Architekt der Träume

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Architekt der Träume
Architekt
der Träume
Paul Shallcross über exklusive Wünsche von Yachteignern, die Zukunft der
Antriebssysteme und die Globalisierung des Yachtmarktes.
Tennisplätze, echte Palmen oder ausklappbare Sandstrände – den Wünschen von Paul Shallcross’ Kunden
sind keine Grenzen gesetzt.
Es riecht nach Salz und Meerwasser. Möwen kreisen am Himmel und scheinen sich über ein paar Sonnenstrahlen
zu freuen, die sich durch die Wolken kämpfen. Noch haben die Menschen dicke Winterjacken an, doch die ersten
Straßencafés haben schon geöffnet. Frühling liegt in der Luft. Aber nicht nur das: In der Luft der südenglischen Stadt
Southampton liegt noch etwas anderes: Seefahrt. Sieben Häfen hat die Stadt: Vom kleinen Yachthafen bis zu riesigen
Containerhäfen ist hier alles zu finden. Kaum zu glauben, dass in Southampton eine der schlimmsten Katastrophen in
der Schifffahrtsgeschichte ihren Anfang nahm: Die berühmte Titanic startete hier im Jahr 1912 zu ihrer Jungfernfahrt
nach New York, kam dort aber nie an. Daran erinnern soll hier jedoch nur noch ein Museum, das gerade gebaut wird.
Denn in der südenglischen Hafenstadt werden viele erfolgreiche Schifffahrtsgeschichten geschrieben. Die Southampton
Boat Show zieht jedes Jahr im September Hunderttausende Yacht-Begeisterte nach Südengland. Der britische Yachtbauer Sunseeker hat nicht weit von Southampton seinen Hauptsitz. Und viele Yachtdesigner und Marinearchitekten
suchen hier die Nähe zur Yachtszene. So auch Paul Shallcross, Ingenieur im Schiffsarchitektur-Büro BMT Nigel Gee. Im
Interview erzählt er, was den Yachtbau so besonders macht, welche Träume er seinen Kunden schon erfüllen konnte
und warum er selber gar keine große Yacht, sondern ein kleines Segelboot haben möchte.
Swimming Pools auf den Dächern oder
Hubschrauberlandeplätze gehören ja fast
schon zum Standard auf einer Megayacht.
Wo hört denn der Standard auf und wo
fängt Exklusivität an?
KARTE
Marine
Interview mit dem Schiffsingenieur Paul Shallcross
England
London
Belgien
Southampton
Paris
8
Frankreich
Blue
Paul Shallcross: Das ist eine schwierige Frage,
denn eigentlich ist fast alles möglich, was man
bauen kann. Aber Swimming Pools können –
auch wenn sie normal zu sein scheinen – eine
große Herausforderung sein. Denn die Besitzer
wollen immer größere und ausgefallenere Pools
an Bord haben. Da bekommen wir aber Probleme
mit der Stabilität der Yachten. Auch Landeplätze
für Helikopter sind sehr häufig gefragt. Aber
hier sind in den letzten Jahren immer schärfere
Gesetze entstanden, die es uns schwer machen,
diese auf einer Yacht unterzubringen. Im Normalfall ist es so, dass die Kunden mit einer großen
Wunschliste auf uns zukommen. Wir versuchen,
so viele Wünsche wie möglich zu erfüllen, doch
einiges ist einfach nicht machbar. So wird die
Liste während der Yacht-Entwicklung immer kürzer und wir müssen mit den Yachtdesignern, die
die Kunden vertreten, viele Kompromisse finden.
Das ist eine sehr spannende Zeit, in der wir die
Grenzen immer weiter ziehen: Die Designer
haben immer neue Ideen, was man noch machen
könnte und wir müssen immer neue Wege finden,
diese Wünsche umzusetzen.
Können Sie von besonders spektakulären
Wünschen von Yachteignern berichten?
Paul Shallcross: Oh, da gibt es einige verrückte
Wünsche: Tennisplätze, echte Palmen oder
Sandstrände, die man ausklappen kann. Sogar
Wasserstrahlantriebe aus Titan wollten unsere
MTU Report 01/11 I 45
Architekt
der Träume
Paul Shallcross über exklusive Wünsche von Yachteignern, die Zukunft der
Antriebssysteme und die Globalisierung des Yachtmarktes.
Tennisplätze, echte Palmen oder ausklappbare Sandstrände – den Wünschen von Paul Shallcross’ Kunden
sind keine Grenzen gesetzt.
Es riecht nach Salz und Meerwasser. Möwen kreisen am Himmel und scheinen sich über ein paar Sonnenstrahlen
zu freuen, die sich durch die Wolken kämpfen. Noch haben die Menschen dicke Winterjacken an, doch die ersten
Straßencafés haben schon geöffnet. Frühling liegt in der Luft. Aber nicht nur das: In der Luft der südenglischen Stadt
Southampton liegt noch etwas anderes: Seefahrt. Sieben Häfen hat die Stadt: Vom kleinen Yachthafen bis zu riesigen
Containerhäfen ist hier alles zu finden. Kaum zu glauben, dass in Southampton eine der schlimmsten Katastrophen in
der Schifffahrtsgeschichte ihren Anfang nahm: Die berühmte Titanic startete hier im Jahr 1912 zu ihrer Jungfernfahrt
nach New York, kam dort aber nie an. Daran erinnern soll hier jedoch nur noch ein Museum, das gerade gebaut wird.
