CLASS:aktuell 02-2007

Transcription

CLASS:aktuell 02-2007
02.05.2007
2007/ 2
C LASS
AKTUELL
C2_07_s01_Titel_A
16:37 Uhr
Seite 1
CLASS a k t u e l l
Association of Classical Independents in Germany
Stefan Irmer
zu Gast bei Rossinis
Christian Lindberg
Solist, Dirigent
und Komponist
Musica Alta Ripa
Telemann-Edition
Musikkollegium
Winterthur
Frank Martins
„Cornet“
Julia Fischer
Brahms
in Vollendung
Georg Friedrich
Händel
Wiederentdeckung
einer Oper
100 Jahre Beethoven Orchester Bonn
C2_07_s02-1_CC'nC
01.05.2007
22:24 Uhr
CLASSICAL
CROSSCULTURE ‘n‘
CONTEMPORARY MUSIC
Seite 14
Amanda
KRISTJAN JÄRVI
mit dem Symphony Orchestra Of Norrlands Opera
To The New World And Beyond
N NEU
Fotos: © CCn’C Records
Mit elektrisierender
Hochspannung interpretiert Järvi Werke
von Strawinsky und
Hindemith.
Art. Nr. 02962 | SACD Hybrid
EIN LOB DEM DREIFACHEN C
LEE JOHNSON
Every Matter Under Heaven
NEU
Musik u. hist. Filmaufnahmen polarisieren
mit Texten von J.F.
Kennedy, NASA,
Harry S. Truman,
Atomwissenschaftlern,
Militärführern und dem
Buch Prediger. Das
grossorchestrale Werk
ist ein sinfonisches
Plädoyer für das Leben
und den Frieden.
Art. Nr. 02862 | DVD + CD
AUSSCHLIESSLICH ALS DOWNLOAD ERHÄLTLICH
OPUS POSTH. - TATIANA GRINDENKO
Temenos – Stabat Mater und Requiem
CCn’C – ein starker*) Dreiklang in der Welt
anspruchsvoller Musik. Stehen die drei C’s doch für
Classical, CrossCulture and Contemporary Music.
Diese Begriffe sieht Ulli A. Rützel, Gründer und künstlerischer Leiter des Labels CCn’C, allerdings nicht als
kategorische Schubladen, sondern als dynamische Prozesse, die sich grenzüberschreitend mit anderen Genres wie Weltmusik, Jazz, progressivem Rock, Elektronischer Musik oder Akustischer Kunst verbinden.
Der Titel von Kristjan Järvis neuem Album mit
dem Symphony Orchestra of Norrlands Opera, „To
The New World And Beyond“, steht dabei gleichsam
programmatisch für den weitgefächerten Anspruch
von CCn’C. Thematisieren hier doch die europäischen
Vladimir Martynovs
Requiem stimmt nicht
traurig, sondern öffnet
sich der Freude über
die Begegnung mit dem
Licht.
Art. Nr. 4601
MICHAEL FAHRES
Doors
Die Soundscapes
„Doors“ sind
auf vielen Reisen
des Künstlers
entstanden, u.a. in
Neuseeland und am
Amazonas.
Art. Nr. 4604
WEITERE NEUHEITEN ALS DOWNLOADS
Art. Nr. 04602
Being And Nothingness In Kostabi’s Atelier
Siiri Sisask - Peeter Vähi
-Art Rock-
Art. Nr. 04603
Athos-Montana Sacra
Arsenije Jovanovic
-Soundscape/Klangkunst-
Art. Nr. 04605
Cubic Yello
Luigi Archetti, Hubl Greiner, Dieter Möbius
-Elektronik-
Art. Nr. 03162
Galaxies
Urmas Sisask
-zeitgen. Klaviermusik-
Kruppstr. 7 · 49356 Diepholz · Tel.: 05441/9869-0 · Fax: 05441/986966
Vertrieb: Capriccio
Mehr Informationen und Podcasts des Labels unter:
www.ccnc.de
Kristjan Jaervi
Komponisten Igor Strawinsky und Paul Hindemith ihre
neue Heimat Amerika, interpretiert von dem Weltbürger
Kristjan Järvi mit einem schwedischen Spitzenorchester,
aufgenommen in audiophiler 5.1-Multichannel-Klangqualität und präsentiert als hochwertige Hybrid-SACD.
In reizvollem Kontrast zu diesen elektrisierenden
Meisterwerken der klassischen Moderne steht die von
einem DVD-Video begleitete CD „Every Matter Under
Heaven“, ein großorchestrales Opus für Chor und
Orchester des zeitgenössischen US-Komponisten Lee
Johnson. Virtuos inszeniert als atemberaubende Collage
klug
ausgewählter
Texte und bewegend
opulenter Klangfarben,
beeindruckend visualisiert mit historischem
Filmmaterial – ein
kraftvolles sinfonisches
Plädoyer für das Leben
und den Frieden.
Ein besonderes Augenmerk
legt das
Lee Johnson
Label auf die nichtphysische Distribution avancierter Klänge durch ein
umfassendes Internet-Angebot (www.ccnc.de).
Dieses bietet Musikliebhabern die Chance, schnell
und unkompliziert neue Künstler und neue Werke
kennenzulernen. Dazu stehen auf der CCn’C-Webseite
neben Webradio und Podcasts auch Sound-Samples
zum kostenlosen Probehören sowie der gesamte Katalog des Labels als Downloads in exzellenter Klangqualität bereit – u.a. mit preisgekrönten CDs des Turtle
Island String Quartet, der schwedischen Vokalgruppe
Amanda und des Absolute Ensemble aus New York.
Außerdem veröffentlicht CCn’C viele anspruchsvolle Produktionen ausschliesslich im Internet. Dieses
Angebot reicht vom Art Rock eines Hulu Projects über
zeitgenössische geistliche Kammermusik mit Tatiana
Grindenko und ihrem Ensemble Opus Posth. bis hin zu
Soundscape-Projekten von Michael Fahres.
So unterschiedlich diese Künstler in ihrem Ausdruck auch sein mögen, eines haben sie alle gemeinsam:
Ihre Musik ist originär und authentisch.
(Sven Thielmann)
*) feiner/strahlender/wohltönender Dreiklang
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C2_07_s03_vorwort-inhalt
ts i
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02.05.2007
1:29 Uhr
Seite 3
n Germa
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CLASS a k t u e l l
iat ion of
soc
Cl
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WERGO
Giacinto Scelsi
Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut,
Gesänge des Steinbocks
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Mensch, kein Tier und kein Klavier…
Dies reimte sich vor annähernd 140 Jahren Wilhelm Busch zusammen, an dessen 175. Geburtstag
wir uns gerade erinnern. Unnachahmlich und vor allem zeitlos aktuell vermochte er mit spitzem Stift
und scharfer Feder die kleinen menschlichen Sünden, Streiche und Schwächen zu skizzieren.
Kaum anzunehmen, dass der volksnahe Harzer Urahn aller Comicfiguren jenen italienischen Volkshelden
kannte, der in der selbst gewählten französischen Emigration ausgerechnet dem Klavier seine ebenso
scharf gewürzten wie pointierten „Alterssünden“ anvertraute: vor 140 Jahren starb Rossini in Paris.
Mit noch mehr Geräusch seines selbstgebauten Orchestrions „Das Publikum war entsetzt darüber,
sonst war es gut…“ scheiterte eine Tournee des noch völlig unbekannten aber hochmusikalischen Carl
Valentin, und er beschloss („Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“) endgültig in seiner Münchner
Heimatstadt seinen 125. Jahrestag vorzubereiten.
Und keinesfalls übergehen wollen wir Henry Wadsworth Longfellow, der vor 200 Jahren das Licht
dieser Welt erblickte, die er 75 Jahre später als gestandener Harward-Literaturprofessor zwar ohne
überliefertes kompositorisches Gesamtwerk aber mit einer zeitlos aktuellen Weisheit verlassen sollte:
„Musik ist die gemeinsame Sprache der Menschheit“
Welche anderen Jubiläen uns zur Zeit beschäftigen, können Sie unschwer anhand der (stillen) Lektüre
dieses CLASS aktuell erfahren, das in leiser und selbst gewählter Bescheidenheit sein neunjähriges
Jubiläum ausdrücklich nicht feiert, Ihnen dafür umso lieber Anregungen bietet für die einsame Insel
und Ihr ganz persönliches „Lustrevier“.
Dies meint Ihr
Werner Dabringhaus
Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
CLASS aktuell 2 / 2007
Inhalt
4
Ein Orchester feiert Geburtstag
100 Jahre Beethoven Orchester Bonn
6
Telemann - Lust am
luxuriösen Klang
Musica Alta Ripa legt Volume 5
seiner Telemann-Edition vor
7
Giove in Argo
Händels vergessene Oper in
Ersteinspielung
8
Frank Martins „Cornet“
Eine Neueinspielung vom Musikkollegium Winterthur und Jac van Steen
9
Gioacchino Rossini
„Péchés de Vieillesse“
Stefan Irmer schließt die Gesamteinspielung ab
Grafik: Ottilie Gaigl
3
10
Brennende Tränen im Lachen
Julia Fischer und Daniel Müller-Schott
spielen Brahms
11
Christian Lindberg
Ein Mann für alle Fälle aus dem
hohen Norden
12
Carlo Tessarini
Ein Wegbereiter der Symphonie
13
Dietrich Buxtehude
„Das Jüngste Gericht“
14
Im Blickpunkt
Aktuelle Neuerscheinungen
CLASS
Association of Classical Independents in Germany e.V.
