Stadt der Enklaven - Geographisches Institut - Hu
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Stadt der Enklaven - Geographisches Institut - Hu
Mobilität organisieren Ressourcen sichern Freiräume schützen ZEITSCHRIFT FÜR STADT-, REGIONAL- UND LANDESENTWICKLUNG 2/2009 Siedlungsentwicklung bündeln Gifhorn Renaissance der Städte Wolfsburg Stadtentwicklungspolitik Peine Braunschweig Stadtplanung Helmstedt Immobilienentwicklung Wolfenbüttel Informationen über Leitbilder und Ziele für die nachhaltige Raumentwicklung sind beim Zweckverband Großraum Braunschweig Frankfurter Straße 2, 38122 Braunschweig einzusehen Besser und einfacher geht es per Internet: www.zgb.de Regionalplanung NEUES ARCHIV FÜR NIEDERSACHSEN Regionales Raumordnungsprogramm für den Großraum Braunschweig 2008 Goslar ISSN 0342-1511 Salzgitter Sichern Ordnen Entwickeln Neues Archiv für Niedersachsen 2 | 2009 Z eitschrift f ü r S tadt- , R egional - und L andesentwicklung Neues Archiv für Niedersachsen 2 | 2009 Beirat: p Frauke Herritsch-Öchsner (Redaktion) c/o Mann + Maus oHG, Große Düwelstraße 28, 30171 Hannover Tel.: 0511-844 898 25, E-Mail: [email protected] p Annedörthe Anker Impressum: Am Weidengrund 1, 38112 Braunschweig Neues Archiv für Niedersachsen Nr. 1/2009 © Wissenschaftliche Gesellschaft Tel.: 0531-321 832, E-Mail: [email protected] p Dr. Arno Brandt zum Studium Niedersachsens e.V., Hannover NORD/LB, Friedrichswall 10, 30159 Hannover www.wig-niedersachsen.de p Herausgeber: Tel.: 0511-361 5104, E-Mail: [email protected] p Prof. Dr. Dietrich Fürst WIG Wissenschaftliche Gesellschaft Westermannweg 35, 30419 Hannover zum Studium Niedersachsens e.V. p Verantwortlich für diese Ausgabe: Prof. Dr. Axel Priebs, Prof. Dr. Dietrich Fürst p Gestaltung: Tel.: 0511-797 662, E-Mail: [email protected] p Prof. Dr. Axel Priebs Region Hannover, Höltystraße 17, 30171 Hannover Tel.: 0511-6162 2565, E-Mail: [email protected] p Prof. Dr. Hansjörg Küster Kerstin Demel, Mann + Maus oHG Universität Hannover, Institut für Geobotanik p Druck: Nienburger Str. 17, 30167 Hannover Druckhaus Pinkvoss, Hannover Telefon: 0511-762 3632 p Bestellungen an: Wissenschaftliche Gesellschaft E-Mail: [email protected] p Prof. Dr. Dietmar Scholich zum Studium Niedersachsens e.V. Akademie für Landesplanung und Raumforschung z. Hd. Frau Christa Bartelt Hohenzollernstraße 11, 30161 Hannover c/o Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH Tel.: 0511-348 4237, E-Mail: [email protected] p Alexander Skubowius Bödekerstraße 7, 30161 Hannover Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung Tel.: 0511/3997-215; Fax: 0511/3997-200 Königstraße 53, 30175 Hannover E-Mail: [email protected] p Bildnachweis Titelmotiv: Tel.: 0511-1233 1630, E-Mail: [email protected] p Dr. Jobst Seeber Dr. Arno Brandt Transferstelle dialog Carl von Ossietzky Universität Oldenburg | regio GmbH Tel.: 0441-789 2912, E-Mail: [email protected] EDITOR I A L EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, Renaissance der Städte - nur „gefühlt" und nicht statistisch erwiesen? Der Begriff wird von einigen Fach- zwar inzwischen auch in Mittelstädten. Welche Potenziale für Stadtentwicklungspolitik sie entfalten, leuten kritisiert, weil die Städte nie ihre Bedeutung und Attraktivität verloren haben, andererseits noch vor hängt zu einem großen Teil von ihrer Lage ab. In der Nähe von hochwertigen Innenstadt-Einkaufsmög- 20 Jahren vom Bedeutungsverlust der Kernstädte gesprochen wurde. Neu ist, dass erstens die globalisier- lichkeiten können sie eine Attraktivitätssteigerung für die Städte bedeuten und komplementäre Maßnah- te Wissensgesellschaft verbunden mit demographischen Alterungsprozessen der wirtschaftlichen, sozia- men der alteingesessenen Händler sowie der Stadt auslösen. Sie können aber andererseits kontraproduk- len, kulturellen und letztlich auch infrastrukturellen Vielfalt der Städte ein großes Gewicht zuordnet und tiv wirken, wenn sie neue Zentren neben den bestehenden Zentren induzieren. In Reaktion darauf setzt dass zweitens die Städte sich ihrer härter gewordenen Wettbewerbssituation bewusst werden und sich sich das Konzept der Business Improvement Districts in Deutschland durch, bei dem private innerstädti- intensiver um eine attraktivitätssteigernde Stadtentwicklung bemühen. Häufig erschöpft sich der Ansatz sche Unternehmen sich zusammentun, um gemeinsam ihre Straße oder ihr Viertel attraktiver zu machen. allerdings in Großprojekten, Großveranstaltungen und Großer Symbolik (zum Beispiel unter Mitwirkung Robert Pütz, Geographieprofessor in Frankfurt/M., zeigt in seinem Beitrag die Potenziale und Probleme von Stararchitekten) und wird in der Regel über Formen der Public-Private Partnership organisiert. auf, die dieser, aus Kanada und den USA übernommene Ansatz im deutschen Handlungsrahmen bewir- Immer weniger kommt es allerdings auf die einzelnen Städte an, sondern auf ihre Einbindung in ein re- ken kann. Auch hier ist die Kommune involviert, weil sie meist komplementäre Leistungen im Umfeld gionales Netzwerk von Kommunen, die zunehmend auch arbeitsteilig zusammenarbeiten. Die „Region ist beisteuern und eine entsprechende Satzung erlassen muss, damit die relevanten Akteure Entscheidungs- die Stadt“ war deshalb der Titel einer gemeinsamen Veranstaltung (1998) der beiden raumplanerischen sicherheit haben und die Koordination ihres Handelns effektiver gestaltet werden kann. Akademien ARL und DASL. Prozesse der Stadtentwicklung unter überregionalem Wettbewerbsdruck sind schwierig zu gestalten: Sie Heft 2/2009 versucht, zum Stand der Diskussion einen Überblick zu verschaffen. Ilse Helbrecht, Geogra- sind langfristig angelegt, müssen privates Kapital mobilisieren und auf einen breiten Konsens in der kom- phieprofessorin an der Humboldt-Universität Berlin, zeigt an Beispielen von Chicago und London, wie munalen Gesellschaft gestützt werden, auch wenn dabei Entscheidungen von den heute Lebenden für Städte in der Wissensgesellschaft einen neuen Typus der Städter ausbilden, die sich „auszugrenzen“ ten- diejenigen in 10 bis 15 Jahren getroffen werden. Wegen der hohen Bindungen durch bestehende Bauten, dieren - entweder einer Ideologie der „Ethik der Autonomie“ folgend oder auf der Suche nach sicheren, fehlende Freiflächen, private Bodenrechte und Finanznot der Kommunen sind solche Prozesse zudem ho- übersichtlichen Stadtteilen von hoher Lebensqualität. Helbrecht warnt vor der damit verbundenen Ge- hen Restriktionen ausgesetzt. Wie man damit umgehen kann, wird von Rolf Wernstedt (früherer Land- fahr, Toleranz und Offenheit in den Städten durch Ausgrenzungen zu verlieren. Klaus Habermann-Nieße, tagspräsident von Niedersachsen und Moderator im Stadtentwicklungsprozess „Hannover 2020“) aus In- Inhaber eines bundsweit agierenden Büros für Stadtplanung (Hannover), geht auf ausgewählte Probleme siderperspektive skizziert. Er macht u. a. darauf aufmerksam, dass solche Prozesse nicht nur unter archi- deutscher Städte ein (Abbau von Segregation, Förderung nachhaltiger Stadtentwicklung u. ä.) und zeigt, tektonisch-städtebaulichen Aspekten, sondern mit hoher politischer Sensibilität zu führen sind: Sie kön- dass für die entsprechenden Stadtentwicklungsstrategien Bürgermitwirkung essentiell ist. Städte müs- nen Erwartungen wecken, die später nicht zu befriedigen sind; sie können der Steuerungsmacht der sen dafür den Rahmen schaffen, Planungsbüros können dabei intermediäre Funktion wahrnehmen - eine Kommune entgleiten und immer mehr unter privatwirtschaftliche Imperative geraten. Der Beitrag zeigt Renaissance der Städte muss kollektiv gestaltet werden. Vor allem die Großprojekte sind ambivalent zu aber auch: Selbst unter den schwierigen Bedingungen moderner deutscher Städte bleibt Spielraum für beurteilen, worauf Susanne Heeg (Geographie-Professorin an der Universität Frankfurt/M.) eingeht. Ei- gestaltende Stadtentwicklungspolitik – wenn man ihn denn wahrnimmt und nutzt. nerseits verschaffen sie den Städten wichtige Impulse, überregionale Aufmerksamkeit und Attraktivitäts- Außerdem finden Sie in dem Heft einen sehr interessanten Beitrag von Jörg Jerusel von der Universität gewinne. Andererseits zwingen sie den Städten stadtplanerische Imperative auf. Es kommt dann auf eine Hannover über die Leistungskraft niedersächsischer Forschungseinrichtungen in der Einwerbung von positiv-kooperative Gemeinschaftsleistung von Stadt und Investor an, um städtischen wie privatwirt- Drittmitteln aus der EU-Forschungsförderung – hochinteressante Zahlen, auch in ihrer regionalen Vertei- schaftlichen Interessen gleichermaßen gerecht zu werden. Deutlich wird aber, dass sich daraus neue lung. Und wie immer bietet dieses Heft einen Überblick über die neueste Literatur zu Themen nieder- Handlungsmöglichkeiten für eine langfristig angelegte Stadtentwicklungspolitik ergeben können. Das sächsischer Landeskunde, in bewährter Weise von Siegfried Hübner zusammengestellt. betrifft nicht nur Großstädte, sondern vermehrt auch Mittelstädte, wie Rolf Junker und Gerd Kühn (Stadtplaner am DIFU/Berlin) am Beispiel der Einzelhandelsgroßprojekte für Osnabrück und Wilhelmshaven zeigen. Denn seit Mitte der 90er Jahre werden solche Projekte verstärkt in den Innenstädten platziert, und Ihre Axel Priebs Dietrich Fürst (Verantwortliche für dieses Heft) II III Autoren Inhalt Dr. Ing. Klaus Habermann-Nieße Dr. Gerd Kühn plan zwei Stadtplanung und Architektur Deutsches Institut für Urbanistik Morgensternweg 17 A, Straße des 17. Juni 110 30419 Hannover 10623 Berlin Tel.: 0511-279495 41 Tel.: 030-39001 255 Fax: 0511-279495 59; Fax: 030-39001 268 [email protected] [email protected] Inhalt Themenschwerpunkt: Renaissance der Städte Ilse Helbrecht „Stadt der Enklaven“? Neue Herausforderungen der Städte in der globalen Wissensgesellschaft Klaus Habermann-Nieße Neuere Tendenzen in der Stadtentwicklungspolitik Susanne Heeg Immobilienwirtschaft und Stadtplanung – property-led development in der Stadtentwicklung Prof. Dr. Susanne Heeg Prof. Dr. Robert Pütz Institut für Humangeographie Institut für Humangeographie JWG-Universität JWG-Universität Robert-Mayer-Str. 6 – 8 Robert-Mayer-Str. 6 – 8 60325 Frankfurt am Main 60325 Frankfurt am Main Tel.: 069-798 22278 Tel.: 069-798 28792 Rolf Junker und Einkaufscenter und Innenstädte – Trends, Auswirkungen, Fax: 069-798 28173 Fax: 069-798 28173 Gerd Kühn Handlungsempfehlungen [email protected] [email protected] Robert Pütz Business Improvement Districts als Instrument der Quartiersentwicklung Rolf Wernstedt Hannover City 2020 – Mehr Demokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess Hannover Prof. Dr. Ilse Helbrecht ; Waldstr. 11 Unter den Linden 6, 30823 Garbsen 10099 Berlin Tel.: 05137-875373 [email protected] [email protected] Fax: 030-2093 6853 Jörg Jerusel 18 34 52 72 Prof. Rolf Wernstedt TU Berlin, Geographisches Institut Tel.: 030-2093 6830 2 88 Berichte Jörg Jerusel Niedersachsen im Fokus der EU-Forschung: Die Teilnahme von niedersächsischen Einrichtungen am 6. Forschungsrahmenprogramm der EU 96 Leibniz Universität Hannover; Dezernat für Forschung und EU-Hochschulbüro Brühlstraße 27 30169 Hannover [email protected] Rolf Junker Dipl.-Ing. Rolf Junker Büro Junker & Kruse Stadtforschung/Planung Dortmund IV Literatur Siegfried Hübner Neue Literatur zu Niedersachsen, Bremen und Hamburg 124 „S tadt der Enklaven“? Ilse Helbrecht „Stadt der Enklaven“? Neue Herausforderungen der Städte in der globalen Wissensgesellschaft 1. Einleitung mational city“ (Castells 2000) zunächst die harten Standortfaktoren der Wissensökonomie im Vorder- 2 „Jedes Geheimnis, jedes Wissen ist in seiner Ge- grund standen, wie etwa das Vorhandensein von sellschaft geborgen; jede menschliche Gesell- Hightech-Infrastrukturen etc., so hat sich jüngst schaft ist Wissensgesellschaft, seit Jahrmillionen. der Fokus der Debatte stark auf die kulturellen und Jede hütet ihre Überlieferungen, und seien sie des städtebaulichen Erfolgsfaktoren von Städten in der Teufels, verwaltet oder mehrt ihren Schatz, stellt, Wissensgesellschaft verschoben. So vertritt Ri- was sie weiß, auf Dauer. Jede lebt von ihrem chard Florida (2002, 2005) markant die These, wo- Wissen seit dem Zuhauen handlicher Chopper, der nach ein Aufschwung kreativer Talente in der Stadt Rathäusern Australiens, der USA, Kanadas wie einen kausalen Zusammenhang, wonach im inter- frühesten Domestikation von Tieren, dem allerers- mit einer Zunahme an Diversität und Toleranz in- auch in Europa (vgl. Helbrecht/Meister 2007, nationalen Wettbewerb um Talente jene Städte ten Anbau von Getreide bis hin zu den gigan- nerhalb der Bevölkerung einhergehe. Um das Atkinson/Easthope 2009). Der marketingwirksame und Regionen Standortvorteile haben, die sich tischsten Unternehmungen zur Erforschung der volkswirtschaftlich begehrte Humankapital lokal Dreiklang der Begriffe „Technologie, Talent und durch eine ethnisch, demographisch und kulturell Erde und des Kosmos. Und eine jede dürstet nach zu attrahieren, müssten weiche Faktoren wie das Toleranz" wirbt weltweit politisch effektiv für eine gemischte Zusammensetzung der Bewohner- Wissen, das ihr über andere Macht verleiht.“ (Fried „people climate“ in einer Stadt besondere Auf- Argumentation, die behauptet, der Aufstieg der schaft auszeichnen? Braucht Kreativität soziode- 2002, S. 17) merksamkeit erfahren. Floridas Thesen haben da- kreativen Ökonomie würde nicht nur zu einer mographische ebenso wie ethnische Diversität der Kann es eine Renaissance der Städte geben ohne bei nicht so sehr globale Verbreitung gefunden, Wiederkehr der Städte führen. Vielmehr würden Bevölkerung und Toleranz als Nährboden (vgl. Flo- eine gravierende Veränderung ihrer urbanen Kul- weil die Gemeinde der Wissenschaftler mit großer geradezu philanthropische Städte mit positiven rida 2002)? tur? Und welcher Art werden der Wandel der Überzeugung seiner Argumentation gefolgt wäre. sozialkulturellen Standortfaktoren wirtschaftlich In den Gegenargumenten zu Richard Florida wird Stadtkultur und der Stadtgesellschaft sein, die mit Vielmehr ist der politischen Anwendbarkeit von besonders erfolgreich sein. Gerade jene Städte, die vielfach betont, dass Creative City Politics exklusiv einer „Wiedergeburt“ – denn das bedeutet Renais- Floridas Thesen ihre heute große Verbreitung zu ästhetisch anspruchsvoll gestaltet sind und sich wirken würden, weil sie als neoliberale Wachs- sance – der Stadt unter den Bedingungen der „verdanken“. Ich vermute, wohl kaum hat in der menschenfreundlich geben, indem sie eine offene, tumsstrategie und Hightech-Förderung Verdrän- Wissensgesellschaft einhergehen? Geschichte der Stadt- und Regionalwissenschaf- tolerante, lebenswerte urbane Kultur entwickelten, gungsprozesse induzierten. Ärmere Stadtbewoh- Die neuen Stadtqualitäten in Zeiten der Wissens- ten jemals zuvor ein wissenschaftlich generiertes würden kreative Köpfe anziehen. Insbesondere der ner würden durch Gentrification aus ihren Quartie- gesellschaft werden seit Jahren intensiv diskutiert Konzept zur Stadtentwicklung so rasch einen so letzt genannten Punkt steht international im Zent- ren verdrängt, öffentliche Räume einseitig für die (vgl. Atkinson/Easthope 2009, Cheshire/Magrini hohen Wirkungsgrad in der Stadtpolitik erreicht. rum kritischer Debatten zu Creative City Politics Bedürfnisse der Creative Class zugerichtet und da- 2009). Während in den frühen Debatten zur „infor- Die Thesen Floridas sind allgegenwärtig in den (vgl. Peck 2005, Scott 2006): Gibt es tatsächlich mit sozial Schwächere sowie Minderheiten aus 3 „Stadt der Enklaven“ ? „S tadt der Enklaven“? dem Stadtleben ausgeschlossen, seien diese ethni- scher Konkurrenz und Abschottung der neuen Wissens. Es sei nach Bell vor allem das von den rung und die Bedeutung wissenschaftlichen scher, sexueller oder kultureller Natur (vgl. Atkin- sozialen Großgruppen in der Wissensgesellschaft Forscherinnen und Forschern in den Universitäten Wissens in aller Munde. Die prominente Rolle des son/Easthope 2009). Mit anderen Worten, die Wis- zu beschreiben. In dieser Debatte möchte ich mit entwickelte theoretische Wissen, das durch die zu- Wissens hat das gesellschaftliche Bewusstsein so sensgesellschaft würde im Gewande kreativer dem vorliegenden Text erste Anregungen bieten. nehmende Technologieorientierung der Wirtschaft weit durchdrungen, dass Medien, Öffentlichkeit Stadtpolitiken bestehende Unterschiede sowie Hierzu wird im Folgenden zunächst der Begriff an Bedeutung gewinnen würde. Wissenschaft und und Politik nahezu im Übermaße beständig die Exklusionsmechanismen benachteiligter Bevölke- Wissensgesellschaft diskutiert (Kap. 2). Anschlie- Technologie würden zu treibenden Kräften der Ge- Freude der Forschung, die Bedeutung der Innova- rungsgruppen, die nicht am Aufschwung der ßend wird am Beispiel zweier sozialer ebenso wie sellschaft, weil theoretisches Wissen zum Wert- tionskraft für die Wirtschaftsleistung des Landes Wissensgesellschaft teilhaben, verstärken. stadträumlicher Phänomene diskutiert, inwiefern schöpfungsfaktor werde. Wissenschaftler, Ingeni- bis hin zur pädagogischen Förderung des Ent Die „Stadt der Enklaven“ ist derzeit noch kein fest- Enklavenbildung zutrifft und welchen Zwecken sie eure und Technokraten wären „die Oberpriester deckergeistes der Kinder als „jungen Forschern“ stehender Begriff in der Literatur. Das Wortgespann dient (Kap. 3 und 4). Im Fazit wird versucht, zu- der neuen Gesellschaft“ (Bell 1985, S. 32). steigern und verbreiten möchten (vgl. Helbrecht scheint mir als Leitidee jedoch geeignet zu sein sammenfassend die Herausforderungen für Stadt- „Nach der These, die im vorliegenden Buch aufge- 2009). Auch die Stadtentwicklung in Metropolen zur Beschreibung einer neuen Herausforderung, politik und Stadtgesellschaft aus den genannten stellt wird, ist die Hauptursache für den strukturel- wie etwa Hamburg oder München wird von die auf Städte in der globalen Wissensgesellschaft drei Entwicklungstendenzen heraus zu diskutieren len Wandel der Gesellschaft – den Wandel der Neu- Debatten um die mögliche Campusverlagerung zukommt. Denn das Aufkommen der Wissensöko- (Kap. 5). erungsmethoden im Verhältnis von Wissenschaft der Universität oder Campuserweiterung geprägt. nomie hat die Beschäftigungsverhältnisse gewan- und Technologie und den Wandel der Politik – ein Durchgreifender, als wir es in Deutschland heute delt. Dieser wirtschaftliche Wandel hat neue Be- Wandel in der Art des Wissens: durch das Expo- erleben, konnte sich auch der Amerikaner Daniel nentialwachstum und die Auffächerung des Wis- Bell den Siegeszug seiner eigenen Prognose wohl sens, das Aufkommen einer neuen intellektuellen kaum vorstellen. Technologie, die systematische Forschung durch Auf der anderen Seite ist die Bellsche Position zur schäftigungsgruppen, neue Lebensstile und kulturelle Wertemuster, neue Risikobegriffe, neue Un 2. Der Begriff der „Wissensgesellschaft“ sicherheiten hervorgerufen, die auch und neu mo- 4 tivierte und neu strukturierte Abgrenzungsbedürf- Daniel Bell (1985) hat in seinem 1973 erschienen entsprechende Gelder und, all dies krönend und Rolle von theoretischem Wissen in der Wissens nisse befördern. Mit dem Wortgebilde „Stadt der Werk „The coming of postindustrial society“ als zusammenfassend, die Kodifizierung des theoreti- gesellschaft zwischenzeitlich entschieden revi- Enklaven“ versuche ich also, die veränderten Ab- einer der ersten Sozialwissenschaftler eine präg- schen Wissens.“ (Bell 1985, S. 54) diert worden. In den großen Zügen der Argumen- grenzungsprozesse vor allem der Wissensarbeiter nante Interpretation des Trends zur Wissensgesell- Ginge es nach dem amerikanischen Soziologen, so tation liegt Daniel Bell richtig. Was er jedoch unter- in einer Stadt, die durch die Wissensökonomie schaft vorgelegt. Er war vor über 35 Jahren mutig gäbe es einen Primat theoretischen Wissens, im schätzt ist die tatsächliche Funktions- und Wir- gekennzeichnet ist, zu beschreiben. Gerade weil genug, eine Prognose aufzustellen zur zukünftigen Rahmen dessen vor allem die Naturwissenschaft kungsweise von Wissen im Detail – und eben die Städte in Zeiten der Wissensgesellschaft erneut in Entwicklung von Industriegesellschaften. Bell sag- mit Technologie verknüpft würde und beide ge- Details sind entscheidend für das, was in den Städ- den Mittelpunkt ökonomischer und kultureller te voraus, dass eine nachindustrielle Gesellschaft meinsam den gesellschaftlichen Fortschritt be- ten als Renaissance, als neuer Standortwettbewerb Aufmerksamkeit rücken, finden auch neue Konkur- zwar nicht umfassend zu beschreiben und zu pro- stimmten. Dadurch entstünde auch eine neue und innere Restrukturierung geschieht. renzkämpfe – und damit Verdrängungsprozesse – gnostizieren sei. Denn im Gegensatz zu den Natur- Konkurrenz zwischen Wissenschaft und Politik in Der deutsch-kanadische Soziologe Nico Stehr ent- zwischen sozialen Gruppen um städtisches Terrain wissenschaften sei in den Gesellschaftswissen- Bezug auf den Führungsanspruch in der Gesell- wickelt, aufbauend auf Daniel Bell, einen modifi- statt. Stadtteilstrukturen und Stadtteilidentitäten schaften eine soziale Prognose stets mit größerer schaft. Wie präzise und tragfähig ist diese Be- zierten Wissensbegriff. Er sieht in Anklang an den reformieren sich in der gesellschaftlichen Ausein- Unsicherheit behaftet. Dennoch meinte er sicher schreibung der Wissensgesellschaft noch heute? amerikanischen Soziologen ebenfalls Wissen in das andersetzung um Anerkennung, Integration und zu erkennen, was „das bewegende Prinzip“ der Und gibt es – gerade aus Sicht der Stadt- und Zentrum von Wirtschaft und Gesellschaft rücken: Reputation. Ebenso bilden sich neue Motive und nachindustriellen Gesellschaft sei, die zentrale Raumforschung – tragfähigere Konzepte, die deut- „In jüngster Zeit wird aus der monetären eine sym- Formen von Abgrenzungsprozessen heraus, die Achse, um die sie sich drehen werde. Diese zentra- licher vor Augen stellen, was in Städten geschieht? bolische Ökonomie. Wissen wird zunehmend zum sich als Phänomene im Stadtteilleben deutlich le Achse sozialen Wandels identifizierte Daniel Bell Die Einschätzungen hierzu sind ambivalent: Auf wichtigsten Produktionsfaktor. In der Wissensge- unterscheiden von den Segregationsmustern und als theoretisches Wissen (Bell 1985, S. 32). Mit dem der einen Seite hat Daniel Bell in großen Zügen sellschaft machen kognitive Faktoren, Kreativität, Abgrenzungsmotiven der Industriegesellschaft. Begriff der nachindustriellen Gesellschaft als Wis- recht behalten und zu einem frühen Zeitpunkt eine Wissen und Information in zunehmendem Maße Die Stadt- und Regionalwissenschaft ist noch in sensgesellschaft ist also ein besonderer Wissens- später zutreffende soziale Prognose gewagt. Heute den Großteil des Wohlstands eines Unternehmens den Anfängen, diese neuen Phänomene städti- begriff verbunden, nämlich der des theoretischen sind technologischer Fortschritt, Innovationsförde- aus.“ (Stehr 2001, S. 30) Jedoch meint Stehr mit 5 „Stadt der Enklaven“ ? 6 „S tadt der Enklaven“? „Wissen“ etwas anderes als Bell. Erstgenanntem sein Potenzial für soziales Handeln entfalten. – als Handlungsmöglichkeit Bedeutung, so rücken tes Wissen gesellschaftlich relevant wird, sind die geht es beim Wissen nicht um theoretisches, kodi- Die Konstanzer Soziologin Karin Knorr Cetina die sozialen Bedingungen der Wissensherstellung, privaten Haushalte und sozialen Gruppen gezwun- fiziertes Wissen, sondern er versteht Wissen „als (2000, 2002) betont in ähnlicher Weise, dass nicht der Wissensaneignung, des Wissenstransfers, der gen, ihre Aneignungsprozesse ebenso wie die etwas, das der Mensch tut.“ (Stehr 2001, S. 56) ein allgemeines theoretisches Wissen gegenwärti- Adaption und Verfügung über Wissen in den Mit- Anwendungsprozesse des Wissens effizient zu Wissen bestimme sich nicht nur über den Wissens ge Wissensgesellschaften präge. Sie argumentiert telpunkt – also Wissen als Teil eines sozialen Pro- gestalten und stetig zu verbessern. Es werden so- inhalt (das, was man weiß). Wissen sei ebenso für die Betrachtung der sozialen Einbettung des zesses (vgl. Stehr 2003, S. 32f). Dafür ist die Gestal- mit nur jene Städte eine Renaissance in der Wis- definiert durch die Art, wie man weiß (Wissens- Wissens in Form der Untersuchung von „Wissens- tung von Standorten notwendig, die den Akteuren sensgesellschaft erleben, die in ihren Ausstat- form). Wissen sei ein Prozess (Stehr 2001, S. 56). kulturen.“ (Knorr Cetina 2002, S. 12) in der Wissensökonomie die intensive Steigerung tungsmerkmalen den Bedürfnissen der Wissensar- Und dieser Prozess wäre in seinem gesellschaftlich Die hochkarätige Bedeutung von Wissen als Hand- intellektueller Aneignungsprozesse durch Indivi- beiter entgegenkommen. Hierfür ist die Stadt so- relevanten Kern vor allem die Handlungskompe- lungsvermögen und damit der intellektuellen An- duen und Gruppen und somit eine erhöhte Bedeu- wohl als Produktionsstandort für intellektuelle tenz eines Menschen. Erst dasjenige kodifizierte, eignungsprozesse von Wissen durch Individuen tung von nicht-kodifiziertem Wissen erlauben. Ge- Aneignungsprozesse von Wissen, also als Lernort theoretische Wissen, das von einer Person, einem und Gruppen in der Wissensgesellschaft ist eine rade das inkorporierte Wissen, das der Einzelne wesentlich, ebenso wie als Ort der Reproduktion Individuum, einer Gruppe intellektuell so angeeig- entscheidende Voraussetzung für die neue Rolle oder die soziale Gruppe sich tatsächlich angeeig- zur Erholung und zum Erhalt der Arbeitskraft der net wurde, dass diese es auch verwenden und von Städten in der Wissensgesellschaft (vgl. Hel- net hat und über das er oder sie kompetent verfügt Wissensarbeiter. Welche räumlichen Strategien souverän anwenden kann, versteht Stehr als sozial brecht 2004, Kunzmann 2004). Ginge es getreu als Handlungspotenzial, macht lebenswerte Städte helfen Individuen oder sozialen Gruppen bei der relevantes Wissen in der Wissensgesellschaft. Wis- Daniel Bell allein darum, dass Naturwissenschaft- zu interessanten Orten in der Wissensökonomie. Aneignung und Anwendung von Wissen? Welche sen ist somit gesellschaftlich entscheidend als „die ler im Verbund mit Technokraten theoretisches Nico Stehr, der Soziologe, den räumliche Entwick- städtischen Strukturen helfen den Menschen bei Fähigkeit zum sozialen Handeln (Handlungsver- Wissen produzierten und die Industrie dieses wirt- lung per se wenig interessiert, stellt fest, dass in ihrer Reproduktion als Wissensarbeiter? mögen)“ (Stehr 2001, S. 62) und ist auch als solches schaftlich verwertet, so würden vermutlich rein der Wissensgesellschaft „die erhebliche Isolation Im Folgenden möchte ich anhand von zwei empi- definiert. Damit sind es bei Stehr nicht so sehr die funktionale Orte der Wissensproduktion entstehen. zwischen Regionen, Städten und Dörfern erhalten“ rischen Beispielen zeigen, dass den Stadtteilen so- Wissenschaftler, die mit wissenschaftlicher Er- Wissensstädte könnten dann insgesamt die doch bleibe (Stehr 2001, S. 120). Richard Florida (2002) wohl in der Produktion wie auch der Reproduktion kenntnis neues Wissen in die Welt setzen, die in oft charakterlos wirkenden Gesichtszüge von überhöht dieses Argument, indem er vermutet, der Wissensökonomie eine ganz besondere Auf den Mittelpunkt der Betrachtung rücken, sondern Hochtechnologie-Standorten im deutschen Wis- dass gerade in Zeiten globaler Kommunikation die gabe zukommt. Am Beispiel von zwei unterschied- die Fähigkeiten der Anwender von Wissen, dieses senschaftssystem annehmen, wie wir dieses Bedeutung von Orten und besonderen Städten lichen Gruppen der Wissensarbeiter in Chicago tatsächlich produktiv und kompetent in soziales, jüngst auf dem Campus der TU München in Gar- steige: „It’s often been said that in this age of high und London wird veranschaulicht, wie die Praxis politisches oder ökonomisches Handeln umzu ching oder dem Technikcampus der Humboldt- technology ‚geography is dead‘ and place doesn’t des Wissens als Prozess und soziales Handeln an setzen. Universität zu Berlin in Adlershof beobachten kön- matter any more. Nothing could be further from the bestimmte Voraussetzungen im Stadtteil bzw. in Nico Stehr verweist auf den gewaltigen Unter- nen: Diese nüchtern von Städtebauern gestalteten, truth: Witness how high-tech firms themselves Städten gebunden ist. schied, der zwischen einem theoretisch zugäng technologisch konstruierten und wenig an einzel- concentrate in specific places like the San Francis- lichen, kodifizierten Wissen besteht, das oft nur nen Menschen, an sozialen Bedürfnissen oder kul- co Bay Area or Austin or Seattle. Place has become theoretisch verbleibt, und dem in gesellschaftli- turellen Hintergründen orientierten Produktions the central organizing unit of our time.“ (Florida cher Praxis virulenten Wissen, das als Handlungs- standorte des Wissens wirken wenig urban. Ein 2002, 6) vermögen der Akteure gesellschaftlich wirksam solcher Universitätscampus mag – jedoch selbst In den folgenden Betrachtungen zur „Stadt der En- wird. Indem sich der Blick auf die Praktiken der darüber ließe sich trefflich streiten – für naturwis- klaven“ in der Wissensgesellschaft knüpfe ich an Wicker Park, ein Stadtteil im Westen Chicagos, ist Wissensaneignung und Wissensverwendung rich- senschaftliche Hochschulforschung adäquat sein. den von Nico Stehr erarbeiteten Begriff des Wis- seit den 1990er Jahren das Zentrum einer lebendi- tet, wird zugleich betont, wie entscheidend indivi- Den umfassenderen Bedürfnissen der Wissens sens an. Ich werde in ersten Ansätzen versuchen gen Musik-Szene. Er hat in seiner Bedeutung für duelle und soziale Lernprozesse in Gruppen, Fir- gesellschaft und Wissensökonomie werden derart zu zeigen, welche städtischen Folgen das Herauf- das Chicagoer Stadtleben große Ähnlichkeit mit men oder Stadtregionen sind. Nur dasjenige theo- für naturwissenschaftlich-theoretisches Wissen ziehen eines Wettbewerbes der Individuen und dem Distrikt South of Market in San Francisco oder retische Wissen, das auch von einem Individuum konstruierten Standorte nicht vollständig gerecht. Gruppen um Wissen als Handlungsvermögen hat. New Yorks Silicon Alley. Hier hat die Arbeits- und vor Ort inkorporiert und verstanden wurde, kann Gewinnt Wissen nämlich – wie u. a. Stehr es sieht Denn wenn Wissen nur als persönlich angeeigne- Lebenswelt der neuen Medien ein urbanes Zuhau- 3. Produktionsstandort Wissensstadt: Neo-Bohemia 7 „Stadt der Enklaven“ ? 8 „S tadt der Enklaven“? cern (Selbstständigen) und Künstlern, die flexi- dass der enge räumliche Zusammenschluss im bel für Projektarbeit beschäftigt werden. Nach Stadtteil auch die Herausbildung einer be- Lloyd verschwimmt bei dieser Beschäftigungs- stimmten Arbeitskultur befördert. Es gibt, so und Aufgabenstruktur die Grenze zwischen Lloyd, einen spezifischen neuen Arbeitsethos artistischer Produktion und kapitalistischer der Neo-Bohemia, der sich deutlich unter- Produktion (Lloyd 2006, S. 220f). Der Stadtteil scheidet von der protestantischen Ethik des selbst wird zur Organisationseinheit, die als Industrie-Kapitalismus. Nach Max Weber sind lokaler Markt Angebot und Nachfrage nach in der protestantischen Ethik Pflichtbewusst- Arbeit vor Ort vermittelt. In den Straßen, Bars sein und Arbeitsamkeit des Einzelnen auch und Cafés ist aufgrund der hohen Kontaktdich- religiös motiviert, weil beruflicher Erfolg als te der Ansässigen ein Informationsfluss über Indikator für göttliche Gnade galt. Ganz anders laufende Projekte gewährt. Die flexible, billige, geht die Neo-Bohème der flexiblen Ökonomie kreative Arbeitskraft einzelner Freelancer kann mit dem Wert der Arbeit und dem Wert des schnell zu Projektteams verwoben werden, Lebens um. Demnach pflegten Firmen und weil die räumliche Nähe im Stadtteil die sozia- Freelancer einen Ethos der Non-Konformität, le und institutionelle Nähe, die für diese flexib- der vor allem auf einem „feeling of autonomy“ le Form der Produktion notwendig ist, beför- basiere (Lloyd 2006, S. 225). Die zu Teilen pre- dert (vgl. Scott 2006). Ähnliche Phänomene kären Beschäftigungsverhältnisse der Freelan- sind in Deutschland am Beispiel von Berlin un- cer, für die beruflicher Aufstieg kaum möglich tersucht worden (vgl. Lange 2005). An der ist, weil sie nicht Bestandteil einer Firmen Stadtteilstudie zu Wicker Park wird deutlich, hierarchie sind, werden von den Freelancern wie sehr eine räumlich an den Stadtteil gebun- gerechtfertigt und heroisiert als positives Ele- dene Arbeits- und Wohnkultur Voraussetzung ment ihrer persönlichen und künstlerischen se gefunden. Aufgrund seiner Vitalität und Anzie- in dreifacher Hinsicht eine Ressource für die und Folge einer bestimmten Form von Wissens Freiheit. Es gibt also nahezu einen Verzicht da- hungskraft auch für Künstler beschrieb ihn die Schaffung von neuem wie auch die Aneignung ökonomie ist. In der flexiblen Ökonomie der rauf, sich durch viel oder hochwertige Arbeit zu New York Times in ihrem Reisemagazin im Jahr und Anwendung von bestehendem Wissen. Kreativwirtschaft übernimmt somit der Raum profilieren. Gerade wenig Geld zu verdienen, 2002 als „Chicago’s bohemian hub of funkiness A) Inhaltlich ist die im Quartier vorhandene le- auf der Ebene des Stadtteils eine koordinieren- eben nicht fest angestellt zu sein, keine Ren- and creativity“ (New York Times zitiert nach Lloyd bendige subkulturelle Szene kreativer Lebens- de Funktion, die bisher die Firma als zentrale teneinzahlungen zu machen wird stilisiert als 2006, S. 11). Richard Lloyd beobachtete über zehn künstler und schaffender Künstler ein intellek- Organisationseinheit der Industriegesellschaft bewusste Entscheidung für persönliche Auto- Jahre lang den Wandel des Stadtteils und entwi- tueller Humus für die Produktentwicklung in inne hatte: „In this environment, it is geogra- nomie – und nicht als Konfliktlinie oder gar ckelte eine konzise Beschreibung seiner Arbeits- den Neuen Medien. Die Medienindustrie sucht phic place rather than the corporation that pro- Ausbeutungsverhältnis einer flexiblen Ökono- und Kulturszene als „Neo-Bohemia“. Wicker Park im Stadtteil bewusst die räumliche Nähe zur vides the organizational matrix for matching mie gewertet. Der Verzicht auf höhere Löhne, kann in seinen ökonomischen und kulturellen Subkultur, um hieraus als Ideenpool kommer people and jobs.“ (Florida 2002, 6) finanzielle Sicherheit und soziale Mobilität Stadtteilstrukturen als beispielhaft gelten für einen ziell zu schöpfen. C) Kulturell befördert die hohe Konzentration im wird ebenso wie die Individualisierung von Risiken von den Beteiligten im Stadtteil ver- neuen Trend in der Entwicklung von Städten: Das B) Formal ist der Stadtteil darüber hinaus Vermitt- Stadtteil zudem die Herausbildung eines spe- Cluster im Stadtteil wird für einen bestimmten Teil lungsagentur und Drehscheibe für Personen, zifischen Arbeitsethos der flexiblen Ökonomie. der Wissensökonomie zum entscheidenden Orga- Produkte und Projekte. Während die meisten Richard Lloyd analysiert in Wicker Park neben Die Wissensökonomie der neuen Medien ist somit nisationsprinzip von Arbeit und Leben. Wicker Firmen in den Neuen Medien nur wenige fest den Produktionsstrukturen auch die kulturel- auf die Herausbildung spezifischer, dichter Stadt- Park verfügt über eine hohe Dichte an Firmen aus angestellte Beschäftigte haben, ist der Stadtteil len Werte der Beschäftigten und Selbstständi- teilstrukturen angewiesen in mindestens dreierlei der Medienwelt. Die Bevölkerung des Stadtteils ist durchsetzt mit einem großen Pool an Freelan- gen in den Neuen Medien. Hierbei entdeckt er, Hinsicht: Erstens sucht sie die räumliche Nähe zur dichtet zu einem sozialkulturellen Wert. 9 „Stadt der Enklaven“ ? Inspirationsquelle Subkultur. Zweitens in Bezug und klärendes Beispiel. Nirgendwo sonst in Europa jüngeren Singles besteht, die ihre Flexibilität im von Mittelschichthaushalten in Innenstadtrand- auf ihre betriebliche Organisationsform, da der wird so hart um jeden Quadratmeter Wohn- und Beruf als persönliche Autonomie umzudeuten quartieren im Letzten auch eine Antwort der Mit- Stadtteil – bzw. die Cafés, Partys und öffentlichen Bürofläche gekämpft. Nirgends sonst ist die wählen, fühlen sich viele Londoner Mittelschicht- telschichtfamilien auf die Verunsicherungen der Räume in selbigem – als Organisationseinheit Wissensökonomie sowohl im Bereich des Finanz- haushalte in späteren Jahren und abseits der Neu- Arbeitswelt. Gentrification, also die Aufwertung frühere Aufgaben von Firmen übernimmt (vgl. Lan- wesens wie der Medien, der Mode wie der Musik, en Medien bedroht in ihrem Familienleben durch innenstadtnaher Stadtteile, die in London seit den ge 2005). Drittens durch die Herausbildung einer der Versicherungswirtschaft wie der Wissenschaft die neuen Erfordernisse der Flexibilität am Arbeits- 1960er Jahren bekannt ist, erfährt 40 Jahre später Arbeitskultur und pseudo-autonomen Wertestruk- so weit entwickelt und konzentriert in Europa wie platz (vgl. Butler/Robson 2003). „Wann ist noch von den nachfolgenden Generationen einen neuen tur, die als Arbeitsethos der Neo-Bohème die hier. Zugleich fordert der harte Wettbewerb auf Zeit füreinander?“ fragen sich Paare. Wie viel bio- Schub aufgrund einer veränderten Motivlage. Die Wissensökonomie der Neuen Medien kulturell dem städtischen Bodenmarkt von allen Akteuren – graphisches Vertrauen können Kinder entwickeln neue Phase der Gentrification wird zu einer räum- abfedert und die Arbeitsmoral unter Bedingungen beruflich wie privat – ein ausgesprochen effizien- und wie viel Verlässlichkeit erfahren sie, wenn die lichen Coping-Strategie vieler Hochqualifizierter in flexibler Ökonomie stützt und forciert. tes, marktwirtschaftlich tragfähiges Verhalten. Eltern flexibel Arbeitgeber und Arbeitsort zu wech- der Wissensgesellschaft. Mit dem Wunsch nach Wicker Park bildet somit innerhalb Chicagos eine Tim Butler hat zusammen mit Garry Robson (2003) seln in der Lage sein müssen? Welche lokalen überschaubaren Stadtteilstrukturen, dem eigenen multipel motivierte räumliche Enklave der Neuen in der Studie „London Calling. The Middle Class Identitäten vermitteln den Familienmitgliedern Haus, dem sicheren Schulweg wird ein Gegen Medien. Erst durch die räumliche Strategie der and the Re-making of Inner London“ einige neue Stabilität, wenn die Berufswelt sich so oft im gewicht gegen die zunehmenden internationalen, Enklavenbildung sind die ökonomischen und kul- Logiken sozialräumlicher Segregationsprozesse schwer übersehbaren, internationalen Rahmen ab- flexibilisierten und destabilisierend wirkenden turellen Praktiken dieses speziellen Teiles der untersucht. Der Untersuchungsraum London steht spielt? Diese Fragen müssen individuell von den Anforderungen der Berufswelt gesetzt. Es finde Wissensökonomie realisierbar. Somit sind Verdich- dabei aufgrund seiner großen Anziehungskraft auf privaten Haushalten beantwortet werden. Sie wer- eher soziale Abschottung als Kompensation denn tung und Abgrenzung essenzieller Bestandteil die- Hochqualifizierte aller Arten exemplarisch für die den dabei gesellschaftlich gerahmt durch eine Zu- Offenheit und Toleranzzunahme zur sozialen Inte- ses neuen Phänomens der urbanen Wissensgesell- weltweite Herausbildung einer urbanen „interna nahme der prekären Beschäftigungsverhältnisse gration statt. schaft. In der Stadt der Wissensgesellschaft wird tional service class“ (Butler/Robson 2003, S. 10). In auch im öffentlichen Sektor. So haben im Vereinig- Während Gentrification früher in London ebenso die Welt der Stadtteile zunehmend zu einem eige- empirischen Befragungen in mehreren Stadtteilen ten Königreich gegenwärtig ca. 20 Prozent aller wie in Kanada, Australien und den USA oftmals nen Kosmos (vgl. Keller 2005). Manuel Castells Londons stellen Butler und Robson fest – inspiriert Beschäftigten Arbeitsverträge, die als prekär zu von Politikern und Wissenschaftlern gefeiert wurde sieht deshalb die Zukunft der Stadtteile als zuneh- durch die Thesen des Amerikaners Richard Sennett bezeichnen sind, weil sie kurzfristig und temporär als ein Prozess der sozialen Durchmischung von mend sozial differenziert und funktional vernetzt zur „Corrosion of Character“ –, dass die Wohn sind, auf Zeitarbeit beruhen oder dem Niedrig- Bevölkerungsgruppen durch den Zuzug von kos- (vgl. Castells 2000, S. 12). standortwahl der Mittelschichten und ihr stadt- lohnsektor zugeordnet werden (vgl. McDowell/ mopolitanen Mittelschichtfamilien in innerstädti- räumliches Verhaltens innerhalb Londons wesent- Batnitzky/Dyer 2009, S. 8). sche Quartiere, so wird in jüngster Zeit zunehmend lich zu erklären sei als Coping-Strategie. Unter Offensichtlich reagieren Teile der Mittelschicht auf deutlich, dass die neuen Wellen der Gentrification Coping verstehen Psychologen Anpassungspro- diese neuen Bedrohungen der Arbeitswelt mit eher der Abschottung der durch die flexible Öko- zesse an Stress und Bewältigungsstrategien räumlichen Bewältigungsstrategien. Der Stadtteil nomie zu Teilen überforderten Mittelschichten schwieriger Situationen oder Ereignisse. Offenbar als Wohnstandort wird zu einem zentralen Element dienen als der Mischung (vgl. Slater 2005, Lees 4. Reproduktionsort Wissensstadt: „Education and Location“ – das Beispiel London 10 „S tadt der Enklaven“? besteht aus Sicht vieler Mittelschichtangehöriger des Coping. Robson und Butler (2003) entwickeln 2008). Obwohl die empirischen Studien in den Die Neuen Medien sind ein spezifisches Subseg- neuer Anpassungsdruck und vielleicht sogar Lei- die These, wonach aufgrund der veränderten ge- Londoner Quartieren Barnsbury, Battersea, Brixton, ment der Kreativwirtschaft und damit in ihrer densdruck in der Arbeitswelt der Wissensgesell- sellschaftlichen Verhältnisse in London eine neue Docklands, London Fields, Telegraph Hill und räumlichen Organisation nicht verallgemeinerbar schaft. Dieser ist nach den soziologischen Studien Phase der Gentrification zu beobachten sei. Diese Wandsworth durchaus unterschiedliche Stadtteil- für weitere Teile der Wissensökonomie. In einem innerhalb Londons entscheidend verbunden mit neue Phase sei sowohl durch die gestiegene Quan- profile ergeben haben, sind nach Butler/Robson zweiten empirischen Beispiel sollen deshalb wei- den neuen Beschäftigungsverhältnissen und tität in der Verbreitung von Gentrification als auch doch alle Gentrifier bemüht, eine sichere Heimat tere Teile der Mittelschicht in ihrem Verhalten im Arbeitsanforderungen der flexiblen Wissensöko durch ihre neue Qualität definiert. Insbesondere in für ihre Familien im zunehmend destabilisierenden Stadtraum unter den Bedingungen der Wissens nomie – eine klare Parallele zum Fall Wicker Park. qualitativer Hinsicht bei der Untersuchung der London zu finden. Dabei sind soziale Mischung gesellschaft beobachtet werden. Hierfür ist Lon- Während die Gruppe der Kreativen in den Neuen Motive der Wohnstandortwahl der neuen Gentrifier und Andersartigkeit im Stadtteil oftmals kein Wert don ein extremes, aber auch sehr interessantes Medien im Chicagoer Beispiel noch vielfach aus wäre die verstärkt zu beobachtende Standortwahl sondern ein Hindernis. 