Denn in der südenglischen Hafenstadt werden viele erfolgreiche Schifffahrtsgeschichten geschrieben. Die Southampton
Boat Show zieht jedes Jahr im September Hunderttausende Yacht-Begeisterte nach Südengland. Der britische Yachtbauer Sunseeker hat nicht weit von Southampton seinen Hauptsitz. Und viele Yachtdesigner und Marinearchitekten
suchen hier die Nähe zur Yachtszene. So auch Paul Shallcross, Ingenieur im Schiffsarchitektur-Büro BMT Nigel Gee. Im
Interview erzählt er, was den Yachtbau so besonders macht, welche Träume er seinen Kunden schon erfüllen konnte
und warum er selber gar keine große Yacht, sondern ein kleines Segelboot haben möchte.
Swimming Pools auf den Dächern oder
Hubschrauberlandeplätze gehören ja fast
schon zum Standard auf einer Megayacht.
Wo hört denn der Standard auf und wo
fängt Exklusivität an?
KARTE
Marine
Interview mit dem Schiffsingenieur Paul Shallcross
England
London
Belgien
Southampton
Paris
8
Frankreich
Blue
Paul Shallcross: Das ist eine schwierige Frage,
denn eigentlich ist fast alles möglich, was man
bauen kann. Aber Swimming Pools können –
auch wenn sie normal zu sein scheinen – eine
große Herausforderung sein. Denn die Besitzer
wollen immer größere und ausgefallenere Pools
an Bord haben. Da bekommen wir aber Probleme
mit der Stabilität der Yachten. Auch Landeplätze
für Helikopter sind sehr häufig gefragt. Aber
hier sind in den letzten Jahren immer schärfere
Gesetze entstanden, die es uns schwer machen,
diese auf einer Yacht unterzubringen. Im Normalfall ist es so, dass die Kunden mit einer großen
Wunschliste auf uns zukommen. Wir versuchen,
so viele Wünsche wie möglich zu erfüllen, doch
einiges ist einfach nicht machbar. So wird die
Liste während der Yacht-Entwicklung immer kürzer und wir müssen mit den Yachtdesignern, die
die Kunden vertreten, viele Kompromisse finden.
Das ist eine sehr spannende Zeit, in der wir die
Grenzen immer weiter ziehen: Die Designer
haben immer neue Ideen, was man noch machen
könnte und wir müssen immer neue Wege finden,
diese Wünsche umzusetzen.
Können Sie von besonders spektakulären
Wünschen von Yachteignern berichten?
Paul Shallcross: Oh, da gibt es einige verrückte
Wünsche: Tennisplätze, echte Palmen oder
Sandstrände, die man ausklappen kann. Sogar
Wasserstrahlantriebe aus Titan wollten unsere
MTU Report 01/11 I 45
Marine
bei den Designs nicht. Nur bei ihren „Spielzeugen“
wie eben Swimming Pools, Wellness-Landschaf ten oder Hubschrauber-Landeplätzen ziehen sie
die Grenzen des Machbaren immer weiter.
Trifft der berühmte Gestaltungsleitsatz
„Form follows Function“ auch auf den
Yachtbau zu, oder müssen wir den Spruch
hier umkehren zu „Function follows Form“?
Paul Shallcross: Als Ingenieur wäre mir natürlich die Ursprungsvariante des Satzes, dass die
Form der Funktion folgt, lieber. Im Maschinenraum einer Yacht ist das so. Wir haben gerade
eine 85-Meter-Yacht entwickelt und der Maschinenraum ist wunderschön, zumindest ist das
meine Meinung. Doch auf dem Rest der Yacht
verhält es sich tatsächlich oft umgekehrt. Die
Designer haben die Form im Kopf und wir müssen um die Form herum die Funktion entwickeln.
Denn zugegeben: Wenn ich ein funktionelles
Design entwickeln würde, fänden das die meisten eher langweilig – Ingenieure natürlich ausgenommen. Doch eins ist den Designern klar:
Die Form muss auch Funktion haben. Das macht
jede Yacht einzigartig: Das Design und damit der
Weg, wie die Funktion erreicht wird, ist immer
anders.
Mit Bruce Phillips von MTU UK tauscht sich Paul Shallcross regelmäßig über die
verschiedenen Möglichkeiten aus, Antriebssysteme in Yachten einzusetzen.
Kunden schon haben. Und einer wollte das Kon zept eines Dieselmotors radikal ändern. Aber
keinen dieser Wünsche konnten wir bisher erfüllen. Unsere Kunden versuchen trotzdem immer
wieder, die Grenzen des Machbaren zu sprengen.
Größer – schneller – exklusiver! Das
scheint derzeit das Motto im Yachtbau zu
sein. Gerüchte sagen, dass die erste 200
Meter lange Yacht schon gebaut wird. Wann
glauben Sie, wird die erste 250-Meter-Yacht
ausgeliefert?
Paul Shallcross: Das ist sicher nur noch eine
Frage der Zeit, denn es gibt immer Yachtbesitzer,
für die größer gleich besser bedeutet. Das Spiel
„Wer hat die größte Yacht der Welt“ ist sicher
noch nicht beendet. Doch große Yachten haben
einen Nachteil: Man merkt kaum noch, dass man
auf dem Wasser ist. Ich nenne das immer das
„Kreuzfahrtschiff-Syndrom“. Viele unserer Kunden wollen aber genau diese Nähe zum Wasser
spüren, sie wollen vielleicht auch mal nass werden. Und dazu brauchen sie kleinere Yachten.
Und noch etwas: Große Yachten haben den
Nachteil, dass sie kaum in die vielen wunderschönen, flachen Buchten fahren können. Das
schreckt einige Kunden ab und sie bleiben bei
ihren kleineren Yachten.
Paul Shallcross muss es wissen. Sechs Jahre lang
ist er selbst zur See gefahren, war Kapitän und
Schiffsingenieur auf verschiedenen Segelyachten.
Wenn er von seinen Reisen auf den Seychellen
46 I MTU Report 01/11
„Das Spiel, wer hat die
größte Yacht der Welt,
ist mit Sicherheit noch
nicht beendet“, sagt Paul
Shallcross.
