Der Ätna, ein Vulkan für Genießer

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Der Ätna, ein Vulkan für Genießer
ReiseWelt
Samstag, 3. Januar 2009
DIE WELT Seite R1
So lässt es sich auch im Winter gut leben: Blick von der Terrasse des „Grand Hotels Timeo“ in Taormina auf den schneebedeckten Ätna
Mittelmeer
Randazzo
Solicchiata
Zafterana
Ätna (3323m) Etnea
Belpasso
Santa
Nicolosi
Veneria
Mascalucia
Catania
Bronte
Simeto
e von
Gole dell’
Alcantara
Straß
SIZILIEN
Mess
in
Messina
a
ITALIEN
20 km
ITALIEN
Von Constanze Reuscher
L
ange galt der Ätna nur
als Kulisse von Catania,
der sizilianischen Stadt
am Mittelmeer. Aber
der Vulkan ist auch für
sich eine Attraktion, dank Naturschönheiten und kulinarischer
Schätze: Hier kann man wandern
und schlemmen – und das am besten im Herbst und Winter, wenn
die Sonnentage kristallklar und
die Temperaturen mild sind.
Wer Glück hat, kann beim Anflug auf Catania in den Krater spähen – einen riesigen Schlund, aus
dem meist eine dünne Rauchfahne pafft. Alle paar Jahre spuckt der
Ätna frische Lava, aber unten in
der Stadt scheint das niemandem
Angst zu machen: Hier vergöttern
die Leute ihren Vulkan und sagen
„la montagna“, der Berg. Im Winter steht er majestätisch da, mit
verschneitem Gipfel und schwarzem Lavastein vor kobaltblauem
Himmel.
Aus diesem Stein und weißem
Marmor wurde die Altstadt Catanias in feinstem Blüten-Barock erbaut. Die fruchtbaren Hänge waren schon in der Antike als „Campus Aetneus“ berühmt, wo die
Griechen Weinstöcke und Olivenbäume pflanzten, die Römer Äpfel, Birnen und Kastanien, die Araber Zitrusfrüchte, Feigen und Pistazien. Die Früchte sind klein,
aber zuckersüß, es gibt sie auf
dem Markt in der Altstadt: einem
mediterranen Souk, wo sich der
Duft von süßen Orangen, aromatischen Kräutern, buntem Gemüse,
gebackenen Mandeln, kandierten
Früchten, würzigem Schafskäse
FOTOS: PA/HUBER
Der Ätna, ein
Vulkan für
Genießer
Rund um Siziliens höchsten Berg locken guter Wein,
süße Früchte und viel Sonne – auch im Winter
und pikanter Salami vermischt.
Eine erste Station ist das Städtchen Bronte – weltberühmt für
seine Pistazien. Auf dem Weg
dorthin geht es vorbei an Obstplantagen über die Südhänge des
Ätna. Der Ort Belpasso ist die Heimat der „Torroncini“, butterweicher Mandel-Pralinen. Noch
köstlicher sind die Süßigkeiten in
Bronte, hier darf ordentlich genascht werden! Zum Beispiel in
der „Bar Conti“, wo Konditor Ignazio Incognito aus Pistazien die
Ricotta-Teigröllchen
„Cannoli“
und eine Ricotta-Marzipan-Torte
mit kandierten Früchten, die berühmte „Cassata“, zaubert. Selbst
„arancini“, goldgelb gebratene
Reisbällchen, eine bei den Sizilianern beliebte Zwischenmahlzeit,
füllt Incognito mit Pistazien. Und
im Glas gibt es Pistazienpesto und
Pistaziennutella.
So süß die Pistazien sind, so rau
ist die Landschaft hier im Nordwesten des Ätna, 800 Meter hoch,
über dem Fluss Simeto. Dort wird
tiefbrauner Simeto-Bernstein abgebaut – eine Rarität, die man geschliffen und in Gold gefasst beim
Juwelier Avolio in Catania erhält.
