uses into inner cities dominated by retail.
To ensure the future of the inner-city, further complementary functions
must be developed. An important aspect is the change in recreation
patterns and health-consciousness.
139
Stadt und Handel:
Die Transformation der amerikanischen Stadt und Landschaft
Prof. Alex Wall
Universität Karlsruhe
Originaltext: Seite 106
Die Auswirkungen des Einzelhandels auf die Entwicklung der Peripherien, auf die Erneuerung der Stadtzentren und nicht zuletzt auf die
räumliche und programmatische Ordnung der großstädtischen Regionen in den USA kann anhand der Arbeiten dreier Persönlichkeiten
verfolgt werden: dem Architekten und Planer Victor Gruen (1903–1980),
dem Entwickler James Rouse (1914–1995), und dem Architekten und
Planer Jon Jerde (*1940). Bekannt wurden alle drei durch von ihnen
entwickelte Shopping Center, doch darüber hinaus wurden auch urbane Quartiere und ganze Städte von ihnen konzipiert. Jeder von ihnen
fühlte sich sozialen Zielen verpflichtet und glaubte an die Möglichkeit
einer neuen, humanistischen Stadt. Auch wenn ihre Arbeiten wenig
bekannt sind, stehen sie weniger am Rande, sondern vielmehr im
Zentrum der architektonischen Kultur.
Der Beitrag Victor Gruens, eines aufstrebenden Shop Designers und
Kabarettisten, der kurz vor dem zweiten Weltkrieg aus Wien in die USA
flüchtete, liegt in seinen innovativen Entwürfen für innerstädtische und
suburbane Shopping Center, die eine große Auswirkung auf die amerikanische Stadt und Landschaft gehabt haben. Er erkannte einerseits,
dass die Entwicklung des Handels eine Bedingung für das Überleben
der humanistischen Stadt ist und andererseits, dass der motorisierte
Verkehr in der Stadt zuerst geordnet werden muss, bevor die Architektur ihre eigentliche Rolle übernehmen kann, nämlich urbane Räume zu
schaffen. Anfang der 70er Jahre präzisierte er diese Argumente zu
genau den Zielen der Stadtentwicklung, die heute von der Bewegung
des New Urbanism postuliert werden. Gruen (wie auch Rouse und
Jerde), haben gezeigt, dass die Gestaltung des Handelsraums eng mit
urbanen wie auch sozialen Reformen verbunden ist.
140
“Centerstadt”
– A contribution to an urban theory of the Shopping Center
The Shopping Center is regarded as the quintessence of American consumer culture. In Europe, however, planning permission for Shopping
Centers is only given for locations with an existing urban fabric, which
typically means downtown or at the edge of the inner city. At present
around 20 new Shopping Centers are built per year in Germany. The
organic historic structure of the European city with its complex structure and identities is confronted by an economically successful largescale introverted and global retail environment run and managed by a
single operator.
This essay considers the consequences. The central hypothesis is that
in order to successfully pursue an integration of city and commerce we
must first get over the “Americanisation” debate: On the one hand the
shopping center is a normal part of development in the process of differentiation of both city and commerce – an inherent phenomenon of
modern times. On the other hand the shopping center is rooted in the
European urban culture in a wide variety of manifestations.
The essay aims to uncover this inheritance and examines which urban
aspects have remained constant in the continually changing relationship between city and commerce, from the trading towns of the Middle
Ages to the emerging global cities of the 21st Century. It traces the
development from the trade towns with their market places, shopping
streets and passages via the industrial city and its warehouses to the
“fordist” big-box commercial machinery outside the contemporary city.
Lastly, it concerns the cultivation of commerce or the commercialisation of culture. Contemporary culture today means the communication
of economy and globalisation through urban culture.
Prof. Wolfgang Christ
Bauhaus-University Weimar
Original text: page 114
Our investigation concludes with an outline of current developments
with regard to the concept of “Centerstadt”. The shopping center
industry can utilise its rich urban experience and extend its technological and economic potential beyond the shopping center with a view to
developing the city itself as a holistically organised space. In addition,
shopping centers themselves are proving ever more to be “space
ships”, huge bearers of the world global markets, with a potentially
ambivalent function: One the one hand they fulfil a local demand, the
wish to partake in a world market. On the other hand these representatives of globalisation move into a specific building within the city
and become tangible and “anchored”. The city can become what it
once was: a place in which the tension and dynamism of the direct
encounter with the foreign, with the other is lived out, and a place
which can harness the tension to generate its own economic, social,
political and cultural energy.
We can identify four typical characteristics in the city-commerce relationship: Heterotopia, the question of the other or the foreign within,
i. e. how the other establishes their place within an urban location.
Trade by nature generates dynamism within a static location, in former
times through trade fairs and markets, today via “a new world every
week”. A struggle for domination of the center results, that point at
which the fronts of commerce, technology, society and politics come
together, the very notion of centrality.
