Schichtarbeit – Leben gegen den Rhythmus

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Schichtarbeit – Leben gegen den Rhythmus
BG - INFOBLATT
 Stand: 06/2015
 Best.-Nr. 467
Schichtarbeit – Leben gegen den Rhythmus
Seit 2012 wird, schrittweise bis 2029, die Rente mit 67 eingeführt. Betroffene, Arbeitgeber und
Fachleute sind sich einig: Unter den heutigen Bedingungen sind Schichtarbeiter/-innen mit Mitte 50
so abgearbeitet, dass sie ihren Beruf unter diesen Bedingungen nicht mehr ausführen können. Dies
liegt vor allem daran, dass der Tagesablauf der Menschen von folgenden drei Rhythmen bestimmt
wird:
1. Persönlicher Bio-Rhythmus oder „Innere Uhr“
2. Rhythmus des gesellschaftlichen Lebens
3. Arbeitsrhythmus
Laufen diese drei Rhythmen in der gleichen Phase, also aufeinander abgestimmt, ab, ist eine wichtige Voraussetzung für ein gesundes Leben erfüllt. Problematisch wird es für Menschen, bei denen
diese Rhythmen zeitversetzt ablaufen. So läuft bei der Schichtarbeit üblicherweise der Arbeitsrhythmus zeitversetzt zu den beiden anderen Rhythmen. Deshalb stellt die Schichtarbeit eine besondere
körperliche und seelische Belastung dar. Erkrankungen wie z. B. Schlafstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen oder Depressionen sind bei Schichtarbeitern häufiger als sonst festzustellen. Häufig
leiden auch die sozialen Aktivitäten (wie z. B. Hobbys und die Zeit mit der Familie und Freunden)
und belasten damit zusätzlich. Auch das Unfallrisiko steigt während der Arbeitszeit und auf dem Arbeitsweg durch Müdigkeit und unzureichenden Schlaf.
Im Folgenden werden die drei Rhythmen erläutert und Möglichkeiten zur Minderung der Belastungen
durch Schichtarbeit gezeigt.
I. Die Rhythmen im Tagesablauf
1. Persönlicher Bio-Rhythmus oder „Innere Uhr“
Alle Körperfunktionen des Menschen unterliegen einer Tages- und Nachtperiodik. Sie haben ein
oder mehrere Maxima und Minima innerhalb von 24 Stunden. Dieser unbeeinflussbare 24-stündige
Rhythmus ist dem Menschen angeboren, d. h. er „schaltet” den Körper mit seinen vielen Körperfunktionen am Tag auf Leistungsbereitschaft, in der Nacht auf Erholung und Ruhe. Gesteuert wird der
Rhythmus u. a. von folgenden äußeren Zeitgebern:

