20 Jahre Lösungen im Stadtteil

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20 Jahre Lösungen im Stadtteil
20 Jahre
Lösungen im Stadtteil
Eine Entwicklungs-Geschichte
in Berlin
20 Jahre
Lösungen im Stadtteil
Eine Entwicklungs-Geschichte
in Berlin
Imressum
Fotonachweis
usww
Inhalt
Vorwort
Brita Wauer
4
1. Von den Anfängen: Die Gründung der L.I.S.T. GmbH 6
2. Der Fall der Mauer: Zwischen Utopie und
Wohnungsnot
10
3. Immer mehr von L.I.S.T. betreute Projekte
16
4. Nachhaltigkeit: Wohnungspolitische Selbsthilfe im
Ostteil der Stadt
20
5. Sozialprojekte und innovative Neubauvorhaben:
Weitere L.I.S.T.-Kompetenzfelder
26
6. Förderung in Berlin: Programme und
ModInst-Richtlinien
30
7. Besondere wohnungspolitische Projekte:
Die Gründung der Genossenschaft Habitat e.G.
32
8. Neue Wege in die Selbsthilfe
42
9. Schwerpunkt Infrastrukturmaßnahmen
44
10. Stadtentwicklungspolitisches Instrument
Quartiersmanagement
46
11. Die L.I.S.T. GmbH im Jahr 2009
48
Liste der 69 von L.I.S.T. betreuten und fertig gestellten
Bauprojekte, gegliedert nach Bezirken, Ortsteilen und
alphabetisch nach Straßen
54
Adressen
56
Vorwort
Die Stadtentwicklungspolitik in Berlin steht immer wieder
vor neuen Herausforderungen. Seit dem Beginn der großen Sanierungsprogramme in den 1960er Jahren hat sich
gezeigt, dass es hilfreich ist, wenn diese konfliktbehafteten Prozesse durch intermediäre Institutionen unterstützt
werden. Mit der Entwicklung des Konzeptes der behutsamen Stadterneuerung hat die Senatsbauverwaltung schon
Anfang der 1980er Jahre, insbesondere in Kreuzberg, begonnen, Treuhänder zu beauftragen, die die Aufgabe hatten, einen Ausgleich in dem komplexen Interessengeflecht
herbeizuführen.
Durch die Wiedervereinigung entstand die dringende Notwendigkeit der Sanierung und Instandsetzung des maroden Ostberliner Wohnungsbestandes. Zügiges politisches
Handeln war erforderlich. Im selben Jahr wurde die L.I.S.T.
GmbH als Treuhänder eingesetzt, um neue Instrumente für
die Durchsetzung des Konzeptes einer behutsamen, sozial
und ökologisch orientierten Stadterneuerung zu erproben
und Projekte bei der Realisierung von öffentlich geförderten Bauvorhaben zu betreuen.
Im wiedervereinigten Berlin konnte die in Westberlin begonnene Politik der Stadterneuerung erfolgreich fortgesetzt werden, die wichtige Impulse für eine positive Quartiers- und Stadtteilentwicklung gab. Dieser Erfolg ist nicht
zuletzt Treuhändern wie der L.I.S.T. GmbH zu verdanken,
die mit Ideen und neuen Konzepten zahlreiche innovative
Projekte ermöglichten und begleiteten: von Altbausanierungen durch Selbsthelfer, soziale Träger oder Genossenschaften über ökologisch orientierte Neubauprojekte und
die Entwicklung von Gewerbehöfen bis hin zu Infrastrukturvorhaben wie Schulsanierung, Verkehrsberuhigung
oder die Entwicklung von Grünzügen.
Abb. r.:
Skulptur im „Hausgeist“
Foto: Klaus Bädicker
4
Insbesondere multidimensionale Ansätze wie beispielsweise der der L.I.S.T. GmbH, die baupolitische mit sozialen
Zielen verknüpfte und mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten kombinierte, erwiesen sich dabei als effizient und
nachhaltig – sowohl in den Vorhaben selbst als auch in
deren Außenwirkung. Denn gelungene Einzelprojekte
strahlen wiederum positiv auf das Quartier zurück: oft
genug wirkten sie durch eine engagierte, bleibewillige Bewohnerschaft stabilisierend für die Gebiete und leisteten
darüber hinaus mit sozialen oder kulturellen Angeboten einen Beitrag zur lokalen Infrastruktur. Die Realisierung von
Stadtentwicklungsaufgaben im sozialen, arbeitsmarktpolitischen und ökologischen Kontext, die L.I.S.T. in den
1990er Jahren im stadtweiten Maßstab bei der Betreuung
konkreter Einzelvorhaben verfolgte, trug insofern bereits
die Grundzüge einer zeitgemäßen Stadtentwicklungspolitik, wie sie sich beispielsweise heute im Instrument des
Quartiersmanagements formuliert – nun jedoch eher gebietsbezogen: interdisziplinäre Strategien, effektive Bündelung von Ressourcen, Nutzung von Synergieeffekten,
Stärkung der Potenziale der Quartiere, Hilfe zur Selbsthilfe
(„Empowerment“).
Die vorliegende Broschüre dokumentiert die Ergebnisse der
20-jährigen Arbeit der L.I.S.T. GmbH und damit gleichzeitig
die Entwicklung dieses Akteurs der Berliner Stadtentwicklung vom stadtweiten Betreuer von fast 70 Einzelprojekten
zum gebietsbezogenen Quartiersmanager. Die Ergebnisse
dieser erfolgreichen Arbeit sind in ihrer positiven Wirkung
für die Quartiere und damit die Gesamtstadt nicht zu unterschätzen.
Brita Wauer
Geschäftsführerin der L.I.S.T. GmbH
5
1.
Von den Anfängen: Die Gründung der L.I.S.T. GmbH
Abb. r.:
Stukkateure und Auszubildende der Zukukunftsbau
GmbH,
Baustelle Adolfstraße 27
Foto:
Archiv Zukunftsbau GmbH
6
Der Sanierungs- und Stadtentwicklungsträger „L.I.S.T. Lösungen im Stadtteil“ wurde 1989 gegründet. Seither hat
er als Treuhänder des Landes Berlin fast 70 Bauvorhaben
auf den Weg geholfen – darunter etlichen Selbsthilfe- und
Sozialprojekten, die Altbauten selbst sanieren und bewirtschaften wollten, aber auch Neubauten oder Infrastrukturvorhaben.
Stadtplanung und Politik im Westteil Berlins vollzogen
Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre die Abkehr vom
flächendeckenden Abriss der Altbauten. 1982 wurden die
„Zwölf Grundsätzen der Behutsamen Stadterneuerung“
formuliert. Der Senat legte unter anderem ein Finanzierungsprogramm für die Selbsthilfe bei der Modernisierung
und Instandsetzung von Altbauten auf. Doch die Selbsthelfer hatten oft keine Erfahrung mit der Baupraxis. Sie
benötigten also fachliche und organisatorische Betreuung,
sollte die Selbsthilfe gelingen.
Auch in der Jugendhilfe fand ein Konzeptionswandel
statt. Wurden vorher so genannte schwierige Jugendliche
oftmals aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen und
in Heime verschickt, so entwickelte sich nun eine breite
Kampagne gegen die rigiden Methoden der „Fremdunterbringung“. Es wurde verstärkt nach jugendpolitischen
Alternativen zu den traditionellen Erziehungsheimen gesucht.
Der 1983 gegründete Verein Zukunft Bauen e.V. suchte die
Verbindung zwischen diesen beiden Themen – Stadterneuerung und Jugendhilfe – und konzentrierte sich zunächst
auf den nördlichen Wedding, um auf spezifische örtliche
Probleme von Vernachlässigung und Arbeitslosigkeit zu
reagieren. Dort entstanden die ersten Selbsthilfeprojekte,
in deren Verlauf Jugendliche im Rahmen der Jugendhilfe
ihr Haus sanierten und im Zuge dieser Baumaßnahmen
selbst ausgebildet und qualifiziert wurden: Sie sollten
nicht nur Wohnungen, sondern auch eine berufliche Perspektive erhalten. Während der Sanierung eines Altbaus
in der Grüntaler Straße mit Jugendlichen wurde 1986 die
Zukunftsbau GmbH als Ausbildungsbetrieb gegründet.
Diese kleinräumigen und milieuorientierten Projekte
wirkten in mehrere Richtungen: Zum einen wurde das
Selbsthilfepotential von Bewohnern genutzt, um Wohn-
raum preisgünstig instand zu setzen und zu sichern, zum
anderen wurden auf diese Weise Beschäftigungs- und
Qualifizierungsplätze für Menschen geschaffen, die auf
dem Arbeitsmarkt sonst kaum eine Chance hatten. Last
but not least entstanden auch Infrastruktureinrichtungen
für den Kiez, etwa Kinder- und Schülerläden oder kulturelle Räume.
Aus den Erfahrungen, die der Projektverbund aus „Zukunft
Bauen e.V.“ und der „Zukunftsbau GmbH“ in diesen Jahren
sammelte, entstand 1989 schließlich der gemeinnützige
Sanierungs- und Stadtentwicklungsträger L.I.S.T. GmbH.
Als Gesellschafter fungierte der gemeinnützige Verein
Zukunft Bauen e.V. Zu den L.I.S.T.-Gründern gehörten
der Soziologe Thomas Knorr-Siedow und der Psychologe
Dieter Baumhoff. L.I.S.T. verfolgte nicht das Ziel, eigene
Projekte zu realisieren, sondern verstand sich als Unterstützer für Initiativen und Projekte bei der Entwicklung
tragfähiger und passgenauer Strategien und als Entwickler von Konzepten für benachteiligte Stadtteile. Auf der
Basis verschiedener städtebaulicher Förderprogramme
wurden Baumaßnahmen betreut, die als integrierte städtebauliche, beschäftigungswirksame, soziale und jugendpolitische Maßnahmen in vielen Hausprojekten die oft
schwierige Lebenssituation unterschiedlicher Bewohnergruppen nachhaltig verbessern konnten. Aufgrund dieser
Erfahrungen wurde die L.I.S.T. GmbH 1990 als Treuhänder
des Landes Berlin anerkannt.
Das erste Projekt:
Der Glaskasten – ein Gebäude mit Geschichte
1903 erweitert der Wirt Hermann Schmidt seine Gaststätte in der Prinzenallee 33 um einen großen Festsaal auf
dem Hinterhof des Grundstücks. Der Schmidt’sche Ballsaal
mit einer Kegelbahn im Untergeschoss wird schnell ein
beliebter Vergnügungsort der Weddinger, „Glaskasten“
nennen sie ihn wegen der gläsernen Veranda. Ab Ende der
20er treffen sich hier immer häufiger auch kommunistische
Zellen, weshalb der Glaskasten 1933 von der SA gestürmt
und zum SA-Sturmlokal umfunktioniert wird. Das Unterge-
7
Abb. l. o.:
Glaskasten Ballsaal vor der
Sanierung, 1994
Foto:
Archiv Zukunft Bauen e.V.
Abb. l. u.:
Glaskasten Ballsaal nach
der Sanierung, 2000
Foto:
Archiv Zukunft Bauen e.V.
Abb. r.:
Glaskasten Eingangsbereich, Neubau
Foto:
Archiv Zukunft Bauen e.V.
8
schoss wird zum Folterkeller. Während des Krieges wird
das Vorderhaus zerstört. Nach Kriegsende nutzen die französischen Alliierten den Glaskasten als Kriegsgefangenenlager. In den 1960ern wird das Wohnhaus mit Gaststätte
wiedererrichtet, der Glaskasten im Hinterhaus wird zum
Tanzlokal, später zur Disco. Ab 1983 stehen die Gaststätte
und der Glaskasten leer.
Einige Jahre später wird der Glaskasten das erste Projekt
der L.I.S.T. GmbH. Die Planungen beginnen bereits 1990,
können jedoch erst Ende der 1990er Jahre realisiert werden. Das Gebäude auf der Prinzenallee 33 soll als kommunale soziokulturelle Einrichtung genutzt werden. Ursprünglich ist beabsichtigt, dort ein Kindertheater einzurichten.
Das Vorderhaus soll als Wohnmiethaus mit Gaststätte im
Erdgeschoss instand gesetzt werden. Eigentümerin des
Gebäudes ist die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft
Degewo, Träger der Maßnahme wird der Verein Zukunft
Bauen e.V. 1995 verkauft die Degewo das Gebäude an Zukunft Bauen e.V.
Die Sanierung des Vorderhauses mit Wohnungen für sanierungsbetroffene Mieter und Jugendliche wird ab 1997 mit
1,36 Mio. DM aus dem Programm „Wohnungspolitische
Selbsthilfe“ gefördert, die insgesamt 3,8 Mio. DM teure
Sanierung des Ballhauses ab 1996 mit Mitteln der Städtebauförderung. 15% der Gesamtsumme, ca. 600.000 DM,
werden durch Eigenleistungen des Trägers und Bauherrn
Zukunft Bauen e.V. erbracht. Die Baumaßnahmen werden
im Rahmen von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen mit Jugendlichen des Ausbildungsbetriebs
Zukunftsbau GmbH durchgeführt, die hier die Gewerke
Maler, Maurer und Tischler lernen. Außerdem bietet der
Ausbau des Glaskastens zwanzig arbeitslosen Bauhelfern
aus dem Wedding Beschäftigung und Qualifizierung im
Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM).
Heute wird der Glaskasten vom Eigentümer für alle Arten
von Veranstaltungen wie Theateraufführungen, Konzerte
oder Firmenjubiläen vermietet. Im Vorderhaus befindet
sich ein Restaurant mit afrikanischen Spezialitäten.
9
2.
Der Fall der Mauer:
zwischen Utopie und Wohnungsnot
Abb. r.:
Bürgerinitiative
Spandauer Vorstadt e.V.
Foto: Klaus Bädicker
10
Mit dem Fall der Mauer 1989 steht auch die Stadterneuerung unverhofft vor einer Aufgabe von völlig neuer Dimension: Im Ostteil Berlins – wie in vielen anderen Städten
der DDR – sind flächendeckend ganze Altbauquartiere
verfallen, weil die DDR ihre finanziellen, personellen und
technischen Kapazitäten vor allem auf den industriellen
Wohnungsbau konzentriert hatte. Entsprechend hoch
war der Leerstand, der schon zu DDR-Zeiten geradezu zu
Hausbesetzungen einlud; das Verfahren, eine Wohnung zu
besetzen, um dann per anonymer Mietüberweisung und
polizeilicher Anmeldung einen legalen Mietvertrag zu
erlangen, war relativ weit verbreitet. Zudem war in der
DDR bereits in den 1970er und 1980er Jahren die bauliche
Selbsthilfe jugendlicher Wohnungssuchender und junger
Familien mit diversen Programmen gefördert worden. Die
kommunalen Wohnungsverwaltungen schlossen mit Mietern Um- und Ausbauverträge ab. Solche Form der Instandsetzung konnte allein nicht den flächendeckenden Verfall
der Gebiete aufhalten, doch auf diese Weise hatten sich
den Alteingesessenen in den Altbauquartieren neue Bewohner zugesellt – darunter etliche Studenten, Oppositionelle, Künstler und Nonkonformisten, die hier ihre Nischen
und Freiräume fanden, sich das Gebiet auf ihre Weise aneigneten und sich damit identifizierten.
Als in den 1980er Jahren in der Oderbergerstraße und der
Rykestraße in Prenzlauer Berg, in der Spandauer Vorstadt
in Mitte und andernorts Pläne bevorstehender Abrisse bekannt wurden, formierte sich der Widerstand dagegen. Es
entstanden die ersten Bürgerinitiativen und Projekte zum
Erhalt der Altbausubstanz. Jene Anwohner beispielsweise, die 1989 Abrisse in der Mulackstraße verhinderten, als
die Sprenglöcher bereits gebohrt waren, gründeten später die Bürgerinitiative Spandauer Vorstadt. Am „Runden
Tisch Bauwesen“, der sich nach der politischen Wende im
Dezember 1989 konstituierte, erzwangen die Bürgerinitiativen u.a. das Versprechen eines Abrissstopps.
Zugleich zogen die vielen nach wie vor leer stehenden
Häuser gleich nach dem Fall der Mauer auch etliche Hausbesetzer aus West-Berlin an, wo bezahlbarer Wohnraum
noch immer Mangelware war. Vor allem in Prenzlauer
Berg, Mitte und Friedrichshain entstanden 1989/90 erste
Hausprojekte: ob in der Brunnen-, Acker- oder Rykestraße, in der Schönhauser Allee oder der Mainzer Straße. In
Ost-Berlin formierte sich eine neue Hausbesetzerbewegung, die allein von Frühjahr bis Herbst 1990 über 100 leer
stehende Häuser besetzte – um Gemeinschaftsprojekte
ins Leben zu rufen, Vorstellungen von selbstbestimmtem
Wohnen und Arbeiten zu realisieren oder einfach, um
möglichst kostenlos Räume zu nutzen.
Bereits im Winter 1989/90 war es zu ersten Kontakten
zwischen West-Berliner Akteuren wie der L.I.S.T. GmbH
und Ost-Berliner Bürgerinitiativen und Projekten gekommen – der „Mythos Kreuzberg“, mithin das West-Berliner Modell der behutsamen Stadterneuerung, hatte sich
auch in Ost-Berlin schnell herumgesprochen. Man fand
sich zu ersten Gesprächen, zu gemeinsamen Bau- und
„Entrümpelungs“aktionen zusammen. L.I.S.T. kam mit den
Erfahrungen aus den Weddinger Projekten Ende 1989 in
die Spandauer Vorstadt und fand dort die Bürgerinitiative
sowie viele erhaltenswerte Häuser vor – unter anderem
auch die Mulackstraße 29/30, die später aus dem 25-Millionen-Programm des Senats gefördert wurde.