11 „Stadt der Enklaven“ ? „S tadt der Enklaven“? Vor allem wird deutlich – diesen Sachverhalt sehen xibilität, Globalität und Kurzfristigkeit eingefordert 2009). Es stehen also unter neuer Ausgrenzung vor Ausgewählte „Profiteure“ der Wissensgesellschaft wir in Deutschland schon in Anzeichen und wer- werden, suchen viele Mittelschichthaushalte in- allem die Verlierer der Wissensgesellschaft im wurden am Beispiel von Chicago und London den ihn zukünftig verstärkt zu gewärtigen haben –, nerhalb Londons einen stabilisierenden Ausgleich Blickpunkt – und dies gewiss zu Recht. betrachtet: erstens eine Gruppe von Kreativen, die in welch hohem Maße die Wahl der Schulen für die in einem überschaubaren, sozial nicht bedroh In diesem Text wurde in Ergänzung dazu eine in den Neuen Medien am Aufschwung der Kinder die Wohnstandortwahl der Eltern prägt. lichen, sondern harmonischen Umfeld. Dabei sind andere, weitere Perspektive gewählt. Es wurden Wissensökonomie profitiert, zweitens weitere Teile Oftmals wird explizit durch den Hauskauf in einem – anders als dies Richard Florida in seiner Argu- die zukünftigen Gewinner des Trends zur Wissens- der innerstädtischen Londoner Mittelschicht, die besonderen Stadtteil Londons versucht, den Kin- mentation des Dreiklangs von „Technologie, Talent gesellschaft betrachtet, also Segmente qualifizier- allgemein im Dienstleistungssektor wie zum Bei- dern Zugang zu einer bestimmten Qualität von Bil- und Toleranz“ vertritt – sozialkulturell homogene ter Wissensarbeiter. Während hier die Literatur, un- spiel der Finanz- und Versicherungswelt, in den dung und Erziehung zu gewähren. „Education and Strukturen durch eine intensive Gentrifizierung ter anderem gestützt durch die Thesen Richard Schulen und Hochschulen oder im Gesundheits- Location“ – diese beiden Aspekte werden von des Viertels und damit die räumliche Konzentra Floridas, bisher eine höhere soziale Integrationsfä- wesen als Wissensarbeiter beschäftigt sind. Beide britischen Mittelschichthaushalten zunehmend tion von Gleichgesinnten erwünscht. Fast scheint higkeit und größeres Vermögen im Umgang mit Gruppen können insofern als „Gewinner“ des sozi- eng verwoben. Dass sozialer Aufstieg oder Posi es, als würde die professionell geforderte Offenheit dem kulturell Fremden vermutet (und erhofft) hat, alen Wandels gelten, als sie aufgrund ihrer Bildung tionserhalt in der Wissensgesellschaft über die für Neues privat zu einem Wunsch nach Schlie- zeigen die empirischen Beispiele aus Chicago und und Ausbildung Lohn, Brot und Reputation in der Bildung und Ausbildung der Kinder im wesentli- ßung und einer neuen Sehnsucht nach Homogeni- London (leider) in eine andere Richtung. Auch bei Wissensgesellschaft finden. Obwohl somit formal chen vonstatten geht, ist tief eingedrungen in das tät durch kulturelle Abgrenzung führen. der Gruppe der Wissensarbeiter scheinen sich eine Arbeitsmarktintegration besteht, zeigen sich neuartige Abgrenzungsbedürfnisse aufgrund neu- dennoch im Verhalten beider Gruppen in der artiger Anforderungen – und zu Teilen Überforde- Wohnstandortwahl und dem Stadtteilleben neue rungen – der flexiblen Ökonomie zu entwickeln. Stressfaktoren. elterliche Bewusstsein (vgl. Butler/Robson 2003, S. 164ff). Um die neuen Qualitäten im Wohnstandortverhal- 5. Fazit ten der Mittelschichten auf den Begriff zu bringen, 12 bestehen im anglophonen Diskurs zwei Vorschlä- Besondere Städte erleben in der Wissensgesell- ge. Loretta Lees (2000) entwickelt den Terminus schaft einen besonderen Aufschwung. An vielen „super-gentrification“, um die besonderen, hoch- Orten wie den bekannten Metropolen Chicago, karätigen Prozesse in London und New York durch London, Berlin, Hamburg oder New York zum Bei- die Gruppe der „financifier“ zu beschreiben. Butler spiel ergeben sich hieraus Chancen einer urbanen und Robson (2003, S. 9) schlagen vor, die neue Renaissance. Aber auch kleinere und mittlere Welle der Gentrification, die sich nicht nur auf die Universitätsstädte wie Bonn, Münster, Heidelberg, Mitglieder der Finanzwelt beschränke, als „re-gen- Erlangen oder Freiburg erleben einen lokalen trification“ zu bezeichnen. „Wieder-Gentrifizie- Boom durch den Aufstieg der Wissensökonomie. rung“ erscheint ihnen angemessen, weil es sich Mit den neuen Möglichkeiten urbaner Knotenbil- um eine erneute Überformung ehedem gentrifizier- dung geht jedoch gleichzeitig eine neue Gefahren- ter Gebiete handele durch eine neue Welle von bildung einher, die von der Stadtforschung und Mittelschichthaushalten mit zu Teilen neuen Moti- Stadtpolitik zurzeit noch weitgehend unerkannt ven und Handlungszwängen. bleibt. Bisher wurde unter der Fragestellung von Insgesamt zeigt das empirische Beispiel „London sozialer Integration und neuer Spaltung in Städten Calling“, wie die Wissensökonomie auf Seiten der das Augenmerk von Wissenschaft und Stadtpolitik Mittelschichten zu einer Re-Orientierung auf den zumeist auf diejenigen sozialen Gruppen gerichtet, Stadtteil führt. Diese ist einerseits zu deuten als die vom Arbeitsmarkt der Wissensökonomie ver- kompensatorisches Verhalten und private Coping- stärkt ausgeschlossen sind und aufgrund ihrer Strategie für den (über-)fordernden Stress im beruf- Bildungsarmut an den Rand der Wissensgesell- lichen Alltag. Gerade weil beruflich beständig Fle- schaft gedrängt werden (vgl. Atkinson/Easthope 13 „Stadt der Enklaven“ ? 14 „S tadt der Enklaven“? Literatur Die empirischen Studien in Chicago und London tion ist bei weiten Teilen der Londoner Mittel- wird in der Wissensgesellschaft von den Hochqua- deuten an, wie sehr der Wandel in der Arbeitswelt schicht zunächst privat motiviert und Teil der lifizierten am Innenstadtrand gesucht als kultivier- von den Beschäftigten bzw. Freelancern neue Wer- Reproduktionsstrategie der gentrifizierenden Mit- tes Stadtteilleben in der Nähe zum Arbeitsort in Atkinson, R.; H. Easthope (2009): The Consequen- tesysteme und neue Coping-Strategien fordert. telschicht. Bei Freelancern Chicagos innerhalb des gentrifizierten Gebieten. Stets geht es um die ces of the Creative Class: the Pursuit of Creativity Dabei wird erkennbar, dass entgegen der Annah- engeren Feldes der neuen Medien in Wicker Park Möglichkeit der Entwicklung eines störungsfreien Strategies in Australia’s Cities. In: International men von Richard Florida es keinesfalls einen scheinen die Konzentration im Stadtteil und damit Privatlebens im Alltag – in räumlicher Distanz von Journal of Urban and Regional Research 33.1, Automatismus gibt, wonach mehr lokale Wissens- zunehmende Segregation auch beruflich motiviert den jeweiligen kulturellen, sozialen oder wirt- S. 64 – 79. ökonomie mit mehr Toleranz unter den sozialen zu sein aufgrund der kreativen, organisatorischen schaftlichen Verwerfungen seiner Zeit. So könnte Gruppen in der Stadt einhergeht (vgl. Peck 2005, und kulturellen Anforderungen der flexiblen Öko- der Innenstadtrand bald eine ehedem gesellschaft- Bell, D. (1985): Die nachindustrielle Gesellschaft. Scott 2006). Vielmehr zeigt sich, dass die neuen nomie. Beide Tendenzen in Bezug auf Reproduktion liche Funktion der Suburbia übernehmen, nämlich Frankfurt/M, New York. Wirtschaftsstrukturen zu Teilen als derart verun und Produktion in der Wissensgesellschaft deuten sozialkulturelle Abschottung durch räumliche sichernd wahrgenommen werden, dass es a) ent- auf eine sich herausbildende veränderte stadt- Enklavenbildung. Butler, T.; G. Robson (2003): London Calling. The weder zu der Herausbildung einer kompensatori- räumliche Formation als „Stadt der Enklaven“ hin. Wo Gemeinsamkeiten bestehen, lauern auch Middle Class and the Re-Making of Inner London. schen Ethik der Autonomie kommt, oder aber b) Diese Enklavenbildung beruht dabei sowohl auf Unterschiede. Diskontinuierlich erscheint mir im Oxford, New York. durch Gentrification und den Rückbezug auf einen Kontinuitäten wie auch auf Diskontinuitäten im Vergleich von Wissensgesellschaft und Industrie- sozialstrukturell homogenen Stadtteil im Privaten Vergleich mit den sozialräumlichen Strukturen der gesellschaft in Bezug auf die Abschottungstenden- Castells, M. (2000): European cities, the Informatio- die Übersichtlichkeit und Sicherheit versucht wird traditionellen Industriestadt. Die Kontinuität be- zen und Enklavenbildungen vor allem eines: die nal Society, and the Global Economy. In: Léon herzustellen, die beruflich verloren gegangen steht darin, dass Segregation gewiss ein bekann- politische Perspektive. Der Einzug der Wissensöko- Deben; Willem Heinemeijer; Dick van der Vaart scheint. tes Phänomen der Stadtentwicklung ist. Abschot- nomie gab ursprünglich Anlass zur Hoffung auf (eds.): Understanding Amsterdam. Essays on Eco- Somit wird die Wissensgesellschaft zu Teilen be- tung und sozialräumliche Abgrenzung finden da- eine tolerantere, offenere Gesellschaft. Diese Hoff- nomic Vitality, City Life and Urban Form. Amster- stimmte Städte und bestimmte Stadtteile fördern bei traditionell in schärferem Maße gerade von nungen nicht aufzugeben, sondern als Potenziale dam: Het Spinuis Publishers, S. 1 – 18. und bevorzugen. Städte können – wie Saskia statushöheren gegenüber statusniedrigen Grup- zu bergen, scheint mir ein zentraler politischer Sassen (1991) zeigt – zu lokalen Knoten einer pen statt. Diese Tradition scheint sich auch in der Auftrag zu sein. Cheshire, P.; S. Magrini (2009): Urban Growth Dri- globalen Dienstleistungswirtschaft werden. Inner- Wissensgesellschaft fortzusetzen. Flohen die Ober- Die Stadtpolitik ist herausgefordert, mit den neuen vers in a Europe of sticky People and implicit halb der Städte wiederum können bestimmte und Mittelschichten in der Industriegesellschaft stadträumlichen Verhältnissen, den veränderten Boundaries. In: Journal of Economic Geography 9, Stadtteile wichtige Clusterfunktionen für bestimm- nach Suburbia aus Angst vor den Umweltschäden Abgrenzungsbedürfnissen und neuen Enklaven S. 85 –115. te Branchen (wie zum Beispiel die Neuen Medien) und negativen kulturellen Einflüssen des Industrie- konstruktiv umzugehen (vgl. Lees 2008). Es bedarf übernehmen. Ebenso zutreffend, wie eine Renais- proletariats im Zentrum der Städte, so suchen die der Entwicklung einer plausiblen stadträumlichen, Florida, R. (2002): The Rise of the Creative Class sance bestimmter Städte und Stadtteile in der glo- Wissensarbeiter nun die Innenstadtrandgebiete politischen Strategie zur Erhöhung der sozialen In- and how it’s transforming work, community and balen Wissensgesellschaft, könnte auch die Zu- auf als kulturell anregende und homogen gesicher- tegration in den Städten der Wissensgesellschaft. everyday work. New York. nahme neuer Abgrenzungsprozesse zwischen den te Idyllen aus Angst vor den Folgen der flexiblen Ein gangbarer Lösungsweg im Umgang mit der sozialen Gruppen wahrscheinlich werden. Somit Ökonomie. Gemeinsam ist dem Mittel- und Ober- Gefahr der „Stadt der Enklaven“ könnte sein, den Florida, R. (2005): The Flight of the Creative Class. könnte sich der Typus der Wissensstadt zu einer schichtverhalten der Industriegesellschaft wie öffentlichen Räumen (noch) mehr Aufmerksamkeit The New Global Competition for Talent. New York. „Stadt der Enklaven“ entwickeln. Damit wird eine auch der Wissensgesellschaft somit, dass räum zu schenken. Wenn sich die Wohn- und Arbeits- neue Konfliktlinie zukünftiger städtischer Politik liche Strategien verwendet werden, um ökonomi- quartiere zunehmend zu „Enklaven“ entwickeln, Fried, J. (2002): Erfahrung, Wissen und Gesellschaft identifiziert. Es entstehen bei den Gewinnern der sche, ökologische oder soziale Bedrohungen zu kommt den öffentlichen Räumen in der Stadt – und – Erfahrungen der Wissensgesellschaft. In: Killius, Wissensökonomie, den qualifizierten Wissensarbei- bewältigen. Was im Industriezeitalter noch die vor allem der Innenstadt – eine noch gewaltigere N.; J. Kluge; L. Reisch (Hrsg.): Die Zukunft der tern, verstärkt Sehnsüchte nach sozialstruktureller Suburbia als homogene Vorstadtidylle für die bür- Bedeutung zu für die soziale Integration in der Bildung. Frankfurt/M., S. 14 – 44. Homogenität im privaten Umfeld und somit nach gerliche Kleinfamilie bedeutete als Hort der Privat- Stadt, als wir uns das für die Industriegesellschaft räumlicher Segregation. Diese räumliche Segrega- heit, des Familienlebens und der Kindererziehung, je haben vorstellen können. 15 „Stadt der Enklaven“ ? „S tadt der Enklaven“? Glynn, S. (ed.) (2009): Where the other half lives. Knorr Cetina, K. (2002): Wissenskulturen. Ein Ver- Scott, A. J. (2006): Creative Cities: Conceptual Issu- London, New York. gleich naturwissenschaftlicher Wissensformen. es and Policy Questions. In: Journal of Urban Af- Frankfurt/M. fairs 28, 2006, S. 1 – 17.b. (Hrgs.): Die europäische Stadt. Frankfurt/M., Knorr Cetina, K. (2000): Die Fabrikation von Er- Slater, T. 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Princeton. träge, H. 37/2005. 16 17 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Klaus Habermann-Nieße Neuere Tendenzen in der Stadtentwicklungspolitik 18 1. Die Stärke der Stadt ist ihre Ökonomische Produktivität – Voraussetzung sind Größe, Dichte, Heterogenität (Häußermann, 2002: 21; Läpple, 2000: 195). Die traditionelle Zentralität drückt sich aus in einer gewissen Persistenz der alten Strukturen, konkre tisiert in den zentralen Konzernsitzen, der KostenNutzen-Analyse einer Produktionsverlagerung und Durch den Wandel der Erwerbsarbeit und die der Repräsentativität von Gebäuden und Anlagen. demografischen Faktoren ergeben sich neue An- Ergänzt wird die traditionelle Zentralität durch forderungen an die städtischen Arbeitsmärkte. Die neue Dienstleistungs- und Produktionsstrukturen. Industrialisierung hat mit ihrer Arbeitsteilung und Mit dem sog. „Quartären Sektors“ (Informations- Konzentration das Bild der modernen Großstadt und Wissensverarbeitung) bilden sich neue Dienst- maßgebend beeinflusst. Die Arbeit wurde aus den leistungskomplexe in der Stadt heraus, die eben- Haushalten herausgelöst und in funktional selb- falls in der Regel zentrale Standorte besetzen. ständigen Einheiten zusammengefasst. Die Tren- Auch wenn durch die modernen Kommunikations- nung von Wohnen und Arbeiten ist eine der Folgen techniken Standorte in der ganzen Welt vernetzt Der Beitrag geht in kurzen analytischen Skizzen Alterung der Gesellschaft verstärkt. dieses Konzentrationsprozesses. In der Konzentra- werden, so bleiben die Metropolen die Netzknoten auf die aktuellen Tendenzen der Stadtentwicklung Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft tion von Produktion und Arbeit liegt aber auch eine dieses Kommunikationssystems. „Die Konstrukti- ein. Sie erfüllen nicht den Anspruch einer umfas- und der Perspektive europaweit sinkender Bevöl- der Triebkräfte der Stadtentwicklung. Der mit den on von neuen Finanzierungsmodellen, die Ver- senden Darstellung, sondern spiegeln bewusst kerungszahlen sind die Städte und Stadtregionen Städten geschaffene gesellschaftliche Raum findet schmelzung von Unternehmen, der Handel mit eine persönliche Sichtweise, die gleichwohl im auf Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit zu über- seine ökonomische Grundlage in erster Linie in der Wertpapieren, die Produktion von Dienstleistun- Kontext der aktuellen Planungsdebatte wieder zu prüfen. Angesichts anhaltender Konzentration der Produktivität der Stadt. Georg Simmel hat die spe- gen – das sind strategische Kompetenzen, die finden ist. Im Ausblick wird die Rolle intermediärer Arbeit und demografischen Wandels scheint sich zifische Produktivität der Großstadt in seinem Es- innerhalb der großen Städte realisiert werden. Die- Prozesse im Kontext des Wandels der Aufgaben der das Nebeneinander von Wachstumsräumen und say „Die Großstädte und das Geistesleben“ mit se Dienstleistungskomplexe sind stark verflochten, Stadtentwicklungspolitik herausgestellt. absinkenden Regionen zu verstärken. Für die Ent- den Charakteristika Größe, Dichte und Heterogeni- bilden aber eine Insel in der Stadt – eine Ökonomie Angesichts des demografischen und gesellschaft- wicklung der Städte und Regionen werden damit tät bezeichnet (Simmel, 1993). Der entstandene der Stadt.“ (Häußermann, 2002: 22). lichen Wandels steht die Stadtentwicklung in die Aufgaben der Stadtentwicklungspolitik un- gesellschaftliche Raum hat allerdings im 20. Jahr- Hinzu kommt die spezifische „Produktivität der Europa im 21. Jahrhundert vor neuen Herausforde- überschaubarer aber auch vielseitiger. hundert die engen räumlichen Grenzen der Grün- Stadtökonomie“, die mit den Begriffen Fühlungs- rungen. Als Rahmenbedingung zukünftiger Ent- Im Folgenden möchte ich – daraus abgeleitet – ein derzeitstadt überschritten. Nicht wenige Stadtfor- vorteile (Vorteile der räumlichen Nähe und der wicklung sind die veränderten Grundlagen der Mosaik von Aufgaben der Stadtentwicklung be- scher haben die Auflösung der Großstadt entlang Vielfalt von Anbietern sowie Wissensträgern) und Erwerbsarbeit zu thematisieren, wenn mit der schreiben. Erst in Addition wird es zu einem der Beurteilung der Muster der Entwicklung ame- Netzwerke belegt werden. Sie drückt sich aus in Dominanz der Informationstechnologien der Element des politischen Handelns in den Städten rikanischer Großstädte prognostiziert. Wenn auch einem Kommunikationsnetz und räumlichen Mensch selbst in die Nähe von Maschinen gerückt und rückt über die Umsetzung eines integrierten in Deutschland mit der seit den 1950er Jahren ver- Angeboten für Starterbetriebe, in Unternehmens- wird und wenn beschleunigte Innovation erheb Handlungsansatzes immer stärker in den Fokus stärkten Suburbanisierung der Bevölkerung auch gründungen ebenso wie in der Konzentration der liche Anpassungsleistungen im Alltag verlangt. der Stadtentwicklungspolitik. In den Projekten zur die Suburbanisierung von Arbeit verbunden ist Beratungskompetenz und der Nähe der dazugehö- Veränderung der Arbeitswelt und der Arbeitsver- Nationalen Stadtentwicklungspolitik des Bundes und damit ein relativer Bedeutungsverlust der rigen Dienstleistungen. Kooperationsstruktur und hältnisse scheinen Anforderungen an hohe Mobi (www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de), den Städte eintritt, so hat dies nicht einen permanen- Arbeitsteilung sind Merkmale der neuen lokalen lität und neue Zeitorganisation zu verstärken. Mit Programmen zur Stadterneuerung in Hamburg ten Prozess der Auszehrung der Städte zur Folge. Ökonomie. Diese urbane Ökonomie entspricht in der Auflösung von Normalarbeitsverhältnissen (RISE) und in Berlin (Rahmenprogramm zur Stadt- Immer noch sind die Kernstädte in den Ballungs- hohem Maße den neuen Anforderungen der Er- geht die Auflösung der Normalfamilie einher. Zu- erneuerung) möchten Politik und Verwaltung zu räumen das größte Arbeitsplatzzentrum. Es kann werbsgesellschaft der hoch industrialisierten Ge- nehmende Individualisierung wird durch den einem integrierten Handlungsansatz in Stadt- und von einer „Gleichzeitigkeit“ von traditioneller und sellschaften. „In den Großstädten sind wechselnde demografischen Wandel mit der unabweisbaren Stadtteilentwicklung auffordern. Aufbau neuer Zentralität Existenzen möglich, es gibt keine durch soziale gesprochen werden 19 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Herkunft oder Normenvorschriften festgelegten Nicht zuletzt durch Floridas Untersuchungen wur- Lebensweisen und Karrieren. In den Informations- de ins Bewusstsein gebracht, dass konkrete Orte netzen werden die Kooperanten und Arbeitsplätze ökonomisch auch in einer globalisierten Welt eine gefunden, die sich aufgrund ihrer gleichen Lebens- zentrale Rolle spielen („place matters!"). Die Krea- stile in den gleichen Milieus bewegen. Anregun- tivitätsdebatte hat zu einem Bedeutungszuwachs gen, neue Ideen und Produktionsinnovationen ent- des konkreten städtischen Raums und seiner inno- stehen so eher beiläufig als Nebenprodukte von vationsfreudigen Milieus geführt. Städtischer kulturellen und gesellschaftlichen Aktivitäten.“ Raum ist damit im Prinzip der Planung zugänglich. (Häußermann, 2002: 22). Wenn auch diese Be- Stadtplanung wird zu einem Bestandteil der Orts- schreibung des „freien Urbaniten“ das zwiespälti- bestimmung in der Form der Aktivierung von Pla- ge Abbild einer städtischen Lebensweise ohne nungsprozessen wie auch in der Entwicklung von Kontinuität und materielle Bindungen liefert, so Orten der Stadt, über die man spricht. stellt sie eine der Grundlagen der städtischen Pro- 20 duktivität dar. 1.1 Praxisbeispiel: Integrative Stadtteilarbeit Ein tolerantes, vielfältiges Klima in dem sich unter- zum Aufbau lokaler Verantwortungs- schiedlichste kulturelle Impulse gegenseitig berei- gemeinschaften chern, macht eine Stadt oder eine Region für Die Landeshauptstadt Hannover startete im Som- Wissensarbeiter im weitesten Sinne und damit für mer 2005 ein ambitioniertes Modellprojekt, um das wissensintensive Dienstleistungsbereiche attrak- zivilgesellschaftliche und ehrenamtliche Engage- tiv. Richard Florida hat mit seinen Untersuchungen ment auf Stadtteilebene zu stärken und die eigen- und Veröffentlichungen zur so genannten „creative verantwortliche Mitarbeit der Bürger an relevanten class“ (Florida, 2002; Landry, 2007) erweiterte Handlungsfeldern der Stadtteilentwicklung anzu- Grundlagen für Impulse zur Stärkung des Städti- regen: „Moderationsprozess als Modellprojekt: Ziel könnten. Der beobachtete Wandel bezog sich auf bessern bzw. erstmals herzustellen, um Projekte schen erarbeitet. Das Bild, das Image oder die Mar- ist Zusammenhalt in neun ausgewählten Stadttei- eine Veränderung der Bewohnerstruktur, auf zu- zur Attraktivierung der Stadtteile und des Images ke, eine kreative Stadt zu sein, führt zu einer höhe- len“ so fasste die Landeshauptstadt Hannover ihre nehmende soziale Problematiken und den Rück- insbesondere mit der Unterstützung von privaten ren Attraktivität und zieht unter der Voraussetzung Intention zusammen und forderte „das Engage- gang der Bedeutung der lokalen Ökonomie, die Investoren zu entwickeln und umzusetzen. Im einer weltoffenen und toleranten Stadtkultur wei- ment von Akteuren, die sich eigenverantwortlich sich insbesondere im Wandel und Rückgang des Laufe der „Integrativen Stadtteilarbeit“ wurde ein tere qualifizierte Talente an. Die Betonung kreati- für die Belange ,ihres‘ Stadtteils“ einsetzen. Eine ansässigen Einzelhandels äußert. kleines Budget für Stadtteilprojekte zur Verfügung ver Fähigkeiten geht nach Florida über die reine Besonderheit des neuen Verfahrensansatzes lag in Das Projekt verfolgt somit einen präventiven An- gestellt, um eine zielorientierte Arbeitsweise zu Wissensakkumulation hinaus: Kreativität wird zu dem Aufbau neuer Bürgergremien und aktiver satz, um umfassendere Erneuerungsprogramme gewährleisten und sichtbare Erfolge der Arbeit zu einem neuen Rohstoff der Produktionsentwicklung Arbeitsgruppen, die unterhalb der politischen wie beispielsweise „Stadtteile mit besonderem ermöglichen. Mit den angestoßenen lokalen Pro- und gewinnt dementsprechend als Standortfaktor Repräsentanz der Bezirke (Bezirksräte) selbständig Entwicklungsbedarf – Die soziale Stadt“ entbehr- jekten haben sich in vielen Fällen neue Vereine im und strategische Ressource an Bedeutung. Florida handeln. lich zu machen. In Abgrenzung zu den Program- Quartier gegründet oder alte wiederbelebt, die in betont, dass es bei der Etablierung der Wissens- Mit Hilfe intermediärer Träger sollten diese neuen men der Stadterneuerung sollte keine langfristige der Regel viele Geschäftsleute und vereinzelt auch und Kreativwirtschaft vor allem um die Schaffung Kommunikations- und Beteiligungsstrukturen in externe Betreuung angestoßen, sondern zunächst Eigentümer als neue Akteure gewinnen konnten. eines „people climate“ und weniger eines „busi- den Stadtteilen aufgebaut und soweit möglich ge- das Eigenengagement der Bürger in den Stadt Es wurden Entwicklungsprozesse angeschoben, ness climate“ gehe. Dieser Perspektivenwechsel festigt werden. Der Fokus richtete sich auf neun teilen gestärkt werden („peoples climate“). Hierzu die als ein Baustein zur Stärkung des städtischen vom Unternehmen hin zum Individuum fordert die Stadtteile in Hannover, in denen die sich abzeich- ist die Kooperation zwischen Einwohnern, Haus- Marktes dienen und somit Grundlagen zur Stabili- Stadtgesellschaft als Ganzes heraus, ihre kreativen nenden Veränderungsprozesse in letzter Konse- und Grundeigentümern, den lokalen Wirtschafts- sierung der Produktivität der Stadt liefern. (Ger- Potentiale zu entwickeln. quenz eine Destabilisierung nach sich ziehen kräften und den staatlichen Institutionen zu ver- nert/Habermann-Nieße:2007) Aktivierung der Einzelhändler für Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Geschäftswelt in Oberricklingen. 21 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik 2. 22 Die Schwäche der Stadt ist ihre soziale Unausgewogenheit – Soziale Abgrenzung, Lärm, Dichte, Isolation Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Durch die ungleiche Einkommensentwicklung und die anregungsarme Umgebung in diesen Quartie- Zwar gilt der Satz: „Urbanität ist geregelte soziale eine zunehmende soziokulturelle Differenzierung ren zu einer Beeinträchtigung ihrer Entwicklungs- Gleichgültigkeit zwischen einander Fremden auf nehmen soziale und kulturelle Disparitäten zu. So- chancen führen. Bildungserfolge und die Beteili- der Basis einer gesicherten systemischen Integra- ziale Unterschiede und Gegensätze zwischen und gung an beruflichen Qualifikationsprozessen sind tion durch den Arbeitsmarkt“. (Häußermann, 1995). auch innerhalb einzelner Stadtteile sind nicht per hier oft erheblich geringer als in anderen Quartieren. Aber es ist gerade die Heterogenität, die die gesell- Die spezifischen Merkmal des Städters hat Georg se Indizien für problematische Entwicklungen oder In allen Großstädten gibt es Stadtteile, in denen schaftliche Identifikation mit Stadtteilen mittels Simmel in seiner Großstadtsoziologie mit Intellek- die Gefährdung des sozialen Zusammenhalts der überdurchschnittliche Anteile von Menschen le- Beurteilung unterschiedlicher soziokultureller Le- tualität, Blasiertheit und Reserviertheit beschrie- Stadt insgesamt. Probleme entstehen für die Stadt- ben, bei denen sich soziale Risiken so bündeln, benszusammenhänge und die darauf basierende ben. Diese Haltung wird als Reaktion auf die Größe gesellschaft, wenn sich Stadtteile herausbilden, in dass sie in der Gefahr stehen, von der allgemeinen städtische Wohnstandortwahl entscheidend prägt. und Dichte der Städte und die durch die Dominanz denen es auf Grund kumulierter sozialer Problem- wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung abge- Die freiwillige Wahl einer Stadtwohnung lebt von der Geldwirtschaft bedingte Rationalität hervorge- lagen zu einer zunehmenden Desintegration und koppelt zu werden. Im gesamtstädtischen Ver- der Qualität der entwickelten soziokulturellen rufen (Simmel: 1993). Walter Siebel hat die daraus Marginalisierung von großen Teilen der Bewohner- gleich der relevanten Sozialindikatoren weisen Lebenswelten und Milieus – von der „richtigen“ resultierende städtische Ambivalenz treffend zu- schaft kommt. Trotz zum Teil intensiver Bemühun- diese Stadtteile meist relativ schlechte Werte oder Mischung – in den Stadtteilen. Ob Städte als krea- sammengefasst: „Die Stadt als Ort der Heterogeni- gen um eine städtebauliche und soziale Stabilisie- eine negative Dynamik bei der Entwicklung dieser tiv empfunden werden, hängt davon ab, ob ihnen tät, Größe und Dichte, hoch spezialisierter Arbeits- rung laufen in diesen Gebieten verstärkt soziale Indikatoren auf. Ihre Sozialstruktur, die Einkom- Integration und soziale Inklusion gelingen. Große teilung und Fremdheit treibt zum einen die Indivi- Entmischungsprozesse ab. Ursächlich hierfür ist menssituation, das Arbeitsplatzangebot, das Bil- soziale Ungleichheit führt zu Exklusion und ver- dualisierung voran, positiv, indem eine differen- weniger das Fortbestehen städtebaulicher Miss- dungs- und Ausbildungsniveau, die Ausstattung hindert Toleranz. Vielfalt ist entscheidendes Merk- zierte Arbeitsteilung und hoch differenzierte stände als vielmehr zunehmende Armut, Langzeit- mit sozialer und kultureller Infrastruktur sowie der mal des Städtischen. Kulturelle Differenzierung Marktangebote den Individuen sehr unterschied arbeitslosigkeit und eine wachsende soziale und bauliche Zustand von Gebäuden, Straßen und Plät- führt zu Spannungen, die aber nicht desintegrie- liche berufliche und Konsummöglichkeiten, also kulturelle Ungleichheit. zen, die Qualität der Wohnungen, des Wohnumfel- rend wirken müssen. Deshalb hat Stadtentwick- individualisierte Lebensweisen eröffnen, negativ, Die Konzentration sozial belasteter Gruppen be- des und der Umwelt weichen erheblich vom ge- lungspolitik Kreativitätsförderung und soziale Inte- indem sie den einzelnen aus Traditionen heraus wirkt Abwanderungsprozesse, die zusätzlich zur samtstädtischen Durchschnitt ab. Die Wahrneh- grationspolitik zusammenzuführen. Stadtplanung lösen.“ (Siebel, 2000: 270). Das Bild der Stadt spie- sozialen Entmischung beitragen: Familien, deren mung der sozialen Disparitäten führt zur Abwen- hat in diesem Kontext nicht nur eine gestaltende gelt also die möglichen Folgen von Heterogenität Einkommenssituation es erlaubt, ziehen nach und dung aus städtischen Lebenszusammenhängen. baukulturelle Verpflichtung, die sich zum Beispiel wider als Orte nicht nur der ausschließlich positi- nach aus diesen Quartieren weg. Die Tatsache, In den Motiven der Stadtumlandwanderung wird in der baulich räumlichen Aufwertung benachteili- ven Chancen von Individualisierung, sondern auch dass auch gut integrierte und aufstiegsorientierte erkennbar, dass die positive Wahrnehmung der gend wirkender Stadtteile widerspiegelt, sondern als Orte der Fremdheit, des Verfalls sozialer Bin- Migranten-Familien diese Quartiere aus ähnlichen Stadt als Kristallisationspunkt begrenzt wird von auch eine Managementaufgabe, die zum Beispiel dungen und der Ungleichheit. Sie werden doku- Gründen wie die deutschen Familien verlassen, sozialräumlicher Polarisierung, ethnischen Segre- in Ressortübergreifenden Handeln bei der Sozialen mentiert durch das enge Nebeneinander von Ein- macht deutlich, dass es primär um die Konzentra- gation und sozialen Disparitäten: Während die Stadterneuerung wieder zu finden ist. kommensarmut und Wohlstand. tion sozialer Problemlagen und ihre negativen Kernstädte als kulturelles Zentren weiterhin At- Großstädte bestehen in der Regel aus differenzier- Rückwirkungen auf ganze Stadtteile geht. Denn traktivität und Beliebtheit aufweisen, werden Un- 2.1 Praxisbeispiel: Raumgestaltung ten, von einander abgegrenzten Stadtquartieren, die Herkunft aus diesen Quartieren kann zum Stig- zufriedenheit mit dem Wohnumfeld, soziale Dispa- in der sozialen Stadterneuerung die sich baulich-räumlich, funktional und soziokul- ma werden und deren Bewohnerinnen bei der ritäten und Wohnwünsche („das freistehende Ein- Göttingen Grone turell unterscheiden. Die Ursachen für die unter- Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Ausbil- familienhaus“) als Wanderungsgründe herange 1999 sind Teilgebietes des Göttinger Stadtteils schiedliche Entwicklung der Stadtquartiere liegen dungsstelle behindern. Soziale Kontakte der Quar- zogen. Dabei ist nicht unerheblich, dass Umzüge Grone in das Programm „Stadtteile mit besonde- primär in der selektiven Wirkung des Bodenmark- tiersbewohner beschränken sich häufig auf Perso- im Stadtgebiet zwischen den einzelnen fragmen- rem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt“ auf- tes auf Grund der anhaltend hohen Wohnungs- nen, die selbst mit vielen sozialen Problemen be- tarisierten Stadtteilen ebenfalls eine polarisierende genommen worden. Die Erneuerungsgebiete sind nachfrage, unterschiedlicher Einkommen der Woh- haftet sind. Vor allem Kinder und Jugendliche, für Tendenz zwischen Stadtteilen der unterschied in das Alte Dorf Grone eingebettete und an das nungssuchenden und stadträumlich konzentrier- die das Quartier ein wichtiger Sozialisationsraum lichen sozialen Lebenswelten, Milieus und Ein- Dorf arrondierte Siedlungsbereiche aus den 60er ten Angeboten bestimmter Wohnungstypen. ist, werden dadurch stark beeinflusst. Für sie kann kommensgruppen aufweisen. und 70er Jahren, die die typischen Strukturen der 23 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Großsiedlungen dieser Bauzeit aufweisen. Als gruppen an die Stadt zu binden. Denn selbst in sta- von Pendlerpauschalen, durch den hohen Moto Reaktion auf jahrzehntelange Desinvestition in gnierenden Regionen hält die Stadt-Umlandwan- risierungsgrad, die gute Erreichbarkeit der Kern- Wohnung, Wohnumfeld und öffentlichen Raum derung, wenn auch auf geringerem Niveau, an. Die städte und das Bodenpreisgefälle zugunsten des signalisiert die Förderung der Sozialen Stadterneu- Beweggründe für die Stadtumlandwanderung sind Umlandes. erung einen Neuanfang. (Habermann Nieße, 2003) vielfältig und von den unterschiedlichen Lebens- Im gegenwärtigen gesellschaftlichen und demo- Die Erneuerung der öffentlichen Räume und die stilen und der persönlichen Werteentscheidung grafischen Wandel lassen sich Trends ausmachen, Wiederbelebung der Quartierszentren sind zentra- mittlerer und höherer Einkommensgruppen nicht die gegenläufige Tendenzen bewirken können. le Bausteine der sozialen Stadterneuerung in Göt- zu trennen. Die von Walter Siebel und Hartmut Traditionelle Lebensmuster wie die „Normalfami- Häußermann formulierte Polarisierung der Wan- lie“ (allein verdienender Vater, Hausfrau und dernden beschreibt die notwendigen Unterschei- Mutter, zwei Kinder) verlieren an Bedeutung. Heu- dungen. Sie sprechen einerseits von den Stadtbe- te entsprechen nur noch elf Prozent aller Haushalte tingen Grone. Reagiert wird damit auch auf die symbolische Beeinträchtigung des Stadtteils, weil Jonaplatz in vielfältiger Nutzung nach seiner Umgestaltung. der in Teilen verwahrloste öffentliche Raum den wohnern, für die Wohnungen vor allem praktisch dem Typus der Standardfamilie mit zwei Kindern Das negative Image des Quartiers wurde in allen deutlich, welche Potenziale der neue Raum bietet. und bequem zu sein haben, weil sie die Hausarbeit unter 18 Jahren. Die Normalfamilie wird zur statis- Untersuchungen zur Vorbereitung der Stadterneu- Nach vielen Jahren der Distanz zwischen Alt Gro- minimieren wollen, um Zeit und Energie für den tischen Ausnahme. Darüber hinaus nimmt die Zahl erung in der Wahrnehmung von innen als auch von ne und Grone Süd hat das Sommerfest 2009 die in- Beruf und für die aufwendigen Freizeitaktivitäten der Familien gründenden Haushalte in der Alter- außen bestätigt. Die Umgestaltung der zentralen tegrative Kraft der Stadterneuerung wiedergege- zu haben, und andererseits von den Vorstädtern, gruppe zwischen 28 und 35, die die Stadtumland- Aufenthaltsbereiche sollte direkt darauf reagieren. ben, da auch der Verein „Wir sind Grone“ aus dem die in der Wohnung Geborgenheit und Sicherheit wanderung überwiegend prägten, beständig ab. Der Weg zur Umgestaltung des Quartiersplatzes Altdorf erstmalig einen Stand aufgemacht hat. Die suchen, sich ein Nest ´bauen´, das durch eine Die Bedeutung des „Städtischen“ wächst, wenn Grone-Süd – heute Jona Platz – steht stellvertre- Jugendband aus dem Stadtteil hat nach vielen Jah- unsichtbare (häufig auch sichtbare) Mauer gegen flexiblere Arbeitszeiten, die Orientierung auf neue tend für Schritte der Stadterneuerung in Grone und ren auch nicht vorrangig russische Lieder gesun- die öffentliche Sphäre abgegrenzt ist (Häußer- Technologien und Dienstleistungen eine Neu die damit verbundenen Beteiligungsprozesse. gen, sondern eine Mixtur aus europäischer Pop mann/Siebel, 1996: S. 309). Diese gegensätzlichen orientierung des Wohnen-Arbeiten-Verhältnisses Durch die Gestaltung des Jonaplatzes wurden Musik. Es sind also die „Brücken gebaut“, die zu Wohnstiltypen geben Hinweise auf eine Unter- bewirken, in dem die Wohnung tendenziell auch neue städtebauliche und bauliche Strukturen ge- Beginn der Stadterneuerung erwartet wurden. scheidung zwischen Stadtbefürwortern und Um- Arbeitsplatz wird und Nähe zu städtischen Netz- schaffen, die die Bildung von Nachbarschaft unter- Symbolische Schritte, die sich beobachten lassen, landwanderern. werken gefordert wird. Damit wird das Städtische stützen, die funktionale Einbindung verbesserten sind aber gewiss keine Antwort auf die vielfältigen Die polarisierende Betrachtung eröffnet die Option, auch Ausdrucksform der Emanzipation im Sinne und die räumlich-ästhetische Wahrnehmung stei- Fragen nach der Zukunft der urbanen Lebensweise dass es Möglichkeiten zu einer Einflussnahme auf der Geschlechtergerechtigkeit, da in den Vorstäd- gern. Darüber hinaus entwickelte die bauliche in Göttingen Grone, die auch akzeptiert, dass die die Wanderungsentscheidung gibt, wenn sich ten die Integration in Arbeitsmarkt und Stadtkultur Gestaltung des öffentlichen Raumes mit zeitgemä- tatsächliche Inanspruchnahme des öffentlichen wenigstens die Stadtbefürworter, die nicht zuletzt erheblich schwieriger zu gestalten ist. ßen Strukturelementen eine neue funktionale Qua- Raums sehr unterschiedlich sein kann. Sie wird aus Mangel an attraktiven Angeboten die Stadt Die Bedeutung des Städtischen wächst aber auch lität, deren Wirkung in engem Zusammenhang zur durch die weitere Praxis des Quartierslebens zu verlassen haben, sich tatsächlich wieder in der in einer alternden Gesellschaft, wenn im dritten zukünftigen sozialen Kommunikation steht. Dieses beantworten sein. (Habermann-Nieße/Nieße: 2009) Stadt einrichten könnten. Die Gründe ihrer Wande- Lebensabschnitt kulturelle Vielfalt, kurze Wege zu rung liegen in dem Wunsch nach der Einbettung in attraktiven Infrastrukturen, Nähe zu Gesundheits- das eigene soziale Milieu, in dem Familie geborgen diensten und sozial homogene Nachbarschaften und Kinder aufwachsen sollen, dem Wunsch nach an Wert gewinnen. mehr Stadtgrün und einem attraktiven Wohnum- Nutzungswandel in den Städten verbessert das feld und dem Wunsch nach einem repräsentativen Baulandangebot, wenn mit der Aufgabe von Pro- selbst gewählten Wohnen auf möglichst preis- duktionsstätten und der Konversion militärischer Bewohnern ihre eigene Wertlosigkeit signalisiert. wird allabendlich deutlich wenn auch an Regenabenden unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unter der Loggia stehen und sich noch einmal auf dem Weg nach Hause unterhalten. Dabei wird dieser Alltag nicht von denen geprägt, vor denen 3. Das Städtische zwischen Ent wertung und Stärkung – Gibt es einen Reurbanisierungstrend? alle zu Anfang gewarnt haben. Der Platz hat sich im Stadtteil eingerichtet und der Kennzeichen der westdeutschen Großstädte im günstigen Baugrundstücken. Befördert wurde die Anlagen attraktive innerstädtische Lagen dem Stadtteil hat den Platz angenommen. Spätestens beginnenden 21. Jahrhundert ist aber auch das Umsetzung des Wunsches jahrzehntelang durch Wohnen zugeführt werden können. Und nicht zu- beim jährlichen Internationalen Straßenfest wird Bemühen der Kernstädte, höhere Einkommens- die staatliche Eigenheimförderung, die Gewährung letzt kann der prognostizierte Bevölkerungsrück- 25 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik gang ein Umdenkens bei den Akteuren der Stadt- und Wohnungswirtschaft gemeinsam auszuarbei- der Planung, d.h. das Mitgestalten und Entwerfen tätigkeit in der Stadt Hannover auf festen Füßen. entwicklung und des Wohnungsmarktes bewirken, ten und umzusetzen. der eigenen Wohnung. Hannover war und ist auf der Basis dieser Tradition Auch nach der Planungs- und Bauphase – wenn immer wieder ein aktiver Katalysator für die Wohn- um der Gefahr der Perforation der Kernstadt mit 26 Nutzungsbrachen und wenig ausgelasteter Infra- 3.1 Praxisbeispiel: Aufbau von Baugemein- die Wohnphase beginnt – möchten viele Bewohner projektebewegung in der Bundesrepublik gewe- struktur frühzeitig zu begegnen. Verantwortung für „ihr“ Projekt, für „ihr“ Haus, für sen. Wenn in diesem Jahr die Baugemeinschaftsin- Andererseits gibt es einige Befunde, die das „Zu- Während heute die demographischen und gesell- „ihre“ Nachbarschaft übernehmen. Bei Fragen der itiative des Berliner Senats hannoversche Beratung hause in der Stadt“ als selbstverständliche Ent- schaftlichen Veränderungen zu einer Ausdifferen- Nachbelegung von freien Wohnungen, der In- durch das Bürgerbüro anfordert oder eine junge wicklungsoption in Frage stellen. Weiterhin sind zierung der Lebensformen und -stile führen und standhaltung und der Verwaltung der gemein hannoversche Genossenschaft in Veröffentlichun- vor allem die städtischen Räume von hoher Ver- diese eine vielfältige Nachfrage nach „Wohnen“ samen Anlagen (Gärten, Gemeinschaftsräume etc.) gen des Bauministeriums als Katalysator für Quar- kehrsbelastung geprägt. Auch in den Städten neh- erzeugen, ist festzustellen, dass ein entsprechend werden sie mitbestimmen und mitgestalten und tiersentwicklung herausgestellt wird, zeigt sich, men die traditionellen Qualitäten des hohen Stan- differenziertes Angebot an Miet- wie auch Eigen- dies nicht einem Eigentümer oder Verwalter außer- dass Hannover über kreatives Potenzial zur Ent- dards der wohnortnahen Versorgung mit Gütern tumswohnungen begrenzt existiert. Als Reaktion halb des Projekts überlassen. Die Übernahme von wicklung des Wohnprojektegedankens verfügt. des täglichen Bedarfs und sozialer Infrastruktur ab. auf Individualisierung tritt neben den traditionel- Verwaltungsaufgaben geht einher mit der Über- Weiterhin hat das Wohnen zur Miete oder in der len anbieterorientierten Wohnungsmarkt eine nahme von Verantwortung für das Objekt und Eigentumswohnung den Ruf noch zu verdienen, Nachfrage nach gemeinschaftlichen und integrati- damit auch für das Wohnumfeld, was wiederum familien- und kinderfreundlich zu sein. Auch darf ven Wohnformen, die in selbst gewählten Nach- die Identifikation mit und die Bindung an das nicht übersehen werden, dass die Stadt sehr viele barschaften – sei es, in Eigentümergemeinschaf- Wohnquartier erhöht. und unterschiedliche soziale Milieus beherbergt, ten oder neuen Genossenschaften – realisiert In Hannover blickt die Bewegung für Wohnprojek- deren Zusammenleben in Vielfalt und Differenz werden. Die neuen Eigentumsformen beinhalten te auf eine lange Geschichte zurück, die Ende des Das Thema Klimaschutz und Anpassung an den nicht von der ganzen Stadtgesellschaft als Qualität in unterschiedlichen Abstufungen Elemente 19. Jahrhunderts mit dem Aufbau der Genossen- Klimawandel ist für die Städte seit langem sehr be- wahrgenommen wird. eigenverantwortlichen Wohnens. Sie weisen schaftsbewegung begann. In Hannover sind die deutungsvoll. Dies wird aufgrund der ehrgeizigen Zusammengefasst heißt das: Die Chancen für eine n achbarschaftliche gemeinsame seinerzeit entstandenen Traditionsgenossenschaf- Klimaschutzziele der Bundesregierung angesichts Aufwertung oder gar Renaissance der Stadt als Verfügungsrechte bis zum Gemeinschaftseigen- ten mittlerweile gestandene Wohnungsunterneh- eines noch „mäßigen“ prognostizierten Tempera- Arbeits- und Wohnort liegen vor allem im gesell- tum und besondere Formen des Zusammenlebens men. Nach dem Krieg lieferten die Wiederaufbau- turanstiegs von zwei Grad Celsius mit allen seinen schaftlichen Wandel mit einem verändertem Kon- auf. genossenschaften die guten Beispiele für einen Folgen in den nächsten Jahrzehnten allerdings sumverhalten, dem Wechsel der Lebensstile und Die Palette dieser Wohnprojekte reicht von dem kooperativen Nachkriegswohnungsbau. In den noch an Bedeutung zunehmen. In Europa und Milieus, der demografisch bedingten Alterung bis Studentenwohnen bis zu Gemeinschaftsprojekten 1980er Jahren erhielt die Wohnprojektebewegung Deutschland ist