Wer entwickelt denn die Trends im Yachtgeschäft? Sind es die Eigner, die die Yacht
später besitzen, Sie als Consultant, der die
Yacht entwickelt, oder doch die Werften,
die sie am Ende bauen?
Paul Shallcross: Zugegeben, es sind die Designer, die uns zwingen, die Grenzen immer weiter
zu sprengen. Wir haben zwar viele Ideen, doch
die können wir nicht immer umsetzen, da sie
nicht in den Budget- oder Zeitrahmen des Projekts passen oder nicht dem gewünschten
Design entsprechen.
Und welche Rolle spielen die Dieselmotoren in Zukunft?
Paul Shallcross: Zweifelsfrei eine ganz
wichtige. Der Dieselmotor wird weiterhin der gefragteste Antrieb sein. Es gibt zwar Alternativen,
wie das Flüssiggas LNG. Doch bis die in Serie
auf Yachten eingebaut werden, ist es noch ein
weiter Weg.
Wie wichtig ist den Yachteignern denn der
Kraftstoffverbrauch? Schauen sie darauf?
Paul Shallcross: Die Betriebskosten waren
Yachtbesitzern bisher nicht so wichtig. Der Kraftstoffverbrauch war eigentlich nur eine Zahl und
die Tankkapazität wurde so ausgelegt, dass die
Eigner die gewünschte Reichweite erzielen konnten. Aber natürlich werden die steigenden Preise
für Schiffskraftstoff Kunden dazu bringen, sich
auch mehr für die Betriebskosten ihrer Yacht zu
interessieren. Schon heute arbeiten wir an Lösungen, um den Kraftstoffverbrauch zu senken,
Hybridsysteme beispielsweise sind ein Thema.
… Man merkt kaum noch, dass man auf dem Wasser ist.“
erzählt, kommt er geradezu ins Schwärmen. Auch
Bruce Phillips hört begeistert zu. Er ist Vertriebsmitarbeiter bei MTU und mit Paul Shallcross häufig
in Kontakt.
Bruce Phillips: Je größer die Yacht, desto stärker muss natürlich das Antriebssystem sein. Ich
denke da an Gasturbinen, die in Kombination mit
Dieselmotoren unheimliche Leistungsreserven
bieten und zugleich für Kraftstoffeffizienz sorgen.
Bei Langstreckenfahrten oder bei niedrigen Geschwindigkeiten laufen allein die Dieselmotoren.
Soll es schneller gehen, werden die Gasturbinen
ein- oder zugeschaltet. Für all diese Systeme
erstellen wir die kompletten Pakete, bestehend
aus Antrieb und Automation, maßgeschneidert
für die speziellen Anforderungen.
Gibt es auf dem Yacht-Markt Mode-Erscheinungen? Wie sahen Yachten vor zehn
Jahren im Vergleich zu heute aus und wie
werden Yachten in zehn Jahren aussehen?
Paul Shallcross: Man kann schon sagen, dass
Yachten tendenziell immer größer werden. Eine
mittelgroße Yacht heute ist viel größer als vor
zehn Jahren. Doch ich würde die Entwicklung
eher evolutionär als revolutionär nennen. Denn
auch wenn die Yachtbesitzer immer wollen, dass
ihre Yacht einzigartig ist: Große Sprünge gibt es
„Doch große Yachten haben einen Nachteil: …
An dieser Stelle greift Bruce Phillips wieder in das
Gespräch ein. Er kann von besonders kraftstoffsparenden MTU-Antriebssystemen berichten, die durch
die Kombination mehrerer Dieselmotoren, von Diesel- und Elektromotoren oder von Dieselmotoren
und Gasturbinen die Leistung des Dieselmotors optimal ausnutzen. (Mehr Informationen auf Seite 51)
Bruce Phillips: Dabei gibt es Antriebssysteme,
die den Kraftstoffverbrauch von Yachten erheblich senken. Ein Beispiel ist hier die Kombination
von vier Dieselmotoren, die auf zwei Sammelge triebe geschaltet werden. Bei Vollgas werden alle
Motoren zugeschaltet, bei normaler Fahrt kann
der Kapitän einen Motor pro Getriebe abstellen.
So werden die Motoren nicht ständig im Teillast bereich gefahren, in dem sie überproportional
mehr Kraftstoff benötigen als bei Vollast. Denn
die Motoren werden meistens auf den Topspeed
ausgerichtet, der aber nur fünf Prozent der Zeit
benötigt wird. Die restlichen 95 Prozent fährt
der Motor im Teillastbereich. Dies ist eine hervorragende Möglichkeit, die Antriebsanlage so
effizient wie möglich zu nutzen.
Paul Shallcross: Wir arbeiten gerade an einigen
kombinierten Antriebssystemen, die aus Dieselund Elektromotor bestehen. Diese sind zwar in
der Anschaffung teurer, aber sie erfüllen die
Bedürfnisse unserer Kunden.
Ist „green technology“, also der Schadstoffausstoß, im Yachtbau ein Thema?
Paul Shallcross: „Grün“ ist auf jeden Fall ein
Thema. Yachten liegen oft an wunderschönen
Plätzen vor Anker und natürlich wollen die Yachtbesitzer, dass diese Plätze so schön bleiben.
Marine
bei den Designs nicht. Nur bei ihren „Spielzeugen“
wie eben Swimming Pools, Wellness-Landschaf ten oder Hubschrauber-Landeplätzen ziehen sie
die Grenzen des Machbaren immer weiter.
Trifft der berühmte Gestaltungsleitsatz
„Form follows Function“ auch auf den
Yachtbau zu, oder müssen wir den Spruch
hier umkehren zu „Function follows Form“?