Das 25-Millionen-Programm
Anfang 1990 – die DDR existierte noch, in Ost-Berlin regierte der Magistrat die Stadt, in West-Berlin der Senat –
war der damalige SPD-Bausenator Wolfgang Nagel auf
Einladung der neu gegründeten DDR-SPD nach Ost-Berlin
gereist, um über „Ökologische Stadterneuerung“ zu referieren. Auf einer Podiumsdiskussion des SPD-Bezirksverbandes gab Nagel überraschend bekannt, dass der Senat
Ost-Berlin 25 Millionen DM als Soforthilfeprogramm für
die Stadterneuerung zur Verfügung stellen wolle. Dies
sei, so Nagel, als „symbolische Geste“ zu verstehen, vielleicht ließe sich so das weitere Ausbluten der DDR verhindern – immer noch verließen DDR-Bürger in Scharen
ihr Land, der Leerstand nahm zu. Diese Hoffnung teilte
auch der damalige DDR-Bauminister Gerhard Baumgärtel: Ziel sei es, die Bürger zum Bleiben in ihrer Heimat
zu bewegen – die Wiederherstellung von Wohnraum sei
11
billiger als der Neubau von Wohnungen für Übersiedler im
Westteil der Stadt.
Mit der Betreuung, finanziellen Abwicklung und der Kontrolle der Baumaßnahmen wurden u.a. die West-Berliner
Stadterneuerungsakteure BSM, L.I.S.T., S.T.E.R.N., SPI
und Stattbau beauftragt, wobei die einzelnen Sanierungsträger bereits unterschiedliche Profile entwickelt hatten.
Um das Programm zu koordinieren, wurde in Mitte ein
Vor-Ort-Büro, das „Koordinationsbüro Stadterneuerung“
mit drei Mitarbeitern eröffnet, das später Sanierungsbeauftragter des Landes Berlin für den Bezirk Mitte wurde.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Programms wurde
eine große Anzahl von Förderanträgen gestellt – unter
anderem für die Mulackstraße 29/30 in Mitte.
Das Ost-West-Pilotprojekt: Die Mulackstraße 29/30
Abb. r. o.:
Mulackstraße 29/30
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
Abb. r. u.:
Mulackstraße 37, 1989
Foto: Klaus Bädicker
12
Das dreigeschossige Mietshaus im historischen Scheunenviertel war eines der ersten von L.I.S.T. betreuten
Ost-West-Bauprojekte. Bereits Anfang 1990 hatte die
Bürgerinitiative Spandauer Vorstadt einen Antrag auf Unterstützung bei der Einrichtung eines Beratungs- und Planungsbüros im Erdgeschoss des Gebäudes gestellt.
Im Innenhof der Mulackstraße 29/30 – der noch Ende der
1980er ebenfalls der Abriss gedroht hatte – hielt SPDBausenator Wolfgang Nagel 1990 die Auftaktrede zum
25-Millionen-Programm. Die Instandsetzung des Gebäudekomplexes aus Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude
war eines der Pilotprojekte des Programms. Von 1992 bis
1994 wurden acht Wohnungen instand gesetzt. Alle sanierungsbetroffenen Mieter zogen anschließend wieder
ein. Aufgrund der fehlenden Zustimmung des Eigentümers konnte in diesem Gebäude allerdings keine bauliche
Selbsthilfe organisiert werden, die Sanierung wurde mit
Hilfe von Baufirmen realisiert. Den Dachgeschossausbau
und den Ausbau der Gewerberäume finanzierten die Eigentümer, eine Erbengemeinschaft. Die Bruttobaukosten
beliefen sich auf 1,75 Mio. DM.
Das 25-Millionen-Programm war in der damaligen politischen Situation und unter weitgehend noch ungeklärten
Rahmenbedingungen ein ungewöhnlich offenes Instrument und ermöglichte es, eine Reihe experimenteller
Projekte auf den Weg zu bringen. Es konzentrierte sich
dabei vor allem auf Schwerpunkte des Bürgerinitiativ- und
Projektgeschehens. Insgesamt wurden auf diesem Weg
43 Häuser in Berlin und Potsdam gefördert. Die Klärung
von - gesetzlich noch nicht geregelten - Miethöhen und
Eigentumsfragen blieben bei dem Programm zunächst unberücksichtigt.
Zudem war das 25-Millionen-Programm ein klares wohnungspolitisches Signal gegen Abrisspolitik, das gerade
zu Beginn der 1990er Jahre eine nicht zu unterschätzende
Vorbild- und Symbolwirkung ausstrahlte. Politik und Verwaltung unterstützten mit dem Sofortprogramm eine Projektelandschaft, die maßgeblich zur Aufbruchsstimmung
im Berlin der unmittelbaren Nachwendezeit beitrug.
Die Bedeutung dieses Programms ist nur nachvollziehbar,
führt man sich die damalige brisante Situation vor Augen:
– Die Besitzer des Ost-Berliner kommunalen Wohnungsbestandes (also des Großteils der Ost-Berliner Wohnungen),
die Kommunalen Wohnungsverwaltungen, wurden mit der
Währungsunion am 1. Juli 1990 in städtische Wohnungsbauunternehmen umgewandelt. Ihre ökonomische Situation war angespannt, weil sie häufig sanierungsbedürftige
Wohnungen bewirtschafteten, deren Mieten meist nicht
einmal die laufenden Kosten deckten.
-– Hinzu kam die völlig neue Problematik der Restitution,
die durch den im Einigungsvertrag festgelegten Grundsatz
„Rückgabe vor Entschädigung“ ausgelöst worden war:
Immobilien, die sich früher in jüdischem Besitz befunden
hatten und unter nationalsozialistischem Regime zwischen
1933 und 1945 „zwangsarisiert“ worden waren, sollten an
die Erben der damaligen Eigentümer rückübertragen werden. Diese politische Entscheidung löste oft langwierige
Restitutionsverfahren aus. Kreditaufnahmen für die Sanierung restitutionsbelasteter Häuser wurden damit wesentlich erschwert bzw. faktisch unmöglich.
– Zum wirtschaftlichen Druck kam der politische: Der marode Zustand vieler Altbauviertel hatte maßgeblich mit zu
jener breiten Bürgerbewegung geführt, die schließlich den
Zusammenbruch des DDR-Staates einläutete. Entsprechend groß waren nach der Wende die Erwartungen und
der Handlungsbedarf.
– Die ersten Bestandaufnahmen machten den immensen Erneuerungsbedarf deutlich: Neben immer noch über
40.000 Wohnungen in West-Berlin wurden – allerdings
lediglich auf der Grundlage von Daten über Ausstattungsstandards - knapp 70.000 Wohnungen in Ost-Berlin, fast
11% des Gesamtbestandes, als erneuerungsbedürftig
eingeschätzt. Der Leerstand in Ost-Berlin wurde in ersten
Studien mit ca. 25.000 Wohnungen (ca. 6% des Gesamtbestandes) beziffert. Die ersten groben Schätzungen des
finanziellen Bedarfs für die Erneuerung beliefen sich auf
ca. 1,7 Milliarden DM jährlich bzw. auf einen Gesamtbedarf von 34 Milliarden DM, verteilt auf 20 Jahre.
Ein Novum: Restitutionsverfahren und
Eigentumsproblematik
Doch nicht nur mit dem Umfang des Instandsetzungsbedarfs, sondern insbesondere mit der Eigentumsfrage
stellte sich auch für die erfahrenen West-Berliner Sanierungsakteure eine völlig neue Problematik. Der politische
Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ zog eine Flut
von Restitutionsanträgen für die Altbauten nach sich.
Das Restitutionsproblem brachte etliche Projekte an den
Rand des Scheiterns. Aus Angst vor Regressansprüchen
von noch unbekannten Alteigentümern weigerten sich die
Kommunalen Wohnungsverwaltungen seit dem Sommer
1990 häufig, mit Selbsthilfegruppen Nutzungsverträge abzuschließen. Auch legten bereits bekannte Alteigentümer
oft ihr Veto gegen geplante Projekte ein. In solchen Fällen
konnte später teilweise das Investitionsvorrangverfahren
Abhilfe schaffen.
Eine Folge des Restitutionsgesetzes war auch, dass die
meisten der Alteigentümer – oft Erbengemeinschaften
oder private Einzeleigentümer – sich nicht in der Lage
13
sahen, die Gebäude selbst zu sanieren, und diese verkauften. Am Berliner Immobilienmarkt herrschte angesichts
des Hauptstadtbooms Goldgräberstimmung: Nicht selten
wurden Anfang der 1990er aus spekulativen Gründen Alteigentümeransprüche aufgekauft. Etliche der Grundstücke
wurden mehrfach verkauft, was zu einer Explosion der
Immobilienpreise und einem völlig überhitzten Immobilienmarkt führte, der dann ab 1997 kollabierte. Die Vielzahl
von Eigentümern, der hohe Anteil von Immobilienverkäufen, die häufigen Eigentümerwechsel und die immensen
Preissteigerungen stellten auch für die Sanierungsakteure
eine völlig neue Situation mit bis dahin ungekannten Problemlagen dar.
Hier entwickelte L.I.S.T., insbesondere durch die Erfahrungen der frühen 1990er Jahre, Kompetenzen bei der Problemlösung und konnte dazu beitragen, etlichen Hausprojekten bei der Bewältigung solcher Schwierigkeiten zu
helfen.
Bauen für Frauen: Die Zionskirchstraße 6
Abb. l.:
Zionskirchstraße 6
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
Abb. r.:
Impressionen Berlin-Mitte,
Anfang 1990er Jahre
Fotos: Klaus Bädicker,
Mathias Heyden
14
Das Projekt Zionskirchstraße 6 stand exemplarisch für den
von L.I.S.T. verfolgten Ansatz, bauliche Selbsthilfe mit arbeitsmarktpolitischen und sozial orientierten Maßnahmen
zu verknüpfen. Ausgangspunkt dieses Projekts waren Initiativen, die aus der „Lila Offensive“, einer DDR-Frauenbewegung der Wende, hervorgegangen waren. So hatte
sich aus dem Frauenzentrum „Brunnhilde e.V.“ der Verein
„BAFF – Bauen für Frauen e.V.“ gegründet, ein Zusammenschluss von Ost-Berliner Frauen mit Bauberufen, die sich
für den Erhalt und die Förderung der in der DDR durchaus
verbreiteten Ausbildung von Frauen in Baugewerken einsetzten. Langfristiges Ziel war die Gründung einer FrauenBaufirma.
Für die Realisierung eines Initiativprojekts wurde mit Hilfe der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) die
Zionskirchstraße 6 gefunden, ein leer stehendes Wohnmietshaus mit Vorderhaus und Seitenflügel. Projektträger
wurde BAFF e.V. Zwischen 1992 und 1994 wurden mit
Mitteln aus dem ModInst-Programm 13 Wohnungen um-
fassend saniert, das Dachgeschoss ausgebaut und Gewerberäume im Erdgeschoss geschaffen. Das Beschäftigungsprojekt des Vereins schuf im Zuge der Modernisierung 27
ABM-Plätze für Baufachfrauen und Ungelernte – von der
Bauleitung über Poliere bis hin zu den Einzelgewerken.
Die Wohnungen wurden Alleinerziehenden, kinderreichen
Familien und einem Seniorenpaar zur Verfügung gestellt.
In den als Kulturcafé mit Frauenarbeitsplätzen konzipierten Gewerberäumen im Erdgeschoss befindet sich heute
das frauengeführte Café „Oberwasser“.
Erhebliche Probleme bei der Durchführung des Projekts
ergaben sich durch Restitutionsansprüche, die für das
Haus gestellt wurden. Die Eigentumsverhältnisse wurden
im Folgenden per Investitionsvorrangverfahren geklärt.
Auch die Synchronisation zwischen ABM und Bauförderung gestaltete sich schwierig, hinzu kamen Leistungsüberschätzung und zeitweise Überforderung des Projekts,
das daraufhin durch die kooperierende Zukunftsbau GmbH
unterstützt wurde. Das langfristige Ziel des Vereins, aus
dem Projekt eine Frauenfirma zu etablieren, konnte zwar
nicht realisiert werden, viele der am Projekt beteiligten
Frauen blieben jedoch nach dem Ende der Baumaßnahme
in Bauberufen tätig.
15
3.
Immer mehr von L.I.S.T. betreute Projekte
Allein bis zum Sommer 1990 waren in Mitte, Prenzlauer
Berg und Friedrichshain über 100 Häuser besetzt. Die Besetzer bildeten ein Gremium, um mit dem Ost-Berliner Magistrat Verhandlungen zwecks Legalisierung der Häuser zu
führen. Der Magistrat versprach für alle vor dem 24. Juli
1990 besetzten Häuser eine so genannte Nichträumungsgarantie. Nach diesem Stichtag sollte auch in Ost-Berlin
die West-„Berliner Linie“ gelten, wonach Hausbesetzungen binnen 24 Stunden durch die Polizei zu beenden
sind. Weitergehende Verhandlungen mit dem Magistrat
scheiterten im Herbst 1990 endgültig an differierenden
Interessenlagen. Der Konflikt eskalierte schließlich in der
Räumung der Mainzer Straße im November 1990 unter
massivem Polizeieinsatz.
Unmittelbar danach berief der „BesetzerInnenrat Prenzlauer Berg“ einen „Runden Tisch Instandbesetzung“ ein,
an dem neben den Besetzern auch Vertreter der Wohnungsbaugesellschaft WIP, der Senatsbauverwaltung,
das Bezirksamt, der BVV-Fraktionen und der L.I.S.T. GmbH
teilnahmen. Hier wurde ein Rahmenvertrag für die Häuser ausgehandelt, der die Legalisierung von Besetzungen
ermöglichte. Ähnliche Runde Tische gab es auch in Mitte
und Friedrichshain.
Maßgeschneiderte, interdisziplinäre Strategien
für Projekte
Abb. r.:
Auszubildende der
Zukukunftsbau GmbH,
Baustelle Adolfstraße 27
Foto:
Archiv Zukunftsbau GmbH
16
Die hohe Dynamik zu Beginn der 1990er schlug sich auch
in der Arbeit von L.I.S.T. nieder: Neben der Mulackstraße
29/30 und der Zionskirchstraße 6 kamen seit 1991 immer
mehr Hausprojekte hinzu, die von L.I.S.T. betreut wurden:
Ackerstraße 18 und 169/170, Auguststraße 18, Tucholskystraße 22/24, Christinenstraße 33, Lottumstraße 26,
Kastanienallee 77 sowie 85 und etliche andere. In kürzester Zeit gab es 20 Häuser, die der Senat als förderwürdig
einstufte.
Dabei entwickelte die L.I.S.T. GmbH als Sanierungsträger
ein spezifisches Profil. Einer der Schwerpunkte war die
Verbindung von Sanierung mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Als interdisziplinäre Organisation
verfolgte L.I.S.T. ganzheitliche Ansätze, um innovative
Projekte zu ermöglichen.
Zu den Zielgruppen dieser Tätigkeit gehörten u.a. Selbsthelfergruppen, die Häuser selbst sanieren und bewirtschaften wollten, kulturelle und wohnungspolitische
Projekte und soziale Träger. L.I.S.T. ging es darum, diese
Gruppen dabei zu unterstützen, ihre individuellen Ideen zu
entwickeln und umzusetzen. Die Beratungsarbeit war auf
die Entwicklung der Projekte orientiert. Die Strategien der
Umsetzung wurden „maßgeschneidert“ für die jeweilige
Situation der Bewohnergruppen entwickelt, denn in jedem
Haus waren spezifische Voraussetzungen gegeben, die es
zu berücksichtigen und zu nutzen galt.
Viele Gruppen wandten sich an L.I.S.T., da sie sich zunächst nicht in der Lage sahen, den komplizierten und
aufwendigen Sanierungsprozess samt Organisation, Bauplanung und -durchführung allein zu realisieren. Der erste
Schritt, den L.I.S.T. mit den Gruppen unternahm, war das
gemeinsame Gespräch, um Vorstellungen zu klären, die
Gruppensituation kennen zu lernen, bisherige Aktivitäten
und Kontakte zu erfragen sowie den Zustand des Hauses,
die Eigentumsverhältnisse und weitere Ausgangsdaten zu
ermitteln.
Ein nicht zu unterschätzender Teil der Arbeit bestand in
der Vermittlungs- und Moderationsleistung: Zwischen den
Nutzern und Projekten einerseits, Verwaltungen, Fördergebern, Banken oder Eigentümern andererseits mussten
Kontakte hergestellt und moderiert werden, um Lösungen
für anfangs oft undurchführbar erscheinende Aufgaben zu
finden.
Das Angebot der sozialpädagogischen Betreuung der
Gruppen während der gesamten Bauzeit unterschied
L.I.S.T. von anderen Sanierungsträgern. Insofern handelte
es sich um eine ressortübergreifende Projektbetreuung,
die neben den eigentlichen baulichen Aufgaben auch jugend- und arbeitsmarktpolitische sowie soziale Aspekte
einband. Die für die Treuhänder zuständige Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen trug diese interdisziplinäre
Ausrichtung mit und förderte sie. So schrieb der damalige
Bausenator Wolfgang Nagel im Vorwort einer Dokumentation von 1995: „In Berlin vollzieht sich ein beispielloser
städtebaulicher Prozess. Seit der Maueröffnung müssen
wir auf veränderte Stadtstrukturen reagieren. (…) Stadterneuerung darf sich nicht nur auf Stadterweiterung,
Neubau und spektakuläre Neubauprojekte konzentrieren.