aufgrund der erwarteten steigen- zur Neustrukturierung der Arbeitswelt. Vorausset- gehobener Einkommensgruppen, von sozialen mit der Gründung von Selbsthilfegenossenschaf- den Temperaturen, zunehmender Hitzewellen, län- zung für das „Sich einrichten“ in der Stadt ist das Jugendwohninitiativen bis zu gemeinschaftlichem ten und zahlreichen nachbarschaftlich verfassten gerer Trockenperioden, extremerer Niederschläge, Herausarbeiten einer unterscheidbaren Identifika- Wohnen von Jung und Alt. Allen ist gemeinsam, Eigentumsprojekten eine neue Kraft, die auch auf saisonaler Stürme und Hochwässer mit neuen tion mit der Stadt und den Stadtquartieren und die mehr aus dem Wohnen zu machen, als es traditio- die Wohnungswirtschaft zurück wirkt. Vorausset- Anforderungen an Raum- und Stadtentwicklung Aktivierung lokaler Ressourcen für alle Formen nelle Angebote zulassen. Eine der zentralen Vor- zung waren gesellschaftspolitische Rahmenbe sowie Infrastrukturauslegung zu rechnen. städtischer Lebenswelten. Damit ist die „Renais- aussetzungen ist die selbst gewählte Nachbar- dingungen, die in Zeiten der Wohnungsnot im Für die Städte geht es in Zukunft zum einen darum, sance des Städtischen“ kein eindimensionales schaft, d.h. die Bewohner bekommen die Chance 19. Jahrhundert oder in Zeiten der übermäßigen einen eigenen Beitrag zur Verlangsamung des Handlungsprogramm, sondern ein umfassendes zur Mitbestimmung an der Zusammensetzung Spekulation mit Wohnraum in den 1980er Jahren Klimawandels zu leisten, zum anderen darum, in Konzept einer integrierten Stadt- und Stadtteilent- ihrer Nachbarschaft. Die Organisationsform der den Aufbau von Alternativen beim Wohnen unter- eigenem Interesse mögliche negative Auswirkun- wicklung. Die neuen Städter kommen nicht von einzelnen Projekte ist die der Hausgemeinschaft: stützten. Heute stehen die Förderung von Bauge- gen zu antizipieren und präventiv zu handeln. Der selbst, die dafür erforderlichen Konzepte und Stra- Alle wohnen in einem baulichen Zusammenhang, meinschaften durch das Bürgerbüro Stadtentwick- Anpassung an die Folgen des Klimawandels tegien sind von der ganzen Stadtgesellschaft, der aber doch in einzelnen abgeschlossenen Wohnun- lung und der Aufbau von nachbarschaftlich orien- kommt deshalb in der modernen Stadtentwick- Stadtpolitik, der Stadtplanung und der Immobilien- gen. Ebenso bedeutsam ist die Mitbestimmung bei tierten Projekten als ein Baustein der Wohnbau lungsstrategie größere Bedeutung zu, worauf hier schaften in der Stadt Hannover Qualitäten, 4. Erhalt der lebenswerten Stadt durch Klimaschutz: Stadtklima, Mobilität, Stadtgrün 27 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik allerdings aus Platzgründen nicht eingegangen Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen im sieren, so dass ein rechnerischer Ausgleich bei der steht ein reduzierter Handlungsspielraum ange- werden kann. Bereich des Verkehrs kommt deswegen den Raum- Betrachtung der jährlichen Energiebilanz erreicht sichts prekärer Haushaltslagen vieler Kommunen Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, von der und Siedlungsstrukturen, die einen Beitrag zur wird. gegenüber. Darüber hinaus geraten die histori- mehrere Handlungsfelder und Ressorts betroffen CO2-Reduzierung leisten können, eine besondere Dazu wurde ein städtebaulicher Wettbewerb aus- schen Formen sozialer Bindekraft wie Familie, sind. In der Stadtentwicklung ergeben sich zahlrei- Bedeutung zu. Damit erhält Stadtentwicklungs geschrieben, der aufzeigt, welche Möglichkeiten Arbeitsplatz, kulturelle Identität, Vereinsstruktur che Möglichkeiten, die Aufenthaltsqualität in den politik auch eine raumordnerische Komponente. der CO2-Minderung im Baugebiet zu erreichen und lokaler Einzelhandel im gesellschaftlichen Städten im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflus- Zukunftsfähige klimaschonende Siedlungsstruktu- sind: Für eine effektive Nutzung der aktiven und Wandel unter Druck. In den Stadtteilen verringert sen und ihre Energieeffizienz zu verbessern, wenn ren haben das komplexe Zusammenspiel von Ver- passiven Solarenergie kann durch Anordnung der sich damit die Teilnahmebereitschaft an Aktivitä- zum Beispiel sowohl Pendlerverkehre aus dem kehrs-, Wirtschafts-, Raumordnungs-, Energie-, Baukörper die Verschattung der Südfassaden wei- ten zur Qualifizierung und Entwicklung von Stadt- Umland als auch Freizeitverkehre ins Umland re- Stadt-, Boden-, Ordnungs-, Sozial- und Umwelt testgehend minimiert werden. Darüber hinaus teilkultur, Stadtteilidentität und lokaler Demokra- duziert werden. Kompakte Stadtstrukturen, kurze politik zu berücksichtigen. Um den komplexen wird eine optimale Anordnung für Hauptwohnräu- tie. Auf diese Weise geht die konkret-örtliche Ge- Wege, Funktionsmischung, Verkehrsmanagement, Anforderungen für eine nachhaltige Entwicklung me und für die zur aktiven Solarenergienutzung meinschaft als Partner für soziale Stabilisierung, effizienter, energiesparender öffentlicher Nahver- gerecht zu werden, sind integrierte Handlungs geneigten Dachflächen (Neigung von ca. 30 – 50°) Integration und Kooperation verloren. In der Folge kehr, großzügige Freiflächen und insbesondere ansätze erforderlich, die Maßnahmen und Projekte im Süden (+ - 45°) empfohlen wie auch eine kom- sind Kommunen immer mehr aufgefordert, vor Ort wohnortnahes Grün sind wichtige Elemente zur in unterschiedlichen Handlungsfeldern berück- pakte Realisierung der Baukörper. Der bereits ge- lokale Partnerschaften aufzubauen und in den Stabilisierung städtischer Lebenswelten. Grün in sichtigen. Die Einbettung dieser Konzepte in ge- nannte geringe Energieverbrauch bei Passivhäu- Stadtteilen Kooperationspartner zu gewinnen, die der Stadt bindet nicht nur Staub- und Schadstoff- samtstädtische Entwicklungsstrategien bis hin zu sern lässt sich auf wirtschaftlichem Wege nur bei mit ihnen zusammen die Folgen sozialräumlicher mengen und verbessert das Stadtklima, sondern regionalen Strategien ist eine wichtige Vorausset- einem günstigen Verhältnis von Außenfläche zu Polarisierung und möglicher Qualitätsverluste auf- stärkt auch das Städtische. Die Umsetzung einer zung, um der Komplexität des Problems einer Gebäudevolumen erreichen. halten. Denn viele Handlungsfelder einer nachhal- nachhaltigen Stadtentwicklung und damit in er- „nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung“ Das Energiekonzept für die Siedlung (Stadt Hanno- tigen Stadtentwicklung sind auf die kreative heblichem Umfang zur Minderung von CO2-Emis- gerecht zu werden. ver 2006) zeigt im Einzelnen auf, welche Kompo- Unterstützung der Stadtgesellschaft und auf bür- nenten für das Erreichen der angestrebten Stan- gerschaftliche Initiative und Aktivität angewiesen. sionen beizutragen, kann als ökonomische Produk- 28 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik tivität betrachtet werden. Denn es geht dabei 4.1.2 Praxisbeispiel: Planerische Vorbe dards hinsichtlich Wärmeschutz, Heizung und Eine solche Beteiligungskultur setzt die Überwin- nicht darum, die Mobilität als Bestandteil der indi- reitung der Nullemissionssiedlung Warmwasser, Haushaltsstrom und Emissionen aus dung der wechselseitigen Sprachlosigkeit sowie viduellen Lebensqualität zu beeinträchtigen oder „In der Rehre“ in Hannover Verkehr anzustreben sind. Die Städtebauliche Pla- vertrauenbildende Maßnahmen der Politik voraus. in Frage zu stellen, sondern um neue Ansätze, Die politischen Gremien der Landeshauptstadt nung strukturiert die baulich-räumliche Charakte- Sie erfordert folglich nicht nur ein neues Selbstver- gleichzeitig Umweltqualitätsziele zu erreichen. Hannover haben die Verwaltung beauftragt, die ristik des Baugebietes und die planungsrechtli- ständnis der kommunalen Verwaltungen, sondern Allein der Suburbanisierungsprozess bei Wohnen, Wohnbaufläche „In der Rehre“ im südwestlichen chen Verfahren werden an die Entwicklungsziele auch Reformen in den vorhandenen bürgerschaft- Gewerbe, Grundstückspreisen, Dienstleistungen, Quadranten der Stadt als Modellprojekt einer Null- angepasst. (Habermann-Nieße u.a., 2007) lichen Institutionen und Verbänden sowie eine ge- Handel und Freizeiteinrichtungen bewirkt mit sei- emissionssiedlung zu entwickeln. Es wird das Ziel nen absoluten wie relativen Siedlungsflächenzu- verfolgt Stadtbürger durch innerstädtische Bau- wächsen im Umland von Agglomerationsräumen landangebote in der Stadt zu halten und gleichzei- eine Entmischung von Funktionen, mit der Folge, tig weit reichende Klimaschutzziele umzusetzen. dass dafür kaum wirtschaftlich tragfähige Lösun- Ziel der Nullemissionssiedlung ist es, den Energie- gen für den ÖPNV in ausreichender Attraktivität bedarf und die damit verbundenen CO2-Emissio- angeboten werden können. Die Folge ist, dass der nen der gesamten Neubebauung für Heizung, erhebliche Anstieg des Verkehrsaufkommens und Warmwasserbereitung und Haushaltsstrom zu mi- Dem Handlungsbedarf für eine Stadtentwicklungs- zug zum konkreten Ort. Dafür bieten sich die seine räumliche Ausweitung den mobilisierten nimieren und die verbleibenden Restemissionen politik, die auf sozial selektive Stadtumlandwande- Stadtquartiere als Ort bürgerschaftlicher Aktivie- Individualverkehrs (MIV) und den privaten Wirt- durch regenerative Energieerzeugungsanlagen rung, Verstärkung sozialen Disparitäten und in rung an. Bürgerengagement im Sinne ehrenamt schaftsverkehr intensiviert. Angesichts des hohen innerhalb und außerhalb der Siedlung zu kompen- Wert Setzung städtischer Produktivität reagiert, licher Betätigung verlangt konkrete Projekte, Hilfe- nerelle Öffnung für die Einmischung der Bürger in das kommunale politische Geschehen. 5. Einbindung der Stadtgesellschaft – Aktivierung der Stadtbürger durch Stärkung der Beteiligungskultur als neue Stadtentwicklungspolitik? Das Einbeziehen der Bürgerschaft in stadtpolitische Entscheidungen erscheint angesichts der Herausforderungen und Veränderungen, vor denen die Städte stehen, als notwendige Aufgabe. Partizipation in den Städten braucht allerdings den Be- 29 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik stellung und Anerkennung. Für die Städte bleibt Das Akteursszenario, mit dem Stadtplanung be- Übermäßige Regulation weicht den modernen liche Kooperation zu begegnen, die die Chance die Aufgabe, eine Beteiligungskultur zu unterstüt- schäftigt ist, ist vielfältig und reicht von Investoren, Regeln des schlanken Staates und auch der Staat unterschiedlicher Rollenbestimmungen und unter- zen, die den vielfältigen Realitäten, Lebenswelten Grundstückeigentümern. Gewerbetreibenden verändert sich in seinem Rollenverständnis. Neue schiedlicher Rollenwahrnehmungen nutzt. Aller- und Interessen der Menschen gerecht wird. Betei- über lokale Politik bis zu den Haushalten. Stadtpla- Vorstellungen des Staates sind die des aktivieren- dings führen bereits die zeitintensiven Abstim- ligungskultur entfaltet sich dort, wo sich Politik nung wird in diesem Spannungsfeld ein Element den Staates oder des gewährleistenden Staates. mungsverfahren zwischen den Verwaltungsres- und Verwaltung ernsthaft und in ständigem Rin- von lokaler Demokratie und Planungskultur. Der Unterschied zeigt sich beispielsweise in der sorts in der Regel zu einer geringen Bereitschaft gen um die kreative Mitarbeit der Bürger und Bür- Fragestellung, ob Lebenschancen durch Umvertei- der Verwaltung, sich anschließend noch auf Betei- gerinnen bemühen und auch diejenigen in die Ent- lung oder die Gewährung individueller Rechtsan- ligungsschritte einzulassen. Voraussetzung für sprüche zu sichern sind. Die Gewährleistung allge- kooperatives Verfahren ist deshalb die auf Partizi- meiner Zugangsvoraussetzungen für gesellschaft- pation abstellende vorausschauende Beratung von liche Teilhabe und die Realisierung individueller Projekten in der Verwaltung. Abbau von Ressort- Lebensentwürfe kommt dann eine entscheidende denken, Förderung des ressortübergreifenden Rolle zu. Handelns und Einbeziehung der Partizipationsver- Zeitgleich mit dem Paradigmenwechsel der Pla- In den Stadtteilen werden die Widersprüche und fahren in das Verwaltungshandeln sind Wege für nungsaufgaben erreicht die fiskalische Krise die Konflikte der Stadtentwicklungspolitik ganz be- die Verankerung einer aktiven Beteiligungskultur. staatlichen und kommunalen Akteure die Stadt- sonders deutlich. Wenn die Entwicklung des Mark- Vor Ort eingesetzt haben sich intermediäre Orga- entwicklungspolitik. Auch wenn die aktuelle tes die öffentliche Daseinsvorsorge in Frage stellt, nisationsstrukturen mit den „Weiten der Ebene“ zu Stadtentwicklung in Deutschland zurzeit noch in ist kommunales Handeln gefordert. In lokalen Zu- befassen. Bemühungen um den Aufbau bürger- großen Teilen von staatlichen Regulierungen do- sammenhängen werden allerdings auch die Gren- schaftlichen Engagements stößt allerdings nicht miniert wird, verweisen politische Entscheidungen zen des kommunalen Handelns schnell sichtbar. immer auf die Aktivierungsbereitschaft der ange- wie zum Beispiel die Stärkung der Vertragsfreiheit Die Aktivierung lokaler Akteure für das Gemein sprochenen Bürgerschaft, und andererseits wird im Mietwohnrecht oder die zunehmende Anwen- wesen setzt voraus, dass sie die Erkenntnis haben, entfaltetes bürgerschaftliches Engagement von dung von produktorientierten Vorhaben- und Er- dass ihr Engagement nicht nur kommunalen Auf- Verwaltung und Politik nicht gerne gesehen, wenn schließungsplänen auf einen Wandel in der kom- gaben ergänzt, sondern auch für sie selbst eine zusätzliche Arbeit für die Verwaltungsmitarbeiter munalen Grundhaltung. Stadtentwicklungspolitik soziale und wirtschaftliche Verbesserung mit sich anfällt oder zwischen den politischen Parteien ge- setzt immer mehr, nicht zuletzt aus fiskalischen bringt. In das Wechselverhältnis zwischen den troffene Vereinbarungen durch das Engagement in Gründen, darauf, Akteure der Stadtgesellschaft, Erwartungshaltung der Privaten gegenüber der Frage gestellt werden. Für den Aufbau eines krea- aber auch investives Kapital zu befähigen, Stadt- Kommune und der Kommune gegenüber den tiven Wechselverhältnisses haben deshalb inter- entwicklung in eigene Hände zu nehmen und Privaten treten immer häufiger intermediäre Orga- mediäre Organisationen die richtige persönliche sches Handeln, Ermunterung für nicht ausschließ- kooperativ mit der Stadt zu betreiben, wobei sich nisationsstrukturen, die einen Interessenaustausch Ansprache zu finden, die passenden Methoden lich ökonomische Lösungen, politische Unterstüt- das öffentliche Handeln auf die Begleitung und auf Augenhöhe organisieren und im besten Fall und Verfahren zu wählen und damit den Aus- zung für Innovation, Risikoübernahme oder Risiko- gelegentliche Intervention beschränken kann. einen Interessenausgleich initiieren können (Selle, tausch unterschiedlicher Interessen zu organisie- strukturfonds. Zu überwinden sind Negativwir- Gerd Albers hat 1997 diesen Wandel des Planungs- 1991). ren. Beteiligung sollte die Erfahrung erlauben, dass kungen von Verwaltungsstrukturen, die aus Hier- verständnisses als Berufsoption der Stadtplanung Ein ergebnisorientierter Interessenausgleich stößt Zielformulierungen und Situationsbeschreibungen archien, strenger Budgetierung, mangelhafter benannt: „Der Planer wird zum „Manager of allerdings nicht selten an Grenzen der Bereitschaft nicht nur als gegeben, sondern auch als veränder- Steuerung, schlechter Bezahlung und Personal- Change“, der als Moderator oder Mediator das Ziel der demokratisch legitimierten Akteure und der bar begriffen werden können. Die Kontinuität von mangel resultieren können. Der Planungsberuf verfolgt, die verschiedenen Akteure für ein Ziel Verwaltung, Verantwortung abzugeben und eine Projekten, die Stärkung der Stadtteilakteure, der steht an der Schnittstelle zwischen kommunalen oder einen Plan zu gewinnen und zu motivieren, für die Stadtentwicklung verlässliche neue Beteili- Ausbau von Netzwerken und die permanente Be- Verwaltungshandeln sie zur wirksamen Kooperation zusammenzufüh- gungsstruktur einzurichten. Der Sorge um einen teiligung an Planungs- und Bauprozessen ist erfor- ren und damit Synergieeffekte auszulösen.“ potenziellen Kontrollverlust ist durch eine vertrau- derlich, um die Bewohnerinnen und Bewohner zur scheidungsprozesse einbeziehen, die oft ausgegrenzt werden. (vgl. Sauter 2004; Selle 2001) Das bedeutet: Kreative Stadtentwicklungspolitik braucht Veränderungen und in den Stadtverwal- 6. Stadtentwicklung als intermediärer Prozess – zwischen klaren Vorgaben und dauerhaften Durchwurschteln tungen mehr Motivation zu ungewöhnlichen Lösungen, ressortübergreifendes und unbürokrati- Bürgerinformation in Hildesheim Drispenstedt und bürgerschaftlichem Engagement für das Gemeinwesen. 31 Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Übernahme von Verantwortung für das Quartier zu Literatur führen. Neuere T endenzen in der S tadtentwicklungspolitik Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1996): Sozio- Siebel, Walter (2001): Segregation und Integration, logie des Wohnens, München. Voraussetzungen für die Integration von Zuwan- Intermediäre Träger – das sind in vielen Fällen Pla- Florida, Richard (2002): The rise of the creative Häußermann, Hartmut ; Siebel, Walter (1987): Neue derern; In: Schader Stiftung (Hrsg.) wohn.wandel, nungsbüros – können im Auftrag der kommunalen class, New York Urbanität, Frankfurt am Main. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens, Darmstadt,2001, S. 228 ff. Verwaltung die Aufgabe übernehmen, Stadtteil akteure und Bewohner/innen durch umfassende Gernert, Verena; Habermann-Nieße, Klaus (2007): Läpple, Dieter (1991): Essay über den Raum, In: ansprechende Information in moderierten Verfah- „Integrierte Stadtteilarbeit - Vernetzende Stadtteil- Häußermann Hartmut; Ipsen, Detlev; Krämer-Ba- Sieverts, Thomas (1998): Zwischenstadt – zwi- ren mittels wertschätzender Methoden entlang konferenzen - Ein Modell zur Aktivierung des Bür- doni, Thomas; Läpple, Dieter; Rodenstein, Marian- schen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und aktivierender Projekte als neue gemeinschaftlich gerengagements in: SRL eV (Hrsg.), PlanerIN Heft 4 ne; Siebel, Walter(Hrsg.): Stadt und Raum – Soziolo- Land, Braunschweig/Wiesbaden, 2. Auflage. Handelnde für ihren Stadtteil zu gewinnen. Die 2007. gische Analysen, Band 1, Pfaffenweiler, S. 157 – 207. Simmel, Georg (1993): Die Gross-Städte und das Chance steckt in dem Aufbau neuer lokaler quartiersbezogener Aktionsräume der Bürgerschaft. Habermann-Nieße (2007): Vorbereitende Untersu- Läpple, Dieter (2000): Ökonomie der Stadt. In: Hart- Geistesleben, in: Georg Simmel, Das Individuum Die Risiken aber liegen in dem Wecken neuer Wün- chungen gem. § 141 BauGB für den Bereich „In der mut Häußermann (Hrsg.) Großstadt, Soziologische und die Freiheit, Frankfurt. sche der Quartiersbewohner, die die ausgehandel- Rehre Süd“ (unveröffentlichtes Manuskript). Stichworte (2000), Opladen, S. 194 ff. stellt. Wenn die aktivierten Prozesse an Fahrt ge- Habermann-Nieße (2007): Akteurskonstellationen Landry, Charles (2007): The art of city making, schutzsiedlung, FB Umwelt und Stadtgrün (unver- winnen, dann sollte lokale Politik und Verwaltung in der Stadterneuerung – Am Beispiel der Sozialen London. öffentlicht). die neu gewonnenen Akteure in ihre Entschei- Stadterneuerung – Hildesheim Drispenstedt, in: dungsprozesse einbinden, um ein Verständnis für „Strukturell überfordert? Bürgerinnen und Bürger Sauter, Matthias (2004): Die Zukunft der Sozialen die vorhandenen unterschiedlichen Logiken und als neue Hoffnungsträger“ Lehrstuhl für Planungs- Stadt. Integrierte Stadtteilentwicklung von staat die unterschiedlichen Zeitverläufe kommunalen theorie – RWTH Aachen, Aachen 2006. licher Steuerung und zivilgesellschaftlicher Selbst- Stadt Hannover (2006): Konzept für eine Klima- te Zuteilung kommunaler Ressourcen in Frage organisation, Münster/Dortmund. Handelns zu gewinnen. Stadtentwicklung ist somit durch intermediäre Habermann-Nieße, Klaus, Nieße, Brigitte (2009): Prozesse zu strukturieren. Stadtentwicklungspoli- „Umgestaltung öffentlicher Räume in benachtei- Selle, Klaus (2001): Stadtentwicklung zwischen tik wird aufgefordert, den lokalen Interessenaus- ligten Quartieren – Das Beispiel Quartiersplatz Erlebniswelt und Alltagsort, Überlegungen zu gleich durch Kooperation und nicht durch Ent- Göttingen Grone“, in: "Was ist los mit den öffentli- Großen Projekten, Quartiersentwicklung und scheidung auf den Weg zu bringen. Wenn Stadt- chen Räumen (Hrsg. Klaus Selle), neue überarbei- bürgerrientierte Politik; in ILS (Hg.): Stadt macht entwicklung also in Zukunft die Aufgabe hat, die tete Auflage 2009 (in Vorbereitung). Zukunft, Neue Impulse für eine Nachhaltige Infrastrukturpolitik, ILS-Schriftenreihe 170, Dortmund. Produktivität des Städtischen zu sichern, soziale Disparitäten zum Ausgleich zu bringen und eine Habermann-Nieße, Klaus (2003): „Chancen zur so- Nachhaltigkeit im Klimawandel zu garantieren, ist zialen Integration in benachteiligten Quartieren“, Selle, Klaus (1991): Mit den Bewohnern die Stadt Stadtentwicklungspolitik auf Kooperation der in: Neues Archiv für Niedersachsen Heft 2/2003. erneuern, Der Beitrag intermediärer Organisa tionen zur Entwicklung städtischer Quartiere – Stadtgesellschaft und damit auf die Pflege intermediärer Prozesse zu orientieren. Häußermann, Hartmut (2002): Wohnen und Arbei- Beobachtungen aus sechs Ländern, Dortmund. ten – neue Perspektiven für urbane Milieus, in: Döllmann, Peter; Temel, Robert (Hg.), Lebensland- Siebel, Walter (2000): Urbanität, in: Hartmut Häu- schaften, Frankfurt. ßermann (Hrsg.) (2000): Großstadt, Soziologische Stichworte, Opladen, S. 264 ff. 32 33 Immobilienwirtschaft und Stadtplanung Susanne Heeg Form der modernen Struktur- und Wirtschaftspolitik zu verstehen.1 Dies muss vor dem Hintergrund abnehmender na- Immobilienwirtschaft und Stadtplanung tionalstaatlicher Unterstützung, umfangreicher städtischer Problemlagen und eines verstärkten Städte und Regionen sind in den letzten beiden Städtewettbewerbs gesehen werden, in dem der Jahrzehnten in verschiedene, sehr tief greifende Druck zunimmt, urbane Potenziale zu mobilisieren, Umstrukturierungsprozesse eingebunden gewe- um Investitionen, Arbeitsplätze und Kaufkraft zu sen, die Neuansätze für die städtische Wirtschafts- generieren. Daraus ergibt sich eine hohe Wert- und Sozialpolitik sowie für die städtische Entwick- schätzung der gebauten Umwelt in der Form von lungsplanung nach sich gezogen haben. Städte architektonischen Landmarks, Flagships bzw. all- sind mit einem latenten Abwanderungsdruck gemein städtebaulichen (Groß-)Projekten; diese scheinbar oder tatsächlich standortunabhängiger Wertschätzung begünstigt einen stadtplaneri- Unternehmen konfrontiert bei gleichzeitig anstei- schen bzw. -politischen Ansatz, der im Folgenden gender Arbeitslosigkeit und Notwendigkeit zu so- schaften neu zu erobern und/oder Wohnraum zu als „property-led development“ bezeichnet wer- zialen Transferzahlungen. Diese neuen Anforde- schaffen, der sich in das Stadtbild und die Nach- den soll. Der Begriff „property-led development“ rungen werden begleitet von einer Transformation Großprojekte sind inzwischen ein vertrautes Phä- barschaft einfügt, sondern Großprojekte scheinen umfasst Strategien, die gebaute Umwelt als Dreh- von Städten – je nach ihrer Position in der Städte- nomen in vielen Städten – ob in Europa, Nordame- eine Chance darzustellen, das städtische Image und Angelpunkt einer proaktiven Stadtentwick- hierarchie – zu Knotenpunkten in der Organisation, rika oder Asien. Auf innerstädtischen Konversions- mit gehobenem Wohnraum und außergewöhn lungspolitik zu nutzen (vgl. Heeg 2008). Die Fragen, dem Management und der Kontrolle überregiona- flächen (zum Beispiel South Boston Waterfront, Ha- licher Architektur im internationalen Städtewett- die den vorliegenden Beitrag strukturieren, sind: ler bzw. transnationaler Produktions-, Verkehrs- fencity Hamburg, Victoria & Albert Waterfront/ bewerb und bei gut verdienenden Haushalten be- Welche Ausdrucksformen nimmt ein solcher und Handelsbeziehungen (Sassen 1996; Castells Cape Town, London Docklands etc.) sowie in ehe- kannt zu machen. Mit Großprojekten wird gegen- Ansatz an, welche Folgen und Ergebnisse lassen 2001; Knox 1995; Taylor 2004).2 maligen Arbeiterquartieren (zum Beispiel Pudong/ wärtig versucht, eine Reurbanisierung zu fördern, sich erkennen und was ist die Rolle des lokalen Diese Situation zwischen Chance und Herausfor- Shanghai, Poble Nou/Barcelona) wurden und wer- die aber nicht auf breite Schichten der Bevölke- Staates dabei? derung zusammen mit zunehmenden finanziellen den großangelegte Umbaumaßen realisiert, die auf rung zielt, sondern auf jene mit einem überdurch- Im Folgenden wird zuerst der Kontext umrissen, in Restriktionen bewirken gegenwärtig einen Zwang eine Wiederinwertsetzung und Aufwertung ent- schnittlichen Einkommen. Großprojekte werden dem property-led development zu einem politi- zur permanenten Attraktivitätssteigerung der sprechender Areale zielen. Auch wenn der Erfolg häufig als Motor genutzt, um dem Image der schen Maßnahmenfeld wurde. Dieser Abschnitt Stadt als Standort. Städte werden inzwischen so- der realisierten Projekte für die unmittelbare Nach- Krisenanfälligkeit und der sozialstrukturellen enthält eine Definition und Charakterisierung von wohl von städtischen Akteuren als auch in der barschaft eher durchwachsen ist, da die Großpro- Problematik als Hinterlassenschaft der fordisti- property-led development. Anschließend wird am Wissenschaft nicht mehr länger als Orte der „kol- jekte häufig kaum einen städtebaulichen Bezug schen Stadt ein Aufbruchszenario entgegenzu Beispiel der South Boston Waterfront ein Fallbei- lektiven Konsumtion“ (Castells 1977) gesehen, aufweisen und es in sozialstruktureller Hinsicht stellen. Inwieweit dies gelingt, soll hier aber nicht spiel für property-led development dargestellt. Im sondern als „Unternehmen Stadt“ (Harvey 1989; große Unterschiede zwischen der Bewohnerschaft thematisiert werden, sondern es soll der Übergang Ausblick wird auf Begründungsmuster eines sol- Mayer 1990). Demnach müssen Städte und Regio- der neu realisierten Projekte und den alten umge- zu einer neuen Form der Stadtentwicklungspolitik chen Ansatzes eingegangen. nen, wenn sie den Konsequenzen einer Arbeits- benden Quartieren gibt, so wird die in Gang ge- analysiert werden, die insbesondere Bauprojekte setzte Aufwertung als ein Gewinn für die Stadt und als eine neue Form der Wirtschaftsförderung be- das Stadtimage betrachtet. Damit ist ein Aspekt trachtet. Die Hoffnung, die mit Großprojekten ver- der Großprojekte angesprochen, der in diesem bunden wird, ist es, Investitionen anzuregen sowie Artikel von zentraler Relevanz sein soll: Gegenwär- zur Ansiedlung neuer Unternehmen und zusätz tig zielen Großprojekte weniger darauf, bislang licher Haushalte beizutragen. Das Politikfeld nicht/kaum zugängliche Areale für Nachbar Städtebau/Stadtentwicklung ist damit als eine Property-led development in der Stadtentwicklung 1. Einführung 34 2. Neoliberale Stadtpolitik: unternehmerische Stadt und property-led development 1 Ein Beispiel hierfür ist die aktuelle Schwerpunktsetzung im Arbeitsprogramm Städtebau des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR 2005). Demnach stellt die Förderung eines verstärkten Engagements von Wirtschaft und Immobilieneigentümern in ihren urbanen Geschäfts- und Lebensräumen eine Möglichkeit dar, die lokale Ökonomie zu stärken. 2 Einerseits sind sie damit wichtige Zentren, möglicherweise sogar die Motoren und Vorreiter der sich herausbildenden globalen Welt(un)ordnung. Städte übernehmen Knotenfunktionen, die gleichermaßen die Bündelung internationaler Finanz-, Handels- und Informationsströme und die transnationale Steuerung und Kontrolle in Konzernzentralen durch unternehmens orientierte Dienstleistungen betreffen. Andererseits nehmen sozioökonomische Disparitäten in den Großstädten, gemessen in Kategorien des verfügbaren Einkommens, der beruflichen Situation und sozialen Stellung der Bewohner, zu. 35 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung 36 Immobilienwirtschaft und Stadtplanung markt- und Haushaltskrise entkommen wollen, Wachstumsprozesse geschaffen werden sollen. ihre ökonomischen Strategien, Institutionen, For- Das Ziel der Wirtschaftsförderung steht in einem men der Governance und des Staates ändern. Ein engen Zusammenhang mit den anderen Zielen, die Ansatzpunkt scheint hierbei zu sein, den Städte- oben genannt wurden. Unter einem verschärften bau zu nutzen, um ein neues urbanes Image und Wettbewerbsdruck nutzen politische Entschei- Sichtbarkeit herzustellen (vgl. Hall/Hubbard 1996: dungsträger architektonische Flagships als Sym- 162; Swyngedouw 1992: S. 58, Zukin 1993, De bol und Träger einer wirtschaftlichen Regenera Frantz 2005, Boyle/Hughes 1994): die gebaute Um- tion, einer Stärkung des städtischen Images und welt wird zum Instrument für lokale Wirtschaftsförderung; sie erhält die Funktion, als Bühne für ein neues Images zu fungieren und das kulturelle Ka- mit überregionaler Ausstrahlung gestaltet werden, pital einer Stadt zu spiegeln. Die gebaute Umwelt wird zum Transmissionsriemen einer städtischen Tab. 1: Ziele von PLD und Verbindung zwischen Immobilienentwicklung und Wirtschaftsentwicklung Aims of PLD and links between property development and economic regeneration Bautätigkeit Endogenes Inward Urbane und Lokale Wirt Wachstum Investment Stadtteil schafts- aufwertung entwicklung Schaffung von Raum/Fläche für Anziehung und Physische Auf- Ausgedehnte des Stadtmarketings (De Frantz 2005; Bianchini et Arbeitsplätzen expandierende Ansiedlung wertung erhöht Neuentwicklung al. 1992). Es sollen spektakuläre Stadtlandschaften und Einkommen Unternehmen externer Lebensqualität und wirtschaft- Unternehmen und steigert liche Diversifika- die u.a. Besucher, Touristen und Unternehmen an- Interesse am tion ziehen (Hubbard 1996). Häufig sind die Konzepte, Investieren & Erneuerung. Diesbezügliche Strategien werden im um die städtische Erscheinung zu ändern, Kopien Besuchen Folgenden als „property-led development“ be- von „best practices“ anderer Städte. Insbesondere zeichnet und zielen auf Landmarks, Flagships bzw. allgemein Großprojekte Räumliche Wirksamkeit – Wirtschaftsförderung, werden häufig als „best practice“ betrachtet. Bei- Ortsspezifisch – Verbesserung des städtischen Images und des spiele wie die spektakuläre Architektur des Gug- Zeitliche Wirksamkeit genheim Museums in Bilbao oder des Sydney Ope- Kurzfristig – Stabilisierung des städtischen Haushaltes. ra House sollen die innovativen Fähigkeiten und (nach Turok 1992, 364) Das erste Ziel umfasst kurz- und langfristige Effek- die Offenheit der jeweiligen Stadt symbolisieren. te. Kurzfristig wird erwartet, dass durch Bauaktivi- Sie sollen zu einem positiven Stadtimage beitragen täten Arbeitsplätze im Bausektor geschaffen wer- und ein Ausdruck für den erfolgreichen Übergang den. Langfristig soll neuen sozioökonomischen von einer industriellen zu einer dienstleistungsori- zehn Jahren die Einnahmen kommunaler Haushal- zes als Steuer abführen. In der Folge wird in Boston Aktivitäten Raum geboten werden (zum Beispiel entierten Stadtgesellschaft sein. Physische Rege- te im Verhältnis zu Privateinkommen um 7,5 Pro- ähnlich wie in anderen Städten und Kommunen Lowe 2005). Durch neue Wohnungen und attrak neration einer Stadt wird in diesem Zusammen- zent. Diese Abnahme verdeutlicht den Druck, dem der USA Boden- und Immobilienbesitz als „Gold- tive Standorte sollen Unternehmen und Haushalte hang als Teil eines fundamentalen Restrukturie- städtische Haushalte zur Identifizierung neuer Ein- esel“ genutzt: Je mehr Grundstücke und Projekte motiviert werden, sich anzusiedeln bzw. zusätzli- rungsprozesses verstanden. Die Erwartungen sind, nahmequellen ausgesetzt sind (Chapman u. Facer entwickelt werden, umso höher werden die Steu- chen Raum zu beanspruchen. Möglicherweise be- dass sich infolge einer Veränderung der gebauten II 2005, S. 6). Einer der wichtigsten Lösungsansätze ereinahmen sein. Zudem besteht ein positiver wirkt dies nur eine Verlagerung innerhalb einer Umwelt und der Bodennutzungsmuster in be- besteht in einer Erhöhung der Einnahmen aus der Zusammenhang zwischen der Aufwertung eines Stadt, aber die Hoffnung ist, externe Zuwanderung stimmten Lagen die Revitalisierungsdynamik auf Grundsteuer („property-tax“). Tatsächlich ist das Standortes/Gebäudes und der sich daraus erge- zu bewirken. In diesem Sinne ist property-led de- weitere städtische Gebiete ausdehnt. Budget US-amerikanischer Städte in hohem Maße benden Steuer. Die indirekte Dimension besteht in velopment in Strategien des Städtewettbewerbs Das dritte Ziel im Rahmen von property-led deve- auf diese Einnahmequelle angewiesen. In Boston zusätzlichen Steuereinnahmen, die sich infolge eingeordnet. Jenseits lang- und kurzfristiger Effek- lopment ist das einer Stabilisierung städtischer – als dem Fallbeispiel für property-led develop- neu in eine Stadt zuziehender Haushalte und Un- te eines property-led development sollen zudem Haushalte: Die Errichtung zusätzlichen Wohn- und ment im folgenden Kapitel – nahm der Anteil der ternehmen ergeben sollen. Dieser Effekt wird so- räumliche Wachstumskorridore geschaffen werden. Gewerberaums wird als Möglichkeit gesehen, hö- Grundsteuereinnahmen am städtischen Haushalt wohl durch das Steuersystem in den USA als auch Bestimmte städtische Teilräume können als Ent- here Steuereinnahmen zu erzielen. Dieser Effekt von 50,3 Prozent im Jahr 1999 auf ca. 57,2 Prozent vieler europäischer Länder getragen. Höhere indi- wicklungsgebiete festgelegt werden, in denen mit hat eine direkte und indirekte Dimension. Die di- 2005 zu (BMRB 2005, 2). Immobilieneigentümer rekte Steuereinnahmen (zum Beispiel Mehrwert- Sanierungstätigkeiten oder Projektentwicklungen rekte Dimension trifft vor allem auf US-amerikani- müssen im Bundesstaat Massachusetts jährlich steuer, Einkommens-, Unternehmenssteuer etc.) die infrastrukturellen Voraussetzungen für neue sche Städte zu. In den USA fielen in den letzten 2,5 Prozent des aktuellen Wertes ihres Grundbesit- sind auf Ausgaben zusätzlicher Bewohner und Stadtmarketings, stadtweit langfristig 37 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung Immobilienwirtschaft und Stadtplanung Touristen sowie zusätzliche Erträge von Unter gierenden Interessen zwischen dem lokalen Staat und Thornley (1996) konstatieren weiterhin eine nehmen zurückzuführen.3 und der Immobilienwirtschaft (d. h. Grundstücks- Schwerpunktverschiebung in den Aufgaben der Ein Versuch der Charakterisierung möglicher Ver- besitzer, Projektentwickler, Investoren, Finanzie- Stadtplanung: von einer Gewährleistung öffent bindungen zwischen städtischen Immobilienpro- rung, Bauindustrie). Tatsächlich wird in Bezug auf licher Infrastrukturausstattung zugunsten einer jekten und wirtschaftlicher Regeneration wird in Planung und Städtebau in der stadtgeogra Sicherstellung und Mobilisierung privater Investi- Tab. 1 unternommen. phischen Literatur von einer Zunahme von Kon- tionen. Fainstein (2001) bestätigt in ihrer verglei- Property-led development umfasst in diesem Sinn zessionen gegenüber immobilienwirtschaftlichen chenden Untersuchung von Immobilienentwick- eine Anpassung der industriellen Stadt an post Interessen berichtet. Die zentrale Feststellung ist, lung in New York und London, dass es die Tendenz industrielle Notwendigkeiten. Jedoch endet diese dass ein Übergang zu einer flexibleren bzw. weni- gebe, Projektentwickler mit dem Angebot an direk- Aufgabe nicht mit einem tatsächlich oder ver- ger regulierten Planung stattgefunden habe, um ten und indirekten Anreizen/Subventionen dazu zu meintlich erfolgreichen Übergang zur postindus Wirtschaftswachstum und Innovationen zu beför- motivieren, Projektentwicklungen umzusetzen. triellen Stadt, sondern beinhaltet eine stetige dern (vgl. Turok 1992, Deakin/Edwards 1993, Der Preis für property-led development scheint in Anpassung an sich ändernde sozioökonomische Solesbury 1990, Healey et al. 1992, McGuirk/Ma- diesem Sinne hoch zu sein: Um Immobilienent- Dynamiken (Harvey 1985). cLaran 2001). Gene Desfor und John Jorgensen wicklungen zu forcieren, wird Planung dereguliert Die Herausforderung besteht jedoch darin, die un- (2004, 487) heben bei der Untersuchung der Water- und es werden großzügige Anreize gewährt. terschiedlichen Interessen städtischer Planung frontentwicklung in Kopenhagen hervor, dass die Im nächsten Abschnitt soll property-led develop- und privater immobilienwirtschaftlicher Akteure Planung zentraler Waterfrontgebiete außerhalb ment am Beispiel von Boston konkretisiert werden. auszubalancieren. Damit die gebaute Umwelt im bestehenden Planungsrechts stattgefunden habe. Der Abschnitt beginnt mit einer Beschreibung des Rahmen städtischer Vorgaben entwickelt wird, ist Seitens der zuständigen Projektplanungsgruppe Konversionsprojektes „South Boston Waterfront“. es notwendig, die Immobilienakteure von den Vor- „Vision Group“ wurde argumentiert, dass der um- Im Anschluss daran werden die Entwicklung des teilen städtischer Planung zu überzeugen (Adrian fassende Hafenplan auf dieses Gebiet nicht an- Projektes und die daran geknüpften Erwartungen 1998). Diese Herausforderung ist drängender ge- wendbar sei, da es einen besonderen Charakter dargestellt. Besondere Aufmerksamkeit erhält die worden, denn Stadtplanung geht seit den 1980er habe, sowie beträchtliche Differenzen zwischen Interessensvermittlung zwischen Akteuren aus cial land use is crucial to the continued growth of Jahren mit einer Angewiesenheit des lokalen Staa- den Waterfrontstandorten und der restlichen Stadt Stadtplanung und Immobilienwirtschaft. the city, the continued increase in jobs, and the tes auf privates Kapital einher, um Bauprojekte in bestehen würden. Es wurde die Notwendigkeit continued interplay between residents, workers, die Tat umsetzen zu können. Der lokale Staat ist hervorgehoben, Flexibilität in der Planung sowie shoppers, and those seeking entertainment that kaum noch als Bauherr tätig – selbst dann, wenn er einen immobilienfreundlichen Planungsprozess zu Eigentümer der jeweiligen Fläche ist. Grund dafür realisieren. Swyngedouw et al. (2002, S. 215) stellen ist, dass der Planungs- und Entwicklungsprozess ähnliche Entwicklungen fest: „Against the crisis of sehr kapitalintensiv ist und deshalb externe Bau- the comprehensive Plan – the classic policy instru- „Continued commercial growth in Boston, then, ton Redevelopment Authority (BRA), der quasi- herren/Investoren gesucht werden. In Reaktion ment of the Fordist age – the large, emblematic appears to demand that two paths are pursued. staatlichen Stadtplanungs- und Wirtschaftsförde- darauf wird der Planungsprozess offen gestaltet, Project has emerged as a viable alternative, The first is to take advantage of any re-develop- rungsagentur von Boston, zeigt, sind die Erwartun- d.h. Planung wird für investitionsbereite Akteure allegedly combining the advantages of flexibility ment opportunities inside the downtown core and gen, die mit der South Boston Waterfront verbun- flexibilisiert (Heeg 2003). Aus diesem Kontext er- and targeted actions with a tremendous symbolic to re-build on obsolete or under-utilized sites as den werden, eindeutig am Wirtschaftswachstum gibt sich eine Spannung zwischen privaten Immo- capacity.“ Dies beinhaltet die Aufgabe einer ge- they become available. The second is to be alert for orientiert. Mit der Entwicklung des Standortes soll bilieninteressen und Stadtplanung. samtstädtischen Planung zugunsten teilräumli- opportunities for commercial growth outside ein Angebot an Wohnungen und kommerziell nutz- Die Herausforderung besteht in potenziell diver- cher und projektspezifischer Planungen. Newman downtown – whether in the Seaport District (im barer Fläche geschaffen werden, welches als Vor- Jahr 2000 wurde der Seaport District zur South aussetzung für neue Wirtschaftsaktivitäten und Boston Waterfront umbenannt, S. H.) or elsewhere damit Wirtschaftswachstum verstanden wird. Die – when appropriate. Continued efficient commer- Annahme eines positiven Zusammenhangs von 3 Entgegen der steuerrechtlichen Fachsprache werden diese Steuerarten hier deshalb als „indirekte" Steuern bezeichnet, weil sie indirekt vermittelte Effekte von neuen Gebäuden sein können. 38 3. Property-led development in Boston: South Boston Waterfront Abb. 1: South Boston Waterfront im Verhältnis zu weiteren städtische Teilräumen in Boston make Boston such a vibrant place to live, work and visit.“ (Perez et al. 2003) Wie das Zitat aus einer Veröffentlichung der Bos- 39 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung Abb. 2: Teilgebiete der South Boston Waterfront SBW Teilgebiete.pdf Immobilienwirtschaft und Stadtplanung Projektentwicklung und sozioökonomischer Dyna- der Central Artery-Baumaßnahme entstand auch mik wurde sowohl in Planungsdokumenten als der Ted Williams Tunnel, der eine direkte Anbin- auch in zahlreichen Interviews betont . Die South dung des Gebietes an das überregionale Auto- Boston Waterfront wird in diesem Sinne als eine bahnsystem und den Logan Airport herstellt. Der Möglichkeit diskutiert, das Image von Boston als Logan Airport kann dadurch von der South Boston Tourismusstandort, als Wirtschaftsmotor der Ost- Waterfront aus in fünf Autominuten erreicht wer- küste und als eine kulturell offene Stadt zu stärken. den. Schließlich wurde noch mit der „Silver Line“ Die South Boston Waterfront (vgl. Abb. 1) ist ein an eine Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs- die Innenstadt angrenzendes Gebiet, das bereits in systems vorgenommen, welche die Waterfront mit den 1980er Jahren seine Funktion als Industrieha- der Stadt und dem Flughafen verbindet. Diese Inf- fen verloren hat. Gegenwärtig wird es in Teilberei- rastrukturmaßnahmen und Umweltverbesserun- chen als Parkplatz für die Beschäftigten im Central gen haben zu einer beträchtlichen Standortauf- Business District (CBD) genutzt. Aufgrund seiner wertung und zu einer Steigerung des Bodenwerts Nähe zum CBD bietet sich das Areal als Erweite- beigetragen. rungsfläche für innerstädtische Dienstleistungen, Da sich die South Boston Waterfront als Erweite- Unterhaltung, Tourismus und Wohnfunktionen an. rungsgebiet des Financial District, als hochwerti- Das Gebiet von insgesamt 10,3 Hektar befindet ges Wohngebiet und als Tourismusdestination eig- sich überwiegend im Privatbesitz. Bei den attrak- net, bestehen Aussichten auf weitere, nicht uner- tivsten Entwicklungsflächen in der South Boston hebliche Miet- und Bodenpreissteigerungen. Tat- Waterfront handelt es sich um Fort Point Water- sächlich gilt die South Boston Waterfront im Jahr front und Inner Harbor (vgl. Abb. 2). Mit nur fünf bis 2005 – in Vorwegnahme und Spekulation auf die zehn Gehminuten befinden sich diese Gebiete in zukünftigen Entwicklungen – als einer der attrak- unmittelbarer Nachbarschaft zum Financial Dis- tivsten und zugleich teuersten Standorte an der trict als Teil des CBD (vgl. Abb. 1). Ostküste. Städtische Planungen für das Gebiet Umfangreiche öffentliche Investitionen haben in sehen vor, eine Kombination aus historischen vielfältiger Weise zur Attraktivität der South Boston Lagerhäusern, neuer innovativer Architektur sowie Waterfront beigetragen. So wurde aus einem ver- ein gehobenes Einzelhandelsangebot zu realisieren nachlässigten Industrieareal durch die Verbesse- (BRA 1999). Zum einen soll damit ein Standort für rung der Wasserqualität im Zuge des „Harbor Clea- gut verdienende Haushalte und Touristen für nup“ ein hochwertiges Wohngebiet. Durch die Un- Wohn-, Freizeit- und Shoppingbedürfnisse ge- tertunnelung der Interstate 93 („Central Artery/Big schaffen werden. Zum anderen soll der Standort Dig“) wurde die Trennung zwischen der Waterfront Büroraum zur Ausdehnung des Financial Districts und dem CBD sowie der restlichen Stadt aufgeho- bieten. Anders als im CBD bestehen in der South ben bzw. die Zugänglichkeit verbessert. Im Zuge Boston Waterfront große untergenutzte Flächen, 4 4 Von Mai bis September 2005 wurden zahlreiche Interviews mit Akteuren rund um die Entwicklung der South Boston Waterfront geführt. Die Akteure umfassen Stadtplaner, Wirtschaftsförderer, Beratungsunternehmen, Investoren, Projektentwickler, Nachbarschaftsorganisationen, Bewohner und nichtstaatliche Organisationen. Darüber hinaus wurde die Presseberichterstattung nationaler und lokaler Zeitungen für den Zeitraum von 1993 bis 2008 verfolgt und graue Literatur ausgewertet. 