Leseprobe

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Metamorphose und Halbwesen
Die ‚Cat People‘ – Filme von Jacques Tourneur
und Paul Schrader
Kay Kirchmann
Sigmund Freud, bekanntlich auch ein passionierter Katzenliebhaber, definierte in einem berühmten Aufsatz das Unheimliche unter Rückgriff auf die Wortwurzel des Begriffs als das uns eigentlich Bekannte, als das zu unserem Heim, unserer Heimat, unserer Herkunft Dazugehörige, das uns indes durch den Prozess der Zivilisation entfremdet worden sei.1 Insofern empfinden wir inzwischen als unheimlich, was uns ehedem einmal sehr vertraut war – eine Vertrautheit jedoch, an die wir nur noch ungern
erinnert werden, konfrontiert sie uns doch mit unserer eigenen vorzivilisatorischen
Vergangenheit, die wir menschheitsgeschichtlich hinter uns gelassen zu haben glauben. Denn der von Norbert Elias und anderen Kulturtheoretikern beschriebene „Prozess der Zivilisation“ 2 ist ja in erster Linie eine Geschichte der Affektdomestikation
oder wenigstens -modulation, mithin die zunehmende Bändigung der aggressiven,
animalistischen Elemente unserer Kollektivpsyche mittels der Verinnerlichung von
Verboten, Tabus und Sanktionsandrohungen. Wie dünn aber der solchermaßen über
Jahrhunderte hinweg mühsam errichtete Firniss über unserer Triebstruktur ist, als wie
fragil der Selbst- und Fremdschutz, den unsere Kulturgeschichte uns zu entwickeln
gelehrt und gezwungen hat, sich bei näherer Betrachtung erweist – davon legen die
zahllosen Rückfälle in die Barbarei in den letzten hundert Jahren wahrlich beredtes
Zeugnis ab. Die kollektive Angst vor der gewaltsamen Rückkehr des Verdrängten ist
somit allen kulturellen Anstrengungen unverkennbar eingeschrieben. Und die Psychomotorik des Grauens, des Abscheus und des Ekels,3 die uns in der Wiederbegegnung mit dem im Freudschen Sinne Unheimlichen regelmäßig befällt, ist Ausweis einer dunklen Ahnung darum, dass diese gewaltigen Anstrengungen um den ‚Ausgang
der Menschheit aus ihrer unverschuldeten Herkunft aus dem Tierischen‘ womöglich
niemals vollendet, sondern stets aufs neue zu erbringen sein werden.
Unsere nachgerade närrische Zuneigung zu unseren kleinen vierbeinigen Hausgenossen ist daher nie ganz frei von narzisstischer Selbstbestätigung, auch und gerade
in der erfolgreichen Domestikation der Raubkatze, jener vormaligen Manifestation
animalischer Triebsteuerung schlechthin, in ihrer Bändigung zu unseren putzigen
1
2
3
Vgl. Sigmund Freud: Das Unheimliche, in: Ders., Ges.Werke. 18 Bde., hrsg. von Anna Freud et
al. London/Frankfurt am Main 1948 ff., Band 12, v.a. S. 254 ff.
Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bände, Frankfurt am Main, 2. Aufl., 1976.
Vgl. Julia Kristeva: Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection, Paris 1980.
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kleinen Schmusepartnern, bei denen allenfalls noch der Geruch ihrer Ausscheidungen
an dunklere Abgründe ihrer Abstammung gemahnt. In jenem also fraglos überaus erfolgreich verlaufenen Domestikationsprozess können und wollen wir uns selbst narzisstisch bespiegeln und zugleich beruhigen angesichts gelegentlicher Zweifel daran,
wie erfolgreich der nämliche Prozess denn eigentlich in unserem Inneren wohl verlaufen sei: Denn eine Spezies, die es geschafft hat, die Protagonisten des destruktiv-animalischen Tötungstriebes schlechthin in friedliche Konsumenten von ‚Whiskas‘ zu
transformieren, wird Ähnliches doch wohl auch im Hinblick auf sich selbst zustandebringen. Nebenbei bemerkt: Dies ist letztlich auch der Grund für das Entsetzen, das
uns überfällt, wenn unser kleiner Freund, statt sich genüsslich über die neuen Leckereien aus dem Hause ‚Kittekat‘ herzumachen, halb angefressene Vögel oder Mäuse in
die Wohnung schleppt, und dies offenbar nicht einmal zu Zwecken der Nahrungsaufnahme im engeren Sinne, sondern einfach der ureigensten Lust am Töten gehorchend
– ein wirklich nicht zu duldender Rückfall in den Status des Vorzivilisierten, der unsere Liebe auf eine harte Bewährungsprobe stellt: Sollte da womöglich in unserem
kleinen Hausgenossen doch noch so was ‚von früher‘ am Werke sein ...?