Paul Shallcross: Als Ingenieur wäre mir natürlich die Ursprungsvariante des Satzes, dass die
Form der Funktion folgt, lieber. Im Maschinenraum einer Yacht ist das so. Wir haben gerade
eine 85-Meter-Yacht entwickelt und der Maschinenraum ist wunderschön, zumindest ist das
meine Meinung. Doch auf dem Rest der Yacht
verhält es sich tatsächlich oft umgekehrt. Die
Designer haben die Form im Kopf und wir müssen um die Form herum die Funktion entwickeln.
Denn zugegeben: Wenn ich ein funktionelles
Design entwickeln würde, fänden das die meisten eher langweilig – Ingenieure natürlich ausgenommen. Doch eins ist den Designern klar:
Die Form muss auch Funktion haben. Das macht
jede Yacht einzigartig: Das Design und damit der
Weg, wie die Funktion erreicht wird, ist immer
anders.
Mit Bruce Phillips von MTU UK tauscht sich Paul Shallcross regelmäßig über die
verschiedenen Möglichkeiten aus, Antriebssysteme in Yachten einzusetzen.
Kunden schon haben. Und einer wollte das Kon zept eines Dieselmotors radikal ändern. Aber
keinen dieser Wünsche konnten wir bisher erfüllen. Unsere Kunden versuchen trotzdem immer
wieder, die Grenzen des Machbaren zu sprengen.
Größer – schneller – exklusiver! Das
scheint derzeit das Motto im Yachtbau zu
sein. Gerüchte sagen, dass die erste 200
Meter lange Yacht schon gebaut wird. Wann
glauben Sie, wird die erste 250-Meter-Yacht
ausgeliefert?
Paul Shallcross: Das ist sicher nur noch eine
Frage der Zeit, denn es gibt immer Yachtbesitzer,
für die größer gleich besser bedeutet. Das Spiel
„Wer hat die größte Yacht der Welt“ ist sicher
noch nicht beendet. Doch große Yachten haben
einen Nachteil: Man merkt kaum noch, dass man
auf dem Wasser ist. Ich nenne das immer das
„Kreuzfahrtschiff-Syndrom“. Viele unserer Kunden wollen aber genau diese Nähe zum Wasser
spüren, sie wollen vielleicht auch mal nass werden. Und dazu brauchen sie kleinere Yachten.
Und noch etwas: Große Yachten haben den
Nachteil, dass sie kaum in die vielen wunderschönen, flachen Buchten fahren können. Das
schreckt einige Kunden ab und sie bleiben bei
ihren kleineren Yachten.
Paul Shallcross muss es wissen. Sechs Jahre lang
ist er selbst zur See gefahren, war Kapitän und
Schiffsingenieur auf verschiedenen Segelyachten.
Wenn er von seinen Reisen auf den Seychellen
46 I MTU Report 01/11
„Das Spiel, wer hat die
größte Yacht der Welt,
ist mit Sicherheit noch
nicht beendet“, sagt Paul
Shallcross.
Wer entwickelt denn die Trends im Yachtgeschäft? Sind es die Eigner, die die Yacht
später besitzen, Sie als Consultant, der die
Yacht entwickelt, oder doch die Werften,
die sie am Ende bauen?
Paul Shallcross: Zugegeben, es sind die Designer, die uns zwingen, die Grenzen immer weiter
zu sprengen. Wir haben zwar viele Ideen, doch
die können wir nicht immer umsetzen, da sie
nicht in den Budget- oder Zeitrahmen des Projekts passen oder nicht dem gewünschten
Design entsprechen.
Und welche Rolle spielen die Dieselmotoren in Zukunft?
Paul Shallcross: Zweifelsfrei eine ganz
wichtige. Der Dieselmotor wird weiterhin der gefragteste Antrieb sein. Es gibt zwar Alternativen,
wie das Flüssiggas LNG. Doch bis die in Serie
auf Yachten eingebaut werden, ist es noch ein
weiter Weg.
Wie wichtig ist den Yachteignern denn der
Kraftstoffverbrauch? Schauen sie darauf?
Paul Shallcross: Die Betriebskosten waren
Yachtbesitzern bisher nicht so wichtig. Der Kraftstoffverbrauch war eigentlich nur eine Zahl und
die Tankkapazität wurde so ausgelegt, dass die
Eigner die gewünschte Reichweite erzielen konnten. Aber natürlich werden die steigenden Preise
für Schiffskraftstoff Kunden dazu bringen, sich
auch mehr für die Betriebskosten ihrer Yacht zu
interessieren. Schon heute arbeiten wir an Lösungen, um den Kraftstoffverbrauch zu senken,
Hybridsysteme beispielsweise sind ein Thema.
… Man merkt kaum noch, dass man auf dem Wasser ist.“
erzählt, kommt er geradezu ins Schwärmen. Auch
Bruce Phillips hört begeistert zu. Er ist Vertriebsmitarbeiter bei MTU und mit Paul Shallcross häufig
in Kontakt.
Bruce Phillips: Je größer die Yacht, desto stärker muss natürlich das Antriebssystem sein. Ich
denke da an Gasturbinen, die in Kombination mit
Dieselmotoren unheimliche Leistungsreserven
bieten und zugleich für Kraftstoffeffizienz sorgen.
Bei Langstreckenfahrten oder bei niedrigen Geschwindigkeiten laufen allein die Dieselmotoren.
Soll es schneller gehen, werden die Gasturbinen
ein- oder zugeschaltet. Für all diese Systeme
erstellen wir die kompletten Pakete, bestehend
aus Antrieb und Automation, maßgeschneidert
für die speziellen Anforderungen.
Gibt es auf dem Yacht-Markt Mode-Erscheinungen? Wie sahen Yachten vor zehn
Jahren im Vergleich zu heute aus und wie
werden Yachten in zehn Jahren aussehen?