40 41 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung Immobilienwirtschaft und Stadtplanung die als dringend benötigte Erweiterungsflächen für 1996/7, als zum ersten Mal Planungsziele für die frage erwiesen sich Projektentwickler in der South 2008 wurden insgesamt ca. 300 Künstler bei der den Financial District zur Verfügung stehen. Die an South Boston Waterfront diskutiert wurden, forder- Boston Waterfront als zögerlich in der Beantragung Umwandlung von Studios in Büros und einigen den CBD angrenzenden nördlichen, westlichen ten der Architektenverband („Boston Society of von Wohnprojekten. Anlass ist, dass die South Bos- Eigentumswohnungen vertrieben (Bleitgen 2009: und südlichen Gebiete sind dicht bewohnt; eine Architects“) und weitere nicht-staatliche Organi- ton Waterfront die letzte verbliebene Expansions- S. 50 f). Alle diese Umwandlungen wurden von der Ausdehnung in diese Areale würde Widerstand der sationen 10.000 bis 15.000 Wohneinheiten als Min- fläche des CBD ist, bei der Aussichten auf langfris- BRA genehmigt, was bei Künstlern, Bewohnern Bewohner erzeugen. destgröße für die Ermöglichung einer lebhaften tig hohe Renditen im Büromarkt bestehen. Da der und in vielen lokalen Zeitungsberichten auf Verbit- Ein zusätzliches Ziel, das weniger in das öffentlich Nachbarschaft. Aufgrund eines Immobilienbooms Boden also eine begrenzte, endliche Ressource ist, terungen stieß angesichts der Missachtung von verkündete Ziel der Herstellung einer „vital, mixed- beinhalteten die zu dieser Zeit von privaten Grund- befördert dies eine abwartende Haltung. gemeinsam erarbeiteten Planungszielen (SAND use 24/7-neighborhood“ (BRA 1999, S. 2) passt, ist stückseigentümern eingereichten Projektvorschlä- Die Situation, dass kaum Wohnprojekte bzw. Woh- 2008a, SAND 2008b, The Boston Globe 18. 10. 2007 es, mit den durch die Entwicklung der South Bos- ge jedoch überwiegend Büroentwicklungen. Es nungen realisiert wurden, verschärfte sich bis „Fort Point Channel vision clouding over“). ton Waterfront erzielten Grundsteuereinnahmen wurde bald deutlich, dass das Ziel von 10.000 Ein- Ende 2008, was sich damit erklären lässt, dass im den Haushalt der Stadt Boston zu stabilisieren. Wie heiten nicht erreicht werden konnte. Im Jahr 1999 Zuge eines kurzzeitigen Wiederauflebens des Büroraum statt Grün- und Freiflächen? bereits weiter oben erwähnt, ist der städtische reagierte Bürgermeister Menino darauf, indem er Büroimmobilienmarktes von 2005 bis 2008 Eigen- Aber nicht nur in Bezug auf das Verhältnis von Haushalt in hohem Maße von der Grundsteuer ab- 6.000 bis 8.000 Wohneinheiten als wünschenswer- tümer und Investoren Druck auf weniger rendite- Wohn- und Büroraum, sondern auch in Bezug auf hängig, was das starke Interesse an Immobilie- tes Ziel formulierte. Obwohl sich der Büroimmobi- starke Mischnutzungen ausübten. Dies betraf vor Grün- und Freiflächenentwicklung zeigt sich eine nentwicklungen erklärt. Gewerbliche und Wohn- lienmarkt schon kurz darauf, nämlich um das Jahr allem Künstler, die seit den 1990er Jahren alte Anpassung der Planung an Immobilieninteressen, nutzungen anstelle von Parkplätzen im Teilgebiet 2000, krisenhaft entwickelte, nahm der Anteil der Lagerhäuser zu Studios umgewandelt hatten, in die sich damit erklären lässt, dass die BRA den Ei- des Inner Harbor sowie die Aufwertung der gebau- Wohnimmobilien nicht beträchtlich zu. Anfang denen gearbeitet und gewohnt wurde. Diese lang- gentümern versucht entgegenzukommen, um sie ten Umwelt in der Fort Point Waterfront würden 2005 waren nur 2.920 Wohneinheiten bereits reali- jährigen Aktivitäten hatten dazu beigetragen, dass zum Bauen zu motivieren. Damit einhergehend er- voraussichtlich einen nicht unerheblichen Beitrag siert bzw. bewilligt. Die lokale Bewohnerinitiative sich die South Boston Waterfront einen Ruf als laubt die Analyse der Verhandlungen rund um die zu den öffentlichen Einnahmen leisten. SAND („Seaport Alliance for a Neighborhood De- Künstlerviertel von Boston erwarb. Allerdings Grünflächenfrage die unterschiedlichen Einfluss- sign“) schätzt, dass auf dem verbliebenen, ent- boten sich diese Studios an, um vergleichsweise möglichkeiten in der South Boston Waterfront zu Büroraum statt Wohnraum? wicklungsfähigen Land nur noch rund 1.000 Wohn- kurzfristig auf die Büroraumnachfrage reagieren zu identifizieren. Ein starker Impuls zur Entwicklung der South Bos- einheiten realisiert werden können (SAND 2005a). können. Während einige Eigentümer Anträge bei Zwischen 1997/98 und 2005 fanden verschiedene ton Waterfront wurde durch einen Immobilien- In diesem Sinne blieb die Umsetzung hinter den der BRA auf Aufstockung der Lagerhäuser und Workshops und öffentliche Anhörungen statt, wel- boom in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gege- Planungszielen zurück. Die Differenz zwischen zusätzliche Einbauten in die Innenhöfe stellten, che u.a. die Entwicklung der Grünfläche im Gebiet ben. Spekulative Entwicklungen sprangen auf- den geplanten und realisierten Zahlen hängt zum wurde vielen Künstlern bereits gekündigt. Allein von „100 Acres“6) zum Thema hatten. Im Verlauf grund der Knappheit an entwicklungsfähigem Teil damit zusammen, dass die Wohneinheiten im Jahr 2006 wurde das Aufstocken von ein oder der Verhandlungen entstanden zwei Planungsdo- Land und einer hohen Büroflächennachfrage im durchschnittlich größer geworden sind als geplant. zwei Stockwerken auf zehn historischen Lagerge- kumente mit zentralem Stellenwert. Eines ist der Financial District auf die South Boston Waterfront Hintergrund hierfür sind die von Projektentwick- bäuden genehmigt. Die Genehmigung bezog sich Seaport Public Realm Plan (SPRP) als ein Ausdruck über. Um die Immobilienentwicklungen zu kontrol- lern antizipierten Käufer und Mieter, die als ver überwiegend auf Büronutzungen. In der Folge konzertierter Planungsaktivitäten verschiedener lieren, formulierten die BRA und der Bürgermeister mögende Dienstleistungsbeschäftigte mit einem mussten 91 Künstler und zwei Gallerien ausziehen, Interessensgruppen: Bewohner, nichtstaatliche Or- Thomas Menino Ende der 1990er Jahre erstmals hohen Wohnflächenkonsum gesehen werden. Ein und das in einem Gebiet, in dem bereits 85 Prozent ganisationen, Nachbarschaftsorganisation, Grund- Planungsziele. Wenn diese Ziele jedoch mit dem weiterer Grund für die niedrige Anzahl von Wohn- des bestehenden Raums als Büroraum genutzt stückseigentümer, Projektentwickler und BRA Stand von 2005 verglichen werden, dann wird einheiten ist, dass die Renditen in Büroprojekten in wurde (vgl. SAND 2008a, Banker and Tradesman (BRA 1999). Der SPRP – mit Geltungsanspruch für deutlich, dass Immobilieninteressen die Entwick- der Regel höher sind als in Wohnimmobilien. Trotz 21. 4. 2008 „Waterfront Project Developer Pledges die gesamte South Boston Waterfront – wurde als lung dominiert haben. Anzeichen einer abnehmenden Büroflächennach- Housing for Seaport). Im Zeitraum von 2000 bis Ergebnis der Planungsdiskussionen, die von einem 5 5 Die erste Büroimmobilie wurde jedoch zehn Jahre früher in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entwickelt. Das „World Trade Center“ war die vorläufig einzige und letzte Entwicklungsmaßnahme bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre hinein. 42 6 „100 Acres“ ist ein Teilgebiet im Süden der Fort Point Waterfront. 43 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung Immobilienwirtschaft und Stadtplanung renommierten New Yorker Beratungsunternehmen für diese Übereinkunft, von welcher die Bewohner zu erhalten bzw. zu stärken. Dies umfasst Konzes- tivsten und teuersten Standorte an der US-ameri- koordiniert wurden, im Jahr 1999 veröffentlicht. ausgeschlossen waren, war, dass die Grundstücks- sionen hinsichtlich der Bauhöhe, der Nutzungen kanischen Ostküste zur Anwendung kommen soll. Das Planwerk sollte die Grundlage für den „100- eigentümer als die zentralen Akteure in der Pla- und der Ausnutzung der Fläche sowie Steuerer- Rachel Weber (2002, S. 187 ff.) bemerkt, dass US- Acres-Master-Plan“ sein – als dem zweiten wichti- nung nicht zu umgehen seien. Nach umfangrei- leichterungen. 2005/06 sind in Boston verschiede- Städte District Increment Financing vor allem ge- gen Planungsdokument mit Entwicklungsvorga- chem und dauerhaftem Protest der Bewohner prä- ne Steuerinstrumente diskutiert worden. Jedes In- nutzt hätten „for large-scale downtown redevelop- ben für das Teilgebiet 100 Acres. sentierte die BRA im Januar 2006 einen modifizier- strument der Steuererleichterung baute auf der ment projects and in gentrifying neighborhoods, Im Verlauf der Ausarbeitung des SPRP als auch in ten 100-Acres-Master-Plan, der sowohl den Inter- Idee auf, dass reduzierte Steuereinnahmen in der bypassing the slow-turnover parts of the cities anschließenden öffentlichen Planungsgesprächen essen der Bewohner als auch denen der Eigentü- Anfangszeit durch die zukünftigen höheren Steu- where there is little hope of generating additional zum 100-Acres-Master-Plan konnte die Nachbar- mer entsprechen sollte. Um die Interessen der Be- ereinnahmen infolge von neuen Gebäuden und property taxes“. Die Begründung für den Einsatz in schaftsorganisation das zentrale Anliegen eines wohner zu berücksichtigen, erstreckt sich der Arbeitsplätzen – und damit zusätzlichen Grund- aussichtsreichen Gebieten ist, dass eine Win-win- Parks in der Form eines grünen Korridors durchset- Parkkorridor wieder durchgehend bis an den Fort und Einkommenssteuern – kompensiert werden Situation hergestellt wird: Für die öffentliche Hand zen. Dieser Park, der sich vom Fort Point Channel Point Channel. Dafür wurden jedoch die Höhe und würden. Auf diese Erwartung zukünftig höherer gehen kurzfristige Steuerausfälle mit hohen, durch nach Osten erstrecken soll, wurde sowohl von der Dichte der angrenzenden Gebäude erhöht sowie Einnahmen gibt die Stadt bzw. der Staat Bonds Bonds finanzierten Erschließungskosten einher, die Nachbarschaftsorganisation als auch verschiede- der Park in der Breite verengt, um die Interessen aus, um damit die grundlegende Infrastruktur in durch langfristig höhere Steuereinnahmen ausge- nen nichtstaatlichen Organisationen als zentral der Grundstückseigentümer zu befriedigen. der South Boston Waterfront zu finanzieren (The glichen werden sollen; für die privaten Immobilien- Boston Globe 6. 5. 2005 „City looks at new tool to akteure soll die Steuerersparnis als eine Entschei- 7 erachtet; es wurde argumentiert, dass er ähnlich wie der „Boston Common“ im historischen Zent- Planung als property-led development speed up growth“; The Boston Globe 17. 2. 2006 dungshilfe wirken, da dadurch die Projektkosten rum von Boston identitätsstiftenden Charakter Die Frage, warum Planungsziele aufgegeben bzw. „Mayor: Let state fund Fort Point infrastructure“). reduziert werden können und damit eine schnelle- entfalten könne und damit die Attraktivität und reformuliert wurden, macht in diesem Zusammen- Während das Instrument, das Bonds an die Erwar- re Projektumsetzung begünstigt werden soll. Mit Lebensqualität im Quartier beträchtlich erhöhen hang wenig Sinn; vielmehr sollte man die Verände- tung zusätzlicher Arbeitsplätzen bindet, um neue dem Instrument District Increment Financing sind würde. rungen in der Planung als Anlass nehmen, um sich Infrastruktur zu finanzieren, noch in der Diskussion Städte bei öffentlichen Investitionen in hohem Nach Beendigung der öffentlichen Planungs mit den Implikationen eines property-led develop- ist, ist das so genannte „District Increment Finan- Maße auf den Finanzmarkt und in der Immobilie- gespräche fanden zwischen August 2004 und Feb- ment auseinanderzusetzen. Dies umfasst die cing“ bereits im Einsatz. Dieses erlaubt dem loka- nentwicklung auf privates Beteiligungskapital an- ruar 2005 mehrere private Gespräche zwischen der Analyse der spezifischen Interessen und Formen len Staat, fiktive zukünftige Grundsteuereinnah- gewiesen. Dies beinhaltet eine stark spekulative BRA und den Grundstückseigentümern statt, im der Mediation zwischen Stadtplanung und Immo- men dazu zu verwenden, Bonds auszugeben. Da- Entwicklung.8 Ein zusätzliches Problem ist, dass Zuge derer die Grünflächenvorgaben beträchtlich bilienakteuren. Property-led development geht mit mit einhergehend werden Steuererleichterungen die Bonds ausschließlich im jeweiligen Entwick- modifiziert wurden. Als ein Ergebnis dieser Ver- einer Betonung der Ermöglichung von Immobilien- gewährt, um eine bauliche Aufwertung oder eine lungsgebiet eingesetzt werden und damit eine handlungen – und als Baustein für den 100-Acres- projekten einher, wodurch Grundstückseigentü- Standortverlagerung (wie im Falle von JPMorgan potenziell räumlich umverteilende Funktion von Master-Plan – präsentierte die BRA im Mai 2005 mer und Investoren begünstigt werden. Seitens Chase, vgl. The Boston Globe 30. 4. 2008 „City Steuern konterkariert. ein „Memorandum of Understanding“, in dem die der Stadtplanung beinhaltet dies das grundsätzli- offers band $4m tax break to relocate. From down- Aus der Darstellung sollte jedoch nicht der Ein- Fläche des Nachbarschaftsparks reduziert und che Ziel, Projektanträge in kurzen, überschaubaren town, a move to waterfront“) attraktiv zu machen. druck entstehen, dass im Falle der South Boston durch zwei Bürogebäude unterbrochen wurde. Zeiträumen zu bearbeiten, um eine zeitnahe Reali- Es entbehrt allerdings nicht einer gewissen Ironie, Waterfront, wo sich der Boden überwiegend im Standpunkt der BRA war, dass die Zustimmung zu sierung zu ermöglichen. Während einer krisenhaf- dass dieses Instrument, das für die Aufwertung so- Privatbesitz befindet, der Stadtplanung die Hände den Bürogebäuden unerlässlich sei, um die Koope- ten Entwicklung des Immobilienmarktes werden zioökonomisch und städtebaulich problematischer gebunden sind. Die Zustimmung der Grundstücks- ration der Grundstückseigentümer im Planungs- verschiedene Anreize verwendet, um die Baunei- Gebiete („blighted areas“) vorgesehen war, nun in eigentümer zu einer Planung ist keine Vorausset- prozess zu sichern. Die letztendliche Begründung gung von Eigentümern und Immobilieninvestoren der South Boston Waterfront als einem der attrak- zung, um „Zoning“ anzuwenden bzw. einen 7 Der Chefplaner betonte in einer öffentlichen Anhörung im Juli 2005, dass nicht die Bewohner die entscheidenden Akteure seien, sondern die Grundstückseigentümer. Ob die Bewohner den Master Plan akzeptieren oder ablehnen würden, sei nicht wichtig. Wichtig sei vielmehr, dass es zu einer Übereinkunft zwischen den Grundstückseigentümern und der BRA käme, damit die Projekte realisiert werden könnten. 44 8 In diesem Sinne impliziert urbane Governance der unternehmerischen Stadt spekulative Risiken: "Despite the bull market, however, several TIF [tax increment financing – ein alternativer Begriff für District Increment Financing, S.H.] bonds defaulted in the 1990s, and for every default, there were a hundred close calls that strained the contract state's capacity for fiscal management.“ (WEBER 2002, 189) 45 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung Masterplan zu entwickeln, der Höhe, Nutzungen Stadtplanung als ausgleichendem, abhängigem der Krise würden Planer jedoch eine Ökonomisie- politische Agenda und damit der städtische Ent- und andere Dimensionen wie Infrastrukturausstat- und/oder interessengeleitetem Faktor nachgegan- rung der Planung vorantreiben (Harvey 1985, S. wicklungsprozess eng an die Ökonomie bzw. tung und Freiflächen festlegt. Der BRA obliegt die gen werden. Wie ist die Rolle der Stadtplanung zu 180f.) In diesem Sinne gibt es keinen Raum jenseits Unternehmen gebunden. Es sind Unternehmen, Kompetenz, Regeln und Vorgehensweisen zu ent- konzeptionalisieren, und was ist die Bedeutung der kapitalistischen Ordnung. Stadtplanung muss die Arbeitsplätze, Werte und Einkommen schaffen; wickeln und sie Grundstücksbesitzern, Bewohnern von property-led development in diesem Kontext? in einem begrenzten Korridor von Möglichkeiten als solche sind sie von höchster Wichtigkeit für die und anderen Akteuren aufzuerlegen. Damit be- David Harvey (1985, S. 165ff.) betont die Autonomie funktionieren, der durch die kapitalistische Akku- politische Agenda. Obwohl Stadtpolitik keinen steht allerdings die Gefahr, dass in Phasen von ge- lokaler Politik sowie progressive Traditionslinien in mulation gesetzt wird und sowohl ermöglichend vorgegebenen Mustern folgt, muss sie sich in eine ringer Nachfrage auf dem Immobilienmarkt Grund- der Stadtplanung; zugleich hebt er die kapitalisti- als auch einschränkend wirkt. Ähnliche Ergebnis- wirtschaftliche Logik fügen. stücksbesitzer bzw. Investoren ihre Immobilien sche Gesellschaftsordnung als den Rahmen hervor, se und Einblicke bietet die urbane Regimetheorie, In diesem Verständnis kann der lokale Staat und nicht entwickeln bzw. Projekte nicht umsetzen. in dem lokale Politik eingebunden ist und funktio- allerdings von einem anderen Ausgangspunkt aus: Stadtplanung nicht als eine Vermittlung zwischen Aus der Perspektive der BRA bzw. des lokalen nieren muss (vgl. auch MacLaran u. McGuirk Der Schwerpunkt liegt hier auf politischen Aus- gegensätzlichen Interessen begriffen werden. Viel- Staates stellt dies den „worst case“ dar: Wenn ein 2003). Diese kapitalistische Gesellschaftsordnung handlungen anstelle von wirtschaftlichen Bedin- mehr stellt der lokale Staat eine beteiligte Partei Gebiet nicht entwickelt wird, kann es nicht zur begrenzt nach Ansicht von Harvey die potenzielle gungen als wichtigen Koordinaten der Stadtpla- mit einem Set an kontingenten Interessen dar. Wie Wachstumsdynamik und zu zusätzlichen Steuer- Autonomie und Progressivität der Stadtplanung. nung. In der Regimetheorie steht die Autonomie die Debatte über unternehmerische Stadtpolitik einnahmen beitragen. Seine Analyse ermöglicht einen Einblick in die lokaler Politik in einem engen Bedingungsverhält- hervorgehoben hat, geht Stadtpolitik in der Ära Aus dieser Analyse ergibt sich die Frage nach der Rolle der Planung. nis zu politischen Prozessen. Es wird angenom- von Städtewettbewerb mit einer diskursiven Beto- Rolle der Planung und der Bedeutung des lokalen Harvey argumentiert, dass jede Stadt(region) die men, „that the effectiveness of local government nung einer Aktivierung und Mobilisierung privater Staates im Kontext von property-led development Autonomie besitzt, einen eigenen Entwicklungs- depends greatly on the cooperation of nongovern- Akteure und privaten Kapitals einher. Es wird da- und sozialer Reproduktion. Was ist der Vorteil die- weg einzuschlagen. Jedoch muss sich dieser Weg mental actors and on the combination of state von ausgegangen, dass lokale Wirtschaftsentwick- ser Art und Weise der Stadtplanung? als kontingent erweisen zum Prozess kapitalis capacity with nongovernmental resources.“ (Stone lung und Großprojekte auf property-led develop- tischer Akkumulation und zur Zirkulation von Pro- 1993, S. 6) In diesem Sinne ist die Autonomie des ment, d. h. eine Form der quasi-privaten Stadt fiten in Raum und Zeit (Harvey 1985, S. 158). Lokale lokalen Staates bzw. der lokalen Regierung relativ, planung in der Form von PPPs angewiesen sind. In Politik steht in diesem Sinne vor der Herausforde- da Stadtentwicklung die Zusammenarbeit städti- der Außendarstellung, aber auch in der Selbst- rung, Investitionen und gebaute Umwelt so zu scher Eliten aus dem wirtschaftlichen, politischen wahrnehmung von Beschäftigten, ist die BRA die Nach Einschätzung wichtiger Akteure in der Ent- gestalten, dass eine Reproduktion wirtschaftlicher und gesellschaftlichen Bereich voraussetzt. Ohne am stärksten wirtschaftsnahe Unternehmung der wicklung der South Boston Waterfront – der Nach- und sozialer Aktivitäten in einer Stadt gewährleis- deren erfolgreiche Kombination von Ressourcen Stadt Boston. Verhandlungen sollen auf Augenhö- barschaftsorganisation SAND, Grundstückseigen- tet ist. Die Aufgabe der Stadtplanung besteht dem- kann Stadtentwicklung – insbesondere spezifische he mit den immobilienwirtschaftlichen Akteuren tümer, Projektentwickler und Stadtplaner – ist die zufolge darin, die notwendige physische Infra- Immobilienprojekte – kaum kohärent gestaltet laufen; hierzu sollen die für einzelne Projekte zu- Aufgabe und Rolle der Planung unzweifelhaft: Sie struktur für Produktion, Reproduktion, Zirkulation, werden, da einzelne Akteure zentrale Besitzstände ständigen Beschäftigten der BRA die gleiche (Im- wird in der Vermittlung zwischen verschieden Austausch und Konsumption zu sichern. kontrollieren. Akteure wie Grundstückseigentümer mobilien-)Sprache sprechen wie die Projektent- mächtigen Akteuren gesehen. Die Einschätzung In diesem Sinne kann Planung sowohl progressiv oder Investoren verfügen über essentielle Ressour- wickler. Damit soll ein günstiges Wirtschafts- und variiert jedoch dahingehend, inwieweit die Stadt- als auch konservativ, sowohl ermöglichend als cen – in diesem Fall Boden und Kapital, und nur Verhandlungsklima geschaffen werden. Die Direk- planung in Boston in der organisatorischen Form auch einschränkend wirken – die konkrete Aus wenn städtische Verantwortliche eine Überein- toren der BRA stammen überwiegend aus der Im- der BRA dieser Aufgabe gerecht wird. Projektent- prägung und Wirkung einer Planung hängt von kunft mit ihnen erzielen können, kann ein Projekt mobilienwirtschaft: Sie waren vorher als Projekt- wickler betonen die objektive und vermittelnde zeit- und raumspezifischen Dynamiken des Akku- bzw. Programm umgesetzt werden. Nach Fain- entwickler, Immobilienberater, in der Bauindustrie Rolle, während die Nachbarschaftsorganisation mulationsprozesses ab. In Zeiten wirtschaftlicher stein (1990, S. 123) genießen politische Kräfte einer etc. tätig9. Damit wird erwartet, dass sie über ein hervorhebt, dass die BRA vor allem den Interessen Prosperität kann Planung zu einem sozialräum Stadt eine beträchtliche Autonomie, jedoch sei die immobilienwirtschaftliches Wissen verfügen und der Grundstückseigentümer und Immobilienin- lichen Ausgleich beitragen, indem infrastrukturelle dustrie nachkomme. In der Schlussbetrachtung Bedingungen bzw. die gebaute Umwelt in benach- soll dieser kontrastierenden Einschätzung der teiligten Stadtteilen verbessert werden. In Zeiten 5. Ausblick: Rolle der Stadtpolitik 46 Immobilienwirtschaft und Stadtplanung 9 Nachdem sie ihre Tätigkeit in der BRA aufgegeben haben, sind sie in der Regel wieder auf Positionen in der Immobilienwirtschaft zurückgekehrt. 47 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung 48 Immobilienwirtschaft und Stadtplanung Literatur als gleichberechtigte Akteure akzeptiert werden. Materialität bedeutet, dass mit Immobilienprojek- zustande kommen. Im Unterschied zu vielen Poli- In diesem Sinne wird in der Stadtplanung die Logik ten – insbesondere in der Form von Großprojekten tikfeldern ist Stadtplanungs- und Baupolitik ein der privaten immobilienwirtschaftlichen Akteure – Wahrzeichen geschaffen werden können. Inno- genuin lokales Politikfeld und somit ein strategi- Adrian, H. (1998): Wer gestaltet die Stadt? In: akzeptiert. vative Architektur schafft materielle Ergebnisse, scher Hebel städtischer Wirtschaftspolitik. In dem Sauberzweig, D.; Laitenberger, W. (Hg.): Stadt der Einzelne umkämpfte Planungsaspekte in der South die als städtische Landmarks wirken können. Maße, in dem andere Gestaltungsmöglichkeiten Zukunft – Zukunft der Stadt. Baden-Baden, Boston Waterfront haben gezeigt, dass im Rahmen Wenn diese Landmarks mit politischen Persönlich- verloren gehen bzw. nicht bestehen, aber gleich- S. 251 – 266. von property-led development eine kleine Gruppe keiten verbunden werden, dann können sie dazu zeitig drängende Problemlagen zunehmen, scheint von Grundstückseigentümern die Macht erhält, eingesetzt werden, den Einfluss des Politikers oder property-led development einen Ausweg anzubie- BBR (Bundesamt für Bauwesen und Raumord- weitgehend darüber zu entscheiden, ob, was und der Politikerin zu stärken. In diesem Sinne kann ten. nung) (2005): Neue Impulse für die Forschung. In: wie gebaut wird. Grundstückseigentümer und property-led development mit sichtbaren Ergeb- Unabhängig davon, dass property-led develop- Informationen aus der Forschung des BBR 6, 1. Projektentwickler haben die Macht, die Planung nissen für die Wähler, emotional besetzten Reprä- ment aber im Rahmen einer kapitalistisch vermit- entsprechend ihren Interessen zu beeinflussen. sentationen für Bewohner und einem international telten Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung Bianchini, F.; Dawson, J.; Evans, R.; Healey, P.; Die jüngsten Entwicklungen im 100-Acres-Gebiet ausgeprägten Profil einhergehen. Darüber hinaus die Position der Eigentümer stärkt, ist noch ein Davoudi, S.; O’toole, M. (1992): Flagship projects in haben gezeigt, dass Bemühungen, Bewohnerinter- ermöglichen städtische Entwicklungsprojekte weiteres Problem damit verbunden, das weiterer urban regeneration. In: Healey, P.; Davoudi, S.; essen in die Planung einzubeziehen, so gestaltet Praktikabilität: Grundsätzlich eröffnen Immobilien- Untersuchen bedarf. Property-led development O’toole, M.; Tavsanoglu, S.; Usher, D. (HG.): Rebuil- werden, dass sie nicht die wirtschaftlichen Interes- projekte die Möglichkeit, praktisch sichtbare Re- scheint ein Politikansatz zu sein, der überwiegend ding the city. London. sen der Projektentwickler beeinträchtigen (vgl. sultate zu schaffen und lokale Präferenzen zu ge- in innerstädtischen Standorten Wirkung zeigt. Dort auch Jacobs 2004 für ein britisches Beispiel). stalten. Mit Stadtplanung verfügen lokale Staaten greift eine starke Nachfrage aufgrund des Wandels Bleitgen, C. (2009): Stadtmarketing und Gentrifica- Stadtplanung beinhaltet die Macht, verschiedene über eine Werkzeugkiste, um den städtischen von Lebensstilen sowie einer veränderten Wert- tion am Beispiel von drei Nachbarschaften in Bos- Akteure zu koordinieren, aber dies baut auf der Standort für zukünftige Projekte zu gestalten. Pro- schätzung von Wohnstandorten. Insofern ist pro- ton (USA). Diplomarbeit am Fachbereich Wirt- Voraussetzung auf, dass die Präferenzen der wich- perty-led development erlaubt also Machbarkeit. perty-led development mit dem Makel räumlicher schaftswissenschaften der Goethe-Universität tigsten Akteure, nämlich der Grundstückseigen Städtische Entwicklungsprojekte sind ein Aus- Restriktionen belegt: Dieser Ansatz zur Wirt- Frankfurt. Frankfurt: Goethe-University, 2009. tümer, nicht beeinträchtigt werden. druck für tatkräftige Politik, d.h. damit kann belegt schaftsförderung wird überwiegend in innerstädti- Wenn aber die Strategie des property-led develop- werden, dass auf lokaler Ebene etwas bewegt und schen Standorten greifen, wo gut verdienende BMRB (Boston Municipal Research Bureau) (2005): ment von Marktzyklen und Interessen der Immo Resultate geschaffen werden. Technologie-, Ar- Haushalte und Dienstleistungsunternehmen eine Special Report 04-4. Boston. bilienakteure abhängig und aus diesen Gründen beitsmarkt- oder Geldpolitik werden überwiegend starke Nachfrage entfalten. Peripherere Standorte schwierig umzusetzen ist, was sind dann die auf anderen politischen Maßstabsebenen gestal- – in Bezug auf die räumliche Lage sowie soziale Si- Boyle, M.; Hughes, G. (1994): The politics of urban Vorteile bzw. warum wird diese Strategie angewen tet. Um eine Technologiepolitik formulieren und tuation – als jene Stadtteile, die besondere Unter- entrepreneurialism in Glasgow. In: Geoforum 25, det? Turok (1992) argumentiert, dass positive Ef- umsetzen zu können, sind große Kapitalsummen stützung benötigen, drohen damit, aus der planeri- S. 453 – 470. fekte schwierig zu evaluieren sind. Seiner Meinung notwendig, über die Städte in der Regel nicht ver- schen Aufmerksamkeit zu geraten. nach ist nicht nachweisbar, dass sich aus proper- fügen. Auf der lokalen Ebene ist es jedoch möglich, BRA (Boston Redevelopment Authority) (1999): ty-led development stadtweite sozioökonomische über Flächennutzungs-, Bau- und andere Planwer- The seaport public realm plan. Boston. Vorteile ergeben. Die potenziellen Vorteile haben ke auf die gebaute Umwelt Einfluss zu nehmen. In vielmehr einen anderen Charakter: Property-led diesem Sinne bietet property-led development den Castells, M. (1977): The urban question: a marxist development birgt die Möglichkeit, die Kooperation Vorteil, auf der lokalen Ebene anwendbar zu sein approach. London. – (2001): Der Aufstieg der Netz- privater Akteure zu befördern und gestalterisch tä- und mit Ressourcen – zum Beispiel Boden – zu werkgesellschaft. Opladen. tig zu werden. Die Qualitäten bestehen in der Ma- agieren, die eine lokale Qualität haben. Entwick- terialität, Praktikabilität und Machbarkeit dieser lungsprojekte sind sehr „lokal“ in dem Sinne, dass Strategie. Dies beinhaltet, dass diese Strategie sich projekt-/standortbezogene Übereinkünfte zwi- in die Logik des lokalpolitischen Prozesses einfügt. schen Stadtplanern und Immobilienakteuren lokal 49 Immobilienwirtschaft und S tadtplanung Immobilienwirtschaft und Stadtplanung Chapman, J.; Facer Ii, R. L. (2005): Connection Heeg, S. (2003): Städtische Flächenentwicklung vor Mayer, M. (1990): Lokale Politik in der unternehme- Solesbury, W. (1990): Property development and between economic development and land taxa dem Hintergrund von Veränderungen in der Immo- rischen Stadt. In: Borst, R.; Krätke, S.; Mayer, M.; urban regeneration. In: Healey, P.; Nabarro, R. (Hg.): tion. In: Land Lines. Newsletter of the Lincoln Ins- bilienwirtschaft. In: Raumforschung und Raumord- Roth, R.; Schmoll, F. (Hg.): Das neue Gesicht der Land titute of Land Policy 4, S. 6 – 8. nung 5, S. 334 – 344. Städte. Theoretische Ansätze und empirische S. 186 – 195. and property-development. 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London, S. 63 – 94. 50 51 Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Rolf Junker und Gerd Kühn Abb. 1: Umsatzentwicklung im gesamten Einzelhandel und in der ECE-Gruppe 2000 – 2006 Einkaufscenter und Innenstädte – Trends, Auswirkungen, Handlungsempfehlungen (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) 6 3,5 4 2,0 2 2,0 1,4 0,5 0 0,5 0,1 -2 Die Aktivitäten im Einzelhandel sind für die Stadt- die Innenstadtentwicklung haben. Die nachste- entwicklung seit langer Zeit von herausragender Be- hend kurz skizzierten Prozesse geben die wich- deutung. Aktuell werden zentrale Stadträume – In- tigsten Einflüsse dieser Entwicklung wider: nenstädte und Stadtteilzentren – wieder zum Aus – Der Wandel in den Betriebsformen geht weiter. tragungsort neuer Ansiedlungsbegehren des Einzel- Besonders auffallend dabei ist, dass ehemals handels. Aber über die Wirkungszusammenhänge das Geschehen dominierende Betriebsformen zwischen innerstädtischen Einkaufscentern und mit in Teilen kaum lösbaren Schwierigkeiten zu Stadtentwicklung gibt es trotz guter statistischer tun haben, während andere sich erfolgreich am Daten wenig verlässliche Information. Deshalb soll Markt behaupten können: Derzeit unüberseh- das im Jahr 2008 abgeschlossene Projekt „Wir- bar die katastrophale Situation bei den Waren- kungsanalyse großer innerstädtischer Einkaufscen- häusern – sie kämpfen vielerorts um ihr Überle- ter"1 einen Beitrag zur Klärung liefern. Im Folgenden ben. Gleichzeitig geben nach Angaben der – Das Wachstum der einzelnen Verkaufsein schehen, weil dezentrale, verkehrlich bestens wird über die Ergebnisse des Projekts berichtet. Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und heiten hat zumindest in den Innenstädten erschlossene Lagen sowohl bei Entwicklern Großbetriebe im Einzelhandel (BAG) Jahr für noch keine Obergrenze erreicht. Die Anforde- und Betreibern als auch bei der autoorientier- Jahr ungefähr 10.000 kleinere Fachhändler ih- rungen an Breite und Tiefe des Sortiments so- ten mobilen Kundschaft besonders begehrt ren Laden auf. Im scharfen Kontrast zu diesen wie an die Qualität der Präsentation sind in waren, hat sich die Ansiedlungswelle – auch Trends stehen Entwicklungsverläufe bei den den vergangenen Jahren ständig gestiegen. aus genehmigungsrechtlichen Gründen – seit Einkaufscentern oder – wie sie auch häufig be- Letztlich führen diese Trends zu wachsenden einiger Zeit dort abgeschwächt. Seit etwa 1. Entwicklungsprozesse beim Einzelhandel und die Folgen für die Städte -2,8 -2,5 -3,0 -4 Einzelhandel im engeren Sinne -6 2000 2001 2002 ECE-Mieter 2003 2004 2005 2006 Quelle: http:/www.ece.de/shopping/einzelhandelskompetenz/sonderkonjunktur, Abruf am 16.2.2008. zeichnet werden – Shopping-Centern . Spätes- Flächenansprüchen der Betreiber, denen die einer Dekade wird wieder verstärkt in Innen- Der Einzelhandel unterliegt einer Reihe von Verän- tens seit den 1990er Jahren sind die Erfolge Gebäudegrößen und -strukturen in den lang- städte und in die Stadtteilzentren von Groß- derungszwängen, die auch unmittelbare Folgen für dieser Betriebsform geradezu sprichwörtlich. fristig gewachsenen alten Stadträumen kaum städten investiert. Dabei ist wiederum die Vor- noch entsprechen. reiterrolle der Einkaufscenter nicht zu über 2 1 Unter demselben Titel erschienen als Band 7 der Difu-Schriftenreihe Edition Difu. Stadt Forschung Praxis, Berlin 2008. Das Projekt entstand als „Gemeinschaftsproduktion“ des Deutschen Instituts für Urbanistik, Berlin, des Planungsbüros Junker und Kruse Stadtforschung/Planung, Dortmund sowie des Braunschweiger Architekten und Bauhistorikers Dr. Holger Pump-Uhlmann. 2 „Shopping-Center sind aufgrund zentraler Planung errichtete großflächige Versorgungseinrichtungen, die kurz-, mittel- und langfristigen Bedarf decken … Sie verfügen über eine Mietfläche inklusive Nebenfläche von mindestens 10.000 m2.“ (EHI Retail Institute GmbH [Hrsg.] [2006]: Shopping-Center-Report 2006, Köln, S. V.4) 52 3,0 2,5 – Bei der Standortwahl von Betrieben, der dritten sehen. „Triebfeder“ für Veränderungen, ist Folgendes Vor diesem Hintergrund stehen Einkaufscenter zu beobachten: Dominierten Ansiedlungen auf beziehungsweise Shopping-Center und deren der „Grünen Wiese“ jahrzehntelang das Ge- Auswirkungen in den Städten wegen ihres seit 53 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Jahren anhaltenden starken Vordringens in „Grüne-Wiese-Standorten“ größer sind und weil Deutschland gegenwärtig im Mittelpunkt vieler zudem auch ein innerstädtischer Centertypus Diskussionen. Dabei gehen die Meinungen über geschaffen wird, der die „natürliche Frequenz“ der die Chancen und Risiken einer Centeransiedlung Innenstadt gerne nutzt. Inzwischen gibt es fast Anzahl je nach Blickwinkel und Zielrichtung sowohl in der 200 Shopping-Center in den Innenstädten. Die 400 Öffentlichkeit als auch in der Fachwelt weit ausei- Mieterstrukturen in den Anlagen unterscheiden nander. Dabei ist die Auseinandersetzung mit dem sich – gliedert man nach Einzelhandel, Gastrono- Thema „Center in the City“ aus stadtplanerischer mie und Dienstleistungen – kaum voneinander. Sicht deshalb so bedeutungsvoll, weil die Ausbrei- Der Einzelhandel ist mit einem Mietflächenanteil tung der Einkaufscenter nicht nur die Einzelhan- von generell über 80 Prozent, zum Teil sogar über delslandschaft verändert, sondern – wegen ihrer 90 Prozent, der die Center dominierende Nutzer. Stärke – auch die Struktur der Innenstädte insge- Die Wettbewerbsvorteile großer Center liegen auf samt. der Hand: Durch ihre Größe und durch ihre Mög- Wie Abbildung 1 zeigt, sind Einkaufscenter offen- lichkeiten, über ein einheitliches Management sichtlich erfolgreicher als der traditionelle Handel: Miethöhen, Branchenmix und Marketing ausge- Während zum Beispiel die ECE-Gruppe, der Markt- richtet an einem gemeinsamen Unternehmensziel Abb. 2: Entwicklung der Zahl der Einkaufscenter und deren Verkaufsflächen in Deutschland 1965 bis 2008 Zahl der Shoppingcenter 350 300 300 250 8 200 179 100 50 Die in Abbildung 2 abzulesenden Verkaufsflächen- chen Zeitraum deutlich schlechter ab. zuwächse bei den Einkaufscentern sind trotz der Die Situation bei den Einkaufszentren insgesamt allgemein ungünstigen ökonomischen Rahmenbe- lässt sich kurz so beschreiben: Anfang 2009 gab es dingungen entstanden – die Umsätze im Einzel- in Deutschland 414 großflächige Einkaufscenter handel stagnieren und die Kaufkraft, insbesondere mit einer Gesamtmietfläche von ungefähr 13 Mio. als Folge der negativen Bevölkerungs- und Wirt- m2. Darüber hinaus ist bekannt, dass in den nächs- schaftsentwicklung, sinkt. Zudem ist die Verkaufs- ten drei Jahren etwa 50 Center hinzukommen wer- flächenausstattung insgesamt heute in Deutsch- Umsatz in Mrd. Euro den. Die Größe der in jüngster Zeit fertig gestellten land als Folge einer rasanten Aufwärtsentwicklung 500 All dies muss zumindest mittel- bis langfristig Bereich von 10.000 m2 Mietfläche, liegt zum Bei- zwangsläufig zu einem massiven Verdrängungs- spiel das Haerder-Center in Lübeck. Das Forum wettbewerb führen. Wegen der in Centern angebo- Duisburg hingegen ist mit 50.000 m2 Gesamtmiet- tenen innenstadtrelevanten Sortimente werden fläche die größte im Jahr 2008 eröffnete Handels- von dieser Verdrängung unmittelbar der Einzel- immobilie . handel in den Innenstädten und Stadtteilzentren Seit Mitte der 1990er Jahre wird zudem verstärkt betroffen sein. Die Hoffnung, mehr Kaufkraftzufluss der Standort Innenstadt gesucht, weil, wie schon aus dem Umland der Städte zu gewinnen, könnte angesprochen, die Genehmigungsvorbehalte bei sich vor dem Hintergrund der zunehmenden räum- 3 4 93 2 14 schneidet der traditionelle Einzelhandel im glei- lichen Bandbreite. An der unteren Grenze, also im 65 81 50 überlegen. Vergangenheit sehr hoch (vgl. Abbildung 3). 6 150 zu steuern, sind sie vielen Einzelkonkurrenten bei verschiedenen Betriebsformen in der jüngeren 10 249 Jahren relativ hohe Umsatzsteigerungen meldet, den Mietflächen) bewegt sich auf einer beträcht 318 279 führer im deutschen Centergeschäft, in den letzten innerstädtischen Einkaufszentren (gemessen an 338 Gesamtfläche in m2 Verkaufsfläche in Mio. m2 399 14 372 363 352 12 0 2 0 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1998 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2008 Quelle: Eigene Darstellung nach EHI Retail Institute GmbH (Hrsg.) (2008): Shopping-Center-Report 2009, Köln. Abb. 3: Entwicklung von Verkaufsflächen und Umsätzen des Einzelhandels in Deutschland 1995 bis 2008 480 Verkaufsfläche in Mio. m2 Umsatz Verkaufsfläche 125 120 460 115 440 110 420 105 400 100 380 95 360 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 90 Quelle: Eigene Darstellung nach Eurohandelsinstitut: Handel aktuell 2008/2009, Köln 2008, S. 184 f. 3 EHI Retail Institute GmbH [Hrsg.] [2008]: Shopping-Center-Report 2009, Köln, S. 36. 54 55 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen lichen Centerdichte als sehr trügerisch erweisen. einem Blick in die Städte deutet einiges darauf hin, hinsichtlich der entscheidenden Frage, welche Auf dem Weg einer klassischen Vorher-Nachher- Für die Kommunen sind diese Entwicklungen hin dass den Innenstädten und Stadtteilzentren durch Wirkungen im Hinblick auf ökonomische, räum- Untersuchung wurden die Auswirkungen in zwölf zu immer mehr Einkaufscentern also ambivalent: ein zu massives und vorbehaltlos hingenommenes lich-funktionale und städtebauliche Aspekte von Kommunen untersucht: Als Auswahlkriterien wur- Auf der einen Seite waren Veränderungen stets das Vordringen zu großer, stereotyp angelegter und solch großen neuen Handelsimmobilien auf die den die großräumliche Lage, die Stadtgröße6 und Markenzeichen prosperierender Innenstädte und suboptimal verorteter Einkaufscenter nachhaltig zentralen Stadträume ausgehen können. das Einzugsgebiet herangezogen. Ausschlagge- natürlich werden durch Investitionen die Kraft und geschadet werden kann. Dadurch wird die Stel- die ökonomische Leistungsfähigkeit des Standortes lung der Innenstädte als ideelle Mitte europäischer Innenstadt grundsätzlich gestärkt. Auch haben Städte gefährdet, des Weiteren werden möglicher- viele Innenstädte sicherlich einen Impuls nötig. weise die Bemühungen des Bundes und der Län- Andererseits können die neuen Einzelhandels- der konterkariert, die Innenstädte durch den strukturen nicht ohne Weiteres in die bestehenden Einsatz von Städtebauförderungsmitteln und die innerstädtischen Einzelhandels- und Baustruktu- Entwicklung neuer Programme zu stärken und ren eingefügt werden. Oft sind gravierende bauli- attraktiver zu machen. All das bedeutet letztlich, che Eingriffe notwendig, um sie zu realisieren, und die Zukunft vieler Innenstädte kann auf dem Spiel Angesichts der hier vorgestellten stadtentwick- städtebaulichen Strukturen, insbesondere bei his- räumliche und ökonomische Brüche deren Folge. stehen. lungspolitischen „Gemengelage“ wird deutlich, torisch gewachsenen Innenstädten, zu prüfen, An dieser Stelle ist als Zwischenfazit festzuhalten: Für Städte, die sich mit dem Themen- bzw. Aufga- dass Städte, die sich mit der Ansiedlung eines wurden für vier ausgewählte Städte auch städte- Einkaufscenter sind aus Sicht der Entwickler und benfeld „Ansiedlung eines großen Einkaufscen- großen innerstädtischen Einkaufscenters beschäf- bauliche und das Stadtbild prägende Aspekte Betreiber zu einem Erfolgsmodell der Immobilien- ters“ auseinandersetzen, ist es deshalb bedauer- tigen, vor außerordentlich schwierigen Entschei- untersucht7. Eine weitere wesentliche Vorausset- und Einzelhandelsentwicklung geworden. Die lich und darüber hinaus mit Blick auf ein allgemei- dungsprozessen stehen. Unterstützung bei der zung für die Aufnahme in die Untersuchung war, meisten dieser großen Verkaufseinrichtungen sor- nes Erkenntnisinteresse bemerkenswert, dass es Entscheidungsfindung erhalten die Rathäuser dass die Center mindestens zwei Jahre in Betrieb gen für gute Renditen, denn sie arbeiten nicht zu- bisher nur wenige gesicherte Ex-post-Betrachtun- durch das im Jahr 2008 abgeschlossene Projekt waren. Die nach diesen Kriterien ausgewählten letzt aufgrund eines straffen Centermanagements gen zu den Wirkungen solcher Verkaufsanlagen auf „Wirkungsanalyse großer innerstädtischer Ein- Städte stellen, wie Tabelle 1 zeigt, einen breiten wesentlich professioneller als die Einzelbetreiber, die Städte gibt. Die Planungspraxis befindet sich in kaufscenter“ . Querschnitt der bundesdeutschen Städteland- bei denen Grundeigentümer und Einzelhändler einer paradoxen Situation: Zwar liegen mannig Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen mehrere schaft dar. unterschiedliche Ziele verfolgen und die es meist faltige Daten und Fakten vor, indes kann mit ihnen Fragen: Analysiert wurden zwar hauptsächlich die Auswir- nicht schaffen, einen schlagkräftigen Standortver- die entscheidende Frage, welche Größe, Lage und 1. Welche Wirkungen gehen von großen Einkaufs kungen auf die Innenstädte, aber der Blick richtet bund aufzubauen. Für die Ansiedlungskommunen Form und welche Branchenzusammensetzung centern auf den innerstädtischen Einzelhandel sich auch auf gesamtstädtische Entwicklungen besteht deshalb die Chance, die Anziehungskraft eines Centers der Stadt dient und wodurch eher aus? und Folgen für das regionale Umfeld. Grundlagen und damit die Kaufkraftbindung im Einzelhandel nachteilige Wirkungen zu erwarten sind, heute zu erhöhen und den Kunden aus Stadt und Region nicht schlüssig beantwortet werden; Ansiedlungs- ein besseres Angebot zu bieten; dies nützt zu- entscheidungen müssen auf der Basis von häufig 3. Welche Entwicklungen sind in Innenstädten und Gutachten sowie die Resultate zahlreicher nächst einmal auch den bestehenden Einkaufs stark umstrittenen, meist nur absatzwirtschaftli- ohne große Einkaufscenter zu beobachten? Gespräche in zuständigen Institutionen im Rah- lagen. che Aspekte berücksichtigenden Verträglichkeits- Allerdings – so ist gerade in den vergangenen prognosen getroffen werden. Deshalb besteht an- Jahren deutlich geworden – treten diese positiven gesichts der bisherigen Erfahrungen, aber gerade Wirkungen nicht immer, nicht in allen Standort auch in Erwartung weiterer Centeransiedlungen in lagen und schon gar nicht von selbst ein. Bei Innenstädten und Stadtteilzentren Klärungsbedarf 4 4 Aktuell von besonderer Bedeutung ist das Projekt Nationale Stadtentwicklungspolitik, initiiert vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). bende Merkmale waren bei allen Städten mit einem Einkaufscenter neben diesen Kriterien die mi- 2. Forschungsprojekt „Wirkungsanalyse großer innerstädtischer Einkaufscenter“ – Vorgehen, Ergebnisse aus beteiligten niedersächsischen Städten kroräumliche Lage des Centers in der Innenstadt bzw. in deren Nähe und die Größe des Einkaufs centers. Um die Ergebnisse besser einordnen zu können, wurden auch Kommunen ohne Einkaufs center in ihrer Innenstadt einbezogen. Um zusätzlich die Integration der Einkaufscenter in die 5 2. Wie fügen sich diese Handelsimmobilien in die gewachsenen Stadtstrukturen ein? für die Gewinnung von Ergebnissen waren Primärerhebungen, die Auswertung von Sekundärdaten 5 Unter demselben Titel erschienen als Band 7 der Difu-Schriftenreihe Edition Difu. Stadt Forschung Praxis, Berlin 2008. Das Projekt entstand als „Gemeinschaftsproduktion" des Deutschen Instituts für Urbanistik, Berlin, des Planungsbüros Junker und Kruse Stadtforschung/Planung, Dortmund, sowie des Braunschweiger Architekten und Bauhistorikers Dr. Holger PumpUhlmann. 