Stadterneuerung ist auch für die Quartiers- und Stadtteilentwicklung wichtig. (…) Dazu gehört auch der Mut, neue
Konzepte zu entwerfen, politisch zu diskutieren und demokratisch umzusetzen. (…) Die L.I.S.T. GmbH ist ein solcher
Sanierungsträger, der Stadtentwicklungsaufgaben immer
auch im sozialen und ökologischen Kontext realisiert. Diesen Anspruch hat die Gesellschaft seit 1989 immer wieder
zur Richtschnur gehabt, mit Erfolg (...) Ich wünsche deshalb, dass L.I.S.T. seine Arbeit auch zukünftig so zielstrebig fortsetzt. Denn sie kommt denjenigen zugute, die es
auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt schwer haben.“
send die Möglichkeiten zum Ausgleich sozialer, kultureller,
wirtschaftlicher, baulicher und infrastruktureller Defizite
und Probleme in Stadtteilen entwickelt, erprobt und langfristig gesichert. (…) Die Tätigkeit ist ausdrücklich nicht
begrenzt auf Gebiete gemäß §§ 141, 142 des Baugesetzbuches (BauGB).“
In gewisser Weise war mit diesem Ansatz bereits der
Grundstein für das Quartiersmanagement gelegt, das
Ende der 1990er Jahre als stadtentwicklungspolitisches
Instrument eingeführt wurde – und es ist nur folgerichtig,
dass L.I.S.T. seitdem zu den Trägern des Quartiersmanagements gehört.
Diese sozial- und beschäftigungspolitische Ausrichtung
wurde im Treuhandvertrag verankert, den das Land Berlin
mit der L.I.S.T. GmbH schloss:
„Der Treuhänder erprobt im Auftrag Berlins neue Instrumente für die Durchsetzung des Konzepts einer behutsamen, sozial und ökologisch orientierten Stadterneuerung
unter besonderer Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen und kulturellen Bedürfnisse benachteiligter Bewohner und Stadtteile. Diese Instrumente sollen die Selbsthilfepotentiale sowie die Mit- und
Selbstbestimmung der Bewohner und Nutzer entwickeln
und fördern. Die zu diesem Zweck zu erwerbenden Grundstücke verwaltet und privatisiert der Treuhänder unter
besonderer Berücksichtigung der Bereitstellung sozialpädagogisch betreuter Beschäftigungsmöglichkeiten für
besonders benachteiligte Gruppen.
Die Gruppen (insbesondere jugendliche Arbeitslose, Behinderte, Sozialhilfeabhängige, psychisch und somatisch
Kranke) sind gemeinsam mit der sonstigen Bewohnerschaft im Stadtteil und in Kooperation mit bereits bestehenden oder ggf. zu gründenden Institutionen, Initiativen
und Projekten zu fördern und zu beteiligen. Dabei werden
ressortübergreifend Formen der Sozialförderung in Verbindung mit der Förderung von Baumaßnahmen und umfas-
17
L.I.S.T. wird auch in Lichtenberg aktiv
Auch in Lichtenberg – überwiegend in der gründerzeitlichen Victoriastadt – waren diverse Häuser besetzt worden, u.a. in der Kaskel-, Pfarr- und Lückstraße.
Waren bis dahin die Gruppen selbst – angeregt durch gegenseitige Information und durch die Runden Tische – auf
L.I.S.T. als Treuhänder und Sanierungsträger zugekommen,
so engagierte sich in Lichtenberg der damalige Sozialstadtrat dafür, dass L.I.S.T. die Beratung und Betreuung
einiger Häuser übernahm. Hier stellten sich insbesondere
spezifische sozialpädagogische Anforderungen, da es sich
bei den Besetzern teils um politisch rechtsgerichtete Jugendliche handelte, teils um sehr junge Jugendliche, die
ihr Zuhause frühzeitig verlassen hatten.
Konflikte moderieren: Die Pfarrstraße 111
Abb. l.:
Bezirklicher Bauherrenpreis
2000 für die Pfarrstraße
111
Abb. r. o.:
Vorderhaus Pfarrstraße 111
Abb. r. u.:
Ausbildungsrestaurant
„Am Kuhgraben“, Pfarrstraße 111
Fotos: Peter Brinkmann,
L.I.S.T. GmbH
18
Im Sanierungsgebiet Victoriastadt, einem gründerzeitlichen Wohnquartier, war der Instandsetzungsbedarf angesichts jahrelang dem Verfall preisgegebener Bausubstanz
hoch, etliche Wohnungen standen leer. Unter den Besetzern, die Häuser in der Kaskel-, Türrschmidt- oder Pfarrstraße besetzten, waren viele Jugendliche mit sozialen
Problemen und teils politisch rechtsgerichtete Gruppen,
was wiederum zu Konflikten mit linksgerichteten Besetzern
aus der Punk-, Autonomen- und Antifa-Szene führte. Der
Sozialdiakon der Erlöserkirche hatte für jene Jugendlichen
den Verein „Sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg
e.V.“ ins Leben gerufen. Dieser Verein wurde Träger des
ersten Projekts, für das die L.I.S.T. GmbH 1990 in Lichtenberg die Steuerung übernahm: die Pfarrstraße 111, ein von
politisch rechtsgerichteten Jugendlichen besetztes Haus.
In Anlehnung an die von L.I.S.T. erprobten Konzepte entwickelte der Trägerverein einen sozialen Projektverbund, der
eine Notaufnahme, eine Sozialküche und ein Konzept für
betreutes Wohnen mit einschloss.
Diese Maßnahme wurde mit Mitteln, die der Ost-Berliner
Magistrat analog zur Selbsthilfeförderung zur Verfügung
gestellt hatte, durchgeführt. Eigentümer des Gebäudes
war die Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg, die mit
dem Projektträger einen langfristigen Pachtvertrag abschloss. Im Zuge der Sanierung des Hauses wurden sieben
Wohnungen geschaffen, das Dachgeschoss ausgebaut
und im Erdgeschoss Räume für eine soziale Beratungsstelle hergerichtet.
Gleichzeitig schloss das Projekt Beschäftigungs- und Integrationsmaßnahmen für gewaltbereite Jugendliche ein,
die so neue Orientierung erhielten und auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden konnten: Für 20 Jugendliche
wurden ABM-Stellen geschaffen. Unter Anleitung professioneller Betreuer übernahmen sie die Instandsetzung des
Hauses. Die Wohnungen wurden nach der Sanierung mit
Hilfe des Lichtenberger Jugendamtes als betreute Wohnungen für obdachlose Jugendliche genutzt.
Die 1991 begonnene Sanierung konnte im Frühjahr 1993
abgeschlossen werden, investiert wurden ca. 1,3 Mio.
DM. Dieses erste in Lichtenberg von L.I.S.T. betreute Projekt war in der Öffentlichkeit keineswegs unumstritten,
hatte jedoch als Selbsthilfemodell deutliche Sogwirkung:
Kurze Zeit später folgten weitere Besetzergruppen diesem
Beispiel.
Dieses mutige Projekt, das auf die Reintegration einer
besonders schwierigen Klientel zielte, erforderte große
Sensibilität und sozialpädagogische Kompetenz und stellte auch insofern eine besondere Herausforderung dar, da
es bisher kaum Modelle dafür gab. Dass sich L.I.S.T. auf
diese Herausforderung einließ und das Projekt erfolgreich
betreute, zeugte von der Fähigkeit des Sanierungsträgers,
auch im undefinierten Raum zu arbeiten und selbst unter
schwierigen, überaus konfliktträchtigen Bedingungen innovative Lösungen zu entwickeln.
Konflikte moderieren: Die Pfarrstraße 102
Gegenüber der Pfarrstraße 111 war auch das Haus Pfarrstraße 102 besetzt worden – allerdings von politisch linken
Jugendlichen. In der Folge kam es zu teils gewalttätigen
Zusammenstößen zwischen beiden Gruppen.
Für die Pfarrstraße 102 wurde 1992 ein Fördervertrag nach
den ModInst-Richtlinien von 1990 abgeschlossen, der
Paragraph 17a („wohnungspolitische Maßnahmen“) sah
dabei einen Eigenleistungsanteil des Trägers von 15% vor.
Projektträger war hier der Hausverein „Titanic e.V.“, der
mit der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg als Eigentümerin des Gebäudes einen 20-jährigen Pachtvertrag abschloss. In der Bauzeit von 1992 bis 1994 wurde das Haus
mit zwölf Wohnungen umfassend saniert, das Dachgeschoss ausgebaut sowie der Hof gestaltet. Mit den arbeitsund ausbildungslosen jugendlichen Bewohnern wurde ein
Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt entwickelt.
Die Baudurchführung mit der Selbsthilfe- und ABM-Gruppe gestaltete sich überaus erfolgreich. Im Anschluss an
die Sanierung übernahm L.I.S.T. auch die Nachbetreuung
zum Aufbau der Selbstverwaltung des Projekts.
Mit den Lichtenberger Projekten sammelte L.I.S.T. wichtige Erfahrungen insbesondere in der sozialpädagogisch
betreuten Jugendselbsthilfe und prägte sein spezifisches
Betreuungsmodell weiter aus: Zu den Bausteinen gehörten möglichst langfristige Nutzungsverträge mit den
Gruppen, weitestgehende Selbstverwaltung der Nutzer
oder alternativ die Beauftragung einer sozial agierenden
Hausverwaltung, flankierende Qualifizierungsmaßnahmen, die Einbeziehung gemeinnütziger Ausbildungsträger
wie Kirchbauhof, Stattbauhof, Atlantis, Zukunftsbau u.a.,
die nicht nur über beruflich-fachliche und ökologische,
sondern auch über pädagogische und Betreuungskompetenzen verfügten und mitunter sogar Jugendliche in
Ausbildungsmaßnahmen übernahmen. Genau dieser multiplikatorische Effekt war vom Senat als modellhaft angesehen worden und ausdrücklich gewünscht.
19
4.
Nachhaltigkeit:
wohnungspolitische Selbsthilfe im Ostteil der Stadt
Abb. r. o.:
KuLe, Auguststraße 10,
nach der Besetzung 1990
Foto: Klaus Bädicker
Abb. r. u.:
„Familie Jetzt“, 1994
Ausstellung, Veranstaltungen und Fest der Vereinigten Varben Wawavox
anlässlich der 2-jährigen
Wiederbelebung des denkmalgeschützten Hauses
Kastanienallee 77
Foto: Mathias Heyden
20
In der kurzen Spanne von 1989 bis Mitte der 1990er Jahre hatte sich insbesondere in den Innenstadtbezirken des
Ostteils der Stadt, in Friedrichshain, Prenzlauer Berg und
Mitte, eine überaus vitale und bunte Projektelandschaft
entwickelt. Deren Anziehungskraft speiste sich zum einen
aus der Ost-Berliner Aufbruchseuphorie und dem emanzipatorischen Geist, der 1989 die Wende herbeigeführt
hatte, andererseits aus der lebendigen Mischung von
kulturellen, sozialen und politischen Projekten, die mit der
Wende entstanden waren oder sich in deren Folge hier
angesiedelt hatten. Und dazu gehörten auch jene Projekte,
die aus den erst besetzten und später legalisierten Häusern hervorgingen und teilweise bis heute existieren: u.a.
die KuLe („Kunst und Leben“) in der Auguststraße 10, die
Kastanienallee 77 (K77), der „Schokoladen“ in der Ackerstraße 169/170 oder das Kunsthaus ACUD in der Veteranenstraße.
Die Ausstrahlung dieser Projekte hatte aber auch mit
der Tatsache zu tun, dass sie insbesondere in den frühen
1990ern einen entscheidenden Beitrag zur kulturellen und
sozialen Infrastruktur im Ostteil der Stadt leisteten und
damit den jeweiligen Kiezen halfen. Zudem engagierten
sich etliche der Häuser in der Mieterbewegung: Besetzerräte wurden als Sprecherorgan der besetzten Häuser
gegründet, Mieter- und Kiezläden als Anlauf- und Beratungsstellen für die Bewohner der Gebiete aufgebaut oder
Kiezzeitungen herausgegeben.
Und nicht wenige dieser Projekte wurden von L.I.S.T. bei
der baulichen Selbsthilfe begleitet.
Für den Treuhänder war mit Beginn der 1990er eine überaus arbeitsintensive Zeit angebrochen. Bis zum Sommer
1995 hatte L.I.S.T. bereits 73 Hausprojekte vorbereitet und
betreut. Aufgrund ungeklärter Eigentumsverhältnisse, zu
hoher Kaufpreise und interner Entscheidungsprobleme
konnten bis zu diesem Zeitpunkt 28 der betreuten Projekte
jedoch nicht in die Realisierung gehen. Die Hausverwaltung der L.I.S.T. GmbH unterhielt vor allem in Wedding,
Mitte und Lichtenberg zwölf komplette Mietshäuser und
zusätzlich 150 Einzelwohnungen. Insgesamt wurden 330
Wohnungen betreut.
Das „Kettensägenmassaker“: Die K 77
Das um 1848 erbaute Haus in der Kastanienallee 77 stand
von 1986 bis 1992 leer. Da die Eigentumsverhältnisse nicht
geklärt waren, wurde das Gebäude zwangsverwaltet und
war dem Verfall ausgesetzt. Am 20. Juni 1992 besetzte die
Gruppe „Vereinigte Varben Wawavox“ im Rahmen einer
Kunstaktion, „Kunst – Besetzen - 1.Hilfe“ die Kastanienallee 77. Die HdK-Studenten und Künstler wollten Leerstand
beseitigen und Wohn- und Arbeitsraum für künstlerische
Tätigkeiten schaffen. Bald war das Haus wichtiger Bestandteil der Projekte- und Kulturszene und mit anderen
Gruppen gut vernetzt, über den Abschluss von Mietverträgen wurde die K77 „legalisiert“.
Der neue Eigentümer hatte allerdings anderes mit dem
Gebäude vor. Er ging als „Mann mit der Kettensäge“ in
die K77-Annalen ein, als er Ende 1993 40 Bauarbeiter mit
Schlagbohrern und Motorsägen losschickte, die morgens
in das Haus einzudringen versuchten – ohne Vorwarnung
und ohne Baugenehmigung. Erfolg hatte er jedoch mit diesem illegalen Räumversuch nicht: stattdessen erhielt er
eine Anzeige und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren des
Bezirks wegen des rabiaten Umgangs mit der denkmalgeschützten Substanz – das Haus ist eines der ältesten im
Gebiet.
Als L.I.S.T. die Betreuung der K77 übernahm, fand der
Treuhänder eine relativ eigenständige, engagierte und aktive Gruppe vor, die insbesondere Unterstützung bei praktischen Fragen brauchte. Vor allem aber ging es zunächst
darum, das Grundstück zu sichern. Nach langen, schwierigen Verhandlungen zwischen den Bewohnern, L.I.S.T. und
den Eigentümern und mit Unterstützung des bezirklichen
„Runden Tisches“ gelang dies schließlich: Die Immobilienfirma verkaufte das Gebäude samt Grund und Boden an die
gemeinnützige „Stiftung Umverteilen“, die es an den von
der Künstlergruppe gegründeten Verein „Stilkamm 5 1/2
e.V.“ für die nächsten 50 Jahre verpachtete.
Von 1995 bis 1998 wurde das denkmalgeschützte Gebäude von den Bewohnern in Eigenleistung saniert. Gefördert wurde das Projekt durch das Programm „Bauliche
Selbsthilfe“ nach den ModInst-Richtlinien 1990, das einen
Eigenleistungsanteil von 15% vorsah. Investiert wurden
4,7 Mio. DM. Die umfangreiche Grundsanierung wurde
mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßmaßnahmen
verbunden.
Von der denkmalgeschützten Substanz sollte möglichst
viel erhalten bleiben, weshalb Dielen, Türen und Fenster
aufgearbeitet und wieder eingebaut wurden. Der Putz der
tragenden Wände wurde geschützt und erhalten, und es
wurden die gleichen ökologischen Materialien verwendet
wie beim Bau des Hauses (Mineralfarben, geölte Holzfenster, -türen und -dielen).
Derzeit wohnen 21 Erwachsene und fünf Kinder gemeinschaftlich in dem denkmalgeschützten, 150 Jahre alten
Vorderhaus, dem Seitenflügel und einem Hinterhaus.
Dahinter liegt eine dreigeschossige Fabrik, in der sich die
Kulturprojekte befinden, u.a. Studios und eine Keramikwerkstatt. Im Vorderhaus befindet sich das Lichtblick-Kino.
Die K77 ist nach wie vor eine Bereicherung der kulturellen
Infrastruktur des Gebiets.