Die Angst vor der eigenen Herkunft aus dem Animalischen, wie sie in solchen Begegnungen in uns emporsteigt, ist indes nur die eine Seite der Medaille. Denn andererseits ist es ja durchaus so, dass besagter Zivilisationsprozess von uns eben auch als
Zumutung, als nur zähneknirschend hingenommene Einschränkung unserer eigenen
Lust an Triebentäußerung empfunden worden ist und wird.4 Daher bereitet uns das
Animalische durchaus immer noch Lust, sehen wir gerade im Raubtier gerne so etwas
wie die Projektionsfigur unseres eigenen Unbehagens an der Kultur. ‚Stolz‘, ‚Kraft‘,
‚Eleganz‘ und ‚unbändiger Wille‘ sind nicht von ungefähr die bevorzugten Begriffe,
die – oft mit seufzendem Unterton vorgetragen – vor den Raubtierkäfigen unserer
Zoos zu vernehmen sind, begleitet vom Gefühl eines wohligen Schauers. Ach, dürften
wir doch auch noch einmal so sein, so frei, so kraftvoll, so ungeniert mörderisch ...
Angstlust, jener merkwürdige Empfindungshybrid, ist somit der dominante Psychomodus unserer Konfrontation mit dem in der Raubkatze virulenten Unbezwingbaren an der Natur. Diese Angstlust in sublimierter Form zu erzeugen und zugleich
zu kanalisieren, ist dadurch aber auch zu einer Aufgabe und Funktion unserer kultureller Praktiken geworden, präziser: zu einer der wesentlichen Funktionsbestimmungen der sogenannten Populärkultur und ihrer Lust am Spektakulären, die der Psychoanalytiker Michel Balint auf die Wiedererweckung ebendieser ambivalenten Gefühlslage, des thrills, zurückgeführt hat – eines thrills, der sich in unserem Alltagsleben zwischen Elternabenden, Bausparvertragsprämien und Sozialversicherungsnummer ansonsten nicht mehr so recht einstellen will.5 Insofern sie (und nur sie) sozial folgenlose
Ventile für unsere ambivalenten Wiederbegegnungsgelüste mit unserer eigenen Ab4
5
Vgl. Sigmund Freud: Abriss der Psychoanalyse. Das Unbehagen in der Kultur. Mit einer Rede
von Thomas Mann als Nachwort, Frankfurt am Main 1992.
Michael Balint: Angstlust und Regression. Mit einer Studie von Enid Balint, Stuttgart, 4. Aufl.,
1994.
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stammung eröffnet, kommt der Populärkultur also eine dezidiert kulturstabilisierende Funktion zu.6 Und in keiner anderen Gattung der Populärkultur wird der hier vorgestellte Subtext des Unheimlichen derart explizit wie gerade im Horror-Genre. Gerade dort lässt sich daher die angstvoll-lustvolle Haltung zum Animalischen als die entscheidende Psychomotorik der jeweiligen Handlungsmuster und somit zugleich als
gattungskonstitutive Rezeptionsfolie erkennen und studieren. Ideengeschichtlich
nimmt das Horror-Genre seinen Ausgang aus den sogenannten ‚Gothic Novels‘ der
englischen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, und damit aus den historisch ersten
Artikulationen des Zweifels am Projekt einer puritanisch-heroischen Selbstüberwindung unserer triebhaften Anteile.7 Die in der Gothic Novel entwickelten Figurenkonstellationen und -typologien schreiben sich erfolgreich bis heute fort und sie schreiben
sich auch medienübergreifend in das Figurenarsenal und die Plot-Strukturen der Horror-Gattung ein: diese nämlich sind bevölkert von Metamorphosen und Halbwesen.8
Sie erzählen also entweder von der temporären Rückverwandlung eines oder mehrerer
Menschen in tierische oder tierähnliche Wesen oder von der anhaltenden Existenz von
Mischwesen, die in sich widersprüchliche Merkmale einander normalerweise ausschließender Seinszustände vereinigen: halb tot, halb lebendig; halb Tier, halb
Mensch; halb Mann, halb Frau; halb Maschine, halb Mensch.9 Die Unterschiede zwischen den beiden Phänomenkomplexen Metamorphose und Halbwesen sind also
letztlich nur gradueller Natur. Ob nun im Sinne einer vorübergehenden Verwandlung
oder im Sinne einer dauerhaften Hybridität – die Horror-Gattung erzählt immer von
Zwittern, von Wesen, die sich unserer kategorialen Zuordnung nachhaltig entziehen
und dadurch zur Bedrohung für unsere sexuellen, kognitiven, ethischen und sozialen
Ordnungssysteme werden.10 Und ebendieses Bedrohungspotential erlaubt es uns
dann, unsere eigenen Ambivalenzen gegenüber jenen Ordnungssystemen in unserer
Rezeption des fraglichen Buches oder Filmes stellvertretend ausgelebt zu sehen, und
hierauf mit besagter Angstlust, mit dem wohligen Schauer des Entsetzens zu reagieren, um uns nach erfolgter Affektmodulation wieder für einige Zeit umstandsloser in
die Zumutungen unserer Zivilisation einzugliedern.