6 Berücksichtigt wurden vorrangig kleine Großstädte und Mittelstädte. Kommunen dieser Größenordnung befinden sich gegenwärtig und sicherlich auch künftig im Fokus der Projektentwickler, weil hauptsächlich dort noch Handlungspotenziale für entsprechende Großvorhaben vermutet werden. Bei großen Großstädten mit nicht selten mehreren Einkaufscentern in zentralen Stadtlagen ist es zudem noch schwieriger, eine klare Zuordnung der Wirkungen vorzunehmen. 7 Es handelt sich um die Städte Erfurt, Minden, Schwerin und Siegen. 57 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Tab. 1: In die Untersuchung einbezogene Fallstudienstädte Lage des Einkaufscenters in der Stadt Vergleichsstädte Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Einzelhandelsstruktur in Osnabrück „junge Mode“ bestehende Lücken schließen, Die Osnabrücker Innenstadt zeichnete sich bereits schon deshalb, um Betriebsschließungen der An- in der Vergangenheit durch einen attraktiven und bieter Brinkmann, Wöhrl sowie eines ortsansässi- vielseitigen Einzelhandelsbesatz aus, gleichzeitig gen Herrenausstatters zu kompensieren. im Haupt am Rand des abgesetzter ohne großes haben jedoch auch Standorte in nicht integrierten geschäftsbereich Hauptgeschäfts Standort innerstädtisches Lagen mit großflächigem Einzelhandel an Gewicht Einkaufscenter „Kamp Promenade“ Einkaufscenter gewonnen. Diese Entwicklungen waren für die Die gezielte Entwicklung der Fläche am Kamp (ehemaliger Parkplatz) bot das Potenzial zur Stär- bereiches Düren Bocholt Regensburg Bremen Stadt Osnabrück Anlass, über zukünftige Einzel- Erfurt Kempten Schwedt Mannheim handelsstrukturen und konkrete Entwicklungs kung des Einzelhandels in der Osnabrücker Innenstadt. Ein Investorenwettbewerb schaffte die pla- Hagen Schwerin Minden potenziale in der Innenstadt, den Stadtteilen und Osnabrück Siegen Potsdam Nahversorgungszentren nachzudenken. Fragen zu nerische Voraussetzung zur Entwicklung eines Wetzlar den gesamtstädtischen Einzelhandelsstrukturen Einzelhandelsstandortes mit direkter Anbindung Wilhelmshaven wurde im Jahr 2001 durch ein Märkte- und Zent- an die 1a-Lage Große Straße. Durch die Entwick- renkonzept nachgegangen. Neben diesem Kon- lung sollte neben dem oben formulierten Ziel eine zept gab es 2004 Überlegungen zum Stadtentwick- Konzentration des Einzelhandels innerhalb des lungsprozess in Osnabrück. Ziel des entwickelten Hauptgeschäftsbereichs erreicht werden. Weiter- Konzeptes war und ist es, gezielt Rahmenbedin- hin war es das erklärte Ziel, einen neuen Rundlauf men der Bereisungen aller beteiligten Kommunen. Osnabrück gungen zu schaffen, die eine hohe Wohn-, Arbeits- zu ermöglichen. In dem Wettbewerb setzte sich Die Ergebnisse der Analysen der 16 Fallstudien Osnabrück liegt im Südwesten von Niedersachen und Lebensqualität in der Stadt Osnabrück sicher- der Projektentwickler Multi Development GmbH städte, darunter mit Osnabrück und Wilhelms in der Nähe des Teutoburger Waldes. Als Oberzen- stellen. aus Duisburg (damals noch Düsseldorf) durch. Die haven auch zwei niedersächsische Kommunen, trum mit rund 163.000 Einwohnern übernimmt Die Entwicklung des Einzelhandels in der Osna- Umsetzung der Planung wurde durch einen Beirat wurden im Rahmen von Städteprofilen vorgestellt. Osnabrück überregionale Versorgungsfunktionen. brücker Innenstadt stagnierte in den 1990er-Jah- aus Vertretern der Politik, der Verwaltung, der Den jeweiligen Mittelpunkt der Profile bildet eine Die erweiterte Stadtregion verfügt über ein Ein- ren. Die rückläufige Zentralität, die Flächenaus- Kammern, der Verbände und des Einzelhandels Darstellung der städtischen Einzelhandelsstruktu- wohnerpotenzial von rund 272.000 Personen. In weisungen in nicht integrierten Lagen und die begleitet. ren und des Einkaufscenters mit den Basisdaten den vergangenen Jahren hatte Osnabrück einen starken Konkurrenzstädte Bielefeld und Münster Im Jahr 2004 wurde am Standort Kamp / Große und seiner Entstehungsgeschichte. Durch einen leichten Einwohnerrückgang zu verzeichnen. Die haben diese Problematik weiter verstärkt. Zudem Hamkenstraße die „Kamp Promenade“, ein offenes Vorher-Nachher-Vergleich wurden die Auswirkun- Prognosen bis zum Jahr 2016 sehen einen weiteren konnte die steigende Nachfrage nach adäquaten Einkaufscenter mit rund 12.000 m2 Einzelhandels- gen des jeweiligen Einkaufscenters auf den Einzel- Rückgang der Bevölkerung bis auf 150.000 Ein- Einzelhandelsflächen für expandierende Einzel- mietfläche, eröffnet. Ankermieter sind der Elektro- handel analysiert. wohner voraus9. Durch verstärkte Baulandauswei- handelsbetriebe, insbesondere Filialisten, in Osna- fachmarkt Saturn und Karstadt Sport. Durch das Im Folgenden werden die Analyseergebnisse der sungen und ein aktives Baulückenprogramm will brück nicht befriedigt werden. Eine Stärkung der offene städtebauliche Konzept wurde ein Raum beiden Städte Osnabrück und Wilhelmshaven ex- die Stadt Osnabrück dem Abwanderungsprozess oberzentralen Funktion stand im Fokus der Innen- geschaffen, der die typische Stadtstruktur auf- emplarisch vorgestellt und eingeordnet8. Dabei ins Umland entgegenwirken. stadtentwicklung. Zur Realisierung wurde eine nimmt. Vier Gebäude mit unterschiedlich farbigen wird auch der Analysepfad in weiten Teilen er- Arbeitsgemeinschaft „Einzelhandelssteuerung“ Fassaden gruppieren sich um einen zentralen Platz sichtlich. gegründet, die sich aus Vertretern innerstädtischer mit Cafés, Sitzmöglichkeiten und Bäumen. Neben Akteure (Verwaltung, Politik, Verbände usw.) zu- den Einzelhandelsflächen wurden rund 3.200 m2 sammensetzte. Gemeinsame Abwägungsprozesse Büroflächen und eine Tiefgarage mit 245 Stellplät- führten letztendlich zu Zielvorstellungen und Pro- zen realisiert. jekten, die von allen Beteiligten getragen wurden. 8 Die Analyseergebnisse geben den Sachstand bis zum Jahr 2008 wieder. 9 Stadt Osnabrück, Amt für Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung (2004): Stadtentwicklungskonzept Osnabrück „Wachsende Stadt in einer starken Region“, Osnabrück. 58 Vor allem sollten gezielte Entwicklungen in den Sortimentsbereichen Unterhaltungselektronik und 59 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Tab. 2: Vergleich von Nutzungsstrukturen und absatzwirtschaftlichen Entwicklungen Lage und Nutzungsstrukturen 1999 Gesamtverkaufsfläche 299.700 m Verkaufsfläche Innenstadt 103.100 m 2 Verkaufsfläche Center Geschäfte Innenstadt 90 2007 2 508 353.930 m 2 80 108.890 m2 70 10.800 m 60 2 580 18 davon Geschäfte im Center 69,1 %** Anteil der Leitbranchen 1a-Lage 49,4 %* 51,9 %** Leerstand 1a-Lage 1,2 %* 0 %** 20 Passantenfrequenz Große Straße 7.810 8.205 10 Mietpreise 1a-Lage 77 Euro/m2 115 Euro/m2** 143,0 138,4** Kaufkraftkennziffer 98,8 100,5** Umsatzkennziffer 149,8 141,4 Angaben aus: *2000, **2006. Quelle: Angaben der zuständigen Dienststellen, Auswertung vorliegender Gutachten und statistischer Unterlagen, eigene Erhebungen. Wirkungsanalyse 4 4 53 1 4 2 19 40 68,8 %* Zentralität 1 4 4 47 50 Filialisierungsgrad 1a-Lage Absatzwirtschaftliche Grundlagen 60 Abb. 4: Einzelhandels- und Betreiberstruktur in der 1a-Lage 30 0 8 24 3 3 15 3 25 3 17 2 12 2000 n=86 Große Str. 2006 n=89 Große Str. 1 1 2006 n=35 Krahnstr. 1 3 2006 n=6 Domhof 3 1 3 1 2006 n=89 Nikolaiort inhabergeführt inhabergeführte Filiale Filialist Dienstleistung Gastronomie Sonstiges 2006 n=46 Johannisstr. Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von „Kempers CityScout“. diesem Bereich zu. Lageveränderungen sind in geführt. Ebenso investieren die ansässigen großen bereitschaft des Einzelhandels positiv entwickelt, erster Linie in den 1b-Lagen bzw. Nebenlagen zu Unternehmen in den Standort. Beispielsweise hat nicht zuletzt weil auch die Kaufkraft gestiegen ist. Die Entwicklung der „Kamp Promenade" mit zu- beobachten. Besonders die Johannisstraße südlich das Warenhaus L+T (Lengermann + Trieschmann) Durch die Realisierung der „Kamp Promenade" ist sätzlicher Einzelhandels- und Gastronomiefläche des Neumarktes hat an Attraktivität verloren. Glei- eine Markthalle eröffnet, und C&A wird von der es mit einem relativ kleinen Investment offensicht- bedeutet einen Verkaufsflächenzuwachs von zehn ches gilt für den Neumarkt, der insbesondere Möserstraße in die Große Straße umziehen. lich gelungen, dem Hauptgeschäftsbereich mehr Prozent in der Innenstadt von Osnabrück. Weiter- durch den Leerstand des Textilkaufhauses Wöhrl hin wurde die Fußgängerzone durch die Promena- an Anziehungskraft in der Osnabrücker Innenstadt Folgen der Einkaufscenteransiedlung zu erhöhen. Gleichzeitig haben sich aber auch Ver- de um 200 Meter erweitert, was einem prozentua- verloren hat. Die Entwicklungen im Einzelhandel in den vergan- änderungen im vorhandenen Standortgefüge erge- len Zuwachs von vier Prozent entspricht. In Rich- Insgesamt betrachtet hat die Realisierung der genen Jahren haben sich auf die Stellung der Stadt ben. Insbesondere die bereits etwas abgesetzt lie- tung Promenade ist es nur zu wenigen, kleinflächi- „Kamp Promenade“ zu einer Konzentration des Osnabrück in der Region positiv ausgewirkt. Die gende Johannisstraße hat in den vergangenen gen Einzelhandelsverlagerungen gekommen. Einzelhandels und einer Stärkung der 1a-Lage konzentrierte Innenstadtentwicklung, insbesonde- Jahren weiter an Attraktivität verloren. Wie Tabelle 2 zeigt, haben der Filialisierungsgrad Große Straße im Hauptgeschäftsbereich von Osna- re die Ausweisung von Einzelhandelsflächen aus- Ein wichtiger Indikator für die Lageveränderungen und der Anteil der Leitbranchen in der 1a-Lage brück geführt. Ein gutes Indiz dafür ist auch das schließlich an integrierten Standorten, hat dazu im Hauptgeschäftsbereich ist die Mietpreisent- keine nennenswerten Änderungen erfahren. Eine gesteigerte Interesse von Filialisten am Standort beigetragen, die Zentralität der Stadt Osnabrück wicklung. In Städten, die vergleichbare Bevölke- Steigerung der Frequenz in der Großen Straße lässt Osnabrück. Diese Entwicklungen haben zu einer auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Zu- rungszahlen aufweisen wie die Stadt Osnabrück, den Schluss einer Erhöhung der Attraktivität in deutlichen Steigerung der Mieten in der 1a-Lage dem haben sich die Situation und die Investitions- lassen sich sinkende Mietpreise in den verschiede- Tiefe zu verleihen und die Frequenz in der 1a-Lage 61 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen nen Einzelhandelslagen ablesen. In Osnabrück ist ort mit größtenteils hochwertigen Sortimenten Ziele (Stabilisierung der Zentralität, Verbesserung Einzelhandelsstruktur in Wilhelmshaven durch die „Kamp Promenade“ die gestiegene entwickelt. Die Altstadt hat das Entwicklungspo- der Angebotssituation in der Innenstadt und Stär- In der polyzentrisch aufgebauten Stadt hat sich Nachfrage nach adäquaten Einzelhandelsflächen tenzial im gastronomischen Bereich genutzt und kung des Einzelhandelsstandortes und seiner mit der Marktstraße erst nach dem Krieg ein Ein- nur zum Teil gestillt werden. Die Mieten sind infol- ein eigenständiges Gastronomieviertel zum Leben räumlichen Struktur) zum großen Teil erreicht wer- zelhandelsschwerpunkt in der Wilhelmshavener gedessen in der Großen Straße (1a-Lage) weiter erweckt. den konnten. Allerdings wurde die mit der Projekt- Innenstadt herauskristallisiert12. Sie wurde in den angestiegen. Darüber hinaus sind bisher in der An einigen Leerständen in den Randlagen des Os- entwicklung angestrebte hochwertige Sortiments- 1960er- bzw. 1970er-Jahren als Fußgängerzone Großen Straße ansässige Einzelhändler in preis- nabrücker Hauptgeschäftsbereichs werden Prob- struktur in der „Kamp Promenade“ nicht vollstän- umgestaltet. Um die Innenstadt weiter zu stärken günstigere Lagen verdrängt worden. leme im Einzelhandelssektor deutlich. Diese kön- dig erreicht. Zudem bestehen weiterhin Entwick- und den öffentlichen Raum und private Immobilien Als Reaktionen auf die Lageveränderungen und nen, wegen ihrer mangelnden Lagequalität nicht lungspotenziale im Bereich der Woolworth-Immo- aufzuwerten, wurden zwischen 1985 und 2003 um- die Mietentwicklungen gerade auch abseits der zwingend auf die Realisierung der „Kamp Prome- bilie. fangreiche Stadterneuerungsmaßnahmen in vier 1a-Lagen sind Initiativen von Einzelhändlern und nade“ zurückgeführt werden. Dienstleistern zu beobachten. Die Krahnstraße hat Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die mit der Wilhelmshaven 2006 war Wilhelmshaven Pilotstadt im ExWoSt- sich zu einem speziellen Facheinzelhandelsstand- Realisierung der „Kamp Promenade“ verfolgten Die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven liegt im Nord- Forschungsvorhaben „Stadtumbau West“. In die- westen Niedersachsens. Wilhelmshaven versorgt sem Projekt wurden Leitbilder und Entwicklungs- als Oberzentrum den umliegenden ländlichen ziele erarbeitet sowie Projekte umgesetzt. Im Jahr Raum Frieslands. Insgesamt setzt sich die Stadt 2006 wurde zudem ein Einzelhandelsentwick- aus 27 Stadtteilen zusammen. Wilhelmshaven ist lungskonzept für die Stadt Wilhelmshaven erstellt, geprägt durch die Lage an der Nordsee und zahl- um Entwicklungsperspektiven und Handlungs reiche Häfen. Die Stadt wurde im Zweiten Welt- leitlinien für den Einzelhandel in der Stadt zu defi- krieg, wegen ihrer Bedeutung als Kriegshafen, bis nieren. zu 60 Prozent zerstört. Durch Zerstörung und Die Einkaufsinnenstadt Wilhelmshavens ist im Wiederaufbau entstanden städtebauliche Defizite, Wesentlichen als lang gestrecktes Band an der die jedoch durch große Sanierungsgebiete weitest- Marktstraße, hauptsächlich zwischen Mitscher- gehend behoben worden sind. Die Innenstadt lichstraße und Virchowstraße, organisiert. Nur im gliedert sich in die Bereiche City, Innenstadt-Nord, parallel verlaufenden Straßenzug Börsenplatz und Hansaviertel und Innenstadt-West. Wilhelmshaven Grenzstraße sind noch innenstadtrelevante Nut- hat in hohem Maße Bevölkerungsverluste zu be- zungen anzutreffen. Der Versuch, die Grenzstraße klagen. Lag die Bevölkerungszahl in den 1970er- auch als Einzelhandelsstandort zu etablieren (u.a. Jahren noch bei über 100.000, sind es heute nur durch die Ansiedlung eines Verbrauchermarktes), Abb. 5: Lagestrukturen in der Osnabrücker Innenstadt im Vergleich 2001 2007 Innenstadtsanierungsgebieten umgesetzt. Bis 82.797 10 62 gelang nicht. rungsrückgang von über drei Prozent festzustellen. Mit dem seit Anfang der 1990er-Jahre verfolgten Die Prognosen bis zum Jahr 2020 sehen eine wei- Bau der „Nordseepassage“ sollte verloren gegan- terhin negative Bevölkerungsentwicklung: Bis gene Kaufkraft zurückgewonnen und damit die 2020 soll die Einwohnerzahl auf rund 78.000 Ein- Zentralität gesteigert werden. Zudem galt es, den wohner sinken. desolaten Bahnhof und sein Umfeld aufzuwerten. 11 Quelle: Eigene Darstellung nach Kartenmaterial und Auskünften der Stadt Osnabrück. Einwohner. Seit 2000 ist ein Bevölke 10 Stadt Wilhelmshaven, Abteilung Statistik und Wahlen, 2007. 11 Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): Bevölkerungsvorausschätzung für Wilhelmshaven. 12 Neben der Auswertung relevanter Gutachten und Statistiken, die im Folgenden dargestellt sind, basieren die Ergebnisse auf Expertengesprächen mit der Stadt Wilhelmshaven, der Industrie- und Handelskammer Oldenburg, sowie des zuständigen Einzelhandelsverbandes. 63 Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Das Vorhaben wurde in der Stadt nicht strittig dis- hof eröffnet; zusätzlich wurden rund 1.000 m2 Gas- kutiert. Planerischer Einfluss konnte über die Lage tronomieflächen geschaffen; das Parkplatzangebot des Vorhabens im Sanierungsgebiet ausgeübt wer- liegt bei 600 Stellplätzen. Ankermieter sind ein den. Eine unmittelbar mit der Projektentwicklung C&A-Textilkaufhaus, ein Elektro-Markt sowie ein in Verbindung stehende Verträglichkeitsanalyse Lebensmittelmarkt. Im Center stehen einige Flä- bezüglich der Einzelhandelsentwicklung wurde chen leer und einige sind untergenutzt. Der nicht durchgeführt. Anfang der 1980er-Jahre war Centerstandort liegt etwa einen Baublock, knapp allerdings im Rahmen einer Markt- und Tragfähig- 100 Meter, entfernt von der Fußgängerzone Markt- 60 keitsanalyse bereits eine Mindestgröße von 12.000 straße und bildet eine Einheit mit dem Hauptbahn- 40 m2 ermittelt worden. Als Projektentwickler und hof Wilhelmshaven. Das Center ist auf den Flächen Investor trat die STOBAU (Stoffel-Bau) auf. des alten Bahnhofs sowie auf angrenzenden Bahn- Abb. 6: Einzelhandels- und Betreiberstruktur in der 1a-Lage 140 120 5 8 10 40 100 10 9 9 46 80 5 9 10 54 2 33 20 0 flächen errichtet. Städtebaulich optimiert das 1997 n=121 2000 n=117 2007 n=113 Einkaufscenter „Nordseepassage“ Center seine Verbindung zum Bahnhof, die Bezüge 1997 schließlich wurde die „Nordseepassage“ mit zur Stadt sind durch das konsequente Ausrichten inhabergeführt inhabergeführte Filiale Filialist rund 19.000 m Einzelhandelsmietfläche am Bahn- nach innen eher unzureichend ausgebildet. Dienstleistung Gastronomie Sonstiges 2 Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von „Kempers CityScout". Tab. 3: Vergleich von Nutzungsstrukturen und absatzwirtschaftlichen Entwicklungen Lage und Nutzungsstrukturen 1997 2007 Es ist Folgendes zu beobachten: Im Zeitraum von Die ursprüngliche Verkaufsfläche der Innenstadt 1997 bis 2007 hat sich der Anteil der inhaberge- ist durch die Realisierung des Centers um 17.190 führten Geschäfte in der Marktstraße um rund 40 Gesamtverkaufsfläche 137.396 m * 174.665 m m gestiegen, die Länge der Fußgängerzone wuchs Prozent reduziert, um den annähernd gleichen An- Verkaufsfläche Innenstadt k. A. 45.660 m2 von 1.650 auf 2.150 Meter, also um rund 30 Prozent. teil erhöhte sich der Anteil der Filialbetriebe. Der 17.190 m2 Die in Abbildung 7 dargestellten Lageklassifizie- durch die Verlagerung des C&A in die „Nordsee- 171 rungen zeigen die Veränderungen im Wilhelms passage“ entstandene Leerstand wird seit einigen 36 havener Hauptgeschäftsbereich: Durch den Bau Jahren vollständig von einem Sonderpostenwaren- 2 Verkaufsfläche Center Geschäfte Innenstadt k. A. davon Geschäfte im Center 2 2 Filialisierungsgrad 1a-Lage 42,9 % 62,9 %**** des Centers ist es zu einer Verkürzung der Ge- markt genutzt. Eine Nutzungsverschiebung vom Anteil der Leitbranchen 1a-Lage 34,7 % 31,5 %**** schäftslagen in Richtung Center gekommen. Ver- Einzelhandel in Richtung Dienstleistungen hat es Leerstand 1a-Lage 4,1 % 4,4 % lierer der Entwicklung sind nach Meinung der in der Marktstraße nicht gegeben. Die einzelhan- Passantenfrequenz Marktstraße 3.960 3.000 befragten Experten die Randlagen des Haupt delsrelevante Kaufkraftkennziffer ist seit 1995 von Mietpreise 1a-Lage 56 Euro/m2*** 30 Euro/m2 geschäftszentrums und vor allem die Nebenzent- 99,2 gesunken und liegt für das Jahr 2006 bei ren der Stadt. Größte Standortverlagerung von Ein- 96,713. Für die Wilhelmshavener Bevölkerung ergibt zelhandelsbetrieben zum Zeitpunkt der Centerer- sich somit ein einzelhandelsrelevantes Kaufkraft- öffnung war der Umzug des C&A-Kaufhauses von potenzial von rund 4.879 Euro pro Kopf. Dagegen der Virchowstraße ins Center. Daneben haben hat sich die Zentralität von 110 auf 117 erhöht. auch eine ganze Reihe kleinerer Betriebe ihren Laut Kempers14 ist die Passantenfrequenz in der Standort ins Center verlagert. 1a-Lage Marktstraße in etwa gleich geblieben. Absatzwirtschaftliche Grundlagen Zentralität 110,78 117 Kaufkraftkennziffer 99,2** 96,7 Umsatzkennziffer k. A. 118,5 Angaben aus: *1993, **1995, ***1991, ****2006. Quellen: Angaben der zuständigen Dienststellen, Auswertung vorliegender Gutachten und statistischer Unterlagen, eigene Erhebungen. 64 Wirkungsanalyse 13 Cima GmbH Lübeck (2007): Einzelhandelsentwicklungskonzept für das Oberzentrum Wilhelmshaven. 14 Kempers (1997 und 2000): City-Scout. 65 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Abb. 7: Lagestrukturen in der Wilhelmshavener Innenstadt im Vergleich 1996 2007 Quelle: Eigene Darstellung nach Kartenmaterial und Auskünften der Stadt Wilhelmshaven. Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Abb. 8: Gesamtbilanz der Eckdaten der Centerentwicklung Bilanz Flächen zuwachs Lage in der Innenstadt1 Baustruktur Längenzu Anzahl der wachs der Stellplätze Fußgänger zone Verkaufs fläche je Stellplatz Düren 25 % integriert geschlossen 23 % 700 20 Erfurt 17 % integriert geschlossen 15 % 750 26 Hagen 2 12 % integriert geschlossen 16 % 867 26 Osnabrück 10 % integriert offen 4% 245 44 Bocholt 61 % Rand beides 52 % 1.170 27 Kempten 25 % Rand geschlossen 32 % 1.070 18 Schwerin 62 % Rand geschlossen 58 % 1.000 17 Siegen 33 % Rand geschlossen 44 % 1.200 17 Wetzlar 32 % Rand geschlossen 42 % 1.700 11 Wilhelms 27 % Rand geschlossen 30 % 600 29 23 % extern geschlossen 16 % 1.500 14 130 % extern geschlossen 50 % 1.500 10 2 haven gängerzone gelegen, verfolgte die Stadt Wilhelms- in der 1a-Lage als auch in den 1b-Lagen im Zeit- haven zum einen das Ziel, die Kaufkraftbindung raum von 1995 bis 2000 zurückgegangen. Das be- und -anziehungskraft der Stadt zu stärken, zum stätigen auch die Expertengespräche. Hier wird anderen galt es, den Bahnhof und das Bahnhofs die Auffassung geäußert, dass die Mietpreise seit umfeld neu zu gestalten bzw. neu zu nutzen. Beide der Eröffnung des Centers um 30 bis 50 Prozent Ziele sind, so belegen es die Zahlen und die Exper- zurückgegangen sind. Nach Angaben der Stadt tenmeinungen, erreicht worden. Dennoch sind führt. Neue Filialbetriebe, die den inhabergeführ- auf das von städtischer Seite gemeinhin verfolgte Wilhelmshaven konnte jedoch im Jahr 2004 das auch in Wilhelmshaven Leerstände in Randlagen ten Einzelhandel in Teilen abgelöst haben, konnten Ziel der Zentralitätssteigerung, bei gleichzeitiger Mietniveau von 1995 annähernd wieder erreicht des Hauptgeschäftsbereichs vorzufinden. Dabei ist zu einer gleich bleibenden Qualität beitragen und Stabilisierung der räumlich-funktionalen Struktur werden. zu berücksichtigen, dass sich der Einwohnerrück- diese sogar in Teilen erhöhen. Insgesamt hat sich des Hauptgeschäftsbereichs, zu den positiveren Größter Leerstand ist der ehemalige WalMart-Ver- gang in den letzten zehn Jahren (ein Verlust von jedoch die Ausdehnung des Einzelhandelsbestan- Beispielen. Osnabrück konnte den Zentralitätsin- brauchermarkt in der Grenzstraße mit ca. 10.000 rund 6.000 Einwohnern) nachteilig auf die vorhan- des verringert. Unabhängig davon machen indes dex sichern und gleichzeitig die Attraktivität der Schwedt 1 integriert = in 1a-Lage, Rand = am Rand des Hauptgeschäftsbereichs, extern = abgesetzt vom Hauptgeschäftsbereich. 2 Wert geschätzt. m Verkaufsfläche. Zuzüglich der nicht exakt zu dene Kaufkraft ausgewirkt. Die Stadt gibt den die Analysen deutlich, dass das Center selbst nicht Innenstadt steigern. In Wilhelmshaven stieg die beziffernden kleineren Leerstände steht dadurch in Kaufkraftrückgang für die betrachteten zehn Jahre optimal funktioniert, der Wegzug wichtiger Anker- Zentralität und es wurde ein Modernisierungs- etwa die Fläche leer, die durch den Centerbau mit rund 29 Mio. Euro an. mieter sowie einige Leerstände und Unternutzun- schub erreicht, der offensichtlich mithalf, die Stel- entstanden ist. Dabei ist anzumerken, dass zum Die „Nordseepassage“ hat also offensichtlich die gen sind dafür Indiz. lung der Innenstadt zu sichern. Allerdings sind Zeitpunkt der Erhebung auch im Center Flächen Anziehungskraft der Innenstadt verbessert. Eine leer standen bzw. extensiv genutzt wurden. Schwächung der 1a-Lage ist nicht erkennbar. Die Einordnung der Ergebnisse aus den beobachten. Verlagerung bzw. Aufgabe von inhabergeführten niedersächsischen Fallstudienstädten Insgesamt reicht bei den untersuchten Fällen das Folgen der Einkaufscenteransiedlung Geschäften und die Ansiedlung von Filialbetrieben Wie Abbildung 8 zeigt, ist in die Untersuchung ein Spektrum des innerstädtischen Verkaufsflächenzu- Mit dem Bau der „Nordseepassage“, am Bahnhof hat in den letzten zehn Jahren dort zu keinem breites Spektrum von Centern eingegangen. Die wachses durch die Einkaufscenter von moderaten Wilhelmshaven in Randlage zur bisherigen Fuß- Niveauverlust des Einzelhandelsbestandes ge- niedersächsischen Städte gehören dabei, mit Blick Zuwächsen über ein starkes Wachstum bis hin zu 2 66 Regensburg Die Mietpreise sind laut Angaben des RDM sowohl dort zum Teil deutliche Lageverschiebungen zu 67 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Einkaufscenter und I nnenstädte – T rends, Auswirkungen , H andlungsempfehlungen Abb. 9: Gesamtbilanz der Auswirkungen des Centerbetriebs Bilanz Entwicklung der 1a-Lage Zentralität Veränderung Umgang mit Stadtbildder Lage Baubestand/ Maßstäblich strukturen Denkmal keit u. Einbin schutz dung in Stadt struktur + + 0 Erfurt + + + Hagen 0 – 0 Osnabrück + – 0 Bocholt + + – Kempten + – + Schwerin – + –– – – Siegen -- + –– 0 – Wetzlar – + – Wilhelms – + – + + + 0 + haven Schwedt ++ sehr positive Entwicklung, – negative Entwicklung, 68 + + positive Entwicklung, – – sehr negative Entwicklung Einzelhandelsmieten in der 1a-Lage und in den an- zwölf untersuchten Centerstandorten. grenzenden 1b-Lagen als Auswirkung der „Nord- Die Auswirkungen der untersuchten zwölf Ein- seepassage“ mittlerweile deutlich abgeschwächt. kaufscenter auf die lokale Einzelhandelsentwicklung werden festgemacht an den Veränderungen innerhalb der 1a-Lagen, der Zentralität und bei den Lagestrukturen (vergleiche Abbildung 9). Dabei 3. Zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen setzt sich das Kriterium „Veränderungen der 1a- Düren Regensburg hinter Osnabrück den zweiten Platz unter den 0 Stagnation Lage“ zusammen aus den Veränderungen beim Insgesamt führen die Recherchen im Rahmen des jeweiligen Filialisierungsgrad, der Leitbranchenan- Forschungsprojektes zu folgenden grundlegenden teile, der Passantenfrequenzen sowie der Mieten Ergebnissen: für Einzelhandelsflächen. Bei den Lagestrukturen – Zwischen den beiden zentralen Zielen „Erhö- werden die Entwicklungen in der Wertigkeit der hung der Zentralität“ sowie „Weitgehender Lagen (untergliedert in 1a-Lagen, 1b-Lagen, Erhalt und behutsame Weiterentwicklung Neben- und Randlagen) in den Blick genommen. bestehender Einzelhandels- bzw. Innenstadt- Vergleicht man die jeweiligen Veränderungen, fällt strukturen“ besteht ein erheblicher Zielkon- auf, dass gerade die gesamtstädtischen Zentrali- flikt: Eine starke Ausweitung des innerstädti- tätsgewinne in Schwerin und in Wetzlar mit sehr schen Verkaufsflächenangebotes führt zwar in negativen Veränderungen der innerstädtischen der Regel zu Zentralitätsgewinnen, gleichzei- Lagestrukturen erkauft wurden. Die Folgen einer tig jedoch auch zu einer deutlichen Verände- die Innenstadt dominierenden Centeransiedlung rung der Lagestrukturen im Hauptgeschäfts- in beiden Städten springen insofern besonders ins bereich und der Baustrukturen der Innenstadt. Auge, als dort die alten 1a-Lagen zu 1b-Lagen ab- – Für die funktionale Struktur des bestehenden gesackt sind; als heutige 1a-Lagen können nur die Hauptgeschäftszentrums sind dann die ge- Malls der beiden Einkaufscenter eingestuft wer- ringsten negativen Entwicklungen zu erwar- massiven Größensprüngen. Osnabrück weist mit Ein Blick auf die Stellplatzsituation macht deutlich, den. Der ganz leichte Rückgang der Einzelhan- ten, wenn das Center in seiner Mitte liegt und einer Flächenzunahme von lediglich zehn Prozent dass ein Teil der analysierten Center über ausge- delszentralität in Osnabrück ist – vergleichbar mit es den Flächenbestand moderat erweitert. den geringsten Zuwachswert aller untersuchten sprochen großzügig dimensionierte Stellplatzanla- der Entwicklung im westfälischen Hagen – zum – Ein positiver Schub für 1a-Lagen wird in der zwölf Innenstädte mit einem Center aus, Wilhelms- gen verfügt. Das „Forum Wetzlar“ steht mit seiner einen auf eine starke Konkurrenz im Umland Regel durch kleinere, integrierte Einkaufscen- haven dagegen verzeichnet mit einer geschätzten Stellplatzzahl an der Spitze, dicht gefolgt von den zurückzuführen. Zum anderen sind als Folge der ter ausgelöst. Flächenzunahme von 27 Prozent ein starkes Center-Stellplatzanlagen in Schwedt und Regens- sehr moderaten Verkaufsflächenerweiterungen – Baulich introvertiert angelegte Center haben Wachstum, ist aber noch weit von den „Spitzenrei- burg. Die „Kamp Promenade“ in Osnabrück ist das durch die „Kamp Promenade“ die „anschieben- negative Auswirkungen auf das Stadtbild zur tern“ Schwedt/Oder, Schwerin und Bocholt ent- Einkaufscenter mit den wenigsten Stellplätzen – den“ Wirkungen auf die Zentralität eben ausge- Folge und erschweren ihre innerstädtische fernt. Während Osnabrücks „Kamp Promenade“ dort stehen nur 245 Stellplätze in einer Tiefgarage sprochen begrenzt. Indes zählt Osnabrück zu den Integration. direkt in der 1a-Lage vorbildhaft in offener Bauwei- zur Verfügung. Die Verkaufsfläche je Stellplatz ist in untersuchten sechs Kommunen mit einer positiven – Große Einkaufscenter in Innenstadtrandlagen se errichtet wurde, positioniert die „Nordseepassa- Osnabrück mit 44 m am höchsten; ganz am ande- Entwicklung der 1a-Lage. Der leichten Zunahme sind von allen Lagekategorien am ehesten mit ge“ am Rand des Hauptgeschäftsbereichs und ren Ende der Skala Schwedt mit zehn Quadrat der Zentralität von Wilhelmshaven stehen minima- der Gefahr verbunden, die bestehenden Struk- wurde – wie die ganz überwiegende Zahl der un- metern und Wetzlar mit elf. Wilhelmshavens „Nord- le negative Veränderungen in der 1a-Lage und bei turen des Hauptgeschäftsbereichs ungünstig tersuchten Shopping-Center – als geschlossene seepassage“ belegt hinsichtlich des sparsamen den Lagestrukturen gegenüber. Allerdings hat sich Anlage in introvertierter Form gebaut. Umgangs mit Flächen für den ruhenden Verkehr zum Beispiel der zeitweilige starke Rückgang der 2 zu beeinflussen. – Und: Innenstädte können sich auch ohne ein 69 Einkaufscenter und I nnenstä dte – Trends , Auswirkungen , H andlungsempfehlungen denen Geschäftsbereich angrenzen und Centers ist durch ein Grundrisskonzept sicher- an Attraktivität sowie Zentralität zulegen. Un- gleichzeitig einen in etwa gleich großen zustellen, welches sich mit dem vorhandenen abdingbare Voraussetzung für „centerlose“ Gegenpol haben. öffentlichen Raum verzahnt. Der Grundriss Die Projektergebnisse sind letztlich ein Plädoyer Entwicklungserfolge ist jedoch ein möglichst 4) Wenn größere Umwälzungen in der Struktur darf nicht ausschließlich zur inneren Mall aus- dafür, das Thema innerstädtische Einkaufscenter komplettes Einzelhandelsangebot mit moder- des bestehenden Geschäftsbereichs vermie- gerichtet sein, sondern muss sich ebenso zu in seiner ganzen Komplexität zu betrachten: Öko- nen Einzelhandelsformaten in einem möglichst den werden sollen, sind die Flächenerweite- den öffentlichen Räumen (Straßen, Plätzen) nomische Aspekte spielen genauso eine Rolle wie kompakten Innenstadtraum. rungen durch ein Einkaufscenter im modera- orientieren. städtebauliche oder baukulturelle. Die Städte Aus den angestellten Analysen lassen sich für den ten Rahmen zu halten. Das bedeutet konkret, 8) Aus Gründen der stadträumlichen Integration müssen daher ein solches Investment nicht nur als Umgang mit künftig ins Auge gefassten Ansied- dass bei einer durchschnittlich ausgestatteten ist die Geschossigkeit des Centers der ört Projektentwicklung, sondern als Stadtentwicklung lungen von Einkaufscentern in Innenstädten die Innenstadt eine Verkaufsflächenerweiterung lichen Situation anzupassen. Das bedeutet, die verstehen, bei dem es gilt, alle relevanten Aspekte folgenden Handlungsempfehlungen ableiten: um 15 Prozent, bezogen auf die innerstädti- Verkaufsflächen sollten möglichst intensiv ge- zu berücksichtigen. Hierzu gehört bereits zu 1) Ziele, die mit einer Centeransiedlung erreicht sche Verkaufsfläche, nicht überschritten wer- stapelt werden. Zudem eignen sich die oberen Beginn des Vorhabens die Diskussion eines Ziel- werden sollen, und mögliche unerwünschte den sollte. Gleichzeitig sollten bei Städten bis Geschosse für andere innenstadtrelevante systems, das die stets vorhandenen Zielkonflikte Wirkungen müssen im Vorfeld dargestellt und 200.000 Einwohner die innerstädtischen Ver- Nutzungen, wie zum Beispiel Wohnen, Büros, nicht ausklammert. Erst wenn unter diesem Blick- diskutiert werden. Zudem ist es sinnvoll, um kaufsflächen im Regelfall um nicht mehr als öffentliche Dienstleistungen. winkel alle Chancen und Risiken abgewogen wor- isolierte Zielaussagen zu vermeiden, die for- 15.000 m2 ausgeweitet werden, um einer 9) Um eine Integration des Centers in die Innen- den sind, können stadtverträgliche Lösungen ge- Autarkie des Einkaufscenters vorzubeugen. stadt zu ermöglichen, ist die Zahl der Stellplät- funden werden. Hierzu leisten die Ergebnisse der Die Flächenerweiterung kann größer ausfallen, ze im Center wie folgt zu begrenzen: Das Stell- vorgelegten Studie sicherlich einen ersten Beitrag. darzustellen, welches Zukunftsbild für die In- wenn in einer Innenstadt Unterausstattungen platzangebot im Center darf nicht das größte Künftig wird es von besonderer Bedeutung sein, nenstadt in den nächsten zehn bis 20 Jahren bzw. eklatante Angebotslücken zu beseitigen der Innenstadt sein, und die Stellplatzzahl ist dass im Sinne von Best-practice-Lösungen Vor angestrebt wird. Die Einbindung in regionale sind oder auch, wenn die Größenstruktur der nicht über den vorhandenen Schlüssel Ver- gehensweisen und Fallbeispiele benannt werden, Konzepte ist dabei genauso selbstverständlich innerstädtischen Läden nicht mehr modernen kaufsfläche/Stellplatz hinaus auszudehnen. die die Städte noch besser in die Lage versetzen, mulierten Ziele in einen Rahmen- oder Masterplan für die Innenstadt einzubetten. Hier ist wie die in die Stadtentwicklungsplanung. Ansprüchen genügt. Gleiches gilt für den Fall Für diese Empfehlungen zum Umgang mit Ein- ihre Anforderungen an ein Center bzw. an andere 2) Der Zuschlag für eine Centerentwicklung an einer dringend erforderlichen Stärkung der kaufscentern gilt: Sie sind als Prüfschema für die geeignete Betriebsformen zu formulieren und einen Investor/Entwickler darf wegen der Stär- kurzfristigen Bedarfsstufe. Ein Überschreiten kommunale Praxis heranzuziehen. Es soll zur damit in die Verhandlungen mit Investoren und ke der Intervention und der damit verbunde- der als „Regelgröße“ zu verstehenden Flächen- Beurteilung der relevanten Eckpunkte im zeit Entwicklern zu gehen. Die Betriebsform Center – nen Bedeutung für die Stadt nur im Rahmen erweiterung um 15 Prozent setzt jedoch eine lichen Vorfeld einer Ansiedlung anhand klarer auch das ist deutlich geworden – hat weitere Inno- eines formalisierten, nachvollziehbaren Aus- besonders intensive und kritische Prüfung vo Kriterien und unter der Zielsetzung bestmöglicher vationen im Hinblick auf stadtverträglichere For- wahlverfahrens erfolgen. Erforderlich sind des- raus. Integration dienen. Bei der Anwendung dieses men und Größen dringend nötig. halb zwingend die Ansprache mehrerer Pro- 5) Der Branchenmix eines Einkaufscenters muss Prüfschemas ist die spezifische Situation vor Ort – jektentwickler und die Einleitung eines fairen mit dem Projektentwickler so definiert werden, insbesondere Stadtgröße und deren Struktur sowie und transparenten Verfahrens. Dadurch wer- dass das Angebot eine Ergänzung zum bereits die regionale Struktur – stets zu berücksichtigen. den der Wettbewerb untereinander und damit vorhandenen Angebot des innerstädtischen Die Empfehlungen verstehen sich nicht als Dog- auch die Qualität des Projektes erhöht. Einzelhandels darstellt. ma, jedoch als Maßstab und Anleitung für kommu- 3) Für die Lokalisation eines neuen Einkaufs 6) Monostrukturierte Einkaufscenter sind zu ver- nales Handeln. In ihrer inhaltlichen Zielrichtung centers in der Innenstadt kommen nur zwei meiden, stattdessen sind auch kulturelle Ein- stellen sie den Erhalt gesunder und zukunftsfähi- Standorttypen in Frage: richtungen oder Wohnungen zu integrieren, ger Stadtstrukturen über das Ziel der Zentralitäts- – unmittelbar in der 1a-Lage oder um urbanes Leben nicht nur bis zum Laden- erhöhung. – an einem neuen Pol der Innenstadt. Dieser muss jedoch unmittelbar an einen vorhan- 70 4. Fazit Einkaufscenter weiter positiv entwickeln und schluss zu ermöglichen. 