Bachstraße 35, 32756 Detmold
www.class-germany.de · [email protected]
AUSGABE 2007/2
Die inzwischen über 80-jährige
Michiko Hirayama, die Giacinto Scelsi
zu seinem 20-teiligen Zyklus „Canti del
Capricorno“ inspiriert hatte, ist bis auf
den heutigen Tag die herausragende
Interpretin dieses spirituellen und zugleich hoch energetischen Werks für
Stimme solo (nur an wenigen Stellen
durch Instrumente begleitet).
In einer mehr als einstündigen
Konzertperformance hat sie den gesamten Zyklus im Mai 2006 realisiert –
ein vokales Kraftwerk, das Michiko
Hirayamas wirkliches Alter vergessen
ließ. Jetzt ist die CD erschienen – ein
Dokument gelebter, unmittelbarer
Musik von höchster Intensität.
Michiko Hirayama: Stimme
(sowie Gong und Blockflöte) /
Ulrich Krieger: Saxofon /
Matthias Bauer: Kontrabass /
Jürgen Grözinger und Roland Neffe:
Percussion
WER 66862 (CD)
Vertriebe
Deutschland: Note 1, 06221/720351 · [email protected]
Österreich: Lotus Records, 06272/73175 ·
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WERGO
Weihergarten 5 · D-55116 Mainz
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C2_07_s04-5_Titel-Story_1
01.05.2007
22:15 Uhr
Seite 4
Jan Krenz
Martin Turnovsky
Jubiläumskonzerte:
Beethovenorchester Bonn
12.
21.
02.
14.
16.
08.
09.
10.
10.
12.
2007
2007
2007
2007
2007
Marktplatz, Bonn
Beethovenhalle
Festkonzert
Jubiläumsfest
Beethovennacht
www.beethoven-orchester.de
100 Jahre Beethoven Orchester Bonn
W
echselvoll war die Geschichte
Bonns verlaufen seit den letzten
Jahren des 18. Jahrhunderts: Kurköln war inzwischen ein Teil des
Königreichs Preußen geworden. Damit war
einer der mächtigsten geistlichen Staaten des
alten heiligen Römischen Reiches deutscher
Nation unversehens zur westlichen Randprovinz
Preußens geworden, der neuen starken Macht
im zersplitterten Deutschland des 19. Jahrhunderts. Bonn, die ehemalige Residenzstadt der
Kölner Kurfürsten, drohte zu einer Provinzstadt
am Rande des Mittelrheins degradiert zu werden. Durch die Gründung einer Universität in
den Räumen jenes Schlosses, dessen Bau
den vorletzten Kurfürsten an
den Rand des finanziellen
Ruins gebracht hatte, verliehen
die Preußen der Stadt akademische Würden, die
Bonn mit neuem Selbstbewusstsein stärkten.
Ludwig van Beethoven wurde 1770 als Sohn
eines Musikers der Kurkölnischen Hofkapelle
geboren. Zwar verließ er 1792 die Stadt in Richtung Wien, um „Mozarts Geist
aus Haydns Händen“ zu erhalten, wie sein Gönner Graf
Waldstein ihm mit auf den
Weg gab, doch die innere
Verbindung Beethovens zu
seiner Geburtsstadt blieb
bestehen: „Dich versteh
ich, Du sprichst Bönnsch“
soll Beethoven begeistert
ausgerufen haben, als
der Bonner Gartenarchitekt Peter Joseph
Lenné den bereits
schwerhörigen Künstler in Wien besuchte.
Innenansicht der alten Beethovenhalle
in Bonn und das Plakat des ersten
dort aufgeführten Symphonie-Konzertes
des Städtischen Orchesters
4
AUSGABE 2007/2
Fotos: Stadtarchiv Bonn
Seinen 100. Geburtstag kann das Beethoven Orchester Bonn in diesem Jahr begehen:
Am 1. Oktober 1907 nahm die Stadt Bonn das 10 Jahre zuvor gegründete „Philharmonische
Orchester Koblenz“ unter seinem Kapellmeister Heinrich Sauer als „Städtisches Orchester Bonn“
in ihre Dienste. Damit erhielt die rheinische Universitätsstadt nach 113 Jahren endlich
wieder ein eigenes Orchester, seitdem 1794 die Kurkölnische Hofkapelle aufgelöst worden war.
C2_07_s04-5_Titel-Story_1
01.05.2007
22:15 Uhr
Seite 5
Dennis Russell Davies
Marc Soustrot
1845, zum 75. Geburtstag Beethovens, fand
das erste Beethovenfest in Bonn statt. Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. nebst Gemahlin
sowie die englische Königin Viktoria mit Prinzgemahl Albert verliehen dem Ereignis royalen
Glanz, in dessen Rahmen das BeethovenDenkmal enthüllt wurde. Es schmückt bis heute
den Bonner Münsterplatz.
Foto: Klaus Lefèbure
Foto: A. Balon
Foto: Michael Sondermann
CLASS a k t u e l l
Roman Kofman
Mit der Übernahme des Koblenzer Orchesters in die Dienste der Stadt Bonn begann ein
neuer Abschnitt in der Musikkultur der Stadt:
Schon im Gründungsjahr 1907 dirigierte Richard
Strauss erstmals eigene Werke in Bonn; Max Reger,
Siegfried Wagner, Fritz Busch und Max Bruch
setzten sich gleichfalls früh für den Klangkörper
ein. Paul Hindemith, Hans Pfitzner, Erich Kleiber,
Joseph Keilberth, Karl Böhm, Rudolf
Kempe, Sergiu Celibidache, Günter
Wand und Sir Malcolm Sargent
setzten die Reihe bedeutender Dirigenten fort, mit denen das Orchester zusammenarbeiten durfte.
Die Beethovenhalle, die Heimstätte des Orchesters, wurde im
Aktuelle Einspielungen:
Franz Liszt: Christus
Oratorium für Soli, Chor, Orchester u. Orgel
Solisten,
Tschechischer Philharmonischer Chor Brno,
Christoph Anselm Noll, Orgel
Beethoven Orchester Bonn
Roman Kofman, Ltg.
3 SACDs: MDG 937 1366-6
Ludwig van Beethoven: Leonore (1806)
Solisten, Rundfunkchor Köln
Orchester der Beethovenhalle Bonn
Marc Soustrot, Ltg.
2 CDs: MDG 337 0826-2
Ernst Krenek: Karl V.
Solisten
Tschechischer Philharmonischer Chor Brno
Orchester der Beethovenhalle Bonn
Marc Soustrot, Ltg.
2 CDs: MDG 337 1082-2
Claude Debussy / Maurice Ravel
Orchesterwerke
Orchester der Beethovenhalle Bonn
Marc Soustrot, Ltg.
CD: MDG 337 1099-2
DVD-Audio: MDG 937 1099-5
Ludwig van Beethoven:
Missa solemnis op. 123
Solisten
Tschechischer Philharmonischer Chor Brno
Orchester der Beethovenhalle Bonn
Marc Soustrot, Ltg.
2 CDs: MDG 337 1128-2
Dmitry Schostakowitsch
Sämtliche Sinfonien
Vol. 1: Sinfonie Nr. 10
CD:
MDG 337 1201-2
DVD-A: MDG 937 1201-5
Vol. 2: Sinfonie Nr. 5 & 9
CD:
MDG 337 1202-2
DVD-A: MDG 937 1202-5
Vol. 3: Sinfonie Nr. 7
CD:
MDG 337 1203-2
SACD: MDG 937 1203-6
Vol. 4: Sinfonie Nr. 8
CD:
MDG 337 1204-2
SACD: MDG 937 1204-6
Vol. 5: Sinfonie Nr. 13
CD:
MDG 337 1205-2
SACD: MDG 937 1205-6
Vol. 6: Sinfonie Nr. 2 & 12
CD:
MDG 337 1206-2
SACD: MDG 937 1206-6
Vol. 7: Sinfonie Nr. 1 & 6
CD:
MDG 337 1207-2
SACD: MDG 937 1207-6
AUSGABE 2007/2
5
2. Weltkrieg zerstört. Unverdrossen begann
indes nach dem Krieg mit 51 Musikern der Wiederaufbau des Orchesters, das mittlerweile mit
106 Musikern zur Elite der deutschen Orchester
gehört. In den letzten 50 Jahren prägten Volker
Wangenheim, Jan Krenz, Martin Turnovsky,
Gustav Kuhn, Dennis Russell Davies sowie
Marc Soustrot das Orchester. Das Beethoven
Orchester Bonn bekennt sich zu dieser Geschichte und hat seine „Ehemaligen“ immer
wieder und auch besonders jetzt anlässlich des
Jubiläums zu Gastdirigaten eingeladen. Seit der
Saison 2003/2004 ist Roman Kofman als Generalmusikdirektor der Bundesstadt Bonn für den
Klangkörper künstlerisch verantwortlich. Gastspiele in aller Welt machten das Orchester in
diesem halben Jahrhundert international bekannt. Seit 2003 führt das Orchester den Namen
Beethoven Orchester Bonn und bekennt sich so
auch offiziell zu dem größten Sohn der Stadt.
Seit 10 Jahren ist das Detmolder Label Musikproduktion Dabringhaus und Grimm Partner
bei den CD-Einspielungen des Beethoven Orchesters Bonn. Die Produktionen dieser fruchtbaren Gemeinschaft haben auf dem CD-Markt
Furore gemacht: Die „Leonore 1806“ – eine
spezielle Frühfassung von Beethovens Oper
„Fidelio“, die in Zusammenarbeit mit dem
Beethoven-Archiv Bonn erstmals beim 35. Beethovenfest 1997 aufgeführt und produziert wurde,
die „Lukas-Passion“ von Krzysztof Penderecki
und Ernst Kreneks „Karl V.“ (erstmals in der
ungekürzten Gesamtfassung) wurden von der
Kritik ebenso begeistert aufgenommen wie auch
Produktionen mit Werken von Debussy und
Ravel oder der „Missa solemnis“ von Ludwig van
Beethoven. Bis Ende der Spielzeit 2005/2006
erarbeitete das Orchester unter der Leitung seines Generalmusikdirektors Roman Kofman
sämtliche Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch
in einer 2+2+2-Mehrkanal-Gesamtaufnahme.