Misch- oder Halbwesen haben seit jeher ein Faszinosum für die menschliche Imagination dargestellt und traditionell wurden solch merkwürdigen Hybriden dämonische Kräfte nachgesagt, wurden sie unmittelbar mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Der Horror-Film, der im 20. Jahrhundert das Erbe der Gothic-Novel im Hin6
7
8
9
10
Vgl. Hans Jürgen Wulff: Die Erzählung der Gewalt. Untersuchungen zu den Konventionen der
Darstellung gewalttätiger Interaktion. (Studien zur Populärkultur 1), Münster 1985.
Vgl. Maggie Kilgour: The Rise of the Gothic novel, London 1995.
Vgl. Claudius Weil / Georg Seeßlen: Kino des Phantastischen. Eine Einführung in die Mythologie und die Geschichte des Horror-Films (Grundlagen des populären Films, hg. von Bernhard
Roloff und Georg Seeßlen, Band. 2), München 1976.
Vgl. Lemma ‚Mischwesen‘ in: Norbert Bormann: Lexikon der Monster, Geister und Dämonen,
Berlin 2000, S. 215 ff.
Vgl. Andreas Kraß (Hg.): Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität – Queer Studies.
Frankfurt am Main 2003, sowie Ellis Hanson (Hg.): Out Takes. Essays on Queer Theory and
Film, Durham, NC 1999.
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blick auf die Popularisierung des Unheimlichen antrat, greift diese Traditionslinie auf
und siedelt das Dämonisch-Zwielichtige nunmehr unmittelbar im menschlichen Körper und der menschlichen Psyche an. Zum berühmtesten Typus des modernen
Mischwesens avancierte dann der Werwolf, jene anthropomorphe Personifikation des
‚reißenden Tieres im Manne‘ und seiner Sexualität. Doch es gibt auch ein weibliches
Pendant hierzu, das es im Folgenden in Gestalt zweier amerikanischer Filmproduktionen vorzustellen gilt: die Katzenfrau. Vielen alten Kulturen war die Katze aufgrund
ihrer phosphoreszierenden Augen und ihrer Assoziation mit dem Nächtlichen immer
schon suspekt. Auch für die Katze lässt sich in der Geschichte des Aberglaubens und
der Grenzwissenschaften eine lange Traditionslinie der Verdammung und der Verbindung mit dem Dunklen und Teuflischen nachzeichnen, von denen selbst heute
noch im Erschrecken vor dem Unglücksboten ‚schwarze Katze von rechts‘ Reste erhalten geblieben sind. Aus Japan z.B. ist der Mythos von der ‚Vampirkatze von Nabeshima‘ tradiert, die in Gestalt einer riesigen Geisterkatze die Geliebte des heimischen
Prinzen tötet, dann deren äußere Erscheinung annimmt und den Prinzen bis in die
Krankheit hinein quält. Als man irgendwann die falsche Identität der Geliebten bemerkt und sie angreift, verwandelt sie sich in ihre ursprüngliche Katzengestalt zurück.11
Spuren dieses Mythos wie auch von der Assoziation der Katze mit Formen der
Teufelsanbetung finden sich denn auch in dem ersten Film, um den es hier geht, in
CAT PEOPLE von Jacques Tourneur aus dem Jahre 1944. Tourneur, Sohn eines bekannten Stummfilmregisseurs,12 drehte die meisten seiner Filme im Gastland USA, darunter mit OUT OF THE PAST einen Klassiker der sogenannten ‚Schwarzen Serie‘ (Film noir
13
) und einige der wichtigsten klassischen Horror-Filme, darunter eben auch CAT PEOPLE. Stilistisch ist dieser Film selbst ein Zwitter, der neben den Genre-Elementen des
Horror-Movies unübersehbare Einflüsse des eben erwähnten Film noir aufweist, v.a.
in seiner Bildgestaltung und in seiner latent misogynen Zeichnung der Frauenfiguren.14 Die Katzenfrau, Irina, stammt aus Serbien und leidet unter ihrer vorgeblichen
Herkunft aus einer dörflichen Sippe von Teufelsanbetern, die der mittelalterliche Serbenkönig Johann einst mit einem Vernichtungsfeldzug strafte. Irina nun wird von der
furchtbaren Ahnung heimgesucht, dass sie sich, sobald ein Mann sie küsst, in einen
Panther verwandeln und den Mann zerreißen würde. Im Glauben an eine geheime
Seelenverwandtschaft verbringt sie Stunden ihrer Freizeit vor dem Pantherkäfig eines
11
12
13
14
Vgl. Lemma: ‚Katzen‘, in: Bormann, Lexikon der Monster, S. 164 ff.