7) Die räumliche Innenstadtverträglichkeit eines 71 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Robert Pütz Business Improvement Districts als Instrument der Quartiers entwicklung In der Diskussion um Instrumente zur Revitalisierung von Innenstädten und Stadtteilzentren sind in 1. BID als neues Modell sub kommunaler Steuerung jüngerer Zeit Business Improvement Districts (BID) 72 sind, die Stadt auf ökonomische Inwertsetzung zwischen hoheitlich-öffentlicher und privater und Effizienz auszurichten (Ward 2000; Wilson Sphäre verflüssigen, beispielhaft zum Aus- 2004). Sie gehen einher mit spezifischen Problem- druck: Sie sind quasi-öffentlich, weil sie ge- wahrnehmungen sowie stadtpolitischen Zielen setzlich legitimiert sind und der Staat die und Problemlösungsstrategien, die weitreichende Abgaben von den Grundeigentümern erhebt Auswirkungen auf die Gestaltung und Nutzung ur- und an den BID-Träger weiterleitet. Sie sind baner Räume sowie das Selbstverständnis und die zugleich privater Natur, weil Grundbesitzer Ausfüllung kommunaler Aufgaben haben. BID und Gewerbetreibende die maßgeblichen Ak- können dabei stellvertretend für eine Reihe neuer teure in BID-Träger-Organisationen stellen stadtpolitischer Instrumente bzw. Problemlö- und entsprechend ihrer zumeist wirtschaftli- sungsstrategien angesehen werden. chen Interessen die Handlungsfelder von BID Als zentrale Bestandteile der unternehmerischen ausrichten. Solchermaßen gewinnen BID der- Stadtpolitik (Harvey 1989, Jessop 1997; Peck/ zeit weltweit als machtvoller Akteur der Stadt- Tickell 2002) gelten neue Akteurskonstellationen entwicklung an Bedeutung, dem zunehmend mit einer Stärkung privatwirtschaftlicher Akteure, auch über das eigene Quartier hinaus Verant- ein Bedeutungsgewinn der sublokalen Ebene so- wortung übertragen wird. So sind BID in Ham- wie eine zunehmende Privatisierung in unter- burg jüngst als Träger öffentlicher Belange ak- in den Fokus von Politik und Planung gerückt. Sie Als Business Improvement Districts (BID) werden schiedlichen Kontexten. Diese Elemente der „un- zeptiert worden und können durch diese for- seien in der Lage, privates Kapital und Engage- allgemein Gebiete bezeichnet, die auf Antrag eines ternehmerischen Stadt“ kommen sowohl in insti- melle Einbindung in Planungsverfahren zu- ment für die Quartiersentwicklung zu gewinnen bestimmten Anteils der dort ansässigen Grundbe- tutioneller als auch in inhaltlicher Perspektive künftig eine noch stärker gestalterische Rolle und würden die innerstädtischen Zentren dadurch sitzer räumlich definiert und eingerichtet werden. paradigmatisch in Business Improvement Districts bei Stadtentwicklungsplanungen einnehmen. im Wettbewerb mit peripheren Lagen und geplan- In BIDs sind alle Grundeigentümer oder Geschäfts- als neuer subkommunaler Steuerungsform zum ten Shopping Centern nachhaltig stärken. Als inhaber anschließend gesetzlich verpflichtet, eine Ausdruck: einher mit einem Bedeutungsgewinn der lokal- Beleg für den Erfolg von BID wird dabei häufig auf Abgabe für eine private Organisation (BID-Auf – BID sind als eine spezielle Form des Public-Pri- politischen Ebene, der in der Literatur unter die USA verwiesen, insbesondere New York, wo gabenträger) zu leisten, die Programme zur Attrak- vate-Partnership typisch für neue Akteurskon- dem Begriff re-scaling diskutiert wird (Brenner BID in den 1990er Jahren einen Boom erlebten. Im tivitätssteigerung des Gebiets durchführt. Die stellationen und allgemein für neue Formen 1997a; 1997b). BID stehen als subkommunale nachfolgenden Beitrag sollen Business Improve- Gründung und Finanzierung eines BID bedarf an- der Interaktion zwischen öffentlichen, privaten Governance-Form darüber hinaus für eine ment Districts zunächst in die allgemeine Debatte fänglich der Zustimmung eines Mindestteils der und semi-privaten Akteuren in der „unterneh- Re-Territorialisierung, bei der fixierte politisch- um Stadtpolitiken im neoliberalen Zeitalter einge- Betroffenen und ist gesetzlich legitimiert. merischen Stadt“ (Hall/Hubbard 1998). Damit administrative Territorialisierungen wie kom- ordnet werden. Anschließend wird skizziert, unter Durch die gesetzlich legitimierte Übertragung von gewinnen netzwerkförmige Regierungsformen munale Grenzen an Bedeutung verlieren und welchen Bedingungen sich die Idee ausgehend Verantwortung für die Quartiersentwicklung von sowie informelle Herangehensweisen und Pro- sich zunehmend zu verflüchtigen scheinen. von Kanada nahezu weltweit als neues Gover- kommunalen auf private Akteure können BID als jektorientierung gegenüber traditioneller Steu- Dies wird dadurch befördert, dass räumlich nance-Modell ausgebreitet hat. Abschließend sol- paradigmatisch für Veränderungen angesehen erung der öffentlichen Hand an Bedeutung gekammerte „Zugriffe“ auf gesellschaftliche len mit Blick auf die Entwicklungen in Deutsch- werden, die seit dem Ende der 1990er Jahre v.a. in (Benz/Einig u. a. 2005; Fürst 2003, Pütz 2004). oder ökonomische Prozesse leichter möglich land die Hauptproblemfelder vorgestellt werden, der angloamerikanischen Stadtforschung unter Die neuen städtischen Regime fokussieren scheinen, wenn sie eben nicht an tradierten die im Zusammenhang mit BID diskutiert werden. dem Stichwort neoliberale Stadtpolitiken zusam- dabei vornehmlich auf ökonomische Zielset- Planungsebenen und den damit verbundenen mengefasst werden. Diese werden verstanden als zungen der regionalen Wettbewerbsfähigkeit Institutionen- und Machtgefügen ansetzen, ein Set von neuen Regulationen, Programmen und von Städten. In der ambivalenten Natur von sondern sie durch neue und flexible Regionali- Politiken, die – gemäß des Leitbildes der „unter- BID kommen die neuen Akteurskonstellatio- sierungen umgehen. BID, die in ihren Grenz- nehmerischen Stadt“ – primär darauf ausgerichtet nen, in denen sich die traditionellen Grenzen ziehungen quer zu existierenden Gemeinde- – Die Stärkung privater Akteure geht zunächst 73 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung gung einer Marktlogik auf vormals öffentlich So steht die Einführung von BID in Deutschland in „geschützte“ Bereiche der Stadt- und Quar- einer langen Reihe von Ländern, die BID als neues tiersentwicklung und der Wahrnehmung von Instrument der Quartiersentwicklung eingeführt Kontroll- und Sicherheitsaufgaben im öffent haben. Nach übereinstimmender Literaturlage lichen Raum, zum anderen durch die Regulie- wurde das BID-Konzept in den 1960er Jahren in rung öffentlichen (Straßen-)Raums durch pri- Kanada entwickelt, und zwar in Bloor West Village, vate Organisationen. einem seinerzeit unter Abwertungsdruck stehen- Peck und Tickell verstehen die Durchsetzung neo- den Stadtteil im Zentrum von Toronto. Lokale Ge- liberaler Politikmuster wie die oben aufgezeigten schäftsleute forderten seinerzeit von der Stadt die nicht als einfachen Abbruch bisheriger Regula Verabschiedung eines Gesetzes, das die Erhebung tionsmodi, sondern konzeptualisieren zwei Etap- einer Abgabe für Immobilieneigentümer ermög- pen eines „roll back and roll out neoliberalism“ licht, um damit Aufwertungsmaßnahmen des Ge- (Peck/Tickell 2002). Die Vermarktlichung der Stadt- schäftsviertels finanzieren zu können (Wiezorek politik, die mit einer Abkehr von einer wohlfahrts- 2004: S. 23). Die Bloor West Village Business Impro- staatlichen Grundorientierung einhergeht, sowie vement Area wurde 1971 gegründet und bezeich- die Liberalisierung, die vor allem die Privatisierung net sich als weltweit ersten Business Improvement öffentlicher Unternehmen bedeutet, können dabei District. In den folgenden Jahrzehnten breitete als Merkmale der „roll back“-Phase aufgefasst sich das BID-Konzept zunächst in Toronto und der werden. Business Improvement Districts stehen Provinz Ontario, schließlich über ganz Kanada und dagegen paradigmatisch für die „roll out“-Phase, die Vereinigten Staaten aus. die durch die Entwicklung und Durchsetzung neu- 1975 entstand mit dem „Downtown Development er Regulationsmodi zur Krisenregulierung gekenn- District“ in New Orleans der erste BID in den USA zeichnet ist. (vgl. Houstoun 2003; Hoyt 2003c: S. 2). In den Vereinigten Staaten gab es jedoch bereits in den 1960er Jahren eigene Innenstadtkonzepte wie den 2. Internationale Ausbreitung von BID 74 „special purpose district“ und den „special assessment district“, die als Vorbilder gedient haben, so oder Bezirksgrenzen verlaufen, verkörpern da- kommunalem in privates Eigentum. Privatisie- her idealtypisch die „Politics of Scale“ (Ossen- rung steht darüber hinaus vor allem für die zu- Die geschilderten Prozesse des „roll back and roll dass US-amerikanische BID mit Hoyt (2003c: S. 9) brügge 2003: S. 164), in deren Rahmen über- nehmende Verbreitung markt- bzw. wettbe- out neoliberalism“ wie auch die damit einherge- als „hybrid of these two concepts“ aufgefasst wer- kommene politisch-administrative Gliederun- werbsorientierter Ansätze in der Organisation hende Durchsetzung neuer Steuerungsmodelle den können. In den 1990er Jahren kam es dann zu gen umso stärker an Bedeutung verlieren, je öffentlicher Aufgaben, die bis zur Übertragung und Stadtpolitiken vollziehen sich scheinbar zeit- einem regelrechten Boom an BID-Gründungen in mehr neue Territorialisierungen wie Business vormals öffentlicher Aufgaben an private gleich in vielen Ländern. Am Beispiel von Business den USA. Etwa zwei Drittel aller gegenwärtigen Improvement Districts auf subkommunaler Dienstleister reichen kann (Naschold u. a. 1998; Improvement Districts als einem neuen und zu- BID, deren Zahl auf mehrere tausend geschätzt Ebene entstehen. Naschold 1993; Glasze 2001), sowie für eine gleich klar definierten Instrument der Stadtent- wird, wurden nach 1990 gegründet (Briffault 2004: – Letztlich stehen BID paradigmatisch für zu- zunehmende Verlagerung von klassischen wicklung kann dabei exemplarisch deutlich ge- S. 1; Ward 2007: S. 660). Mehr als 60 Prozent aller nehmende Tendenzen einer Privatisierung in städtischen Funktionen wie die Marktfunktion macht werden, wie sich Problemwahrnehmungen amerikanischen BID befinden sich dabei in den der Stadtentwicklungspolitik. Privatisierung von öffentlichen Räumen in zunehmend privat und Problemlösungsstrategien durch konkrete fünf Bundesstaaten New York, Kalifornien, New meint in diesem Zusammenhang nicht nur regulierte Bereiche wie Shopping Center. BID Stadtentwicklungsmodelle im Zusammenhang mit Jersey, North Carolina und Wisconsin (Mitchell eine eigentumsrechtliche Überführung von stehen stellvertretend für diese Formen der Globalisierungsprozessen derzeit weltweit ver- 1999; 2001). BID in den USA konzentrieren sich zum Beispiel Wohnungsunternehmen von Privatisierung, zum einen durch die Übertra- breiten (Ward 2006, Mccann 2008). mehrheitlich auf Geschäftszentren, entsprechend 75 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung 76 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung dominieren Politikfelder, welche die Attraktivitäts ökonomischen Effizienz etc. einschwört. Sol- rung BID top-down einführte: Sie initiierte schaften, die von thematisch orientierten steigerung eines Viertels aus Sicht der Grund che Diskurse, deren Untersuchung in einem einen landesweiten Wettbewerb für Kommu- Fachkongressen für ihre Mitglieder über die eigentümer und Gewerbetreibenden beinhalten: internationalen Maßstab noch aussteht, sind nen und wählte aus 80 Bewerbungen ins Publikation einschlägiger Ratgeberliteratur bis Marketing (Corporate Design) sowie „Sicherheit deshalb so machtvoll, weil sie die Wahrneh- gesamt 22 Pilotprojekte aus, in denen BID zur Veranstaltung von Fortbildungsseminaren und Sauberkeit". Allerdings arbeiten nicht alle BID mung bzw. Definition gleicher Problemstruktu- später implementiert wurden. Blair erklärte: maßgeblich zur Erstellung und globalen Zirku- bis ins Detail nach einem einheitlichen Schema. ren bewirken, die dann wiederum ähnliche „These will be similar to the successful US lation von Blaupausen-Konzepten der Innen- Vielmehr gibt es Variationen zwischen den Bun- Konzepte der Problemlösung nahe legen (zum examples where local businesses help pay for stadtrevitalisierung durch BID beitragen. Zum desstaaten, die sich von den Anforderungen an Beispiel die Wahrnehmung eines Bedeutungs- projects that improve their local area“ (DETR anderen sind es internationale Organisationen den Gründungsablauf und die dabei notwendigen verlustes der Innenstädte bzw. gewachsener 2001: S. 1). Britische Regierungsvertreter pro- der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, Zustimmungsquoren, über den Kreis der Abgabe- Geschäftslagen im Wettbewerb mit nicht- klamierten BID weiterhin als „New-York-style die als „Globalisierungsbeschleuniger“ von pflichtigen und Modelle der Kostenverteilung bis integrierten Standorten, die Maßnahmen zur schemes“. Auch in Neuseeland, das mit zahl- BID wirken. Dies lässt sich vor allem in Ost hin zu Zielsetzungen und Bestimmungen über die Attraktivitätssteigerung erfordern). Die Folge reichen radikalen Reformen seit den 1980er europa beobachten, wo BID im Zuge der Un- Form und Besetzung der Lenkungsgremien erstre- ist auf lokaler Ebene Anpassungshandeln in Jahren international als Musterstaat für neo terstützung der Verwaltungsmodernisierung cken (Houstoun 2003: S. 16; Vollmer 2008: S. 39f.). Form der Übernahme neuer Institutionen (wie liberal geprägte Politikmodelle gilt, werden implementiert werden. So wurde das BID- In den 1990er Jahren haben sich die USA zum BID) und die Ausrichtung auf spezifische Poli- BID, von denen es mittlerweile rund 140 gibt, Modell in Serbien durch das Serbia Local weltweiten Vorbild bei der Expansion der BID ent- tikfelder (zum Beispiel „Sicherheit und Sauber- durch die lokalen Regierungen initiiert, etab- Government Reform Program (SLGRP), das im wickelt. In den meisten Ländern, die gegenwärtig keit“ als ein international zu beobachtender liert und genehmigt, konkrete Maßnahmen Juni 2002 vorgestellt wurde, finanziell unter- über das BID-Modell verfügen, galten für die Initi- Fokus von BID) oder Bauprojekte (zum Beispiel dann von einem Aufsichtsrat, bestehend aus stützt durch die US Agency for International atoren einige wenige Business Improvement Dis- Wohnen am Wasser oder Revitalisierungs Grundbesitzern und Geschäftsinhabern, um- Development (USAID 2007). Das Programm tricts aus New York City, das alleine derzeit 59 BID projekte, die auf die Wohnwünsche „globaler gesetzt (Town Center Development Group sah zunächst vier BID vor, die nach nordameri- beherbergt, und Philadelphia als empirischer Beleg Eliten“ zielen, von denen man sich vermehrte 2005: S. 9). In anderen Ländern vollzog sich die kanischem Vorbild von einer international für den Erfolg des Modells und die Übertragbarkeit Investitionen etc. erhofft), was insgesamt Pro- Einführung von BID daher eher als Bottom-up- arbeitenden Unternehmensberatung etabliert auf eigene Städte. Zu diesen wenigen Vorbildern zesse der internationalen Politikkonvergenz Prozess, wobei ebenfalls internationale Lern- worden sind. Mitglieder der BID-Präsidien gehören in New York die Bryant Park Restoration stark befördert. prozesse bedeutsam waren – allerdings eher haben darüber hinaus Informationsreisen nach Corporation, die Grand Central Partnership, die – Konzepte wie BID verbreiten sich zweitens auf Initiative lokaler Akteure zurückgingen. New York City unternommen, um sich dort Downtown Alliance sowie die Times Square Alli- über internationale Imitations- und Lernpro- Auch hierbei spielen die „Referenz-BID“ in über das BID-Modell zu informieren. Entspre- ance und in Philadelphia der Center City District zesse. In Ländern, die die Durchsetzung neo Philadelphia und New York eine zentrale Rolle, chend ähneln die Organisationsstruktur sowie BID (WARD 2007: S. 662). liberaler Steuerungsmodelle in den vergange- nämlich als Ziel von Informationsreisen lokaler die Politikfelder dem New Yorker Vorbild (Ward BID sind derzeit weltweit in mindestens 16 Län- nen Jahren bewusst forciert haben, vollzog Repräsentanten, die in ihren Kommunen BID 2007: S. 664). Auch bei der Initiative in Albanien, dern etabliert (WARD 2007), in weiteren Staaten sich die Implementierung des BID-Konzeptes gründen wollen, was sich zum Beispiel für einen BID in Tirana umzusetzen, kommt aus- werden entsprechende Gesetzesinitiativen vor dabei vor allem im Rahmen eines Top-down- Südafrika (Hoyt 2006: S. 232, Peyroux 2008) ländischen Beratern und international tätigen bereitet (zum Überblick vgl. Pütz 2008: S. 9ff.). Es Prozesses. So wurde die Einführung von BID in oder Deutschland (zum Beispiel Fuchs u. a. Institutionen eine entscheidende Rolle zu. Im lassen sich drei Gründe dafür identifizieren, dass Großbritannien durch den Politikwechsel 2004) zeigen lässt. Falle Albaniens ist es die GTZ, die Projekte der das BID-Konzept sich so erfolgreich verbreiten durch Tony Blairs New Labor maßgeblich vor- – Einen erheblichen Einfluss auf die internatio- Politikberatung finanziert, bei denen Fachleute konnte: angetrieben. Das nordamerikanische BID- nale Verbreitung von BID besitzen drittens aus unterschiedlichen Aufgabenfeldern den – So gibt es erstens zahlreiche Anzeichen dafür, Modell, speziell BID in New York und Philadel- internationale Organisationen. Hierzu zählen Umbau und die Modernisierung der Kommu- dass sich das Leitbild der unternehmerischen phia, diente dabei explizit als Vorbild, wobei – zum einen Vereinigungen wie die International nalverwaltung und Stadtplanung in Tirana un- Stadt international als ein hegemonialer Dis- im Unterschied zu den USA, wo die Etablie- Downtown Association (IDA, vgl. www.ida- terstützen sollen. Im Zuge dessen wird auch kurs etabliert hat, der Stadtpolitiken auf Ziele rung von BID vornehmlich auf private Initiati- downtown.org), ein Netzwerk von mehr als ein privates Beratungsunternehmen aus Frank- der interkommunalen Wettbewerbsfähigkeit, ven zurückzuführen ist – die britische Regie- weltweit 650 Institutionen und Gebietskörper- furt finanziert, das auch in Deutschland Kom- 77 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung 78 munen zur Implementierung von BID berät, turiert denn nivelliert werden, kann auf Grundlage um in Tirana unter den Geschäftsleuten der der bislang vorliegenden Untersuchungen noch Hauptgeschäftsstraßen Überlegungen zu einer nicht hinreichend beantwortet werden. BID-Initiative anzustoßen. Was ein Blick auf die inhaltliche Fokussierung der Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Wie der kursorische Überblick zeigt, sind BID mitt- BID im internationalen Vergleich jedoch nahe legt, lerweile in nennenswertem Umfang global verbrei- ist, dass die Gestaltung öffentlicher Räume nach tet bzw. im Prozess der Verbreitung begriffen. Aus- kommerziellen Interessen prinzipiell das Risiko gewählte BID aus den USA – insbesondere New birgt, eine Politik zu befördern, die auf Ausschluss- York – dienen dabei weltweit als Vorbilder und prinzipien setzt. Zahlreiche Selbstdarstellungen „Blaupause“. Dies kann beinhalten, dass BID hin- von BID-Initiativen bestärken diese Befürchtung sichtlich der Organisationsstruktur oder/und der der sozialwissenschaftlichen BID-Forschung. Ex- inhaltlichen Ausrichtung nachgebildet werden, emplarisch hierfür mag der BID in Dublin gelten, aber auch, dass auf „erfolgreiche“ Beispiele ver- der – zahlreiche nordamerikanische Vorbilder imi- wiesen wird, um die Etablierung eines BID zu legi- tierend – vor allem auf Sicherheit, Sauberkeit und timieren. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die den Ausschluss „störender" Bevölkerungsgruppen Rolle internationaler Organisationen der Entwick- setzt, um die Innenstadt als Einkaufs- und Aufent- lungszusammenarbeit oder anderer internationaler haltsort zu stärken: „Imagine a Dublin city with Institutionen für die grenzüberschreitende Verbrei- landscaped streets, without chewing gum, without tung von Governance-Mustern. graffiti, with no overflowing rubbish bins, with no Empirisch noch nicht hinreichend geklärt ist die broken paths, with no drunken revellers on our Frage, ob sich durch die internationale Verbreitung streets, no dilapidated buildings, a city with a wel- von BID auch grenzüberschreitend dominierende coming and embracing environment, with hospita- Tätigkeitsfelder von BID herausbilden, die für eine lity wardens helping people […]. Business Impro- internationale Homogenisierung von Politikfeldern vement Districts (BID) will transform our Capital bzw. zunehmende Politikkonvergenz sprechen. City to reach its full potential“ (Dublin BID 2008). Erste Anzeichen sprechen dafür, dass die Neuver- Wie Gentrifizierung als eine ökonomische Strategie teilung von Kompetenzen in der Quartiersentwick- der Wohnungswirtschaft beschrieben werden lung mit einer stärkeren Gewichtung von kommer kann, so sind Homogenisierungen von Besuchern durchaus heterogenen Entwicklungen noch nicht sowie Institutionen wie das Deutsche Seminar für ziellen, den Grundstückswert steigernden Interes- einer Einkaufsstraße Bestandteil des ökonomi- abschließend beantwortet werden. Städtebau und Wirtschaft (DSSW) – vor allem aus sen bei der Entwicklung von Stadträumen einher- schen Kalküls der Betreiber. Um einen exklusiven geht, das heißt, dass die vielschichtigen Privatisie- Charakter zu erzeugen oder zu stärken, setzen vor rungsprozesse zu einer Kommodifizierung der BID- allem BID in Großbritannien und in den USA auf Bereiche in den Innenstädten bzw. Subzentren Kontroll- und Überwachungsstrategien – zum Bei- führen. Ob hiermit eine Homogenisierung von An- spiel eine höhere Präsenz privater Sicherheitskräf- Deutschland zählt zu den Vorreitern des BID- dere New York, eine wichtige Vorbildfunktion bei gebotsstrukturen einhergeht, welche sich zum te –, was dazu führen kann, dass „Sicherheit und Modells in Europa. Seit Ende der 1990er Jahre wird der Übertragung des BID, wie Informationsreisen Beispiel am Mainstream-Shopping und an Mana Sauberkeit“ als Feld der Stadtentwicklungspoli hier in unterschiedlichen Kontexten – angestoßen zahlreicher deutscher Delegationen nach New gementstrukturen ökonomisch erfolgreicher Ein- tiken immer mehr in den Vordergrund rückt. Die durch Interessenverbände wie die Bundesarbeits- York vermuten lassen. Das erste deutsche BID- kaufscenter orientiert, oder ob lokale Besonderhei- Frage, ob diese kritisch zu betrachtende Fokussie- gemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Gesetz wurde Ende 2004 in Hamburg verabschie- ten von Stadtquartieren als Wettbewerbsvorteil rung auch in Deutschland dominant werden wird, Einzelhandels (BAG) oder die Bundesvereinigung det und trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Es folgten aufgefasst werden und durch BID eher stärker kon- kann angesichts der erst jungen und teilweise City- und Stadtmarketing Deutschlands (BCSD) Hessen, Bremen und Schleswig-Holstein (alle praxisorientierter Perspektive über Möglichkeiten und Übertragbarkeiten des Modells auf deutsche 3. BID in Deutschland Verhältnisse diskutiert (Wiezorek 2004: S. 121). Auch in Deutschland spielten die USA, insbeson- 79 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung 2006) sowie das Saarland (2007) und Nordrhein- identifizieren, die mit absteigender Intensität die Projekten vor dem Hintergrund von Stadt Hierbei zielt die Kritik v.a. auf die Ausgrenzung Westfalen (2008). Andere Bundesländer gehen Debatten dominieren: planung, Citymarketing und Quartiersmanage- sozioökonomisch benachteiligter Gruppen allerdings bewusst den gegensätzlichen Weg der – Fallstudien mit nationalem oder lokalem Fokus ment befassen. Der größte Vorteil von BID wird durch oftmals primär auf Sicherheit, Ordnung freiwilligen Mitwirkung an Initiativen zur Aufwer- dominieren: Publikationen oder Forschungs- dabei übereinstimmend in der Überwindung und Sauberkeit zielende Maßnahmenpakete tung von innerstädtischen Quartieren (in Bayern projekte zu Business Improvement Districts des sog. Trittbrettfahrerproblems gesehen, an und die Verdrängung alteingesessener Händler zum Beispiel mit der Initiative „Leben findet bleiben meist auf nationale oder kommunale dem freiwillige Lösungen regelmäßig scheiter- durch finanzstarke Unternehmen, gleichzeitig Innenstadt"). Fallstudien beschränkt, liefern lediglich eine ten transaktionskostentheoretischer werden vermeintliche positive Effekte wie bei- Angesicht der steigenden Zahl an Bundesländern Beschreibung des BID-Modells in unterschied- Sicht1 dazu zum Beispiel Heinze 2007). Best- spielsweise die Kriminalitätsreduzierung kri- mit entsprechenden Gesetzesinitiativen scheint lichen Kontexten oder der lokalen Unterschie- Practice-Lösungen, optimale Finanzierungs- tisch hinterfragt (vgl. Hoyt 2005; Wiezorek sich der Ansatz der verpflichtenden Anliegerein de bei der Implementierung innerhalb eines modelle, Empfehlungen zum Vorgehen bei der 2004; Marquardt und Füller 2008). Sehr häufig beziehung in die Mitfinanzierung von Projekten Landes. Briffault 1999 und Mitchell 2001 unter- Etablierung eines BID, Überlegungen hinsicht- wird die umstrittene Frage der demokrati- zur Quartiersentwicklung in der deutschen Stadt- suchten die Entwicklung von BID in den USA, lich effektiver BID-Gebietsgrößen etc. dominie- schen Legitimierung aufgegriffen und ein entwicklung zu etablieren (Heinze/Tschentscher Ward dokumentierte die Übertragung des BID- ren die Literatur. Gründungsmodalitäten, Verlust an Partizipationsmöglichkeiten kon 2008: S. 21). Dies gilt umso mehr, als bislang frei- Konzepts nach Großbritannien, Hoyt legte Fall- Strukturen, Finanzierung, Funktionen und statiert, die sich aus der Übertragung von Kom- willige Modelle in verpflichtende Modelle transfor- studien zur Implementierung von BID in den Maßnahmen vor allem der nordamerikanischen petenzen der Stadtentwicklung von öffent miert werden, wie es in NRW 2008 mit Inkrafttre- USA, in Kanada, Südafrika und Neuseeland vor BID sind dabei aufgrund ihres Vorbildcharak- lichen auf private Akteure ergibt (Briffault ten des „Gesetzes über Immobilien- und Standort- (2003a, 2003b, 2005). Die Ansätze sind dabei in ters ausführlich erforscht (vgl. u. a. Briffault gemeinschaften (ISGG NRW)“ zu beobachten war. ihrer Mehrzahl anwendungsbezogen. Es fehlt 1999; Houstoun 2003; Gross 2005). In Deutsch- – Privatisierung des öffentlichen Raumes als pro- Darüber hinaus ist Deutschland noch in einer an- eine Studie, die sich mit dem Vergleich interna- land wurden verschiedene Arbeiten zur Klä- minentes Thema: Ein vierter Strang der Dis- deren Dimension Antreiber einer Ausbreitung des tionaler Implementierungsansätze befasst und rung der Übertragbarkeit des Modells verfasst, kussion rankt sich um BID als neue Form von BID-Modells, allerdings weniger in räumlicher als nicht nur die jeweiligen Unterschiede be- die sich teilweise auch mit juristischen Frage- Governance im Kontext neoliberaler Stadtent- vielmehr in funktionaler Dimension, indem das schreibt, sondern die Hintergründe der unter- stellungen befassen (vgl. Bloem/Bock 2001; wicklungsprozesse: Über die Macht- und Kom- BID-Modell von Geschäftsvierteln auf andere schiedlichen Ansätze und ihre globale Verbrei- Mswks 2001), darüber hinaus existieren bereits petenzverlagerung von staatlichen an private Stadträume übertragen wird. Hier hat Hamburg tung und „Übersetzung“ (Implementierungs- Ratgeber zur Implementierung von BID, die Akteure werden bestehende Hierarchien im mit dem „Gesetz zur Stärkung von Wohnquartie- strategien, Transfermodi, mächtige Akteure) zum einen allgemeine Informationen enthalten Bereich der räumlichen Planung (die bislang ren“, das am 1.1.2008 in Kraft trat, auch auf inter- beleuchtet. Das Potenzial, am Beispiel von BID und den legislativen Prozess beschreiben, zum weitgehend demokratisch legitimiert sind) nationaler Ebene eine Vorreiterrolle eingenommen. Erkenntnisse über die Mechanismen der Glo- anderen einen Leitfaden zur konkreten Umset- rekonfiguriert, wobei private Akteure nicht Es wird interessant sein zu beobachten, wie die balisierung von Governance-Modi der unter- zung anbieten (vgl. HDE 2004; DIHK 2006 u. a.). gleichberechtigt an Teilhabechancen gewin- hier geschaffenen „Housing Improvement Districts nehmerischen Stadt zu gewinnen, bleibt damit – Soziale Ausgrenzung als zentrales sozialwis- nen, sondern spezifische Akteurskonstella (HID)“, die weitgehend die BID-Funktionsweise bislang ungenutzt. senschaftliches Forschungsfeld: Der Schwer- tionen mit – so die Befürchtung – partikulär – Praxisbezug vorherrschend: Eine zentrale Fra- punkt der sozialwissenschaftlichen Forschung kommerziellen Interessen an Bedeutung ge- ge in der Diskussion um BID ist deren Eignung liegt in den sozialen Auswirkungen von BID. winnen (zum Beispiel weil sie traditionell bes- als Werkzeug zur Steigerung der lokalen Wett- Vermeintlich positive Entwicklungen in Bezug ser organisiert sind als beispielsweise Anwoh- bewerbsfähigkeit und zur Revitalisierung von auf die Wettbewerbsfähigkeit, Immobilien ner und damit leichter ansprechbar). Diese Stadtteilzentren, die durch die Konkurrenz von preise und Leerstandsraten werden kritisch zu Rekonfiguration von Akteuren geht einher mit suburbanen Einkaufszentren an Attraktivität betrachtende Tendenzen gegenübergestellt. einer Neuverteilung von Kompetenzen und adaptieren, sich in die globale Zirkulation von Ideen und Konzepten einspeisen. 4. BID – Leitlinien der wissenschaft lichen Auseinandersetzung (aus 1999). verloren haben (Mitchell 2001; Rothenberg 80 Die Literaturlage zu BID ist mittlerweile umfang- Pack 1992). Diesem Tenor folgend besteht die reich. Insgesamt lassen sich in der internationalen Mehrzahl der Literatur zu BID aus Hand Debatte um BID vier zentrale Diskussionsstränge büchern, die sich mit der Umsetzung von BID- 1 „Transaktionstheorie“ ist eine wirtschaftswissenschaftlich fundierte Theorie, die sich primär auf Organisationen bezieht („Institutionenökonomik“), aber auch generell zur Erklärung von Verhaltensänderungen und institutionelle Änderungen verwendet wird. „Transaktionen“ wurden ursprünglich als vertragliche Regelungen begriffen, die um so schwieriger zu gestalten sind, je höher die damit verbundenen Veränderungskosten sind. 81 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Verfügungsrechten. Der Staat setzt Anreize zur sieht BID darüber hinaus als paradigmatisches privaten Steuerung und setzt diese in entspre- Beispiel für ein „splintered street manage- chenden Regelsystemen (v.a. Gesetze) um. ment“ und eine Privatisierung, die auf „steuer- Besonderes Augenmerk gilt hier den neuen licher Exklusivität“ beruht, die die Grundprin- Managementpraktiken im Rahmen von Public- zipien freier und demokratisch legitimierter Private-Partnership und der Verschiebung von Zugänglichkeit und Gestaltung bedrohe (2001: Grenzen zwischen öffentlichen und privaten S. 365). Sphären, die mit der außergewöhnlichen In Deutschland ist die kritische Auseinanderset- Stellung von BID einhergeht: Sie sind quasi- zung ähnlich strukturiert wie auf internationaler öffentlich, weil sie durch legislative Akte be- Ebene. Hier nimmt jedoch die Debatte um die de- gründet werden und der (lokale) Staat die mokratische Legitimierung von BID einen deutlich Finanzierung organisiert; sie sind privater prominenteren Platz ein. Die meisten Publikatio- Natur, weil sie außerhalb politisch-administra- nen, die über reine Ratgeberliteratur hinausgehen, tiver Hierarchien stehen (Morcöl/Zimmermann stellen diesen Aspekt in den Vordergrund (zum 2006: S. 22). BID werden interpretiert als Teil Beispiel Vollmer 2008). Der Zwangscharakter von eines Trends zu „private cities“ (Glasze/Webs- BID wird in der Literatur weitgehend akzeptiert, da ter/Frantz 2006), in denen „pseudo-public der Trittbrettfahrerproblematik anders nicht beizu- spaces of consumption and distraction“ (Light/ kommen sei. Dass in Deutschland die Frage nach Smith 1998: S. 17) zunehmend den städtischen einer freiwilligen oder erzwungenen Mitwirkung Raum prägen. Begünstigt durch die zentrale dominiert, dürfte vor allem damit zusammenhän- Rolle, die Grundeigentümer bei der Finanzie- gen, dass zeitgleich mit dem Aufkommen des rung und Steuerung von BID spielen, ist die BID-Modells auch andere Organisationsformen Vermutung einer größeren Rolle von kommer- gegründet wurden, welche die Attraktivitätsstei- ziellen, den Grundstückswert steigernden In- gerung von innerstädtischen Zentrenlagen zum teressen bei der Entwicklung von Stadträumen Ziel haben und die sich vor allem dadurch unter- naheliegend. Die Frage ist also, ob es über die scheiden, dass die Abgaben von den Grundeigen- vielschichtigen Privatisierungsprozesse zu ei- tümern bzw. Gewerbetreibenden freiwillig erfol- ner Kommodifizierung der BID-Bereiche in den gen. Hierzu zählten insbesondere die Initiative Innenstädten bzw. Subzentren kommt. Zudem „Leben findet Innenstadt“ in Bayern. Die freiwillige wird diskutiert, ob der Umstand, dass auch Flä- Mitwirkung wurde hier insbesondere gewählt, um chen im öffentlichen Eigentum zunehmend auch andere gesellschaftliche Akteure (Anwohner, privatwirtschaftlichen Interessen unterliegen, Soziale Institutionen) stärker mit beteiligen zu mit Exklusionspraktiken einhergehe (Kilian können. 1998) und infolgedessen das Politikfeld „Sicherheit und Sauberkeit“ an Raum gewinnt. Hier stehen vor allem die sicherheitspolitische Orientierung von BID und die damit einhergehende Zunahme von Videoüberwachung und anderen Kontrollstrategien im Blickpunkt (Eick 2006, Töpfer/Eick/Sambale 2007). Graham 82 83 Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Literatur Business I mprovement D istricts als I nstrument der Quartiersentwicklung Briffault, Richard (2004): May 14, 2004 Draft. The Graham, Stephen (2001): The spectre of the splin Hoyt, Lorlene M. 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Die – Interessenfreiheit Presseberichterstattung war überaus ausführlich. – Erfahrung mit öffentlichen Belangen Alle Papiere und Veranstaltungen sind auf der Man hat sich auf die im Ruhestand befindlichen Homepage (www.hannovercity-2020.de) abrufbar. ehemaligen EXPO-Planer Jürgen Eppinger, den Ein eigens eingerichteter Chatroom ermöglicht di- ehemaligen Stadtsuperintendenten Hans-Werner rekte Kommunikation mit den Beamten des Bau- Dannowski und des ehemaligen niedersächsi- dezernats und den Mentoren. schen Kultusminister und Landtagspräsidenten Prof. Rolf Wernstedt verständigt. Phase 3: Herbst 2008 Die drei wurden im Fortgang des Prozesses Men- Beauftragung eines Architektenbüros, das die auf- toren des Stadtentwicklungsprozesses Hannover gezeigten Probleme und Anregungen versucht, City 2020 genannt. zeichnerisch umzusetzen. Man näherte sich in drei Phasen dem Problem, wo- Jahr 2020. Prof. Rolf Wernstedt, früherer Landtags- Für die Innenstadtentwicklung Hannovers hat sich bei zu jeder Zeit die sachliche Zuarbeit und Feder- Phase 4: März bis Sept. 2009 präsident Niedersachsens, hat an diesem Prozess die rot-grüne Mehrheit des Rates im Jahre 2007 führung des Projektes beim Baudezernat und dem Drei öffentliche Foren, ebenfalls von Hunderten als „Mentor“ mitgewirkt. Im Folgenden trägt er eine Besonderheit einfallen lassen: Baudezernenten lag. Interessierter besucht und von jeweils einem Men- seine Überlegungen zu Schwierigkeiten solcher Sie möchte im Jahre 2010 einen internationalen Prozesse in einer repräsentativen Demokratie vor Wettbewerb ausloben, um Gesichtspunkte für die Phase 1: Mitte 2007 bis Mitte 2008 a) Die lebendige Stadt (Eppinger) und berichtet über die bisherigen Erfahrungen mit städtebauliche Entwicklung der Innenstadt Han- Intensive Innenstadtbegehungen sowie Gesprä- b) Die schöne Stadt (Dannowski) „Hannover City 2020“. novers bis zum Jahre 2020 und darüber hinaus zu che mit Experten verschiedener Interessengrup- c) Die aktive Stadt (Wernstedt) Stadt-Diskurse sind inzwischen in vielen Städten finden. Dieses Projekt, „Hannover City 2020“ (HC pen (Wohnungswirtschaft, Geschäftsleute, Kultur- Diese Foren dienten der präziseren Identifizierung üblich geworden – nicht nur die Träger öffentlicher 2020) genannt, verbindet traditionelle und neue schaffende, Medienvertreter usw.) und Formulie- von städtebaulichen Interventionsräumen, die von Belange interessieren sich dafür, sondern die Bür- Beteiligungssegmente. rung eines Papiers, in dem Stärken und Schwä- dem beauftragten Architekturbüro zeichnerisch gerschaft engagiert sich in diesen Überlegungen. Der Ausschreibung sind Diskussions- und Arbeits- chen des gegenwärtigen Zustands der Innenstadt und grafisch dargestellt und immer wieder zur Dis- Gleichwohl sind solche Diskurse nicht frei von Pro- schritte vorgeschaltet, die sich von bisher bekann- nach Beurteilung der Mentoren beschrieben wer- kussion gestellt wurden. Auch diese Foren wurden blemen. Am Beispiel des laufenden Diskurses zum ten Arbeitsformen unterscheiden. den: „Hannover City 2020, Erste Leitvorstellungen), vom örtlichen Fernsehen übertragen. zukünftigen City-Konzept der Stadt Hannover wer- Von politischer Seite sind in Abstimmung mit dem September 2008“. den im Folgenden vier Aspekte herausgestellt: Oberbürgermeister Repräsentanten der Stadtge- a) das Verhältnis zur repräsentativen Demokratie sellschaft benannt worden, die sich freiwillig und Phase 2: Sept. bis Dez. 2008 b) die materielle Stoßrichtung des Prozesses ehrenamtlich bereit erklärt haben, mit Unterstüt- Vier öffentliche Foren, auf denen von Experten, die c) das Verhältnis zur kommunalen Gesamtver- zung des Baudezernats diesen Prozess unabhän- nicht aus Hannover kamen, spezifische Probleme gig zu begleiten. von Stadtentwicklung referierten und diskutierten Wie demokratisch ist unsere repräsentative Demo- d) die Identifikation und der Einbezug relevanter Die Auswahlkriterien für die Personalauswahl (historische, ökonomische, wohnungspolitische, kratie? Man muss sich dieser Frage ernsthaft stel- waren: architektonische stadträumliche Probleme und len, wenn man das weit verbreitete Urteil (selbst, Fragen der Urbanität) wenn es ein Vorurteil sein mag) wahrnimmt, dass Foren wurden von jeweils etwa 600 bis 700 Inter- die repräsentative Demokratie die Mitwirkungs- essierten der Stadtöffentlichkeit besucht. Von ih- möglichkeiten auf den alle vier oder fünf Jahre waltung und Akteure. 1 Mentor im Stadtentwicklungsprozess Hannover City 2020 2 Die folgenden Ausführungen basieren zu einem großen Teil auf dem „Impulsreferat“, das der Autor im Rahmen des Projektes Hannover City 2020 am 9. September 2009 im Sprengelmuseum in Hannover vortrug 88 – Zeitabkömmlichkeit tor eingeleitet, die unter den Themen standen: 2. Verhältnis zur repräsentativen Demokratie 89 H annover C ity 2 0 2 0 – M ehr D emokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess H annover stattfindenden Wahlakt reduziere. Sowohl die populäre als auch die seriöse Demo Hannover C ity 2020 – M ehr D emokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess H annover 3. Die materielle Stoßrichtung des Konzepts kratiekritik macht seit Jahrzehnten darauf auf- 90 merksam, dass wir in Deutschland zu wenige Im Rahmen des Projektes Hannover City 2020 (HC Möglichkeiten direkter Entscheidungsteilnahme 2020) können Überlegungen zu einer aktiven Stadt haben: Volksbegehren und Volksentscheide in den nur bedeuten, die bisher in den Foren und Vorbe- Kommunen und Ländern scheinen zu gering, fach- reitungsgesprächen erarbeiteten und diskutierten kundige Einwände gegen geplante Vorhaben sind Zielvorstellungen für die weitere Stadtentwicklung zu betont auf die dem korporatistischen Modell Hannovers zu benennen und diese zur Grundlage geschuldete einflussreicher Lobbygruppen zuge- für weitere Diskussionen und Entscheidungspro- schnitten; das Petitionsrecht wird durch die forma- zesse für alle Akteure zu machen. Das betrifft lisierte Behandlung von Eingaben und Einsprü- sowohl die Akteure der „Hardware“ (Immobilien- chen in ihrer Wirkung eingeschränkt; die Klage- wirtschaft, Eigentümer, Planungsbevollmächtigte möglichkeiten erscheinen häufig zu schwerfällig usw.) als auch der „Software“ (Kulturaspekte, und kompliziert. Eventplanungen und -organisationen, Bespielung Der klassische Einwand der politischen Parteien öffentlicher Räume usw.). und Repräsentanten gegen diese Kritik lautet, dass Diese Zielaspekte müssen in einem regelmäßigen jede Einzelentscheidung sich in die rechtliche und Verständigungsprozess gesichert, überprüft und finanzielle Gesamtsituation einordnen muss (Haus- gegebenenfalls angepasst werden. halt und Verfassungsgrundsätze). Obwohl dieses Berücksichtigung der Zielaspekte bedeutet, dass Argument richtig ist, bleibt ein Unbehagen bei jede Einzelmaßnahme im Horizont der Gesamtvor- komplexen Entscheidungsvorgängen. stellungen als integrierte Perspektive bewusst sein Stadtentwicklung ist seit jeher ein solch komplexer sollte und gesehen werden muss. Dies ist keine den sollte. Wirtschaftliche und baukulturelle Vorgang. Die gewöhnliche Form der Entschei- lästige Begleitmusik, sondern eine demokratische Interessen gehören zusammen. dungsfindung findet über Rahmenvorgaben in Denk- und Handlungsweise, deren Nutzen mehr 2. Ermöglichung von mehr Wohnvielfalt und ihre vielfalt und kulturell-sportliche Dynamik sicht- Form von Wettbewerben statt, die wiederum nach umfasst als kurzfristige Kosten-Nutzen-Berech- Einbindung in die Stadtquartiere war in allen und erlebbar sein sollen. (Zusammenarbeit der stark formalisierten Verfahren verlaufen, weil das nungen. Diskussionen Konsens Museen, Open-Air-Veranstaltungen auf ver- eventuell. hinter den Plänen stehende große Fi- Bisher im Prozess HC 2020 erkennbar gewordene 3. Wie ein cantus firmus zog sich durch alle Be- schiedenen Plätzen, Hannovers Kunst im öf- nanzvolumen rechtssichere Verfahren erfordert. Ansprüche, die Bestandteil von Leitvorstellungen gegnungen der Wunsch, dass der architektoni- fentlichen Raum hat Vorbildcharakter mit Ent- Wie man aber in großflächigen Stadtentwicklungs- sein können und sollen: sche Reiz einer Stadt nicht vernachlässigt wer- wicklungspotenzial, Perspektivwechsel der planungen in Großstädten verfahren soll, um die 1. Ökonomische Prosperität und ihre städtebau den darf. Anspruchsvolle und gefällige Archi- ökonomischen Interessen, Funktionszusammen- lichen Gesichtspunkte sind unverzichtbare tektur müssen sich nicht ausschließen. Ein- 6. Es gehört zum Selbstverständnis einer europä- hänge, Leistungsfähigkeit, Zielvorstellungen, äs- Stadtentwicklungs-Faktoren. Immobilienwirt- heitsarchitektur von Wladiwostok bis Paris gibt ischen Stadt, dass die Bewahrung, Sichtbarma- thetische Bedürfnisse und erwartete Lebensquali- schaft und Liegenschaftsverwaltung, Einzel- es genug. Die Schönheit einer Stadt kann ohne chung und eventuelle Rekonstruktion histori- tät unterschiedlicher Nutzergruppen beteiligungs- handel oder andere Gewerbe müssen daran diesen Punkt nicht erblühen (ein misslungenes scher Gebäude und Orte beachtet wird (In gerecht zur Geltung bringen kann, ist ein durchaus interessiert werden und bleiben, dass ihre öko- Beispiel ist offenbar der vorgesehene Umbau Hannover sind es zum Beispiel Nikolaikapelle, ungelöstes Problem. nomischen Interessen eine auf die Allgemein- des Kröpke) Lavesachsen, Wasser, Innenstadtfriedhöfe) Neue Architektur prägt das Stadtbild am Aegi. 5. Auch unausgesprochen besteht Einigkeit in dem Wunsch, dass künstlerische Anregungs- Museen usw.) heit bezogene Komponente hat, die sich auch 4. Keine moderne Stadt kann sich ohne Balance 7. Eine Stadt sollte ein gewisses Maß von Reprä- im Zusammenspiel von Funktionalität und zwischen Verkehrsgünstigkeit und -belästi- sentations- und Inszenierungsfähigkeit besit- sichtbarer Gestalt des Stadtbildes wieder fin- gung entwickeln zen (Platzdenomination, Blick auf die Stadt von 91 H annover C ity 2 0 2 0 – M ehr D emokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess H annover den Freiflächen aus usw.) Hannover C ity 2020 – M ehr D emokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess H annover fer, Touristen, Kinder, Behinderte, Flaneure, Stadt. Alle möglichen Akteure haben die Aufgabe, – die Interdependenzen zu beschreiben und 8. Gerade Hannover hat immer viel Wert auf seine Wohnbevölkerung, Ältere, Arbeitende und die Entwicklung der Innenstadt insgesamt im Umweltgerechtigkeit und landschaftsräum Dienstleistende usw.). Ein paradigmatischer Blick zu haben. Es reicht für eine aktive Stadt nicht – ihr Interesse an der Weiterentwicklung zu ver- liche Gestaltung gelegt (Die Diskussion um die Konflikt zwischen Schönheit und Lebensgefühl aus, wenn die Akteure nur die eigenen spezifi- „Stadt der Gärten“ oder „Stadt als Garten“ ist ist nach Fertigstellung des Areals südlich der schen und möglicherweise legitimen Interessen noch nicht zu Ende. Muss das Verständnis von Oper zwischen den jugendlichen Skatern und vertreten. Eine aktive Stadt nimmt die Interdepen- den anderen Nutzern zu besichtigen. Natur und Urbanität als Kulturlandschaft neu stetigen, – ihre Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit glaubwürdig zu organisieren, denzen von Einzelentwicklungen in ihren Bezügen – Ermutigungen zu öffentlichen Meinungsäuße- gedacht werden? Entstehen dadurch eventuell Wohlfühlqualität hat vielgestaltige und manchmal wahr (Beispiel: ECE hat den Einzelhandel moti- rungen, Vorschlägen und Interventionen zu neue Interventionsräume?) auch flüchtige Anlässe. Die Stadt ist der Ort des viert, aktiv zu werden). Eine aktive Stadt ist inso- 9. In Hannover ist die Präsentation und Integra Sehens und Gesehenwerdens, der materiellen und fern eine kommunizierende Stadt, die in vernetzten – Formen zu entwickeln, in denen von der Dis- tionskraft unterschiedlicher kultureller und der lebendigen Seiten. In einer Stadt muss man Strukturen lebt und ihr Aktivierungspotenzial im- kussion, der Interessenbekundung, der Infor- ethnischer Einflüsse in der Innenstadt noch das Geschenk des Ansehens anbieten und auch mer neu bestimmt. mationsverarbeitung und der Akzeptanz von unzureichend, wie man am Steintorviertel genießen können. Die Wahrnehmung des Glücks gefundenen Lösungen die Realisierung von sehen kann. des Augenblicks ist in der Stadt intensiver als ir- Projekten betrieben werden kann. 10. Die Stadt sollte ihre Fähigkeit zur Interaktivität verstärken (Wie aktiviert man verschiedene gendwo. Die Innenstadt ist die Repräsentanz der Gesamtstadt. 5. Identifikation der relevanten Akteure und deren Einbezug Ethnien? Wer kann sich realistischer Weise sen?) 11. Über das Nachtleben ist kaum gesprochen leisten, Die Organisierung eines solchen Prozesses ist nicht einfach. Man muss auch die Demokratie nicht neu erfinden. Ob für komplexe Strukturen längerfristig oder bei Projekten aktivieren las- 4. Verhältnis zur kommunalen Gesamtverwaltung In unserem Prozess HC 2020 haben sehr viele or- und Anforderungen aber schon alle Möglichkeiten ganisierte und unorganisierte Akteure mitdisku- bedacht worden sind, ist eine immer wieder neu zu tiert, Vorschläge eingebracht und Anregungen ge- stellende Frage. geben. Alle diejenigen, die sich eingebracht haben, worden. Aber was ist eine lebendige und aktive Stadt nachts über das Geschehen im Es ist davon auszugehen, dass die Prozesse der werden weiter gebraucht. Darüber hinaus muss Rotlichtviertel hinaus? (Zinnober, Nacht der Stadtentwicklung vielfältiger geworden sind. Die man wissen, dass es in einer Großstadt auch infor- Museen und Theater, Breslau, Rom,) verantwortliche Kommunalpolitik mit ihrer politi- melle Strukturen gibt, die sich nur zeitweise oder 12. Ein Dauerthema war und wird immer das schen Repräsentanz (Rat und Oberbürgermeister) örtlich begrenzt zu Wort melden. Die Jugend- und HC 2020 hat mit seinen mehrgestaltigen Akzenten angemessene Verhältnis von öffentlichen und und ihrer Fach- und Planungskompetenz (Dezer- die Kulturszenen sind ein solches nicht geformtes (Benennung von Mentoren und Stadtrundgänge privaten Räumen sein.