Kunst und Leben in der Auguststraße 10: die KuLe
Die jungen Künstler und Studenten, die im Sommer 1990
die leer stehende Auguststraße 10 besetzten, um dort gemeinschaftlich zu wohnen und zu arbeiten, nannten das
Haus KuLe: Kunst und Leben sollten darin eine Verbindung eingehen. Die KuLe gehörte zu den Initialprojekten
in Mitte, sie hatte starke Ausstrahlung für den Kiez. Die
schönste Beschreibung des Projekts lieferten die „großen
und kleinen Kinder“ der Auguststraße 10 in einer Selbstdarstellung von 1991:
„Die KuLe ist eine Kinder- und Unkenhöhle, ein versteinertes Brötchen, ein verkohltes Holzscheit, eine frische Tulpe
und das Geträumte dazwischen. Die KuLe ist ein besetztes
Haus mit etlichen Aktionsräumen im Erdgeschoss und Keller, die je nach Veranstaltung verändert und neu gestaltet
werden. Die BesucherInnen betreten einen Ort, der sowohl
von den jetzigen BewohnerInnen wie von der Geschichte
des Hauses geprägt ist. Es existiert nichts Festgefügtes
21
Abb. l.:
KuLe, Auguststraße 10,
Fassadengestaltung
Foto: Klaus Bädicker
Abb. r.:
KuLe, Auguststraße 10,
Kunstaktionen 1992
Fotos: Klaus Bädicker,
Rolf Zöllner,
Andreas Münstermann
22
und Abgeschlossenes. Arbeit wird als Improvisation, Veränderung und Entdeckungsfreude verstanden. Die Themen
sind vielseitig und richten sich nicht nur an Insiderpublikum. Die Aktivitäten reichen von Kindertheater über Musikperformances bis zu Tanzparties und Ausstellungen. Zu
besonderen Anlässen wie Demonstrationen oder Umzügen
führt KuLe gern einen hauseigenen Spekulationsgeier oder
einen Schwarm Miethaie spazieren.“
Die phantasievollen öffentlichen Aktionen der KuLe sind
legendär: ob „Straßenberuhigungstheater“ mit Kindern
der Sehschwachenschule von nebenan, Demonstrationen
gegen Spekulation, bunte Hof- und Straßenfeste oder
selbstgebaute Puppen an der Fassade. Als eine Immobilienfirma Anspruch auf das „Objekt“ erhob, das sich „in
einer bevorzugten Lage von Berlin-Mitte befindet“ und
daher ein Büro- und Geschäftshaus werden sollte, weshalb die WBM das Haus leer zu übergeben habe, klebten
die KuLe-Bewohner für jeden sichtbar das Schreiben der
Immobilienfirma ins Fenster – und stellten dem von der
GmbH angegebenen Kaufpreis von immerhin anderthalb
Millionen DM einen Kunstwert von 31.415.926 Hosenknöpfen entgegen.
Bereits Anfang der 1990er waren die Begehrlichkeiten von
Investoren und damit auch der Druck auf Gebiete wie die
Spandauer Vorstadt oder rund um den Kollwitzplatz groß.
Die KuLe-Bewohner, die bereits seit 1991 über Mietverträge verfügten, wollten ihr Projekt erhalten und langfristig
im Gebiet bleiben. Sie suchten sich auf Anraten der L.I.S.T.
GmbH einen Investor, der in der Lage war, das Gebäude zu
erwerben, und bereit war, mit dem Hausverein KuLe e.V.
einen langjährigen Pachtvertrag abzuschließen. Sie fanden tatsächlich nach intensiver Suche neue Eigentümer,
die das Gebäude als langfristige Wertanlage ansahen und
damit das Konzept der Bewohner unterstützten.
Von 1994 bis 1998 sanierten die Bewohner Vorderhaus,
Seitenflügel und Hinterhaus, bauten das Dachgeschoss
aus, setzten Wohnungen instand und beseitigten Leerstand. Im Erdgeschoss wurden Gemeinschafts- und Theaterräume hergerichtet.
Ein besonders anspruchsvolles, ungewöhnliches Vorhaben
stellte die Sanierung der Fassade dar. Denn die KuLe-Be-
wohner wollten einerseits die Vorderfront des Hauses, die
sie bis dahin mit unterschiedlichen Elementen immer wieder neu bespielt und mit Installationen gestaltet hatten,
auch weiterhin kreativ nutzen können. Und sie wollten die
Geschichte des Hauses mit ihren Spuren und in all ihren
Schichten auch nach außen lesbar erhalten – das Grau,
die noch aus dem 2. Weltkrieg stammenden Einschusslöcher, der aus der Nachkriegszeit stammende Geschossaufsatz, aber auch die aus der Besetzerzeit stammenden
bunten Malereien am Erdgeschoss sollten nicht unter
einer Schicht frischer Tünche verschwinden. So entstand
die Idee, die Fassade zu konservieren. Gleichzeitig wurde
eine flexible „zweite Haut“ entwickelt, eine der Fassade
vorgehängte Konstruktion aus Trägern und gespannten
Drahtseilen, die temporär als bespielbare „Bühne“ nutzbar wäre.
Um diese ungewöhnliche Fassadengestaltung gab es Auseinandersetzungen mit der Denkmalpflege, da das Haus
Teil des Flächendenkmals Spandauer Vorstadt ist. Hingewiesen wurde auch auf die Schwierigkeit, Fassaden zu
konservieren. Unterstützung für ihr Vorhaben erhielten die
KuLe-Bewohner durch prominente Bau- und Kunstexperten, die sich für die Realisierung einsetzten. Schließlich
konnte ein Kompromiss geschlossen werden. Die nun
konservierte Fassade stellt eine reizvolle Ausnahme in
der durchsanierten Front der Auguststraße da und erregt
immer wieder das Interesse von Passanten – zumal, wenn
sie von Zeit zu Zeit über die Drahtseilkonstruktion ganz
neu belebt wird.
23
L.I.S.T.: Kompetente Beratung und Betreuung
Abb. l.:
Bewohnerplenum
Kastanienallee 85
Fotos: Florian Schöttle
Abb. r.:
Fassadengestaltung
„Kunst, Kommune, Kapital“
Kastanienallee 77
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
24
Der Ablauf der Betreuung von Selbsthilfeprojekten durch
die L.I.S.T. GmbH folgte einem bestimmten Raster:
Voraussetzung war zunächst die Existenz einer Gruppe
oder eines sozialen Trägers mit dem Willen zur baulichen
Selbsthilfe und der Bereitschaft, Verantwortung für den
Prozess zu tragen und möglichst auch die Selbstverwaltung zu übernehmen. Wo letzteres nicht möglich war,
wurde eine sozial orientierte Verwaltung beauftragt. Die
Bereitschaft und Belastbarkeit der Gruppe wurde zunächst
an „Bausteinen“ getestet, die die Gruppe leisten musste:
Das konnten beispielsweise die Beschreibung eines Konzepts, die Gründung eines Trägervereins, die Auswahl eines Architekten oder die Beantragung der Förderung sein.
Nach der Abstimmung der Planung und der Kostenschätzung folgten dann der Abschluss eines Fördervertrages
und der erste Spatenstich, bevor das Projekt in die eigentliche Realisierungsphase ging. Überaus hilfreich und
entscheidend war, dass der Senat mit der Zahlung der ersten Förderrate in Vorschuss ging, da sonst viele Projekte
finanziell nicht in der Lage gewesen wären, Vorleistungen
zu erbringen. Während der Bauzeit galt es auch, durch die
Betreuung gruppendynamische Prozesse zu moderieren,
die bei den oft langwierigen Selbsthilfe-Instandsetzungen
nicht ausblieben. Nach der Abnahme sollten dann die Projekte auf eigenen Beinen stehen können.
Der auf Seite 25 skizzierte Ablauf ist idealtypisch zu verstehen und dient dazu, das gesamte Angebots- und Leistungsspektrum von L.I.S.T. zu beschreiben. In der Praxis
wurde kein starres Raster verfolgt, sondern Leistungen
je nach den individuellen Bedürfnissen, Bedingungen und
Voraussetzungen eines Projekts angeboten und erbracht.
Diese umfangreiche interdisziplinäre Betreuungsleistung
konnte nur geleistet werden, weil L.I.S.T. ein erfahrenes,
qualifiziertes Team und viele Talente vereinte: Architekten, Pädagogen, Ingenieure, Stadtplaner. Den Projekten
kam dabei insbesondere die Kooperation dieser Partner
zugute.
Kompetenzkatalog der L.I.S.T. GmbH
Betreuung von Selbsthilfeprojekten
Phase 0:
–
–
–
Ständige Kooperation mit den einzelnen Senatsverwaltungen, Öffentlichkeitsarbeit:
Verständigung mit dem Land Berlin über die vorgesehenen finanziellen Mittel
Informeller Austausch über die in Vorbereitung befindlichen Projekte
Pflege politischer Kontakte mit Senatsverwaltungen, Bezirken, Verbänden zur gemeinsamen Entwicklung von
Konzeptionen und deren Umsetzung auf landeseigenen Grundstücken
Phase 1: Kontaktaufnahme mit Bewohnergruppen oder sozialen Trägern als Nutzer:
– gemeinsame Entwicklung eines Realisierungskonzepts
Beratung zur Finanzierung des Grundstückskaufs oder Zusammenarbeit mit Eigentumsträger
– Übertragung langfristiger Verfügungsrechte an die Bewohner bzw. Nutzer (Aushandlung von Nutzungsverträgen, Klärung
von Eigentumsverhältnissen), Beratung von Selbsthilfegruppen bei privatrechtlichem Zusammenschluss als Verein, GbR,
Genossenschaft etc.
– Erstellung eines Bausubstanzgutachtens und einer ersten groben Baukostenschätzung (bei Selbsthilfeprojekten
Begehungstermin gemeinsam mit L.I.S.T. und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung)
Phase 2: Beantragung eines Programmplatzes in der Förderung bzw. Anerkennung als Selbsthilfeprojekt:
– Beurteilung der in Phase 1 erarbeiteten Voraussetzungen durch die Fachabteilung der Senatsverwaltung
Phase 3:
–
–
–
Kontakte zu den bezirklichen Stellen:
Bauvoranfrage beim zuständigen bezirklichen Stadtplanungsamt
Beurteilung und konzeptionelle Erörterungen mit den Bezirksverwaltungen
Vorbereitung des Ordnungsmaßnahmen- und Sozialplanverfahrens
Phase 4: Kontaktaufnahme mit den Sozial-, Jugend- oder Arbeitsverwaltungen:
– Vorbereitung von Arbeitsförderungsprogrammen und integrierten sozialen Infrastrukturmaßnahmen
– Beantragung individuell gebundener Förderung der Wohnraumschaffung für besondere sozial benachteiligte Bedarfsgruppen
Phase 5:
–
–
–
–
–
–
Vorbereitung der Bauförderung und Bauplanung:
Beauftragung der Architekten zur Bauaufnahme und Werkplanung
Koordination mit Bewohner- und Nutzerbedürfnissen, obligatorische unabhängige Mieterberatung
Bautechnische Projektierung unter Einbeziehung ökologischer Haus- und Energietechnik
Prüfung der Finanzierbarkeit des Gesamtprojektes
Umsetzung der Werkplanung in Maßnahmenkataloge
Erörterung der städtebaulichen Ordnungsmaßnahmen (z.B. Mieterbetreuung, Bausicherung, Umfeldsanierung),
Vorbereitung der Förderung durch die Stadtplanungsämter
Phase 6: Abschluss des Modernisierungsvertrages:
– Prüfung der Unterlagen aus Phase 5 durch die Senatsverwaltung, Einarbeitung der Änderungswünsche
– Verhandlungen über die Höhe des zu erbringenden Eigenanteils durch die Nutzer unter Einbeziehung des
Realisierungskonzepts als Entscheidungsgrundlage
– Erstellung eines Termin- und Zahlungsplans
Phase 7:
–
–
–
–
Auszahlung der Förderraten, Bauablaufplanung und Organisation:
quartalsweise Auszahlung der Förderraten nach erfolgten Bauabnahmen
Gewährleistung der Einhaltung des Termin- und Zahlungsplanes
Hilfestellung bei Problemen im Bauablauf, in der Fertigstellung sowie bei der Umsetzung des inhaltlichen Konzepts
Schlussabnahme und Endbericht an den Fördergeber
Zusätzlich: Gewährung der sozialpädagogischen Betreuung während der gesamten Bauzeit – die Hausgruppe wird in der
Entwicklung ihrer internen Struktur, mit ihren Problemen und Anliegen kontinuierlich betreut.
25
5.
Sozialprojekte und innovative Neubauvorhaben: weitere L.I.S.T.-Kompetenzfelder
Abb. r.:
Villa Schott, Wriezener
Straße 10/11
Großer Saal im Obergeschoss, nach der
Restaurierung 2003
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
26
Neben den Selbsthilfegruppen gehörten vor allem soziale
Träger zu den wichtigen Zielgruppen der L.I.S.T. GmbH.
Hier ging es oft darum, für die auf dem Wohnungsmarkt
benachteiligten Bevölkerungsgruppen Wohnmöglichkeiten zu schaffen und bedarfsgerechte Wohnformen zu
entwickeln oder aber preiswerte Räume für Angebote sozialer Projekte zu schaffen. Auch hierfür wurden Bestandsbauten instandgesetzt und modernisiert, wenn möglich,
unter Einbeziehung von Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen der Zukunftsbau GmbH.
Ein Beispiel für eine solche Zusammenarbeit mit einem
sozialen Träger war die Wriezener Straße 10/11 im Wedding. Das Grundstück war durch den Verein „Wildwasser
e.V. - Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Missbrauch
an Mädchen“ aus Spendengeldern von der Wohnungsbaugesellschaft Degewo erworben worden. Der Verein wollte
hier ein behindertengerecht ausgestattetes Beratungs-,
Wohn- und Betreuungsprojekt für sexuell missbrauchte
Mädchen und Frauen einrichten.
Das 1881 erbaute denkmalgeschützte Haus, die „Villa
Schott“, stand zum Zeitpunkt des Erwerbs seit Jahren
leer und war dem Verfall preisgegeben. Mit der Hilfe von
L.I.S.T. konnten für die behindertengerechte sowie denkmalgerechte Instandsetzung des Gebäudes zu der Selbsthilfeförderung komplementäre Mittel eingeworben werden. So unterstützte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz
die Restaurierung des ehemaligen Wohn- und Geschäftshauses des Fabrikanten Carl Ludwig Schott in den Jahren
2001 und 2002 mit 65.000 Euro. Weitere Mittel wurden
durch die Lotto-Stiftung und den Eigenanteil des Ausbildungsträgers Zukunftsbau GmbH eingebracht, der hier
auch Träger der Baudurchführung war und damit arbeitsmarktpolitische und Qualifizierungsmaßnahmen verband.
Im Jahr 2004 konnte – nach Bauverzögerungen durch einen Brand – in der wiederhergestellten „Villa Schott“ die
„Wildwasser“-Beratungsstelle eröffnet werden. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz würdigte aus diesem Anlass
das Sanierungsprojekt mit einer Monographie.
Innovative ökologische und sozial orientierte Neubauvorhaben
Parallel zu den Selbsthilfeprojekten entwickelte die
L.I.S.T. GmbH innovative Ansätze im Neubaubereich. Auch
in diesem Sektor ging es dem Treuhänder darum, durch
die Bündelung mehrerer Zielsetzungen neue Formen des
Bauens zu erproben und möglichst große Synergieeffekte
zu erzielen.
So wurde bereits ab 1992 in der Roelckestraße in BerlinWeißensee ein Neubau mit modernen Werkstatt-, Lager-,
Sanitär- und Verwaltungsräumen errichtet, um hier das
Zentrum des Jugendhilfebetriebes der Zukunftsbau GmbH
mit 80 Auszubildende, 50 Fachanleitern und 130 Qualifizierungsplätzen anzusiedeln. Das Grundstück konnte unter
Mitwirkung der Treuhand erworben werden. Der Bau wurde
1997 fertiggestellt, ca. 10 Mio. DM waren investiert worden. Das Vorhaben war über die „Gemeinschaftsaufgabe
Aufschwung Ost“ sowie durch das Bundesjugendministerium und die Senatsumweltverwaltung gefördert worden.
Eine Besonderheit dieses Projekts war ein umfangreiches
Paket ökologischer Maßnahmen, u.a. ein ressourcensparendes Heizsystem der Tischlerei, die Dachbegrünung und
ein Blockheizkraftwerk.
Im Bereich des Wohnungsneubaus spielte das Förderprogramm „Sozialer Wohnungsbau“ eine wichtige Rolle, hier
vor allem der 1. Förderweg, mit dem zusätzlicher Wohnraum insbesondere für einkommensschwache Mieter
geschaffen werden sollte. L.I.S.T. betreute u.a. das im 1.
Förderweg finanzierte Neubauprojekt Pistoriusstraße 108
in Weißensee, ein Wohnhaus mit 18 Wohnungen und
Gewerberäumen im Erdgeschoss, das ab 1995 errichtet
wurde. Das Grundstück war durch die Treuhand an den
Verein Zukunft Bauen e.V. vermittelt worden. Hier legte die
Zukunftsbau GmbH erstmals Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekte im Neubaubereich auf. Die Wohnungen
wurden anschließend durch ein betreutes Kinderwohnprojekt sowie weitere Mieter genutzt.
In der Brauhausstraße 13/14 sowie der Langhansstraße
74/75 in Weißensee wurden neben einem zu sanierenden
Wohnmietshaus zwei Neubauten mit 21 Wohnungen und
27
einem Gewerbegebäude im 1. Förderweg errichtet. Dieser
Bau war als ökologisches Modellprojekt konzipiert, wobei der Neubau in ein Blockkonzept mit Gewerbeneubau
integriert wurde. Zwischen 1997 und 1999 wurden unter
Einbeziehung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen Wohnungen für sanierungsbetroffene Mieter
sowie die Klientel von Zukunft Bauen e.V. errichtet. Der
Verein war sowohl Grundstückseigentümer als auch Träger des Projekts.