Tageslicht und Dunkelheit

Temperaturschwankungen

Wechsel zwischen Lärm am Tag und Stille in der Nacht

Umgang mit Mitmenschen

Mahlzeiten
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Der Wechsel von Tageslicht und Dunkelheit ist dabei unser wichtigster Zeitgeber. Er steuert die Produktion des Hormons Melatonin in der Zirbeldrüse – einem Teil des Zwischenhirns. Fällt genügend
Licht in das Auge, wird die Herstellung von Melatonin gehemmt. Bei Dunkelheit wird es vermehrt in
das Blut abgegeben und wirkt Schlaf fördernd. Die Leber zersetzt es wieder, wenn das Blut hindurchfließt. Im Winter, wenn die Sonne insbesondere in Skandinavien nur kurze Zeit scheint, bleibt
der Melatoninspiegel auch tagsüber hoch. Als Folge können Müdigkeit, Schlafstörungen und Winterdepressionen auftreten. Mit zunehmendem Alter produziert der Körper weniger Melatonin, die
Schlafdauer nimmt ab und Schlafprobleme treten gehäuft auf.
Wer in Einklang mit seiner Inneren Uhr lebt, ist morgens wach und fit wenn der Wecker klingelt. Die
Innere Uhr passt die Körperfunktionen Herzkreislaufsystem, Atmung, Verdauungsstoffwechsel,
Temperatur und Gewebe an die Tageszeit an und sorgt dafür, dass wir tagsüber konzentriert arbeiten können und nachts schlafen. Auf einen erholsamen Schlaf stellt sich unser Körper mit der Änderung unterschiedlicher Körperfunktionen ein.
 Leistungsfähigkeit
Die Veränderung der Leistungsfähigkeit über den 24-Stunden-Tag ist mit dem Rhythmus der Körperfunktionen eng verknüpft. Im unten dargestellten Diagramm ist der Verlauf der Leistungsfähigkeit
eines typischen Erwachsenen dargestellt. Als Ausgangspunkt wurde die durchschnittliche Leistungsbereitschaft des Körpers genommen. Angegeben sind nun die für die einzelnen Tagesstunden
prozentualen Abweichungen von dieser durchschnittlichen Leistungsbereitschaft in positiver und
negativer Richtung bei einem durchschnittlichen gesunden Erwachsenen. Die Leistungsfähigkeit
steigt somit im Laufe des Vormittags an und liegt dann ca. 40 % höher als der Tagesdurchschnitt.
Sie sinkt nach der Mittagszeit auf ein Zwischentief, um dann noch einmal geringfügig anzusteigen.
Anschließend sinkt sie während der Nacht auf ihren tiefsten Punkt von ca. -40 %.
Aus der verringerten körperlichen und geistigen Leistungsbereitschaft während der Nachtschicht ergibt sich, dass Schichtarbeiter/-innen sich nachts mehr anstrengen müssen, um
dieselbe Leistung einer vergleichbaren Tagschicht zu erbringen,
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Eine Änderung des 24-stündigen Rhythmus ist nur möglich, wenn man in andere Zeitsysteme wechselt. Bei einem Überseeflug ändern sich die äußeren Zeitgeber. Die Innere Uhr wird neu gestellt,
nach einer kurzen Übergangsphase (Jet Lag) haben sich die Menschen an die neue Zeit gewöhnt.
Bei der Schichtarbeit jedoch bleiben die äußeren Zeitgeber wie sie sind und die Menschen leben
gegen ihre Innere Uhr.
 Schlaftypen
Doch nicht jeder empfindet die Nachtarbeit gleichermaßen belastend. Dies liegt u. a. daran, dass
sich die jeweilige persönliche Kurve der Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf je nach angeborenem
„Schlaftyp“ ziemlich stark nach links oder rechts verschieben kann.
Die meisten sind so genannte Frühtypen, sie schlafen zwischen 0:00h und 8:00h. Auf sie sind die