Paul Shallcross: Man kann schon sagen, dass
Yachten tendenziell immer größer werden. Eine
mittelgroße Yacht heute ist viel größer als vor
zehn Jahren. Doch ich würde die Entwicklung
eher evolutionär als revolutionär nennen. Denn
auch wenn die Yachtbesitzer immer wollen, dass
ihre Yacht einzigartig ist: Große Sprünge gibt es
„Doch große Yachten haben einen Nachteil: …
An dieser Stelle greift Bruce Phillips wieder in das
Gespräch ein. Er kann von besonders kraftstoffsparenden MTU-Antriebssystemen berichten, die durch
die Kombination mehrerer Dieselmotoren, von Diesel- und Elektromotoren oder von Dieselmotoren
und Gasturbinen die Leistung des Dieselmotors optimal ausnutzen. (Mehr Informationen auf Seite 51)
Bruce Phillips: Dabei gibt es Antriebssysteme,
die den Kraftstoffverbrauch von Yachten erheblich senken. Ein Beispiel ist hier die Kombination
von vier Dieselmotoren, die auf zwei Sammelge triebe geschaltet werden. Bei Vollgas werden alle
Motoren zugeschaltet, bei normaler Fahrt kann
der Kapitän einen Motor pro Getriebe abstellen.
So werden die Motoren nicht ständig im Teillast bereich gefahren, in dem sie überproportional
mehr Kraftstoff benötigen als bei Vollast. Denn
die Motoren werden meistens auf den Topspeed
ausgerichtet, der aber nur fünf Prozent der Zeit
benötigt wird. Die restlichen 95 Prozent fährt
der Motor im Teillastbereich. Dies ist eine hervorragende Möglichkeit, die Antriebsanlage so
effizient wie möglich zu nutzen.
Paul Shallcross: Wir arbeiten gerade an einigen
kombinierten Antriebssystemen, die aus Dieselund Elektromotor bestehen. Diese sind zwar in
der Anschaffung teurer, aber sie erfüllen die
Bedürfnisse unserer Kunden.
Ist „green technology“, also der Schadstoffausstoß, im Yachtbau ein Thema?
Paul Shallcross: „Grün“ ist auf jeden Fall ein
Thema. Yachten liegen oft an wunderschönen
Plätzen vor Anker und natürlich wollen die Yachtbesitzer, dass diese Plätze so schön bleiben.
Marine
Yachtbesitzer spüren schon die Verantwortung,
die sie dafür tragen. Viele Yachten haben schon
einen Rußfilter, um den Ausstoß von schwarzem
Rauch oder Ölresten aus ihren Motoren und
Generatoren zu verhindern. Wir arbeiten auch
mit Kunden, die sehr aktiv Yachten wollen, die
besonders „grün“ sind.
Southampton ist ein
Eldorado für Yachtfans:
Die Stadt hat sieben
Häfen und zieht mit der
„Southampton Boat
Show“ jährlich Hunderttausende Yacht-Begeisterte nach Südengland.
Ab dem Jahr 2016 geht es ja beim Thema
„grün“ nicht mehr nur ums Image. Dann wird
die Emissionsstufe IMO 3 in Kraft treten und
gerade die Grenzwerte für den Ausstoß von
Stickoxiden werden extrem sinken. Vielleicht wird ein Motor dann nicht mehr ohne
ein Abgasnachbehandlungssystem auskommen. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Paul Shallcross: Ich bin im ständigen Kontakt
mit den Motorenherstellern, auch mit MTU, um
„Meine Yacht wäre klein
und hätte ein Segel“,
sagt Paul Shallcross. Er
war jahrelang Kapitän
auf einer Segelyacht.
herauszufinden, wo der Weg hingeht. Noch ist
das Thema im Yachtbau nicht so sehr auf der
Tagesordnung, da die neuen Bestimmungen ja
erst im Jahr 2016 in Kraft treten. Alle Yachten,
die bis Ende 2015 auf Kiel gelegt worden sind,
sind davon noch nicht betroffen. Doch wir arbeiten auch schon an Yachten, die die Emissions stufe IMO 3 erfüllen. Da empfehle ich meinen
Kunden schon, den Platz für eine SCR-Anlage an
Bord freizuhalten. Das ist natürlich ein Nachteil,
gerade für kleinere Yachten, denn neben der
Anlage brauchen sie ja auch noch Platz für einen
Tank mit der Harnstofflösung. Daher hoffen wir
natürlich alle, dass die Motorenhersteller es
irgendwie schaffen, die Motoren so zu optimie-
48 I MTU Report 01/11
ren, dass keine Nachbehandlung des Abgases
nötig ist. Dann haben wir den Platz, den wir jetzt
einplanen, wieder frei. Aber das ist besser als
wenn es andersherum wäre.
Wenn Sie, ohne auf technische Machbarkeit
zu achten, ein Antriebssystem bauen könnten, das die Emissionsstufe IMO 3 einhält,
wie sähe das aus?
Paul Shallcross: Mein Antriebssystem wäre
komplett CO2-neutral, extrem effizient, leicht zu
warten, kaum hör- und spürbar und hätte natürlich kein Abgasnachbehandlungssystem. Ich
habe vor einiger Zeit ein Konzept gesehen, das
kam dem schon recht nahe: Auf einem Schiff
steht ein Algen-Bioreaktor, der mit dem von einer
Brennstoffzelle generierten CO2 und dem Son nenlicht aus den Algen Biodiesel erzeugt. Ist das
nicht eine gute Idee? Die US Navy hat diesen
Algen-Biodiesel mit konventionellem Dieselkraftstoff gemischt und damit ein Schiff angetrieben.