Zum Gesamtwerk und zur Biographie vgl. Chris Fujiwara: Jacques Tourneur. The Cinema of
Nightfall, Jefferson, NC 1998.
Als Film noir oder ‚Schwarze Serie‘ werden die Schwarz-Weiß-Filme Hollywoods der 40er und
50er Jahre bezeichnet, die neben ihrem pessimistischen Erzählduktus durch eine Reihe formaler
Stereotypen verbunden sind wie die kontrast- und schattenreiche Ausleuchtung (sog. ‚Low
Key‘), verwickelte Erzählstrukturen, verkantete Bildeinstellungen, labyrinthische Topographie
etc. Vgl. als jüngere Überblicksdarstellungen: Paul Duncan: Film noir, Harpenden 2000, sowie
Alain Silver/James Ursine: Der Film noir, Köln 2000.
Zur Misogynie im Film noir vgl.: E. Ann Kaplan (Hg.): Women in Film noir, London 1987.
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Die Seelenverwandtschaft Irinas mit
der Raubkatze
Alice als das domestizierte Gegenstück
Irina als todbringende Fremde ...
... deren wahrhafte Dämonie sich erst in
der sexuellen Begegnung entfaltet ...
... der mit den tradierten Schutzsymbolen begegnet werden muss ...
... und die erst im Tod ihre animalische
Identität vollständig offenbart.
amerikanischen Großstadtzoos, wo sie eines Tages den Schiffskonstrukteur Oliver
Reed kennen- und lieben lernt und ihn schließlich heiratet, wodurch ihre düsteren Befürchtungen zum veritablen Alltagsproblem mutieren. Die Ehe wird nicht vollzogen
und letztlich wendet sich der geduldig leidende, aber irgendwann auch resignierende
Oliver seiner kumpelhaften Bürokollegin Alice, die ihn ihrerseits schon seit langem
verehrt hat, zu, woraufhin die Filmhandlung ihrem kathartischen Finale zusteuert.
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Tourneurs CAT PEOPLE – und das möchte ich im Folgenden näher beleuchten –
entwickelt sich entlang dreier einander zuarbeitender Motivstränge: Da ist zunächst
der clash of cultures15, den die serbische Emigrantin mit ihrem seltsam mittelalterlichen
Erbsündeglauben im Konflikt mit der aufgeklärt-entzauberten Faktizität ihrer amerikanischen Umgebung durchleiden muss. Hier prallen jahrhundertealte Tradition und
moderne Geschichtslosigkeit, ländlicher Animismus und urbane Rationalität, ethnische Verwurzelung und transzendentale Obdachlosigkeit unversöhnlich aufeinander.
Nahezu zwangsläufig landet Irina schließlich beim Psychiater, der ihr in dürren Worten das Phänomen der Projektion erklärt, woraufhin sie – zu Recht, wie sich zeigen
wird – erklärt, dieser Mann könne ihr nicht helfen und nicht mehr zu den anberaumten Sitzungen erscheint. Dieser Kulturkonflikt erweist sich auf einer zweiten, tiefenstrukturellen Motivebene aber auch als Abkömmling der eingangs erwähnten Ambivalenz des Unheimlichen. Im archaischen Glauben der wohlgemerkt europäischen Emigrantin an Sünde, an Fluch und an die Option der Rückverwandlung zum Tier begegnet das moderne Amerika einer abgesunkenen Form der unaufgeklärt-mythischen
Weltsicht seiner eigenen Vorfahren. Irinas zivilisationsgeschichtliche Rückständigkeit
muss aufgrund der angesprochenen Angstdynamik somit Gegenstand massiver Verdrängungs- und Leugnungsversuche ihrer Umwelt werden, die schließlich in der Pathologisierung der jungen Frau kulminieren. Noch bevor sich abschließend zeigt, dass
in Irina tatsächlich eine Katzenfrau schlummert, ruft allein ihr Glaube an die Möglichkeit einer solchen Retransformation die tiefsitzenden Abwehrmechanismen einer Gesellschaft hervor, der schon die bloße Ankündigung einer solchen Rückkehr des Verdrängten gleich den ideengeschichtlichen Kontrakt der Aufklärung aufzukündigen
droht.