Das Grundstück Neue Schönholzer Straße 11 in Pankow
hatte der Verein Zukunft Bauen e.V. durch Erbbaurechtsvertrag mit der Kirchengemeinde gepachtet, auf dem
die Zukunftsbau GmbH mit Ausbildungsgewerken und
Fremdfirmen ein Vorderhaus mit ca. 800 m² Wohnfläche
errichtete. Im Auftrag des Trägers entwickelte L.I.S.T. ein
Nutzungs- und Bebauungskonzept für das Grundstück als
ein Obdachlosenwohnprojekt und konnte einen Betreiber
dafür gewinnen.
Greifswalder Straße 28/Käthe NiederkirchnerStraße 37-40: Vielfältiges Wohnen und Arbeiten
unter einem Dach
Abb. l.:
Langhansstraße 74b,
Gründach im Bau
Foto:
Archiv Zukunftsbau GmbH
Abb. r.:
Greifswalder Straße 28,
Neubau
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
28
Ein überaus anspruchsvolles Modellvorhaben realisierte
L.I.S.T. mit dem Projektverbund Zukunft Bauen in der Greifswalder Straße 28/Käthe Niederkirchner-Straße 37-40.
Ende der 1990er Jahre entwickelte die L.I.S.T. GmbH zusammen mit dem Projektträger, der Zukunftsbau GmbH,
das Konzept für eine Eckbebauung Greifswalder Straße/
Käthe-Niederkirchner-Straße. Geplant wurde ein Wohngebäude mit fünf Aufgängen, 70 Wohnungen und sieben
Gewerbeeinheiten. Mit dem Projekt sollten sowohl Räume für am Wohnungsmarkt benachteiligte Gruppen und
Sonderwohnformen als auch Wohn- und Arbeitsräume
für kulturelle Nutzungen geschaffen werden. Weitere
Schwerpunkte waren die damit verbundene Schaffung
von Qualifizierungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche, die besondere Berücksichtigung ökologischer
Aspekte und die Entwicklung innovativer Gewerbebetriebe.
Dabei sollten die „Sonderwohnformen“ so in das Wohnhaus integriert werden, dass ein sozialverträgliches
Miteinander der unterschiedlichen Bewohner – ältere
Menschen und junge Familien, Kranke, Flüchtlinge – gewährleistet ist. Verschiedene soziale Projekte hatten Bedarf angemeldet: Der Verein „ein Dach für Jung und Alt
e.V.“ suchte Wohnungen für ein generationsübergreifendes Projekt, der Träger „PROWO e.V.“ benötigte Wohn-,
Beratungs- und Arbeitsräume für die Betreuung psychisch
kranker Mütter mit Kindern, die „Zuhause im Kiez GmbH“
wollte ein Wohnprojekt für HIV- und AIDS-Betroffene mit
Wohnungen, Gemeinschaftsraum, Büros und einer WG
einrichten. Zudem sollten fünf Wohnateliers für Künstler
in das Gebäude integriert werden. Durch Beschluss des
Senats war die Förderung von Künstlerwohnungen über
den 1. Förderweg im Sozialen Wohnungsbau möglich.
Für das Vorhaben wurden durch L.I.S.T. sowohl Fördermittel
des Programms „Sozialer Wohnungsbau“ (1. Förderweg)
als auch Mittel des EU-URBAN-Programms akquiriert. Von
Anfang 1999 bis Sommer 2000 wurde der Neubau mit ca.
5800 qm Wohn- und 960 qm Gewerbefläche errichtet, die
Kosten lagen bei 25 Mio. DM. Zur Realisierung trugen
auch Eigenleistungen des Projektträgers Zukunftsbau bei.
Beim Innenausbau wurden Ausbildungsgewerke beteiligt.
Aufgrund des Auslaufens der öffentlichen Förderung kam
die Neubauförderung ab 2002 für neue Gruppen und Projekte nicht mehr in Anwendung.
29
6.
Förderung in Berlin: Programme und ModInst-Richtlinien
Bis 1995 waren in Ost-Berlin zahlreiche Sanierungsgebiete
förmlich festgesetzt worden, davon allein fünf in Prenzlauer Berg mit insgesamt über 30.000 Wohnungen. Die
Anschubfinanzierung durch das 25-Millionen-Programm
war inzwischen durch unterschiedliche Förderprogramme
für die Modernisierung und Instandsetzung von Altbauten
ersetzt worden. Der Löwenanteil der Förderung im Altbaubereich entfiel auf das Programm „Soziale Stadterneuerung“, das bis 1994 in den ModInst-Richtlinien 1990 geregelt war. Daneben existierten weitere landesfinanzierte
Förderprogramme wie das Denkmalschutzprogramm, die
„Stadtweiten Maßnahmen“, die Mietermodernisierung,
das Programm „Industrielle Bauweise“ – und die „Wohnungspolitische Selbsthilfe“ zur Förderung baulicher
Selbsthilfeprojekte. Für den Neubaubereich gab es eine
zweistufige Sozialwohnungsbauförderung (1. und 2. Förderweg).
Neue Förderrichtlinien
Abb. r. o.:
Tischlerausbildungswerkstatt, Anfang 1990er Jahre
Foto:
Archiv Zukunftsbau GmbH
Abb. r. u.:
Pflasterarbeiten Fordoner
Platz
Foto: Archiv QM Soldiner
Straße
30
1996 führte das Land Berlin neue Förderrichtlinien für die
wohnungspolitische Selbsthilfe ein. Darin wurde unter
anderem der zu erbringende Eigenanteil von bisher 15%
für Genossenschaften auf 20% und für Gesellschaften
bürgerlichen Rechts auf 25% angehoben. Das bisherige
starre Mietensystem wurde durch eine am Mietspiegel
orientierte Miete ersetzt. Die Hälfte des Förderbetrages
wurde nicht mehr als Zuschuss vergeben. Für diesen Teil
der Finanzierung mussten die Gruppen Darlehen aufnehmen, die vom Fördergeber mit Aufwendungszuschüssen
mit jährlich sinkenden Raten subventioniert wurden.
Für gemeinnützige Gruppen, die die Verfügung über ein
Grundstück per langfristigen Pachtvertrag hatten, wurde
es damit schwieriger, den geforderten Kreditanteil der
Förderung grundbuchlich sichern zu lassen. Die Erhöhung
des Eigenanteils bedeutete für die Gruppen einen höheren
Wochenstundensatz, um die notwendigen Leistungen zu
erbringen.
Doch wurde das Programm auch Ende der 1990er weitergeführt: 1998/1999 wurden 84 Mio. DM für Selbsthilfe-
projekte bewilligt, mit der Förderung wurden in diesem
Zeitraum 534 Wohnungen und Gewerbeeinheiten umfassend erneuert. Räumlicher Schwerpunkt in diesen Jahren
war – wie schon in den Jahren zuvor – der Bezirk Prenzlauer Berg mit 31 Mio. DM Fördermitteln, stark zugenommen
hatte aber auch der Anteil der Projekte in Friedrichshain
(25 Mio. DM Fördermittel).
Das Berliner Selbsthilfeprogramm –
ein Resümee
Die bauliche Selbsthilfe stellte für viele Träger eine große
Herausforderung dar. Nicht jedem Verein war von vornherein klar, welcher Aufgabenumfang auf ihn zukommt. Manche hatten zunächst die eigene Kulturarbeit im Blickfeld,
andere wohnungspolitische Projekte wollten qualifizieren
und ausbilden oder suchten einen Ort, von dem ihre Aktivitäten ausgehen konnten. Doch Selbsthilfe bedeutete, nicht
nur eine große Verantwortung für den Entwicklungs- und
Bauprozess zu tragen, sondern auch Verantwortung für die
Verwaltung des Hauses im Anschluss an die eigentliche
Baumaßnahme zu übernehmen und tragfähige Strukturen
zu entwickeln.
Diese überaus anstrengenden Prozesse brachten zwangsläufig auch unterschiedliche gruppendynamische Entwicklungen mit sich. Umso wichtiger war die fachliche und organisatorische Betreuung durch L.I.S.T., deren Mitarbeiter
auf die disziplinierte Einhaltung von Zeit- und Kostenplänen achteten – immerhin trugen die Vereine plötzlich die
ungewohnte Verantwortung für Hunderttausende Euro von
öffentlichen Fördermitteln. Diese wurden quartalsweise
ausgezahlt und mit den Zeitplänen koordiniert. Ohne diese
Begleitung wären manche Projekte deutlich überfordert
gewesen und bedrohlich in Verzug geraten. Zudem konnte
die L.I.S.T. GmbH die Gruppen sowohl bei Problemen – wie
verdeckten Bauschäden und unerwarteten Mehraufwendungen – als auch bei der Einwerbung zusätzlicher Mittel,
beispielsweise durch ökologische Zuschussmaßnahmen
wie Gründächer u.a., beraten.
Das Programm „Wohnungspolitische Selbsthilfe“ war ein
spezifisches Fördermodell, das auch andere Bundesländer
mit Bewunderung (und ein bisschen neidvoll) beobachteten und das sich durch entscheidende Vorzüge auszeichnete:
Zum einen gab es mit den durch das Land Berlin beauftragten Treuhändern professionelle Betreuer, die weit
über den baulichen Aspekt hinausgehende Leistungen erbrachten, wohnungspolitische mit arbeitsmarkt-, jugend-,
sozialpolitischen und kulturellen Belangen verbanden und
ressortübergreifend mit den unterschiedlichen Senatsverwaltungen kooperierten.
Zum anderen wurde mit der Förderung die Selbsthilfe als
gleichwertige Leistung zu Firmenleistungen anerkannt.
Die Aufstellung eines Preis-Leistungskataloges ermöglichte es, dass Selbsthelfer diverse bauliche Leistungen übernehmen und damit auch Arbeit für sich schaffen konnten.
Teilweise wurden auf diesem Weg sogar kleinere Firmen
und Kooperativen gegründet. Andererseits konnten damit
Ausbildungsbetriebe gestärkt werden: Diese verfügten
über konzessionierte Handwerker und führten mit Jugendlichen in Qualifizierungsmaßnahmen Arbeiten aus. Insbesondere die Erfahrung der Arbeit mit Beschäftigungsbetrieben zeigt, dass solche Projekte bei Baumaßnahmen als
vollwertige Partner eingesetzt werden können.
Ein besonderer, grundsätzlicher Vorzug des Programms
bestand in der Vorauszahlung der ersten Förderungsrate,
ohne die viele Projekte nicht hätten starten können.
Da die „Wohnungspolitische Selbsthilfe“ ein ausschließlich vom Land finanziertes Förderprogramm ohne Kofinanzierung durch Bund oder EU war, konnte die Senatsverwaltung es schnell und flexibel handhaben und damit effektiv
auf die Spezifik der Berliner Situation reagieren.
31
7.
Besondere wohnungspolitische Projekte:
Die Gründung der Genossenschaft HABITAT e.G.
Abb. r.:
Fehrbelliner Straße 7
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
32
Gegen Ende der 1990er Jahre standen zwar weiterhin
Fördermittel bereit und waren abrufbar – nur mangelte
es vielen Projekten an den zwingend notwendigen Voraussetzungen. Immer wieder gab es Gruppen, die trotz
tragfähiger Konzepte und großen Engagements keinen
Fördervertrag abschließen konnten, weil sie an Finanzierungsfragen scheiterten: wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse oder mangelnder Bonität, um das Haus zu
erwerben. Die Eigentumsverhältnisse mussten geklärt und
eine langfristige Nutzung durch die Gruppen nach der Förderung gesichert sein – so sahen es die Bedingungen des
Programms vor.
Eine mögliche Lösung bot die Genossenschaftsidee. Die
ersten Erfahrungen mit der Gründung kleiner Genossenschaften im Zuge der Behutsamen Stadterneuerung wurden bereits in den 1980er Jahren in Kreuzberg gemacht:
Damals gründeten sich die Selbstbau e.G. und die Luisenstadt e.G..
In den 1990ern stieß in der Ost-Berliner Projektelandschaft
der Genossenschaftsgedanke auf großes Interesse. So war
1995 eigens zum Zweck der Legalisierung besetzter Häuser die Selbstverwaltete Ost-Berliner GenossInnenschaft
e.G. (SOG) gegründet worden, die in der Kreutziger Straße
in Friedrichshain mehrere Häuser ankaufte und ebenfalls
über das Selbsthilfeprogramm den Projekten die Instandsetzung ermöglichte.
Aus den Erfahrungen mit baulicher und sozialer Selbsthilfe, der praktischen Umsetzung zahlreicher Mit- und
Selbstverwaltungsmodelle und dem Wunsch, diese Aktivitäten auszuweiten, war im sozialen Projektverbund
„Zukunft Bauen“ Mitte der 1990er die Idee gewachsen,
eine Genossenschaft zu gründen, um Häuser selbst zu erwerben und sie auf diese Weise für Selbsthelfergruppen
sichern zu können. 1997 unterstützte die L.I.S.T. GmbH als
Bestandteil des Projektverbunds die Gründung der Genossenschaft HABITAT e.G., über die Projekte wie die Fehrbelliner Straße 7, die Rykestraße 43 oder die Oudenarder
Straße 32 realisiert werden konnten.
Im Sinne des Selbsthilfegedankens musste das Angebot
der Genossenschaft denkbar niedrigschwellig sein. Das
genossenschaftliche Prinzip funktioniert einfach:
Die HABITAT e.G. steht Projekten als Erwerber und Träger zur Verfügung. Die Selbsthelfer werden Genossenschaftsmitglieder und zeichnen entsprechend ihrer Wohnungsgröße Einlagen, die nicht dem tatsächlichen Wert
entsprechen (bei der HABITAT beträgt die Mindesteinlage
1000 Euro), jedoch einen notwendigen Eigenanteil sicherstellen, der aufgebracht werden muss. Mit Hilfe von eher
nichtkommerziell orientierten Banken – wie beispielsweise der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken – wird
der Erwerb finanziert. Danach kann die Förderung in Anspruch genommen werden. Da die Grundstücke durch die
Sanierung eine Wertsteigerung erfahren, sind wiederum
die Banken in der Lage, weitere Projekte zu unterstützen.
Die HABITAT e.G. stellt die Aspekte Selbsthilfe und Eigeninitiative in den Vordergrund und spricht insbesondere Menschen an, die bereit sind, gemeinsam mit der
Genossenschaft Ideen und Projekte zu entwickeln. Dieses
Leitmotiv findet sich auch in der Satzung wieder, die der
Genossenschaft zur Aufgabe macht, „die Prinzipien der
Subsidiarität, Dezentralität, baulichen Selbsthilfe und
Selbstverwaltung zur größtmöglichen Entfaltung kommen
zu lassen“.
Die Genossenschaft ist konzeptionell offen und flexibel,
fühlt sich jedoch bei der Schaffung von Wohnraum grundsätzlich sozialen und ökologischen Grundsätzen verpflichtet und möchte mit Leuten zusammenarbeiten, die diesen
Ansatz mittragen und weiterentwickeln wollen.
Dabei kommt der Genossenschaft HABITAT die langjährige
Erfahrung von L.I.S.T. und Zukunft Bauen ebenso zugute
wie die Synergieeffekte des Projektverbundes. Sie bietet
die Infrastruktur und den organisatorischen Rahmen für
die Entwicklung neuer und innovativer Wohnprojekte.
Zu den erklärten Zielen der HABITAT e.G. gehört die gemeinsame Entwicklung von Wohnprojekten, um die Mitglieder mit langfristig gesichertem, sozial und ökologisch
vertretbarem Wohnraum zu versorgen, die mittelfristige
Schaffung von Gemeinschaftsanlagen und sozialen,
wirtschaftlichen, kulturellen Einrichtungen und Dienstleistungen sowie die Bereitstellung von Gewerberäumen.
33
Gegen den Wegzug: Die Oudenarder Straße 32
Abb. r.:
Oudenarder Straße 32,
vor und nach der Sanierung, Hoffest
Fotos: Archiv L.I.S.T. GmbH,
Bernhard Bansemer
34
Die Oudenarder Straße 32 liegt mitten im Wedding, im Kiez
um den Nauener Platz. Jahrelang stand das Haus teilweise leer, zuletzt waren noch sechs Wohnungen bewohnt.
Durch den langen Leerstand war die Bausubstanz stark in
Mitleidenschaft gezogen, von Schwamm und Schädlingen
befallen.
Auch mit dem Kiez war es in den Jahren nach der Wende
bergab gegangen. Die große Deindustrialisierungswelle
in Berlin zu Beginn der 1990er Jahre hatte vor allem die
traditionellen Arbeiterquartiere wie den Wedding hart getroffen. Insbesondere viele Migranten, die sich in den Jahren zuvor hier angesiedelt hatten und bis dahin klassische
Industriejobs ausübten, wurden plötzlich arbeitslos. In
Berlin begann – befördert durch lokal begrenzte Aufwertungsprozesse einerseits, steigende Arbeitslosigkeit und
Armut andererseits – ein Prozess massiver Segregation
und sozialer Entmischung, in deren Folge einige Gebiete zu
den sogenannten „Gewinnern“ gehörten, weil sie, meist
um den Preis der Verdrängung altansässiger Bewohner,
stark aufgewertet wurden. In anderen Gebieten setzte
eine Abwärtsspirale ein: wachsende Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Verfallsprozesse, in deren Folge besser
verdienende Bewohner wegzogen, womit sich wiederum
Nachbarschaften und soziale Beziehungen auflösten. Ende
der 1990er hatte sich in Gebieten wie im Wedding mit der
grassierenden Arbeitslosigkeit ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit breitgemacht, während diese Quartiere von außen als „Problemkieze“ wahrgenommen und beschrieben
wurden – dieses Negativimage trieb die Abwärtsspirale
noch weiter voran.