üblichen Arbeitszeiten abgestimmt. Kommen diese Typen z. B. morgens um 8:00h von der Nachtschicht, läuft ihr Körper auf Hochtouren. Sie können nicht einschlafen. Dieses Schlafdefizit können
sie auch sehr schlecht ausgleichen. Die Spättypen schlafen zwischen 4:00h und 12:00h. Für sie sind
die normalen Arbeitszeiten eine Qual. Dies wird auf der Homepage des Vereins für Spättypen,
www.delta-t.org eindrucksvoll beschrieben. Sie müssen dafür mitten in ihrer Schlafphase aufstehen
und können den fehlenden Schlaf schlecht nachholen. Sie empfinden die Spätschicht als ideal.
Selbst die Nachtschicht ist für sie besser als die Tagschicht. Unter der Internetseite www.ifado.de
kann man selber testen, zu welchem Schlaftyp man gehört.
Der Schlaftyp ändert sich im Laufe des Lebens. Üblicherweise sind Babys extreme Frühtypen. Im
Laufe der Entwicklung verschiebt sich der Schlaftyp immer weiter nach hinten. Jugendliche sind
dann meistens extreme Spättypen. Sie sind in der Schule noch müde und erst hellwach in der Disco.
Mit dem Erwachsenwerden verschiebt sich der Schlaftyp wieder in Richtung Frühtyp. Bis schließlich
im Greisenalter die meisten wieder extreme Frühtypen sind und sehr früh aufstehen (senile Bettflucht).
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Schlafzeit entsprechend dem Bio-Rhythmus
Unter www.ifado.de kann man testen, welcher Schlaftyp (Chronotyp) man ist (googeln: ifado, Chronotyp). Es ist wird dann diese Verteilung der Schlaftypen zugeschickt mit der Kennzeichnung des
Schlaftyps des Einsenders.
 Anpassung des Schlaftyps an die Umgebungsbedingungen
Die Temperatur des Rumpfes (Körperkerntemperatur) steigt im Laufe des Tages, und sinkt nachts
auf ein Minimum. Was passiert nun mit der Körperkerntemperatur, wenn man längere Zeit nachts
arbeitet und damit gezwungen wird, gegen die Innere Uhr zu leben?
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Die Kurven in der Grafik oben zeigen die Verläufe der Körperkerntemperatur für einen typischen
Frühtyp in der Tagschicht und in der Nachtschicht nach mehreren Schichten hintereinander. Vor der
ersten Nachtschicht hat er ein ausgeprägtes Maximum am Tag und ein Minimum in der Nacht.
Nach jeder Schicht wird der Kurvenverlauf flacher. Nach der 7. Nacht fehlen der eindeutige Höhepunkt am Tag und der Tiefpunkt bei Nacht. Eine vollständige Anpassung an den geänderten Rhythmus erfolgt somit nicht. Ähnliche Kurven zeigen sich auch bei anderen Körperfunktionen wie z. B.
der Herztätigkeit, Atmung oder Verdauung.
Ab einem Alter von 40 Jahren haben viele Menschen Schwierigkeiten einzuschlafen und die Dauer
des Schlafes verkürzt sich. Außerdem werden die Tiefschlafphasen und Traumphasen weniger. Andauernde Schlafprobleme haben weitreichende Folgen:
1. Die Tiefschlafphasen sind wichtig, um Gelerntes zu speichern. In den Traumphasen wird das
tagsüber Erlebte geordnet und verarbeitet.
2. Unser Immunsystem braucht den Tiefschlaf, um sich zu erholen und ausreichen Antikörper
zu bilden. Außerdem haben Schlafstörungen Einfluss auf die Insulinbildung und den Blutzuckerwert. Es erhöht sich das Diabetesrisiko.
3. Schlafstörungen können Tinnitusbeschwerden verstärken (und umgekehrt). Arbeiten in einer
lauten Umgebung verschlimmern den Tinnitus zusätzlich.
4. Bei Kurzschläfern wird verstärkt das „Hungerhormon“ Ghrelin und vermindert das „Sättigungshormon“ Leptin ausgeschüttet. Diese Menschen haben somit deutlich mehr Appetit.
Gleichzeitig sinkt bei Schlafentzug der Grundumsatz des Stoffwechsels. Es werden weniger