Der Film eröffnet mit einem mutmaßlich fiktiven Zitat aus einer pseudowissenschaftlichen Abhandlung über den ‚Atavismus‘, also gemäß Duden dem Wiederauftreten von Merkmalen oder Verhaltensweisen aus einem früheren entwicklungsgeschichtlichen Stadium.16 Irina ist aber eben nicht allein in evolutionsgeschichtlicher, biologischer Hinsicht ein atavistisches Phänomen, sondern auch auf ideen- und zivilisationsgeschichtlicher Ebene. Insofern ist sie auf jeder Handlungsebene mit dem Fremden, ergo: dem Bedrohlichen oder eben Unheimlichen im Sinne Freuds konnotiert, ist
sie insofern immer schon ein angsteinflößendes Halbwesen, dass es aus der Gesellschaft auszuschließen gilt, lange bevor sie schließlich auch noch faktisch zum Tier mutiert. Dabei spielt Tourneurs Film genüsslich eine ganze Reihe von Signalen aus, die
verdeutlichen, dass Irinas Umfeld sich zu stark auf die Abwehr des kulturell Andersartigen in Irina kapriziert, dadurch jedoch blind bleibt für die eigentliche Bedrohung, die
15
16
Seit der einschlägigen Publikation Huntingtons ist dieser Topos zum Gegenstand zahlloser
soziologischer, historiographischer und kulturwissenschaftlicher Studien avanciert. Vgl.
Samuel P. Huntington: Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 1996, sowie: Brian Catchpole: The Clash of Cultures. Aspects of Culture
Conflict from Roman Times to the Present Day, London 1981.
Duden, Das große Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter, hrsg. vom
Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion, Mannheim et al. 2000, S. 154.
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von Irinas biologisch gegründeter Differenz ausgeht: So spielen die Tiere in jenem Pet
Shop, den Irina gemeinsam mit Oliver aufsucht, um das ihr ursprünglich zugedachte
Katzen-Geschenk gegen ein anderes Tier umzutauschen, nachgerade verrückt und reagieren mit allen Anzeichen der Bedrohung durch eine gefährliche Spezies. Erst als Irina, die solche Reaktionen, anders als ihre Umwelt, sehr wohl zu deuten weiß, vorsorglich die Zoohandlung verlässt, beruhigen sich die aufgebrachten Tiere augenblicklich
wieder. Den dieser Umtauschaktion entstammenden Kanarienvogel ereilt im weiteren
Verlauf des Filmes dann der Herzstillstand, als Irina ihn aus dem Käfig zu nehmen
versucht – wiederum ein Indiz, das Oliver zu deuten unfähig ist und daher den unvermittelten Tod des Vogels auf triviale, jedoch rational erklärbare Umstände zurückzuführen sucht. Und bereits die Hochzeitsfeierlichkeiten werden von einer weiteren derartigen Vorausdeutung überschattet, als eine völlig fremde (!), katzenartig geschminkte (!), vamphaft anmutende (!) Frau Irina in ihrer Muttersprache anspricht und als
‚Schwester‘ tituliert, worauf diese mit einem Tränenausbruch reagiert. Der unerklärt
bleibende Auftritt dieser dezidiert als sexuell aktiven Frau konnotierten Fremden verweist bereits auf das dritte Konfliktfeld der Filmhandlung, das um zwei unterschiedliche Konzepte weiblicher Sexualität zentriert ist, die sowohl in Irina und Alice personifiziert sind, als auch in den diesen Frauen jeweils zugeordneten Katzen noch einmal
symbolisiert werden. Denn hinter Irinas erotischer Verweigerung scheint unübersehbar eine viel dunklere Leidenschaft hindurch, als die vergleichsweise freizügiger, aber
zugleich erotisch eher bieder und betont mütterlich wirkende Alice Oliver jemals wird
bieten können. Psychoanalytisch betrachtet, erscheint Irinas Angst vor dem Ausbruch
ihrer animalischen Destruktivität im Moment der erotischen Erweckung somit als
Selbstschutzmechanismus vor den Abgründen der totalen Triebhaftigkeit, von deren
möglicher Herrschaft sie sich selbst und vor allem ihren Mann (zu Recht) völlig überfordert vermutet. Ihre im Film stets verdeckt bleibende Form der Sexualität ist daher
mit dem Verschlingenden, dem Vernichtenden assoziiert und wird der Raubkatze
gleichgestellt.17 Vor der dunklen Archaik dieses Eros, vor seiner dionysischen, eben
nicht kultivierbaren Sprengkraft fürchten sich die zivilisierten Wesen, Menschen wie
Hauskatzen gleichermaßen. Signifikant ist daher, dass die ursprünglich Irina zugedachte Katze vor dieser entsetzt zurückweicht, während Alice in dieser Katze ein süßes Schmusetier erblickt und schlussendlich auch ihre Besitzerin wird.