141
Bildnachweis
Wettbewerb „Stadt & Center_Bochum 2010“
Konsum – Freizeit – Stadt
Die kommunale Sicht – Das Beispiel Bochum
Eckart Kröck, Martin zur Nedden | Seite 12
Shopping (-Center) ohne Ende? Oder: Kritik der reinen Vernunft
Dr. Ulrich Hatzfeld | Seite 83
Abb. 1: Bochum von 1842, Stadt Bochum, Vermessungs- und
Katasteramt, 2001
Abb. 2: Luftbild, Stadt Bochum, Stadtarchiv, 2003
Abb. 3: Plan, Stadt Bochum, Planungsamt, 2003
Abb. 4–7, 9: Figur-Grund-Plan/Themenpläne, Stadt Bochum,
Planungsamt, 2002/2003
Abb. 8.1–8.4: Impressionen, Stadt Bochum, Planungsamt, 2002
Abb. 11, 12: Luftbilder, Stadt Bochum, Stadtarchiv, 1977, 1980
Abb. 13, 14: biz – Bürger-Informations-Zeitung, Bochum 1975
Abb. 15, 16: Stadt Bochum, Planungsamt, 2003
Abb. 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9: Axel Boesten, Bochum
Abb. 3: Institut für Gewerbezentren, Starnberg
Abb. 7: eigene Erhebungen
Wettbewerbsdokumentation
Prof. Wolfgang Christ, Juliane Kopperschmidt, Barbara Walzel,
Markus Weismann | Seite 22
Modellfotos, Endpräsentation: Moritz Brilo, Dorsten
Pläne, Zeichnungen, Animationen: Bauhaus-Universität Weimar,
Universität Karlsruhe
Diskussion der Ergebnisse
Prof. Wolfgang Christ, Dr. Ulrich Hatzfeld, Christoph Ingenhoven,
Rainer Molitor, Martin zur Nedden, Barbara Walzel | Seite 74
Fotos: Ulrike Leonhardt, Weimar
142
Wirkkräfte und Tendenzen der Einzelhandelsentwicklung
Barbara Walzel | Seite 89
Abb. 1–4: eigene Fotos bzw. Grafik
Mall, Markt & Discounter – Mit dem Handel
urbane Räume schaffen
Juliane Kopperschmidt, Christian Moczala | Seite 100
Abb.1: Junker & Kruse, Dortmund
Abb. 2, 6, 7, 8: B.A.S. Kopperschmidt + Moczala, Weimar
Abb. 3: Architekten Poschl + Both, Mils; Fotograf: P. Ott, Graz
Abb. 4: Architekten Drewes + Strenge, Herzebrock; Fotograf: C.
Richter, Köln
Abb. 5: Architekten Drewes + Strenge, Herzebrock
Abb. 9: M. Landes, Frankfurt
Abb. 10, 11: e-eins fotoproduktion, eichen/mack/ott, Mühltal
Abb. 12: Stadt Hamm, BSW-Fotogruppe
Abb. 13: O. Werner, Münster
Abb. 14: U. Bonke, Kamen
Theorie Stadt & Center
Victor Gruen: The transformation of the American
cityscape and landscape
Prof. Alex Wall | Seite 106
Abb. 1: R. Steiner
Abb. 2, 3, 6, 9, 11: Drawing by B. E. Behrens
Abb. 4: Michael Honos
Abb. 5: Infinity Inc.
Abb. 7: Paris Match, cartoon by Bosc
Abb. 8, 10, 12, 14: Victor Gruen Associates
Abb. 13: Architectural Forum
Abb. 15: Minneapolis Star
Centerstadt – Bausteine zu einer städtebaulichen Theorie
des Shopping Centers
Prof. Wolfgang Christ | Seite 114
Alle Abbildungen: eigene Fotos
außer:
Abb. 16: Davis, Margaret Leslie, „Bullock Wilshire“, Los Angeles 1996.
Abb. 24, 25: Schöffer, Nicolas, „Die kybernetische Stadt“, München
1970.
143
Autoren
Prof. Wolfgang Christ
Dr. Ulrich Hatzfeld
Christoph Ingenhoven
1951
Geboren in Engers/Rhein
1953
1960
1980
Diplom Architektur an der
Technischen Hochschule
Darmstadt
Ist Stadt-, Regional- und Landesplaner
und arbeitet im Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen.
1980–1983 Studium der Philosophie
an der TH Darmstadt
seit 1980
seit 1995
seit 1999
Freiberufliche Tätigkeit als
Architekt und Städtebauer
Professor für Entwerfen
und Städtebau I an der
Fakultät Architektur, Bauhaus-Universität Weimar
Geboren in Düsseldorf
1978–1984 Studium der Architektur
RWTH Aachen, Studium an
der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Hans Hollein
1984
Diplom bei Prof. Wolfgang
Döring, RWTH Aachen
seit 1985
Ingenhoven Overdiek
Architekten, Düsseldorf
Neben seiner Entwurfstätigkeit ist Christoph Ingenhoven Jurymitglied, Gutachter
und Preisrichter in zahlreichen Wettbewerbsverfahren und hält Vorträge in
Europa und Übersee.