Mit der Oudenarder Straße 32 verfolgte die HABITAT e.G.
das Ziel, selbstbestimmten, familien- und kindergerechten
Lebensformen einen Raum zu geben und damit insbesondere Familien ein Angebot im Gebiet zu machen, die sich
sonst vielleicht für den Wegzug entschieden hätten. Dabei
stand die Erfahrung im Hintergrund, dass solche kleinräumigen Projekte durchaus große stabilisierende Wirkung
auch für die Nachbarschaft haben und – nicht zuletzt mit
Angeboten sozialer Infrastruktur – wiederum große Ausstrahlungskraft auf das Gebiet entwickeln.
Eigentümer der Oudenarder Straße 32 ist der Verbund der
Nordberliner Wohnungsbaugenossenschaften e.G., der
sich als Sanierungsträger stark für das Gebiet engagiert
und damit ein idealer Partner für ein solches Vorhaben ist.
Mit ihm konnte die HABITAT e.G. als Projektträger einen
Erbbaurechtsvertrag mit einer Laufzeit von 60 Jahren abschließen.
Durch aktive Werbung im Kiez wurden interessierte Familien als Selbsthelfer für das Projekt gewonnen und nach
und nach eine Hausgruppe aufgebaut und begleitet, um
gemeinsam ein tragfähiges Sanierungs- und Wohnkonzept
zu entwickeln. Dabei nahmen die Familien und künftigen
Bewohner aktiv am Planungsprozess teil.
Anfang 1999 wurde der Vertrag über die Förderung im
Programm „Wohnungspolitische Selbsthilfe“ abgeschlossen. Im März 1999 begann der Bau, der die Sanierung
von Vorderhaus, Seitenflügel und Hinterhaus, den Abriss
des zweiten Seitenflügels, Dachgeschossausbau und
Hofgestaltung umfasste. Insgesamt entstanden 17 familiengerechte Wohnungen für Genossenschaftsmitglieder
und sanierungsbetroffene Mieter. In die sanierten Erdgeschossläden zogen mit dem Stadtteiltreffpunkt „frisbee“
und dem Jugendberatungshaus „compass.mitte“ zwei sozial orientierte Projekte ein. Im Sanierungsprozess wurden
in einigen Gewerken auch jugendliche Sozialhilfeempfänger eingesetzt, die berufsbegleitend qualifiziert und durch
soziale Beratungsangebote betreut wurden. Anfang 2001
konnten die Baumaßnahmen bereits abgeschlossen werden. Das Bauvolumen belief sich auf 5,4 Mio. DM.
Mit diesem attraktiven innerstädtischen Wohnungsprojekt wurde eine Alternative zum weiteren Wegzug v.a. von
Familien mit Kindern aus dem Innenstadtbereich geschaffen.
Eine Gemeinschaftsfläche im Erdgeschossbereich eröffnet
den Bewohnern die Möglichkeit, das gemeinsame Wohnen aktiv zu gestalten. Der Blockinnenbereich wurde 2004
mit Eigenmitteln und unter Beteiligung der Anwohner zusätzlich gestaltet.
35
Für die HABITAT e.G. sind ökologische Gesichtspunkte
sehr wichtig, deshalb wurde eine Solaranlage für die
Brauchwassererwärmung zusätzlich realisiert.
„Wenn wir das hier nicht gefunden hätten, würden wir,
wie viele andere Familien, wohl nicht mehr im Wedding
wohnen“, sagen Mieter der Oudenarder Straße 32. Die
Vorzüge des Projekts sind überzeugend: aktive Nachbarschaftshilfe beispielsweise bei der Kinderbetreuung, der
gemeinsam gepflegte Garten im Hof, der Gemeinschaftsraum für Feste, Veranstaltungen und Gäste, ein gemeinsam genutzter Lagerraum voller ökologischer Lebensmittel. Und niedrige Mieten: Die Warmmiete liegt zwischen
fünf und sechs Euro pro Quadratmeter und wird ermöglicht durch Selbsthilfe und die öffentliche Förderung der
Sanierung im Selbsthilfeprogramm, anderseits durch die
geringen Betriebskosten. Diese liegen um ca. 1 Euro unter
denen vergleichbarer Altbauwohnungen. Grund dafür ist
einerseits der Solarkollektor auf dem Dach, andererseits
die Selbstorganisation: die Mieter verrichten viele Tätigkeiten wie Gartenpflege, Treppenausreinigung oder Hausmeisterarbeiten selbst.
Viele der Hausbewohner sind im Wedding aktiv: in sozialen Projekten etwa oder im Bereich Erziehung.
Veteranenstraße 21: Der lange Weg des Kunsthauses ACUD
Abb. r.:
Veteranenstraße 21,
Kunsthaus ACUD,
Fotos: Peter Brinkmann,
L.I.S.T. GmbH
36
Dass das Kunsthaus in der Veteranenstraße immer noch
existiert, muss angesichts einer langen und komplizierten
Rettungsgeschichte mit allen nur denkbaren Komplikationen nachgerade als ein Wunder angesehen werden.
Die „autonome Galerie ACUD“ wurde in der Wendezeit
1989 in der Rykestraße gegründet: Ein leer stehendes
Haus wurde besetzt, zwei Wohnungen zu Ausstellungsflächen umfunktioniert. Einige andere Gruppen und Initiativen
taten sich mit den Initiatoren zusammen, als Dachverein
wurde der „Alternative Kunstverein ACUD e.V.“ gegründet. Am Runden Tisch in Mitte mit der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), dem Bezirksamt und verschiedenen Gruppen und Vereinen wurde für den Verein ein neues
Domizil in der Veteranenstraße 21 gefunden. In einem
Hinterhaus fingen 15 Mitarbeiter mit ABM-Stellen an, ein
Kulturkonzept auf die Beine zu stellen. Ein Vorderhaus gab
es nicht mehr, es war durch die Bomben des 2. Weltkriegs
zerstört worden, die Seitenflügel standen weitgehend leer.
In der Folge gab es Auseinandersetzungen mit der WBM
um einen langfristigen Mietvertrag und das VorderhausGrundstück, das wieder bebaut werden sollte, wogegen
sich das ACUD wehrte. Schließlich erwies sich das Vorhaben als nicht genehmigungsfähig.
Das ACUD hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen:
ABM-Stellen und kurzfristige Mietverträge liefen aus, Geld
fehlte an allen Ecken und Enden - nicht nur den einzelnen
Projekten, sondern auch für die Instandsetzung. Trotz aller
Widrigkeiten gelang es dem ACUD, ein vitales Kulturhaus
auf die Beine zu stellen: es gab ein ambitioniertes Kino
(das mehrfach den Bundesfilmpreis erhielt), ein Café, eine
Galerie, ein Theater, einen Club sowie Kinder- und Jugendprojekte wie die Jugendkunstschule „Farbklang“ und einen Mädchentreff. Bis 1994 war eine halbe Million DM an
eigenen Geld- und Sachmitteln in die Instandsetzung des
maroden Gebäudes investiert worden. Mitte der 1990er
machte man sich an die Erarbeitung eines Zukunftskonzepts: Um die wirtschaftliche Zukunft zu sichern, sollte die
Immobilie erworben und ausgebaut werden.
1999 wurde das Restitutionsverfahren abgeschlossen und
die Veteranenstraße 21 an eine weltweit verstreute Erbengemeinschaft rückübertragen. Zusammen mit der „Stiftung
Umverteilen“ hatte der Verein ein Finanzierungskonzept
erarbeitet und der Erbengemeinschaft ein Kaufangebot unterbreitet. Doch längst war nicht mehr nur die Spandauer,
sondern auch die Rosenthaler Vorstadt als lukrative Lage
für Eigentumswohnungen ins Visier der Immobilienhändler geraten. Ein Makler machte dem Verein einen Strich
durch die Rechnung und versprach der Erbengemeinschaft
einen weit höheren Gewinn, die ihn daraufhin unter Vertrag nahm und ihn zudem als Verwalter einsetzte – worauf
dem ACUD die Kündigung ins Haus flatterte. Das wollte
den Standort nicht aufgeben und rief eine Spendenkampagne ins Leben, um die fehlende Summe für den Erwerb
des Hauses aufzubringen. Auch der Bezirk unterstützte
37
Abb. r.:
Rungestraße 20,
Hoffassade
Foto: Peter Brinkmann
L.I.S.T. GmbH
38
das Projekt – die bezirklichen Sanierungsziele sahen den
Erhalt des Kunsthauses vor –, konnte aber selbst wegen
der angespannten Haushaltslage keine Mittel zuschießen.
Prominente Kulturschaffende engagierten sich für das Projekt. Schließlich erklärte sich die „Stiftung Umverteilen“
bereit, das Haus zu erwerben und dem Verein für 50 Jahre
in Erbpacht zu überlassen.
Dennoch gelingt dem Makler ein Überraschungscoup:
Die Erbengemeinschaft verkauft überraschend an einen
Privatinvestor, der hier Eigentumswohnungen errichten
will. Zehn Jahre nach seiner Gründung ist die Existenz
des Kunsthauses damit akut bedroht. Dem Verein werden
neben einer Räumungsklage auch immense Rückbaukosten angedroht. Der Vertrag mit der WBM soll Ende 2000
auslaufen.
Das ACUD will nicht aufgeben und macht sich auf die
Suche nach dem neuen Eigentümer. Der ist völlig überrascht – von der Existenz eines Kunsthauses in der von
ihm erworbenen Immobilie habe er nichts gewusst, sondern das Gebäude quasi „aus dem Katalog“ gekauft. Es
gelingt, den Kauf rückabzuwickeln. Im Jahr 2001 verkauft
die Erbengemeinschaft schließlich doch an die „Stiftung
Umverteilen“.
Nun beginnt für den Verein ein nicht weniger aufreibender Abschnitt: die bauliche Selbsthilfe. Betreut durch die
L.I.S.T. GmbH, wird 2001 der Fördervertrag unterschrieben.
Das Sanierungsvolumen beträgt 2,3 Mio. Euro. Notwendig
sind neue Elektrik und Wasserleitungen, das Dach muss
gedeckt und die Fassade wärmeisoliert werden. Die Förderung aus dem Programm „Wohnungspolitische Selbsthilfe“ soll 42% der Kosten abdecken, dazu kommen der
Selbsthilfeanteil von 15% sowie ein Kredit. Kompliziert
wird der Umbau durch die ökonomische Notwendigkeit,
während des laufenden Kulturbetriebs zu sanieren, so
dass immer nur Teilbereiche in Angriff genommen werden
können, sowie durch erhebliche Auflagen des Bezirksamts
Mitte, das u.a. umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen fordert.
Nach fast zweijähriger Umbau- und Sanierungszeit unter
Einbeziehung von ABM wird 2004 der erste Bauabschnitt
abgeschlossen und die Remise des Kunst- und Kulturhau-
ses neu eröffnet. Aufgrund der zusätzlich durch die Auflagen entstehenden Kosten, die allerdings nicht förderfähig
im Sinne des Programms sind, fällt der Eigenanteil des
ACUD sehr hoch aus.
Angesichts der immer knapperen Kassen waren Phantasie
und tragfähige Konzepte gefragt, wollte man noch neue
Projekte realisieren. Und diese Projekte mussten auf zeitgemäße Bedürfnisse sowie auf die spezifische Berliner
Situation und daraus resultierende Erfordernisse zugeschnitten sein: beispielsweise junge Existenzgründer mit
für sie passenden, bezahlbaren Räumen zusammenbringen, um ihnen auf diese Weise den Start in die Selbständigkeit zu ermöglichen und ökonomische Mikrozentren für
sie zu schaffen, in denen sie von Synergie- und Vernetzungseffekten untereinander profitieren konnten. Die Idee
war nahe liegend, da insbesondere die kreative und die
Kulturindustrie eines der wenigen Wachstumspotenziale
im deindustrialisierten, ökonomisch schwachen Berlin
Anfang des neuen Jahrtausends darstellen, das einerseits
unter hoher Arbeitslosigkeit, prekären Verhältnissen und
Armut leidet, andererseits aber mit seinen Nischen, seiner Polyzentralität, Vielfalt und Unfertigkeit eine enorme
Anziehungskraft für kreative Potenziale hat. Hier können
Chancen auf mikroökonomischer Basis eröffnet werden.
Und die Erfahrung zeigt: Existenzgründer suchen und brauchen auch kulturelle Infrastruktur und umgekehrt.
Ein Beispiel für solche Ansätze war das Projekt Rungestraße 20, dessen Gelingen auf das Engagement vieler
Beteiligter zurückzuführen ist. Der bislang eher etwas vernachlässigte Standort nahe der Jannowitzbrücke erfährt
mit dem Gründer-, Kultur-, Jugend-, Medien- und Wohnzentrum eine kulturelle und soziale Aufwertung.
Rungestraße 20
Die Rungestraße 20, eine um 1900 erbaute ehemalige
Tabakfabrik mit Vorderhaus, Seitenflügeln, zwei Quergebäuden und zwei Innenhöfen, ist etwas Besonderes. Unter
einem Dach finden sich auf ca. 8000 Quadratmetern neben
39
Abb. r.:
Rungestraße 20,
Mieter im Medienhaus
Fotos: Peter Brinkmann,
L.I.S.T. GmbH
40
zwanzig Wohnungen mehr als zwanzig geförderte Ateliers,
Fotografie-, Graphik- und Medienbüros und weitere Start
Ups, außerdem das Europäische Theaterinstitut, ein Dokumentarfilmkino, ein Antiquariat, eine Holzwerkstatt, der
Verein c-base, die Games Academy, diverse soziale Projekte im Jugend-Medien-Bereich, eine Galerie sowie das
Gründerbüro Mitte, das junge Existenzgründer berät.
Die Runge 20 vereint gewerbliche, soziale und Wohnnutzung, zudem ergeben sich unter den Gewerbemietern
vielfältige Synergieeffekte. Die überaus kreative und produktive Mischung ist das Ergebnis langjähriger geduldiger
Arbeit und der guten Kooperation vieler Beteiligter.
Am Anfang stand die Überlegung, das Gebäude, das sich
im Besitz der WBM befand, nicht einfach auf dem Immobilienmarkt zu veräußern, sondern es einerseits für die zahlreichen Existenzgründer zu erschließen, die bei der WBM
nach Räumen suchten, und andererseits damit eine soziale Zielstellung zu verfolgen. Als spezielles Profil kristallisierte sich die Idee eines Jugendmedienhauses heraus,
in dem junge Menschen zusammenarbeiten, unterschiedliche Medien kombiniert werden und das mit und in der
Öffentlichkeit arbeitet.
Der Grundstein des Erfolgs war die Zusammensetzung einer miteinander kooperierenden und sich gut ergänzenden
Hausgruppe, die sich während längerer Prozesse aus den
unterschiedlichen Projekten und Beteiligten bildete. Ungewöhnlich war auch das Betreibermodell: Wohnungsmieter,
Kleinunternehmer, Ateliernutzer und soziale Projekte gründeten im Jahr 2000 die Mietergenossenschaft rs20 e.G. Im
Laufe des Jahres 2001 wurden die notwendigen Schritte
zur Übernahme des Gebäudes – wie Sanierungsplanung,
Sicherung der Finanzierung, Entwicklung eines künftigen
Nutzungskonzeptes – in enger Zusammenarbeit mit der
WBM, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dem
Bezirksamt Mitte, der L.I.S.T. GmbH und weiteren Partnern realisiert. Ende 2001 konnte die Genossenschaft das
Gebäude von der WBM erwerben. Das Besondere daran:
neben den Mietern gehören auch der damalige Stadtrat
für Jugend und Finanzen des Bezirksamtes Mitte und
die Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte selbst zu den
Gründungsmitgliedern der Genossenschaft. Die Mitglied-
schaft der WBM begründete sich einerseits in der Verantwortung für das jugendorientierte Projekt, andererseits
war sie wesentliche Voraussetzung für die Sicherung der
Finanzierung.
Anfang 2002 wurde der Fördervertrag für das Programm
„Wohnungspolitische Selbsthilfe“ unterzeichnet, ab Sommer 2002 wurde es saniert. Hierfür waren Zwischenumsetzungen der einzelnen Mieter notwendig. Der schlechte
Zustand des Gebäudekomplexes und sein hoher Instandsetzungsbedarf erforderten eine komplexe Sanierung und
einen hohen Mitteleinsatz sowie oft genug kreative Lösungen. Eine gelungene Mischung aus Alt und Neu macht nun
den besonderen Reiz des sanierten Ensembles aus. Der
Clou: auf dem Dach des Gewerbebereichs entstand eine
multifunktionale Fläche, die für Aufführungen, Veranstaltungen, Workshops, Ausstellungen und Feste zur Verfügung steht.
Der Kaufpreis und die gesamten Modernisierungs- und Instandsetzungskosten von fast 10,5 Mio. Euro wurden durch
eine Mischung von Genossenschaftsanteilen, Darlehen,
Zuschüssen und Eigenleistungen finanziert. Eine besondere
Rolle spielte die Einordnung in das Selbsthilfeprogramm:
Hier konnte in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung und L.I.S.T. ein spezifisches Modell
der Programmanwendung auf das Projekt entwickelt werden. Der gesamte Förderbeitrag des Landes Berlin zum Projekt betrug 2,7 Mio. Euro. Die weiteren Kosten von 7,7 Mio.
Euro wurden durch ein Darlehen und Eigenleistungen aufgebracht. Für die Refinanzierung der Darlehensmittel trägt
die Genossenschaft eigenständig die Verantwortung.