Aus dieser Reihe wählte der international
renommierte „Penguin Guide to Compact Discs“
die Aufnahme der 7. Sinfonie als „Key recording“ (Einspielung mit Referenzcharakter) aus
und bezeichnete sie als eine „in jeder Beziehung
herausragende Aufführung und Aufnahme“.
So kann das Beethoven Orchester Bonn als
eines der Spitzenorchester der deutschen Kulturlandschaft und bestens betreut von einer kompetenten Schallplattenfirma mit Zuversicht in
das zweite Jahrhundert seines Bestehens gehen.
Detmar Huchting
02.05.2007
AN 29119
C2_07_s06-7_AltaRipa-musicaphon
Graupner: Frühling & Winter
AN 29922
Partiten für Cembalo Vol. 6
Geneviève Soly
”Graupner couldn't ask for a finer
interpreter than Soly“ 10/10
Classics Today
Verlaine: Symbolist Poets and the
French Melodie
AN 29918
Jean-François Lapointe | Bariton
Louise-Andrée Baril | Klavier
Kompositionen von Hahn, Faure,
Debussy & Mathieu
Music & Sweet Poetry Agree
Englische Musik
des 16. & 17. Jahrhunderts
AN 29925
Byrd, Morley, Campion, Dowland & Purcell
Matthew White | Countertenor
Gryphon Trio
Christos Hatzis: Constantinople
Co da e x D e u t s c h l a n d G m b H
L a n d s b er g e r S tr a s s e 4 9 2
81241 München
i n f o d e @ c o d a e x . c om
1:28 Uhr
Seite 6
Künstlerisches Niveau und
Attraktivität des Repertoires
haben Musica Alta Ripa in die
Weltspitze aufsteigen lassen.
Mit ihren CD-Produktionen
setzt das Ensemble seit 1991
Akzente, deren Erfolg für sich
spricht: Leclairs Triosonaten
op. 4 (MDG 309 0428-2) wurden mit dem französischen
Diapason d’or, Müthels Konzerte und Kammermusik (MDG
325 0452-2) mit dem Preis der
deutschen Schallplattenkritik
ausgezeichnet. Den Cannes
Classical Award erhielt Vol. 2
von J. S. Bachs Solokonzerten (MDG 309 0682-2). Für
die Kammermusik von J. G.
Goldberg (MDG 309 0709-2)
und Telemann Vol. 1 wurde
Musica Alta Ripa mit dem
Echo Klassik als bestes Kammermusikensemble des
Jahres geehrt.
www.musica-alta-ripa.de
Lust an
luxuriösem Klang
präsentiert sich Georg Philipp
Telemann mit der Veröffentlichung
seiner Musique de table, partagées en Trois
Productions als souveräner Meister aller damals gängigen Kompositionsklassen in jeder
formalen, stilistischen und instrumentationstechnischen Sparte. Gerade in der Gegenüberstellung französisch und italienisch geprägter
Werke, in der unmittelbaren Begegnung suitengebundener oder konzertanter, kammermusikalischer oder orchestraler Kompositionen zeigt
sich seine unglaubliche Fantasie.
Jetzt erschien die fünfte Folge des Instrumentalmusik-Zyklus’, mit dem Musica Alta Ripa
die größte zusammenhängende Werkschau des
kaum übersehbaren Schaffens Telemann auf
Tonträger vorlegt.
Raffinierterweise bedienen sich die hannoverschen Musiker im Aufbau ihrer Produktionen
ähnlicher Kriterien, wie sie Telemann selbst bei
der Struktur der Tafelmusik anwandte: Schwerpunkte bilden Ouvertüren und Konzerte. Diesen
orchestralen Werken stehen kammermusikalische Kostbarkeiten gegenüber. Immer variiert
die Besetzung, nie schwankt die kompositorische
Klasse. Und so entsteht innerhalb dieses außergewöhnlichen Zyklus’ fünfmal das Bild eines in
seiner Mannigfaltigkeit einzigartigen Komponisten.
Neben bekannten und berühmten Kompositionen –
wie z.B. dem Bratschenkonzert G-Dur (Vol. 1) –
stehen auf gleichem kompositorischem Niveau
1733
6
Georg Philipp Telemann
Konzerte und Kammermusik
Musica Alta Ripa
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
1:
2:
3:
4:
5:
MDG
MDG
MDG
MDG
MDG
309
309
309
309
309
1189-2
1250-2
1314-2
1384-2
1450-2
eigens für diese Aufnahme spartierte Werke, z.B.
die große Ouvertüre g-Moll für 2 Soloviolinen,
Ripieni und Basso continuo (Vol. 5). Jedes Volume
wird von einem Streicherconcerto vermutlich aus
Telemanns Eisenacher Zeit eröffnet. Diese sind
deutlich an italienischen Vorbildern orientiert,
übertreffen die meisten allerdings bei weitem an
Gestenreichtum und atmosphärischer Dichte.
Drei der Ouvertüren (Vol. 2, Vol. 4, Vol. 5)
beschäftigen konzertierende Instrumente. Dieser
Kunstgriff erzeugt eine besonders reizvolle Spannung zwischen instrumentaler Virtuosität und
tänzerischer Eleganz in einer ähnlichen Absicht,
die auch J.S. Bach bei der Komposition z.B. seiner h-Moll-Suite verfolgte.
Der Reichtum der Kompositionen fordert bei
den Musikern instrumentale Virtuosität, interpretatorische Sensibilität und Fantasie in der Präsentation musikalischer Rhetorik heraus. Vor allem
aber ist es die Lust am luxuriösen Klang, mit der
Musica Alta Ripa die überschäumende Variationsbreite der Telemann'schen Ideen in außerordentlicher Plastizität erscheinen lässt: „Suchtgefahr“
diagnostizierte ein Kritiker bereits bei Volume 1.
In der Tat, so ist es!
Hanno Bernward
AUSGABE 2007/2
C2_07_s06-7_AltaRipa-musicaphon
02.05.2007
1:28 Uhr
Seite 7
CLASS a k t u e l l
uch der kompositorische Nachlass von
Komponisten, von denen man annimmt,
es sei mittlerweile auch noch der letzte
Hosenknopf entweder aufgeführt oder
auf CD veröffentlicht worden, bietet doch immer
wieder Überraschungen. So gelang es im September vergangenen Jahres, eine bislang völlig unbekannte Oper des Komponisten Georg Friedrich
Händel auf die Bühne zu bringen. Im historischen
Markgräflichen Theater Bayreuth wurde nach
mehr als 260 Jahren die Oper „Giove in Argo“
erstmals wieder aufgeführt, von deren Existenz
bislang nur ausgesprochene Händel-Experten
eine Vorstellung hatten. Möglich wurde diese
Inszenierung durch die musikwissenschaftliche
Arbeit der beiden Musikhistoriker Steffen Voss
(Hamburg) und Thomas Synofzik (Köln/Zwickau),
die anhand der Quellen aus dem vorliegenden
Textbuch diese Oper rekonstruiert haben, deren
Uraufführung 1739 in London stattfand.
Bei „Giove in Argo“ handelt es sich um ein
sogenanntes „Pasticcio“ (italienisch: Pastete), eine
Oper, in der Arien aus älteren Stücken zu einem
neuen Ganzen zusammengestellt wurden. Diese
uns heute befremdlich anmutende Praxis war im
A
den meisten Fällen erfolgreiche Werke italienischer
Komponisten für die Londoner Verhältnisse adaptierte, gibt es auch drei Pasticci, in denen der Komponist fast ausschließlich eigene Musik aus älteren
Stücken wiederverwertete. Das dritte und letzte
dieser Stücke, „Giove in Argo“, nimmt eine ganz
besondere Stellung ein. Was es von den übrigen
Händel-Pasticci unterscheidet, ist die Tatsache, dass
er hier neben älteren Stücken einige Texte auch neu
komponierte, so dass bei der modernen Erstaufführung von „Giove in Argo“ tatsächlich Musik von
Händel erklang, die wohl noch nie in moderner Zeit
aufgeführt worden ist. Die meiste Musik des „Giove
in Argo“ musste mit Hilfe des erhaltenen Librettos
aus den bekannten Opern Händels ergänzt werden,
aus denen die einzelnen übernommenen Arien
stammen, die Originalkompositionen Händels sind
dagegen in Sammelhandschriften überliefert. Die
fehlenden Rezitative des zweiten und dritten Aktes
wurden für die Inszenierung durch behutsame Neuvertonungen im Stile Händels ergänzt, wobei man
zum Teil auf die Musik von Lottis Originalversion
zurückgreifen konnte. Als Ersatz für die fehlende
Ouverture dient ein selten gespieltes Stück Händels,
die einzeln überlieferte Ouverture F-Dur HWV 342,
18. Jahrhundert gang und gäbe. Es galt übrigens in
diesem Zusammenhang keinesfalls als unfein, sich
auch aus Werken von Kollegen zu bedienen, im
Gegenteil. Man nahm einfach den Text einer älteren
Oper und fügte an die Stelle der originalen Arien
solche Stücke ein, die für die aktuelle Sängerbesetzung am besten passten und durch die der größtmögliche Publikumserfolg erzielt werden konnte.