Promotor und Träger des
Postgradualen Studiengangs Europäische
Urbanistik
Juliane Kopperschmidt
Eckart Kröck
Christian Moczala
1966
Geboren in Hamburg
1956
Geboren
1963
Geboren in Berlin
1993
Diplom Architektur an der
TU München
Dipl.-Ing. Architektur/Städtebau und
Dipl.-Ing. Bauingenieurwesen
1993
Diplom Architektur an der
TH Darmstadt
seit 1999
1997
Gründung des Büros B. A. S.
Weimar/Frankfurt in Partnerschaft mit J. Kopperschmidt,
P. Begon und D. Stürmer
1993–1997 Projektleitung C. Schäfers
Architekten, Berlin
1997
Gründung des Büros
B. A. S. Weimar/Frankfurt
in Partnerschaft mit
C. Moczala, P. Begon und
D. Stürmer
1997–2003 wiss. Mitarbeiterin an der
Bauhaus Universität Weimar, Professur Entwerfen
und Städtebau I, Prof.
Wolfgang Christ
144
Geboren
Leitender städtischer
Baudirektor und Planungsamtsleiter der Stadt
Bochum.
Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen.
Bauassessor.
1995–2000 wiss. Mitarbeiter, BauhausUniversität Weimar, Professur Entwerfen + Städtebau I,
Prof. Wolfgang Christ
Freiberufliche Tätigkeit im Städtebau und
Hochbau, Preisrichtertätigkeit, Lehrauftrag
im Postgradualen Studiengang „Europäische Urbanistik“, Bauhaus-Universität
Weimar.
Rainer Molitor
Martin zur Nedden
Prof. Alex Wall
1946
1977
Geboren in Velbert NRW
1952
Geboren in Hannover
1964–1972 Architekt im Architekturbüro RKW, Düsseldorf
1980
Diplom an der Technischen
Universität Wien
1972–1977 Architekt im Architekturbüro Ingenhoven, Neuss
1982
seit 1978
in der Unternehmensgruppe Sass
1983–1997 Stadtplaner in Isernhagen/
Hannover und Unna
seit 1994
Geschäftsführender Gesell
schafter der Unternehmensgruppe Sass
seit 1994
Technischer Beigeordneter
1997
Leiter des Planungsamtes
in Bochum
1999
Stadtbaurat der Stadt
Bochum
Staatsprüfung in der Fachrichtung „Städtebau“
Stellv. Vorsitzender der Landesgruppe
Nordrhein-Westfalen der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung,
Lehrauftrag an der FH Bochum
Barbara Walzel, M. A.
Markus Weismann
1961
1963
Geboren in Düsseldorf
1980–1987 Studium der Amerikanistik
an der Universität
Düsseldorf
1987–1994 freie Mitarbeiterin SCC,
Shopping Center Consulting
GmbH, Düsseldorf
1993–1998 Geschäftsführendes
Vorstandsmitglied des
GCSC e.V.
seit 1994
seit 2002
Erarbeitung des Curriculums für Intensivstudium
Handelsimmobilien mit der
ebs Immobilienakademie
Geschäftsführerin der ebs
Immobilienakademie GmbH
Diplom an der Architectural
Association, London
1986–1989 Unit Master, Architectural
Association, London
1990–1995 Associate Professor, GSFA,
University of Pennsylvania
seit 1997
Professor für Städtebau
und Entwerfen an der
Universität Karlsruhe
seit 2000
Urban Design Studio,
Karlsruhe
Freiberufliche Tätigkeit als Architekt,
Städtebauer, Preisrichter und Moderator
städtebaulicher Verfahren, Forschungstätigkeit (z. B. Victor Gruen in America,
1938–68, Graham Foundation, seit 1997)
Geboren in Sindelfingen
1987–1989 Musikstudium an der
Swiss Jazz School, Bern
1997
Diplom Architektur an der
Universität Stuttgart
1998–2001 Gründungspartner zipher
spaceworks, Stuttgart
seit 2001
Assistent am Lehrstuhl für
Städtebau und Entwerfen
an Universität Karlsruhe,
Professor Alex Wall
seit 2002
Büro urban matters,
Stuttgart
2003
Preisträger contractworldaward (zipherspaceworks)
145
„Bislang also war der Handel stets ein Derivat der kulturellen Sphäre und von ihr abhängig. Denn bislang war Kultur
die Quelle, aus der verbindliche Verhaltensnormen abgeleitet wurden. Diese Normen schaffen ein Klima des Vertrauens,
in dem Handel und wirtschaftlicher Austausch überhaupt stattfinden können. Wenn aber die kommerzielle die kulturelle
Sphäre verschlingt [...] droht sie, die gesellschaftlichen Grundlagen der Handelsbeziehungen zu zerstören.“
Rifkin, Jeremy, „Access – Das Verschwinden des Eigentums“