Kalorien benötigt. Der Mensch wird somit dazu verführt mehr zu essen, obwohl er weniger
benötigt.
Der Schlafforscher Prof. Dr. Zulley von der Universität Regensburg fasst dies so zusammen: „Zu
wenig Schlaf macht dumm, dick und krank.“ Wichtig für einen guten Schlaf ist ein regelmäßiger Tagesablauf im Einklang mit dem Biorhythmus.
Die gesundheitlichen Folgen werden sowohl von Wissenschaftlern als auch von der Bevölkerung oft
unterschätzt: Denn nur Menschen, die sie sich überdurchschnittlich fit fühlen, beginnen freiwillig in
Schichtarbeit zu arbeiten. Menschen mit Schlaf- Kreislauf- oder psychischen Problemen werden
versuchen, Schichtarbeit zu vermeiden. Deshalb sind junge Schichtarbeiter/-innen gesünder als die
Durchschnittbevölkerung. Wer Probleme mit der Schichtarbeit bekommt, versucht auszusteigen.
Man spricht vom „healthy worker effect“.
Die Zeitversetzung von Innerer Uhr und Arbeitsrhythmus führt dazu, dass Schichtarbeiter/-nnen häufig über Schlaflosigkeit während ihrer Hauptschlafphase am Tag und über Schläfrigkeit während
ihrer Arbeitsphase klagen. Lassen sich diese Beschwerden über eine längere Zeit mit den wechselnden Arbeitszeiten des/der Betroffenen in Verbindung bringen und nicht durch eine vorbestehende Schlafstörung, einer anderen Erkrankung oder Medikamente erklären, so spricht man von einem
Schichtarbeitersyndrom. Entsprechend ist es international als Krankheit, als schichtarbeitsbedingte
Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus anerkannt.
2. Rhythmus des gesellschaftlichen Lebens bzw. Zeit für Freunde, Familie und Hobbys
Das gesellschaftliche Leben findet in der Zeit, wenn die meisten Menschen Feierabend haben, zwischen ca. 17:00 und 23:00 Uhr, statt. Wer in dieser Zeit arbeiten muss lebt im Widerspruch zu den
zeitlichen Gewohnheiten von Familie und Gesellschaft. Die Teilnahme an
 kulturellen und sportlichen Aktivitäten
 Mitarbeit z. B. in ehrenamtlichen Gremien
 Weiterbildungsveranstaltungen
 Hobbys
 Treffen mit Freunden
 Spielen und Unterhaltung mit seinen Kindern
 Beziehungspflege mit seinem Partner
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wird durch die zeitlichen Vorgaben des Schichtsystems häufig erschwert. Für die meisten Schichtarbeiter/-nnen haben diese Störungen eine ebenso große Bedeutung wie die gesundheitlichen Folgen.
Hierbei werden die Spätschicht und die Wochenendarbeit als besonders negativ empfunden.
3. Arbeitsrhythmus in vielen Betrieben
In vielen Betrieben wird im 3-Schichtbetrieb in einem wöchentlichen Wechsel gearbeitet. Unabhängig von Schlaftyp arbeiten alle eine Woche in der Früh-, Spät- und Nachtschicht. Hinzukommen
Überstunden, Ferien- und Krankheitsvertretungen und Samstagsarbeit bei Auftragsspitzen. Die Belastungen sind für alle die gleichen, die Organisation ist für den Arbeitgeber relativ einfach.
II. Auswirkungen mildern und Lösungen finden…
Der Arbeitgeber, aber auch jeder einzelne Schichtarbeiter, kann einiges tun, um die Belastungen
durch Schichtarbeit zu mildern. Hierzu ist auch ein geeigneter Schichtplan, der mit den Betroffenen
zusammen gestaltet wird, wichtig. Für Frauen kommen neben den oben beschriebenen Belastungen
noch weitere hinzu.
1. Arbeitgeber
Ein nachts arbeitender Mensch ist deutlich weniger leistungsfähig als ein tagsüber arbeitender. Deshalb sollten zusätzliche Beanspruchungen vermieden werden wie