So war es möglich, an einem Opernabend Musik
von zahlreichen verschiedenen Komponisten zu
hören. Auch Georg Friedrich Händel versuchte in
London mehrfach, solche Pasticci neben seinen
Originalkompositionen anzubieten. Während er in
die mit ihrem satten Hörnerklang nahtlos in den das
Werk eröffnenden Chor überleitet.
Mehrere Dinge lassen das Werk ungewöhnlich
erscheinen: Es ist Händels einzige italienische
Oper, in der nur tiefe Männerstimmen (ein Tenor,
zwei Bässe) mitwirken, also keine Kastraten- oder
Hosenrollen vorkommen, und „Giove in Argo“ ist
Händels Oper mit den meisten und umfangreichsten Chorsätzen. Dies hat einen besonderen Grund:
Als eines der letzten musikdramatischen Werke
Händels entstand es zu einer Zeit, als das Interesse an italienischen Opern in London stark nachgelassen hatte. Es ist ein bewusst kurzes Stück, das
AUSGABE 2007/2
7
M56891
Händel-Oper wiederentdeckt
durch seinen pastoralen Charakter an Werke wie die
englisch-italienische Serenata „Acis and Galatea“
und die Hochzeitsoper „Atalanta“ erinnert. Mit
den zum Teil ausgedehnten und virtuosen Chören,
zum Teil mit prächtigen Partien für zwei Hörner,
wollte Händel vermutlich auch an den Erfolg seiner ersten englischen Oratorien anknüpfen.
Das Libretto der Oper stammt von dem venezianischen Dichter Antonio Maria Lucchini, der es
für eine Vertonung durch Antonio Lotti in Dresden
1717 verfasste. Die amourösen Verwicklungen des
Göttervaters Jupiter mit zwei seiner sterblichen
Geliebten, lo und Kallisto, werden hier zu einer
verwickelten Intrigenhandlung zusammengefügt,
die wenig mit den altgriechischen Mythen zu tun hat.
Hinter der mythologischen Handlung verbirgt sich
vermutlich eine heute schwer nachvollziehbare
Huldigung des Mätressenwesens von Lottis Auftraggeber, August des Starken. Händel wird Lottis
Oper auf seinem Besuch in Dresden 1719 gehört
haben, dort sang der berühmte Senesino selbst die
Rolle des Jupiter. Vermutlich nahm Händel ein
Exemplar des Librettos mit nach England und erinnerte sich 1739 an das „Melodrama pastorale“, als
er nach einem geeigneten Stück für eine kurze
Pasticcio-Oper mit drei weiblichen Rollen suchte.
Concert Royal Köln hat nun zusammen mit
namhaften Solisten und dem Würzburger Kammerchor das Werk in dieser rekonstruierten Form
für Musicaphon auf SACD aufgenommen. Lassen
Sie sich überraschen und verzaubern von einem
typisch Händelschen musikalischen Feuerwerk!
Steffen Voss/A. Rainer
C2_07_s08-9_Winter-Irmer
02.05.2007
10:21 Uhr
Seite 8
Aktuelle Einspielungen:
„Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ gehört
zum zentralen Werk des Schweizer Komponisten Frank Martin.
Es ist die erfolgreiche musikalische Umsetzung des populären Gedichts
von Rainer Maria Rilke, das die Geschichte des Fahnenträgers vom
Marschbefehl bis zu dessen Tod beschreibt. Mit dieser Suite von mehr
als 20 Liedern, die erstmals auf einer Mehrkanal-Super-Audio-CD
erscheint, setzt das Orchester Musikkollegium Winterthur unter der
Leitung von Jac van Steen die Martin-Werkschau bei MDG fort.
„Die Weise von Liebe und Tod des
Cornets Christoph Rilke“
für tiefe Frauenstimme und Orchester
(1942/43) nach dem Gedicht von
Rainer Maria Rilke
Orchester Musikkollegium Winterthur
Christianne Stotijn, Alt / Jac van Steen, Ltg.
CD: MDG 601 1444-2
Hybrid-SACD: MDG 901 1444-6
Seid stolz, ich trage die Fahne…
Frank Martins „Cornet“ in einer Neuaufnahme des
Orchester Musikkollegium Winterthur
F
ür Frank Martin war es Liebe auf den
ersten Blick. Als der Komponist 1942 auf
der Suche nach einem Text für einen
Liedzyklus mit Klavier war, machte ihn
seine Frau mit dem Rilke-Gedicht aus dem Jahr
1899 bekannt. Die Handlung spielt zur Zeit der
Türkenkriege und enthält raue Heerlager, adelige Militärführer, rüdes Lagerleben, Schlachtgetümmel, prächtige Schlossfeste mit amourösen
Abenteuern und gipfelt in den Traumvorstellungen des Fähnrichs (Cornet). „Es ist mein innigster Wunsch, dass ein paar Menschen in meiner
Musik etwas von dem finden mögen, was Rilke
mir gegeben hat.“
Martin bewahrt die 23 Lieder in ihrer ursprünglichen Form und lässt das knapp besetzte
Kammerorchester mit Bläsern, Harfe, Celesta,
Klavier und Schlagzeug die verschiedenen ton-
malerischen Ebenen raffiniert gestalten. Auffällig
ist die Verwendung der Basler Trommeln, welche
einen altertümlich, bedrohlichen Klang in die
militärischen Szenerien bringen. Der Rilke-Text
musste sich von Kritikern lange Pathos vorwerfen
lassen. Die Musik jedoch besagt genau das Gegenteil, weshalb Rilke – der die verschiedensten VerAktuelle Konzerte:
Orchester Musikkollegium Winterthur
Live Konzert zum Feuerwerk: Zürichsee
06. 07. 2007
„Il barbiere di Siviglia“: Winterthur, Theater
06. / 08. / 12. / 14. / 16. 09. 2007
„Don Quixote“: Zürich, Opernhaus
07. / 09. / 11. / 13. 09. 2007
„Hänsel und Gretel“: Zürich, Opernhaus
15. / 19. / 27. 09. 2007
„Die Schöpfung“: Winterthur, Stadtkirche
23. 09. 2007
www.musikkollegium.ch
Frank Martin (1890-1974)
Konzert für sieben Blasinstrumente,
Pauke, Schlagzeug & Streichorchester
Konzert für Violine und Orchester
„Danse de la peur“ für zwei Klaviere
und kleines Orchester
Michael Erxleben, Violine
Klavierduo Adrienne Soós und Ivo Haag
Orchester Musikkollegium Winterthur
Jac van Steen, Ltg.
CD: MDG 601 1280-2
Hybrid-SACD: MDG 901 1280-6
tonungen seines „Cornet“ im Grunde ablehnte –
Frank Martins Fassung sicher geschätzt hätte.
Zuerst machte Christianne Stotjin eine Ausbildung als Geigerin, dann startete sie ihre Gesangskarriere. Seit sie mit dem ECHO „Rising Star“
ausgezeichnet wurde, ist die Niederländerin in allen bedeutenden Konzertsälen
zu Hause. Diese zweite Aufnahme mit
Werken Martins präsentiert wieder ein
glänzend aufgelegtes Musikkollegium
Winterthur, das den komplexen und oft so
zerbrechlichen Nuancen in Stotjins Textwiedergabe den erforderlichen Klangzauber unterlegt. Welch faszinierende
Gefühlswelten eröffnen sich in dieser
Wiedergabe!
Thomas Trappmann
Das Orchester Musikkollegium Winterthur ist das älteste Orchester der
Schweiz und hat u.a. mit Dirigentenpersönlichkeiten wie Hermann Scherchen, Joseph Keilberth, Franz WelserMöst und Heinrich Schiff ein ganz
eigenständiges Profil entwickelt. Seit
2001 ist Jac van Steen Chefdirigent.
8
AUSGABE 2007/2
C2_07_s08-9_Winter-Irmer
01.05.2007
20:12 Uhr
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Gioacchino Rossini:
„Péchés de Vieillesse“
Stefan Irmer, Klavier
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
Vol.
1:
2:
3:
4:
5:
6:
7:
8:
MDG
MDG
MDG
MDG
MDG
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618
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618
618
618
618
Aktuelle Konzerte:
Stefan Irmer
0654-2
0918-2
1108-2
1260-2
1353-2
1386-2
1426-2
1448-2
23. 05. 2007
Max Ernst Museum
Brühl
01. 06. 2007
Straßenbahnmuseum
Thielenbruch
03. 06. 2007
Kölner Philharmonie
06. 06. 2007
St. Mariä Himmelfahrt
Gioacchino Rossini, das Nationalheiligtum der Italiener, als munterer
bis tiefgründiger Salonkomponist, wer hätte das gedacht? Diese
„Alterssünden“ stehen dem Opernkomponisten gut zu Gesicht.
Rossinis Rückzug aus der Opernwelt markierte – entgegen landläufiger
Meinungen – nicht den Tausch des Notenpapiers mit dem Kochlöffel,
sondern rührte von zahlreichen Krankheiten und Depressionen her,
die ihm die Arbeit für fast 30 Jahre schwer machte. Stefan Irmer
serviert die seit etwa 100 Jahren in den Schubladen verstaubten
Preziosen erstmals vollständig im Rahmen seiner Gesamteinspielung.