(Gestaltung von Straßen nate, Baudezernat und nachgeordnete Behörden Potenzial, das zu einer Stadtgesellschaft dazuge- zur Identifizierung von Schwachstellen und Inter- und Plätzen wie Lange Laube, Bahnhofsvor- wie Denkmalschutz usw.) bleibt im Rahmen der hört. Manchmal stellt sich erst später heraus, dass ventionsorten, Mentorenaufriss, Bauverwaltung, platz, Platz der EXPO 2000, Raschplatz, Opern- Landes- und Bundesgesetze die erste, weil einzige in ihnen viel Zukünftiges steckt. Bei Betrachtung öffentliche Foren, Beauftragung von Architekten- platz demokratisch legitimierte Instanz jeder Stadtent- der Kulturszenen, die sich um den Pavillon herum und Stadtplanungskompetenz, Beteiligungsge- 6. Offene Fragen wicklung. formieren oder in Linden lebendig ist, kann man spräche, Öffentliche Präsentation, Wettbewerbs- sollte sich durch den Respekt verschiedener Sie muss sich aber darauf einstellen, dass sich je- dies sehen. Ob es da Chancen gibt, davon in der vorbereitung und -durchführung etc.) einige neue Nutzer der Innenstadt zu unterschiedlichen weils lokal spezifische Akteurskonstellationen und Innenstadt zu profitieren, muss man sehen. Aber Elemente eingeführt und zu einem respektablen Tages- und Jahreszeiten auszeichnen. Man Kooperationsstrukturen etablieren. Insofern wird auch feine Strukturen, wie sie bei der Modernisie- Zwischenstand geführt. Gleichwohl bleiben einige muss wissen, dass eine Innenstadt nie ein sie je nach Konstellation verschiedene Rollen ein- rung der Luisenstraße und -passage oder bei der offene Fragen: völlig konfliktfreier Raum sein kann. Dazu sind nehmen, mal als Ermöglicherin, mal als Reguliere- Etablierung der Quartiersinitiativen zum Ausdruck – Die Mitarbeit des gesamten Dezernententeams die sozialen und kulturellen Spannungen zu rin, mal als Impulsgeberin, mal als Investorin, mal kommen, sind hier zu erwähnen. Es kommt darauf ist verbesserungswürdig. Ein solcher Prozess groß. Aber das Wissen um die Verschieden als Unternehmerin, mal als Mediatorin, mal als an, muss Sache aller Dezernate sein und werden, artigkeit der Erwartungen und der Nutzung Kommunikatorin oder als Vorschriftengeberin. – ihre Interessen zu verstehen, nicht nur der tüchtigen unteren Referate. Denn der Innenstadt fördert Friedfertigkeit (Einkäu- Eine aktive Stadt ist eine interaktive und lebendige – ihr Engagement zu stimulieren, alle Diskussionen haben gezeigt, dass Wirt- 13. Hannover im Jahre 2020 und darüber hinaus 92 bewusst zu machen, 93 H annover C ity 2 0 2 0 – M ehr D emokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess H annover Hannover C ity 2020 – M ehr D emokratie gewagt in einem Stadtentwicklungsprozess H annover wichtiges Ziel der weiteren Stadtentwicklung. Die- des Prozesses ist. Das schließt selbstverständ- ser Ansatz wird umso wichtiger, wenn die Leit- lich die Initiativrolle der Bauverwaltung mit funktion öffentlicher Investitionen immer seltener ein, denn der Prozess bleibt in der Gesamtverantwortung der Stadt. eingesetzt werden kann (Finanzkrise). Sichere Rahmenbedingungen sind deshalb gerade für die 3. Die hohe Beteiligung an den Foren und die privaten Akteure wichtig, um die öffentliche Ver- große Resonanz in der örtlichen Öffentlichkeit antwortung der Stadtentwicklung durchzusetzen zeigt, dass es interessierte, formulierungsstar- und sichtbar zu machen. Dies setzt voraus, dass ke und mitwirkungsbereite Teile der Stadtge- sich die verschiedenen Dezernate der Stadtverwal- sellschaft gibt, die im Vorfeld von Entscheidun- tung in diesen Prozess einbringen. Die Zuständig- gen ansprechbar sind und bei den normalen keit ist fachlich begründet, die Verantwortung all- Verfahren nicht einbezogen werden. Die große gemein. Offenheit des Prozesses garantiert auch die öffentliche Wahrnehmbarkeit vorgebrachter Argumente. 7. Einschätzung Es handelt sich bei diesem Prozess um einen bisher gelungenen Versuch, bürgerschaftliche Zum Charakter des bisherigen Prozess, der noch Beteiligung zu verbreitern und damit die Kraft nicht abgeschlossen ist, lässt sich Folgendes sa- demokratischer Legitimität zu erhöhen. Ob ein gen: solches Vorgehen auch auf andere Städte über- 1. Die Installierung von Mentoren ist ein neuer tragbar ist, ist ohne genaue Kenntnis örtlicher Ansatz einer zusätzlichen Reflexions- und Be- Das Rathaus von Hannover ist ein Magnet für tausende von Besuchern. Verhältnisse nicht einzuschätzen. rücksichtigungsebene in den sonst so streng an Zuständigkeiten orientierten Stadtexeku schaftsbelange, Umweltgesichtspunkte, sozia- Innenstadt zeigt, wäre eine kontinuierliche tive und Rat darstellt. Die Mentoren können le Fragen, kulturelle Entwicklung unmittelbar und auch aktive Rolle des Landes wünschens- mehr Zeit und Konzentration auf das „Ganze“ tangiert sind. Diese Gesichtspunkte frühzeitig wert. Die Debatte um den Neu- oder Umbau aufwenden als es die Ratsmitglieder in der Re- einzubeziehen, würde im Übrigen auch mög des Landtages macht das ebenso deutlich wie gel können. liche spätere Konflikte vermindern (aktuell die zögerliche Handhabung der weiteren Pers- Ballhof). pektive von Staatskanzlei und Waterlooplatz. Aber die Installierung von Mentoren ist nur dann sinnvoll, wenn sie selbst unabhängig, mit – Außerdem ist ein solch aufwändiger Prozess – Im Kern geht es um die Frage, ob es im Interes- ausreichender persönlicher Autorität ausge- nur dann nachhaltig erfolgreich, wie es die se der Weiterentwicklung der Stadt erweiterte stattet und kooperativ sind. Kooperationsbe- zeitliche Perspektive 2020 anzeigt, wenn die demokratische Beratungsrechte geben kann reitschaft muss untereinander, zur Bauverwal- Stadt dies mit einer gewissen finanziellen Ste- und wie man ein solches Mitwirkungsrecht so tigkeit begleitet. Ob dies eine feste Etatsumme gestaltet und ermutigt, dass nicht nur geredet, 2. Die Arbeit in dieser Konstellation kann nur er- oder ein Liegenschaftsfonds oder andere For- sondern auch qualitätvoll gedacht und gehan- folgreich sein, wenn die Stadtverwaltung (hier: delt werden kann. der Baudezernent und sein Verwaltung) ohne men revolvierender Finanzgenerierung ist, der 94 tung und zum Rat bestehen. hier eingebracht wird, mag noch diskutiert Überzeugende städtebauliche Pläne erleichtern Zögern und vertrauensvoll mit den Mentoren werden. schon aufgrund ihrer Qualität die Realisierung der zusammenarbeitet. Es hat sich gezeigt, dass – Für eine Landeshauptstadt, die sich in ihren mit ihnen verbundenen Ziele. Ihre Verankerung in der in der Fachverwaltung versammelte Sach- Gebäuden wesentlich in oder am Rande der den Köpfen möglichst vieler Akteure ist daher ein verstand unerlässlich für das Voranscheiten 95 Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Bericht Niedersachsen im Fokus der EU-Forschung Die Teilnahme von niedersächsischen Einrichtungen am 6. Forschungsrahmenprogramm der EU Ein Beitrag von Jörg Jerusel wieweit sich die niedersächsische Forschungs- der EU-Kommission: weniger und finanzstärkere landschaft an die sich geänderten Bedingungen Forschungskonsortien des letzten Rahmenprogramms angepasst hat. Bezüglich des 6. FRP wird in obiger Abbildung Demgemäß ist es das Ziel des vorliegenden Auf deutlich, dass dieser Trend weiter anhält. Während satzes, die niedersächsische Teilnahme am die Beteiligungszahlen für den niedersächsischen 6. FRP statistisch-quantitativ zu erfassen und für Forschungsstandort im 6. FRP auf 767 zurück etwaige forschungspolitische Steuerungspro gegangen sind, ist jedoch die Mittelakquise vom zesse auf Landesebene Basisinformationen anzu 5. (173,2 Mio. Euro) auf das 6. FRP (219,6 Mio. bieten. Euro) um 26,7 Prozent angestiegen. Während diverse Erhebungen, die sich mit der Während also die Beteiligungszahlen rückläufig EU-Forschungsförderung und ihren regionalen sind, ist der monetäre „Kuchen“ der europäischen Auswirkungen beschäftigen, an einer unsicheren Forschungsförderung für die niedersächsischen Datenbasis kranken, stellt der vorliegende Aufsatz Einrichtungen über die Rahmenprogramme hin- für den niedersächsischen Raum durch das Erhe- weg in absoluter Betrachtung kontinuierlich grö- bungsinstrument der Befragung für die Einrich- ßer geworden. Im nächsten Abschnitt wird des- tungstypen Hochschule (HES) und außeruniver halb untersucht, wie sich die Partizipationsstruktur sitäre Forschungseinrichtungen (REC) eine Total- der Einrichtungstypen an den Rahmenprogram- erhebung dar. Durch diese Vorgehensweise kann men entwickelt hat. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit Im 6. FRP (2002 – 2006) der EU fand das Bestreben für den privaten Einrichtungstyp (IND) von einer Betrachtet man die Beteiligungsentwicklung über der niedersächsischen Teilnahme an den For- der EU-Kommission (KOM), einen gemeinsamen ausreichenden Annäherung an die Grundgesamt- die letzten drei Rahmenprogramme hinweg zu- schungsrahmenprogrammen (FRP) der EU seit Europäischen Forschungsraum (EFR) zu konstitu- heit ausgegangen werden (vgl. Jerusel, 2008a, nächst nach Einrichtungstyp, so fällt auf, dass bei 1984, insbesondere am 6. FRP, und stellt einen for- ieren, erstmals seinen Niederschlag. Basierend auf S. 4f). den niedersächsischen HES und REC ein positiver schungsbezogenen Leistungsindikator vor. Des dieser neuen Ausrichtung wurden nun weniger, Beteiligungstrend sichtbar wird. Hingegen geht Weiteren wird die Beteiligung des niedersächsi- aber größere Projektkonsortien gefördert, neue die prozentuale Beteiligung der IND bzw. For- schen Forschungsstandorts innerhalb von ausge- Förderinstrumente (Exzellenznetzwerke; Integrier- wählten Förderlinien, u.a. der Lebensmittelwissen- te Projekte) sollten eine stärkere strukturelle Wir- schaften, erfasst und bewertet. Abschließend wer- kung auf die Forschung in Europa erreichen. Neue den die Ergebnisse in knapper Form resümiert. Förderprogramme sollten helfen, einzelstaatliche 1 2. Die Partizipation niedersächsischer Einrichtungen am 6. FRP im Vergleich zu früheren Rahmenprogrammen Förderprogramme auf europäischer Ebene zu ver- richtungstyp „Sonstige“ (OTH) lässt sich eine stabile Beteiligung auf niedrigem Niveau konstatieren. Bei einem Beteiligungsvergleich nach Rahmenprogrammen wird sichtbar, dass im 4. FRP die priva- netzen. Nicht zuletzt wurde im 6. FRP die Zusam- Um sich einen Überblick der niedersächsischen ten Forschungseinrichtungen dominierten (rund menarbeit zwischen Hochschulen, außeruniversi- Einrichtungen in den verschiedenen Forschungs- 37 Prozent). Während sich im 5. FRP bezüglich der tären Forschungseinrichtungen und Unternehmen, rahmenprogrammen der EU zu verschaffen, be- Beteiligungsstruktur eher eine „Drittellösung“ ab- Die Forschungsrahmenprogramme der EU haben wobei die Bedürfnisse von klein- und mittelständi- trachtet man zwei Merkmale: die Beteiligungsan- zeichnete, scheint sich im 6. FRP eine Dominanz sich mittlerweile zum weltweit größten Forschungs- schen Unternehmen (KMU) eine herausragende zahl und die Mittelakquise. Bezüglich beider Krite- der Hochschulbeteiligungen am EU-Programm he- förderinstrument entwickelt und weisen auch für die Rolle spielen sollten, stärker betont (vgl. BMBF, rien ist bis einschließlich dem 4. FRP ein positiver rauszukristallisieren. Der Beteiligungsanteil der niedersächsische Forschungslandschaft eine stetig 2002: S. 7f; 90f). Trendverlauf in Niedersachsen sichtbar. privaten Einrichtungen ist hier auf rund 28 Prozent wachsende Bedeutung auf (vgl. BMBF, 2007, S. 6f). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in- Während die Beteiligungen ab dem 5. FRP rück- abgesunken. läufig sind, ist der Mittelrückfluss aus Brüssel auch Eine Betrachtung der EU-Zuwendungen aus Brüs- im 5. FRP weiter angestiegen. Insgesamt ent- sel zeigt ein ähnliches Bild: Während die nieder- spricht diese Entwicklung der Konzeption seitens sächsischen außeruniversitären Forschungsein- 1. Einleitung 1 Die diesem Aufsatz zugrundeliegende Studie (Jerusel 2008, 2008a) ist abrufbar unter http://www.eu.uni-hannover.de/index. php?id=333. Im vorliegenden Aufsatz wird sich auf das Bundesland Niedersachsen konzentriert. Darüber hinaus möchte ich mich bei Christian Scholz für seine engagierte Mitarbeit bedanken. 96 schungsabteilungen weiter zurück. Für den Ein- 97 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Abb. 1: Beteiligung und Drittmitteleinwerbung nds. Einrichtungen den FRP der EU 250 Mio. Beteiligungen 904 Mitteleinwerbung 875 Beteiligungen 200 219,6 150 511 767 40 900 700 34,0 36,3 39,5 40,0 34,4 4. FRP 5. FRP 33,1 6. FRP 30 600 138,5 500 76,2 300 52,2 200 84 0 1.000 21,9 20 400 312 50 Differenziert nach Einrichtungstyp, Angaben in Prozent 800 173,2 100 Abb. 3: Partizipationsstruktur (Mittelakquise) nds. Einrichtungen am 4., 5. u. 6. FRP d. EU 10 100 6,4 2. RP 1. RP 3. RP 4. RP 5. RP 6. RP 0 1. RP: 1984 – 1987; 2. RP: 1987–1991; 3. RP: 1990 –1994; 4. RP: 1994 –1998; 5. RP: 1998 – 2002; 6. RP: 2002 – 2006. 0 0,9 1,2 HES REC IND 2,5 OTH Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim Abb. 2: Partizipationsstruktur (Beteiligungen) nds. Einrichtungen am 4., 5. u. 6. FRP d. EU Differenziert nach Einrichtungstyp, Angaben in Prozent 40 36,9 36,9 34,4 30 31,0 29,7 30,9 32,6 4. FRP 5. FRP 32,0 6. FRP 28,0 20 richtungen und Hochschulen jeweils positive Ein- schen Hochschulen, deren Akquiseanteil (mit 79,7 werbetrends verzeichnen, sind die Ergebnisse be- Mio. Euro im 6. FRP) von 31,7 Prozent auf 36,3 Pro- züglich der privaten Forschungseinrichtungen und zent angestiegen ist. Die prozentuale EU-Drittmit- -abteilungen auch hier rückläufig. Die prozentuale teleinwerbung der privaten Einrichtungen ist vom Verschiebung zugunsten der beiden erstgenann- 4. auf das 6. FRP kontinuierlich gesunken, vom ten Einrichtungstypen geht demnach auf „Kosten“ zweiten auf den dritten Platz. Zwar wird dieser der privaten Einrichtungen. Für den Einrich- Trend durch die Entwicklung bei der absoluten tungstyp „Sonstige“ lässt sich ein positiver Trend Mittelakquise relativiert, bewegt sich jedoch auf auf niedrigem Niveau festhalten. niedrigem Niveau. Es gilt, diese Entwicklung wei- Gleichzeitig wird in Abb. 3 deutlich, dass es bei der ter zu beobachten. Mitteleinwerbung im 4. FRP annähernd eine „Drittellösung“ gab. Bezüglich der nachfolgenden RP 10 scheint sich jedoch eher eine „Einwerbehierarchie“ 2,2 2,7 2,5 0 HES REC IND Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim 98 OTH abzuzeichnen: Am einwerbestärksten sind hier die niedersächsischen außeruniversitären Forschungs- 3. Die Beteiligung der niedersächsi schen Forschungseinrichtungen im 6. FRP einrichtungen und diese Entwicklung macht die Bedeutung dieser Einrichtungen für den nieder- Mit Abschluss des 6. FRP der EU konnten die nie- sächsischen Forschungsstandort nochmals deut- dersächsischen Einrichtungen mittels 767 Projekt- lich. An zweiter Position folgen die niedersächsi- beteiligungen insgesamt 219,6 Mio. Euro EU-Dritt- 99 Bericht – N iedersachsen im F okus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Abb. 5: Akquisequoten der nds. Einrichtungen im Vergleich der letzten drei EU-Forschungsrahmenprogramme Abb. 4: Beteiligung und Mitteleinwerbung der niedersächsischen Einrichtungen im 6. FRP Differenziert nach Einrichtungstyp. Bet. Ges.: 767; Fördersumme ges. 219.636.711 Euro Beteiligungen 300 283 250 79,8 Mio. 100 87,9 250 1,5 90 80 215 1,0 70 200 1,08 0,96 0,92 60 150 50 48,0 0,5 40 100 19 3,9 6. FRP HES REC IND OTH 10 0 Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim einwerben. Ähnlich wie bei den universitären und Niedersachsen personell in der bundesdeutschen privaten Einrichtungen ist bei der prozentualen Forschungslandschaft innehatte.3 Betrachtung auch bei den sonstigen Einrichtun- Nach Einrichtungstypen spezifiziert konnte zu- gen der Beteiligungswert (2,5 Prozent) oberhalb mindest für die niedersächsischen Hochschulen der Mittelakquise von 1,8 Prozent. ein Akquisewert von 1,0 ermittelt werden – das mittel einwerben. Die durchschnittliche Förder- -abteilungen in 215 EU-Projekten eingebunden summe je Projekt beträgt somit 286.358 Euro. Bis und konnten so 48,0 Mio. Euro EU-Drittmittel ak- zum Programmende waren 195 niedersächsische quirieren. 3.1 Die Akquisequote der niedersächsischen zum Anteil der Hochschulprofessorenschaft im Einrichtungen am 6. FRP der EU beteiligt, wobei Die 19 Beteiligungen bzw. rund 3,9 Mio. Euro EU- Einrichtungen im Rahmenprogrammver- Bundesgebiet (vgl. Jerusel, 2008, Bd. 1). Entspre- die Beteiligungsspanne von 63 Beteiligungen, Mittel des Einrichtungstyps „Sonstige“ spielen in- gleich – ein wichtiger Leistungsindikator chend bedeutet eine Akquisequote von 0,92 trotz durchgeführt von der Leibniz Universität Hanno- nerhalb der EU-Förderung nur eine marginale Rolle. Der niedersächsische Anteil an den bundesweit der absolut gestiegenen EU-Zuwendungen einen ver, bis zu 126 Mal einer Beteiligung reicht. Gleichzeitig wird in Abb. 4 deutlich, dass die nie- eingeworbenen EU-Fördergeldern beträgt insge- leicht unterproportionalen Zuwachs. Wenn auch Die Abb. 42 zeigt, dass die niedersächsischen dersächsischen Hochschulen mit 36,9 Prozent die samt 7,2 Prozent (219,6 Mio. Euro von 3.030,7 Mio. diese leicht unterproportionale Zunahme keinem Hochschulen an 283 EU-Projekten beteiligt sind meisten Beteiligungen (283) für sich verbuchen Euro). In Abb. 5 wird dieser Wert zum Anteil des Einrichtungstyp zugeordnet werden kann, so kann und mittels dieser Beteiligung abschließend rund können, bei der EU-Drittmitteleinwerbung waren Landes an den FuE-Beschäftigten des gesamten doch zumindest bezüglich des Hochschulsektors 79,8 Mio. Euro akquirieren konnten. wiederum die außeruniversitären Forschungsein- Bundesgebiets, der im Jahr 2004 7,8 Prozent betrug auf die moderate Akquisequote von 1,0 verwiesen Während die außeruniversitären Forschungsein- richtungen mit 40,0 Prozent (87,9 Mio. Euro) am er- (vgl. BMBF, 2008, S. 560), in Beziehung gesetzt. So werden. richtungen an 250 EU-Projekten beteiligt sind und folgreichsten. Die privaten Einrichtungen waren lässt sich die niedersächsische Mitteleinwerbung Auch für das Bundesland Nordrhein-Westfalen lie- hierdurch rund 87,9 Mio. Euro für den niedersäch- bis zum Abschluss des 6. FRP an 28,0 Prozent EU- als leicht unterproportional einstufen – während gen zwei Akquisequoten vor: Während die Akqui- sischen Forschungsstandort einwerben konnten, Projekten beteiligt und konnten 21,9 Prozent der die eingeworbenen Mittel zumindest im Vorläufer- sequote für den Hochschulsektor des Bundeslan- waren die privaten Forschungseinrichtungen und EU-Fördermittel, die nach Niedersachsen flossen, programm in etwa der Bedeutung entsprachen, die des NRW mit 0,91 unterhalb des Einserwerts liegt, 2 Das Kombinationsdiagramm beinhaltet die zwei Größenachsen „Beteiligung" und „EU-Drittmitteleinwerbung in Mio. Euro". Die Beteiligungen werden in Form der Säulen dargestellt (Vordergrund), die Mitteleinwerbung mittels eines Flächendiagramms (Hintergrund). 100 5. FRP Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim 20 50 0 4. FRP 30 heißt, die Mittelakquise verhält sich proportional 3 Werte für Niedersachsen im 4. FRP: Eingeworbene Mittel an Bund in Prozent: 7,0; FuE-Personal an Bund in Prozent: 7,3; Werte für Niedersachsen im 5. FRP: Eingeworbene Mittel an Bund in Prozent: 8,2. FuE-Personal an Bund in Prozent: 7,6. Vgl. Elspaß, 2000, S. 23 f., sowie Jerusel, 2004, S. 36f. 101 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Tab. 1: Regionale Beteiligung am 6. FRP der EU, differenziert nach Einrichtungstypen Region Beteili EU-Mittel EU-Mittel je Einrichtungstyp gungen Braunschweig 239 64.190.028 HES REC IND 12.857.118 33.939.152 17.374.480 OTH 19.278 Bremen- tential, nicht nur auf EU-Ebene, wird längst als lich stärkeren Maße Forschungsaktivitäten durch Standortfaktor und Wettbewerbsvorteil verstanden. die außeruniversitären Einrichtungen. Für eine regionale Darstellung wurden die EU-Mit- Während bei den zwei aktivsten Regionen Hanno- teleinwerbungen der einzelnen Einrichtungen mit ver und Braunschweig eine relativ ausgewogene Hilfe der Raumordnungsregionen (ROR) gruppiert Mischung der verschiedenen Einrichtungstypen und somit dreizehn Regionen gebildet, die die EU- bezüglich der Mitteleinwerbung sichtbar ist, offen- 1.104.230 27.282 Forschungsaktivität abbilden. Diese Ausdifferen- bart sich in der Region Göttingen ein starkes Ge- 4.949.222 145.343 zierung ermöglicht somit die Darstellung von EU- fälle zwischen den außeruniversitären Einrichtun- Forschungszentren und forschungsschwachen gen und Hochschulen einerseits und den Unter- Räumen in Niedersachsen. Neben der Darstellung nehmen in der Region andererseits. In dieser ge- der EU-Forschungsleistung je Region ist es hier- ringen Forschungsaktivität der privaten Unterneh- 959.542 846.769 Bremerhaven* 12 1.131.512 9 5.094.565 146 51.552.705 8 911.945 213 64.132.606 17.069.369 30.665.277 3.818.059 157.315 754.630 34.840.221 12.167.368 13.781.451 3.343.566 durch auch möglich, die spezifische Beteiligungs- men auf EU-Ebene drückt sich allerdings auch ein 488.035 1.338.454 130.000 struktur der Einrichtungstypen je Region detailliert Strukturproblem der südniedersächsischen For- aufzuzeigen.6 schungsregion aus, da auch der Anteil des FuE- 2.960.052 Zwei Regionen in Niedersachsen sind in der EU- Personals in Unternehmen in der Region Göttingen 473.626 Forschung besonders aktiv, zusammen akquirieren mit 8,9 Prozent ausnehmend gering ist. Hier kann sie rund zwei Drittel aller eingeworbenen Drittmit- vermutet werden, dass die Ausstrahleffekte der tel. Tab. 1 zeigt, dass die Regionen Braunschweig öffentlichen Grundlagenforschung in die ange- mit 239 Beteiligungen (31,2 Prozent) bzw. 64,2 Mio. wandte Forschung und experimentelle Entwick- Euro (29,2 Prozent) und Hannover mit 213 Beteili- lung der Wirtschaft nicht sehr ausgeprägt sind (vgl. * Nicht Stadt Bremerhaven, zur ROR Bremerhaven zählen hier Cuxhaven und die Wesermarsch gungen (27,8 Prozent) bzw. 64,1 Mio. Euro (29,2 NIW, 2004, S. 22). Quelle: Raumordnungsregionen 1998; Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim Prozent) die aktivsten Regionen in Niedersachsen Primär aktiv in der Region Braunschweig sind auf sind. Seiten der elf teilnehmenden außeruniversitären Neben der regional unterschiedlichen quantitati- Forschungseinrichtungen die Institute des Deut- ven Forschungsaktivität in Niedersachsen ist dar- schen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. HamburgUmland Hannover Hildesheim 13 2.595.073 638.584 Lüneburg 6 827.580 710.850 Oldenburg 72 19.589.493 6.453.486 Osnabrück 26 7.333.886 6.860.260 9 1.093.898 340.000 Ost-Friesland Südheide 3 Gesamt 767 116.730 10.175.955 319.698 223.878 283.150 151.050 223.878 219.636.711 79.769.888 87.912.800 48.024.731 3.929.292 kann die Akquisequote des gesamten Forschungs- EU-Ebene leicht stärker engagiert als der Hoch- über hinaus die Forschungsaktivität der Einrich- (DLR), das Helmholtz-Zentrum für Infektionsfor- standorts mit 1,08 leicht oberhalb des Einserwerts schulsektor des Landes.4 tungstypen innerhalb der einzelnen Regionen für schung GmbH (HZI) sowie die Biologische Bun- den jeweiligen Standort von Bedeutung. desanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA). verortet werden. Während sich also im Bundesland Niedersachsen der Hochschulsektor leicht stärker So weist die Region Hannover, bedingt durch die Neben den Technischen Universitäten in Braun- engagiert als die anderen Einrichtungstypen bzw. 3.2 Regionale Beteiligung nach hohe Konzentration von Hochschulen in dieser Re- schweig und Clausthal-Zellerfeld sind 28 private als ein anderer Einrichtungstyp, verhält es sich für gion, landesweit die höchste Forschungsaktivität Einrichtungen der Region im 6. FRP der EU tätig, das Bundesland Nordrhein-Westfalen genau spie- Im Folgenden soll einerseits die regionale Vertei- innerhalb dieses Einrichtungstyps auf.7 Hingegen im Vergleich zum Zwischenbericht mehr als das gelbildlich: Hier sind die anderen Einrichtungsty- lung der EU-Forschung für Niedersachsen darge- pen bzw. ist ein anderer Einrichtungstyp auf der stellt werden und andererseits sollen die Träger der Einrichtungstyp 4 Zur genaueren Erläuterung der Akquisequote im Allgemeinen und für die Bundesländer NI und NRW im Speziellen vgl. Jerusel, 2008, Bd. 1. Neben Niedersachsen ist Nordrhein-Westfalen das einzige Bundesland, das die Beteiligungen an den Rahmenprogrammen erfasst. Die Zahlen werden in regelmäßigen Abständen von der Zenit GmbH in Mülheim an der Ruhr erhoben und sind von der Homepage der Landesregierung Nordrhein-Westfalen abrufbar. Vgl. Homepage der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (http://www.frp.nrw.de/frp2/de/lib/fp6/sum/). Zugriff: September 2008. 102 mit 33,9 Mio. Euro und 30,7 Mio. Euro im wesent- 112.773 11 Göttingen zeigen die Regionen Braunschweig und Göttingen sichtbar gemacht werden. Denn Forschungspo- 5 Umland Emsland EU-Forschung innerhalb der einzelnen Regionen 5 Die Raumordnungsregionen werden seit 1981 als räumliche Bezugseinheit für bundesweite Analysen zum Stand und zurEntwicklung der regionalen Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland herangezogen. Sie stellen ein räum liches Raster für bundesweit vergleichende Analysen dar, das in der empirischen Regionalforschung breite Verwendung gefunden hat. Vgl. NIW, 2004, S. 22, sowie die Homepage des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung: http://www. bbr.bund.de. 6 Eine direkte Vergleichbarkeit bzgl. der regionalen Aktivitäten zur Vorgängerstudie zum 6. FRP ist somit nicht mehr gegeben. 7 Dieser Befund deckt sich mit dem Anteil der Region Hannover beim FuE-Personal nach Sektoren (Hochschulen, Wiss. Einrichtungen, Unternehmen) in Niedersachsen: Auch hier liegt die Region Hannover mit 36,0 Prozent an erster Stelle. Vgl. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, 2004, S. 22. 103 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Doppelte. Hierbei überrascht es nicht, dass die schulen die Brüggen GmbH, die Seecon GmbH und der privaten Einrichtungen für die Metropol Wissenschaftsmanagement und bedarf somit ent- Volkswagen AG zum wichtigsten privaten For- und die Gesellschaft für wirtschaftliche Struktur- regionen zusammen, ergibt sich ein deutliches sprechender Forschungserfahrung. Koordinatoren schungsakteur in der Region Braunschweig zählt. forschung mbH im privaten Forschungssektor Bild: Die Metropolregion H-BR-GÖ-WOB wirbt mit haben nicht nur projektintern den größten Einfluss, In der Region Hannover sind es die Universität aktiv. In der Region Osnabrück kann sich keine 83 Prozent (182,5 Mio. Euro; 611 Beteiligungen) der sie geben aufgrund ihrer exponierten Position Hannover, die Medizinische Hochschule sowie die außeruniversitäre in Niedersachsen akquirierten Mittel eindeutig die innerhalb der Scientific Community oft auch die Tierärztliche Hochschule, die das EU-Forschungs- 6. FRP der EU beteiligen. meisten Fördergelder ein. Ein Vergleich der beiden Richtung innerhalb eines Forschungsbereichs an. feld von Seiten der Hochschulen dominieren. Von Im Bundesland Niedersachsen gibt es seit einigen Metropolregionen H-BR-GÖ-WOB und Bremen- Der erhöhte Arbeitsaufwand drückt sich in einer den acht außeruniversitären Forschungseinrich- Jahren auch geografische Räume, die unter dem Oldenburg gestaltet sich schwierig, da hier Län- höheren durchschnittlichen Fördersumme von tungen sind vor allem das Laser Zentrum Hanno- Dach der (europäischen) Metropolregionen zusam- dergrenzen überschritten werden. Rechnet man 570.723 Euro je Projekt aus. In Projekten mit dem ver, die Max-Planck-Gesellschaft, die Bundesan- mengefasst werden. Diese Regionen, die stark ver- zur letztgenannten Metropolregion das Zwei- Teilnehmerstatus Partner beträgt die durchschnitt- stalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und die dichtete Großstadtregionen mit besonderen Gate- Städte-Bundesland Bremen, die Raumordnungsre- liche Fördersumme 241.255 Euro. Gleichzeitig hat Fraunhofer-Gesellschaft zu nennen. Als private way-Funktionen (vgl. IKM, 2006) darstellen, set- gionen Bremen-Umland und Oldenburg sowie die ein Koordinator größeren Einfluss auf die Ausrich- Einrichtungen sind die Hacon Ingenieurgesell- zen insbesondere auch auf das Wissenschaft- und Landkreise Cuxhaven und Wesermarsch, ergeben tung des Themas sowie auf die Partnerwahl. Darü- schaft mbH, die Digital Video Systems GmbH Forschungspotential ihrer Mitglieder. Für die sich ca. 339 Projektbeteiligungen für diese Metro- ber hinaus wird die „Sichtbarkeit“ der koordinie- sowie die Varta Microbattery GmbH in Hannover Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttin- polregion, 272 weniger als in H-BR-GÖ-WOB. Aus renden Einrichtung in Europa stark erhöht. Mag aktiv. In der Region Hannover beteiligen sich gen-Wolfsburg (H-BR-GÖ-WOB) ist dies sogar ein Sichtweise des vorliegenden Erhebungsdesigns der Arbeitsaufwand für die Projektkoordination 34 Unternehmen an der EU-Forschung. Alleinstellungsmerkmal, „als wichtigste metropoli- kein überraschender Befund, der jedoch andern- aufgrund der größeren Konsortien und der neuen In Göttingen sind neben der Universität Göttingen tane Funktion der Metropolregion wird [hier] der orts als strukturelle Schwäche der Metropolregion Instrumente IP und NoE größer geworden sein: Im die Max-Planck-Gesellschaft, das DLR sowie das hohe Besatz an Forschungs- und Entwicklungs- Bremen-Oldenburg ausgelegt wird. (vgl. BAW, Vergleich zum 5. FRP hat der durchschnittliche Deutsche Primatenzentrum auf Seiten der außer einrichtungen genannt.“ (s. Haude, 2007, S. 119). 2007, S. 101). Zuschuss für Koordinatoren um rund 127 Tsd. Euro universitären Einrichtungen aktiv. In der Region Neben der genannten Metropolregion H-BR-GÖ- Deutlich wird aus diesem Blickwinkel erneut eine zugenommen.10 Hingegen ist in den Projekten mit Göttingen sind 13 Unternehmen an EU-Projekten WOB gibt es in Niedersachsen noch die Metropol- besonders hohe Beteiligung von Ballungsräumen. Teilnahmestatus „Partner" im Vergleich zum vor- beteiligt, mit zwei Ausnahmen alle in der Stadt region Bremen-Oldenburg im Nordwesten e.V., die Ländlich geprägte Gebiete weisen eher geringe herigen Rahmenprogramm die Fördersumme Göttingen angesiedelt. Schwerpunktmäßig sind jedoch auch den hansestädtischen Raum mit ein- Beteiligungsstrukturen auf. Ob die Metropolregion lediglich um rund 12,3 Tsd. Euro gestiegen.11 dies die Gesellschaft für Entwicklung und Realisa- schließt und somit als bundeslandübergreifendes als Konzept letztendlich zu einer erhöhten Dritt- Niedersächsische Forschende sind nicht allein als tion Adaptiver Systeme mbH (ERAS), die Satorius Raumordnungskonzept zu betrachten ist. Die Me- mitteleinwerbung durch forschende Institutionen, Partner, sondern auch als hauptverantwortliche AG sowie die Develogen AG. tropolregion Bremen-Oldenburg sieht sich als Wis- Einrichtungen und Unternehmen führen kann, Koordinatoren in Projekten aktiv. Insgesamt treten Neben der Universität Oldenburg, dem OFFIS- sens- und Innovationsregion, die insbesondere muss durch weitere, grundlegende (Folge-)Studien bei den 767 niedersächsischen Projektbeteiligun- Institut, einem An-Institut der Universität Olden- „Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft belegt werden. gen im 6. FRP 83 Projektteilnehmer als Koordinato- burg, und der Hörtech GmbH sind in der Oldenbur- und Innovationsfeldern […] unterstützen will“ ger Region im privaten Bereich primär folgende (s. ebd.). Die dritte Metropolregion, die Nieder- 3.3 Koordinatorfunktion im EU-Projekt 10,8 Prozent aller Forschungsprojekte.12 Die meis- Unternehmen aktiv: Planet – Planungsgruppe sachsen tangiert, ist die Metropolregion Hamburg. Eine besondere Rolle beim Aufbau eines Konsorti- ten EU-Projekte werden im LSH-Programm koordi- Energie und Technik GBR, Chip Vision Design Sys- Diese hat ebenfalls Partner im Flächenland Nieder- ums, bei der Antragstellung und der Durchführung niert (15), gefolgt vom SUSTDEV-Programm (13) tems AG, Energy & Meteo Systems GmbH, Over- sachsen, insbesondere im südlichen Hamburger von Projekten spielen die Koordinatoren. Diese und vom AEROSPACE-Programm (11). In Abb. 6 ist speed GmbH & Co. Kg sowie das Hörzentrum Umland. Rolle stellt auch erhöhte Anforderungen an das zu erkennen, dass die Hochschulen 27-mal als Ko- Oldenburg GmbH. Fasst man die EU-Fördermittel der beteiligten In der Region Osnabrück sind neben den Hoch- Hochschulen, außeruniversitären Einrichtungen Forschungseinrichtung am 8 8 Neben der Gatewayfunktion sind für die Metropolregion auch die Entscheidungs- und Kontrollfunktion sowie die Innova tions- und Wettbewerbsfunktion ausschlaggebend. 104 9 ren eines Forschungsprojekts auf. Dies entspricht 9 10 11 12 Fördersummen können an dieser Stelle nicht genannt werden bzw. sind nicht für alle Einrichtungstypen bekannt. Im 5. FRP betrug die durchschnittliche Fördersumme für einen Koordinator noch 443.000 Euro. Vgl. Jerusel, 2004, S. 42. Im 5. FRP betrug die durchschnittliche Fördersumme für ein Projekt mit dem Teilnehmerstatus „Partner" rd. 229.000 Euro. Um eine bessere Vergleichbarkeit zu gewähren, wird hier das HRM-Programm ausgeklammert. Berücksichtigt man alle Programme, werden bis zum jetzigen Zeitpunkt 105 bzw. 13,7 Prozent der 767 Projekte als Koordinatorprojekte durchgeführt. Hier nicht tabellarisch ausgewiesen. 105 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Abb. 6: Koordinatoren je Einrichtungstyp 40 Abb. 7: Häufigkeit der Koordinatorfunktion (CO) der Leibniz Universität Hannover (LUH) im Rahmenprogrammvergleich Beteiligungen 30 Beteiligungen 35 25 30 27 20 15 20 16 10 11 9 10 5 5 6 4 0 HES REC IND OTH Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 1 4 6 Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. ordinator in einem EU-Forschungsprojekt fungie- 3.4 Die Partizipation niedersächsischer was im Wesentlichen zur Steigerung beiträgt. 3.5 Die außeruniversitären Forschungs- ren. Hiervon werden neun der Forschungsprojekte Hochschuleinrichtungen am 6. FRP Insgesamt kann also ein Zuwachs festgestellt wer- an der Leibniz Universität Hannover koordiniert.13 Bei einem Blick auf die beiden letzten Rahmenpro- den, trotzdem muss auch aufgezeigt werden, dass Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen Dies ist jedoch als negativer Trend zu bewerten, gramme wird deutlich, dass die niedersächsischen dieser ganz unterschiedlich getragen wird. Es gibt in Niedersachsen sind für die bundeslandinterne wie Abb. 7 deutlich macht. Hochschulen und ihre medizinischen Einrichtun- auch Hochschulen, deren Mittelakquise im Ver- Forschungslandschaft bezüglich der EU-For- Zwar konnte die LUH im Vergleich vom 5. zum 6. gen im 6. FRP insgesamt 38 Prozent mehr Mittel gleich zum Vorgängerprogramm stagnierten oder schung ein bedeutender Faktor. Immerhin entfal- FRP rund 22 Prozent mehr EU-Zuwendungen auf- einwerben konnten als noch im 5. FRP, eine deutli- gar einen (deutlichen) Einbruch verzeichnen muss- len 40 Prozent der erwirtschafteten Fördergelder weisen (von 16,1 Mio. Euro auf 19,7 Mio. Euro), je- che Steigerung. Die Träger dieses Erfolges sind in ten. Die TU Clausthal (-14 Prozent) und die Univer- im Rahmen des 6. FRP auf diesen Einrichtungstyp, doch sank zeitgleich die Anzahl der koordinierten erster Linie die großen Hochschulen des Landes, sität Göttingen (-10 Prozent) gehören zu diesen insgesamt fast 90 Mio. Euro. Getragen wird diese Projekte um zwei Drittel. Während im 5. FRP noch so die Leibniz Universität Hannover mit einer Einrichtungen. hohe Einwerbesumme von 33 Einrichtungen, die rund ein Drittel der EU-Projekte als Koordinator Mittelsteigerung von 22,5 Prozent sowie die bei- Bemerkenswert ist die Aktivität der Hochschule insgesamt an 250 Projekten beteiligt sind (32,6 Pro- durchgeführt wurden, sind es im 6. FRP nur noch den medizinischen Einrichtungen. Die Univer für Musik und Theater Hannover (HMT), da es ihr zent). Davon können elf Einrichtungen 42-mal als rund 14 Prozent. sitätsmedizin Göttingen (UMG) und die Medizi als Kunsthochschule gelingt, sowohl im 5. als auch Koordinator auftreten und somit federführend auf nische Hochschule Hannover (MHH) haben es je- im 6. FRP forschungsaktiv zu sein. Nach Hoch- die jeweiligen Forschungsprojekte einwirken. weils geschafft, ihre Mittelakquise zu verdoppeln, schulart betrachtet, können bundesweit insgesamt Wie Tabelle 2 zeigt, ist die erfolgreichste Einrich- nur drei Kunsthochschulen Beteiligungen am tung in Niedersachsen nach wie vor das DLR mit 6. FRP der EU vorweisen. Bezüglich der HMT seinen Standorten in Braunschweig und Göttin- Hannover ein Indiz für die exzellente Forschungs- gen. Mit insgesamt 56 Projektbeteiligungen (davon aktivität auf EU-Ebene. zehnmal als Koordinator) und einer Mittelakquise 13 Weitere Hochschulen mit Koordinatorfunktion: Universität Göttingen: 14-mal; Medizinische Hochschule fünfmal; Universität Oldenburg dreimal; Technische Universität Braunschweig, TU Clausthal, Tierärztliche Hochschule und Universität Osna brück, jeweils zweimal; Die Hochschule für Musik und Theater und die FH Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven treten jeweils einmal als Koordinator in Erscheinung. 106 0 einrichtungen 107 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Tab. 2: Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Niedersachsen, die ersten fünf Projektbeteiligungen Einrichtung Fördersumme Programm-Akronym Beteiligungen Fördersumme in Euro AEROSPACE 56 26.618.404 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der LSH 34 15.312.390 Wissenschaften e. V. 29 14.639.124 IST 27 10.435.186 Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH (HZI) 23 8.008.343 SUSTDEV 24 4.133.874 Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut HRM 18 6.949.987 für Informatik-Werkzeuge und -Systeme e. V. (OFFIS) 20 9.303.868 SSP 17 2.037.537 Laser Zentrum Hannover e. V. (LZH) 16 5.375.788 EURATOM 16 3.368.016 SME 14 3.462.907 NMP 14 5.081.117 FOOD Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) 56 26.203.658 Quelle: Raumordnungsregionen 1998; Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 108 Tab. 3: Programmstruktur der außeruniversitären Forschungseinrichtungen, sortiert nach Beteiligungen14 11 2.506.950 INFRAS 7 4.178.800 NEST 6 2.187.835 von 26,2 Mio. Euro setzt sich das DLR deutlich von den ca. sieben Mio. Euro EU-Drittmittel eingewor- ERA-NET 3 851.550 den folgenden Einrichtungen ab. Eine Dreier-Gruppe, ben. Forschung, die sich im weitesten Sinne mit CITIZENS 1 168.942 bestehend aus den niedersächsischen Max-Planck- Atomkraft auseinandersetzt, ist in Niedersachsen INNOV 1 119.305 Instituten (29 Bet.; 14,6 Mio. Euro), dem Helmholtz- beim außerhochschulischen Einrichtungstyp stark INCO 1 500.000 Zentrum für Infektionsforschung GmbH (23 Bet.; vertreten, vier Einrichtungen platzieren so insge- Gesamt 250 87.912.800 8,0 Mio. Euro) und OFFIS (20 Bet.; 9,3 Mio. Euro), samt 16 Projektbeteiligungen im 6. FRP. Aber auch findet sich auf den Plätzen zwei bis vier. Rang fünf in Programmen, die eher an Universitäten durch- belegt das LZH mit insgesamt 16 Projektbeteiligun- geführt werden, können niedersächsische For- gen und einer Einwerbesumme von 5,4 Mio. Euro. schungseinrichtungen Projektbeteiligungen vor- Dabei ist zu betonen, dass auch die Max-Planck- weisen, so etwa im CITIZENS-Programm. Hier ist Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. Institute zehnmal Projektkoordinator ist, OFFIS und das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen durchgeführt, in der ROR Hannover immerhin 45 privatwirtschaftlich geführten Unternehmen betei- das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung je e. V. (SOFI) mit einem Projekt vertreten. (12,17 Mio. Euro), in der ROR Oldenburg 24 (10,18 ligen sich mit 28 Prozent (insg. 215 Projekte) an den sechsmal als Koordinatoren auftreten. Zieht man einmal mehr den geografischen Blick- Mio. Euro). In den ROR Hildesheim, Ost-Friesland niedersächsischen Projektbeteiligungen. Bei der Die meisten Projekte werden im AEROSPACE- winkel in die Analyse des Forschungsstandorts und Hamburg-Umland-Süd wird ebenfalls an au- akquirierten Fördersumme schaffen sie es dage- Programm abgewickelt (56), erst dann folgen die Niedersachsen mit ein, lassen sich auch für die au- ßeruniversitären Forschungseinrichtungen auf EU- gen „nur“ auf 21,9 Prozent oder 48 Mio. Euro. beiden Programme LSH und IST (34 und 27 Pro- ßeruniversitären Forschungseinrichtungen klare Ebene geforscht. Die wichtigsten Unternehmen, die sich im Feld der jektbeteiligungen). Die hohe Anzahl der Beteili- Aussagen treffen. Die Raumordnungsregion (ROR) gungen im AEROSPACE-Programm spiegelt je- Braunschweig führt hier das Feld an, insgesamt 3.6 Die privaten Forschungseinrichtungen Volkswagen AG, die Jos L. Meyer Werft, die Hacon doch nicht die breite Forschungslandkarte des werden hier 115 der 250 niedersächsischen Pro- Neben den Universitäten und den außeruniversitä- Ingenieursgesellschaft aus Hannover oder die Bundeslandes wider, denn 49 der insgesamt 56 jektbeteiligungen des Einrichtungstyps REC ren Forschungseinrichtungen beteiligen sich auch Neonman Bus GmBH, ein Tochterunternehmen der Projektbeteiligungen werden vom DLR durchge- durchgeführt, 33,93 Mio. Euro fließen somit in die private Unternehmen am 6. FRP der EU. Diese M.A.N. führt. Im SUSTDEV-Programm werden 24 Projekte Region Braunschweig. In der ROR Göttingen wer- durchgeführt und im HRM-Programm 18, hier wer- den 60 Projektbeteiligungen (30,67 Mio. Euro) EU-Forschung platzieren, sind zum Beispiel die 14 Die Erläuterung zu den Abkürzungen findet sich im Anhang. 