lange tägliche Arbeitszeiten (10 – 12 Stunden)

6-Tage-Schichten

hohe Arbeitsbelastungen

ungünstige Arbeitsumgebung

unregelmäßige Pausen

Schichten ohne Pausen

Nicht vorhersehbare Arbeitszeiten
Inwieweit die aus der Schichtarbeit erzwungene Lebensweise zu Störungen von Wohlbefinden und
Gesundheit der Betroffenen beitragen, ist vor allem von der persönlichen Situation abhängig. Entscheidend ist, dass die Schichtarbeit von ihm sowie von seiner unmittelbaren Umgebung, vor allem
seiner Familie akzeptiert wird. Deshalb ist eine erzwungene Schichtarbeit sehr problematisch. Je
mehr der Betroffene an der Gestaltung der Arbeitspläne mitwirken kann, umso geringer ist die arbeitsbedingte Belastung.
Hier hilft z.B. ein flexibler Schichtzeitbeginn zugunsten individueller Vorlieben sehr. Dann kann
Rücksicht genommen werden auf die unterschiedliche Belastbarkeit der Mitarbeiter (z. B. Alter, private Probleme, etc.), die eigenen Neigungen (z. B. Morgenmuffel) und individuellen Voraussetzungen (z.B. lange Anfahrtswege, Kinderbetreuung etc.). Wer z. B. erst nach dem Kinobesuch, der Vereinssitzung oder der Feuerwehrübung zur Nachtschicht fahren muss, kann am sozialen und gesellschaftlichen Leben weiterhin teilnehmen.
Viele Beschäftigte haben aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen Vorlieben für bestimmte
Schichten. Auf diese Wünsche sollte eingegangen werden. Es müssen nicht alle gleichmäßig zu
allen Schichten eingeteilt werden.
Damit Schichtarbeiter/-innen aktiv am sozialen Leben teilnehmen können, müssen sie ihre Zeit sehr
gut planen können. Deshalb sollte es so wenig wie möglich nachträgliche Änderungen am Schichtplan geben.
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Prof. Dr. Roenneberg hat eine verständlich Einführung in die moderne Schlafforschung „Das Leben
im Zeitraum Tag“ geschrieben. Die letzten Sätze lauten (Chronotyp = Schlaftyp):
„Die Verteilung der Arbeitszeit sollte - soweit dies in der Familie möglich ist, den Chronotyp berücksichtigen …. In großen Betrieben ließen sich, bis auf wenige Nachtstunden, Schichten entsprechend
der Chronotypen so einteilen, dass sie 24 Stunden abdecken, und dennoch kein Arbeitnehmer gegen seine innere Uhr leben müsste. Die Effektivität der Arbeit würde sich dadurch drastisch erhöhen,
während sich die Folgekosten für chronische Krankheiten drastisch senken ließen.“
Erste Gutachten und Studien bestätigen seine Erfahrungen. Sie zeigen, dass Dauernachtarbeit mit
Freiwilligen deutlich weniger belastend ist als Wechselschichten.
2. Schichtarbeiter
Mit einer Reihe von einfachen Maßnahmen kann jeder Einzelne die höhere Beanspruchung durch
Schichtarbeit mildern.

Schlafen
Für einen Schichtarbeiter ist es schwierig tagsüber zu schlafen, wenn alle Organe auf Leistung eingestellt sind.
Tipps
 Der Schlafraum sollte dunkel, ruhig und kühl für einen erholsamen Schlaf sein.
 Mit einem regelmäßigen Einschlafritual kann man den Körper auf den Schlaf vorbereiten. Beispiele hierfür sind Lesen, Spazierengehen, Teetrinken. Fernsehen und Arbeiten am Computer
oder Tablet sollten kurz vor dem Schlafen gemieden werden.
 Das Bett sollte möglichst nur zum Schlafen genutzt werden. So wird dem Körper deutlich gemacht, dass er sich auf das Schlafen einstellen soll.

