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Wahlprüfstein DIE LINKE
Verband unabhängiger Musikunternehmen
Fidicinstr. 3
10965 Berlin
Fragen der unabhängigen Musikunternehmen
Haftung und Verantwortlichkeit im Internet
Die Haftungsprivilegierung von Hostprovidern wurde in den 90er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts entwickelt und kodifiziert. Zwischenzeitlich haben die transferierten Datenmengen wie
die Übertragungsgeschwindigkeiten in einem Maße zugenommen, welches damals kaum vorstellbar
war. Der technische Fortschritt hat Unternehmen wie „kino.to“ oder „MEGA“ hervorgebracht. Diese
kombinieren ihr Haftungsprivileg so mit der Anonymisierung von Uploadern, dass niemand mehr für
millionenfache Verletzungen von Urheber- und Leistungsschutzrechten verantwortlich gemacht
werden kann. Dieser Missbrauch ihres Privilegs ermöglicht solchen Unternehmen, mit der nicht
autorisierten Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte Millionengewinne zu erzielen. „Notice
and Takedown“ Verfahren haben sich als wirkungslos erwiesen. Daher fragen wir:
Teilen Sie unsere Auffassung, dass zwischen Hostprovidern differenziert werden
sollte, und dass solche, die von der Verbreitung nicht lizensierter Inhalte
profitieren, auch verantwortlich sein sollten? Welche gesetzlichen Regelungen
wären hierfür erforderlich? Welche Möglichkeiten sehen Sie in diesem
Zusammenhang, einen wirksamen Ausgleich zwischen den berechtigten
Ansprüchen der User auf Privatsphäre und Datenschutz und jenen von durch
massenhaften Rechtsbruch geschädigten Unternehmen und Künstlern zu
erreichen?
Die Fraktion DIE LINKE hält das geltende Haftungsregime für Provider im Grundsatz für
angemessen. Schon heute haften Contentprovider, die eigene Inhalte bereitstellen,
vollumfänglich. Hostprovider haften für fremde Inhalte, sofern sie sich diese zu eigen machen
(vergl. BGH-Entscheidung Marions Kochbuch) und/oder sofern sie trotz Kenntnis von
rechtswidrig eingestellten Inhalten untätig bleiben. Access-Provider sind umfassend
haftungsprivilegiert, da sie fremde Inhalte lediglich durchleiten. Die Haftung von
Plattformbetreibern, also Host-Providern, auf Inhalte auszudehnen, die von Dritten auf diesen
Plattformen eingestellt werden, widerspräche nicht nur Artikel 14 der E-Commerce-Richtlinie,
sondern wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt, weil damit die Unterscheidung von Host- und
Contentanbietern hinfällig würde. Zudem ginge damit eine Privatisierung der
Rechtsdurchsetzung einher, denn die Hostprovider müssten, um einer Haftung zu entgehen,
eigenständig über Legalität bzw. Rechtswidrigkeit fremder Inhalte entscheiden. Insbesondere,
was das Urheberrecht anbelangt, wären sie dazu in Unkenntnis der vertraglichen
Rechteinräumung gar nicht in der Lage. Hier bestünde also die Gefahr sog. chilling effects: Die
Hostprovider könnten sich veranlasst sehen, in „vorauseilendem Gehorsam“ Inhalte zu
löschen, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Tastsächlich erfolgt schon heute
der Versand von Beschwerden über rechtswidrig gehostete Inhalte häufig vollautomatisiert,
und insbesondere die großen Unternehmen kommen ihren entsprechenden Verpflichtungen in
aller Regel zeitnahe nach.