Zu Gast bei Rossinis…
Muzio Clementi:
Klavierwerke
Stefan Irmer, Piano
Vol. 1: op. 40
MDG 618 0651-2
Vol. 2: op. 50
MDG 618 0652-2
Vol. 3: opp. 25, 33 MDG 618 0653-2
E
rst am Ende seines Lebens erwachte
Rossinis Phantasie wieder, und er lud
regelmäßig Freunde zu sich nach Hause
ein, um sie musikalisch kulinarisch zu
verwöhnen. Man höre nur die „Quatre Mendiants”:
Seiner Frau bereitet der Hausherr getrocknete
Feigen und Wienerwalzer-Mandeln, seinem
Papageien frisch-freche Rosinen-Portionen, und
seinem Hündchen reicht der Feinschmecker
Haselnüsse ... Als Digestif empfiehlt der Maître
ein verdauungsförderndes Quantum Rizinusöl,
leicht unter den Walzer gehoben.
Bei diesen „Samedi Soir”-Veranstaltungen in
seiner Pariser Wohnung erklangen über 100 pianistische Alterssünden zur Unterhaltung der Gäste.
Der „Pianist 4. Klasse – ohne Konkurrenz“, wie
er sich selbst bezeichnete, tobte sich aus. Schonungslose Ironie, scharfsinnige Titel, gewitzte
(Geheim-) Botschaften im Notentext oder formale
Experimente kennzeichnen diese pianistischen
Alterssünden, deren Titel schon einiges erwarten
lassen, wie etwa das „Prélude convulsif“ (ein
musikalischer Schluckauf), die „Étude Asthmatique“, ein „gefolterer“ Walzer oder die lautmalende Bahnfahrt, die selbstverständlich mit der
Entgleisung und mit Erbstreitigkeiten zwischen
den Hinterbliebenen endet…
Auch sportliche Übungen seiner Mitbewerber nimmt Rossini aufs Korn: „Spreizgymnastik“
ist eine Etüde, welche die Dehnungsfähigkeit der
Finger bei gleichzeitig rasender Höchstgeschwindigkeit zu trainieren trachtet. Die „Fehlgeburt
einer Polka-Mazurka“ oder die „Kostprobe melodischen Quatsches der rechten Hand auf den
schwarzen Tasten“ sind ebenso handfeste Späße,
die aber zugleich Rossinis frappierende Wendigkeit in allen musikalischen Dingen belegen. Eine
Faszination, die nicht nur Pianisten abschreckt,
sondern auch Komponisten zur „Entnahme“ anregte: Wer Respighis „Rossiniana“ genau kennt,
weiß jetzt woher die Melodien stammen.
Nicht zuletzt an Zwischenmenschliches hat
der Komponist gedacht. Zwar schuf er nur eine
einzige Komposition zu vier Händen, doch für
AUSGABE 2007/2
9
deren Ausführung hatte er genaue Vorstellungen:
Monsieur sitzt links, Madame sitzt rechts. Doch
damit nicht genug: „Ich bitte meine kleine Fanfare mit Liebe – sowohl der Hände wie auch der
Knie – ausführen zu wollen“. Wie Stefan Irmer
und seine Partnerin Jang-Eun Bae diese Anweisung befolgten, kann beim Finale seiner RossiniEdition erlebt werden...
Stefan Irmer gilt als einer der prominentesten Interpreten, die sich abseits der Repertoirepfade bewegen: Der gefragte Liedbegleiter und
Dozent an der Musikhochschule Köln setzt sich
mit zyklischen Aufführungen nachhaltig für das
Werk Muzio Clementis ein und erhielt für Rossini
Bestnoten. Die Zusammenarbeit mit MDG zeitigte
bereits phänomenale Kritiken und kulminierte
im französischen Schallplattenpreis CHOC, den
Irmer für seine Einspielung mit den wichtigsten
Sonatenzyklen Clementis erhielt.
Fazit: Zu der sympathischen Gesamteinspielung
von Rossinis „Alterssünden“ kann man nur gratulieren. Sie schließt eine Lücke im Schallplattenrepertoire, und Irmers verblüffende Virtuosität
und sein ausgeprägter Klangsinn garantieren ein
pianistisches Amüsement höchster Qualität.
Joachim Thalmann
C2_07_s10-11_Fischer-bis
01.05.2007
19:44 Uhr
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Brennende Tränen im Lachen
D
utzende Aufnahmen gibt es vom Violinkonzert op. 77 in D-Dur von Johannes
Brahms, wozu noch eine weitere?
Die Frage ist durchaus berechtigt. Wer
jedoch die neue Einspielung von Julia Fischer
und dem Netherlands Philharmonic Orchestra
Amsterdam unter Yakov Kreizberg gehört hat,
die nun bei „PentaTone classics“ erschienen ist
(Super-Audio CD im Mehrkanal-Surround-Sound
PTC 5186 066), wird sie nicht stellen. Was
nämlich aus den Lautsprechern strömt, ergreift
und berührt. Denn Julia Fischers Spiel bleibt
nicht steriler Schönklang oder hohle Virtuosität,
sondern offenbart vielschichtige Deutungen: Sie
interpretiert, ist ehrlich und aufrichtig.
Da ist etwa der berühmt-berüchtigte Ausspruch
des Wiener Geigers Joseph Hellmesberger, der unter
anderem Fritz Kreisler unterrichtet hat: 1880 soll er
erklärt haben, Brahms’ Violinkonzert von 1878 sei
nicht für, sondern gegen die Violine geschrieben,
weshalb es bald in Vergessenheit gerate. Von
Brahms selbst stammt übrigens folgende nüchterne
und zugleich selbstsichere Feststellung: „Ich weiß,
dass das Violinkonzert seinen wahren Platz einnehmen wird, aber es wird wenigstens 50 Jahre dauern.“
Er sollte Recht behalten. Dass indes das Violinkonzert von Brahms ein Werk gegen die Violine sei, ist
durchaus eine bemerkenswerte Aussage.
Die Polemik ausklammernd, wird tatsächlich
hiermit zumindest die musikalische Dramaturgie
des Kopfsatzes auf dem Punkt gebracht. Denn über
weite Strecken fechten Violine und Orchester
Kämpfe aus: Orchestrale Aufwärtsbewegungen
stellen sich den Stürzen der Solovioline aus
höchsten Lagen entgegen, schon inmitten des
ersten Soloeinsatzes fährt es wild aus dem
Orchester heraus. Ein Konzert gegen die Violine
eben, genau hier setzt die eingespielte Deutung
an. Mit ungeheurer Expressivität und fast schon
diabolischer Konsequenz treibt Julia Fischer die
Konflikte bis an die Grenzen des Machbaren.
In diesem Sinne kämpft sie um jede Note,
obwohl ihr selbst die spieltechnisch tückischsten
Wendungen mühelos, ganz nebenbei über die
Saiten gehen. Julia Fischer weiß von der Musik,
die sie spielt, ist sich ihr bewusst – das ist heute
nicht selbstverständlich. Sodann breitet sich im
zweiten Satz das melancholische Liedchen aus,
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in das sich Aufbegehren mischt. Der Finalsatz
schließlich wird bei Julia Fischer zum Ungarischen Tanz, bei dem im stolzen Frohsinn die
Traurigkeit im Auge brennt – Brahms’ Affinität
zur osteuropäischen Seele ist kein Geheimnis.
Nicht minder packend gestalten Julia Fischer
und Daniel Müller-Schott das Konzert für Violine und
Violoncello op. 102 in a-moll. 1887 hat Brahms
dieses Doppelkonzert geschrieben – ein „Versöhnungswerk“, so Clara Schumann. In der Tat waren
sich Joseph Joachim und Brahms in die Haare geraten, Grund war das Scheidungsverfahren zwischen
dem berühmten Geiger und seiner Ehefrau Amalie
Joachim: Sie soll fremdgegangen sein, was Brahms
allerdings in einem Brief bezweifelte. Joseph
Joachim fühlte sich von seinem Freund verraten und
brach den Kontakt ab – bis zum Doppelkonzert.
Natürlich ist die Komposition nicht nur ein „Versöhnungswerk“. Tatsächlich fällt der fast schon
kammermusikalische Gestus auf, zudem werden
die Themen mehrheitlich vom Solocello eingeführt.
Vom Virtuosentum ist das Doppelkonzert weit entfernt, weshalb es bis heute zuweilen als sperrig gilt.
Nicht so diese Deutung: Mit zügigen Tempi wird
insbesondere im Kopfsatz ungewohnte Lebendigkeit herausgekitzelt, die Brahms’sche Dramatik
wird hier nicht zur schweren Kost. Weit singt hingegen das Lied des zweiten Satzes hinaus, ohne –
wie so häufig – weinerlich zu schleppen. Mit ungeheurer Energie stolziert der Finalsatz, ohne dass die
Werkstruktur verschüttet bliebe. Aus dieser Deutung erwächst ein geist- und herzreiches Hörereignis, Solisten und Orchester vereinen sich zu
vollendeter orchestraler Kammermusik. Eine neue
Sicht auf ein allzu häufig missverstandenes Werk ist
geglückt, die in keiner CD-Sammlung fehlen darf.
Florian Olters
Johannes Brahms
Violin Concerto in D, Op. 77
Double Concerto in A minor, Op. 102
Julia Fischer, Daniel Müller-Schott
Netherlands Philharmonic Orchestra Amsterdam /
Yakov Kreizberg
Hybrid SACD: PTC 5186 066 / Codaex
AUSGABE 2007/2
Fotos: Kasskara (J. Fischer), Tom Specht (D. Müller-Schott)
Julia Fischer und Daniel Müller-Schott spielen Brahms
C2_07_s10-11_Fischer-bis
01.05.2007
19:44 Uhr
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Die Spitze des
Eisbergs
BIS-SACD-1638
W
ieder einmal eine neue CD mit
Christian Lindberg: Posaunenkonzerte von Luciano Berio, Iannis
Xenakis und Mark-Anthony Turnage
hat er mit dem philharmonischen Orchester Oslo
unter Leitung von Peter Rundel für sein Hauslabel
BIS aufgenommen (BIS-SACD-1638).