Ernährung
Der Magen kann sich nicht auf wechselnde Zeiten einstellen. Deshalb sollten die Hauptmahlzeiten
immer zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden. Deftiges Essen hat häufig Müdigkeit und Verdauungsprobleme zur Folge. Insbesondere, wer arbeitet, Leistung bringen und schwierige Situationen
meistern muss, kann sich einen „vollen Bauch und leeren Kopf“ nicht erlauben. Deshalb sollte man
vor und während der Arbeit kein deftiges Essen zu sich nehmen.
Tipps
 Hauptmahlzeit kurz vor der Nachtschicht
 Nach Mitternacht eine leichte, warme Mahlzeit, um die Körperkerntemperatur zu heben
 Zur Überbrückung des frühmorgendlichen Tiefs trägt eine kleine Mahlzeit gegen 4:00 Uhr bei.
Danach sollte man nichts mehr essen, um den späteren Schlaf nicht zu stören.
 Kein Alkohol zum Einschlafen! Alkohol behindert stark das Durchschlafen.
 Keine Schlaftabletten! Sie verhindern einen erholsamen Schlaf und machen abhängig.
 Süßigkeiten führen zu einem kurzen Leistungsanstieg und dann zu Müdigkeit.
 Planung der freien Zeit
Damit Schichtarbeiter/innen aktiv am sozialen Leben teilnehmen können, müssen sie ihre Zeit sehr
gut planen. Wie oben beschrieben ist Schichtarbeit für Körper und Seele sehr belastend. Deshalb
sollte die freie Zeit wirklich bewusst zur Erholung genutzt werden. Bei Schichtarbeit kommt es oft zur
Anhäufung von Freizeit. Diese sollte nicht für eine zweite Arbeitsstelle genutzt werden.
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 Tageslicht ist aufmunternd
Tageslicht wirkt aktivierend und hemmt die Produktion des „Schlafhormons“ Melatonin. Dies sollten
Schichtarbeiter nach Beendigung der Nachtschicht berücksichtigen.
Tipps
 Auf der Heimfahrt sollten sie sich nicht unnötig der Sonnenstrahlung aussetzen (evtl. bei Morgensonne mit Sonnenbrille fahren).
 Der Schlafraum sollte abgedunkelt sein.
 Nach dem Schlaf wirkt ein Aufenthalt im Freien belebend und aufmunternd.
3. Zusätzliche Belastungen für Frauen
Nachts arbeitende Frauen stehen, verglichen mit ihren männlichen Kollegen, unter zusätzlichen Belastungen, auf die Rücksicht genommen werden sollte.
Tipps
 Schwangere sollten besonders aufmerksam medizinisch betreut werden.
 Die Menstruation kann eine besondere körperliche Erschwerung der Schichtarbeit darstellen.
 Frauen sind häufig durch gleichzeitige Verantwortung in Beruf, Haushalt und Kindererziehung
mehrfach belastet.
 Frauen sind abends, nachts und am frühen Morgen eher als Männer Opfer von Gewalt. Allein die
(begründete) Angst davor, es könne etwas passieren, kann psychisch belasten.
4. Schichtplan
Das Arbeitszeitgesetz fordert in § 6:
„Die Arbeitszeit der Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.“ Zu diesen gesicherten
arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse gehört das in Abschnitt I, 1 beschrieben Wissen über den
persönlichen Bio-Rhythmus oder die Innere Uhr.
Weitere gesetzliche Vorgaben sind:
 Die Ruhezeit zwischen zwei Schichten muss mindestens 11 Stunden betragen. Rückwärtsrotierende Systeme (Früh-Nacht-Schicht, Spät-Früh-Schicht oder Nacht-Spät-Schicht), die diese Zeit
nicht einhalten, sind somit verboten!
 Die tägliche Arbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten.
 Die wöchentliche Arbeitszeit darf 60 Stunden (Mo.-Sa.) nicht überschreiten.
 Die Arbeitszeit in der Nachtschicht darf 8 Stunden nicht überschreiten.
Hinweis: Die Regelungen zur Arbeitszeit sind wesentlich komplexer als hier dargestellt. Die genauen Regelungen sind im 2. Abschnitt des Arbeitszeitgesetzes enthalten.
Im Folgenden sind die wichtigsten arbeitsmedizinischen und arbeitswissenschaftlichen Kriterien zur
Gestaltung von Schichtplänen aufgeführt. Berücksichtig werden sollte, dass der Wert der Freischichten im Hinblick auf soziale Kontakte/Beziehungen und Erholung möglichst groß und die Belastungen
durch die Arbeitszeit möglichst gering sind. Einen generell optimalen Schichtplan gibt es nicht. Deshalb widersprechen sich die Kriterien auch teilweise. Vor Ort sollte dann festgelegt werden, was für
die Beschäftigten am Besten ist.
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Tipps
 Möglichst schnelle Rotation der Schichten: Die geringsten gesundheitlichen Auswirkungen wurden nur bei einzeln auftretenden Nachtschichten beobachtet. Schlafdefizite können sich so kaum
entwickeln.
 Möglichst frühes Ende der Nachtschichten. Bei den meisten Menschen bricht der Tagschlaf um
die Mittagszeit ab. Er sollte aber möglichst lang sein.
 Ruhephase nach einer Nachtschichtphase sollte mindestens 24 Stunden, möglichst 2 Tage betragen.
 Frühschicht möglichst erst ab 8:00 Uhr. Je später die Frühschicht beginnt, desto geringer das