In der Opposition von Haus- und Raubkatze wird also der Konflikt zwischen domestizierbarer und unkultivierbarer weiblicher Sexualität durchgespielt, worin sich
zugleich die zeitgenössische Verunsicherung des amerikanischen Mannes vor der
kriegsbedingt gewachsenen Autonomie der Frauen auch und vor allem auf dem erotischen Sektor unzweideutig niederschlägt. Alices Sieg über die animalische Rivalin
entspricht aber auch der grundlegenden affirmativen Struktur des klassischen Horror-Films, dessen Funktion, so Weil und Seeßlen in ihrer „Geschichte und Mythologie
des Horror-Films“, u.a. darin besteht, „vor den Gefahren der fremden Liebhaberin zu
17
Zur Assoziation der Katze mit einer als ‚dunkel‘ apostrophierten weiblichen Sexualität vgl.
Lemma ‚Katze‘, in: Hans Biedermann: Knaurs Lexikon der Symbole, Augsburg 2000, S. 232 f.
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warnen, der verschlingende, reißende, also destruktive Attribute beigeordnet werden.
[...] [So lässt sich] die Katzenfrau Irina als die exotische [...] Liebhaberin ansehen, die
den amerikanischen Mann seiner Mutter/Frau entfremdet. [...] [Die Aufgabe] des Mythos vom Halbwesen ist es, die mythische Einheit von Vater, Mutter, Kind [ersatzweise: Hauskatze, KK] gegen die Einflüsse von außen und die Widersprüche von innen
zu verteidigen.“18
Zur verschlingend-destruktiven Figuration der Raubkatzen-Frau gehört natürlich
auch die Jagd, hier eben die eifersuchtsgeleitete Jagd auf die Rivalin, die zu vorübergehenden ersten Metamorphosen von Irina führt. So wird Alice, nachdem sie sich von
Oliver verabschiedet hat, nachts von einem nie direkt gezeigten ‚Verfolger‘ durch die
Straßen gejagt, bis ihr ein anhaltender Omnibus endlich Zuflucht bietet. Der Film zeigt
im Anschluss an diese Rettung in letzter Minute, wie sich bei und an Alice’ unsichtbar
bleibender ‚Verfolgerin‘ menschliche Fußspuren in Krallenabdrücke verwandeln und
die frisch geweckte Mordlust nunmehr an einer Schafherde gestillt wird ... Letzte
Zweifel an der Identität Irina-Raubkatze werden dann in jener Sequenz getilgt, in der
Olivers Gattin ihrer Nebenbuhlerin heimlich ins Schwimmbad folgt: Nach dem plötzlichen Verlöschen des Lichts schleicht unübersehbar und unüberhörbar eine dunkle,
angriffslustige Raubkatze um das Becken mit der einsamen und verängstigten Alice.
Noch bevor deren Hilfeschreie die Bademeisterin herbeirufen können, stellt Irina (wieder in Menschengestalt) das Deckenlicht wieder an und erklärt Alice’ Verhalten kurzerhand zur unerklärlichen Angstreaktion. Allein das offenkundig von Krallen zerfetzte Badetuch der Rivalin zeugt danach noch von der Berechtigung dieser Ängste.
Das kathartische Finale trägt sich zu, nachdem Oliver Irina zugunsten von Alice
verlassen hat. Wiederum zur Raubkatze mutiert, bedrängt die Verlassene das neue
Paar im Dunkel des verlassenen Bürogebäudes, bis Oliver sich der Schutzmaßnahmen
eines ganz anderen Horror-Subgenres erinnert: Er formt ein Kreuz, das die Katze
schließlich in die Flucht treibt, und formuliert darin die bis dato latente Assoziation
von Irina mit den Mächten des Dunklen unmissverständlich aus. Letztendliches und
wohlgewähltes Opfer der ersten und zugleich finalen erotischen Begegnung Irinas
wird daraufhin der reichlich schmierige Psychiater, der auf die telefonisch übermittelten Avancen Irinas unverzüglich eingeht und zu ihr eilt, nur um dort der lange prophezeiten Metamorphose der Frau in die (sexuell) verschlingende Raubkatze zu erliegen. Mit ihm unterliegt zugleich der Vertreter der Ratio jener Archaik des Eros, an dessen Destruktionskraft er sich so beharrlich zu weigern glaubte. In dieser Szene also
tritt der erotische Subtext der Katzenfrau-Figur endgültig ins Manifeste über. Irinas
letzter Gang führt sie hiernach in den Zoo zu jenem heimlichen Artverwandten, wo
sie dann das (von ihr offenbar bewusst gewählte) Schicksal ausgebrochener Raubtiere
ereilt ... Das in – wie gezeigt – gleich dreifacher Weise ‚Fremde‘ ist besiegt, die Rückkehr des gesellschaftlich Verdrängten wurde (bis auf weiteres) erfolgreich abgewehrt.
18
Weil/Seeßlen, Kino des Phantastischen, S. 77 f.