Unter den rund 35 Aufnahmen, die der Ausnahmeposaunist seit 1983 für BIS gemacht hat,
wird dies ohne Frage eine der wichtigsten sein. Sie
präsentiert drei von mehr als achtzig Posaunenkonzerten, die Lindberg während seiner beispiellosen
Karriere gewidmet worden sind – sozusagen die
Spitze des Eisbergs. Hinter jedem dieser Werke verbirgt sich eine Geschichte, und mit offensichtlichem
Vergnügen berichtet Lindberg im Booklet darüber,
wie es zu dem jeweiligen Kompositionsauftrag kam,
aber auch, welchen Einfluss er als Interpret, für den
es keine instrumententechnischen Schwierigkeiten
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zu geben scheint, auf die Gestalt der Kompositionen
selbst nehmen konnte.
Besondere Freude machte Lindberg das Werk
von Turnage; er sagt, dies sei „eines der elektrisierendsten Werke, die ich je gespielt habe.“ Eine Einschätzung, die der Kritiker der Financial Times nach
der Londoner Premiere des Werkes teilte: „Lindberg ist ein Interpret, der Musik auch dann entzünden kann, wenn sie nur halb so viel brennbares
Material wie dieses extrem angereicherte TurnageStück enthält. Auf der Verpackung hätte stehen sollen: Vorsicht – leicht entflammbar!“
Bereits bei Lindbergs Debüt im Jahr 1982
äußerte sich der prominente schwedische Kritiker
Leif Aare geradezu prophetisch, als er sagte: „Einer
derart direkten musikalischen Kommunikation
kann sich nichts in den Weg stellen“.
Er sollte recht behalten. So war Lindberg der erste schwedische Instrumentalist, der je mit den Berliner
Philharmonikern und dem Chicago
Symphony Orchestra gespielt hat. Im
Jahr 2000 wurde Lindberg neben
Louis Armstrong, Miles Davis, Dennis
Brain und Maurice André zu einem
der fünf größten Blechbläser des 20.
Jahrhunderts gewählt. Neben der Karriere als Posaunist ist Lindberg seit
dem Jahr 2000 aber auch als Dirigent
in Erscheinung getreten; das Nordic
Chamber Orchestra und das Swedish
Wind Ensemble haben ihn zwischenzeitlich zu ihrem Chefdirigenten
gewählt. Und Lindbergs drittes Standbein sollte man nicht vergessen: seit
1996 komponiert er auch selbst. U. a.
von Chicago Symphony Orchestra,
Swedish Chamber Orchestra und dem
schwedischen Rundfunkchor hat er
bereits Aufträge erhalten.
Von oben genanntem Eisberg
wird er seinem begeisterten Publikum
in den nächsten Jahren ohne Frage
noch so manche Spitze vorführen.
A. Rainer
AUSGABE 2007/2
11
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C2_07_s12-13_hunga-Ambitus
01.05.2007
13:01 Uhr
Seite 12
HCD 32303
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Der Großvater der Symphonie
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ie musikalische NachDie Zahl seiner erhaltenen
welt verehrt zu Recht
Werke ist imponierend: Rund
Joseph Haydn als den
70 Symphonien aus seiner Hand
Vater der Symphonie.
sind erhalten, dazu 90 Konzerte
Tatsächlich sind die Symphound 140 Kammermusikwerke.
nien von Haydn die ersten MeisSeine Kompositionen waren
terwerke in der Geschichte
über ganz Europa verbreitet
dieses Genres, mit denen die
(sie erschienen oft gleichzeitig
„Symphonie“ tatsächlich als
im Druck in Urbino, Paris,
eigene Gattung gelten kann. Es
Amsterdam und London) und
wäre aber falsch, anzunehmen,
hatten daher überall Einfluss
dass Haydn diese Großtat als
auf die Ausbildung des neuen,
„einsamer Held“ durchgeführt
frühklassischen Stils. Übrigens
Ensemble Aura Musicale
hat. Vielmehr war er Vollender
ist es möglich, dass Johann
eines Prozesses, der mit der Emanzipation der Stamitz, einer der Führer der Mannheimer
Instrumentalmusik im Barock bereits in Gang Schule und damit Wegbereiter des klassischen
gekommen war. Die entscheidende Rolle spielten Stils in Deutschland, in seiner Jugend Schüler
dabei die komponierenden italienischen Geigen- Tessarinis gewesen ist. So kann man mit Fug
virtuosen. Während „sinfonia“ im Frühbarock und Recht annehmen, dass Tessarini ein wichnoch jede Art von Instrumentalstück oder -satz tiges Bindeglied in dem Prozess ist, der vom
bezeichnen kann, bildet sich im 18. Jahrhundert venezianischen „vivaldischen“ Stil zur neuen,
unter dem Einfluß der Italiener die dreisätzige klassizistischen Musiksprache führt.
Form heraus. Stilistisch stehen Mitte des JahrWie vielfältig und bunt sich die Symphonien
hunderts barocke Instrumentalwerke und früh- aus Tessarinis Feder anhören, kann man an den
klassische Symphonie bereits nebeneinander.
„12 Introducioni a 4, op. 11“ studieren, die das
Eine bedeutende Figur dieser spannenden in historischer Aufführungspraxis musizierende
Epoche ist Carlo Tessarini. Berichte über den um Ensemble Aura Musicale unter Leitung von
1690 in Rimini geborenen Musiker setzen um Balázs Máté jetzt in Ersteinspielung auf Hunga1720 ein; da wirkte er als Geiger am Markusdom roton vorgelegt hat (HCD 32303). Ungeachtet
in Venedig. Daneben ist er Lehrer und Konzertmeisdes Titels handelt es sich um regelrechte dreiter am Ospedaletto, einem Waisenhaus, das zu- sätzige Symphonien, die teilweise noch an Vivaldi
gleich ein berühmtes Musikinstitut ist. Später diente oder Händel erinnern, in der Mehrzahl aber
Tessarini als Hofmusikdirektor des Erzbischofs bereits an Gluck und Haydn. Demnach ist er
Wolfgang Hannibal Schrattenbach von Brünn. Kon- tatsächlich einer der Großväter der Symphonie
zertreisen führten ihn u.a. nach Rom, Paris, Frank- gewesen, wie sie uns in erster Formvollendung
furt und in die Niederlande. Der letzte Bericht über in den Werken Haydns, Mozarts und Beethovens
ihn stammt aus dem Jahr 1766, da gab er ein Kon- am Ende des Jahrhunderts begegnet.
zert in Arnheim, danach verschwindet er spurlos.
A. Rainer
12
AUSGABE 2007/2
C2_07_s12-13_hunga-Ambitus
01.05.2007
13:01 Uhr
Seite 13
CLASS a k t u e l l
Aktuelle Konzerte:
Capella Cantorum Berlin
Buxtehude 2007
„Jüngstes Gericht“
mit Knaben?
D
ieses Jahr 2007 ist Buxtehude-Jahr, vor
300 Jahren starb der Kantor der Lübecker Marienkirche. Er war zu seiner
Zeit ein berühmtes Vorbild für seine
Kirchenmusiker-Kollegen, heute ist seine Musik
bis auf das Orgelwerk den meisten Menschen
unbekannt. Nur die Wenigsten wissen etwas über
die außerordentlichen Qualitäten seiner Vokalmusik, die ebenso wie die Orgelkompositionen
ihre Wirkung auf andere Komponisten gehabt hat,
frühe Kantaten von J.S. Bach gehören sicher dazu.
Das Interesse an diesen im besten Sinne volksnahen Stücken, die weitgehend auf den Melodien der gebräuchlichen Kirchenchoräle basieren,
ist in den letzten Jahren sowohl bei den ausführenden Musikern als auch den Konsumenten
in erfreulicher Weise gestiegen. Buxtehudes
Musik ist farbig, voller genialer Melodik, dabei
frei von irgendwelcher vertrackten Zahlensymbolik oder verstiegenen Fugenkonstruktionen,
Dingen, die einem zu ungetrübter Erbauung und
Freude manchmal doch im Wege sind.
Einer der Höhepunkte dieses Schaffens ist,
quantitativ allemal, das einzige überlieferte Oratorium „Wacht! Euch zum Streit gefasset macht“,
auch „Das Jüngste Gericht“ genannt. Leider ist
nicht einwandfrei sicher, dass es wirklich von
Dietrich Buxtehude
Das Jüngste Gericht / Oratorium
Capella Cantorum Berlin / Klaus Eichhorn
amb 96 886 / ambitus
Im Fachhandel (Vertrieb MusikWelt Münster)
oder direkt im Internet unter:
www.ambitus.de
18.
19.
22.
24.
22.
23.
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05.
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06.
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09.
2007
2007
2007
2007
2007
2007
Berlin
Naumburg
Berlin
Wetzlar
Berlin
Freiberg (Sachsen)
Buxtehude stammt. Einiges spricht
dafür, und rein gefühlsmäßig möchte
wohl keiner, der dieses durchaus
monströse Werk kennt, den Gedanken an Buxtehudes Urheberschaft
freiwillig aufgeben. In der „Alte-Musik-Szene“ jedenfalls wird es schon
länger als Geheimtipp gehandelt:
Großartige Musik in ständig wechselnden Besetzungen, und auch der
Text hat es in sich. So unverblümt und
saftig ist dem Sünder schon lang nicht
mehr der Kopf gewaschen worden.