Risiko eines Schlafdefizits. Auch die z. T. sehr langen Anfahrtswege sind zu berücksichtigen. Die
Frühschicht sollte durch weite Wege nicht zur „Nachtschicht“ werden.
 Möglichst lange Wochenenden. Die Wochenendfreizeit ist von besonderem Wert. Viele gesellschaftliche Aktivitäten spielen sich am Wochenende ab. Lange Wochenendfreizeiten wirken sozialer Isolation entgegen.
Die Computerprogramme BASS und OPTISCHICHT können bei der Optimierung der Schichtpläne
helfen.
III. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Wie oben beschrieben bedeutet Schichtarbeit eine erhebliche gesundheitliche Belastung für die Betroffenen. Deshalb sind nach §6 (2) des Arbeitszeitgesetzes Schichtarbeiter berechtigt, sich vor Aufnahme der Arbeit und danach im Abstand von 3 Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen.
Nach dem 50. Lebensjahr können sie sich jedes Jahr untersuchen lassen. Die Kosten trägt der Arbeitgeber.
Insbesondere Menschen, die auf Unregelmäßigkeiten in ihrem Alltag oder Lebensstil empfindlich
reagieren, werden mit Schichtarbeit schlechter zurechtkommen. Bei ihnen kann die Schichtarbeit
eher zu physischen oder psychischen Erkrankungen führen, wie beispielsweise Schlafstörungen,
Migräne, Verspannungen, chronische Magen-Darm Erkrankungen, Depressionen oder HerzKreislauf-Leiden. Unter Umständen können diese Erkrankungen zu „dauernden gesundheitlichen
Bedenken“ bei den Betroffenen führen.
Bei dieser Untersuchung steht die Beratung durch den Arzt im Vordergrund. Wichtig ist, dass der
Arzt die Gesamtsituation des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin berücksichtigt.
Wenn der Arzt feststellt, dass die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner
Gesundheit gefährdet, dann muss ihn der Arbeitgeber auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umsetzen (Arbeitszeitgesetz §6 (4). Dies ist nicht gefordert, wenn „dringende betriebliche Erfordernisse“ dem entgegenstehen. Dabei ist der zusätzliche Aufwand, den Schichtplan umzustellen
kein „dringendes betriebliches Erfordernis.
IV. Gefährdungsbeurteilung
Laut Arbeitsschutzgesetz §5 hat der Arbeitgeber durch eine Gefährdungsbeurteilung die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Zu den Gefährdungen gehört auch die Gestaltung von Arbeitsabläufen und
Arbeitszeiten. Im Rahmen einer solchen Gefährdungsbeurteilung sind folgende Fragen zu beantworten:
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1. Werden die arbeitsmedizinischen Erkenntnisse über den persönlichen Bio-Rhythmus
oder die Innere Uhr berücksichtigt?
2. Wie hoch ist der Anteil der Betroffenen, die an den Arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (Abschnitt II) teilnehmen? Was sind die Gründe für eine Nichtteilnahme? Was
sind die Empfehlungen des Betriebsarztes?
3. Ist ein Ausstieg aus der Schichtarbeit aus gesundheitlichen oder familiären Gründen
praktisch möglich?
4. Gibt es regelmäßige Pausen? Können sie zur Erholung und für eine Unterhaltung z. B. in
der Kantine genutzt werden.
5. Stehen Schichtpläne frühzeitig fest? Muss von ihnen abgewichen werden?
6. Gibt es immer wieder Zusatzschichten, Überstunden?
7. Gibt es Bereitschaftszeiten?
8. Gibt es die Möglichkeit, warme Getränke oder Mahlzeiten zu sich zu nehmen?
9. Gibt es die Möglichkeit Anfangs- und Endzeiten der Arbeit zu verschieben (z.B. zur Kinderbetreuung, für ehrenamtliche Tätigkeiten, Teilnahme an Veranstaltungen)?
V. Zusammenfassung
Der Tagesablauf der Menschen wird durch die drei Rhythmen Innere Uhr, Gesellschaftliches Leben
und Arbeitsrhythmus bestimmt. Für ein gesundes Leben sollten sie im gleichen Takt ablaufen. Bei
der Schichtarbeit laufen die Rhythmen meistens zeitversetzt. Beim 3-Schicht-System laufen oft bei
2 von 3 Schichten die Rhythmen zeitversetzt. Dies führt meistens zu gesundheitlichen Problemen
und Leistungseinbußen.
Der Arbeitgeber kann die Folgen deutlich mildern, indem er den Schlaftyp der Beschäftigten im
Schichtsystem berücksichtigt. Weiterhin muss er beachten, dass die Betroffenen eine deutlich geringere Leistungsfähigkeit haben, wenn sie gegen ihre Innere Uhr arbeiten. Die Schichtarbeiter sollten bei der Festlegung der Arbeitszeiten mit einbezogen werden. Die Arbeitszeiten sollten möglichst
flexible nach ihren Bedürfnissen gestaltet werden. In einer Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren, dass die Gesundheitsgefahren so gering wie möglich gehalten werden.
Die Schichtarbeiter sollten Bedingungen für einen ruhigen Schlaf schaffen. Sie sollten ihr Leben so
regelmäßig wie möglich gestalten, besonders die Einnahme der Mahlzeiten.
VI. Weiterführende Informationen