DIE LINKE beobachtet gleichwohl mit Sorge, dass die Auseinandersetzung um die
Providerhaftung zunehmend zu „freiwilligen“ Maßnahmen der Hostprovider führt, die
juristische Auseinandersetzungen über Urheberrechtsverletzungen vermeiden sollen, zugleich
aber keine Rücksicht auf Schrankenregelungen und/oder keine hinreichenden
Widerspruchsmöglichkeiten für die Nutzer vorsehen. Hierzu zählt aus unserer Sicht auch das
Content-ID-System von YouTube. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, käme sie einer
Privatisierung der Rechtsdurchsetzung auf freiwilliger Basis gleich, verursacht durch den Druck
der Rechteinhaber. In diesem Fall wäre über eine klarere gesetzliche Festlegung von
Prüfungspflichten für Hostprovider nachzudenken.
Internetplattformen und Lizenzen
Sind Sie der Auffassung, dass Unternehmen, deren Geschäftsmodell gänzlich
oder im Wesentlichen darauf beruht, urheberrechtlich geschützte Inhalte zu
verbreiten, verpflichtet sein sollten, für diese Inhalte Lizenzen zu erwerben?
Stimmen Sie mit uns darin überein, dass Anbieter, die sich Inhalte Dritter zu
eigen machen, rechtlich anders zu stellen und zu behandeln sind als reine
Technikanbieter und -dienstleister? Falls ja: Welche Lösungsmöglichkeiten
sehen Sie, wenn dies wie beispielsweise im Falle der Google-Tochter YouTube
unterbleibt? Falls nein: Können Sie diese Auffassung vor dem Hintergrund, dass
Urheber einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung haben,
begründen oder erläutern?
Unternehmen, die urheberrechtlich geschützte Inhalte verbreiten oder öffentlich zugänglich
machen, sind schon heute verpflichtet, für diese Inhalte Lizenzen zu erwerben, ganz gleich, wie
ihr Geschäftsmodell aussieht. Anbieter, die sich Inhalte Dritter zu eigen machen, haften nach
Auffassung des BGH (Marions Kochbuch) schon heute für diese Inhalte, sind also rechtlich
anders gestellt als Technikanbieter und –dienstleister. Inwiefern sich YouTube Inhalte zu Eigen
macht und/oder als Content-Anbieter klassifiziert werden müsste, ist derzeit noch nicht
letztinstanzlich geklärt. Im Rechtsstreit mit der GEMA ist YouTube zuletzt immerhin zu einer
ziemlich weitreichenden Prüfung der gehosteten Inhalte verpflichtet worden. Aus oben bereits
erläuterten Gründen halten wir das für nicht unproblematisch, würden zunächst aber gern
eine letztinstanzliche Entscheidung in dieser Frage abwarten. Was den Verweis auf das
Urhebervertragsrecht angeht, so dürfte es schwierig sein, von einem Unternehmen, das
Inhalte nicht im urheberrechtlichen Sinne nutzt, jene angemessene Vergütung zu verlangen,
die die Vertragspartner der Urheber diesen in aller Regel vorenthalten.
Marktbedingungen auf Augenhöhe
Der Tonträgermarkt (physisch und digital) hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen
tiefgreifenden Wandel erlebt: Einige wenige international agierende Handels- und Versandkonzerne
dominieren die Vertriebswege zum Endkunden. Sie nutzen ihre marktbeherrschende Stellung dazu,
vor allem den kleinen und mittleren Tonträgerunternehmen und ihren Künstlern, die 70 bis 75
Prozent des verfügbaren Repertoires repräsentieren, kaum auskömmliche Marktkonditionen
aufzuzwingen.
Wie beurteilen Sie diese Entwicklung vor dem Hintergrund, dass die Aktivitäten
dieser großen Handelsunternehmen allenfalls zu vernachlässigende Effekte auf
bundesweite oder regionale Arbeitsmärkte haben und diese durch ihre
Standortpolitik oftmals keinen Beitrag zum Steueraufkommen in Deutschland
leisten? Welche Möglichkeiten sehen Sie, künftig auf dem digitalen und
physischen Tonträgermarkt faire Bedingungen zu gewährleisten?