Eine Wanderung durch den ÄtnaNaturpark, der sich bis zum Gipfel
erstreckt, führt über schwarze Lavaerde, Geröll und Felsen. Zäh behaupten sich dazwischen Kaktuspflanzen, baumhohe Ginsterbüsche und Pistazienbäume – man
ahnt, wie hart die Ernte der kleinen, grünen Früchtchen sein
muss.
Übrigens, packen Sie warme Sachen ein, denn oben am Ätna kann
es auch unter südlicher Sonne lausig kalt sein! Den Appetit sollten
Sie in der „Hosteria della Stazione“ stillen: Im stillgelegten Bahnhof serviert Chef Roberto Spitaleri Teigtaschen mit Steinpilzen,
Schweinebraten mit Porree-Pistazien-Pastete und zuckersüße, ausgebackene Kaktusfeigen. Auch
der kräftige Rotwein stammt vom
Vulkan.
Die Provinzstraße führt nach
Norden über die Hochebene, oft
einer Mondlandschaft gleich, zum
Städtchen Randazzo – wo ein normannischer Dom in typischer
Schwarz-Weiß-Architektur sehr
sehenswert ist – und hier direkt
nach „Klein Burgund“, wie die üppigen Weinhänge an der Nordseite des Vulkans heißen. Die Natur
ist wieder lieblich, der Blick
schweift hinunter über die Orangenhaine von Giarre zum glitzern-
den Mittelmeer. Prädikatsweine
wie Etna Rosso D.O.C. sind der
Stolz der Winzer: Es ist nicht allzu
lange her, dass dieser Wein aus
der uralten Rebsorte Nerello Mascalese dick wie Tinte serviert
wurde, so wie ihn die alten Römer
hier einst getrunken haben.
So folgt die Strada dei Vini dell’
Etna, die Weinstraße des Ätna,
auch einer alten Römerstraße.
Kehren Sie zu einer Weinprobe
ein, etwa bei „Vini Patria“ in Solicchiata. Hier reifen in Eichenfässern preisgekrönte Tropfen wie
der Etna Rosso Torrepalino heran.
In den Restaurants der Gegend
sollte man nach „asparagi selvatici“ fragen. Das ist hauchdünner,
wilder Spargel, viel aromatischer
als normaler Spargel und noch
handverlesen genau wie Steinund Ferla-Pilze, die man gegrillt,
zu Pasta oder als Carpaccio bekommt. Talwärts lohnt ein Abstecher zu den Gole dell’Alcantara,
den imposanten Schluchten aus
Lavagestein, die an manchen Stellen bis zu 50 Meter tief und nur
zwei Meter breit sind. Durch sie
wandert man entlang des Flusses
Alcantara.
Entlang der Weinstraße liegt
auch der Luftkurort Zafferana Et+
nea, berühmt für seinen Honig.
Dessen Zutaten sind Orangenblüten („Zagara“), Eukalyptus, Wiesenblumen, Kaktusfeigen sowie
Kastanien aus den dichten Wäldern um Zafferana. Eine süße Delikatesse, die auch noch gesund
ist! Die Griechen lehrten zudem,
wie man aus Bienenstöcken Naturmedizin, nämlich Gelée Royale
(Weiselfuttersaft) und Propolis
(Kittharz), gewinnt. Touristen
können diese Honigprodukte
überall in Zafferana kaufen. Wer
dagegen Süßigkeiten als reines
Naschwerk bevorzugt, muss einen
Abstecher nach Santa Venerina
einplanen. In der „Pasticceria
Russo“ gibt es weiche Mandelplätzchen, bunte Marzipanfrüchte
und Mostarda, eine alte Art des
Weingummis, alles seit 130 Jahren
nach unveränderten Rezepten
hergestellt. Gern füllt man hier
den Touristen die Naschwaren in
hübsche Blechdosen und schickt
sie ihnen sogar bis nach Hause –
so wie man das schon für sizilianische Auswanderer in Köln, New
York und Sidney getan hat, die auf
diese Art beim Naschen ihr Heimweh stillen.