„Besser leben mit Schichtarbeit – Hilfen für Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter“,
2006, BKK Bundesverband, zu bestellen unter www.bkk.de. Hier werden sehr anschaulich die
gesundheitlichen Probleme beschrieben und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

„Nacht- und Schichtarbeit – Arbeitsmedizinische Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.“, Eine sehr komprimierte und umfassende Beschreibung des Themas für Betriebsärzte (mit vielen Fachbegriffen), als download verfügbar unter
www.dgaum.de ab dem 30.06.2016

Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund. Unter www.ifado.de kann man
testen, welcher Schlaftyp (Chronotyp) man ist.
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
BASS, kostenloses Computerprogramm für einen optimierten Schichtplan. Das Programm ist
verfügbar unter www.baua.de.

OPTISCHICHT, komfortables, kostenpflichtiges Computerprogramm für einen optimierten
Schichtplan vom TÜV Nord. Informationen zum Programm und zur Schichtarbeit unter
www.optischicht.de

„Zu wenig Schlaf kann dick, dumm und krank machen“ Interview mit Schlafforscher
Prof. Dr. Jürgen Zulley zu Ursachen, Folgen und Therapien von Schlafstörungen
http://www.forschung-und-lehre.de/wordpress/?p=15583

„Das Leben im Zeitraum Tag“ Verständliche Einführung in die Chronobiologie von
Prof. Dr. Till Roenneberg, Zentrum für Chronobiologie,
http://www.gesundheits.de/zeit/Das_Leben_im_Zeitraum_Tag.pdf

„Pilotprojekt: Gesundheit und Schichtarbeit“ Studie über Möglichkeiten zur gesunden
Schichtarbeit, http://www.healthatworkonline.de/fileadmin/Mitglieder/downloads/Endbericht_Gesundheit_u_Schichtarbeit_klein.pdf

„Gutachten zur Dauernachtarbeit“ von Prof. Dr. Anna Wirz,
www.corso.ch/pdf/dauernachtkurz.pdf

Arbeitszeitgesetz (ArbZG) von 10/1995