Die LINKE setzt sich grundsätzlich für eine faire Wettbewerbs- und Steuerpolitik ein, die
insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Chance bietet, auf dem Markt
erfolgreich zu agieren. Sie setzt sich für eine stärkere Kontrolle von marktbeherrschenden
Unternehmen ein und verlangt von der Wirtschaft einen angemessenen Beitrag zur sozialen
Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, der sich nicht zuletzt auch in der
Personalpolitik der Unternehmen niederschlagen sollte. Ein level playing field mit fairen
Rahmenbedingungen für alle zu schaffen, ist eine Herausforderung, der man nicht gerecht
würde, wollte man sie auf Maßnahmen zugunsten von mittelständischen Tonträgerherstellern
beschränken.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird zu einem wesentlichen Teil durch
Gebühren finanziert. Diesem Privileg gegenüber Privatsendern steht ein Kulturund Bildungsauftrag gegenüber. Sind Sie der Auffassung, dass neue Musik, die
Produktionen inländischer Musikunternehmen und die Vielfalt aller produzierter
Musik angemessen in den Programmen der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten repräsentiert sind? Falls nein: Welche Möglichkeiten sehen
Sie, hier Abhilfe zu schaffen?
DIE LINKE möchte einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dem die Kreativen mehr und die
Verwaltungen weniger zu sagen haben. Nicht die Ökonomie sollte bei ARD und ZDF die Inhalte
diktieren, sondern die Kreativen. Stattdessen erfolgt eine partielle Angleichung der öffentlichrechtlichen und privaten Programme. Qualität und Vielfalt in den Bereichen Information,
Kultur und Bildung drohen zu versiegen. In die verfassungsrechtlich geschützte
Programmautonomie kann und soll allerdings nicht eingegriffen werden. DIE LINKE fordert,
dass die Öffentlich-Rechtlichen auf Werbung verzichten. Dies ist eine Einnahmequelle, die den
Hang zur Massenattraktivität - zu Kommerz und Quote - fördert, wie das
Bundesverfassungsgericht sehr richtig angemerkt hat. Werbeunterbrechungen senken die
Unterscheidbarkeit im dualen System weiter. Ihr Beitrag zur öffentlich-rechtlichen
Finanzierung ist ohnehin gering. Zudem setzen wir uns für die Stärkung der Unabhängigkeit der
Gremien ein, indem ihnen den Parlamenten vergleichbare Rechte zugestanden und sie
entsprechend der bestehenden gesellschaftlichen Vielfalt besetzt werden. Auch wollen wir
Beteiligung ermöglichen, indem die Bürgerinnen und Bürger Mitspracherechte und
Partizipationsmöglichkeiten an der Gestaltung des Programmauftrags erhalten.
Verwertungsgesellschaften
Gerade kleine und mittlere Unternehmen der Kreativwirtschaft, wie sie im VUT
zusammengeschlossen sind, brauchen funktionierende
Verwertungsgesellschaften. Wesentlich sind aus Sicht unserer Mitglieder
Transparenz, Effizienz sowie angemessene Repräsentanz und Mitbestimmung.
Wie beurteilen Sie unter diesen Gesichtspunkten das bestehende System mit
der GEMA und der GVL? Was werden Sie tun, um dieses System zu erhalten,
was, um es zu verbessern?