Nun sind erstaunlicherweise
gleich vier Einspielungen auf den
Markt gekommen, alle höchst unterschiedlich
im Interpretationsansatz, sowohl hinsichtlich der
Besetzung als auch der Länge (musste eben auf
eine CD passen).
Die vorliegende Aufnahme der Capella Cantorum Berlin unter der Leitung von Klaus
Eichhorn zeichnet sich durch eine besonders
radikale Machart aus. Abgesehen von der Nebensächlichkeit der Gesamtwerk-Ersteinspielung
und basierend auf der aus dem originalen Quellenmaterial rekonstruierten Fassung hebt sie sich
in einem gravierenden Punkt von allen anderen
Einspielungen und auch von heutzutage üblicher
Praxis und Konvention ab: sie verzichtet grundsätzlich auf den Einsatz von Frauenstimmen und
favorisiert so die als historisch selbstverständlich angesehene Verwendung von Knaben- und
Männerstimmen bis hinauf in den Altus.
Den jahrhundertealten Irrtum in der Auslegung eines Paulus-Briefes, wonach die Frau in der
Kirche zu schweigen habe, wird heute wohl niemand mehr aufrecht erhalten. Aber er führt uns
bei der Frage, wie es zu Buxtehudes Zeiten geklungen haben mag, auf den mühsamen und
dornigen Weg der Arbeit mit Knabenstimmen,
der sich als geradezu aberwitzig zeitraubend,
bisweilen frustrierend erweisen kann. Dazu
gehört schon eine ziemliche Portion Überzeugungstäterschaft, wie sie sich auch in der nunmehr mehr als 25-jährigen Arbeit der Capella
Cantorum immer wieder manifestierte.
AUSGABE 2007/2
13
Es versteht sich von selbst, dass natürlich
mit Barock-Instrumentarium musiziert wird,
Streicher mit Violinen, Bratschen, Cello und
Violone, interpretierend hinzugefügt Bläser mit
zwei Zinken, zwei Posaunen und Dulzian auf
Stadtpfeifer-Art als colla-parte-Verstärkung im
Vokaltutti. Das Continuo ist besonders reich
mit Gedackt 8’-Positiv, Cembalo, Regal und
Chitarrone als Fundament sowie Cello und
Dulzian als Ornament ausgestattet.
Eine absolute Besonderheit dieser Aufnahme stellt die Einbeziehung einer großen, historischen Kirchenorgel (hier die Joachim-WagnerOrgel von 1742 /Angermünde mit ihrem leicht
höheren Stimmton in ihrem mitteltönig-nahen
Stimmsystem) dar, wann immer der volle Apparat zum Einsatz kommt. So bekommt das Klangbild auch „unten rum“ noch eine zusätzliche
Fülle und Wärme, die jedem, der je auf diese
Weise musiziert hat oder es hört, als unverzichtbar und selbstverständlich erscheint.
Alledem liegt die zutiefst empfundene Überzeugung zu Grunde, dass die Mittel der Entstehungszeit eines beliebigen Stückes a priori den
grundlegendsten Zugang zu ihm ermöglichen.
Wer darüber mehr erfahren möchte, sei auf
die ausführlichen Informationen im CD-Booklet
verwiesen. Das Hörerlebnis jedenfalls ist höchst
bemerkenswert und wird jedem, der dafür empfänglich ist, viel Neues über die Musik dieser
Zeit vermitteln.
Kalle Kroll
C2_07_s14-15_Blickpunkte
01.05.2007
19:42 Uhr
Seite 14
Im Blickpunkt
Kammermusik
Ludwig van Beethoven:
Sämtliche Streichquartette
op. 130 und 133
Leipziger Streichquartett
MDG 307 0851-2
Der Beethoven-Zyklus des Leipziger
Streichquartetts ist vollendet: Eines der
gefragtesten und zugleich vielseitigsten
Ensembles unserer Zeit präsentiert im
Zieleinlauf ein Werk des Bonner Komponisten, dessen Geschichte äußerst verwickelt ist. Opus 130 ist innerhalb von
13 Monaten gleich zweimal mit unterschiedlichen Schlusssätzen uraufgeführt
worden… weil es der Verleger so wollte.
Monument
Die erste Fassung endete mit einer
Fuge, die selbst Beethoven-Intimus Karl
Holz für ein Streichquartett als „schwer
fasslich“ charakterisierte. Der Weggefährte in den letzten Lebensjahren des
Meisters überredete Beethoven, die Fuge
als eigenständiges Kunstwerk (op. 133)
zu platzieren und dem Opus 130 ein
neues Finale hinzuzufügen. In den Ohren
von Verleger und Publikum schien es
gefälliger, gleichwohl fiel es kompositorisch nicht weniger anspruchsvoll aus.
Seit Beginn seiner Karriere hat sich
das Leipziger Streichquartett mit Beethoven auseinandergesetzt. Über zwölf
Jahre sind vergangen, bis auch die
neunte und letzte CD dieses Zyklus
reif für die Studioproduktion war. Das
Warten hat sich gelohnt, denn die
Leipziger servieren einen ebenso brillanten wie tiefgründigen Beethoven,
verschmähen weder die weitgespannten
orchestralen Klangwirkungen, noch
die intimsten und feinsten Ausdrucksmomente und vermögen „ihrem“
Zyklus einen ganz persönlichen unverrückbaren Stellenwert in der Diskografie zu sichern.
Tastenmusik
Jean-Baptiste Singelée (1812-1875)
Fantaisies, Concerts et Solos
pour Saxophones Soprano, Alto,
Tenor, Baryton et Piano
Quartetto di Sassofoni Accademia
Bruno Canino, Piano
Georg Friedrich Händel
Johann Sigismund Weiss
Verschlungene Pfade
Sämtliche Oboensonaten
Concert Royal Köln
M 56889 / Musicaphon
CDS 541 / Dynamic
In Musikgeschichtsbüchern kommt
er nur selten vor, dabei war der Belgier
Jean-Baptiste Singelée (1812-1875) zu
seiner Zeit ein herausragender Geiger
und Komponist. Angestellt war er als
Sologeiger am königlichen Theater in
Brüssel. Aber seine Liebe galt auch den
Holzblasinstrumenten. Mit Adolphe Sax,
dem Erfinder des nach ihm benannten
Instruments, war er befreundet und
ermutigte Sax, das Instrument für alle
Tonlagen zu bauen. Als einer der ersten
Komponisten überhaupt nahm Singelée
das Saxophon als Ausdrucksmittel der
klassischen Musik ernst. Er hinterließ
nicht weniger als 25 Werke für Saxophone
(vom Sopran bis zum Bariton) und Klavier,
die stilistisch das Tor zum Saxophonrepertoire des 20. Jahrhunderts öffnen.
Pionierarbeit
Bei Dynamic erschien jetzt eine CD,
die den kompositionstechnischen wie
musikalischen Wert der Werke Singelées
in einer exzellenten Interpretation deutlich macht. Es spielt das Quartetto di
Sassofoni Accademia mit Bruno Canino
am Klavier. Interpretiert werden Fantasien, Konzerte und Solos (also Saxophon
mit Klavier) durch die verschiedenen
Höhenlagen der Instrumentenfamilie.
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Warum wohl sollte es in der Musikgeschichte gerechter zugehen als anderswo? Auch hier ist die Wand, die
zwischen Weltruhm und unbekanntem
Verdämmern liegt, eine sehr dünne und
außerdem ziemlich willkürlich gezogene. Die Komponisten, deren sämtliche
Sonaten für Oboe und Basso continuo wir
auf einer Neueinspielung bei Musicaphon
finden, interpretiert von Concert Royal
Köln, sind das beste Beispiel dafür.
Zum einen Georg Friedrich Händel, der
weltgewandte, weithin berühmte Komponist und Kapellmeister Seiner Majestät, des Königs von England und Direktor
der Royal Academy of Music, über den
noch etwas zu sagen Eulen nach Athen
tragen hieße, und andererseits Johann
Sigismund Weiss. Wer?
Zu Weiss fällt einem eigentlich nur
Sylvius Leopold ein, der berühmte Lautenist am Dresdner Hof, mit Bach bekannt – das war der ältere Bruder unseres
Weiss. Auch er Musiker von Beruf, und,
wie seine Werke ausweisen, ein seinem
Bruder, aber auch Händel durchaus ebenbürtiger – aber berühmt wurde er nicht.
Ungerecht
Um 1690 wurde er in Breslau geboren,
und er starb 1737 in Mannheim. Über sein
Leben und Wirken wissen wir kaum etwas.
Von 1708 bis 1718 war er kurpfälzischer
Lautenist der Hofkapelle in Düsseldorf,
danach – bis 1723 – bekleidete er denselben Posten in Mannheim. Dort stieg er
dann zum Musikdirektor des Hofes auf.
Doch seine Wege sollten sich mit denen
Händels kreuzen.
Interessant wäre es, die SACD im
Blindflug zu testen. Schließen Sie die
Augen, und entscheiden Sie jeweils:
Händel oder Weiss? Wer weiß...
AUSGABE 2007/2
Gioacchino Rossini
Flavio Ponzi,
auf Rossinis eigenem Pleyel-Flügel
CDS 547 / Dynamic
Nur selten haben wir das Glück,
Instrumente, die Komponisten einst
benutzten, nicht nur zweifelsfrei zuordnen, sondern auch heute noch hören zu
können. Es hat nicht nur etwas sensationelles, die Musik so aufzunehmen, wie sie
seinerzeit ihr Schöpfer hörte, sondern es
ergeben sich auch Erkenntnisse zu Stil
und Komposition sowie Interpretation
von unschätzbarem Wert. Ein solcher
Glücksfall wird uns mit dieser Aufnahme
vorgestellt: Klaviermusik (Auszüge aus
den „Péchés de vieillesse“) von Gioacchino Rossini, von Flavio Ponzi auf Rossinis
eigenem Pleyel-Flügel eingespielt.