Insbesondere die Unterstützung im Rahmen der „Wohnungspolitischen Selbsthilfe“ über 15 Jahre, die Einordnung als städtebauliche Einzelmaßnahme durch das Bezirksamt Mitte, die Unterstützung durch die WBM und die
Bereitschaft der Bank zur Finanzierung, aber nicht zuletzt
das Engagement der Selbsthelfer machten das Projekt Jugendmedienhaus, das im März 2003 feierlich eröffnet werden konnte, erst möglich.
L.I.S.T. erarbeitete dabei gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft Mitte und einem Wirtschaftsexperten
maßgeblich das grundsätzliche Projektkonzept.
41
8.
Neue Wege in der Selbsthilfe
Abb. r. l. :
Koppenplatz 11, Auszüge
aus dem Konzept
„MehrGenerationenWohnprojekt“
Abb. r. r. :
Anklamer Straße 8
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
42
Das Programm „Wohnungspolitische Selbsthilfe“ wurde 2002 gestrichen. Im Jahr 2000 waren noch knapp 30
Mio. Euro Fördermittel bewilligt worden, 2001 waren mit
einem Fördermitteleinsatz von insgesamt 16,2 Mio. Euro
183 Wohnungen im Selbsthilfeprogramm saniert worden.
Ende 2001 zog die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Bilanz: Im Programm „Wohnungspolitische Selbsthilfe wurden innerhalb von zehn Jahren 3024 Wohnungen,
meist unter Einsatz baulicher Eigenleistungen umfassend
erneuert. Die Gesamtfördersumme lag bei 250 Mio. Euro.
Die L.I.S.T. GmbH betreute seit ihrer Gründung im Jahr 1989
insgesamt 69 fertiggestellte Bauvorhaben in zehn Ortsteilen Berlins. Begleitet wurden wohnungs- und jugendpolitische, soziale, kulturelle Projekte, Selbsthilfegruppen,
Mietergemeinschaften und Genossenschaftsmodelle.
Die L.I.S.T. GmbH übernahm bei der Vorbereitung und
Durchführung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen
Aufgaben zur Förderung und Unterstützung von sozialpädagogischen und sozialpolitischen Einrichtungen, die Begleitung und Unterstützung von besonderen Zielgruppen,
die Verknüpfung verschiedener Förderungen zur Sicherung
von Beschäftigungs- und Ausbildungsmaßnahmen sowie
die Erhaltung und Schaffung von preiswertem Wohnraum.
Der spezifische Ansatz, bauliche Tätigkeiten mit Qualifizierung- und Beschäftigungsmaßnahmen zu kombinieren,
konnte nicht zuletzt durch die Kooperation und die damit
verbundenen Synergieeffekte innerhalb des Projektverbunds „Zukunft Bauen“ in die Praxis umgesetzt werden.
Im Jahr 2004 betreute die L.I.S.T. GmbH noch neun
Hausprojekte im Altbaubereich sowie ein Neubauvorhaben. Durch den Wegfall der bisherigen Förderprogramme
konnten weitere Projekte auf diesem Weg nicht mehr finanziert werden. Dennoch gibt es immer noch Bedarf an
solchen alternativen Formen: Hausgruppen, die gemeinsam ein Mietshaus erwerben und nach möglichst kostengünstigen Sanierungsmöglichkeiten suchen, kleinere
Genossenschaften, Projekte, die alternative Wohnformen
entwickeln möchten, Nutzer, die aus sozialen Gründen
auf preisgünstige Räume angewiesen sind. Deshalb hält
die L.I.S.T. GmbH es für dringend erforderlich, modellhaft
innovative Finanzierungsformen zu entwickeln, die alter-
nativ zur bisherigen Förderung kleinen Genossenschaften
und wohnungspolitischen Selbsthilfegruppen die Umsetzung von selbsthilfeorientierten Sanierungsprojekten ermöglichen. Unter anderem erprobte die L.I.S.T. GmbH die
Realisierung einzelner Projekte durch einen Finanzierungsmix und nutzte dabei Erfahrungen in der Einwerbung von
Mitteln, Kenntnisse der unterschiedlichen Förderprogramme und die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen wie Stiftungen oder der Bundesagentur für Arbeit.
In der Anklamer Straße 12, einem Wohnmietshaus, wurde
gemeinsam mit den künftigen Bewohnern ein Modellvorhaben entwickelt. Diese kooperierten als Selbsthilfe-GbR
mit der Wohnungsbaugenossenschaft Habitat. In die
Finanzierung flossen privates Kapital der Bewohner, Genossenschaftsförderung des Landes in Kombination mit
der Eigenheimzulage, ein Selbsthilfeanteil von 22% sowie
der Erlös durch den Verkauf der Dachgeschosswohnung
ein. Das Pilotprojekt zeigte jedoch, dass selbst im Fall von
Genossenschaften die spezielle öffentliche Förderung oft
nicht ausreicht, um das häufig auftretende Problem mangelnden Eigenkapitals befriedigend zu lösen. Eigenkapitalschwache soziale Träger und Selbsthilfegruppen, die sich
als GbR organisieren, bedürften deshalb einer höheren
Förderung.
Ein weiteres modellhaftes Pilotprojekt war die Entwicklung eines MehrGenerationenWohnprojekts am Koppenplatz 11 in Mitte. Auch hier sollten unterschiedliche
Finanzierungsmöglichkeiten miteinander kombiniert werden. Leider scheiterte die Projektumsetzung an der Vergabepraxis des Berliner Liegenschaftsfonds, der trotz starker
Befürwortung bezirklicher Gremien und Entscheidungsträger den Zuschlag an einen privaten Investor und nicht an
die von der L.I.S.T. GmbH betreute Bietergemeinschaft aus
einer Genossenschaft und einer Projektsteuerungsgesellschaft erteilte.
43
9.
Schwerpunkt Infrastrukturmaßnahmen
Die neue stadtentwicklungspolitische Ausrichtung setzte
den Schwerpunkt der öffentlichen Förderung nun stärker
auf die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. Auch
in diesem Bereich wurde L.I.S.T. tätig, wobei dabei die interdisziplinären Fähigkeiten und langjährigen Erfahrungen
in unterschiedlichen Feldern erfolgreich eingebracht werden konnten: Diese reichten von der Organisation der Bürgerbeteiligung über die Drittmittelakquise, die Aktivierung
unterschiedlicher Förderprogramme, das Herstellen der
Kommunikation zu den unterschiedlichen Akteuren und
die Einbeziehung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen bis
hin zu organisatorischen und planerischen Leistungen.
Eines der größten Infrastruktur-Projekte, die L.I.S.T. betreute, war die Herstellung eines durchgehenden Grünzugs im
Wedding.
Stadtplanerisches Projekt:
Stettiner Trasse und Grüntaler Promenade
Abb. r. :
Stettiner Trasse, Grüntaler
Straße/Ecke Bellermannstraße
Foto: Mathias von Hoff
Detailfotos: Archiv QMSoldiner Straße
44
Entlang der Grüntaler Straße im Wedding verläuft eine
ehemalige Bahntrasse, auf der im 19. Jahrhundert die Berlin-Stettiner Eisenbahn verkehrte. Nach der Verlegung der
Strecke im Jahr 1897 wurde das Gelände unterschiedlich
genutzt. Zuletzt war es teilweise an Kleingewerbetreibende und Garagenbauer verpachtet. Schon lange bestand
die Absicht, die Trasse als Grünzug auszubauen. Im Jahr
1999 konnte schließlich mit der Planung des Vorhabens
begonnen werden. Dies geschah in zwei Projekten. Unter
dem Titel „Stettiner Trasse“ wurde der Abschnitt zwischen
Badstraße und Osloer Straße neugestaltet. Der Bereich
nördlich der Osloer Straße, im Gebiet des Quartiersmanagements Soldiner Straße wurde zur „Grüntaler Promenade“. Für die Projektentwicklung und -steuerung war in
beiden Fällen die L.I.S.T. GmbH verantwortlich.
Ziel des Projektes war es, in dem Gebiet mit dichter
Wohnbebauung das Defizit an wohnortnahen Erholungsund Spielflächen zu mildern, um Bewohnergruppen, die
auf das Gebiet stabilisierend wirken, einen Anreiz zum
Verbleib im Quartier zu geben. L.I.S.T. verknüpfte bei der
Betreuung dieses Projekts stadtplanerische Aufgaben und
Erfahrungen mit wirtschaftlicher Baubegleitung und der
Integration von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.
Die Gestaltung der Stettiner Trasse wurde aus Mitteln
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung finanziert.
Das Vorhaben wurde in zwei Bauabschnitten von 2002 bis
2004 umgesetzt. Eine Besonderheit war die Beteiligung
von Kindern und Jugendlichen am Bauprozess. Mädchen
des interkulturellen Zentrums MÄDEA und Jugendliche im
Freiwilligen Sozialen Jahr des SOS-Kinderdorfes gestalteten zusammen mit verschiedenen Künstlern eine Mosaikbank, ein Wandbild und verschiedene Skulpturen. Zum
Projekt gehörte auch eine intensive Bürgerbeteiligung.
Der nördliche Teil des Grünzugs – die Grüntaler Promenade – liegt im Gebiet des von der L.I.S.T. GmbH betreuten
Quartiersmanagements Soldiner Straße. In diesem Bereich wurde die Umgestaltung aus Mitteln des Programms
„Soziale Stadt“ finanziert. Nach einem Verfahren zur Beteiligung der Bewohner - bei dem insbesondere die Kinder
berücksichtigt wurden - konnte als erster Bauabschnitt im
Jahr 2003 eine Promenade mit Bänken und Spielgeräten
realisiert werden. Der zweite Bauabschnitt nördlich der
Soldiner Straße wurde 2004 bis 2005 realisiert. Hierbei
entstand eine Parkanlage mit neuen Spielflächen.
Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung und
Steuerung war die komplexe Struktur des Geländes. Das
Gesamtvorhaben bestand aus zwei Teilprojekten, die jeweils mehrere Bauabschnitte umfassten. Dabei war es
das Anliegen, einen gemeinsamen Grundgedanken in
unterschiedlichen räumlichen Zusammenhängen umzusetzen. Eine weitere Besonderheit war die in ungewöhnlich
großem Umfang durchgeführte Bürgerbeteiligung bei beiden Teilprojekten.
45
10.
Stadtentwicklungspolitisches Instrument Quartiersmanagement
Abb. l. :
Bürgerbeteiligung im
Quartier
Abb. r., im Uhrzeigersinn:
Sprengelplatz,
QM Sparrplatz
Fassade Prinzenallee/
Gotenburger Straße,
QM Soldiner Straße
Pankegrünzug,
QM Pankstraße
Breakdance,
QM Brunnenstraße
Fotos:
Anne Wispler (Sprengelplatz),
Archive QMs (andere)
46
Ende der 1990er waren in Berlin die Folgen der starken Segregationstendenzen nicht mehr zu übersehen: Während
einige Innenstadtgebiete – vor allem Altbaugebiete in der
Ost-Berliner Innenstadt – massiv aufgewertet worden waren, was sich auch in einer immensen Wertsteigerung der
Grundstücke, hohen Mietsteigerungen, der wachsenden
Zahl von Eigentumswohnungen sowie einer deutlichen
Veränderung der Bewohnerstruktur mit im Schnitt höheren
Einkommen zeigte, gehörten insbesondere ehemalige Arbeiterquartiere im Westteil der Stadt zu den Verlierern
dieses Segregationsprozesses.
In dem für L.I.S.T. typischen Ansatz, mit gezielten Mikrovorhaben und „Hilfe zur Selbsthilfe“ größtmögliche Effekte zu erzielen, beispielsweise mit der Sanierung eines
Hauses durch eine engagierte Bewohnergruppe nicht nur
preisgünstigen Wohnraum und Gewerberäume für soziale
Projekte zu schaffen, sondern auch Bewohner im Gebiet
zu halten und wiederum durch die entstandene Bewohnerund Infrastruktur positive Impulse für den Kiez auszulösen,
war bereits der Grundgedanke des Instruments des Quartiersmanagements angelegt, das Ende der 1990er Jahre in
Berlin eingeführt wurde, um in benachteiligten Quartieren
mit einer Häufung sozialer Probleme wie Armut, hoher
Arbeitslosigkeit, Desintegration positive Potenziale zu
aktivieren und zu fördern. Auch hier ging es durchaus um
„Hilfe zur Selbsthilfe“.
Insofern war es nur folgerichtig, dass auch die L.I.S.T. GmbH
mit ihren bis dahin gesammelten Erfahrungen Träger von
Quartiers- bzw. Stadtteilmanagements wurde: Zunächst
in den Gebieten Soldiner Straße (1999) und Pankstraße
(2002), dann im Brunnenviertel (2005) und schließlich, im
Jahr 2007, im Quartier um den Sparrplatz.
Die L.I.S.T.-Quartiers- und Stadtteilmanagements
Ziel der Quartiersmanagements ist es, in Gebieten mit
besonderem Entwicklungsbedarf die Lebensbedingungen
vor Ort zu verbessern. In vier Weddinger Quartiersmanagements entwickeln die L.I.S.T.-Quartiersmanager geeignete
Maßnahmen, aktivieren vorhandene Ressourcen und ver-
netzen Akteure. Sie initiieren und begleiten ein Netzwerk
aus bezirklichen Institutionen, Trägern, Bewohnern und
Gewerbetreibenden und arbeiten an der Verbesserung des
Wohnumfeldes oder der sozialen Infrastruktur.
In jedem Gebiet arbeitet das Quartiersmanagement intensiv mit Gremien der Bürgerbeteiligung zusammen. In
diesen Gremien können Bewohner und lokale Akteure unter anderem über die Verwendung von Geldern aus dem
Programm „Soziale Stadt“ mitentscheiden. Diese stehen
in jedem Jahr für Projekte, die in den Quartieren positive
Entwicklungen anstoßen, zur Verfügung. Auch die Schwerpunkte der Quartiersmanagement-Arbeit werden gemeinsam mit Bewohnern und Akteuren entwickelt.
Insbesondere in der Aufbauphase kamen den L.I.S.T.-Quartiersmanagern bei ihrer Arbeit die bereits vorhandenen
Ressourcen und Kompetenzen der L.I.S.T. GmbH sowie die
Vernetzung innerhalb des Projektverbunds Zukunft Bauen
e.V. zugute.
47
11.
Die L.I.S.T. GmbH im Jahr 2009
Die L.I.S.T. GmbH betreut heute Projekte in unterschiedlichen Handlungsfeldern. Neben den vier Quartiersmanagements sind dies vor allem Maßnahmen aus den
„klassischen“ Tätigkeitsbereichen der L.I.S.T. GmbH wie
Sanierungs- und Berufsqualifizierungsmaßnahmen und
Projekte der öffentlichen Infrastruktur. Es werden aber
auch neue Handlungsfelder erschlossen. So entwickelte L.I.S.T. ein kulturwirtschaftliches Zentrum im Soldiner
Kiez und startete ein Projekt zur Verbesserung von Ausbildungschancen von Jugendlichen an Weddinger Oberschulen.
Das kulturwirtschaftliche Zentrum Christiania
Abb. r., v. o. n. u.,
Nauener Platz,
Audioelemente,
Pflanzbeete,
Entwurf Platzgestaltung
Zeichnungen:
planung freiraum, Barbara
Willecke
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
48
nur bezahlbaren Gewerberaum, sondern auch individuelle
Beratungsangebote.
Heute arbeiten hier über ein Dutzend Unternehmen in
Sparten wie Design, Film, Fotografie, Musik, Komposition,
Ton, Produktion, Video, Multimedia sowie kultureller Bildung. Das Projekt wird durch den Verein Christiania e.V. im
Rahmen eines Nutzungsvertrages mit Vattenfall verwaltet.
Es hat eine Nutzfläche von 1.360 Quadratmetern mit variablen Raumgrößen von 10 bis über 100 Quadratmetern.
In seiner exzellenten Lage an der Osloer Straße hat Christiania eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf das
gesamte Gebiet. Die L.I.S.T. GmbH verfolgt mit ihrem Engagement für Christiania das Anliegen, im Soldiner Kiez,
wo L.I.S.T. auch Träger des Quartiersmanagements ist, ein
Projekt mit Leuchtturmwirkung zu realisieren.
In den letzten Jahren wird der Wedding bei Kulturschaffenden als Arbeitsort immer beliebter. Denn die nötigen
Freiräume sind nicht mehr überall zu finden – und sie sind
längst nicht mehr überall bezahlbar.
Nauener Platz – Umgestaltung für
Jung und Alt
Im Soldiner Kiez, an der Ecke Osloer Straße/Prinzenallee,
befindet sich ein ehemaliges Umspannwerk der Bewag,
das 1928/29 nach Plänen von Hans-Heinrich Müller errichtet wurde. Lange Zeit stand das Backsteingebäude mit
der ungewöhnlichen Fassade, das in den 1970er Jahren
zum Bürohaus umgebaut worden war, leer. Ab 2005 wurde
es dann von der L.I.S.T. GmbH zum kulturwirtschaftlichen
Zentrum entwickelt. Das Zentrum nannte man „Christiania“ – nach dem früheren Namen der norwegischen
Hauptstadt Oslo.
Ziel war es, so genannte „creative industries“ im Wedding zu etablieren und dauerhaft anzusiedeln, um so neue
Impulse zur Belebung der Wirtschaft und zur Schaffung
von Arbeitsplätzen vor Ort entstehen zu lassen. Gefördert
wurde das Projekt von 2005 bis 2007 aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Programm „Wirtschaftsdienliche Maßnahmen“.