In ihrem Antrag „Das System der Verwertungsgesellschaften grundlegend modernisieren“
(Bundestagsdrucksache 17/11043) hat DIE LINKE die grundlegende Bedeutung von
Verwertungsgesellschaften hervorgehoben, aber auch notwendigen Reformbedarf
angesprochen. Diesen sehen wir nicht zuletzt in der Binnendemokratie. Dass die GEMA es
einem großen Teil der Wahrnehmungsberechtigten verwehrt, etwa über den Verteilungsplan
abzustimmen, halten wir für unzeitgemäß. Auch bereiten die anhängigen Klagen gegen
Verteilungspläne der VG WORT und der GEMA uns große Sorge. Die hartnäckige Weigerung
der GEMA, Creative-Commons-Lizenzen zuzulassen, ist aus unserer Sicht mit dafür
verantwortlich, dass viele Musikurheberinnen und -urheber sich von der GEMA nicht
angemessen vertreten fühlen. DIE LINKE begrüßt die auf EU-Ebene erhobene Forderung nach
einer größeren Transparenz der Verwertungsgesellschaften, warnt jedoch davor, den Bereich
der kollektiven Rechtewahrnehmung insgesamt rein wettbewerblich zu organisieren. Last, not
least halten wir eine größere Transparenz der Zentralstelle für private Überspielungsrechte
(ZPÜ) für unerlässlich.
Förderinstrument „Initiative Musik“
Seit fünf Jahren erhalten über die Initiative Musik ausgewählte Künstler und die
mit ihnen verbundenen Unternehmen im Bereich populärer Musik anteilige
Projektförderung. Beabsichtigen Sie, diese Förderung nach der Bundestagswahl
fortzuführen und, wenn ja, in welchem Umfang? Wie beurteilen Sie das jährliche
Fördervolumen von aktuell 2,5 Millionen Euro der Initiative Musik für populäre
Musik vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung gleichzeitig die
Filmwirtschaft über Förderprogramme, Auszeichnungen und den Filmförderfonds
mit 90 Millionen Euro unterstützt?
DIE LINKE tritt dafür ein, die Förderung der Initiative Musik auch nach der Bundestagswahl
fortzusetzen und zwar mindestens im bisherigen Umfang.
Die Förderinstrumente der Initiative Musik, sei es die Struktur- oder die Künstlerförderung
oder auch die Kurztourförderung sind in den letzen fünf Jahren zu einem wichtigen Baustein
innerhalb der verschiedenen Fördermöglichkeiten für Musiker und Musikerinnen geworden.
DIE LINKE engagiert sich seit langem für verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen von
Künstlerinnen und Künstlern und begrüßt grundsätzlich die Fördermaßnahmen der Initiative
Musik.
Aus unserer Sicht sollten aber einige Aspekte der Förderungen überdacht werden.
So hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass der zu erbringende Eigenanteil von 60% bei den
Programmen Künstlerförderung und Strukturförderung für viele Musiker zu hoch liegt. Zu viele
Musiker bleiben so von vornherein außen vor und erhalten keine Förderung. Reformbedürftig
ist unserer Meinung nach auch die Tourförderung der Initiative Musik. Die Förderkriterien
bleiben hier unklar, Voraussetzung ist, dass man einen Aufhänger hat mit einer sehr
prominenten Platzierung, also z.B. ein großes Festival, einen Fernsehauftritt, Vorband einer
berühmten Gruppe oder ähnliches.
D.h. Schwerpunkt sind hier weniger künstlerisch interessante Tourneen, sondern mehr
Einzelauftritte und diese auch vorrangig im Pop-Segment. DIE LINKE möchte hier mehr
Nachhaltigkeit, statt der bisherigen punktuellen Förderung, erreichen. Künstlern soll
ermöglicht werden längerfristig und verlässlich zu planen. Hier gibt es im europäischen
Vergleich gute Ansätze z.B. in der Schweizer Exportförderung, dem französischen oder
skandinavischen Modell an denen man sich orientieren könnte.
DIE LINKE tritt insgesamt für den Ausbau der Kulturförderung und insbesondere der
Musikförderung ein, um das bestehende Ungleichgewicht bei der Förderung verschiedener
Sparten zu verringern. Das aktuell 2013 auf 2,5 Millionen Euro erhöhte Fördervolumen der
Initiative Musik sollte verstetigt werden und damit auch der von uns lange geforderte und nun
neu eingeführte Spielstättenprogrammpreis. Dieser ist bereits am Kinoprogrammpreis
orientiert.