Treffpunkt für Ätna-Kletterer
ist derweil Nicolosi, wo der Alpenverein seinen Sitz hat und man
mit Führern zur Bergstation „Rifugio Sapienza“ startet. Sie wundern sich über die Skilifte? Probieren Sie selber einmal das Gefühl,
hoch über dem Mittelmeer zu wedeln! Zu erloschenen Nebenkratern und in Richtung Gipfel führen anspruchsvolle Touren. Am
aufregendsten ist es natürlich,
wenn der Vulkan Feuer spuckt. Erfahrene Guides bringen Sie dann
nachts dorthin, wo man die glühenden Lavawalzen aus allernächster Nähe bestaunen kann –
ein atemberaubendes Schauspiel.
Nicolosis kulinarische Spezialitäten sind – dem Hunger der Wanderer entsprechend – deftig. Typisch ist die Pizza Fritta, eine mit
Tuma-Schafskäse und Anchovis
gefüllte, in Öl frittierte Teigtasche,
die man am besten in der Trattoria
„Belvedere“ probiert.
Bergabwärts liegt Mascalucia,
wo sich im Ortskern hinter hohen
Mauern „Borgo Petra“, ein 300
Jahre altes, denkmalgeschütztes
Anwesen, verbirgt. Hausherr Toto
Immer eine Entdeckung
wert ist ein sizilianischer
Markt, hier der Stand
eines Olivenbauern in
Palermo
Roccuzzo und Ehefrau Cristina
haben es in ein Bed & Breakfast
verwandelt, mit stilvollen Apartments und einem uralten Jasminbaum im Innenhof. Im Orangenhain liegt ein Pool, und das antike
Haustheater ist ein Fitnesszentrum, wo man mit Shiatsu seine
geschundenen Kraxler-Knochen
verwöhnt. Abends vor dem Feuer
im offenen Kamin aus Lavastein
gibt Cristina, die fließend
Deutsch spricht, gern Tipps und
organisiert Dinner, Bergtouren
und Besichtigungen. Das ist empfehlenswert: Denn Sizilianer nehmen es mit den Öffnungszeiten
nicht immer so genau.
Anreise: Nonstop-Flüge gibt es im
Winterflugplan (bis Ende März) mit
Tuifly (www.tuifly.com) von KölnBonn, mit Lufthansa (www.lufthansa.com) von München und Air
Berlin (www.airberlin.com) von
Nürnberg nach Catania.
Unterkunft: „Borgopetra“, Bed &
Breakfast, Mascalucia, DZ ab 90
Euro, , Tel. 0039/095/727 71 84,
www.borgopetra.it
„A Casa dell’Artista“, Trecastagni, DZ
ab 60 Euro, Tel. 0039/095/780 00 48,
www.acasadellartista.it
„Villa Paradiso dell’Etna“, San Giovanni La Punta, DZ ab 270 Euro,
www.paradisoetna.it
„Grand Hotel Timeo“, Taormina, Tel.
0039/0942/62 58 37, DZ ab 170 Euro,
www.grandhoteltimeo.com
Adressen: Pasticceria Russo, Santa
Venerina, Tel. 0039/095/95 32 02,
www.dolcirusso.it
Vini Patria, Solicchiata di Castiglione
di Sicilia, Tel. 0039/0942/98 60 72 /
98 31 33, www.vinipatria.it
Auskunft: Enit, Italienisches Fremdenverkehrsamt, Frankfurt, Tel.
069/23 74 34, www.enit.de
www.parks.it/parco.etna
www.stradadelvinodelletna.it
www.ristoranti-sicilia.it
www.regione.sicilia.it/turismo