Rezension zur Novelle ,,Die Entdeckung der Currywurst“ von Uwe

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Rezension zur Novelle ,,Die Entdeckung der Currywurst“ von Uwe
Rezension zur Novelle ,,Die Entdeckung der Currywurst“ von Uwe Timm
Die Novelle von Uwe Timm veranschaulicht den Lebensabschnitt der Protagonistin Lena Brücker in
der Zeit des Endes des 2. Weltkrieges, in dem sie einen Fahnenflüchtigen versteckt.
Den Rahmen zur Binnenhandlung bildet der Erzähler, der Lena Brücker schon als Kind kannte und
sie für die Entdeckerin der Currywust hält. Von seiner Erinnerung begeistert beginnt der Erzähler
nachzuforschen und trifft auf Lena Brücker, die bereits im Altenheim lebt. Sie erzählt ihm in vielen
Einzelheiten und das Ende hinausschiebend von der Entdeckung der Currywurst, vor allem aber
von dem Fahnenflüchtigen Hermann Bremer, den sie einst in ihrer Wohnung versteckt hielt. Der
Erzähler fügt Lenas Geschichte dann zu dem, was wir lesen. Dabei werden die Erlebnisse zwar
überwiegend aus Lenas Sicht geschildert, aber auch von Gedankengängen des Erzählers begleitet
und durch Dialoge zwischen beiden ergänzt.
Ursula Reinhold beschreibt die Novelle als ein Lob auf ein unaufregendes Leben, das die
Geschichte eines jeden in Deutschland zu der Zeit hätte sein können. Uwe Timm verknüpft
verschiedene Ebenen zu einer Geschichte, die sich im Laufe der Erzählung verzweigt. Gerade diese
Verflechtung von verschiedenen Handlungen und Erlebnissen Lena Brückers und das Motiv des
Genusses, z.B. der Genuss des Erzählens oder des Kochens, macht die Entdeckung der Currywurst
aus. Auch spielen die zeitgeschichtlichen Hintergründe eine große Rolle, da diese die Geschichte
authentisch wirken lassen. Vor allem aber wird durch den Einblick in das Leben einer alltäglich
erscheinenden Figur erkennbar, dass Moral in der dargestellten Zeit ein dehnbarer Begriff ist. Denn
Lena Brücker verrät Hermann Bremer nicht, dass der Krieg beendet ist, um ihre schön gewordene
Welt aufrecht zu erhalten, in der sie als vierzigjährige Frau eine Liebesbeziehung zu einem
jüngeren Mann führt. Sie lügt, um ihre vermeintlich letzte Chance auf Liebe nicht aufgeben zu
müssen. Dieser Konflikt, die Lüge zu Bremer, ist er Drehpunkt der Geschichte.
Ich empfinde das Buch als sehr lesenswert, das besonders durch seine Erzählweise beeindruckt
hat.
Empfehlen würde ich es jedem, der Interesse an den historischen Ereignissen und der
gesellschaftlichen Situation um den 2.Weltkrieg hat und gerne mehr über das Geflecht der
zwischenmenschlichen Beziehungen dieser Novelle erfahren möchte.
Leseprobe, S.128:
Manchmal hab ich überlegt, ob ich das Zeitungspapier nicht einfach
früher ankommen lasse, dann is es aus mit dem Krieg, allerdings
auch mit Bremer und mir.
Und haben Sie es verkürzt?
Nee. Eben nicht.
War das nicht unfair?
Weißte, unfair is nur das Alter. Nee. War schön. Basta. So einfach
war das. Man liegt zusammen und weiß, wenn der aufsteht und
weggeht, dann gibts nur noch die fünfzig-, sechzigjährigen Männer.
Und die träumen dann ja auch nur wieder von ner Jüngeren. Das ist
doch das Sonderbare, ne lange Zeit ist Alter etwas, was nur für
andere gilt. Und dann, eines Tages, irgendwann um die Vierzig,
entdeckt man das an sich selbst: haste so n blauen Fleck, fein
gesprenkelt, wie ne blaue Feuerwerksrakete, ist dir ne kleine Ader an
der Innenseite vom Bein geplatzt. Am Hals, hier unterm Kinn,
zwischen den Brüsten haste Falte, nicht viel, n paar, gerade morgens, und man sieht an sich selbst,
man wird alt. Aber mit dem Bremer hab ich das vergessen. Ja, sagt sie, war ne rundum schöne
Zeit, alles war so n bisschen schräg, aber eben das war auch schön.
Dieser Ausschnitt der Novelle zeigt die Reflektion Lena Brückers über die Zeit mit Hermann Bremer
und ihr Denken über das Alter. Man kann durch diesen Ausschnitt einen Eindruck ihrer Sichtweise
erlangen.
Von Renja Popken, 10. Jahrgang
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