Eines schönen Tages, da - Bulletin des médecins suisses

Transcription

Eines schönen Tages, da - Bulletin des médecins suisses
HH
OO
RR
I ZI Z
OO
NN
TS
E
S ci thrai n
V
ue
fenster
Eines schönen Tages, da
Eingeliefert
Leben plattgewalzt
wehrlos, festgeschnallt
auf dem Operationstisch.
Das Skalpell in der Hand des Schicksals
gnadenlos präzise der Schnitt ins Innere.
Betäubt die Träume, seziert
bis auf die Knochen abgeschabt.
Die Nerven blankgelegt, zersägt.
Lebensziele vollnarkotisiert
in Dumpfheit erstickt
Mit Aderklemmen abgewürgt.
Das Glück in rosa Scherben
Pinzette um Pinzette
aus den Wunden gezogen
auf den Abwurftisch gelegt
durch Verzweiflung ersetzt.
Dance macabre
Komm
lass uns feiern
hemmungslos, wirf alles
was krank macht über Bord.
Lebenslust wie Muskelstränge lahmgelegt
ihre Befehlsverweigerung zur Norm erklärt.
Mutlosigkeit eine Tugend
Entbehrung als Auszeichnung.
Entkopple
die Beatmungsmaschine
atme endlich frei und
wag die Kissenschlacht
dass die Federn nur so stieben.
Jacqueline Crevoisier
Wirf
die Bettpfanne mit aller Kraft
durchs geschlossene Fenster
und ergötz dich an
der erhöhten Herzfrequenz.
Streu
in den Instrumentenkorb
die buntesten Blumen und
schalte die Operationstischlampen
auf Schummerlicht.
Schwing dich
an den schwenkbaren Monitorarm
schaukle an ihm wie ein Affe am Kronleuchter.
Schmeiss mit Bananenschalen und lass die
Gesundheitsfanatiker auf ihnen ausrutschen.
Setz dich
ans Röntgenschaltpult
retouchier deine Knochen heil und
programmier den Herzschrittmacher
auf Walzer, Tango und auf Glück.
Komm –
Die Texte von Jacqueline Crevoisier
stammen aus ihrem Gedichtband
«Eines schönen Tages, da»,
erschienen im Verlag Edition Isele,
Eggingen (ISBN 978-3-86142-554-0).
Crevoisier wurde in diesem Jahr
der Zürcher Lyrik-Preis verliehen.
Editores Medicorum Helveticorum
wag es zu feiern
lass die Korken knallen
füll fröhlichen Champagner
in die traurige Infusionsflasche und
steig beseligt aus
deiner vorprogrammierten Urne.
Jacqueline Crevoisier
Bulletin des médecins suisses | Schweizerische Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 46
1721