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Im Jahre 1981 verfilmte Paul Schrader den Stoff mit Nastassja Kinski und Malcolm MacDowell in den Hauptrollen unter gleichem Titel noch einmal. Schrader, ein
großer Stilist des jüngeren Kinos, hat lange als Drehbuchautor für Martin Scorcese gearbeitet, u.a. bei Taxi Driver, bevor er selbst mit Filmen wie „Ein Mann für gewisse
Stunden“, „Mishima oder Der Trost von Fremden“ als Regisseur Ruhm erlangte. Mit
Scorcese verbindet Schrader ein jesuitisch-apokalyptischer Erlösungsfatalismus, der
ihn sowohl zu einem subtilen Kenner transzendentaler Filmstilistik19 werden ließ als
auch seine Interpretation von CAT PEOPLE unübersehbar prägt. Die Namen der wichtigsten Protagonisten – Irina, Oliver, Alice – hat Schrader ebenso übernommen wie einige Schlüsselszenen, so etwa die Schwimmbadszene. Ansonsten jedoch arbeitet er
die Vorlage Tourneurs in narrativer und in allegorischer Hinsicht entscheidend um.
Der Topos der Erbsünde taucht auch bei Schrader auf, hier jedoch sehr viel expliziter,
indem schon der Opener dieses Films die archaische Situation des Menschenopfers
unmittelbar in Relation zu seiner Irina setzt: Das Gesicht einer den Raubkatzen als sexuelle Opfergabe überlassenen Jungfrau eines vorzeitlichen Stammes wird in einer die
Jahrtausende kühn überspringenden Ellipse in die Großaufnahme der Protagonistin
Irina überblendet, einer jungen Frau, die, als Waisin großgeworden, nach Jahren in einer Pflegefamilie zu ihrem älteren Bruder Paul zieht, was zugleich eine entscheidende
Erweiterung des bisherigen erotischen Dreiecks darstellt. Paul arbeitet als Pfarrer in
New Orleans, einem in der amerikanischen Imagination rundum phantasmatisch aufgeladenen Ort, einem Ort der Sümpfe, des Voodoos, des Übersinnlichen. Paul wie Irina sind ‚Cat People‘ mit allen bei Tourneur schon dargelegten Implikationen, was die
Optionen erotischer Erfüllung angeht, und sie sind Nachfahren der geopferten Jungfrauen des Mythos, mithin Sprösslinge einer sodomitischen Vereinigung. All dies jedoch wird Irina, die im Gegensatz zu ihrem Bruder um ihre Verfallenheit an diese Erbsünde nicht weiß, erst sehr viel später im Film durch eine Vision enthüllt werden.
Paul, wohlgemerkt ein Pfarrer, weiß um den Preis, den dieser Fluch verlangt, lebt
aber dennoch nicht enthaltsam, sondern beschläft und tötet nach seiner anschließenden Mutation zum Tier diverse Prostituierte und Frauen mit zweifelhaftem Intelligenzquotienten. Kurz nach Irinas Ankunft wird er jedoch bei einem dieser Morde
noch in Raubkatzengestalt gefangen genommen und landet im Zoo von Oliver und
Alice, die bei Schrader eben zu Veterinären und Zoodirektoren geworden sind. Irina,
die für das gefangene Raubtier eine merkwürdige Faszination entwickelt, ohne zu
wissen, dass es sich dabei um ihren plötzlich verschwundenen Bruder handelt, lernt
Oliver in dessen Zoo kennen und beide verlieben sich ineinander. Dies nun wird zur
doppelten Problemkonstellation des weiteren Films: einmal, weil auch Schraders Irina
den sexuellen Vollzug mit Oliver insgeheim fürchtet und meidet; zum anderen, weil
Paul, nach dem Mord an einem Zoowärter wieder zum Menschen retransformiert,
durch Irinas Affektion für Oliver nunmehr seinen Wunsch nach Erlösung vom Teu19
Vgl. hierzu die brillanten Analysen Schraders in seiner Studie: Transcendental Style in Film:
Ozu, Bresson, Dreyer, New York 1988.
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Die Genealogie der „Cat People“ bewirkt ...
... die Transformation zur Raubkatze bei
Bruder ...
... wie Schwester ...
... nach der sexuellen Vereinigung mit
Dritten ...
... und kann erst durch den finalen
Opfergang ...