Authentisch
Das hier vorgestellte Klavier kaufte
Rossini im August 1846 während seines
Aufenthaltes in Bologna. Ein typisch
romantisch intonierter Pleyel, den
Rossini zunehmend nutzte und schätzte.
Die Hämmer verraten noch heute eine
Belederung mit Unterfilz, die typisch ist
für eine Zeit, in der sich das Klangideal
zu mehr Volumen und Weichheit des
Tons wandelte. Klanglich ist dieses
Instrument das perfekte Wiedergabemedium für Rossinis theatralischen Stil.
Ponzi setzt noch eins drauf, indem er
zwei der Werke in zwei verschiedenen
Interpretationen zum Vergleich anbietet. Er selbst hat den Flügel in
den Jahren 1997 bis 1999 restauriert –
Flavio Ponzi muss heute als einer der
größten Experten für Klaviere der
Romantik gelten.
Mit dieser CD ist ein hoch interessantes Dokument entstanden, das jedem
an der Geschichte der Klaviermusik
Interessierten wärmstens empfohlen sei.
C2_07_s14-15_Blickpunkte
01.05.2007
19:42 Uhr
Seite 15
CLASS a k t u e l l
Historisch
Marcel Dupré (1886-1971)
Orgelwerke Vol. 8 / Suite op. 39
Offrande à la Vierge op. 40
Triptyque op. 51/Chorales op. 45, 1-8
Ben van Oosten
Beuchet-Debierre-Orgel in Angoulême
MDG 316 1290-2
Nach Stippvisiten in Kanada und den
USA – dicht auf den Spuren von Marcel
Dupré – ist Ben van Oosten nach Frankreich zurückgekehrt. Mit vier gewichtigen
Stücken aus der mittleren Schaffensperiode stellt uns der Spezialist für französische Orgelmusik in Vol. 8 sämtlicher
Orgelwerke Duprés die Beuchet-DebierreOrgel in Angoulême (Charante) vor.
Bereits im Alter von 20 Jahren war
Jeanne Demessieux eine phänomenale
Orgelspielerin. Ihre Technik weiter zu vervollkommnen, inspirierte Dupré zu faszinierenden „Orgelstudien“, die er später als
Suite op. 39 veröffentlichte. Bis heute sind
sie ein Prüfstein echter Virtuosität. „Ich wollte das Wimmeln des Lebens sehen, fürchte
aber, dass es vielleicht nur Aufregung ist“,
kommentierte Dupré seine Skizzen.
Weitere Orgelstudien aus dieser Serie
nutzte Dupré, um sie später als op. 40
der Heiligen Jungfrau zu widmen. Zuerst
spiegelt er ihre mütterliche Zärtlichkeit
wider, dann ihre Klagen und ihre Verzweiflung und schließlich – in einer
Atmosphäre von himmlischem Frieden –
die Beschwörung der Jungfrau als Mittlerin des Gebets. Ergänzt werden diese
Werke durch acht kleine Präludien über
gregorianische Melodien (op. 45) und
durch ein virtuoses Triptychon (op. 51).
Die Beuchet-Debierre-Orgel in der im
Jahr 1128 vollendeten Kathedrale SaintPierre geht auf ein Vorgänger-Instrument
aus dem 18. Jahrhundert zurück. Nach
mehreren Umbauten und Ergänzungen
wurde es 1965 auf seinen heutigen
Umfang mit 55 Registern auf drei Manualen und Pedal mit elektro-pneumatischer
Spiel- und Registertraktur erweitert – ein
klangstarker Spielplatz für einen Ausnahmevirtuosen wie Ben van Oosten.
Lehrer und Schüler
der 2. Wiener Schule
Arnold Schönberg: Wien
Steffen Schleiermacher, Klavier
MDG 613 1433-2
Deutliche Wirkungen hat die Lehre
Arnold Schönbergs bei allen ausgelöst,
die in Wien an seinen Lippen klebten.
Zwar wurde nicht jeder seiner Schüler
später selbst ein Lehrstuhlinhaber „für
atonale Harmonielehre und Komposition“
wie einst Józef Koffler, doch ist in allen
Werken der Geist des großen Vorbildes
spürbar. Steffen Schleiermacher, einer
der wichtigsten Neue-Musik-Interpreten
unserer Zeit, ist dem Einfluss Schönbergs für Teil 2 seiner Reihe „Lehrer und
Schüler der Wiener Schule“ anhand von
Klavierkompositionen nachgegangen.
Wolfgang Fortner (1907-1987)
Violinkonzert
Max Bruch (1838-1920)
Violinkonzert op. 26
Hans Pfitzner (1869-1949)
Violinkonzert op. 34
Gerhard Taschner, Violine
MDG 642 1443-2
MDG hat sich wiederholt dem Wirken
des Wundergeigers Gerhard Taschner
gewidmet, der bereits als 13-Jähriger das
Wiener Publikum faszinierte und später
jüngster Konzertmeister von Wilhelm
Furtwänglers Berliner Philharmonikern
wurde. Leider ist nur ein Teil der Tonaufnahmen Taschners erhalten geblieben,
darunter die Violinkonzerte von Bruch,
Pfitzner und Fortner, die in exquisiter Qualität auf dieser neuen CD zu hören sind.
Virtuosenpfeffer
Spielkind
Schönberg selbst war gar kein Pianist,
und doch waren es ausgerechnet seine
„Drei Klavierstücke op. 11“, in denen er
erstmals seine Musik ohne Bindung an
das tonale Harmoniesystem veröffentlichte – ein Wendepunkt in der Musikhistorie. Natürlich handelte es sich
hierbei nicht um Futter für Virtuosen.
Das lieferte kurz darauf Ferruccio
Busoni. Er schuf aus tiefer Verehrung zu
Schönberg eine „konzertmäßige Interpretation“ von op. 11, wie er Schönberg
beichtete. Beide Werke kann man auf
dieser CD miteinander vergleichen.
Wie ein Magnet zog Schönberg die
europäischen Nachwuchskomponisten
an: Egon Wellesz, Hanns Eisler, Roberto
Gerhard, Victor Ullmann und Hans
Jelinek besuchten seine Seminare. Per
Fernstudium profitierte offenbar sogar
der polnisch-ukrainische Komponist
Józef Koffler von seiner Lehre.
Genügend Stoff also für eine der
spannendsten Serien der Klaviermusik
des 20. Jahrhunderts, für die man
Steffen Schleiermacher nur beglückwünschen kann.
Nur ganz selten arbeiten Komponist
und Interpret beim Entstehen eines Werkes
eng zusammen. Wolfgang Fortner hatte
Taschner in den Nachkriegswirren 1946
samt Familie im Haus des Rüdesheimer
Musikmäzens Carl Jung untergebracht.
Obwohl Taschner lieber mit der Modelleisenbahn der Kinder spielte als mit Fortner
zu arbeiten, gelang ihm eine wunderbare
Aufführung dieses mit geigerischen Finessen nur so gespickten Konzerts. Neben
der hier dokumentierten Aufnahme mit
dem SWF-Orchester unter der Leitung von
Hans Rosbaud gestattet ein Konzertmitschnitt der Berliner Philharmoniker unter
Wilhelm Furtwängler (veröffentlicht auf
MDG 642 1113-2) einen höchst interessanten Interpretationsvergleich.
Wer das RIAS-Sinfonieorchester unter
Rudolf Kempe am 17. April 1955 bei der
Aufführung des Violinkonzerts von Hans
Pfitzner live im Radio gehört hat, der spürte, dass er einem ganz besonderen Ereignis
beiwohnte. Selbst der Rezensent der „Welt“
lobte, wie Taschner „mit fast propagandistischer Verve für Pfitzner plädierte“. Schade, dass der Komponist diese Aufführung
nicht mehr selbst erleben durfte…
AUSGABE 2007/2
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Jean-Marie Londeix
Portrait
Konzerte, Kammermusik
und Solowerke
Jean-Marie Londeix, Saxophon
MDG 642 1416-2 (4 CDs)
Kein anderer Musiker hat im 20. Jahrhundert die internationale Saxophongemeinschaft so nachhaltig geprägt wie
Jean-Marie Londeix. Als Referenz zum
75. Geburtstag des Virtuosen aus Frankreich präsentiert Dabringhaus & Grimm
in seiner Reihe Archive ein Portrait
dieser lebenden Legende bestehend
aus vier prallgefüllten CDs mit historischen Aufnahmen aus den Jahren
1957 bis 1995. Die Sammlung bietet
einen repräsentativen Querschnitt eines
erfüllten Künstlerlebens und einen
Überblick wichtiger Saxophonliteratur
dieser Zeit.
Saxophon
Legende
Zu erleben sind sowohl Einspielungen des jungen Jean-Marie Londeix im
Alter von 25 Jahren, aber auch solche,
die er noch mit 63 Jahren aufgenommen
hat. Den gut zwei Dutzend außergewöhnlichen Werken gemeinsam ist
eine höchst einfühlsame und immer
prägnante Darbietung. Die Aufnahmen
dieser CD stammen aus dem Privatarchiv
des Künstlers, viele bislang unveröffentlicht, andere von längst verschollenen
alten Tonträgern abgelauscht. Jetzt
erfahren die Interpretationen dieses
Ausnahmemusikers ihre längst fällige
akustische Wiedergeburt.
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