Doch ich glaube, eine Gallone hat 450 US Dollar
gekostet. Da müssten die Preise für Schiffskraftstoffe kräftig ansteigen, bevor diese Lösung die
Welt erobert. (lacht)
Im Herzen von
Southampton bietet
der Hafen Ocean Village
375 Schiffen Platz.
Bruce Phillips und Paul Shallcross vertiefen sich in
ein Gespräch über die Zukunft der Antriebssysteme.
Containerschiffe mit Segeln haben sie schon gese-
MTU Report 01/11 I 49
Marine
Yachtbesitzer spüren schon die Verantwortung,
die sie dafür tragen. Viele Yachten haben schon
einen Rußfilter, um den Ausstoß von schwarzem
Rauch oder Ölresten aus ihren Motoren und
Generatoren zu verhindern. Wir arbeiten auch
mit Kunden, die sehr aktiv Yachten wollen, die
besonders „grün“ sind.
Southampton ist ein
Eldorado für Yachtfans:
Die Stadt hat sieben
Häfen und zieht mit der
„Southampton Boat
Show“ jährlich Hunderttausende Yacht-Begeisterte nach Südengland.
Ab dem Jahr 2016 geht es ja beim Thema
„grün“ nicht mehr nur ums Image. Dann wird
die Emissionsstufe IMO 3 in Kraft treten und
gerade die Grenzwerte für den Ausstoß von
Stickoxiden werden extrem sinken. Vielleicht wird ein Motor dann nicht mehr ohne
ein Abgasnachbehandlungssystem auskommen. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Paul Shallcross: Ich bin im ständigen Kontakt
mit den Motorenherstellern, auch mit MTU, um
„Meine Yacht wäre klein
und hätte ein Segel“,
sagt Paul Shallcross. Er
war jahrelang Kapitän
auf einer Segelyacht.
herauszufinden, wo der Weg hingeht. Noch ist
das Thema im Yachtbau nicht so sehr auf der
Tagesordnung, da die neuen Bestimmungen ja
erst im Jahr 2016 in Kraft treten. Alle Yachten,
die bis Ende 2015 auf Kiel gelegt worden sind,
sind davon noch nicht betroffen. Doch wir arbeiten auch schon an Yachten, die die Emissions stufe IMO 3 erfüllen. Da empfehle ich meinen
Kunden schon, den Platz für eine SCR-Anlage an
Bord freizuhalten. Das ist natürlich ein Nachteil,
gerade für kleinere Yachten, denn neben der
Anlage brauchen sie ja auch noch Platz für einen
Tank mit der Harnstofflösung. Daher hoffen wir
natürlich alle, dass die Motorenhersteller es
irgendwie schaffen, die Motoren so zu optimie-
48 I MTU Report 01/11
ren, dass keine Nachbehandlung des Abgases
nötig ist. Dann haben wir den Platz, den wir jetzt
einplanen, wieder frei. Aber das ist besser als
wenn es andersherum wäre.
Wenn Sie, ohne auf technische Machbarkeit
zu achten, ein Antriebssystem bauen könnten, das die Emissionsstufe IMO 3 einhält,
wie sähe das aus?
Paul Shallcross: Mein Antriebssystem wäre
komplett CO2-neutral, extrem effizient, leicht zu
warten, kaum hör- und spürbar und hätte natürlich kein Abgasnachbehandlungssystem. Ich
habe vor einiger Zeit ein Konzept gesehen, das
kam dem schon recht nahe: Auf einem Schiff
steht ein Algen-Bioreaktor, der mit dem von einer
Brennstoffzelle generierten CO2 und dem Son nenlicht aus den Algen Biodiesel erzeugt. Ist das
nicht eine gute Idee? Die US Navy hat diesen
Algen-Biodiesel mit konventionellem Dieselkraftstoff gemischt und damit ein Schiff angetrieben.
Doch ich glaube, eine Gallone hat 450 US Dollar
gekostet. Da müssten die Preise für Schiffskraftstoffe kräftig ansteigen, bevor diese Lösung die
Welt erobert. (lacht)
Im Herzen von
Southampton bietet
der Hafen Ocean Village
375 Schiffen Platz.
Bruce Phillips und Paul Shallcross vertiefen sich in
ein Gespräch über die Zukunft der Antriebssysteme.
Containerschiffe mit Segeln haben sie schon gese-
MTU Report 01/11 I 49
MEMO
Marine
hen. Beide sind sich sicher, dass LNG-Kraftstoff ein
wichtiges Thema werden wird. Aber erst, wenn die
Probleme der weltweiten Verfügbarkeit geklärt seien. Noch sei LNG nicht überall verfügbar und anders
als Schnellfähren führen Yachten keine festen
Routen und könnten so nicht planen, wann sie ihre
Kraftstofftanks wieder auffüllen können.
Worauf kommt es Ihnen persönlich ganz besonders an, wenn Sie eine Yacht planen?
Paul Shallcross: Mir ist es am allerwichtigsten,
dass unser Kunde am Ende zufrieden mit dem
Ergebnis ist. Ich bin oft schon sehr früh in das
Konzept einer Yacht eingebunden und begleite
sie viele Jahre: von der ersten Idee über das
Design, die Detailplanung bis zum Bau und zur
Übergabe. Da bleibt es nicht aus, dass sie ein
wichtiger Teil meines Lebens wird. Wenn dieser
wichtige Teil mich verlässt, ist das natürlich erst
einmal schade, aber es gibt nichts schöneres,
als zu sehen, wie ein Kunde begeistert und aufgeregt zum ersten Mal mit seiner Yacht fährt.
Dafür arbeiten wir hart.
Bisher war der Yachtmarkt ja fest in europäischer Hand: Die größten Megayachten
der Welt wurden in Deutschland, Italien
und England gebaut. Jetzt entstehen in der
Türkei und in Asien große Werften. Wie
wird sich der Markt weiterentwickeln?