... in gnadenvolle Koexistenz verwandelt
werden.
felskreis des Begehrens und Tötens fundamental gefährdet sieht. Diese Erlösung nämlich kann für ihn wie für Irina nur im Inzest bestehen, allein Bruder und Schwester
können sich lieben, ohne dadurch zu Raubkatzen mit all den schrecklichen Konsequenzen zu mutieren. Paul stellt daher Irina immer wieder nach, will sie von ihrer Liebe zu Oliver abbringen und für sich gewinnen. Er enthüllt ihr schließlich den Fluch,
dem sie beide unterliegen, sowie sein Lösungskonzept. Er kann jedoch Irina hiervon
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nicht überzeugen und wählt schließlich den Sprung in den Tod. Irina selbst bekommt
eine erste schreckliche Vorahnung vom Tier, das in ihr steckt, bei ihrem ersten Ausflug
mit Oliver zu dessen Jagdhütte. Aus unruhigem Schlaf erwacht, begibt sie sich des
Nachts in den benachbarten Wald – eine Szene, die Schrader fast schon überdeutlich
als Allegorie des biblischen Sündenfalls inszeniert, wenn die nackte Irina einer Schlange begegnet und hernach von unbändiger Mordlust überfallen wird, die sie an einem
Kaninchen stillt. Doch erst nach dem Tod ihres Bruders und nach der Vision, die ihr
die Wahrheit über ihr Schicksal enthüllt hat, wagt Irina die entscheidende Probe: Sie
lässt sich von Oliver entjungfern. Während Oliver bereits schläft, geht sie ins Bad und
schmiert sich das Deflorationsblut ins Gesicht – ein weiteres signifikantes Detail in einem narrativen Kosmos, der um den symbolischen Konnex von Blut, Sexualität, Sünde und Vergebung zentriert ist. Eine geraume, spannungsvolle Weile, nachdem sie
sich voll ängstlicher Erwartung wieder zu Oliver ins Bett gelegt hat, scheint die bedrohliche Mutation zunächst auszubleiben, nur um sie dann letztlich doch noch zu
überkommen. Kurzfristig den erwachten Oliver bedrohend, verschont die Raubkatze
Irina (anders als ihr Bruder ehedem) den vormaligen Liebespartner letzten Endes und
flieht durch einen Sprung aus dem Fenster.
Am Ort ihrer ersten Liebesbegegnung trifft Oliver schließlich Irina wieder, die nach
dem Mord an Olivers Wildhüter wieder zum Menschen geworden ist. Die Erlösung,
die sie selbst ihrem Bruder nicht gewähren konnte und wollte, fordert Irina nun von
Oliver ein. Und der finale Beischlaf wird von Schrader wieder mit visuellen Anspielungen auf Erlösung und Märtyrium gespickt, so etwa wenn Oliver Irina auf deren
Wunsch hin mit Händen und Füßen an den Bettrahmen fesselt (sie ‚kreuzigt‘), bevor
er ihrer menschlichen Existenzform mit einem zweiten und letzten Koitus ein Ende
setzt. Dieser Liebes- und Opfertod wird von Schrader als eine rundum rituelle und insofern archaische Handlung inszeniert, die die sodomitische Verfehlung der Vorfahren durch ein Sühneopfer auszulöschen trachtet und in ebendiesem symbolischen
Fluchtpunkt die Inklinationen des Regisseurs zu jesuitischen Grundüberzeugungen
unzweideutig ausweist. Wie von ihr erwünscht, darf Irina den Rest ihres Lebens als
Raubkatze hinter den Käfiggittern von Olivers Zoo verbringen, wo die beiden sich
nunmehr täglich sehen können ... Die Passion geht also weiter.
Die Bedrohung der Kultur durch das anarchische Potential der Sexualität liegt in
Schraders Version also weniger im Begehren der Frau begründet, als in der mit Sünde
assoziierten Option der Geschwisterliebe. Daher fallen in Schraders Version die misogynen Subtexte Tourneurs ebenso fort wie die kulturellen und zivilisationsgeschichtlichen Differenzen zwischen den Figuren (und entsprechend gibt es in diesem Film
auch keine Hauskatze). Stattdessen nutzt Schrader den Stoff zu einer Reflexion über
die Verfallenheit des Menschen an das Fleischlich-Animalische und die Sehnsucht
nach Erlösung. Diese kann jedoch nur gewähren, so die fraglos sehr katholische Botschaft dieses Films, wer der Erbsünde durch den Verzicht auf irdisches Glück seinen
Tribut zollt, wer aus Liebe zum Opfer bereit ist. In seiner Transformation der grundlegenden Tier-Mensch-Dialektik von einer kulturgeschichtlichen auf eine heilsgeWischermann, Von Katzen und Menschen
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Kay Kirchmann
schichtliche Deutungsebene transzendiert Schrader fraglos bereits den engeren Rahmen des Horror-Genres. Mit diesem und damit auch mit Tourneurs Vorläuferfilm teilt
er andererseits aber die tiefe Ambivalenz gegenüber der eigenen Herkunft und die nagende Sorge davor, dass wir unserer Herkunft letztlich niemals wirklich werden entrinnen können – und somit ist auch seine Variation des CAT PEOPLE-Stoffes ganz im
Sinne Freuds durch und durch unheimlich.
Wischermann, Von Katzen und Menschen
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