Die Räume wurden an Jungunternehmer aus dem Bereich
der Kulturwirtschaft vermietet, denen ein Start in eine
erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft ermöglicht werden
sollte. Die kreativen Unternehmer erhielten darum nicht
Der Nauener Platz zwischen Reinickendorfer Straße
und Schulstraße galt lange Zeit als gefährlicher Ort und
Umschlagplatz für Drogen. Die Aufenthaltsqualität war
gering, viele Anwohner mieden den Platz. Im Jahr 2004
begannen sich örtliche Akteure und Initiativen für eine
Neugestaltung und Belebung des Platzes einzusetzen.
Der Nauener Platz gehört zum Gebiet des Quartiersmanagements Pankstraße, das von der L.I.S.T. getragen wird.
Im Jahr 2006 wurde hier, finanziert aus dem Programm
„Soziale Stadt“, ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Umgestaltung des Platzes durchgeführt.
Die L.I.S.T. GmbH ist mit der Steuerung des Projektes „Nauener Platz – Umgestaltung für Jung und Alt“ beauftragt.
Der Bezirk Mitte stellt für die Umgestaltung circa 400.000
Euro zur Verfügung. Weitere 930.000 Euro kommen vom
Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und
Städtebau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung.
Die besondere Herausforderung dieses Projektes ist es,
mit der Gestaltung des Platzes verschiedensten Nutzergruppen gerecht zu werden: Kindern, Jungendlichen,
49
Senioren, Frauen und Männern, Menschen mit und ohne
Migrationshintergrund – denn sie alle haben unterschiedliche Bedürfnisse. Darum werden die zukünftigen Nutzer
während des gesamten Prozesses der Umgestaltung in das
Projekt eingebunden.
Hinzu kommt der innovative Charakter vieler Gestaltungselemente, die zum Teil eigens für den Nauener
Platz entwickelt und hergestellt werden. Multifunktionale
Sitzmöglichkeiten, Spiel- und Trainingsgeräte fördern die
Bewegung und ermöglichen Kommunikation. Innovative
Lichtelemente und Klangquellen erhöhen das Sicherheitsempfinden, verbessern die Aufenthaltsqualität und fördern
die Identifikation und Akzeptanz bei den Nutzern des Platzes.
Die Steuerung dieses Projektes ist nicht nur aufgrund seiner innovativen und experimentellen Natur äußerst komplex, sondern auch, weil die Mitarbeiter der L.I.S.T. GmbH
eine große Zahl unterschiedlicher Beteiligter zu koordinieren haben.
Quartiersbad Baerwaldstraße
Abb. r.:
Baerwaldbad,
Alte Schwimmhalle 2008
Foto:
Archiv Zukunftsbau GmbH
50
In den Jahren 1898 bis 1901 wurde in der Baerwaldstraße in Kreuzberg eine „Volksbadeanstalt“ erbaut. Rund 100
Jahre später, im Jahr 2002, sollte das Stadtbad aus Kosten- und Rentabilitätsgründen geschlossen werden. Doch
ein Bündnis lokaler Sportvereine nahm sich des Bades an:
Man gründete den Verein TSB e. V., der seither das Bad mit
hohem ehrenamtlichen Engagement betreibt.
Das denkmalgeschützte Gebäude ist teilweise stark sanierungsbedürftig, die Technik ist veraltet. Auch steigende
Energiekosten sind zu bewältigen, die durch die Einnahmen aus dem Badebetrieb nicht gedeckt werden können.
Seit 2007 engagiert sich die Zukunftsbau GmbH mit dem
Projekt XENOBau im Baerwaldbad. Das Projekt verbindet die Sanierung des Gebäudes mit der Qualifizierung
und beruflichen Orientierung junger Erwachsener. Unter
professioneller Anleitung wurden von den Jugendlichen
Treppenhäuser denkmalgerecht saniert, historische Umkleidekabinen wiederhergestellt sowie Türen nach alten
Vorgaben nachgebaut. Ergänzt wurde die Maßnahme durch
Weiterbildungsangebote für die jungen Projektteilnehmer.
Die L.I.S.T. GmbH hat diese Aktivitäten von Zukunftsbau
maßgeblich in die Wege geleitet und das Projekt in baulichen und finanziellen Fragen beraten.
Im Mai 2009 erreichte die L.I.S.T. GmbH, dass das Baerwaldbad mit bundesweit sechs weiteren Pilotprojekten
in das Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungsund Städtebau“ (ExWoSt), Forschungsfeld „Sportstätten
und Stadtentwicklung“ aufgenommen wird. Die L.I.S.T.
GmbH übernimmt die Steuerung des Projektes. Ziel ist
es, ein tragfähiges Betreiberkonzept zu entwickeln, um
das Baerwaldbad als wichtiges Infrastrukturangebot zu
sichern und weiter aufzuwerten. Durch Baumaßnahmen
sollen zusätzliche Räume für Sport- und Bewegungsangebote geschaffen werden, die auf die verschiedenen Altersund Bevölkerungsgruppen der Quartiere in der Umgebung
ausgerichtet sind. Weiterhin wird eine Maßnahme für
denkmalgerechte und energetische Gebäudesanierung gestartet, das wiederum mit der beruflichen Orientierung und
Qualifizierung von Jugendlichen verbunden werden soll.
Job-Router
„Job-Router“ ist ein Projekt zur Verbesserung der Ausbildungschancen von Jugendlichen, das die L.I.S.T. GmbH
seit Anfang 2009 in Kooperation mit der Zukunftsbau
GmbH durchführt. Durch ein individuelles Beratungs- und
Coachingangebot sowie ein interkulturelles Lernmotivationsprogramm werden die Jugendlichen bei Berufswahl
und Bewerbung unterstützt.
Das Projekt richtet sich an Schüler der 9. und 10. Klassen in drei Oberschulen im Wedding. Die Anzahl von Jugendlichen, die nach dem Schulabschluss keine Aussicht
auf einen Job oder Ausbildungsplatz bzw. auf schulische
Weiterbildung haben, ist hier besonders hoch. Die Schulen
sehen darum die Notwendigkeit, den Übergang in den Beruf besonders intensiv zu betreuen. Bisher fehlten jedoch
passgenaue Angebote, insbesondere für Jugendliche mit
Migrationshintergrund.
51
Das Lernmotivationsprogramm setzt auf Trainingssequenzen, Fachvorträge, Workshops und Projektarbeit.
Dabei wird die Entwicklung sozialer Kompetenz gefördert,
Toleranz und Akzeptanz gestärkt und Feedback über individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten gegeben. Im Beratungs- und Coachingangebot werden die Schüler individuell angesprochen und kontinuierlich begleitet. Das Ziel
ist eine Vermittlung in Ausbildung und Beschäftigung des
1. Arbeitsmarktes oder in weiterführende schulische und
berufliche Bildung.
Gefördert wird das Projekt im Rahmen des XENOS-Programms „Integration und Vielfalt“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen
Sozialfonds.
L.I.S.T. als Akteur einer nachhaltigen
Stadtentwicklung
Abb. l.:
Erika-Mann-Grundschule,
Flurgestaltung „Silberdrachenwelten“, QM
Pankstraße
Foto: Archiv Erika-MannGrundschule
Abb. r.:
Strelitzer Straße 60, Blick
in den 2. Hof
Foto:
Archiv Zukunft Bauen e.V.
52
In den nunmehr 20 Jahren ihres Bestehens hat die
L.I.S.T. GmbH zahlreiche Vorhaben erfolgreich auf den
Weg gebracht und betreut: von Altbausanierungen durch
Selbsthelfer, soziale Träger oder Genossenschaften über
ökologisch orientierte Neubauprojekte, die Entwicklung
von Gewerbehöfen und Infrastrukturvorhaben wie Schulsanierung, Verkehrsberuhigung oder die Entwicklung von
Grünzügen bis hin zur Verbesserung der Situation in sozial
benachteiligten Quartieren.
In dieser Zeit ist kontinuierlich ein interdisziplinäres und
kooperatives Team entstanden, das aufgaben- und ergebnisorientiert arbeitet. Ein Erfolgsgrad ist beispielsweise
die Realisierung begonnener Selbsthilfeprojekte, die bei
über 95% liegt.
Insbesondere die multidimensionalen, interdisziplinären
Ansätze der L.I.S.T. GmbH, die Verknüpfung von baupolitischen mit sozialen Zielen und die Kombination mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, haben sich als effizient
und nachhaltig erwiesen. Die Realisierung von Stadtentwicklungsaufgaben im sozialen, arbeitsmarktpolitischen
und ökologischen Kontext, die L.I.S.T. bereits in den1990er
Jahren im stadtweiten Maßstab bei der Betreuung konkreter Einzelvorhaben verfolgte, findet heute ihre konsequente Fortsetzung in der gebietsbezogenen Tätigkeit
der L.I.S.T. GmbH als Quartiersmanager. L.I.S.T. steht für
interdisziplinäre Strategien, die effektive Bündelung von
Ressourcen, die Nutzung von Synergieeffekten, Stärkung
der Potenziale der Quartiere, Hilfe zur Selbsthilfe („Empowerment“) – all dies basiert auf den Erfahrungen aus fast
70 Einzelprojekten wohnungspolitischer Selbsthilfe und
beschreibt zugleich die wesentlichen Voraussetzungen
und Grundzüge einer modernen, nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik.
53
Liste der 69 von L.I.S.T. betreuten und fertig
gestellten Bauprojekte, gegliedert nach Bezirken,
Ortsteilen und alphabetisch nach Straßen
Bezirk Mitte (30)
OT Mitte (18)
Ackerstr. 13
Ackerstr. 18
Adalbertstr. 32
Anklamer Str. 8
Anklamer Str. 60
Auguststr. 10
Auguststr. 18
Auguststr. 71
Brunnenstr. 23/ HH
Chausseestr. 53
Marienstr. 7
Mulackstr. 29/30
Rungestr. 20
Steinstr. 9
Strelitzer Str. 60
Tucholskystr. 22/24
Veteranenstr. 21
Zionskirchstr. 6
Träger
GbR Ackerstr. 13
Art Acker e.V.
Kleingeist e.V.
Independet living e.V.
GbR Mitte 60
KuLe - Kunst und Leben e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Bauen für Frauen e.V.
GbR Brunnenstr. 23
Berlin – Brücke der Kulturen e.V.
Bauen für Frauen e.V.
GbR Hosemann
Genossenschaft rs20 e.G.
GbR Steinstr. 9
Zukunft Bauen e.V.
Sanierungsgemeinschaft Tucholskystr. 22/24
Kunsthaus ACUD e.V.
Bauen für Frauen e.V.
OT Tiergarten (2)
Perleberger Str. 44/Lübecker Str. 21
Stephanstr. 8
Träger
Lebenstraum e.V.
Verein Berliner Stadtmission e.V.
OT Wedding (10)
Drontheimer Str. 17
Liebenwalder Str. 2-3
Oudenarder Str. 32
Pankstr. 77
Prinz-Eugen-Str. 1/Adolfstr. 27, 27 a
Prinzenallee 33 mit Glaskasten
Reinickendorfer Str. 67
Soldiner Str. 96
Stettiner Trasse
Wriezener Str. 10/ 11
Träger
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Habitat Wohnungsgenossenschaft 1997 e.G.
Zuhause im Kiez e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Zukunftsbau GmbH
Zukunft Bauen e.V.
L.I.S.T. GmbH
Wildwasser e.V.
Bezirk Pankow (23)
Abb. l.:
Abb.
l.:
Ackerstraße
13
Ackerstraße
13
Foto: Archiv L.I.S.T.
GmbH
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
Abb. r.:
Perleberger Straße 44
Foto: Archiv L.I.S.T. GmbH
54
OT Prenzlauer Berg (13)
Christinenstr.14
Dunckerstr.14
Dunckerstr. 15
Fehrbelliner Str. 7
Greifswalder Str. 28/K.-Niederkirchner Str.
Kastanienallee 85
Kastanienallee 77
Kollwitzstr. 94, 96
Lettestr. 8
Lottumstr. 26
Träger
GbR Wohnen im Kiez
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Habitat Wohnungsgenossenschaft 1997 e.G.
Zukunft Bauen e.V.
BesetzerInnen im Prenzlauer Berg - BIP e.V.
Stilkamm 5 ½ e.V.
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
Habitat Wohnungsgenossenschaft 1997 e.G.
Trautes Heim e.V.
OT Prenzlauer Berg (Fortsetzung)
Träger
Rykestr. 43
Schliemannstr. 20
Schliemannstr. 39
Habitat Wohnungsgenossenschaft 1997 e.G.
Selbstbau e.G.
Kirchbauhof gGmbH
OT Pankow (3)
Neue Schönholzer Str. 11
Pestalozzistr. 42-43
Parkstr. 27-31
Träger
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
OT Weißensee (7)
Brauhausstr. 13-14/Langhansstr. 74
Langhansstr. 75
Langhansstr. 76
Max-Steinke-Str. 35
Pistoriusstr. 38
Pistoriusstr. 108
Roelckestr. 152
Träger
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Habitat Wohnungsgenossenschaft 1997 e.G.
Soziales Wohnprojekt Berlin e. V.
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg (8)
OT Kreuzberg (2)
Muskauer Str. 20
Oppelner Str. 17
Träger
GbR Muskauer Str. 20
PROWO Kreuzberg e.V.
OT Friedrichshain (6)
Oderstr. 10
Kreutziger Str. 18/ 19
Kreutziger Str. 23
Rigaer Str. 77
Rigaer Str. 83
Schreinerstr. 47
Träger
Kleine Leute e.V.
SOG e.G.
SOG e.G.
Luisenstadt e.G.
SOG e.G.
Wohnungsbaugenossenschaft am Ostseeplatz e.G.
Bezirk Hohenschönhausen/Lichtenberg (5)
OT Lichtenberg (5)
Pfarrstr. 111
Pfarrstr. 102
Pfarrstr. 108
Lückstr. 10/10a
Lückstr. 11
Träger
Verein Sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg e.V.
Titanic e.V.
L.I.S.T. GmbH
Zukunft Bauen e.V.
Zukunft Bauen e.V.
Bezirk Treptow/Köpenick (2)
OT Oberschöneweide (1)
Flutstr. 1
Träger
Sonnenhaus e.V.
OT Köpenick (1)
Dorotheenstr. 16
Träger
ComboBau gGmbH
Bezirk Charlottenburg/Wilmersdorf (1)
OT Wilmersdorf (1)
Prinzregentenstr. 72
Träger
Musikschule e.V.
55
Adressen
Geschäftsstelle
Geschäftsführerin: Brita Wauer
Strelitzer Straße 60, 10115 Berlin
Tel.: 030 / 478 69 - 459
Fax: 030 / 478 69 - 333
Email: [email protected]
Web: www.list-gmbh.de
Projekt Job-Router
Projektleiter: Christian Luchmann
Jugendberatungshaus compass.mitte
Hussitenstraße 62, 13355 Berlin
Tel.: 030 / 322 94 28 60
Email: [email protected]
Web: www.list-gmbh.de
Projekt Quartiersbad Baerwaldstraße
Projektleiter: Lukas Born
Baerwaldbad
Baerwaldstraße 64-67, 10961 Berlin
Tel. 030 / 673 090 69
Email: [email protected]
Web:www.xenobau-baerwaldbad.de
Quartiersmanagement Brunnenstraße
Teamleiterin: Kerstin Stelmacher
Swinemünder Straße 64, 13355 Berlin
Tel.: 030 / 46 06 94 - 50
Fax: 030 / 46 06 94 - 51
Email: [email protected]
Web: www.qm-brunnenstrasse.de
Quartiersmanagement Pankstraße
Teamleiterin: Susanne Walz
Prinz-Eugen-Straße 1, 13347 Berlin
Tel.: 030 / 74 74 63 - 47
Fax: 030 / 74 74 63 - 49
Email: [email protected]
Web: www.pankstrasse-quartier.de
56
Quartiersmanagement Soldiner Straße
Teamleiterin: Katja Niggemeier
Drontheimer Straße 22
13359 Berlin
Tel.: 030 / 49 91 25 - 41
Fax: 030 / 49 91 25 - 40
Email: [email protected]
Web: www.deinkiez.de
Quartiersmanagement Sparrplatz
Teamleiterin: Alexandra Kast
Burgsdorfstraße 13A
13353 Berlin
Tel.: 030 / 46 60 61 - 90
Fax: 030 / 46 60 61 - 91
Email: [email protected]
Web: www.sparrplatz-quartier.de
Impressum:
Herausgeber: L.I.S.T. GmbH, Strelitzer Straße 60, 10115 Berlin
Autorin: Ulrike Steglich
Weitere Texte: Benjamin Leven
Redaktion: Brita Wauer, Benjamin Leven
Bildredaktion: Johanna Hartmann, Brita Wauer
Gestaltung/Herstellung: Johanna Hartmann, Mitarbeit - Andreas
Schnoor
Weitere Fotos: Umschlagseite 2 - Klaus Bädicker (Balkon Auguststraße Anfang 1990), Umschlagseite 3 - Archiv L.I.S.T. GmbH
(Pankstraße 77), 2. Seite Inhalt - Klaus Bädicker (Scheunenviertel)
20 Jahre L.I.S.T. bedeutet auch 20 Jahre Bilder sammeln.
Falls wir in dieser Broschüre ein Bild veröffentlicht haben, ohne den
Urheber zu nennen, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten
im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
Berlin, im Juli 2009