Paul Shallcross: In der Türkei gibt es schon
einige große Werften. Dort entsteht gerade eine
144 Meter lange Segelyacht. Auch in Asien
wächst der Markt und es gibt einige Yachtbauer,
die sehr hart arbeiten, um europäische Standards
zu erreichen. Ein Kollege von mir war vor einiger
Zeit in Asien und hat Werften besucht: Einige sind
wirklich auf einem guten Weg, andere dagegen
nicht. Doch die, die es geschafft haben, mussten
massiv investieren. Noch müssen sie allerdings
die meisten Materialien in Europa zukaufen, daher
ist es schwierig, woanders eine qualitativ hochwertige Yacht zu einem guten Preis zu bauen.
In Kombination noch besser
Kombinierte Antriebsanlagen aus Dieselmotoren mit Gasturbinen oder Elektromotoren nutzen die Vorteile aller
Systeme optimal aus. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie senken den Kraftstoffverbrauch und verlängern die
Wartungsintervalle der Motoren. Unterschieden wird zwischen Kombinationen aus mehreren Dieselmotoren,
Kombinationen aus Diesel- und Elektromotoren sowie Kombinationen aus Dieselmotoren und Gasturbinen. MTU
liefert nicht nur die einzelnen Komponenten inklusive Getriebe, sondern auch die übergeordnete Steuerung.
CODAD: Combined Diesel and Diesel
Vier Dieselmotoren sind auf zwei Sammelgetriebe
geschaltet und treiben zwei Propeller an. Bei hohen
Geschwindigkeiten werden alle Motoren zugeschaltet,
bei normaler Fahrt kann der Kapitän einen Motor pro
Getriebe abstellen. So werden die Motoren nicht ständig
im Teillastbereich gefahren, in dem sie überproportional
mehr Kraftstoff benötigen als im Volllastbetrieb. Denn
die Motoren werden meistens auf den Topspeed ausgerichtet, der aber nur fünf Prozent der Zeit benötigt wird.
CODAE: Combined Diesel and Electric
Eine andere Variante ist die Kombination eines Dieselund eines Elektromotors. Die wirken zusammen auf
ein Sammelgetriebe und werden von einer übergeordneten Steuerung geregelt. Bei normaler Fahrt ruft das
System vom Motor die Leistung ab, für die er eigentlich ausgelegt ist. Das mag oft mehr sein, als die Yacht
für die Geschwindigkeit benötigt. Die übrige Leistung
wird über das Sammelgetriebe an den Elektromotor
zurückgegeben. Der fungiert dann als Generator
und speist den Strom ins Bordstromnetz ein.
CODOG: Combined Diesel or Gas
Zwei Dieselmotoren und zwei Gasturbinen wirken
abwechselnd über zwei Hauptgetriebe auf zwei steuerbare Propeller. Die Gasturbinen sind über selbst-synchronisierende Kupplungen angeschlossen. Bei Langstreckenfahrten oder bei niedrigen Geschwindigkeiten
laufen alleine die deutlich Kraftstoff sparenden
Antriebsdiesel, während für Höchstgeschwindigkeiten
die Gasturbine eingeschaltet wird.
CODAG: Combined Diesel and Gas
Zwei Dieselmotoren und eine Gasturbine wirken
über zwei Haupt- und ein Verbindungsgetriebe auf
die Propeller. Ist nur einer der Dieselmotoren oder
die Gasturbine in Betrieb, werden beide Propeller
über das Verbindungsgetriebe gleichmäßig mit der
Antriebsenergie versorgt. Sind beide Dieselmotoren in
Betrieb, kann dieses Getriebe ausgekuppelt werden.
Und wo kommen die künftigen Megayachtbesitzer her? Weiterhin aus den arabischen
Ländern oder aus Russland?
Paul Shallcross zeichnet die Entwürfe für seine Antriebssysteme immer mit Hand. „Das gibt mir Zeit, auch darüber nachzudenken“, sagt er. In der Besprechung mit
seinen Kollegen werden dann noch Details verbessert.
50 I MTU Report 01/11
Paul Shallcross: Unsere meisten Kunden
kommen immer noch aus Europa und Nordamerika, Russland und dem Mittleren Osten.
Natürlich werden auch andere Regionen immer
reicher, doch die wichtigsten Märkte werden
immer noch da sein, wo es eine Yachtkultur und
-tradition gibt. Dort ist der Wunsch der Menschen
viel größer, auch eine eigene Yacht zu besizten.
Eine letzte Frage: Wie sähe denn die Yacht
aus, die Sie sich selbst bauen würden?
Paul Shallcross: Das schlimme an der Sache
ist, dass ich weiß, was diese Dinge kosten. (lacht)
Aber im Ernst: Ich liebe es, die Nähe zum Wasser
zu spüren. Meine Yacht wäre klein und hätte ein
Segel.
Interview: Lucie Dammann
Bilder: Robert Hack, Tognum-Konzernarchiv
Ihre Fragen beantwortet:
Bruce Phillips, [email protected]
Tel. +44 1342 335-459
MTU Report 01/11 I 51
MEMO
Marine
hen. Beide sind sich sicher, dass LNG-Kraftstoff ein
wichtiges Thema werden wird. Aber erst, wenn die
Probleme der weltweiten Verfügbarkeit geklärt seien. Noch sei LNG nicht überall verfügbar und anders
als Schnellfähren führen Yachten keine festen
Routen und könnten so nicht planen, wann sie ihre
Kraftstofftanks wieder auffüllen können.
Worauf kommt es Ihnen persönlich ganz besonders an, wenn Sie eine Yacht planen?