109 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Tab. 4: Programmstruktur der privaten Unternehmen, sortiert nach Beteiligungen, 6. FRP Programm-Akronym Beteiligungen Fördersumme in Euro SUSTDEV 65 19.863.648 IST 43 9.789.950 SME 31 2.482.249 LSH 22 5.701.223 NMP 17 5.054.532 FOOD 13 1.683.149 AEROSPACE 9 1.304.473 EURATOM 6 1.332.355 SSP 4 270.120 HRM 2 300.052 INNOV 1 146.620 ERA-NET 1 51.960 CITIZENS 1 44.400 215 48.024.731 Gesamt Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. Mit 50 Beteiligungen und 13,8 Mio. Euro Einwer- dersächsische Forschungs- und Technologie- besumme folgt die ROR Hannover. Auch hier sind schwerpunkte auf der EU-Ebene wiederfinden las- die zwei stärksten Programme SUSTDEV (16 Bet.; sen bzw. wie sich der Trendverlauf bezüglich der 5,2 Mio. Euro) und IST (12 Bet.; 2,8 Mio. Euro). Den Beteiligungen und der Mittelakquise im Rahmen- dritten Platz belegen je nach Betrachtungsweise programmvergleich darstellt. entweder das Emsland (FS: 4,9 Mio. Euro; 8 Bet.) oder die ROR Oldenburg (FS: 2,9 Mio. Euro; 23 Bet.). wissenschaften" (NUTRI) Niedersachsen ist zum einen mit einem Anteil von 4. Die niedersächsische Partizipation an den Forschungsrahmenprogrammen der EU – untersucht nach Förderlinien 16,4 Prozent an der deutschen Bruttowertschöpfung der deutschen Landwirtschaft nach Bayern (19,9 Prozent) das bedeutendste Agrarland in Deutschland und somit ist die Landwirtschaft in Niedersachsen von herausragender wirtschaftli- Da sich die jeweiligen Rahmenprogramme der EU cher Bedeutung (vgl. Windhorst, 2008, S. 1). Zum bezüglich der einzelnen Förderprogramme bzw. anderen ist die Agrar- und Ernährungswirtschaft deren Programminhalte zum Teil erheblich unter- nach der Automobilindustrie der zweitwichtigste scheiden – so lassen sich die lebenswissenschaft- Wirtschaftszweig Niedersachsens, mit einer engen lichen Programme QoL (5. FRP) und LSH (6. FRP) Verzahnung zwischen Wirtschaft und Wissen- oder die Mobilitätsprogramme IHP (5. FRP) und schaft (vgl. MWK Niedersachsen, 2005, S. 2). HRM (6. FRP) nur bedingt miteinander verglei- Der Forschungsstandort Niedersachsen verfügt chen – ist ein Rahmenprogrammvergleich wie in mit dem Deutschen Institut für Lebensmitteltech- 15 110 4.1 Die Förderlinie „Agrar- und Ernährungs- den vorherigen Kapiteln nur auf allgemeiner Ebene nik (DIL) in Quakenbrück, der Bundesanstalt für Elf Unternehmen treten in insgesamt 17 Projekten den 65 der 215 Projekte durchgeführt (18 davon möglich. Landwirtschaft (FAL), der Biologischen Bundesan- als Koordinatoren auf, dabei hat kein Unternehmen alleine durch ein Unternehmen). Im IST-Programm Um hier eine tiefergehende Analyse unterhalb der stalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), der Tier- mehr als drei koordinierend durchgeführte Projek- liegt ein weiterer Schwerpunkt der niedersächsi- einzelnen Rahmenprogramme und gar unterhalb ärztlichen Hochschule Hannover sowie den Agrar- te. Ein Anzeichen dafür, dass private Unternehmen schen privaten Unternehmen, 43 Projekte werden der einzelnen Programmebenen zu ermöglichen, wissenschaften an der Universität Göttingen und mit der Durchführung von wenigen Projekten voll hier durchgeführt. Im SME-Programm, das auf den werden in diesem Abschnitt rahmenprogramm- dem Fach Gartenbau bzw. Lebensmittelwissen- ausgelastet sind. Tatsächlich haben die meisten Wissen und Technologietransfer zwischen Hoch- übergreifend sogenannte Förderlinien (FL) gebil- schaften an der Leibniz Universität Hannover beteiligten Unternehmen zwei oder weniger Pro- schulen und privaten Unternehmen abzielt, wer- det. Einerseits kann mittels dieser einzelnen FL, sowie diverser weiterer, kleinerer oder größerer, jekte, die durch die EU gefördert werden. Die För- den 31 Projekte in Einrichtungen des IND-Sektors die jeweils eine Art thematische Klammer bilden, privater Einrichtungen über international renom- dersummen, die bei privaten Einrichtungen einge- durchgeführt. der Trendverlauf der Beteiligungen bzw. der Mittel mierte Forschungseinrichtungen und -institute. worben werden, reichen von fast acht Mio. Euro Ähnlich wie bei den außerhochschulischen For- akquise unabhängig von den Rahmenprogrammen Darüber hinaus sind die Hochschulen in Hannover bis zu einer Fördersumme von null Euro. schungseinrichtungen führt auch bei den privaten sichtbar gemacht werden.16 Andererseits kann (TIHO), Göttingen, Vechta und Oldenburg im For- Ein Schwerpunkt der EU-Forschung lässt sich bei Unternehmen die ROR Braunschweig mit 68 Betei- mittels der FL erfasst werden, inwieweit sich nie- schungsverbund Agrar- und Ernährungswissen- den privat geführten Unternehmen im SUSTDEV- ligungen und einer Mittelakquise von 17,3 Mio. Programm erkennen, das sich mit nachhaltigen Euro das Feld aus geografischer Betrachtungswei- Energiesystemen, nachhaltigem Land- und See- se an. Dabei sind alleine 23 Beteiligungen (7,3 Mio. verkehr sowie mit den globalen Veränderungen Euro) dem Programm SUSTDEV zuzuordnen und und der Ökosysteme auseinandersetzt. Hier wer- 14 Beteiligungen (4,1 Mio. Euro) dem Programm IST. 15 Ein Beispiel: So beinhaltet das lebenswissenschaftliche Programm QoL des 5. FRP sowohl die medizinische als auch die lebensmittelwissenschaftliche Forschungsförderung. Im 6. FRP wurden diese Themen in den beiden Programmen LSH und FOOD separat ausgeschrieben und gefördert. 16 Ähnlich wie bei den Fünfjahresbewertungen ist somit für den nds. Forschungsstandort eine rahmenprogrammunabhängige oder -übergreifende Betrachtung möglich. Vgl. Five-Year Assessment of the European Union Research Framework Programmes, 2005, S. 27. 111 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Tab. 5: Förderlinie Agrar- und Ernährungswissenschaften (NUTRI), Mittel in Mio. Euro 5. FRP Programme Abb. 8: Agrar- und Ernährungswissenschaften (NUTRI) im FRP-Vergleich, Mittelakquise nach E-Typen, in Mio. Euro 6. FRP 7 Relevante Key-Actions des FOOD-Programm, relevante 6 QoL-Programms. Titel- und Unterprogramme des SSP- Abstraktanalyse relevanter Programms; Titel- und Ab IHP-Projekte; SME-Projekte straktrecherche relevanter mittels des QoL-Programms HRM- und SME-Projekte 5. FRP 5,9 6. FRP 5 4 3,2 3 Mittelakquise NI: 11,0 9,2 2,0 2 Entwicklung NI: Rückgang von 16 Prozent Rückgang von 16 Prozent 0,9 1 0,2 0,1 Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 0 HES REC IND OTH Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 112 schaften (FAEN) organisiert. Diese Rahmenbedin- bzw. 16 Prozent weniger als noch im Vorgänger- gungen lassen die Frage interessant erscheinen, programm. wie die niedersächsische Agrar- und Ernährungs- Abb. 8 gibt einen Einblick dahingehend, welche wissenschaft auf internationalem Niveau positio- Einrichtungstypen die primären Träger der ernäh- schulen im 5. FRP rund 3,9 Mio. Euro innerhalb Zuwendungen der Universität Göttingen stark niert ist. rungswissenschaftlichen Förderlinie sind und wie dieser Förderlinie eingeworben haben, waren es zurückgegangen. Während im 5. FRP mittels neun In Tab. 5 ist die Zusammenführung der relevanten sich die Mittelakquise im RP-Vergleich entwickelt im 6. FRP immerhin noch 3,2 Mio. Euro – typenin- Projektbeteiligungen rund zwei Mio. Euro einge- Förderbereiche aus den beiden letzten Rahmen- hat. tern betrachtet ein Rückgang von 0,7 Mio. Euro worben wurden, beläuft sich die Mittelakquise im programmen zur Förderlinie „Agrar- und Ernäh- So ist zunächst zu sehen, dass die außerhochschu- bzw. um rund 18 Prozent. 6. FRP in der agrar- und ernährungswissenschaftli- rungswissenschaft“ (NUTRI) nachvollziehbar. Da lischen Forschungseinrichtungen sowohl im 5. als Die privaten Einrichtungen hingegen konnten die chen Förderlinie lediglich auf rund 0,2 Mio. Euro. hierbei auch Unterprogramme und einzelne Pro- auch im 6. FRP die primären Träger dieser Förder- Mittelakquise mehr als verdoppeln, wenn auch nur Weiter ist in der Tabelle sichtbar, dass die Tierärzt- jekte diverser Programme der Förderlinie zugeord- linie sind. Gleichzeitig ist bei diesem Einrich- auf geringem Niveau. Wurden von diesem Einrich- liche Hochschule bei den Beteiligungen zwar un- net wurden, ist eine Angabe bezüglich der Ent- tungstyp ein deutlicher Rückgang in der Mittelak- tungstyp im 5. FRP noch knapp eine Mio. Euro ein- wesentlich zugelegt hat, jedoch bei der Mittelak- wicklung der Mittelausstattung über die Rahmen- quise zu verzeichnen: Während im 5. FRP noch geworben, waren es im 6. FRP rund zwei Mio. quise mit 2,1 Mio. Euro der Hauptträger dieser För- programme hinweg nicht möglich. knapp sechs Mio. Euro von den außerhochschuli- Euro. Dieser Positivtrend ist demnach dafür ver- derlinie geworden ist. Jedoch kann dieser deutli- In obenstehender Tab. 5 wird deutlich, dass die schen Forschungseinrichtungen eingeworben antwortlich, dass in der Gesamtbetrachtung che Mittelzuwachs den Gesamttrend innerhalb Mittelakquise im agrar- und ernährungswissen- wurden, waren es mit Ablauf des 6. FRP „nur“ „lediglich“ ein Rückgang von 16 Prozent zu ver- dieser Förderlinie bzw. den Negativtrend des Ein- schaftlichen Forschungsbereich für den nieder- noch vier Mio. Euro – ein typeninterner Rückgang zeichnen ist. richtungstyps Hochschule nicht kompensieren. sächsischen Standort leicht rückläufig ist: Wurden um rund 33 Prozent. Die Beteiligungen des Einrichtungstyps OTH wer- Die Leibniz Universität Hannover weist im Rah- im 5. FRP von den niedersächsischen Einrichtun- Auch die Hochschulforschung ist innerhalb der den in dieser Betrachtung nicht weiter thema menprogrammvergleich auf niedrigem Niveau gen in dieser Förderlinie noch 11,0 Mio. Euro EU- agrar- und ernährungswissenschaftlichen For- tisiert. eine konstante Partizipation an der Förderlinie NU- Zuwendungen akquiriert, so waren es zum Ende schung rückläufig, wenn auch in deutlich geringe- Die Tab. 6 wiederum macht drei Hauptaspekte TRI auf – jeweils drei Beteiligungen bei einer leicht des 6. FRP mit 9,2 Mio. Euro rund 1,8 Mio. Euro rem Maße: Während die niedersächsischen Hoch- sichtbar. So sind die Beteiligungen und EU- fallenden Mittelakquise, vertreten durch die natur- 113 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Tab. 6: Beteiligung und Mittelakquise innerhalb der Förderlinie NUTRI im FRP-Vergleich, nur Einrichtungstyp REC; Mittelakquise in Mio. Euro Hochschule 5. FRP Beteiligung Teilnehmer 6. FRP Mittelakquise Beteiligung Tab. 7: Beteiligung und Mittelakquise innerhalb der Förderlinie NUTRI im FRP-Vergleich, nur Einrichtungstyp REC; Mittelakquise in Mio. Euro Mittelakquise U Göttingen 9 2.030.859 2 267.394 Beratung und Forschung für UMG 0 0 1 277.423 den Tierschutz in der Nutztier- TiHo 7 895.555 8 2.142.000 LUH 3 481.262 3 258.749 MHH 2 577.632 0 0 TU Braunschweig 1 6.000 1 59.346 Bundesanstalt für Geowissen- HS Vechta 0 0 1 229.878 schaften und Rohstoffe (BGR) 22 3.991.308 16 3.234.790 Gesamt haltung (BFN) 1 180.061 0 0 10 2.798.288 10 2.020.498 0 0 1 63.014 4 567.700 10 1.091.579 0 0 1 85.500 2 462.725 1 15.840 1 149.520 0 0 0 0 1 726.000 0 0 1 157.315 1 1.332.646 0 0 1 22.500 0 0 1 163.500 0 0 Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 6. FRP 5. FRP Beteiligung Mittelakquise Beteiligung Mittelakquise Clausthaler UmwelttechnikInstitut GmbH (CUTEC) Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zell- 114 wissenschaftliche Fakultät bzw. durch die garten- Euro (BBA) bzw. rund 1 Mio. Euro (FAL) als die bauwissenschaftlichen Institute. Hauptakteure in der agrar- und ernährungswissen- Auch eine genauere Betrachtung der Beteiligun- schaftlichen Förderlinie. gen bzw. der EU-Mittelakquise der außerhoch- Auch ist in Tab. 7 sichtbar, dass das Deutsche schulischen Forschungseinrichtungen zeigt ein Primatenzentrum innerhalb der agrar- und ernäh- interessantes Bild: Neben dem schon bekannten rungswissenschaftlichen Förderlinie an den Erfolg Befund des monetären Rückgangs von 5,9 auf im 5. FRP nicht anknüpfen konnte: Warb das 4,0 Mio. Euro ist in Tab. 21 zunächst zu sehen, Deutsche Primatenzentrum mittels einer Projekt- dass im 5. FRP neun außerhochschulische Ein- beteiligung im vorletzten RP noch 1,3 Mio. Euro richtungen mittels 22 Projekten an der Förderlinie ein und war es darüber hinaus in diesem Projekt beteiligt waren. Im 6. FRP sind dies nunmehr nur als Koordinator aktiv, so ist diese renommierte noch sechs Einrichtungen, die sich mittels 24 Göttinger Forschungseinrichtung im 6. FRP zu- Beteiligungen innerhalb dieser Förderlinie enga- mindest innerhalb dieser Förderlinie nicht mehr gieren. aktiv. Darüber hinaus ist hierbei auffällig, dass im 6. FRP Bezüglich einer anderen außeruniversitären For- jeweils zehn Projekte von der Biologischen Bun- schungseinrichtung zeigt sich nicht nur bei der desanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) so- EU-geförderten agrar- und ernährungswissen- wie der Bundesforschungsanstalt für Landwirt- schaftlichen Forschung ein deutlich rückläufiger schaft (FAL) durchgeführt werden. Typenintern Trend: War das Deutsche Institut für Lebensmit- betrachtet erweisen sich diese beiden Einrichtun- teltechnik (DIL) im 5. FRP noch mit einer Beteili- gen mit einer Mittelakquise von rund zwei Mio. gung vertreten, ist in Tab. 7 zu sehen, dass das kulturen GmbH (DSMZ) Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. (DIL) Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH Obstbau-Versuchs- und Beratungszentrum Deutsches Primatenzentrum GmbH INTOX Institut für angewandte Toxikologie und Umwelthygiene GmbH an der Universität Oldenburg Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung d. Wissenschaften e.V. Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt Gesamt 1 273.400 0 0 22 5.950.340 25 4.159.746 Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung DIL im 6. FRP keine agrar- und ernährungswissen bzw. die Abstinenz auf der EU-Ebene sicherlich schaftlichen EU-Forschungsprojekte durchführt.17 kritisch zu bewerten. So zeigt eine Analyse der Be- Für die privaten Einrichtungen zeigt sich, dass es teiligungen, dass das DIL auch auf EU-Ebene ein innerhalb der agrar- und ernährungswissenschaft- wichtiger Forschungsdienstleister für KMU war, lichen Forschung auf EU-Ebene keinen Hauptak- auch für niedersächsische KMU – somit eine wich- teur gibt. Dies deuten schon die Beteiligungszah- tige Funktion im Innovationsprozess bzw. im Wett- len an, da im 5. FRP 18 Einrichtungen 21-mal und bewerb wahrgenommen hat. Das Einstellen des im 6. FRP 17 Einrichtungen 19-mal innerhalb der „europäischen Engagements“ seitens des DIL ist Förderlinie NUTRI aktiv waren. Auch lässt sich hier sicherlich auch auf die prekäre Personalsituation festhalten, dass es keine rahmenprogrammüber- innerhalb des Instituts zurückzuführen. greifende Beteiligungskontinuität gibt – Ausnah- Tab. 8: Förderlinie Humanmobilität (HM), Mittel in Mio. Euro 5. FRP Programme Unterprogramme des IHP- 6. FRP HRM-Programm Programms: Netze, Stipendien, Konferenzen; mobilitätsspezifische Instrumente in anderen Programmen Mittelausstattung RP men bilden hier lediglich die Lohmann Animal 4.2 Die Förderlinie „Humanmobilität“ (HM) Health GmbH bzw. die Lohmann Tierzucht GmbH Unabhängig von den Programmen besteht seitens jeweils mit Sitz in Cuxhaven. Beide Einrichtungen der EU-Kommission (KOM) für den Bereich der sind sowohl im 5. als auch im 6. FRP tätig. personellen Mobilität das Ziel, eine breite Basis Zusammenfassend stellt die gestiegene Mittelak- und Unterstützung für die Mobilität von Forschen- quise seitens der privaten Einrichtungen sicherlich den zu schaffen. Die Maßnahmen innerhalb dieser einen positiven Befund dar. Der oben festgehaltene Programme sollen helfen, „die grenzüberschreiten- Rückgang bei der Mittelakquise bezüglich der Ein- de und intersektorale Mobilität und Ausbildung richtungstypen HES und REC kann zum Teil auch europäischer Forschender weiter zu fördern, um so als ein positiv zu bewertender Mitnahmeeffekt sei- einem bereits länger bekannten Defizit an mobilem tens der Hochschul- und außerhochschulischen und hochqualifiziertem Forschungspersonal in Forschungseinrichtungen innerhalb des 5. FRP in- Europa im Vergleich zu anderen Regionen Abhilfe terpretiert werden: So haben beispielsweise die zu leisten und die Schaffung eines Europäischen oritäten (TP) des 5. FRP dem kompletten Mobili- Entwicklung sind die Universität Göttingen, die Tierärztliche Hochschule und das Deutsche Prima- Forschungsraumes zu unterstützen.“ (s. BMBF, tätsprogramm (HRM) des 6. FRP gegenüberge- Universitätsmedizin Göttingen sowie die Tierärzt- tenzentrum bedingt durch die BSE-Krise, die zu- 2002, S. 70) stellt (vgl. Tab. 8). liche Hochschule Hannover. Erstmalig partizipiert mindest für den deutschen Raum ihren (medialen) In diesem Unterkapitel ist von Interesse, wie sich Während bei der Mittelausstattung im FRP-Ver- auch die Universität Osnabrück mit zwei Beteili- Höhepunkt um die Jahrtausendwende hatte, ver- der niedersächsische Forschungsstandort im FRP- gleich ein Zuwachs um 75,9 Prozent zu verzeich- gungen an dieser Förderlinie. Trotz dieser positiven stärkt lebensmittelrelevante Forschung betrieben Vergleich an den Mobilitätsmaßnahmen der EU nen ist, zeigt sich für den niedersächsischen For- Entwicklung ist auffällig, dass die TU Braun- und somit flexibel und schnell auf das zusätzliche beteiligt hat und welche Einrichtungstypen die schungsstandort für den Vergleichszeitraum eine schweig (TU BS), die im 5. FRP mit fünf Beteiligun- Forschungsförderangebot innerhalb des 5. FRP Träger dieser Maßnahmen waren. Steigerung um 68,1 Prozent. Somit kann der Zu- gen im Mobilitätsprogramm der EU aktiv war, im reagiert. Für einen rahmenprogrammübergreifenden Ver- wachs für die hiesigen Einrichtungen als leicht un- 6. FRP nicht an dieser Förderlinie beteiligt ist. Da das DIL als ein zentraler Akteur innerhalb der gleich bzw. für eine Zusammenführung zu einer terproportional bezeichnet werden. Ähnliches gilt für die Medizinische Hochschule niedersächsischen agrar- und lebensmittelwissen- Förderlinie wurden relevante Unterprogramme des An der Förderlinie Humanmobilität (HM) haben Hannover: Während Letztere im 5. FRP noch rund schaftlich relevanten Forschung angesehen wer- Mobilitätsprogramms IHP sowie mobilitätsspezifi- am 5. FRP acht Hochschulen mit 37 Beteiligungen 400 Tsd. Euro im Mobilitätsprogramm akquirierte, den kann, ist der abnehmende Beteiligungstrend sche Instrumente innerhalb der Thematischen Pri- und am 6. FRP neun Hochschulen mit 39 Beteili- waren es im 6. FRP mit 40 Tsd. Euro bedeutend gungen teilgenommen. Wie in Abb. 9 zu sehen ist, weniger EU-Zuwendungen. beläuft sich die Steigerung der Mittelakquise von Ein ähnlich positiver Befund zeichnet sich in 5,1 Mio. (5. FRP) zu 7,6 Mio. Euro (6. FRP) auf rund Abb. 9 für die außerhochschulischen Einrichtun- 50 Prozent. Primär verantwortlich für diese positive gen ab: Während sich im 5. FRP fünf Einrichtungen 17 Eine rahmenprogrammübergreifende Analyse zeigt, dass das DIL im 3. und 4. FRP jeweils viermal und im 5. FRP einmal auf EU-Ebene aktiv war – somit ein deutlicher Negativtrend zu erkennen ist. Hierbei zeigt u. a. eine Instrumentenanalyse, dass das DIL in sechs der neun Projektbeteiligungen als Forschungsdienstleister auftritt. Somit erfüllt das DIL eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Auch für nds. KMU, wie einige Projektbeteiligungen zeigen. 116 Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung (nur Unterprogramme IHP) 898,0 1.580,0 Entwicklung RP Steigerung um 75,9 Prozent Steigerung um 75,9 Prozent Mittelakquise NI 8,8 14,8 Entwicklung NI Steigerung um 68,1 Prozent Steigerung um 68,1 Prozent Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 117 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Abb. 9: Humanmobilität (HM) im FRP-Vergleich, Mittelakquise nach E-Typen, in Mio. Euro 8 5. FRP 7 6. FRP 6 5 5,1 4 3 2,1 2 1,5 1 0,3 0 HES REC IND Quelle: Forschungsprojektdatenbank EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. 118 einem positiven Trend (vgl. hierzu Jerusel, 2004, S. In der prozentualen Betrachtung ist die Beteili- 49 sowie Jerusel, 2008, S. 189). Auch bezüglich der gung der privaten Einrichtungen auf Niedersach- weiteren Einrichtungstypen lässt sich der Trend senebene im Rahmenprogrammvergleich rück als ein nachholender interpretieren: So beläuft sich läufig. die Mittelausstattung des HRM-Programms inner- Die niedersächsischen Hochschulen beteiligen halb des 6. FRP mit 1,5 Mrd. Euro auf rund zehn sich am häufigsten am 6. FRP der EU (283 Mal). Be- Prozent an Gesamt. Während die Mobilitätsmaß- dingt durch die häufige Koordinatorfunktion der nahmen vom deutschen Forschungsstandort mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen wer- 8,1 Prozent schon leicht unterproportional nachge- ben diese mit 87,9 Mio. Euro am meisten EU-För- fragt wurden, war die Nachfrage seitens des nie- dermittel ein. dersächsischen Forschungsstandorts mit 6,8 Pro- In einer regionalen Perspektive zeigt sich, dass die zent an Gesamt sogar noch geringer (vgl. Jerusel, Raumordnungsregionen Braunschweig und Han- 2008, Bd. 2, S. 24 ff.). nover am stärksten von der EU-Forschungsförde- Neben dieser Bewertung als nachholende Ent- rung profitieren. Interessant ist bei der regionalen wicklung wird in Abb. 9 jedoch auch deutlich, dass Betrachtung, dass auch periphere Regionen wie es im 5. FRP nach Einrichtungstypen betrachtet beispielsweise Cuxhaven oder die Wesermarsch nur einen Hauptträger dieser Förderlinie gab, näm- erstaunlich häufig am 6. FRP partizipieren. Ein lich die niedersächsischen Hochschulen. Für das Effekt, der sicherlich auf die Nähe zu den Ober 6. FRP lässt sich mit der deutlich angestiegenen zentren oder Metropolen wie Bremerhaven, Bre- Mittelakquise seitens der außerhochschulischen men oder Hamburg zurückzuführen ist. Einrichtungen ein zweiter Träger identifizieren – Nach Einrichtungstyp betrachtet wird deutlich, auch diese Einrichtungen haben sich nun verstärkt dass die Hochschulen mitverantwortlich sind für mit zehn Beteiligungen und im 6. FRP acht Ein- jekten beteiligten und somit rund 2,1 Mio. Euro für das Mobilitätsprogramm der EU als Förderquelle den Mittelzuwachs im Rahmenprogrammver- richtungen mit 18 Beteiligungen engagieren – also den niedersächsischen Forschungsstandort einge- und als Transfermöglichkeit von Wissen erschlos- gleich. Jedoch profitieren nicht alle Hochschulen eine leicht gestiegene Anzahl von außeruniversitä- worben haben, beteiligen sich im 6. FRP noch ge- sen. gleichermaßen von der EU-Forschungsförderung, ren Einrichtungen von dieser Förderquelle profi- rade mal zwei Einrichtungen an dieser Förderlinie wie es das Beispiel der TU Clausthal zeigte. tiert –, ist die Mittelakquise für den angegeben mit jeweils einem Projekt – die BIOBASE GmbH Bezogen auf die außeruniversitären Forschungs- Zeitraum um das Fünffache angestiegen. Hier sind sowie die IPF PharmaCeuticals GmbH. die primären Träger der positiven Entwicklung die Abschließend wird die oben dargelegte positive Max-Planck-Institute sowie das Helmholtz-Zent- Entwicklung in dieser Untersuchung als nachho- Während die Projektbeteiligungen der nieder- herausragende Rolle in der niedersächsischen For- rum für Infektionsforschung. lendes Engagement verstanden. Die Abschlusser- sächsischen Einrichtungen seit dem 5. FRP rück- schungslandschaft einnehmen. Bedingt durch de- Für die niedersächsischen Unternehmen muss hebung zum 5. FRP (s.a. Jerusel, 2008) hatte noch läufig sind, ist der Mittelrückfluss im Rahmen- ren Engagement, überrascht es nicht, dass der hingegen gesagt werden, dass sie sich im FRP- (deutlich) unterproportionale Aktivitäten in diesem programmvergleich kontinuierlich gestiegen – im Luft- und Raumfahrtforschungsbereich das am Vergleich fast komplett von den Fördermöglichkei- Programm konstatiert: So lässt sich für die nieder- Vergleich der beiden letzten Programme um stärksten nachgefragte Förderprogramm ist. ten im Mobilitätsbereich verabschiedet haben – sächsischen Hochschulen sagen, dass diese im 26,7 Prozent. Bedingt durch die hohe Partizipation der Volks und somit auch von dem positiven Effekt, den der 5. sowie 6. FRP in der Gesamtschau jeweils den Die niedersächsische Akquisequote von 0,92 für wagen AG liegen die Forschungsschwerpunkte Wissenstransfer über Köpfe im wahrsten Sinne des 4. Rang behaupten konnten, während sie bei das 6. FRP deutet im Rahmenprogrammvergleich der privaten Einrichtungen bei den nachhaltigen Wortes mit sich bringen kann: Während sich im dem Mobilitätsprogramm den 7. (5. FRP) sowie jedoch darauf hin, dass die niedersächsischen For- Energiesystemen sowie dem nachhaltigem See- 5. FRP der EU immerhin noch sieben Einrichtun- 6. (6. FRP) Platz innehatten, jeweils also unter- schenden – gemessen an ihrer Anzahl – unter und Landverkehr innerhalb des SUSTDEV- gen an der Förderlinie Humanmobilität mit elf Pro- durchschnittliche Positionen – wenn auch mit ihren Möglichkeiten geblieben sind. Programms. 5. Ergebnisse auf einen Blick einrichtungen ist festzuhalten, dass die Forschungsinstitute des DLR auch auf EU-Ebene eine 119 Bericht – N iedersachsen im Fokus der E U - F orschung Betrachtet man das niedersächsische Forschungs- Literatur engagement nach Förderlinien, ist für den lebens- Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft Deutschland IKM (Hrsg.): Europäische Metropolre- und Kultur: Ernährungswissenschaft in Nieder- mittelwissenschaftlichen Forschungsbereich im BAW Institut für regionale Wirtschaftsforschung gionen in Deutschland. Ansatz – Akteure – Aktivi- sachsen. Innovationen für die Lebensmittelwirt- Rahmenprogrammvergleich ein leichter Rückgang GmbH (Hrsg.): Innovationsleistung und Innovati- täten. Stuttgart, 2006. schaft. Hannover, 2005. von rund 16 Prozent festzuhalten. Auch ein gestie- onspotential. Die Metropolregion Bremen-Olden- genes Forschungsengagement seitens der priva- burg im Nordwesten im Vergleich der Verdich- Jerusel, Jörg.: Niedersächsische Beteiligung an Windhorst, H.-W.; Grabkowsky, B.: Die Bedeutung ten Einrichtungen kann den Rückgang der ande- tungsräume in Deutschland. Regionalwirtschaftli- EU-geförderten Forschungs- und Bildungsprojek- der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen. Hoch- ren Einrichtungstypen innerhalb dieser Förderlinie che Studien 24. Bremen, 2007. ten sowie die Bedeutung des EU-Mobilitätspro- schule Vechta. Vechta, 2008. nicht kompensieren. gramms für die Hochschulforschung in Nieder- Für die Förderlinie „Humanmobilität“ ist im Rah- BMBF – Bundesministerium für Bildung und For- sachsen (Eine Analyse des Marie Curie Stipendien- menprogrammvergleich eine Steigerung von rund schung: Das 6. Forschungsrahmenprogramm. programms der EU). Entwicklung von 1987 – 2003. 68 Prozent erfasst. Dieser positive Befund wird Chancen für Deutschland und Europa. Bonn, 2002. EU-Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. Hanno- trotzdem als eine unterproportionale Entwicklung ver, 2004. gewertet, da sie unterhalb des Anstiegs der Mittel- BMBF – Bundesministerium für Bildung und For- ausstattung von 76 Prozent liegt. schung: BioRegionen in Deutschland. Starke Im- Jerusel, Jörg.: Die Beteiligung der deutschen Hoch- pulse für die nationale Technologieentwicklung. schulen am 6. Forschungsrahmenprogramm der Berlin, 2005. Europäischen Union – unter besonderer Berücksichtigung der EU-Beteiligungen des niedersäch- BMBF – Bundesministerium für Bildung und For- sischen Forschungsstandorts. Die Entwicklung schung: Das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm. von 1987 – 2006. EU-Hochschulbüro Hannover/ Berlin, 2007. Hildesheim. Hannover, 2006. BMBF – Bundesministerium für Bildung und For- Jerusel, Jörg.: Die Beteiligung der deutschen Hoch- schung: Bundesbericht Forschung und Innovation schulen am 6. Forschungsrahmenprogramm der 2008. Berlin, 2008. Europäischen Union. Abschlussbericht. Studie 7. Bd. 1. Hannover. EU-Hochschulbüro Hannover/ Elspaß, Peter A.: Niedersächsische Beteiligung an Hildesheim. Hannover, 2008. EU-geförderten Forschungs- und Bildungsprojekten. Entwicklung 1987 – 1998 und Analyse der Jerusel, Jörg.: Die Beteiligung des niedersächsi- Kooperation Hochschule – Wirtschaft. EU-Hoch- schen Forschungsstandorts am 6. Forschungsrah- schulbüro Hannover/Hildesheim. Hannover, 2000. menprogramm (FRP) der Europäischen Union. Abschlussbericht. Studie 7. Bd. 2. Hannover. EU- Haude, Jan: Regional Governance mit organisatori- Hochschulbüro Hannover/Hildesheim. Hannover, schem Kern am Beispiel der deutschen Metropol- 2008a. regionen. Magisterarbeit. Philosophische Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Hannover, 2007. Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (NIW): Forschung, Technologie, Innovationen und Wirtschaftsstruktur. Herausforderungen für die niedersächsische Technologie- und Innovationspolitik. Hannover, 2004. 120 121 Bericht – N iedersachsen im Fokus der EU-F orschung Abkürzungsverzeichnis INNOV = Forschung und Innovation (Förderpro- SSP = Politikorientierte Forschung (Förderpro- gramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) gramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) IP = Integriertes Projekt; Instrument im 6. FRP SUSTDEV = Nachhaltige Entwicklung, globale Ver- AEROSPACE = Luft- und Raumfahrt (Förderprogramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) änderung und Ökosysteme (Förderprogramm im 6. Bet. = Beteiligung(en) IST = Benutzerfreundliche Informationsgesell- Forschungsrahmenprogramm) schaft (Förderprogramm im 5. ForschungsrahmenBMBF = Bundesministerium für Bildung und For- programm); Technologien für die Informationsge- schung sellschaft (Förderprogramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) CITIZENS = Bürger und Staat in der Wissensgesellschaft (Förderprogramm im 6. Forschungsrahmen- LSH = Biowissenschaften, Genomik und Biotech- programm) nologie im Dienste der Gesundheit (Förderprogramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) ERA-NET = Koordinierung regionaler, nationaler und europäischer Forschungsinitiativen und -poli- NEST = Künftiger Wissenschafts- und Technolo- tiken (Förderprogramm im 6. Forschungsrahmen- giebedarf (Förderprogramm im 6. Forschungsrah- programm) menprogramm) EURATOM = Europäische Atomgemeinschaft für NI = Niedersachsen Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie (Förderprogramm im 5. und 6. For- NMP = Nanowissenschaften und Nanotechnologi- schungsrahmenprogramm) en, wissensbasierte multifunktionale Werkstoffe, FOOD = Lebensmittelqualität und -sicherheit (För- neue Produktionsverfahren und -anlagen (Förder- derprogramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) programm im 6. Forschungsrahmenprogramm) HES = Hochschuleinrichtungen NoE = Exzellenznetzwerk oder Netzwerke; Instrument im 6. FRP HRM = Humanressourcen und Mobilität (Förderprogramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) QoL = Lebensqualität und Management lebender Ressourcen Entwicklung (Quality of Life), (Förder- IHP = Ausbau des Potentials an Humanressourcen programm im 5. Forschungsrahmenprogramm) in der Forschung und Verbesserung der sozioökonomischen Wissensgrundlage Entwicklung (För- REC = Außeruniversitäre Forschungseinrichtun- derprogramm im 5. Forschungsrahmenprogramm) gen IND = Private Forschungseinrichtungen SME = Klein- und mittelständische Unternehmen im 6. Rahmenprogramm (Förderprogramm im 6. INFRAS = Forschungsinfrastrukturen (Förderpro- Forschungsrahmenprogramm) gramm im 6. Forschungsrahmenprogramm) 122 123 LITERATUR 2. Umwelt Siegfried Hübner Kulturlandschaftliche Informationssysteme in Deutschland: erfassen, erhalten, vermitteln / Bund Freifläche Neue Literatur über Niedersachsen, Bremen und Hamburg 1. Naturraum Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU), Bundesverband für Natur- und Denkmalschutz, Land- Gut Grün!: Von Lust und Nutzen der Kleingärten in schafts- und Brauchtumsschutz e.V., Bonn. Fach Hannover/[wiss. Ausstellungs- und Katalogkon- liche Begleitung und Red.: Klaus-Dieter Kleefeld … zeption, Objektrecherche, Texte: Indre Döpcke]. – – Bonn, 2008. – 220 S.: Ill., graph. Darst., Kt.; Hannover, 2009. – 80 S.: zahlr. Ill., Kt. (Schriften des ISBN 3-925374-80-9 Historischen Museums Hannover; 35); [S. 149 – 153: A. Hoppe: Erfassung von historischen ISBN 978-3-910073-35-7 Kulturlandschaftselementen in Niedersachsen] Naturschutz und Landschaftspflege Landschaft – Natur – Geschichte: Wie kann Natur Siano, Ralf: bewahrt und Erinnerung gestaltet werden? / hrsg. Überleben, Raum- und Habitatnutzung sowie Er- Hellmann, Karina: von Dietrich Hagen … – Oldenburg: Isensee, 2009. nährung ausgewilderter Auerhühner (Tetrao uro- Nachhaltiges Biosphärenreservatsmanagement – 155 S.: zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. (Schriftenreihe gallus L.) im Nationalpark Harz. – Göttingen: Cuvil- mit Hilfe von Managementansätzen einer Unter- des Landesmuseums Natur und Mensch; 66); 3. Workshop „Harzgeologie“: Vortrags- und Exkur- lier, 2008. – V, 205 S.: Ill., zahlr. graph. Darst., Kt.; nehmensführung: Herleitung eines Handlungskon- ISBN 978-3-89995-588-0 sionstagung, Halle (Saale), 8. – 9. Mai 2009/C.-H. Zugl.: Dresden, Techn. Univ., Diss., 2008; zepts. – Marburg: Tectum-Verl., 2009. – XI, 292 S.: [U-Boot-Bunker in Bremen als Erinnerungsort und Friedel … (eds.). – Duderstadt: Mecke, 2009. – 57 S.: ISBN 978-3-86727-855-3 graph. Darst., Kt.; Zugl.: Lüneburg, Univ., Diss, 2008; Biotop] Geologie Ill., graph. Darst., Kt. (Exkursionsführer und Ver ISBN 978-3-8288-9876-9 öffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Büscher, Dietrich: [Als Fallbeispiel u.a. der Nationalpark Niedersäch- Schauplätze der Umweltgeschichte: Werkstatt Geowissenschaften; 239); ISBN 978-3-86944-001-9 Beiträge zur Flora der Nordseeinsel Borkum: mit sisches Wattenmeer] bericht / Graduiertenkolleg 1024, Interdisziplinäre Anmerkungen zu Pflanzenarten, die in den Jahren Umweltgeschichte, naturale Umwelt und gesell- Geo-Touren in Hamburg/Hrsg.: Freie und Hanse- 2004 bis 2006 gefunden wurden, und einer Aus- Naturschutz in der Elbtalaue / Hrsg.: Naturschutz- schaftliches Handeln in Mitteleuropa, Univ. Göttin- stadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und wertung von Literaturangaben. – Münster i.W., bund Deutschland, Landesverband Hamburg. gen. Bernd Herrmann … (Hrsg.). – Göttingen, 2008. Umwelt, Geologisches Landesamt. V.i.S.d.P.: 2009. – 96 S.: Ill., Kt. (Abhandlungen aus dem [Gesamtred.: Uwe Westphal]. – Hamburg, 2007. – – 207 S.: Ill.; ISBN 978-3-940344-65-6 Jürgen Ehlers. – Erw. Neuaufl. – Hamburg, 2008. – Westfälischen Museum für Naturkunde; 71,2) 176 S.: zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. [zahlr. Beispiele aus Niedersachsen] Wundram, Andrea: Wahrnehmung und Akzeptanz von Großschutzge- Küste Beziehungen von Bodenpflanzen und Vegetations- bieten / Ingo Mose (Hrsg.). – Oldenburg: BIS-Verl. 168 S.: 1 mehrfarb. Kt. 1: 60.000 Flora und Fauna einheiten frühlingsgeophytenreicher Laubmisch- der Carl-von-Ossietzky-Univ., 2009. – 215 S.: Ill., Von der Geoarchäologie über die Küstendynamik Artensteckbriefe von See- und Wasservögeln der wälder der Region Hannover zum pH-Wert und zur graph. Darst., Kt. (Wahrnehmungsgeographische zum Küstenzonenmanagement: Beiträge der 25. deutschen Nord- und Ostsee: Verbreitung, Ökolo- Stickstoff-Nettomineralisation des Bodens (Befun- Studien; 25); ISBN 978-3-8142-2147-2 Jahrestagung des Arbeitskreises „Geographie der gie und Empfindlichkeiten gegenüber Eingriffen in de aus den Jahren 1997 und 1998); 65 Tabellen im [Darin S. 109 – 128: I. Mose, N. Mehnen: Zwischen Meere und Küsten“ 26.– 28.4.2007 in Hamburg/ ihren marinen Lebensraum/Bettina Mendel … – Text und als Anhang sowie auf einer CD. – Berlin ländlicher Idylle und Freizeitattraktion: Eigen- und Hrsg.: Gabriele Gönnert … – Hamburg: Hamburg Bonn-Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz, [u.a.]: Cramer, 2008. – 182 S.: Kt. + 1 CD-ROM (Dis- Fremdimage als Voraussetzungen für die touristi- Port Authority, 2007. – 221 S.: Ill., graph. Darst., Kt. 2008. – 437 S.: Ill., graph. Darst., Kt. (Naturschutz sertationes botanicae; 409); Teilw. zugl.: Hannover, sche Entwicklung des Naturparks Wildeshauser (Coastline report ; 9); ISBN 978-3-9811839-1-7 und biologische Vielfalt; 59); Univ., Diss., 2005; ISBN 978-3-443-64322-5 Geest] ISBN 978-3-7843-3959-7 124 125 LITERATUR LITERATU R Klima Geodäsie Zugl.: Habil.-Schr., Bremen, Univ.; Erfahrungen für Hamburg nutzbar machen; Doku- ISBN 3-531-15714-0 [Türkische Migranten in Bremen] Klimawandel – globale Herausforderung des 21. Abdelhafiz, Ahmed: mentation der Fachtagung am 23. und 24. Novem- Jahrhunderts: Vorträge anlässlich der wissenschaft- Integrating digital photogrammetry and terrestrial ber 2007/Internationale Bauausstellung Hamburg. lichen Tagung in Osnabrück vom 29. und 30.5.2008 laser scanning. – Braunschweig, 2009. – VII, 137 S.: – Hamburg, 2008. – 154 S.: zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. sowie der Tagung von und für Kinder und Jugend- Ill., graph. Darst. (Geodätische Schriftenreihe der liche in Oldenburg vom 4. und 5.7.2008/hrsg. von Technischen Universität Braunschweig; 23); Zugl.: Mamoun Fansa … – Darmstadt: Primus-Verl., 2009. Braunschweig, Techn. Univ., Diss., 2009; – 199 S.: Ill., graph. Darst., Kt. (Schriftenreihe des ISBN 3-926146-18-4 Landesmuseums Natur und Mensch; 67); ISBN 978-3-89678-988-4 seminar am 9. und 10. Februar 2009 im Forum 5. Kultur 4. Bevölkerung Museen [Darin S. 101 – 121: Practical work (S. 101 – 108: Lion Michaels, Sonja: Gretzschel, Matthias; Michael Zapf: status, Braunschweig)] Leben auf einem Adelssitz im Niederstift Münster: Schifffahrtsgeschichte ist Menschheitsgeschichte: Bauen, Wohnen, Arbeiten und Haushalten auf Burg Peter Tamm und das Haus an der Elbchaussee. – Dinklage zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. – Hamburg: Internationales Maritimes Museum, Cloppenburg: Museumsdorf, 2008. – 494 S.: Ill., 2008. – 124 S.: zahlr. Ill.; ISBN 978-3-9812348-0-0 Wasser im Gartenbau: Tagungsband zum Status- 3. 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November 2008, rios on groundwater resources in NW Germany] keiten und Grenzen der sozialen Durchmischung (1907 bis 1960). – Bremen: Ed. Temmen, 2009. – 395 Herzog-Anton-Ulrich-Museum Reiz der Antike: die Braunschweiger Herzöge und Braunschweig, in der europäischen Stadt (Beispiel Bremen und S.: zahlr. Ill.; (Beiträge zur Sozialgeschichte Bre- Kunstmuseum des Landes Niedersachsen … Hrsg. Rau, Sönke: Hannover); S. 127 – 152: H. Geiling: Stadt als sozia- mens; 25/26); ISBN 978-3-86108-973-5 von Gisela Bungarten … – Petersberg: Imhof, 2008. Klimaänderungen und Tourismus in Norddeutsch- ler und politischer Raum, Theorie und Methode land. – Geesthacht: GKSS-Forschungszentrum, einer Sozialraumanalyse (Beispiel Hannover)] – 255 S.: zahlr. Ill.; ISBN 978-3-86568-396-0 Integrationen: Vertriebene in den deutschen Ländern nach 1945 / Hrsg. von Marita Krauss. – Göttin- Scholl, Lars U.: Fokus Mittelstadt: Urbanes Leben in Göttingen – gen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008. – 223 S.; Alexander Calvelli: Werften – Schiffe – Häfen [hrsg. ein Studienprojekt / Hrsg. von Brigitta Schmidt- ISBN 978-3-525-36757-5 in Zusammenarb. mit dem Deutschen Schiffahrts- Lauber … – Göttingen: Schmerse, 2009. – 222 S.: [Darin S. 93 – 119: Bernhard Parisius: „Dass man museum, Bremerhaven]. – Bremen: Hauschild, Lange, Beate: Ill., graph. Darst. (Göttinger kulturwissenschaft natürlich in der Stadt mehr Möglichkeiten hat, das 2008. – 64 S.: überw. Ill.; ISBN 978-3-89757-433-5 Ökologische Auswirkungen des Schwerölge- liche Studien; 3); ISBN 978-3-926920-43-0 zu verwirklichen, was man will, ist klar“: Integra 2008. – 22 S.: graph. Darst. 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Geburtstag] hrsg. von Martin Stöber … – Han- Die Wassergesetzgebung im Herzogtum Braun- nover: Ecrivir-Verl., 2008. – 94 S.: Ill., Kt.; schweig nach Bauernbefreiung und industrieller ISBN 978-3-938769-07-2 133 LITERATUR LITERATU R Von der Burg zur Residenz: Kolloquium des Wis- Wurthmann, Nicola: Oldenburg: Stadtgeschichte in Bildern und Texten; König, Sonja: senschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenver- Senatoren, Freunde und Familie: Herrschafts vom Heidenwall zur Wissenschaftsstadt / Udo El- Die Stadtwüstung Nienover im Solling: Studien zur einigung Trier 2007/hrsg. von Joachim Zeune. – strukturen und Selbstverständnis der Bremer Elite erd … (Hrsg.). – Oldenburg: Isensee, 2009. – 165 S.: Sachkultur einer hochmittelalterlichen Gründungs- Braubach: Dt. Burgenvereinigung, 2009. – 148 S.: zwischen Tradition und Moderne (1813 – 1848). – zahlr. Ill., Kt. (Veröffentlichungen des Stadtmuse- stadt im südlichen Niedersachsen/Mit einem Beitr. Ill., graph. Darst., Kt. 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(Materialhefte heim im ehemaligen Herzogtum Braunschweig- Hamburg – Sansibar, Sansibar – Hamburg: Ham- und dokumentiert; mit einem Dokumentarteil über Lüneburg: auf dem baulichen Weg zur Residenz? burgs Verbindungen zu Ostafrika seit Mitte des den Jüdischen Friedhof in Obernkirchen von Gün- 11 Abb.] 19. Jahrhunderts / Landeszentrale für Politische ter Schlusche. Familienblätter, Interviews: Siegfried Bildung, Hamburg. Rita Bake (Hrsg.). – Hamburg, Bönsch. – Hamburg: Ellert & Richter, 2008. – 238 S.: Ziessow, Karl-Heinz: 2009. – 232 S.: zahlr. Ill., Kt.; zahlr. Ill., Kt. (Kulturlandschaft Schaumburg; 16); Hamburg, Schleswig-Holstein / bearb. von Johan- Der Erste Weltkrieg: Kriegswahrnehmung und ISBN 978-3-929728-19-4 ISBN 978-3-8319-0333-7 nes Habich, Christoph Timm (Hamburg) und Lutz 12. Architektur und Denkmalpflege Wilde (Lübeck). – 3., durchges. und erg. 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Ill.; 1 CD (Veröffentlichungen der Historischen Kom- ISBN 978-3-925544-31-6 mission für Niedersachsen und Bremen; 248). – (Beiträge zur Architektur- und Kulturgeschichte; Hamburgische Biografie: Personenlexikon/hrsg. von 2); Zugl.: Hannover, Univ., Diss., 2007; Franklin Kopitzsch. – Bd. 4. – Göttingen: Wallstein- ISBN 978-3-7752-6048-0 Verl., 2008. – 421 S.: Ill.; ISBN 978-3-8353-0229-7 Meyer, Wolfgang: Hamburg in historischen Karten / Landesbetrieb Fernando Lorenzen: ein Hamburger Architekt des Geoinformation und Vermessung. – Erfurt: Sutton, Deutschen Kaiserreichs 1859 bis 1917. – Neu- 2009. – 120 S.: 150 farb. 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Frau Christa Bartelt Sehr geehrte Leserinnen und Leser, c/o Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH die Wissenschaftliche Gesellschaft zum Studium Niedersachsens e. V. ist eine gemeinnützige Organisati- Bödekerstraße 7 on, die 1925 gegründet wurde und deren Aufgabe es ist, sich mit der Situation und Entwicklung Nieder 30161 Hannover sachsens wissenschaftlich aus historischer, sozialwissenschaftlicher, raumwissenschaftlicher, ökologi- Tel.: 0511/3997-215; Fax: 0511/3997-200 scher und ökonomischer Perspektive zu befassen. Sie regt Themen an, führt dazu Tagungen durch, fördert e-mail: [email protected] den wissenschaftlichen Nachwuchs über Preise und Veröffentlichungen und verfügt über ein weites Netzwerk von interessierten Wissenschaftlern und Praktikern aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und Verwaltung auf Landes-, Regional- und Kommunalebene. Name Unsere Zeitschrift „NEUES ARCHIV FÜR NIEDERSACHSEN“ erscheint zweimal pro Jahr, jeweils im Juni Institution/Firma und Dezember. Die Hefte sind so organisiert, dass sie Schwerpunktthemen behandeln sowie – regelmäßig – Beiträge zu neueren Veröffentlichungen zu Niedersachsen aus den unterschiedlichen wissenschaft Straße lichen Disziplinen und (einmal pro Jahr) zur Strukturberichterstattung für Niedersachsens Regionen bringen. PLZ/Ort/Land Mit diesem Heft möchten wir Sie anregen, dem Verein als Mitglied beizutreten. Tel.-Nr. Vorstand des Vereins sind: Prof. Dr. Hansjörg Küster (Vors.), Prof. Dr. Dietrich Fürst (Stv. Vors.), Annedörthe Fax-Nr. Anker, Dr. Rainer Ertel, Dr. Dirk Heuwinkel, Verbandsrat Ulrich Kegel, Prof. Dr. Axel Priebs. Der Vorstand wird von einem Beirat unterstützt, dem angehören: Dr. jur. Christian Ahrens, Dr. Arno Brandt, Prof. Dr. Sonning Bredemeier, Prof. Dr. Stephan Hartke, Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer, Dr. Rainhold Kolck, Prof. Dr. Ich möchte Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft zum Studium Niedersachsens e. V. werden. Heiderose Kilper, Dr. Gernot Schlebusch, Prof. Dr. Dietmar Scholich, Dr. Wolfgang Schrödter sowie Karl- Der Mitgliedsbeitrag von 25,00 Euro (Institutionen 150,00 Euro) schließt den Bezug des Ludwig Strelen. NEUEN ARCHIVS FÜR NIEDERSACHSEN mit ein. Sollten wir Sie für eine Mitgliedschaft oder das Abonnement der Zeitschrift interessieren können, nutzen Hiermit abonniere/n ich/wir das NEUE ARCHIV FÜR NIEDERSACHSEN zum Preis von 30,00 Euro Sie bitte das umseitige Bestell- resp. Beitrittsformular. Dort finden Sie auch die Kosten für Mitgliedschaft für zwei Hefte pro Jahr zzgl. Versandkosten. resp. Zeitschriften-Bezug. Mit freundlichen Grüßen Ich/wir bestelle/n Einzelheft/e, Nr. des Heftes 18,00 Euro pro Heft, zzgl. Versandkosten. Prof. Dr. Dietrich Fürst (Stv. Vorsitzender) Datum 138 Unterschrift zum Preis von Raum f ür N otizen