Paul Shallcross: Mir ist es am allerwichtigsten,
dass unser Kunde am Ende zufrieden mit dem
Ergebnis ist. Ich bin oft schon sehr früh in das
Konzept einer Yacht eingebunden und begleite
sie viele Jahre: von der ersten Idee über das
Design, die Detailplanung bis zum Bau und zur
Übergabe. Da bleibt es nicht aus, dass sie ein
wichtiger Teil meines Lebens wird. Wenn dieser
wichtige Teil mich verlässt, ist das natürlich erst
einmal schade, aber es gibt nichts schöneres,
als zu sehen, wie ein Kunde begeistert und aufgeregt zum ersten Mal mit seiner Yacht fährt.
Dafür arbeiten wir hart.
Bisher war der Yachtmarkt ja fest in europäischer Hand: Die größten Megayachten
der Welt wurden in Deutschland, Italien
und England gebaut. Jetzt entstehen in der
Türkei und in Asien große Werften. Wie
wird sich der Markt weiterentwickeln?
Paul Shallcross: In der Türkei gibt es schon
einige große Werften. Dort entsteht gerade eine
144 Meter lange Segelyacht. Auch in Asien
wächst der Markt und es gibt einige Yachtbauer,
die sehr hart arbeiten, um europäische Standards
zu erreichen. Ein Kollege von mir war vor einiger
Zeit in Asien und hat Werften besucht: Einige sind
wirklich auf einem guten Weg, andere dagegen
nicht. Doch die, die es geschafft haben, mussten
massiv investieren. Noch müssen sie allerdings
die meisten Materialien in Europa zukaufen, daher
ist es schwierig, woanders eine qualitativ hochwertige Yacht zu einem guten Preis zu bauen.
In Kombination noch besser
Kombinierte Antriebsanlagen aus Dieselmotoren mit Gasturbinen oder Elektromotoren nutzen die Vorteile aller
Systeme optimal aus. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie senken den Kraftstoffverbrauch und verlängern die
Wartungsintervalle der Motoren. Unterschieden wird zwischen Kombinationen aus mehreren Dieselmotoren,
Kombinationen aus Diesel- und Elektromotoren sowie Kombinationen aus Dieselmotoren und Gasturbinen. MTU
liefert nicht nur die einzelnen Komponenten inklusive Getriebe, sondern auch die übergeordnete Steuerung.
CODAD: Combined Diesel and Diesel
Vier Dieselmotoren sind auf zwei Sammelgetriebe
geschaltet und treiben zwei Propeller an. Bei hohen
Geschwindigkeiten werden alle Motoren zugeschaltet,
bei normaler Fahrt kann der Kapitän einen Motor pro
Getriebe abstellen. So werden die Motoren nicht ständig
im Teillastbereich gefahren, in dem sie überproportional
mehr Kraftstoff benötigen als im Volllastbetrieb. Denn
die Motoren werden meistens auf den Topspeed ausgerichtet, der aber nur fünf Prozent der Zeit benötigt wird.
CODAE: Combined Diesel and Electric
Eine andere Variante ist die Kombination eines Dieselund eines Elektromotors. Die wirken zusammen auf
ein Sammelgetriebe und werden von einer übergeordneten Steuerung geregelt. Bei normaler Fahrt ruft das
System vom Motor die Leistung ab, für die er eigentlich ausgelegt ist. Das mag oft mehr sein, als die Yacht
für die Geschwindigkeit benötigt. Die übrige Leistung
wird über das Sammelgetriebe an den Elektromotor
zurückgegeben. Der fungiert dann als Generator
und speist den Strom ins Bordstromnetz ein.
CODOG: Combined Diesel or Gas
Zwei Dieselmotoren und zwei Gasturbinen wirken
abwechselnd über zwei Hauptgetriebe auf zwei steuerbare Propeller. Die Gasturbinen sind über selbst-synchronisierende Kupplungen angeschlossen. Bei Langstreckenfahrten oder bei niedrigen Geschwindigkeiten
laufen alleine die deutlich Kraftstoff sparenden
Antriebsdiesel, während für Höchstgeschwindigkeiten
die Gasturbine eingeschaltet wird.
CODAG: Combined Diesel and Gas
Zwei Dieselmotoren und eine Gasturbine wirken
über zwei Haupt- und ein Verbindungsgetriebe auf
die Propeller. Ist nur einer der Dieselmotoren oder
die Gasturbine in Betrieb, werden beide Propeller
über das Verbindungsgetriebe gleichmäßig mit der
Antriebsenergie versorgt. Sind beide Dieselmotoren in
Betrieb, kann dieses Getriebe ausgekuppelt werden.
Und wo kommen die künftigen Megayachtbesitzer her? Weiterhin aus den arabischen
Ländern oder aus Russland?
Paul Shallcross zeichnet die Entwürfe für seine Antriebssysteme immer mit Hand. „Das gibt mir Zeit, auch darüber nachzudenken“, sagt er. In der Besprechung mit
seinen Kollegen werden dann noch Details verbessert.
50 I MTU Report 01/11
Paul Shallcross: Unsere meisten Kunden
kommen immer noch aus Europa und Nordamerika, Russland und dem Mittleren Osten.
Natürlich werden auch andere Regionen immer
reicher, doch die wichtigsten Märkte werden
immer noch da sein, wo es eine Yachtkultur und
-tradition gibt. Dort ist der Wunsch der Menschen
viel größer, auch eine eigene Yacht zu besizten.
Eine letzte Frage: Wie sähe denn die Yacht
aus, die Sie sich selbst bauen würden?
Paul Shallcross: Das schlimme an der Sache
ist, dass ich weiß, was diese Dinge kosten. (lacht)
Aber im Ernst: Ich liebe es, die Nähe zum Wasser
zu spüren. Meine Yacht wäre klein und hätte ein
Segel.
Interview: Lucie Dammann
Bilder: Robert Hack, Tognum-Konzernarchiv
Ihre Fragen beantwortet:
Bruce Phillips, [email protected]
Tel. +44 1342 335-459
MTU Report 01/11 I 51